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Eingesperrt

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22.12.2008
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Eingesperrt

Hat nicht jeder einen Punkt in seinem Leben an dem er sich fragt wie er zu dem werden konnte, der er heute ist? Ich stellte mir diese Frage jahrelang. Die Meisten würden wohl behaupten dass ich zu jung für solche Gedanken sei, aber die meisten Menschen können es nur länger verdrängen als ich. Es ist eine Tatsache dass wir fast alle gleich sind, die Predigten über den Mensch als Individuum sind erfunden und eine Lüge. Wir alle richten uns mehr nach der Zeit, als nach dem was wir möchten. Beinah überall klingelt morgens der Wecker, wir stehen auf und dann folgt eine mechanische Bewegung der anderen. Der Alltag lässt keine Zeit sich an den kleinen Dingen im Leben zu erfreuen. Wir achten nicht darauf wie gut die Blumen auf dem Küchentisch duften, wie sehen nicht wie der Morgentau in den ersten Sonnenstrahlen glitzert, wie grüßen nicht den Nachbarn der ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit ist. Nein, für uns ist es wichtig pünktlich zu sein, deswegen gehen wir an all diesen Dingen vorbei, die Gedanken starr, der Blick leer. Wir sind schuld daran dass es in unserem Leben keine Veränderung gibt, ich sehe den Beweis jeden Tag am Bahnhof. Dort stehen immer dieselben Menschen, schon lange bevor der Zug losfährt, doch niemand spricht mit dem anderen. Wenn ein Blick den eines anderen kreuzt, schauen sie schnell zu Boden, sie vermeiden ein Gespräch, sie vermeiden es etwas Neues in ihrem Leben zuzulassen. Sie tragen alle dieselbe graue Kleidung, besitzen alle dasselbe IPhone oder IPad und dennoch glauben sie alle, sie seien einzigartig und hätten mit der Person gegenüber nichts gemeinsam. Ich sehe sie jeden Morgen, ich spreche niemanden an, denn in Gedanken bin ich wie alle anderen schon längst bei der Arbeit oder schon wieder zuhause, denn dort warten genug Probleme die gelöst werden müssen. Ich habe keine Zeit für Veränderung, der Alltag lässt nicht los.

Als wir Kinder waren war alles einfacher. Das klingt nach einem völlig erschöpftem Klischee, aber leider ist es die reine Wahrheit. Wir hatten Sorgen, aber diese konnten meist mit einer Umarmung oder einem Eis mit Sahne und Kirsche obendrauf aus der Welt geschafft werden. Wir hatten für die meisten Dinge um uns herum keine Erklärung und das war gut so. Ich weiß noch, wie ich über die Felder gerannt bin, so weit wie noch nie und das nur weil ein Regenbogen am Himmel war und ich das Ende erreichen wollte. Ich wusste nichts von Spiegelungen oder wie sich das Licht bricht und wie Farbe entsteht, ich wusste es nicht und war glücklich. Die Menschheit neigt dazu alles Schöne auf der Welt mit logischen Erklärungen und unwiderlegbaren Fakten zu zerstören. Wie begeistert könnten wir durchs Leben gehen, wenn uns nicht die Magie gestohlen worden wäre? Wenn nicht alles um uns herum bewiesen und selbstverständlich wäre? Die meisten wagen sich das nicht vorzustellen, sie schütteln den Kopf und lachen über solche „Hirngespinste“, doch tief drin würde das Kind in ihnen jubeln, wäre es nicht schon vor vielen Jahren zum Schweigen gebracht worden. Wer entscheidet über Kindheit und Erwachsen sein? Wenn man älter wird, legt man viele Dinge ab und lässt einiges hinter sich, aber man beginnt sich Ziele zu setzen. Irgendwann wird man von jedem gefragt, ob man schon wisse was man später mal werden will und wir antworten artig, denn das wird von uns erwartet. Dennoch ist man nicht vorbereitet auf das Erwachsen sein. Eben noch war man ein Kind oder ein Teenager, die Eltern hatten das sagen und kümmerten sich um das Alltägliche. Im nächsten Moment steht man in seiner eigenen Wohnung und muss Erwachsen sein. Dazu gehört nicht nur Geld verdienen und sich selbst zu ernähren, man muss Verantwortung übernehmen, Versicherungen abschließen, Bausparkonten eröffnen und über Riester Rente nachdenken. Im Briefkasten befinden sich keine Postkarten mehr, die zeigen wie gut es den Freunden im Urlaub geht, dafür häufen sich Rechnungen und Formulare die man ausfüllen muss, obwohl man kaum ein Wort davon versteht.

Dennoch tun wir all dies, ohne uns zu beklagen. Ich fühlte mich erdrückt vom Leben, von allen Seiten bedrängt und dennoch habe ich nie ein Wort darüber verloren. In unserer Gesellschaft ist das nämlich alles normal, es gehört dazu und niemand fragt warum. Fast alle beginnen nach der Schule eine Ausbildung oder studieren, um dann einen Job anzunehmen der nicht immer glücklich macht, aber Geld auf das Konto bringt. Wir zahlen Steuern und gründen eine Familie. Sobald wir Erwachsen sind lässt uns der Alltag nicht mehr los, nie wieder, bis wir irgendwann die Augen schließen und von dieser Welt gehen ohne wirklich etwas erreicht zu haben. Die Welt dreht sich weiter, obwohl täglich Menschen sterben, wir sind ersetzbar und alles andere als einmalig.

Ich wünschte ich könnte von mir behaupten dass ich anders wäre. Ich hatte auch Träume und Ziele, aber nur die wenigsten habe ich erreicht. Ich bin eine Frau die wie alle anderen zur Arbeit geht, ihre Kinder groß zieht und auf eine gute Zukunft für sie hofft. Ich bin eine Frau die kaum Zeit für ihre Freundinnen hat, wenig Geld für Urlaub oder Freizeit. Ich bin eine Frau die abends im Bett keine Leidenschaft mehr empfindet sondern Müdigkeit. Ich sehe jeden Tag viel zu oft auf die Uhr, warte auf das Ende der Arbeitszeit, darauf das meine Kinder ins Bett gehen, darauf das der Tag zu Ende ist…Ich warte. Für was? Der nächste Tag wird nicht anders sein als der letzte, ich bin eingesperrt in meinem Leben.

Die Menschen im Raum starren mich an. Manche verwundert, andere erschrocken, doch die meisten Blicke sind leer. Ich muss eine kleine Ewigkeit gesprochen haben und doch sind die anderen in den ersten Sekunden sprachlos. Der Mann der vor mir steht räuspert sich leise, ich weiß dass er zu uns gehört, dass auch er keine Veränderung kennt. „Möchten Sie uns damit sagen, das das ihre Gründe dafür waren ihre beiden Kinder im Schlaf zu ermorden?“ Es dauert eine Weile bis seine Worte bei mir ankommen. Ich spüre wie sich meine Mundwinkel heben, ich lächle und ganz langsam beginne ich zu nicken. Ein leises Flüstern geht durch den Raum, ich sehe wie manche den Kopf schütteln und weiß dennoch dass sie genauso denken wie ich. Sie haben nur nicht den Mut dasselbe zu tun, weil es gegen die Regeln der Gesellschaft verstößt. Wieder öffnen sich meine Lippen, ich höre mich sprechen und erkenne dennoch meine eigene Stimme nicht. „Ich habe sie gerettet. Sie werden nicht all diese Mühen, Sorgen und Probleme auf sich lasten müssen, um irgendwann festzustellen das alles umsonst war.“ Sollte nicht jeder mich verstehen? Wir wissen doch eigentlich wie das Leben wirklich ist, kann das denn irgendjemand seinen Kindern wünschen wenn er sie so sehr liebt wie ich? Wahrscheinlich habe ich noch viele Stunden in diesem Raum verbracht, dennoch reißt mich erst die Kälte der Handschellen die mir angelegt werden aus den Gedanken. Ich bin schuldig. Habe ich das je bestritten? Aber grausam? Eine Mörderin? Nein ich habe nicht aus Hass, Eifersucht, Habgier, nicht mal nur aus Liebe gehandelt. Ich habe ihnen die Erlösung gegeben, nicht mehr und nicht weniger. Dennoch führen sie mich aus dem Raum wie ein Monster. Die Blicke wollen sich tief in mich hinein bohren, doch da gibt es nichts was sie finden könnten. Ich sehe das letzte Mal in das Gesicht von meinem Mann, er wendet sich angewidert und voller Trauer ab. Warum? Müsste er mich nicht am besten verstehen? Ich werde eingesperrt, wahrscheinlich für immer. Doch für mich ist das keine Strafe, ich war es schon immer und wäre es auch für immer gewesen.

Die Tür wird hinter mir geschlossen, ich bin allein in meinem neuen zuhause. Meine Hände legen sich um die Gitterstäbe vor meinem Fenster, meine Stirn lehnt an dem kalten Eisen. Obwohl ich nun hier bin, fühle ich mich freier als jemals zuvor. Ich bin aus dem Alltag ausgebrochen, ich habe es geschafft. Aber das wichtigste von allem ist, dass ich irgendwann friedlich diese Welt verlassen kann, denn ich weiß nun dass ich meine Kinder nicht eingesperrt zurücklasse.

 
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Hallo Alizee,

Vorneweg: Leider empfand ich den Aufbau deines Textes etwas unglücklich. Nach den ersten beiden Absätzen wähnte ich mich in einem Tagebuch.

Insgesamt musste ich mich durch vier Absätze kämpfen, um dann zu erfahren, dass es sich nicht um niedergeschriebene Gedanken, sondern das Geständnis einer des Mordes an ihren beiden Kindern angeklagten Mutter im Verhörzimmer handelt.
Deshalb solltest du meiner Meinung nach diese Abschnitte in Anführung- und Schlusszeichen setzen.

Leider gibt die langatmige Rede dann auch nicht viel her und so erfahren die Ermittler - und ich als Leser - nur, dass da eine frustrierte Frau sitzt und über ihr ereignisloses Leben sinniert.
Warum ihr (Ehe-)Mann dabei sein durfte, ist für ein Verhör eher ungewöhnlich.

Du thematisierst das Eingesperrtsein im Alltag, allerdings erscheint mir das als Motiv für den Doppelmord an den Kindern etwas dünn, da gäbe es sicher noch mehr Stoff, als du uns präsentierst. Denn in einem Schlüsselsatz redet sie von "Hoffnung für die Zukunft ihrer Kinder",

Ich bin eine Frau die wie alle anderen zur Arbeit geht, ihre Kinder groß zieht und auf eine gute Zukunft für sie hofft.
danach bringt sie beide um, das passt nicht. Eher sieht sie keine Zukunft mehr, für sich und ihre Kinder, und bringt sie UND sich um.

Fazit: Für mich leider nur eine oberflächliche Umsetzung über ein durchaus spannendes Thema, nämlich die Beweggründe für den mir ganz und gar unverständlichen Kindsmord.

Oder etwas pathetischer ausgedrückt: Was bewegt eine Mutter dazu, ihr eigen Fleisch und Blut umzubringen und darin eine Befreiung zu sehen?

Textkram:
Was den Lesefluss hemmt, sind die zahlreichen fehlenden Kommas, Flüchtigkeitsfehler und schwer verständlichen Aussagen.

Beispiele (nicht abschliessend):

Wir achten nicht darauf[KOMMA] wie gut die Blumen auf dem Küchentisch duften, wiewir sehen nicht wie der Morgentau in den ersten Sonnenstrahlen glitzert, wiewir grüßen nicht den Nachbarn[KOMMA] der ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit ist.
Das klingt nach einem völlig erschöpftemn Klischee,
Wer entscheidet über Kindheit und Erwachsen sein?
Erwachsensein

die Eltern hatten das sagen
Sagen

Sobald wir Erwachsen sind lässt uns der Alltag
Erwachsene sind
oder
erwachsen sind

„Möchten Sie uns damit sagen, dass das Ihre Gründe dafür waren[KOMMA] Ihre beiden Kinder im Schlaf zu ermorden?“

Sie werden nicht all diese Mühen, Sorgen und Probleme auf sich lasten müssen, um irgendwann festzustellen[KOMMA] dass alles umsonst war.“
Besser: auf sich nehmen/laden

Und zum Schluss ein Beispiel fürs Kürzen:

... dennoch reißt mich erst die Kälte der Handschellen[KOMMA] die mir angelegt werden[KOMMA] aus den Gedanken.
Gekürzt liest es sich so:

"... erst die Kälte der Handschellen reißt mich aus meinen Gedanken."​

Das bringt gleich mehr Fahrt rein, denn dass ihr die Handschellen angelegt wurden, weiss der Leser auch so.

Lieben Gruss,
dot

 

Hallo Alizee,
Einige Stellen und Ideen gefallen mir gut, jedoch bleibt das Motiv zu unpersönlich, zu oberflächlich. Diese verallgemeinerte Kritik an der Gesellschaft, welche mit einem so unreflektierten Urteil das Leben zu verabscheuen beginnt, rechtfertigt für mich in keinster Weise die darauffolgende Tat.
Am Ende kommt bei mir der Gedanke auf, dass die Aussage der Frau einzig ein kläglicher Versuch ist die Schuld abzuweisen, was ihr aber kaum jemand abkaufen kann, besonders nicht wenn es um ein so sensibles Thema geht.
Die Hauptfigur mag zwar egozentrisch und kalt sein, dass die Folge einer solchen Lethargie jedoch Kindesmord ist, bleibt hier nur mehr einer psychopathischen Störung zuzuschreiben, bzw. ist für einen halbwegs gesunden Menschen nicht nachvollziehbar. Dadurch verliert die Geschichte an Glaubwürdigkeit.


Das Thema finde ich trotzdem Interessant.
In der anonymen Zeit wie unserer, mit all ihren Anforderungen und Identitätsproblemen hängt viel davon ab wie man sich auf die Welt einlässt. Auch wenn das Ende zu drastisch geraten ist, die Vereinsamung und Erschöpfung sind sind definitiv aktuelle Themen.

Auf die Rechtschreibung und Kommasetztung wurde ja von dot hingewiesen.(was mich freut, da ich selbst noch Probleme damit habe...)

Ich finde auch die Erzählweise gelungen, wenn die Form auch nicht immer optimal ist.

vg,floke

 

Hallo,

erstmal Danke für eure Beiträge.
Als Erstes möchte ich sagen, dass die Frau nicht in einem Verhörzimmer sitzt, sondern im Gerichtssaal, deswegen schauen sie ja auch viele Leute an und nicht nur ein oder zwei Polizisten. Zum anderen wollte ich eigentlich dem Leser das Gefühl vermitteln, dass er nur Gedanken liest die niedergeschrieben wurden. Es war Absicht dass man erst am Ende erfährt um was es eigentlich geht. Ich finde auch, dass man nicht sagen kann das Motiv stimmt nicht oder es ist zu wenig. Für einen Menschen der normale Gedankengänge hat ist das Leben einer "normalen" Gesellschaft natürlich kein Grund seine Kinder umzubringen (Glücklicherweise!). Aber diese Frau denkt nicht mehr normal. In dem ganzen obigen Text beschreibe ich auch Kindheit und den Weg zum Erwachsen sein, bis hin zum alltäglichen Trott der nicht locker lässt. Man weiß wie sie denkt und wie sie fühlt, auch wenn man am Anfang nicht bemerkt das es um eine Mörderin geht, am Ende ist es klar. Sie möchte mit der Aussage nicht frei gesprochen werden, es ist kein Versuch sich rauszureden. Sie gibt offen zu dass sie schuldig ist, dass sie es getan hat, aber in ihren Augen hat sie das Richtige getan. Natürlich ist das ganze Motiv oberflächlich weil sie ihr ganzes Leben oberflächlich findet. Sie ist auch eine Mutter die eine gute Zukunft für ihre Kinder will, sie würde sich nichts mehr wünschen, aber sie bemerkt einfach nach ein paar Jahren das es die nicht geben wird und entschließt sich zu der Tat. Die Gründe für den Kindsmord sind für uns überhaupt nicht nachvollziehbar und genau darum geht es. Für sie macht das alles einen Sinn, sie ist glücklich damit und von einer großen Last befreit. Es gab für sie keine schlimmere Vorstellung, als die ihre Kinder irgendwann ebenso unglücklich und ausgebrannt zu sehen wie sie. Ich wollte mit dieser Geschichte nicht bewirken, dass andere Menschen einen Kindsmord verstehen können (ich persönlich würde niemals einen Grund finden der gerechtfertigt ist). Ich wollte zeigen zu was eine Depression führen kann, auch wenn sie nur durch das normale Leben hervorgerufen wurde. Es ging hier nicht um Kleinigkeiten oder darum wie es den Meisten mit einer Depression geht, ich wollte das Extrem beschreiben.
Vielleicht macht das alles in meinem Kopf mehr Sinn als in dem Text den ich geschrieben habe ;)
Trotzdem nochmals Danke für eure Kritik, es ist immer gut andere Sichtweisen zu einer Geschichte zu kennen.

LG
Alizee

 

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