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Fesseln der Vergangenheit

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17.04.2011
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Fesseln der Vergangenheit

„Hast du eigentlich eine Freundin, Johannes? Oder spritzt es bei dir nur im Becherglas?“
Johannes ignorierte die Frage. Für ihn war es Zeit zu gehen.
„Johannes? Brauche ich jetzt das Kupfersulfat, damit Natriumsulfat ausfällt?“
„Ja. Du kannst aber auch etwas Schwefelsäure nehmen. Ohne neu anfangen zu müssen, kannst du dann gleich weiter auf Kupfer testen.“
„Mann, bis du schlau“. Sarah‘s Freundin nippte am Martini.
„Schlau genug, um im Labor keine Getränke zu mir zu nehmen. Mensch, Leute, das ist doch gefährlich!“
„Sei kein Spielverderber, Johannes. Es ist Bergfest.“
„Was ist der Unterschied zwischen Salzsäure und einem Martini?“ rief jemand.
„Im Martini hält die Olive länger!“ Grölendes Gelächter kombiniert mit dem Klirren von Gläsern erfüllte das Labor.
Johannes versuchte sich auf seine letzten Arbeitsschritte zu konzentrieren. „Wenigstens seid ihr so clever fabrikneue Bechergläser für eure Martinis zu benutzen“, dachte er. Die Oliven hatten sie auf Glasstäbe gespießt. Johannes begann seinen Arbeitsplatz abzuräumen. Er wollte nicht hier sein, wenn jemand ein Becherglas verwechselte. Bei dem was es im Labor an gefährlichen Flüssigkeiten gab, standen die Chancen auf bleibende Schäden ganz gut.
Sarah bemerkte, dass er gehen wollte und arbeitete sich zu ihm vor. „Kommst du nachher zur Party, Johannes?“
„Ganz sicher nicht.“ Er schwang sich seinen Rucksack auf den Rücken und verließ das Labor.
„Ganz ehrlich, Sarah, ich verstehe nicht, was du an dem findest. Der ist doch so langweilig.“ Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Der wird bestimmt mal Professor.“
„Er ist so anders als der Rest hier. Genau das finde ich spannend an ihm.“
„Vergiss ihn. Mit dem kriegst du sowieso kein Date. Der weiß doch gar nicht, was das ist.“

Wenige Tage später saß Sarah mit Johannes bei einem Italiener in der Altstadt.
„Ich bin gerne hier. Es gibt so wenige Tische, dass der Koch das Essen persönlich bringen kann. Er sagt, er mache das, weil er auf seine Küche stolz sei.“
„Durchaus zurecht“, antwortete Johannes.
„In den Semesterferien fahre ich regelmäßig ein paar Tage nach Hause. Mein Bruder kommt dann auch. Meine Mutter besteht darauf, damit die ganze Familie zusammen sein kann. Und dann kocht sie für uns. Es gibt immer mindestens vier Gänge. Dabei hat ihre Küche die Größe einer Besenkammer. Ich habe keine Ahnung, wie sie das organisiert kriegt. Mein Bruder hat einmal gefragt, ob sie das Essen beim Lindenhof bestellt hätte. Da war Stimmung, sag ich dir.“ Sie trank einen Schluck Wein. „Sie ist stolz auf ihre Kochkünste.“
„Wie alt ist dein Bruder?“
„Drei Jahre jünger als ich. Er studiert Chemie in England. Hast du Geschwister?“
„Nein. Warum studiert er nicht in Deutschland? Wie du auch?“
„Ganz einfach“, grinste sie. „Weil ich hier studiere.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Man merkt, das du keine Geschwister hast. Es geht ums Prinzip. Er kann nicht das machen, was ich mache. Des wegen studiere ich Chemie.“
„Du studierst Chemie in Deutschland, damit dein Bruder nicht Chemie in Deutschland studieren kann?“
„Nur des wegen.“ Kerzenlicht ließ ihre Augen funkeln.
„Ich bin froh ein Einzelkind zu sein.“
„Sein Englisch hat sich enorm verbessert. Seine Chemiekenntnisse sind ja sozusagen angeboren. Meine Mutter arbeitet als CTA. Mein Vater forscht an Weichmachern für Kunststoffe. Das ist sehr spannend, wenn er davon erzählt.“
„Ist diese Konkurrenz normal unter Geschwistern?“
„Ich bin so aufgewachsen. Du hättest mal meine Eltern vor zwanzig Jahren erleben sollen. Die haben das noch viel extremer ausgelebt. Inzwischen sind sie ruhiger geworden. Ich merke ihr Alter.“
„Deine Eltern sind aber jetzt keine Geschwister, oder?“
„Nein, natürlich nicht. Aber sie leben ihre Unterschiede aus und das bindet sie aneinander.“ Sie nahm einen weiteren Schluck. „Wie sind denn deine Eltern?“
„Ich würde irre werden, wenn meine Eltern so wären. Du hast nicht zufällig italienisches Blut in deinen Adern? Oder Spanisches?“
„Paderborn.“
„Wie?“
Der Koch näherte sich dezent. „Haben Sie noch einen Wunsch? Die Dame? Der Herr?“
„Nein, im Moment nicht. Danke.“
„Meine Eltern stammen aus Paderborn.“
„Ach so. Damit können wir Temperament wohl ausschließen.“
„Des wegen bin ich auch zum Studium nach Hamburg gezogen.“
„Weil sie in Paderborn leben, kannst du dort nicht leben. Ich sehe das Muster.“
„Wo leben deine Eltern?“
„Dein Bruder lebt in England?“
„London. Nicht ausweichen, Johannes.“ Sie fixierte seine Augen. „Wo leben deine Eltern?“
„Meine Mutter lebt in Ohlstedt.“ Er schob sein Glas hin und her. “Sie macht die Verwaltung in einer kleinen Tischlerei, glaube ich. Kennst du Ohlstedt?“
„Nicht wieder ausweichen. Erst verrätst du mir, was dein Vater macht. Dann erzähle ich dir, ob ich Ohlstedt kenne.“
„Du willst wissen, was mein Vater macht?“ Er zupfte an seiner Serviette. Sie lag jetzt parallel zur Tischkante.
„Exakt.“
„Tja.“ Er richtete die Salz- und Pfefferstreuer so aus, dass sie auf einer Linie zwischen den beiden Kerzen standen. Die Abstände waren jetzt genau gleich groß. Er hob sein Glas Bitter Lemon. Ein Tropfen Kondenswasser fiel auf die Tischdecke. Die Worte schienen in seinem Mund zu vertrocknen. Johannes nahm einen Schluck. Die Eiswürfel klickten gegen den Glasrand. Warum musste sie nur so beharrlich sein?
„Mein Vater.“ Johannes spürte, wie sein Atem flacher und schneller wurde. Winzige Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
„Hey, ganz ruhig.“ Sarah ergriff seine Hand und war überrascht, wie heiß und feucht sie sich anfühlte. „Atme einmal tief durch. Lass es einfach raus.“ Sie spürte, wie er versuchte seine Hand zurückzuziehen. Sanft, aber bestimmt, hielt Sarah sie fest. „Ich verrate es auch keinem. Versprochen!“
Mit der anderen Hand klammerte sich Johannes an sein Glas. Alles um ihn herum wurde unscharf. Er kriegte kaum Luft. So schlimm war es schon lange nicht mehr gewesen.
Plötzlich war er wieder in vertrautem Umfeld. In Kordhose und Strickpulli stand er als kleiner Junge auf der Kellertreppe im Haus seiner Eltern. Er sollte seinen Vater zum Essen holen. Vorsichtig ging er die Stufen herunter. Er war auf Strümpfen unterwegs und die Holzstufen waren sehr glatt. Er war hier schon oft ausgerutscht. Über die Fliesen, vorbei an einem Stapel Feuerholz, ging er zur Tür des Arbeitszimmers.
„Papa?“
Keine Antwort.
Er lugte um die Ecke. Sein Vater lag auf dem Sofa.
„Papa?“
Keine Reaktion. Er ging ganz dicht ran.
An dieser Stelle brach die Erinnerung immer ab. Die Angst von damals blieb. Wochenlang hatte er sich gefürchtet ins Bett zu gehen. Zu groß war die Angst, er würde auch nicht wieder aufwachen. Er hockte dann zwischen seinen Spielsachen, bis ihm irgendwann die Augen zu fielen. Stets wachte er in seinem Bett wieder auf.
Seine Mutter war mit ihm wenige Wochen später ans andere Ende von Deutschland gezogen. Er sollte einen Neuanfang haben.

„Was ist denn mit dem los?“
„Weiß nicht. Ich hab‘ ihn nur gefragt, was sein Vater arbeitet. Da ist er völlig ausgeflippt.“
„Der hat doch einen Knall.“
„Johannes! Du reißt dich jetzt zusammen! Entweder du nimmst an der Mathe-Stunde teil, oder du gehst raus!“
„Freak.“

Am nächsten Morgen erwachte Johannes völlig benommen. Wie auf einem Karussell wurden in seinem Kopf einzelne Erinnerungen nach vorne gebracht. Doch bevor er sie greifen konnte, waren sie schon wieder weg. Der Koch, der stolz sein Essen präsentierte. Die Speisekarte, aus der Sarah und er gewählt hatten. Ein Glas Rotwein. Hatte er getrunken? Nein, unmöglich. Wie zur Bestätigung wurde ihm ein Glas Bitter Lemon vorgeführt. Komplett mit Eiswürfeln und feinen Kondenswassertropfen am Rand. Er konnte die Eiswürfel klicken hören, als das Glas wieder in den Hintergrund fuhr.
In der Dusche spülte das heiße Wasser die Benommenheit beharrlich aus seinen Knochen. Am Waschbecken glaubte er sich einigermaßen erfrischt zu fühlen, aber sein Spiegelbild behauptete anderes. Er schlurfte in die Küche.
„Was Sarah jetzt wohl von mir denkt? Habe ich ihr erzählt, was damals passiert ist? Und wie bin ich nach Hause gekommen?“
Natürlich erhielt er keine Antwort. Er füllte den Wasserkocher und lehnte sich mit dem Rücken an die Arbeitsplatte.
„Sie wird ab heute einen Bogen um mich machen. Garantiert. Wenn ich Glück habe, erzählt sie niemandem von dem Abend.“
Etwas war anders in der Küche. Seine Schlüssel lagen mitten auf dem Tisch. Dabei gab es für sie nur exakt zwei Plätze. Entweder waren sie am Schlüsselbrett oder in seiner Jackentasche. Seine Jacke hing auch nicht an der Garderobe, sondern über einer Stuhllehne. Und sein Handy lag nicht neben der Ladestation. Es lag mitten auf dem Tisch. Blinkend warb es um Aufmerksamkeit.
„Anruf in Abwesenheit“ stand auf dem Display. Er erkannte Sarah‘s Nummer. Das Brodeln des Wassers schluckte inzwischen jedes andere Geräusch in der Küche. Johannes stopfte zwei Teebeutel in eine Thermoskanne. Sollte er sie zurückrufen? Aber wer ging schon mit einem Freak aus?
Mit einem lauten Klack schaltete sich der Wasserkocher ab. Johannes füllte die Thermoskanne und setzte sich an den Küchentisch. Er starrte sein Handy an und stellte sich vor, wie er sie zurückrufen würde.
„Hallo, Johannes.“
„Hallo, Sarah.“
„Ich wollte mich nur für den netten Abend bedanken.“
„Mir hat es auch gefallen. Sehen wir uns wieder?“
„Erst verrätst du mir, was dein Vater macht.“
Entsetzt sprang er von seinem Stuhl auf. Sein Puls raste. Mit dem Rücken zum Handy stützte er sich auf die Arbeitsplatte. Er ertrug den Anblick nicht. Was würde als nächstes kommen? Würde jede Begegnung mit Sarah so einen Anfall auslösen? Seine Hände zitterten als er die Teebeutel aus der Thermoskanne zog. Vorsichtig schenkte sich einen Becher ein. Er hielt ihn mit beiden Händen fest, bis er die Wärme spüren konnte. Der erste Schluck ließ ihn das Gesicht verziehen.
„Guten Morgen, Johannes.“
„Sarah?“ Erschrocken stellte er den Becher ab. „Was machst du hier?“
„Du guckst, als wäre ich ein Geist. Ich habe dich gestern Abend hier her gebracht.“
„Du hast mich hier her gebracht?“
„Du hast so fix und fertig ausgesehen. Ich habe mir echt Sorgen gemacht, dich hier alleine zu lassen. Ich wollte dich noch fragen, aber du warst nicht mehr ansprechbar. Ich habe mich dann einfach auf dein Sofa gelegt.“
Johannes spürte, wie seine Knie weich wurden. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, von dem er gerade erst aufgesprungen war, und angelte sich seinen Becher.
„In der Thermoskanne ist Tee. Bitte bediene dich.“
Sarah nahm sich einen Becher Tee und setzte sich ihm gegenüber.
„Als ich gemerkt habe, was ich in dir mit meinen Fragen ausgelöst habe, konnte ich es nicht mehr stoppen. Aber das ändert nichts. Ich kann nur sagen, ich habe das nicht gewollt.“ Sie nahm einen Schluck Tee. „Es tut mir Leid.“
„Und jetzt?“
Sie guckte ihn verständnislos an.
„Sarah, ich bin erwachsen. Du kannst mir ruhig sagen, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“
„Das wäre nicht die Wahrheit.“
„Aber was sollte dann dieser Anruf?“
„Welcher Anruf?“
Er schob sein Handy zu ihr herüber.
„Ach, da habe ich mich gestern Abend verwählt. Ich wollte zuerst ein Taxi rufen.“ Sie nahm einen weiteren Schluck Tee. „Hast du deshalb eben so entsetzt in der Küche gestanden? Du hast geglaubt, ich gebe dir einen Korb.“
„Ich habe mir vorgestellt, wie ich dich zurückrufe. Und dass du mich nach meinem Vater fragst.“
„Das brauche ich nicht mehr. Du hast mir erzählt, was du damals durchgemacht hast. So etwas steckt niemand einfach so weg. Es verfolgt dich, es prägt dich; aber es hält dich nicht auf.“
„Doch! Es hält mich auf.“
„Nein. Guck‘ dich doch mal um. Du hast deine eigene Wohnung. Du studierst erfolgreich. Du triffst deine eigenen Entscheidungen und stehst dazu. Das bedeutet dann eben, dass du nicht auf Parties gehst und keinen Alkohol trinkst. Du hast dafür deine persönlichen Gründe. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass du diese beiden Sachen vermisst.“ Sie stellte den Becher ab und nahm seine Hände in ihre. Johannes schloss die Augen. „Genau das ist es, was ich an dir bewundere. Du bist nicht wie die anderen. Und das muss so sein.“
Er öffnete wieder die Augen und ließ ihre Worte einsinken.
„Das hat gut getan.“
Sie schwieg.
„Ich mag deine Offenheit. Ich mag deine Direktheit. Ich kann es nur schwer beschreiben, aber wenn du meine Hände berührst, dann fühle ich mich irgendwie sicher.“
„Ich glaube, du hast sehr viel von deiner Vergangenheit gründlich verdrängt. Verdrängen funktioniert solange du dich und dein Umfeld kontrollierst. Aber wenn die Kontrolle nachlässt, dann brechen die Erinnerungen hervor. Und die Erinnerungen tun dir weh.“
„So wie eben. Oder gestern Abend. Ich will aber nicht ständig solche Attacken erleben.“ Er stieß seinen Becher von sich. Tee schwappte auf den Tisch. „Ich will, dass das endlich aufhört. Das stört mein Leben.“
„Wegen der Erinnerungen trinkst du auch keinen Alkohol, stimmt‘s?“
Johannes fühlte sich nackt. Sie wusste genau, was in ihm vorging.
„Hilf mir.“ Er schluckte. „Bitte. Ich will mich nicht mehr erinnern.“
Sie beugte sich vor und ergriff wieder seine Hände. Tränen glitzerten in seinen Augen. „Ich kann dir helfen, wenn du es willst. Es wird noch einmal ziemlich weh tun. Aber dann ist es vorbei.“
Johannes guckte sie hoffnungsvoll an.

 
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Hallo Peter,

irgendwie urig

Das sind so Platzpatronen aus dem Arsenal freier Mitarbeiter von Lokalzeitungen. Die machen "Peng!", aber da wirst du nie was mit treffen.


Die Kellner schafften es immer nur dann bemerkbar zu sein, wenn sie gebraucht wurden

Die Kellner schafften es, immer nur dann bemerkbar zu sein, wenn sie gebraucht wurden


Sarah redete an diesem Abend viel und Johannes genoss es ihr einfach nur zuzuhören.

Sarah redete an diesem Abend viel und Johannes genoss es, ihr einfach nur zuzuhören.


Ihre kristallklaren, leuchtenden blauen Augen

Der Titel an sich ist schon eine Theatralik-Bombe, dann reflektiert ein Weinglas Kerzenschein und obendrauf diese Nummer hier. Erinnert mich an dieses Curse-Video, wo er allein in irgendeinem Rathaussaal oder was sitzt und seiner Belladonna hinterherweint. Man fragt sich die ganze Zeit: Hätte es nicht eine Idee weniger vielleicht auch getan?


Damit lag die gefürchtete Frage auf dem Tisch.

Sehr unspannend, zeig doch lieber, dass Johannes da so ein bisschen um den Brei herumtänzelt.


Aber Familien hatten in Sarahs Weltbild einfach einen zu hohen Stellenwert und Sarah war offenbar schon als Kind sehr beharrlich gewesen.

Tell, tell, tell, bei etwas Längerem okay, aber hier hat man das Gefühl, der Autor hätte lediglich eine eigene, innere Blaupause der Geschichte verschriftlicht. Zeig doch mal, wie wichtig Sarah traditionelle Famlienstrukturen sind. Zum Beispiel könnte sie über eine Dozentin lästern, die mit 35 immer noch nicht verheiratet ist. Oder eine Kommilitonin, deren Onkel im Gefängnis sitzt.


"Tja", begann Johannes langatmig und schob nervös sein Glas Bitter Lemon auf dem Tisch vor sich her.

"Tja." Johannes schob sein Glas Bitter Lemon vor sich her. Merkste den Unterschied?


leichtem Klicken

leise


Den Blickkontakt mit Sarahs bezaubernden Augen hatte er reflexartig abgebrochen.

Er sah ihr nicht länger in die Augen. Musst du wissen, aber mindestens das „bezaubernd“ sollte raus, sonst dürfte sich der eine oder andere Leser spätestens an dieser Stelle übergeben.


Ich bin ja gerade erst hierher gezogen.", antwortete sie

Ich bin ja gerade erst hierher gezogen", antwortete sie


Er fühlte sich schon eine ganze Weile nicht sehr wohl, denn er glaubte zu wissen, was nun kommen würde.

Komplett überflüssig.


Jetzt musste er sich entscheiden, ob er die Erlebnisse offenlegen wollte, die ihn massiv geprägt hatten.

Blaupause! Lass den Leser sowas rausfinden, das ist sonst stinklangweilig!


das Sarah es geschafft hatte

dass … und erstaunlich ist, dass er sie dazu gebracht hat, mit ihm auszugehen.


denn auf Strümpfen war die Holztreppe sehr glatt

Mehr solche Details und weniger Berwertungen, Einschätzungen, Erklärungen.


"Papa?", fragte Johannes von der Tür aus.

"Papa" reicht, weil in dieser Szene niemand sonst sprechen könnte.


lugte er mit dem Kopf um die Ecke.

Kopf ab. Mit was soll er denn sonst lugen?


reflexartig

reflexartig hast du schon mal, zu oft für so einen kurzen Text.


Selbst wenn Johannes nur beobachtete, wie Gleichaltrige mit ihren Vätern zusammen waren, schlich sich bei ihm die unendliche Traurigkeit an.

Traurigkeit, die sich anschleicht, ist schräg. Zeig ihn neidisch zu einer Vater-Sohn-Szene am Nachbartisch blicken. Platt, aber alles ist bessr als dieses unspezifische Herumgeeiere.


und wollte vermeiden, das er ihr

dass


In der Küche viel ihm sofort auf, das sein

dass


sondern über der Lehne eines Küchenstuhls und sein Handy lag

, und


und aus seinem Sortiment einen Japan Bancha

Das ist jetzt ein Detail an der falschen Stelle. Ist es für die Geschichte irgendwie von Bedeutung, dass er Ahnung von Tee hat?


Die feine Note des Bancha

Hast du 'n Internetshop für das Zeug?


Er hatte erwartet, das

dass

Naja, da ist mir nicht genug Saft drin. Dabei hast du ja einen gar nicht uninteressanten Plot: Junge trifft Mädchen und hält etwas vor ihr geheim, um ihr besser zu gefallen. Das Problem ist, dass du das auch genau so oder geringfügig ausführlicher schreibst, anstatt deine Figuren handeln zu lassen. Schreib nicht „Er ist jähzornig“. Lass ihn gegen den Gartenzaun treten.

Grüße
JC

 
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Moin Proof

erst mal Danke für die gnadenlosen Streich-Empfehlungen. Die meisten Sachen habe ich eben rausgekickt. Bei dem "herumgeeiere" überlege ich mir noch genauer, wie ich das darstelle.

und erstaunlich ist, dass er sie dazu gebracht hat, mit ihm auszugehen.
Meinst Du das jetzt als Kommentar zur Person oder als Vorschlag zur Umformulierung?

Das Johannes ein Kontrollfreak kann ich ihn auch noch mehr ausleben lassen. Das wollte ich beispielhaft mit dem Tee zeigen. Das der Tee nicht so ist, wie er sein sollte, brachte ihn zwar in der Vergangenheit auch nicht zum ausrasten, aber es war für ihn eben nicht in Ordnung. Sarah bringt ihn dann dazu, auch solche Sachen zu akzeptieren. Das ist sozusagen der erste Schritt aus seiner kontrollierten Welt heraus.

BTW: Kann es sein, das Du keinen Tee trinkst? Als Shop kann ich http://www.tee-und-tee.de/ empfehlen ;)

Ich nehme auf alle Fälle mit, das meine Charaktere mehr Leine brauchen, und dass ich aufpassen muss, dass ich beim Leser nicht versehentlich "Spezialwissen" erwarte (... und natürlich die Rechtschreibung etwas mehr würdige).

Gruß
Peter

 

Hallo Peter,

Sie hatten sich erst letzte Woche während eines Praktikums im Studium kennengelernt.

Da Dein Erzähler an Johannes dranklebt, sollte er es auch konsequent tun. Hier also: Johannes kannte Sarah erst seit einer Woche. Und dann könnte man eigentlich hübsch szenisch erzählen, wie die erste Kontaktaufnahme zu Stande kam. In so zwei, drei Sätzen. Er stand - sie kam und sagte ...

Für den Übergang eher: Jetzt saßen sie hier, (als einen Sprung zu machen) in diesem kleinen Lokal, dass er für diesen Abend ausgesucht hatte. Es war klein und urig ... dafür doch ein Detail, statt es zu behaupten - damit der Leser sich ein Bild über das Kleine, Urige machen kann. Hier gab es nur acht Tische. Tische von der Art, wie einer in der Küche seiner Oma stand, ohne Tischdecken, dafür mit vielen Kerben im Holz.

Die Kellner schafften es, immer nur dann bemerkbar zu sein, wenn sie gebraucht wurden. Ansonsten verschmolzen sie vollkommen mit dem Hintergrund.

Unwichtige Info, kann also raus ;).

"Jetzt habe ich von mir soviel erzählt," sagte sie und führte das Glas wieder an ihre Lippen, "nun bist Du dran. Was machen Deine Eltern?"

Du und Deine in der wörtlichen Rede klein, nur das "Sie", darf da groß bleiben.

Aber Familien hatten in Sarahs Weltbild einfach einen zu hohen Stellenwert und Sarah war offenbar schon als Kind sehr beharrlich gewesen.

Woher weiß er das? Wieso soll ich ihm das glauben? Wenn Du erzählen würdest, dass Sarah den ganzen Abend von ihrer Familie und Erlebnissen aus der Kindheit sprach ... dann denk ich mir diesen Teil und baue es als Leser selbst in die Figur ein. Der Effekt ist ungleich größer.

Den Blickkontakt mit Sarahs bezaubernden Augen hatte er abgebrochen.

Schlimmer Satz ;). So Erzählermäßig, so tell. Show könnte es so aussehen: Er senkte den Blick, zupfte an der Serviette, die der Kellner liegenließ, spürte die Worte in seinem Mund vertrocknen.

"Mein Vater", begann er und stockte. Johannes war nie sehr kontaktfreudig gewesen und hatte sich immer schnell zurückgezogen. Insofern war es schon erstaunlich, dass sie beide hier zusammen saßen.
Für Johannes wurde die Umgebung wolkig und verblasste. Er klammerte sich geradezu an seinem Glas fest, um irgendwo Halt zu haben. Ein Tropfen Kondenswasser lief ihm kühl über die Finger.

Hier ist nicht der richtige Ort, für solche Erklärbärsätze. Die Szene ist zu stark, als das man sie dadurch unterbrechen sollte.

"Mein Vater", begann er und stockte. Alles um den Tisch verzerrte sich. Er sah keine Konturen mehr, konnte nicht mehr scharf stellen. Er klammerte sich geradezu an sein Glas, ein Tropfen Kondenswasser lief ihm kühl über die Finger.

Und schon sah Johannes wieder vor seinen Augen, wie er in Kordhose und Strickpulli mitten auf der Treppe zum Keller stand. Er hörte die Stimme seiner Mutter, die ihn aufforderte seinem Vater zu sagen, dass das Essen in zehn Minuten fertig sei.

Direkter ... sei direkter. Nicht so umständlich.
Und schon sah sich Johannes wieder als Stift, in Kordhose und Strickpulli auf der Treppe zum Keller stehen, als seine Mutter ihm zurief, den Vater zum Essen zu holen.

Ich höre an dieser Stelle mal auf. Weiß ja gar nicht, ob Dir das zusagt, was ich hier schreibe. Muss es nämlich nicht. Sind alles nur Vorschläge.

Inhaltlich gefällt es mir eigentlich recht gut. Aber es ist natürlich auch irre schwierig, so einen Knacks, den er damals abbekommen hat und nie wieder losgeworden ist, über den Zeitraum der Jahre glaubhaft an den Leser zu bringen. Also, dass er so lang und arg damit zu knabbern hat und dann kommt Sarah und löst mit einer Frage die Fesseln. Das ist schon echt eine schwierige Aufgabe, die Du Dir da gestellt hast.

Das Ende, wo er den Tee trinkt, den er sonst weggekippt hätte, dass hat mir gut gefallen. Das ist eine schöne Auflösung. Ein sehr zarter Anfang.

Der Text an sich funktioniert halt nur bedingt, weil Du Deinen Erzähler so viel Platz einräumst, statt den Leser mit Details und Szenen für Dich einzunehmen. Da wäre noch eine Menge Plus drin.
Sarah braucht auch noch etwas mehr eigene Persönlichkeit, klar sie ist nicht die Hauptfigur, hat aber eine wichtige Rolle, und insofern kannst Du ihr ruhig etwas mehr Zeilen gönnen. Und mach sie nicht so perfekt, sondern gönne ihr etwas natürliches ;). Johannes denke ich, der funktioniert schon, als Figur.

Der Textkram - sind halt nur Hinweise, nimm was Du magst, den Rest ignoriere. In diesem Sinne,

beste Grüße Fliege

 

Moin Fliege,

das Lokal hast Du schön beschrieben. Genau so einen Ort hatte ich vor Augen, aber ich habe nicht genau genug hingeguckt, was es da zu sehen gab.

Er senkte den Blick, zupfte an der Serviette, die der Kellner liegen ließ, spürte die Worte in seinem Mund vertrocknen.
Das finde ich richtig Klasse.

Das Ende, wo er den Tee trinkt, den er sonst weggekippt hätte, dass hat mir gut gefallen. Das ist eine schöne Auflösung. Ein sehr zarter Anfang.
Danke.

Für meine nächste Geschichte hat mein "Erklärbär" Mundverbot bekommen. Ich habe schon einige Sätze wieder gelöscht und ehrlich gesagt, macht es direkt Spaß zu überlegen, wie ich etwas zeigen kann. Mit jedem Mal gefällt mir die Geschichte besser. Wenn ich damit durch bin, werde ich diese Geschichte in dem Stil nochmal überarbeiten. Ich denke, Sarah wird dann automatisch etwas griffiger und die Veränderung, die in Johannes stattfindet kommt besser raus.

Gruß
Peter

 

Moin,

auf Basis der vielen Ratschläge habe ich die Geschichte nochmal komplett neu geschrieben. Ich bin gespannt auf Eure Kommentare.

Gruß,
Peter

 

Hallo Peter,

inhaltlich gefällt mir deine Geschichte. Auch dein Schreibstil ist recht flüssig zu lesen.
ABER die Umsetzung hat mir nicht so gut gefallen. Ich habe mitbekommen, dass dies hier bereits deine Neuversion ist.
Angenehm zu wissen, dass du an deinen Geschichten arbeitest.

Vielleicht magst du noch mehr tun?

Geschichten bekommen oftmals einen statischen Charakter, wenn der Autor dem Leser die Speise bereits zu Brei vorgekaut hat. Dieser Mühe hätte es nicht bedurft und du siehst, ich danke es dir noch nicht einmal.

Du darfst beherzt davon ausgehen, dass dein Leser nicht dumm ist, er kann kombinieren, wenn du ihm die Puzzlesteinchen hingelegt hast, er hat Vorstellungskraft und vermag auch Lücken zu überbrücken.

Ich fand mich viel zu sehr von dir an die Hand genommen. Johannes kommt da fast noch besser bei mir weg als Sarah, denn die wirkt auf mich wie eine Übermutter, die allwissend ist und dadurch total nervig rüberkommt.

Sarah, um mal bei ihr zu bleiben, wirkt auf mich auch nicht schlüssig. Zunächst habe ich den Übergang vom normalen Gespräch im Labor zum Date gar nicht als verhaltene Werbung Johannes empfunden. Ich dachte, da treffen sich eben zwei aus dem Labor, zwei Kollegen, aber nicht eine sich anbahnende Beziehung.
Dann sabbelt Sarah munter drauf los wie halt Frauen so sind, was ich ansich ganz gut als Einstieg fand, weil aus dieser Leichtigkeit sich die Katastrophe fast unmerklich anschleicht.
Schon im Lokal, aber erst recht dann bei Johannes zu Hause wird diese Sarah aber immer nerviger in ihrem psychologischen Laienwissen, sie mutiert von der einfachen Frau zur weisen Übermutter. Ich bin mir sicher, dass du sie gradliniger darstellen wolltest.

Der Part der im Keller liegenden Leiche ( im wahrsten Sinne) ist eindeutig zu sehr erzählt und moderiert und viel zu wenig dargestellt. Du hast dir aber auch kein leichtes Thema ausgesucht, das möchte ich dir gerne zugute halten. Im letzten Teil wirken deine Protagonisten zu hölzern. Mit einem guten Dialog könntest du noch mehr Leben hineinbringen und du darfst gerne noch mehr Dinge weglassen. Der Leser hat erfahren, dass der Junge damals den Vater tot im Kellerraum fand, nun lass dem Leser auch weiterhin die Phantasie wie sehr der Sohn sich davon gefangen fühlt.
Vielleicht wäre es eine Herausforderung für dich: das letzte Drittel in Dialogform, auch die Gedanken Johannes als inneren Dialog und aber unbedingt einen Spannungsbogen hineinbauen, was dir nicht schwer fallen dürfte, denn du hast den ja schon drin, weil Johannes fest davon ausgeht, Sarah will nichts mehr von ihm wissen.


Und vielleicht verträgt diese Geschichte es auch, wenn sie kein Happyend mit einer "guten" Sarah hat. Vielleicht möchte Sarah sich das nochmals überlegen, ob sie mit so einem Beladenen eine Beziehung eingehen möchte.

Fazit: Gar nicht mal so schlechte Geschichte, deren interessanter Plot noch stimmiger umgesetzt werden könnte.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita,

ich hatte die Geschichte im Kopf schon abgehakt, weil sich keiner gemeldet hat. Um so mehr freut es mich, dass ich dazu doch nochmal eine Meinung lesen kann. Ich sehe das aber genauso, dass ich den Leser hier noch viel zu stark an die Hand genommen habe.

Ich habe mich inzwischen der Rubrik "Jugend" zugewandt, weil ich festgestellt habe, dass mir jüngere Charaktere besser gelingen und auch mehr Spaß machen. Vielleicht greife ich das Thema dort nochmal auf.

Vielen Dank für's Lesen,
Peter

 

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