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Ein Sack Kartoffeln
An Tagen wie diesen hättest du etwas Schönes erleben können, denkst du. Sie ziehen weiter und kommen niemals wieder, diese Tage, diese rasend schnell dahinziehenden Tage. Du bleibst, wo du bist, breitest dich auf deinem Sofa aus und denkst darüber nach, was du Schönes erlebt haben könntest. Ja, sagst du, das hätte etwas werden können, etwas Schönes, hmm. Du zündest dir eine Zigarette an. Einfach gar nicht, nach gar nichts, so schmeckt sie. Du liegst da, dampfst, bist ganz Fleisch, ganz physisches Stück. Es sind erst drei Minuten vergangen, seit du darüber nachgedacht hast, was du heute Schönes erlebt haben könntest. Du könntest diesen Tag bis in die Unendlichkeit ausdehnen, diesen Tag, der sonst rasend schnell dahinziehen würde. Du willst ihn festhalten, ihn mit der Faust deines Bewusstseins umschlingen, ihn verlangsamen, ja vielleicht sogar zum Stillstand zwingen. Weitere drei Minuten vergehen und dein Vorhaben ist vergessen. Der Rauch steigt im Zimmer auf. Es ist warm. Sechs Minuten sind vergangen.
Es sind sieben Minuten vergangen. Den anderen Menschen geht es auch nicht anders; die denken auch, da draußen sei der Teufel los, denkst du. Heute, morgen, eben an Tagen wie diesem, die so rasend schnell dahinziehen, wird jeder abgehängt. Weitere dreizig Sekunden sind vergangen. Du richtest dich auf, um einen Sack Kartoffeln aufzuheben, der neben dem Sofa steht. Du kommst nicht heran. Du schaffst es nicht, den Kartoffel-Sack auch nur zu berühren. Dazu müsstest du aufstehen, also aufhören, bloßes Stück zu sein. Doch du bist noch vom gestrigen Abend genügend gesättig. Du begnügst dich damit, den Sack zu beobachten. Eine weitere Minute ist vergangen an diesem Tag, der so rasend schnell dahinzieht. Der Sack ist, was er ist. Du bist, was du bist, bist Fleisch, bist Stück, hingebreitet auf dem Sofa. Um ganz Fleisch und ganz Stück zu werden, mit einem Wort: um so zu werden, wie der Kartoffel-Sack bereits ist, beschließst du, wieder einzuschlafen. An Tagen wie diesen, die so rasend schnell dahinziehen, führt Bewusstsein einfach zu nichts, denkst du.
Doch du kannst nicht einschlafen; zu erholsam ist dein Schlaf gewesen. Weitere zehn Sekunden sind vergangen. So liegst du da, kannst nicht schlafen, nicht essen, hast keinen Grund, dich überhaupt zu bewegen und wartest, dass dieser Tag, der so rasend schnell dahinzieht, endlich vorübergezogen sein mag. Eine Sekunde ist vergangen.