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Ein Sack Kartoffeln

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31.08.2011
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Ein Sack Kartoffeln

An Tagen wie diesen hättest du etwas Schönes erleben können, denkst du. Sie ziehen weiter und kommen niemals wieder, diese Tage, diese rasend schnell dahinziehenden Tage. Du bleibst, wo du bist, breitest dich auf deinem Sofa aus und denkst darüber nach, was du Schönes erlebt haben könntest. Ja, sagst du, das hätte etwas werden können, etwas Schönes, hmm. Du zündest dir eine Zigarette an. Einfach gar nicht, nach gar nichts, so schmeckt sie. Du liegst da, dampfst, bist ganz Fleisch, ganz physisches Stück. Es sind erst drei Minuten vergangen, seit du darüber nachgedacht hast, was du heute Schönes erlebt haben könntest. Du könntest diesen Tag bis in die Unendlichkeit ausdehnen, diesen Tag, der sonst rasend schnell dahinziehen würde. Du willst ihn festhalten, ihn mit der Faust deines Bewusstseins umschlingen, ihn verlangsamen, ja vielleicht sogar zum Stillstand zwingen. Weitere drei Minuten vergehen und dein Vorhaben ist vergessen. Der Rauch steigt im Zimmer auf. Es ist warm. Sechs Minuten sind vergangen.

Es sind sieben Minuten vergangen. Den anderen Menschen geht es auch nicht anders; die denken auch, da draußen sei der Teufel los, denkst du. Heute, morgen, eben an Tagen wie diesem, die so rasend schnell dahinziehen, wird jeder abgehängt. Weitere dreizig Sekunden sind vergangen. Du richtest dich auf, um einen Sack Kartoffeln aufzuheben, der neben dem Sofa steht. Du kommst nicht heran. Du schaffst es nicht, den Kartoffel-Sack auch nur zu berühren. Dazu müsstest du aufstehen, also aufhören, bloßes Stück zu sein. Doch du bist noch vom gestrigen Abend genügend gesättig. Du begnügst dich damit, den Sack zu beobachten. Eine weitere Minute ist vergangen an diesem Tag, der so rasend schnell dahinzieht. Der Sack ist, was er ist. Du bist, was du bist, bist Fleisch, bist Stück, hingebreitet auf dem Sofa. Um ganz Fleisch und ganz Stück zu werden, mit einem Wort: um so zu werden, wie der Kartoffel-Sack bereits ist, beschließst du, wieder einzuschlafen. An Tagen wie diesen, die so rasend schnell dahinziehen, führt Bewusstsein einfach zu nichts, denkst du.

Doch du kannst nicht einschlafen; zu erholsam ist dein Schlaf gewesen. Weitere zehn Sekunden sind vergangen. So liegst du da, kannst nicht schlafen, nicht essen, hast keinen Grund, dich überhaupt zu bewegen und wartest, dass dieser Tag, der so rasend schnell dahinzieht, endlich vorübergezogen sein mag. Eine Sekunde ist vergangen.

 

Tjo, der Text ist nicht schlecht, das, was er machen will, macht er, aber ... der Text ist faul und das, was er machen will, haben schon x Texte vorher gemacht.

Also der Text sagt: "Lethargie frißt Zeit. Zeit ist Leben. Ohne Leben ist man tot. Lethargie tötet."

Das sagt er, indem er Lethargie stilistisch verbreitet. Er hat aber nur diese eine Idee. Und ich fürchte, die Idee ist jetzt nicht gerade brisant, sondern das ist das Zeug, das Lebensberater in den USA von Podien brüllen.

Tja, ich weiß nicht, was ich zu dem Text groß sagen soll? Es wäre auch mit 3 Sätzen gegangen, statt mit 30. Es ist halt nix dran. Es ist eine Idee, eine These, nichts widerspricht dieser These in dem Text, sie wird nicht hinterfragt, sie wird nur gesagt und gesagt und wieder gesagt.

Es ist nicht schlecht, es ist nicht gut, ich fürchte, intelligente Literatur geht anders. Wenigstens mal eine Wendung, eine Volte
Wenn man das Gefühl hat, man hat eine Erkenntnis erlangt, die man der Welt mitteilen will - ist das ein Ansatz, zu schreiben, der fast immer schief geht, fürchte ich. Da muss man sich fragen, wie man diese "Erkenntnis" richtig ummantelt, wie man sie als Kern einer ganzen Geschichte nimmt, wie man dann was draus macht, dass dem Leser diese Erkenntnis viel näher bringt, sie einfach nur rauszubrüllen - ja, das ist noch keine Geschichte.

"Die meisten Menschen belügen sich selbst, sie machen sich etwas vor, damit sie mit ihrem Leben zufrieden sind und nicht schwierig zu erreichenden Zielen hinterherrennen, die nicht zu erreichen, sie enttäuschen würde."
Das ist die "Erkenntnis" hinter jedem zweiten modernen Drama, hinter jeder zweiten Figur. Kommt ohne Geschichte drumrum einfach nicht gut.

 

Hallo, Rindersheim!

Kann es sein, dass du dich in der Rubrik geirrt hast? Denn von Horror ist da nichts zu lesen, außer vielleicht, im Sack sind keine Kartoffeln, sondern Menschenfleisch drin, die filettierte Frau/Nachbar/Familienangehöriger von dem Prot, der eigentlich nichts tut, liegt nur auf dem Sofar und denkt das gleiche - ein Gedanke wie der andere.
Ansonsten halte ich den Text für ein Teil von etwas Großem, vielleicht ist es ein Vorwort...

Geert

 
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Hallo Quinn,
ich wollte keine "Du sollst dein Leben ändern"-Problematik darstellen, überhaupt nicht. Die Lethargie, wie du es nennst, des Protagonisten schließt eine solche, in meinen Augen dramatische Wendung vollkommen aus, denke ich. Diesen Übergang bzw. Sprung würde ich einem Autor nicht abkaufen. Aus der Lethargie folgt eben - nichts.

Sicher keine Figur, mit der man sich identifizieren wollte, aber das soll sie auch nicht sein, vielmehr eine Figur, an der sich der Leser selbst verorten kann.

Hallo Geert,
das Gedanke an das nichtgelebte Leben ist der Horror.

Grüße

 

t. Die Lethargie, wie du es nennst, des Protagonisten schließt eine solche, in meinen Augen dramatische Wendung vollkommen aus, denke ich. Diesen Übergang bzw. Sprung würde ich einem Autor nicht abkaufen. Aus der Lethargie folgt eben - nichts.
Ja. Das ist so, als würde man sagen: Ich koche Wasser. Und der, der es ißt, sagt: Das schmeckt aber nach nichts. Und der Koch sagt: ist ja auch Wassersuppe.
Also du suchst dir ja das Sujet deines Textes aus und es liegt in deiner Verantwortung, ein Thema auszusuchen, in dem etwas "möglich" ist. Etwas zu schreiben, in dem nichts möglich ist, und bei dem man nur sagen kann: Tja, das Thema lässt nichts zu ... das mein ich ja.
Der Text will "Lethargie" darstellen ... ja, wow. :) Das mein ich ja mit "faul". Wenn man sich als Autor solche Aufgaben stellt ... du hast einen Text geschrieben, der Lethargie darstellt. Wie soll man den bewerten? Was soll man dazu sagen? Wie soll man dir hier irgendwas raten, was deine schriftstellerische Entwicklung fördern kann?
Wenn du in eine Galerie gehst, und da ist ein weißes Gemälde. Und du sagst zu dem Maler: "Also pff ... und Farben und so?" Und der sagt: "Nee, ich wollte ja nur ein weißes Gemälde malen." Und du sagst: "Aha." Und er sagt: "Ein weißes Gemälde mit Farben ... also das geht gar nicht."
So ist das halt hier. Du wolltest Lethargie darstellen und das ist dir gelungen und nu? Reicht das? Nö. Find ich nicht. Das will ich dir sagen.

Was ist mit so einem Text. Er hat genau eine Aussage, man kann über ihn nicht reden, man kann nichts interpretieren, man kann ihn sich nicht vorstellen. Er hat eine Aussage, die ist überdeutlich und das ist eine "Ändere dein Leben"-Botschaft. Ja mei ... just add water. Instant-Geschichte.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Rindersheim,

was man so im Alltagsgespräch als "Is ja voll der Horror" bezeichnet, hat nichts mit dem literarischen Genre zu tun - in dem es in dieser Rubrik ausschließlich geht.
Horror ist außerdem eine Unterkategorie der Phantastik, was leider oft von Schreibern standhaft ignoriert wird - dieser Text steht mit Sicherheit falsch.

Mich erinnert dieser Text, der mir nicht zu einer KG reicht, unangenehm an das, was v. a. von Teens in Philosophisches gepostet wird: Eine als Frage verkleidete Ansicht zu einem ganz banalen Thema wird über drei, vier Absätze lang so verschwurbelt, daß der Eindruck einer Diskussion zum Thema erweckt wird - ganz oberflächlich.
Dennoch kommt nix davon über eine schlichte, persönliche Bemerkung hinaus, und schafft es auch nicht, den Gedankenansatz in eine Erzählung zu verpacken. Was bleibt sind Schwurbeleien um Fragen wie 'fühlen sich Obdachlose innerlich freier als Wohlstandsbürger', 'ist heute ein guter Tag, mich umzubringen', 'warum bin ich so allein' - die allesamt keine intelligente Herleitung, erzählte literarische Verarbeitung oder Denkanstoß sind. Denn sie gehen nicht über einen einzigen Satz/Meinung (nichtmal Erkenntnis) hinaus.

Bei dem Text hier verhält es sich genauso. Eine Szene, die nicht so glossenhaft daherkommt, wäre schön gewesen, eine Diskussion mit einer für den Leser überraschenden (oder auch sonstigen) Einsicht. Ein Ausblick in einen ungewöhnlichen Gedankengang. Das alles als Geschichte, nicht als snapshot.

Du tust Dir keinen Gefallen, hier in einer unpassenden Rubrik zu posten, oder Texte, die nur mit zwei zugekniffenen Augen überhaupt eine KG darstellen mögen. Horror kann (bzw. soll!) intelligent, philosophisch, komplex und ungewöhnlich sein - aber wer in diese Rubrik klickt, möchte irgendetwas dem Genre Zugehörigem lesen. Grenzen sprengen ok - aber dies bleibt in einem nichtmal erkennbaren Ansatz stecken.

Ich würde raten, etwas Komplexes im Sinne einer Charakterisierung und Plotentwicklung, weniger als Meinung zu verpacken; und dann mal etwas Luft zu haben, sich eine Weile damit im Text zu beschäftigen.
Hier ist kein literarischer Charakter/Figur zu erkennen - Deine Person ist eine als Parabel verkleidete Ansicht. Sowas ist nicht mit Charakterisierung zu verwechslen.

Redundantes zu kürzen (hier genügte tatsächlich ein Satz, um alles zu beeinhalten, und - genau - daran merkt man schon, daß es keine KG sein kann), eine Feststellung nicht in fünf oder zehn gleichartige Sätze zu packen. Das liest sich langweilig, zudem bläht sich der Text durch einen - für mich - pseudoklugen Stil/Wortwahl unnötig auf. Versuch doch, etwas wirklich Interessantes, Kluges in passende Sprache zu kleiden; eine, die das Erzählte bestmöglich herausbringt.

Man kann über Langweile, Lethargie und innere 'Hohlheit' schreiben, ohne die Leser mitzulangweilen, ohne einen hohlen Text zu produzieren. Das ist doch genau das, worum es beim Schreiben gehen soll - Form für Inhalt finden.

Viel Glück und viel Spaß noch hier,
Katla

 

Hallo Quinn,

wer schreibt, will etwas, fasse ich deine Antwort jetzt mal für mich zusammen. Darum ist es unmöglich, ein Nichtwollen bzw. Lethargie glaubhaft darzustellen - ein solches Schreiben widerspricht sich selbst. Das konsequenteste Texte wäre vielleicht der gewesen, der nicht geschrieben worden wäre. Da ist was dran, befürchte ich.

Die Idee mit dem Wasser ist aber gut.

 

Darum ist es unmöglich, ein Nichtwollen bzw. Lethargie glaubhaft darzustellen - ein solches Schreiben widerspricht sich selbst. Das konsequenteste Texte wäre vielleicht der gewesen, der nicht geschrieben worden wäre.
:D Das eignet sich aber maximal für den Thread "1000 schlechte Ausreden in brenzligen Situationen".

Nochmal: Ein Text kleidet eine Geschichte/Entwicklung/Konflikt in geeignete Worte, Stil und Form. Diese Form ist keine 1:1 'Abbildung' des Erzählten. Das meinte ich im Komm hier. Selbstverständlich kann eine Ezählung zum oder über das "Nichts" geschrieben werden. Geb Deinen Einstand doch nicht gleich mit einer solchen Bankrotterklärung ab.

Wünsche viel Ehrgeiz,
;) Katla

 

Aus Horror nach Sonstige

# # #

Hallo Rindersheim, herzlich willkommen hier!

Ich denke, das Grundlegende ist zu deinem Text gesagt.
Primär wichtig für mich ist, dass er tatsächlich keinen Horror in dem Sinne darstellt, für den diese Rubrik steht. Daher habe ich den Text nach Sonstige verschoben - da passt er besser hin.


Viele Grüße,
Maeuser

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Katla,

für deine ausführliche Antwort, die meinen Ursprungsbeitrag an Länge weit übertrifft, danke ich dir. Denn auch wenn ich im Grunde nur wenigen deiner Grundannahmen zustimme, jedenfalls nicht mit dieser Dringlichkeit, hast du klar gesagt, was du von einer KG erwartest. Gut zu wissen, wie die Bedürfnislagen so sind.

Ich würde gerne schreiben, wie Malewitch malte: ein weißes Quadrat auf weißem Grund, also einen Text schreiben, an dem jede Interpreation abprallt. Insofern bin ich ganz glücklich, wenn Quinn schreibt: "man kann über ihn nicht reden, man kann nichts interpretieren, man kann ihn sich nicht vorstellen".

Wenn du das als "schlechte Ausrede" verstehst möchtest, Katla, sieht das allerdings auch stimmig aus :)

 

Insofern bin ich ganz glücklich, wenn Quinn schreibt: "man kann über ihn nicht reden, man kann nichts interpretieren, man kann ihn sich nicht vorstellen".
Du bist also glücklich, wenn ich sage: "Der Text bleibt nicht hängen, er geht an mir vorbei, er löst nichts in mir aus, ich werde nie jemandem davon erzählen, ich habe ihn schon bald vergessen."
Also "Man kann ihn nicht interpretieren", das heißt nicht, dass er sich einer Interpretation entzieht, sondern dass er eindeutig ist. Er hat nur eine Aussage. Man hat keinen Spielraum. Das ist doch kein Kompliment für einen literarischen Text, dass er ein-dimensional ist. Das ist ein Kompliment für einen Befehl: Na, Sie können sich aber klar ausdrücken, Herr Oberleutnant.

Also Mann, Mann, Mann. Was meinst du denn, wie viele Texte hier im Jahr so reinkommen. Und über welche unterhält man sich? Über die, über die man sprechen kann, die Fleisch haben, Themen, Gedanken.
Über die Texte, die das nicht haben, spricht kein Mensch und keiner erinnert sich an sie. Willst du so eine Art von Text schaffen? Na, dann. Wow. Das ist aber nichts außergewöhnliches. So eine Art von Text gibt es viel zu oft.

Ich hab auch nichts mehr zu dem Text hier zu sagen, aber da wird einem ja das Wort im Mund umgedreht hier vom Autor.
Das erinnert mich an: "Der Text ist so schlecht, dass ich mich darüber echt nur aufregen kann."
"Das war mein Ziel! Im Leser echte Emotionen auslösen!"

Es ist jetzt auch gut. Ich find den Text nicht gut, ich find ihn auch nicht furchtbar. Ich hab gesagt, was ich zu sagen hatte; ich wünsche mir einen anderen Ansatz beim Schreiben; und die Einstellung, Kritik so zu drehen, dass man dabei faul bleiben kann, weil man seine Ziele im Nachhinein so formuliert, dass die Kritik sie unterstützt, finde ich menschlich und verständlich, aber ... so ein bisschen läuft es halt auf Zeitverschwendung hinaus dann. Und ich bin niemand, der seine Zeit für überaus wertvoll hält.

Gute Nacht
Quinn

 

Hallo Rindersheim,

ich denke, du willst mit deinem Text Lethargie ausdrücken und benutzt dazu ein Couch-Potato-Motiv.

„Um ganz Fleisch und ganz Stück zu werden, mit einem Wort: um so zu werden, wie der Kartoffel-Sack bereits ist“

Nimmt man das ganz wörtlich, zeichnet sich sogar Horrorpotential ab, ein Weg zu einer Geschichte. In der jetzigen Form hat mich der Text nicht besonders angesprochen, weil er mir auch nicht die Stimmung vermitteln konnte, die eine Lethargie auszeichnen sollte. Ich sehe hier kein menschliches Schicksal, keine Person die am Abgrund steht ...


„dreizig Sekunden sind“
dreißig

Tschüß …

Woltochinon

 

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