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Dieser Moment, wenn …

Challenge 1. Platz
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22.10.2011
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Dieser Moment, wenn …

Jonas war schon da, als ich in die Schule kam. Er fläzte an seinem Tisch, Kappe auf dem Kopf, Beine auf dem Tisch, obwohl Kühnert schon im Raum war.
Kühnert war unser Mathelehrer. Ein Typ, der Menschen als Zahlen betrachtete, am liebsten komplex, potenziert oder sonstwie verwertbar. Jonas und ich waren Nullen.

„Moin Tessa“, sagte Jonas.
„Bequem so?“ Ich zog ihm die Kappe über die Augen und schob seine Beine vom Tisch. Er rutschte theatralisch auf den Boden und feixte mich von unten her an. „Echt subtiler Mathebeginn, Tessa.“ Beim Hochkommen boxte er mich auf den Oberarm. Ich jaulte, obwohl nichts weh tat. „Mach das noch mal, und du landest im Wurstwasser.“
Vorne surrte die Tafel, einmal rauf, einmal runter, das war Kühnerts Startzeichen. Auf zum Nullenkillen.
Ich schob mich hinter Jonas an den Tisch und versteckte mich hinter seinen Schultern. Wenn ich Kühnert nicht sah, sah der mich auch nicht. Außerdem mochte er lieber männliche Nullen blamieren.
Ich riss einen Zettel aus meinem Block, schrieb und reichte ihn nach vorne zu Jonas. Der las, faltete den Zettel zusammen und legte ihn ins Federmäppchen. Keine zwei Sekunden später holte er ihn wieder raus, kritzelte eine Antwort, strich sie durch, schrieb noch einmal. Schließlich zerknäulte er das Papier, um es gleich darauf zu glätten, und mit dem Schreiben und Streichen weiterzumachen, bis er den Zettel in die Hosentasche stopfte. Die nächste Viertelstunde überlegte ich mir, ob man was von Jonas Schultern ablesen konnte. Hin und wieder zuckten sie, dann zuckten sie nicht mehr, denn Kühnert stand vor uns und Jonas musste nach vorne. Eine Gleichung mit ungefähr tausend Unbekannten, jede Ziffer sorgfältig hingemalt, am Ende wartete ein fettes Gleichheitszeichen. Jonas krakelte ein paar Zahlen an die Tafel, die mit Sicherheit falsch waren. Eines war nämlich klar: Kühnert hatte ihn nicht wegen Mathe an die Tafel geholt, sondern wegen der Pädagogik. Das bedeutete, Jonas zu beweisen, dass Jonas nichts konnte, obwohl der wusste, dass er nichts konnte, wir auch und Kühnert sowieso. Mathegestrampel halt.
„Was ist das?“, fragte Kühnert und wies auf Jonas Geschreibsel.
„Zahlen?“
„Und was sollen die?“
„Ihnen einen Gefallen tun?“
Kühnert ging ans Fenster und sah hinunter auf den Pausenhof. Sein Gesicht wirkte unergründlich.
Jonas verneigte sich tief vor der Klasse. „Sie haben mich an die Tafel geholt, da wollte ich nicht unhöflich sein.“
„Das ist alles falsch, schon im Ansatz, das müsste alles weg.“
Jonas griff den Schwamm und löschte Kühnerts Gleichung.
„Nicht das. Herrgott!“ Kühnert öffnete den obersten Knopf seines Hemdes.
Überall gluckste es, gleich würden alle losprusten, was Kühnert noch mehr hasste als Nullen.
„Gib her“, sagte ich zu Melanie, meiner Tischnachbarin, riss ihr den dunkelroten Lippenstift aus der Hand, mit dem sie sich die Mathestunden vertrieb, und verschmierte ihn auf einem Taschentuch.
„Du hast sie wohl nicht mehr alle.“ Melanie holte sich den Stift zurück und betrachtete ihn, als wäre er eine plattgetretene Nudel.
Ich hustete mehrmals laut auf, holte zischend Atem und hielt das Taschentuch vor den Mund. Dann ließ ich mich auf den Tisch sinken und hustete weiter, so jämmerlich, als würde ich mir die Lunge aus dem Leib kotzen.
„Tessa, hör auf, das klingt ja furchtbar“, sagte Melanie. Dann hob sie den Arm und rief: „Herr Kühnert, hören Sie das nicht, der Tessa geht’s nicht gut.“
Kühnert kam zu uns, seine Gesicht wirkte misstrauisch. Ich glaub, hustende Mädchen waren für ihn eine unbegreifliche Nullausgabe von Amöbe. Ich röchelte, äugte zu Jonas hinüber und ließ Kühnert ein bisschen von dem Lippenstiftblut sehen. „Ich glaub, sie hustet Blut“, rief Melanie. Und Jonas schrie von vorne: „Sie hat Asthma, ganz schwer, das ist schon der dritte Anfall diese Woche.“ Ich hustete noch lauter, stand auf und schwankte zum Mülleimer. Dort sackte ich in die Knie, beugte mich über den Eimer und tat, als würde ich hineinkotzen.
„Bitte nicht“, hörte ich Kühnert. Fast tat er mir ein bisschen leid. „Sani“, röchelte ich, sah Kühnert von unten her an und hoffte, ich hätte Ähnlichkeit mit einem sterbenden Seehundbaby.
Kühnert kratzte sich am Kopf und starrte mich argwöhnisch an. Er schwitzte.
Endlich brach er ein, griff nach seinem Handy und rief im Sekretariat an.
„Können Sie jemanden vom Sanitätsdienst schicken?“ Er fuhr sich über die Stirn. „Was? Hier? Das gibt es doch nicht. Na gut, Dankeschön.“ Er legte das Handy zur Seite und starrte grimmig zu Jonas hinüber. Gleich darauf bimmelte es in dessen Hosentasche. „Sorry“, sagte er zu Kühnert und legte die Kreide zur Seite. „Muss sein. Leider. Bereitschaftsdienst.“ Dabei lächelte er und verbeugte sich noch einmal, obwohl Kühnert wie ein Kriegerdenkmal vor ihm stand. Das würde in die Annalen der Schule eingehen, wie Jonas dem Kühnert den Strom abgedreht hatte. Ich stöhnte noch ein bisschen weiter, einfach weil ich in Übung war, und damit Kühnert auf keine dummen Ideen kam, dann packte Jonas meinen Arm und brachte mich aus dem Raum. Draußen klatschten wir uns ab, fielen uns in die Arme und lachten.
„Das wäre mal subtil, wenn du an die Tafel musst und kannst es“, sagte ich.
„Nullstress“, sagte Jonas.
„Ich meins ernst. Ein zweites Mal können wir die Nummer nicht bringen.“
„Komm, lass uns eine zischen.“


Im Saniraum öffneten wir das Fenster und steckten uns eine an. Ich rauchte in tiefen Zügen, bis mir schwindlig wurde. Den Rauch wedelte ich zum Fenster hinaus. „Was ist jetzt? Du hast nicht zurückgeschrieben.“ Hinter mir quiekte es, erschrocken drehte ich mich um. Ich wusste, es war Jonas Stimme, aber es erinnerte mich an den Hund, der vor unserem Haus überfahren worden war. Jonas kniff die Augen zusammen.
„Gehst du jetzt mit mir zum Abschlussball?“
„Ich wollte mit einem Mädchen gehen.“
Es dauerte, bis der Satz im Gehirn angekommen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.
Jonas wischte fahrig über sein T-Shirt, als haftete dort ein Haufen Tabakkrümel.
„Ein Mädchen? Und was bin ich? Ein Eichhörnchen?“
„So meinte ich das nicht, ach Scheiße, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Wir sind doch Freunde.“

*


Ja, wir sind Freunde, Jonas und ich. Seit Babyzeiten. Ich wusste alles von ihm, wahrscheinlich kannte irgendein Frontallappen in meinem Schädel sogar seinen ersten Zahn. Das hatte ich jedenfalls immer gedacht, bis er in die Tanzschule „Bösel“ reinspaziert kam. Angemeldet, genauso wie ich. Und keiner wusste vom anderen.
Der Unterricht hatte noch nicht begonnen, aber die Tanzlehrer hatten sich schon in der Mitte des Saales postiert. Ich saß zwischen einem Haufen bauchfreier Mädchen mit knallengen Jeans und blickte nachdenklich auf meine weiten Hosen und das T-Shirt, unter dem mein Busen wie zwei Kirschkerne wirkte, während den Mädchen rings um mich die Brüste wie Äpfel aus dem rosa Stoff sprangen. Scheiße, dachte ich.
„Was machst du hier?“, fragte ich Jonas.
„Zweihundert Euro.“
„Was?“
„Ich krieg zweihundert Euro von meiner Mutter, wenn ich tanzen lerne. Ich soll mal was andres machen, als immer nur Brücken sprayen.“ Er schüttelte den Kopf. „Mit den zweihundert Euro kaufen wir uns neue Farben. Und du?“
„Umgekehrt“, sagte ich.
„Du musst zweihundert Euro zahlen?“
„Das war ein Scherz.“ Ich zog die Luft ein, bis es im Hals kitzelte. „Ich mein, ich zahl ganz normal. Ich wollte einfach …“ Meine Stimme kiekste, aber Jonas bemerkte das nicht, seine Augen waren durch den Raum gestreift, während ich sprach. An einer Stelle blieb sein Blick hängen. Ich drehte mich um, ein schlankes Mädchen saß dort, mit Locken bis zum Hintern.
„ … tanzen“, vollendete ich, aber Jonas war schon aufgestanden und in Richtung Lockenmädchen gelaufen, als hinge er an einer langen Angel und wurde jetzt eingeholt.
Ich blieb an meinem Platz. Den Rest des Abends beobachtete ich, wie er ein Mädchen nach dem anderen aufforderte, mit ihnen tanzte, und wie er immer wieder zu dem Mädchen mit den langen Locken zurückkehrte. Ihre Blicke strahlten, wenn sie aufeinander zuliefen.
Irgendwann an diesem Abend, als ich über der Schulter eines Jungen hing, der Angst vor mir zu haben schien, und Jonas nachstarrte, der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte. Mit sonst niemandem.

Hinterher, als alle weg waren, setzte sich die Tanzlehrerin neben mich. Sie sagte, dass sie Tanzassistenten besorgen würden, nächstes Mal werde alles besser, und natürlich gebe es keine Kleiderordnung, aber nur so als Rat unter Frauen, ob nicht etwas Weiblicheres? Wenigstens beim Abschlussball?
„Nur über meine Leiche“, sagte ich, stopfte die Haare unter das Cappy und ging.


*


„Freunde, ja klar, das seh ich“, sagte ich. „Und noch was, das tat weh eben. Ich tanz am besten von allen Chicas. Aber bei Kühnert darf ich dir helfen? Ja? Das ist scheiße.“
Jonas fasste mich am Arm. „Ich wollte dir nicht weh tun, ist nur, weil … “ Dann drehte er sich einfach um und ging.
Ich auch, aber nach Hause, obwohl die Schule nicht zu Ende war, und mein Asthmaanfall jetzt bestimmt aufflog.
Dass Jonas doch noch eine Fünf gekriegt hatte von dem bescheuerten Kühnert, erfuhr ich erst am nächsten Tag von Melanie.
In der zweiten Stunde schob sie mir einen Zettel zu. „Okay“, stand darauf in Bubbelschrift. Darunter „Joni“, mein Babyname für Jonas. Dann: „Mauer Osthafenbrücke“. Das war Jonas Projekt seit fast einem Jahr.
Unseren Namen taggen vor den spiegelnden Fensteraugen der EZB mit ihren ungefähr hundert Zivilbullen pro Quadratzentimeter. Auf die Wand von der Osthafenbrücke runter zum Mainufer.
Ich hatte immer abgelehnt, bin ja nicht lebensmüde, außerdem wär da keine Zeit für ein anspruchsvolles Piece in meinem Stil.

In der Pause passte Jonas mich ab. „Und?“, sagte er.
„Wie kommt's? Obwohl ich ja kein Mädchen bin?“
„Der Kühnert hat mir eine Fünf gegeben, als du weg warst.“
„Toll. Dann geh doch mit dem Kühnert zum Abschlussball.“
Jonas Oberlippe zuckte.
„Doch, sieht bestimmt geil aus, zwei Arschgeigen Arm in Arm. Und alle im Saal heben Pappschildchen mit Fünfen drauf.“
„Quatsch nicht rum! Der Typ braucht eine Abreibung.“
„Warum Osthafenbrücke?“
„Der Kühnert fährt jeden Tag mit dem Fahrrad dran vorbei.“
„Willst du jetzt eine Kunstnote von ihm oder was? Der Sack ist Mathelehrer.“
„Wir schreiben was, was ihm richtig stinkt, Zahlenfascho Kühnert, keine Ahnung. Außerdem hat der, als du weg warst, gesagt, dein Asthma käm vom Sprayen und wenn es nach ihm ginge, müssten Sprayer Klos putzen.“
„Arsch.“
„Siehst du?“
„Also kein Piece dieses Mal“, überlegte ich.
„Nein, der soll es lesen können.“
„Aber dann von ganz oben.“
„Nicht ungefährlich.“
„Genau deswegen.
„Schwierig. Hast du selbst immer gesagt.“ Jonas wiegte den Kopf hin und her, aber seine Augen funkelten.
„Doch, das geht. Die Wand hat genügend Griffe, an der Seite sind Rohre. Ich hab mir das angeschaut. Stell dir einfach den Spruch vor. Ganz oben auf der Mauer, darunter unsere Tags. Und jeder unten auf dem Radweg sieht es, wenn er vorbeifährt.“ Ich lachte voller Vorfreude. „Und noch was, Jonas, den Spruch denk ich mir aus. Der Kühnert darf uns nichts beweisen können.“
„Du bist die Beste. Wann?“
„Sonntagnacht. Halb drei. Aber vorher Gegend checken. Und denk dran, was du mir versprochen hast.“


*


Unser Atem bildete Wölkchen, als wir mit dem Rad den Main entlang fuhren. Dunkle Kleidung, kein Licht, die Rucksäcke mit der Ausrüstung baumelten auf dem Rücken.
Die Räder warfen wir in ein Gebüsch, bevor wir den Hang hinauf zur Brücke schlichen.
Kurz davor machte ich mich fertig. Kapuze, Maske, Stirnlampe und der Klettergurt von meinem Vater. Die Cans und ein paar Caps steckte ich zu den Handschuhen in die Bauchtasche. Am äußeren Rand der Mauer fixierte ich das Seil am Geländer, schlang es durch die Anseilschlaufe am Klettergurt und wand es an einer zweiten Stelle ein paar Mal um den Handlauf. Jonas würde das Seil weiterleiten. Im Notfall bewahrte mich das vor einem Sturz. Ich schaute nach unten. Das Gestrüpp am Fuß der Mauer sah aus wie verfilzte Haarbüschel. Von dort aus fiel der Hang sacht ab, hinunter zum Fahrradweg und zum Main, der im Mondlicht glitzerte. Ein kühler Wind strich die Mauer zu mir hoch. Ich schauderte, dann schwang ich mich über das Geländer. Ich stieg an dem Leitungsrohr am Rande der Mauer hinab, ungefähr zwei Meter, bis mein rechter Fuß das Sims tastete, von dem aus ich arbeiten wollte.
„Okay?“ Jonas Stimme war kaum zu hören. Nur sein Kopf hob sich als blasses Oval gegen den Himmel ab.
„Okay.“
Wenn jemand auch nur in die Nähe der Brücke kam, würde Jonas sich bemerkbar machen, würde pfeifen, zu mir herunterrufen, irgendwas, damit ich Zeit hatte, abzuhauen.
Vorsichtig schob ich mich seitlich das Sims entlang, während Jonas Seil gab, presste meine Hände an die Mauer, verschmolz mit ihr. Ich spähte zum Mauerende zurück. Ja, weit genug für die ersten Worte. Ich lehnte mich gegen die Wand, krallte mich mit einer Hand fest, mit der anderen fingerte ich die Handschuhe aus der Tasche. Keine Chance, sie anzuziehen. Ich ließ sie einfach fallen. Vielleicht würde morgen eine Kanadagans damit ihre Kinder beglücken.
Den anderen Arm hob ich hoch, die Spraydose darin wie einen Pokal, und atmete tief aus und ein. Am liebsten hätte ich gesungen. „Knebelt uns, fesselt uns, die Antwort bleibt bunt.“ Aber das wäre zu laut. Trotzdem, das hier war der Anfang von etwas Großem, ich summte die Melodie und schrieb: „Dieser Moment“. Klare, gut lesbare Schrift, nichts Schnörkeliges. Große Schwünge, markante Außenlinien, ein paar signalrote Schattierungen; mehr nicht. Das würde man gut sehen. Von Jonas hörte ich nichts. Ich verstaute alles und zog am Seil. Er gab Seil nach und ich trippelte weiter. Schritt für Schritt, die Hände an die Mauer gepresst. Etwas bröckelte unter meinem linken Fuß. Ich rutschte, krallte meine Hände noch fester, fand Halt. Der Schreck war mir bis in die Fingerspitzen gezuckt. Ich wischte mir über die Stirn, packte alles wieder aus und sprühte „wenn Kühnert“ an die Wand.
Irgendwo auf dem Main schrie etwas. Nur ein Vogel. Meine Klamotten klebten an mir, obwohl es kühl war. Sogar zwischen den Beinen fühlte ich mich feucht, als hätte ich in die Hose gemacht.
Von oben drangen Geräusche zu mir her. Schritte? Eine Autotür? „Jonas?“ flüsterte ich und spähte hoch, aber ich sah nur die Mauer über mir aufragen und das Seil. Bleib mal subtil, sagte ich mir, das geht schon alles. Jonas passt auf. Ich zog, um Jonas Signal für mehr Seil zu geben, spürte, wie es nachgab, und schlich weiter, bis ich Zug merkte. Als nächstes sprühte ich „merkt dass“ an die Wand, und dann, gerade, als ich mich entspannte und weiterwollte, zog sich das Seil noch fester. Fast hob ich ein bisschen ab. Eine Sprühflasche rutschte aus der Bauchtasche und polterte hinunter. Dann Schritte, eindeutig Schritte, die sich entfernten. Joni? Bleib jetzt verdammt subtil, Baby, du hast dich bestimmt nur verhört. Ich presste mich an die Mauer, zog an dem Seil, wollte mich das Sims zurückschieben Richtung Rohr, aber ich kam keinen Zentimeter vorwärts. Das Seil hatte viel zu viel Spannung. Ich pappte an der Wand wie eine Fliege, die man platt geklatscht hatte.
Dann wieder Schritte, und schließlich tauchten über mir zwei Köpfe auf. Da war kein Pfeifen gewesen, keine Warnung, nur ein paar Geräusche. Jonas hatte mich am Seil verfaulen lassen.
„Achtung. Tun Sie nichts Unüberlegtes. Bleiben Sie ganz ruhig. Klettern Sie vorsichtig hoch. Wohin sollen wir das Seil legen?“ Die Stimme war tief und kratzig. Ich spähte hoch, sprühte schnell drei Punkte hinter „dass“, rief „zum Rohr“ ließ die Can fallen und trippelte vorsichtig wieder zurück, den gesamten Weg, an meiner Schrift entlang zu dem Leitungsrohr, während die Männer von oben sorgfältig Seil nachgaben. Dann kletterte ich hoch.

Zwei Polizisten standen vor dem Geländer. Mit Schwung zerrten sie mich über das Metall, drehten meine Arme auf den Rücken und rissen mir die Maske vom Kopf. Danach wurden sie freundlicher.
Ich schwieg, als sie mich mitnahmen, schwieg auch, als sie fragten, ob ich wirklich alleine gewesen sei. Gab bloß meine Personalien an und verlangte nach einem Anwalt, obwohl ich gar nicht wusste, ob es Sprayeranwälte gab. Den beiden Polizisten war das egal, sie riefen sowieso meine Eltern an.
Aber ich blieb echt subtil so insgesamt. Nur, als der eine Polizist fragte, ob ich nicht zu jung zum Sterben sei, und zusammenzuckte, als ich bei der Frage nach meinem Vornamen Tessa sagte, musste ich erst lachen und gleich darauf ein bisschen weinen.
Mein Fahrrad ließ ich liegen, damit sie Jonas nicht auf die Spur kamen.


*


Am nächsten Morgen musste ich in die Schule, obwohl ich nicht geschlafen hatte. Die Bullen hatten mich nach Hause gebracht und meinen Eltern übergeben. Eigentlich waren die beiden Kerle ganz nett, sie fütterten mich sogar mit Wurstbrötchen und Kaffee, trotzdem ein Wunder, dass sie mich nicht wie ein Päckchen verschnürten. Das holten dann meine Eltern nach, jedenfalls geistig, und jetzt habe ich nicht nur eine Anzeige wegen Sachbeschädigung am Hals, sondern Hausarrest bis an mein Lebensende und wahrscheinlich krieg ich noch zehn Jahre nach meinem Tod Taschengeldkürzung. Aber was soll's. So lang ist das auch wieder nicht, ich sterbe vermutlich früh bei meinem Lebenswandel und den ganzen Dämpfen. Am meisten aber ärgerte mich der unvollständige Spruch. Jetzt stand an der Wand nur: „Dieser Moment wenn Kühnert merkt dass …“ Ich hoffte, dass Kühnert in den Auslassungspünktchen eine philosophische Arschlochbeschimpfung erkannte, aber wahrscheinlich war das zu subtil für Mathelehrer.


Jonas kam nicht an diesem Tag. Auch nicht am nächsten. Sein Handy war abgeschaltet, seine Mutter sagte, er sei krank.
Erst am dritten Tag, Mathe war schon vorbei, tauchte er auf, mit gesenktem Kopf, murmelte etwas und verließ als erster den Raum, als es blinkte.
Ganz hinten zwischen Schule und Park, wo wir immer heimlich unser Zigarettchen rauchten, traf ich ihn.
„Was war?“, fragte ich.
„Die Bullen kamen.“
„Echt?“
Er blickte nach unten auf den Boden. Keine Ahnung, was er da sah. Vielleicht zählte er Rotzepfützen?
„Warum hast du mich nicht gewarnt?“
„Das ging alles so schnell.“
Immer noch blickte er nach unten. Ich stieß ihn vor die Brust. „Du hättest mich warnen müssen, du Arsch.“
„Ich weiß.“ Endlich blickte er mich an. Er sah krank aus, obwohl ich Hausarrest hatte und einen Prozess vor mir und Eltern, die sich in Gorillas verwandelt hatten. „Hast du den Bullen was gesagt?“
Ich schnaubte. „Nein.“ Noch einmal stieß ich ihn. „Ist das alles was dich interessiert? Ob ich was gesagt habe?“
„Nein.“
„Ich hab übrigens eine Scheißanzeige am Hals. Und mein Fahrrad ist weg. Und deins?“
„Hab ich noch mitgenommen.“
„Ach.“
„Die hätten mich doch sonst gekriegt.“
Ich stieß ihn noch einmal vor die Brust, mit voller Kraft, er ließ alles mit sich machen, fiel einfach nach hinten wie ein Sack. „Ich geb dir die Hälfte zu der Strafe. Du kriegst auch mein Rad.“ Er sah ziemlich albern aus, wie er von unten zu mir hochäugte.
„Darum geht’s doch nicht“, sagte ich, „du bist abgehauen.“
„Ja.“
„Hmmm“, sagte ich. Und dann sah ich ihn an. „Am 19. ist der Abschlussball. Vielleicht ziehe ich sogar ein Kleid an.“
„Ja“, sagte er.
„Kannst du immer nur Ja sagen?“
„Nein.“
„Was jetzt?“ Ich setzte mich neben ihn auf den Boden und fasste ihn am Arm.
„Ich kann nicht mit dir gehen“, sagte er, „es geht einfach nicht. Jetzt noch viel weniger.“ In Jonas Augen lag dunkles Glitzern.
Ich sah auf den Boden. Da waren gar keine Rotzepfützen, sondern schwarze Muster und Abdrücke von Schuhsohlen und Steinchen, die sich zu fremdartigen Zufallstags verschlangen.
„Macht nichts“, sagte ich. Meine Stimme fühlte sich fremd an. „Macht ja nichts.“

Ich plante, „Scheiß auf Jonas“ auf alle Brücken Frankfurts zu sprühen, und die berühmteste und jüngste hessische Taggerin ever zu werden, ich wollte sogar ein Riesenplakat aus dem obersten Fenster der EZB hängen, auf dem „Jonas ist Verräter“ stand. Das machte ich dann doch nicht.
Die Tanzstunde aber habe ich geschmissen. Mag einfach keine Kleider.

Can: Sprühdose / Cap: Sprühventil / Piece: mehrfarbiges, aufwendiges Bild

 

Es gibt hier nicht viel zu sagen ... Ich liebe deine Geschichte:)
Grüße,
Dalina

 
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Ich will dir ja nicht unterstellen, liebe Novak, dass du risikoscheu seist, aber … na ja, wenn man so eine liebenswerte und witzige Ich-Erzählerin hat, müsste man sich als Autor schon ziemlich dumm anstellen, um damit keine gute Geschichte zustande zu bringen. Mit dieser frechen, unangepassten, abenteuerlustigen und obendrein ein bisschen verliebten(?) Tessa hast du eine Figur erschaffen, der die Herzen der Leser beinahe zwangsläufig zufliegen müssen. Noch dazu, wenn man sie auf derart charmante und glaubwürdige Art erzählen lässt. Hast sozusagen auf eine bombensichere Bank gesetzt. :D
Und gewonnen! Also bei mir zumindest. Ja, das ist einfach eine ungemein sympathische Geschichte, unterhaltsam, in mehrere Hinsicht sogar spannend, und ja, einfach hinreißend gechrieben.

Ach ja, die Szene in der Schulklasse:
Ich muss zugeben, dass ich da auch die Stirn runzeln musste, die erschien mir (wie anderen ja auch) stellenweise einfach zu slapstickmäßig - und dadurch nicht wirklich glaubwürdig. Dann hab ich mir aber gedacht: Na und? Denn immerhin ist deine Geschichte ja mit „Jugend“ getaggt. Und so wie ich das Stichwort verstehe, heißt das nichts anderes, als dass es nicht in erster Linie eine Geschichte über, sondern eine für Jugendliche ist. Und wenn man diese Altersgruppe als Zielpublikum vor Augen hat, kann man schon mal fünfe gerade sein lassen. Ich kann mir vorstellen, dass junge Leser, die ja in aller Regel selber Schüler sind, diese Szene anders (schadenfroher?) lesen, als wir pingeligen Erwachsenen.
Aber in Wahrheit hab ich eigentlich eh nichts hinterfragt, sondern einfach nur so richtig vergnügt vor mich hingelesen, scheiß auf den Rotstift, bei eigenwilligen Formulierungen hab ich nicht die Augenbraue hochgezogen, sondern sie einfach als Tessas genuine Sprache akzeptiert (Das ist einer der Vorteile der Ich-Perspektive.)
Tessas Sprüche mit „subtil“ hab ich sehr gemocht und das Eichhörnchen und das Seehundbaby hab ich geliebt.

Abschließend sag ich dir noch was, Novak, und ich hoffe, du fasst das jetzt als so großes Kompliment auf, wie es von mir gemeint ist: Die großartige fiz ist dem Forum ja leider abhandengekommen. Aber mit dieser Story etablierst du dich in meinen Augen als würdige Nachfolgerin von ihr. (Vergiss den Horrorkram, schreib uns lieber süße Teenager-Storys.)

War mir ein großes Vergnügen, Novak.

offshore

 

Hallo Novak,

spät, spät, ich weiß (zur Schule kam ich irgendwie auch oft zu spät :hmm:)

Kühnert war unser Mathelehrer. Ein Typ, der Menschen als Zahlen betrachtete, am liebsten komplex, potenziert oder sonstwie verwertbar. Jonas und ich waren Nullen.

Wenn ich bei Geschichten schon zu Anfang mit einem 'genau wie bei mir!' innerlich aufquietsche, bin ich auf jeden Fall schon eingefangen.

„Sie haben mich an die Tafel geholt, da wollte ich nicht unhöflich sein.“

Hab ich mich leider nie getraut, aber um so herzlicher geschmunzelt.

Deine Prots tragen die Geschichte mit dem richtigen Coolness- und Sympathiefaktor durch eine Welt , in der sich - wie es sich für Jugendliche gehört - alles um sie selbst dreht. Das finde ich unglaublich gut eingefangen.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Novak,

eine tolle Geschichte.

Textlich habe ich nur eine Stelle gefunden:

„Genau deswegen. (GÄNSEFÜSSCHEN)
„Schwierig.

Mein Lieblingssatz ist eindeutig: :D
und wahrscheinlich krieg ich noch zehn Jahre nach meinem Tod Taschengeldkürzung.

Es ist schon viel über deine Geschichte gesagt worden, dass ich da kaum mehr was beitragen kann.

Die Sprayerszene finde ich sehr authentisch.
Die Figuren sind dir gelungen.

Ich hätte mir etwas mehr Hintergrund über die Freundschaft der beiden gewünscht. Es wird zwar gesagt, dass sie sich von ganz klein an kennen ... Da ist es irgendwie schon etwas seltsam (oder gewollt?), dass sie sich für eine Zeit aus den Augen verloren haben, sonst hätten sie ja das mit der Tanzschule gewusst.

Dann finde ich, dass da ruhig etwas mehr zwischen dem Lehrer und Jonas hätte passieren müssen, das diese Sprayer-Aktion nicht so spontan erscheinen lässt. Etwas lang Geplantes ...

Aber sonst: Hat mir sehr gut gefallen. :thumbsup:

Danke für den Lesegenuss.

Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 

Liebe Novak,

meinen Kommentar hatte ich schon länger in Arbeit, konnte ihn aber nicht fertigstellen.
Mittlerweile ist schon so viel Lobendes zu deiner Geschichte geschrieben worden, dass ich wohl kaum neue Aspekte beleuchten werde.

Dennoch will ich dir mitteilen, dass ich deine Geschichte sehr liebe, und dafür gibt es mehrere Gründe:

Ein Grund ist der unaufgeregte, präzise Sprachduktus, die Satzgefüge mit den eleganten Nebensätzen, die den Inhalt von drei Sätzen auf fünf Wörter komprimieren.

Ein anderer Grund sind deine beiden subtil charakterisierten Protagonisten, zwei pubertierende Jugendliche, die sich mit plötzlich aufkeimenden Gefühlen und neuen Interessen herumplagen und ihre Kumpel-Freundschaft ins Wanken bringen.

Burschikos und rotzig, so stellst du deine Tessa vor; verletzlich und trotzig, so lernte ich deine Tessa lieben.
Im Vergleich zu anderen Mädchen ist ihr Äußeres - im Sinne von „was ist in“ - unattraktiv. Sie erkennt, dass ihr Körper nicht viel von dem bietet, was für junge Männer reizvoll wäre. Da helfen die inneren Werte auch nicht weiter.
In dem Alter kann man bei den Breitschultrigen nur mit weiblichen Reizen punkten.

Einmal will sie dazu gehören zu den koketten jungen Damen.
Unter der burschikosen Göre, dem zuverlässigen Kumpel, verbirgt sich eine junge Frau, die das Verliebtsein entdeckt.
Ein erstes Schwärmen, von dem sie selbst ganz plötzlich überrascht wird, als sie mit unpassendem Outfit Jonas in der Tanzstunde begegnet.
Ein erstes Schwärmen ist es, durch das sie beginnt, sich mit anderen Mädchen zu vergleichen und sich selbst zu reflektieren.

Ich habe dieses starke Mädchen bewundert, wie es sich keinem Modediktat beugt (was heutzutage als fast unmöglich angesehen wird) wie es sich hoch erhobenen Hauptes aus der prekären Situation der nicht erwiderten Schwärmerei/Verliebtheit befreit und sich selbst treu bleibt.

In deiner Geschichte gibt sich die Protagonistin nicht ihrem Liebeskummer hin, man liest nichts von Tränen und Selbstmord- oder Mordgedanken.
Die Protagonistin weint nicht, dennoch leidet man als Leser mit ihr und hofft, dass der verblendete Stoffel am Ende doch Anstand zeigt und ihre Treue und Zuverlässigkeit mit der Erfüllung ihres Herzenswunsches belohnt.

Eigentlich ist das Ende der Geschichte unspektakulär, beim Leser aber hallt ein starker Wow-Effekt nach.
Tessa entscheidet: „Ich mag keine Kleider.“
Das sagt alles. Sie verbiegt sich nicht, um zu gefallen.
Großartig dieses Mädchen!
Herrlich, ich weiß nicht, ob ich damals so robust und konsequent gewesen wäre.


Verständnis und Sympathie hege ich aber auch für Jonas.

Jonas ist zwar eine Mathenull, aber in der Klasse scheint er einen guten Stand zu haben: Er spielt vollendet den galanten Klassenclown nach seiner Aktion an der Tafel (tiefe Verbeugung gewolltes Missverständnis/ Löschen der ganzen Gleichung);
Er verhält sich Kühnert gegenüber nicht wie ein Schüler, sondern erlaubt sich, ihn auf eine „subtile“ Art zu veralbern.
Für Tessa und die Mitschüler ist er der Hero, der den Kühnert schafft.

„Sorry“, sagte er zu Kühnert und legte die Kreide zur Seite. „Muss sein. Leider. Bereitschaftsdienst.“ Dabei lächelte er und verbeugte sich noch einmal, obwohl Kühnert wie ein Kriegerdenkmal vor ihm stand. . Das würde in die Annalen der Schule eingehen, wie Jonas dem Kühnert den Strom abgedreht hatte.

Es wurde in einigen Kommentaren angeraten, die Schulszene zu kürzen.

Die Anfangsszene verrät aber so viel über den Jonas, seinen Stand in der Klasse, sein Stehvermögen dem Kühnert gegenüber, dass er so ein richtiger Sunnyboy ist, der mit seiner Art und seinem Status als Sani die Mädchen und Jungen für sich vereinnahmt.
Die Tessa hat sich da in einen starken jungen Mann verguckt.

Jonas darf sich erlauben, die Füße auf dem Tisch zu haben, er hat die Sonder- und Vertrauensstellung eines Schul-Sanis, scheint bei den jungen Damen des Tanzkurses sehr gut anzukommen, und nicht zu vergessen, er hat offensichtlich breite, männliche Schultern, (ich ziehe diese Info aus der mehrmaligen Erwähnung Tessas: Seine Schultern bieten Tessa Schutz. Sie versteckt sich hinter seinen Schultern.)
Frauen lieben Männer mit breiten Schultern.
Ich kann Tessa verstehen. In so einen kann man sich vergucken.
Aber so einer pflückt eben keinen Löwenzahn, sondern Rosen.
Und das zeigt sich dann ja auch in der Tanzstunde.

Schon in der Schulszene sieht man, wie zwiegespalten seine Gefühle für Tessa sind:
Er mag sie, aber eben als Kumpel, als Vertraute, und von ihr lässt er sich auch allerhand gefallen:

Ich zog ihm die Kappe über die Augen und schob seine Beine vom Tisch.

Kumpel ja, Abenteuer erleben, Schabernack mit ihr ja, aber Tessa zum Vorzeigen? Nein, sie ist nicht das Mädchen, um das man ihn beim Abschlussball beneiden würde.

Ich musste unweigerlich bei dem Stichwort Tanzstunde an meine Tanzstunden 1963 denken, und kann mich gut erinnern, wie empfindlich wir waren und wie stark nach Äußerlichkeiten selektierend wir damals reagierten.
Da gab es diesen Max, riesig, schlaksig und mit viel zu großem Kopf, Kinn, Nase und Ohren. Tanzschritte konnte er sich auch nicht merken, und immer war uns jeder andere Tanzpartner lieber, als er.
Ich erinnere mich heute noch lebhaft daran, dass wir Mädels den Augenkontakt mit ihm vermieden, damit er es nicht etwa wagte, uns zum Tanz aufzufordern, und wir machten uns keine Gedanken darüber, wie sehr er in jeder Tanzstunde unter der zur Schau getragenen Ignorierung und offenen Ablehnung gelitten hat (heute würde man das Mobbing nennen).
Keine von uns wollte mit ihm zum Abschlussball gehen, weil wir das als Herabsetzung unserer Person empfunden hätten; schließlich wollte man sich ja mit dem Tanzpartner schmücken und hatte Angst, verlacht zu werden.(Wen hat die denn da?)

Ein ähnliches Gefühl, sich nicht blamieren zu wollen, bedrängt m. E. auch Jonas.
Dass er die schmucklose Tessa nicht zu seiner Tanzpartnerin haben will, steht schnell fest, aber er weiß lange nicht, wie er ihr die Absage ohne Kränkung beibringen soll.

Obwohl der Leser nicht erfährt, was Jonas auf den Zettel als Antworten schreibt und wieder verwirft, gelingt es dir zu übermitteln, dass er sich sehr schwer mit einem NEIN zu ihrer Anfrage tut, denn er will sie nicht verletzen.

Der las, faltete den Zettel zusammen und legte ihn ins Federmäppchen. Keine zwei Sekunden später holte er ihn wieder raus, kritzelte eine Antwort, strich sie durch, schrieb noch einmal. Schließlich zerknäulte er das Papier, um es gleich darauf zu glätten, und mit dem Schreiben und Streichen weiterzumachen, bis er den Zettel in die Hosentasche stopfte.

Ganz so negativ, wie Jonas bisher von einigen Kommentatoren gesehen wurde, erscheint er mir nicht.
Zunächst ist er doch entwaffnend ehrlich:
„Gehst du jetzt mit mir zum Abschlussball?“
„Ich wollte mit einem Mädchen gehen.“
Es dauerte, bis der Satz im Gehirn angekommen war. Dort drehte er einen Kreis, ganz langsam, schließlich rutschte er hinunter. Direkt in den Magen.

Dann merkt er an Tessas Reaktion, dass er sie mit der Antwort verletzt.
Das macht ihm schon was aus. Das will er vermeiden, aber er kann auch nicht über seinen Schatten springen und in Tessa mehr sehen, als die Kumpel-Freundin.

„So meinte ich das nicht, ach Scheiße, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Wir sind doch Freunde.“

„Freunde, ja klar, das seh ich“, sagte ich.
„Und noch was, das tat weh eben. Ich tanz am besten von allen Chicas. Aber bei Kühnert darf ich dir helfen? Ja? Das ist scheiße.“
Jonas fasste mich am Arm. „Ich wollte dir nicht weh tun, ist nur, weil … “ Dann drehte er sich einfach um und ging.

Natürlich ist Jonas auch feige, Konflikten geht er lieber aus dem Weg.
Aber damit stellt er wohl kaum eine Ausnahme dar, haha.

Und klar, es ist ein perfider Deal:
Wenn du sprayst, dann darfst du mit mir zum Abschlussball.
Dieser Deal, seine Flucht vor der Polizei und sein Rückzug nach der Aktion charakterisieren Jonas als wortbrüchigen Feigling.
Ich denke aber, dass viele Jugendliche sich in solchen Situationen ähnlich verhalten würden, um ihrem Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Ich habe mich gefragt, wieso Tessa sich durch ihre Anfrage zum Abschlussball in eine so peinliche und erniedrigende Situation begibt.
Es liegt wohl daran, dass die beiden sich von frühester Kindheit an kennen und bisher alles gemeinsam ausgeheckt und erlebt haben, da erscheint es Tessa als selbstverständlich, dass sie auch den Tanzkurs als Partner absolvieren. Sie kommt gar nicht auf die Idee, dass Jonas mal etwas ohne sie machen könnte.

All diese Erklärungen und Beweggründe für die Handlung und das Handeln der Protagonisten kann ich aus deinem Text herauslesen, weil du diese Rückschlüsse „subtil“ in deinem Text vergraben hast.
Die Kürzung einiger Passagen könnten dieses Gefüge möglicherweise kaputtmachen.


Alles in allem großartig: Ich finde die Idee zum Challenge-Thema sehr gelungen, der Handlung bin ich mitleidend und begeistert gefolgt und an deiner Wortwahl habe ich mich erfreut.

Einen lieben Gruß von
kathso

 

Hallo Novak!

Ein richtig starker Text, auf jeden Fall. Hat mir richtig gut gefallen, deine Geschichte. Sie liest sich aus meiner Sicht in einem angenehmen Tempo. Vor allem, weil du keine unnötig langen (& und verwirrenden) Formulierungen benutzt, sondern immer strickt beim Thema bleibst.

Kritik habe ich wenig, nur ein paar kleinere Peanuts:

„Das wäre mal subtil, wenn du an die Tafel musst und kannst es“, sagte ich.
„Nullstress“, sagte Jonas.
„Ich meins ernst. Ein zweites Mal können wir die Nummer nicht bringen.“
„Komm, lass uns eine zischen.“
Erstmal ein paar Süßigkeiten: Ein richtig starker Dialog, finde ich :D

„ … tanzen“, vollendete ich, aber Jonas war schon aufgestanden und in Richtung Lockenmädchen gelaufen, als hinge er an einer langen Angel und wurde jetzt eingeholt.
Hier würde ich aus dem Gefühl heraus eher „als hinge er an einer Angel und würde eingeholt“ schreiben. Also mit dem Konjunktiv I, ist das glaube ich.
Ich auch, aber nach Hause, obwohl die Schule nicht zu Ende war, und mein Asthmaanfall jetzt bestimmt aufflog.
Dass Jonas doch noch eine Fünf gekriegt hatte von dem bescheuerten Kühnert, erfuhr ich erst am nächsten Tag von Melanie.
In der zweiten Stunde schob sie mir einen Zettel zu. „Okay“, stand darauf in Bubbelschrift. Darunter „Joni“, mein Babyname für Jonas. Dann: „Mauer Osthafenbrücke“. Das war Jonas (müsste man hier nach Jonas nicht ein Apostroph setzen?!) Projekt seit fast einem Jahr.
Unseren Namen taggen vor den spiegelnden Fensteraugen der EZB mit ihren ungefähr hundert Zivilbullen pro Quadratzentimeter. Auf die Wand von der Osthafenbrücke runter zum Mainufer.
Ich hatte immer abgelehnt, bin ja nicht lebensmüde, außerdem wär da keine Zeit für ein anspruchsvolles Piece in meinem Stil.
In diesen Abschnitt bin ich nicht so ganz hinein gekommen. Vielleicht, weil er im Vergleich zum restlichen Text mehr kleinere Themen auf engem Raum vereint: Nach Hause, Asthmaanfall, Fünf in Mathe, Zettel von Melanie... Da würde ich vielleicht sogar ein bisschen was raus streichen (ist selbstverständlich nur eine Anregung), wie z.B. den Satz mit der Fünf, die wird schließlich später auf andere Weise erwähnt ... aber das sollst du natürlich lieber selber entscheiden, könnte nämlich auch sein, dass die Fünf dann zu plötzlich daherkäme und man sich gar nicht mehr über den bescheuerten Kühnert aufregen könnte... :)

Ich schwieg, als sie mich mitnahmen, schwieg auch, als sie fragten, ob ich wirklich alleine gewesen sei. Gab bloß meine Personalien an und verlangte nach einem Anwalt, obwohl ich gar nicht wusste, ob es Sprayeranwälte gab.
:D
Es gab noch ein paar andere Stellen, an denen ich grinsen musste (richtig lachen über Geschichten funktioniert bei mir irgendwie nur mit anderen zusammen :shy:).


Das war’s auch schon. Nee, wirklich etwas Konstruktives kann ich nicht zu beisteuern, aber ich denke, Lob nimmst du auch gerne *lach*. ‚Subtil‘ scheint das Lieblingswort zu sein, das kam öfters mal vor. Was aber nicht heißen soll, dass es stört, ist mir nur aufgefallen (die gibt es ja eigentlich immer, solche Wörter. Bei uns war es die letzten Wochen ‚dezent‘ (frag mich nicht warum-), das hört man dann jede Minute zig-mal, bis es jedem auf die Nerven geht, was dazu führt, dass es abermals aus der Versenkung rausgeholt wird... haha =)

Nochmals: Sehr gerne gelesen!
Viele Grüße,
SCFuchs

 

Hola Novak,

eine längere Geschichte hält mich meistens auf Distanz, aber da ich mal hier, mal dort reingeschaut hab, entstand doch der Wunsch, Dein Werk in seiner Komplexität und Güte zu goutieren:). Ich finde das toll geschrieben, Du hattest mich von Anfang an am Haken. Besonders die Dialoge haben mir sehr gefallen in ihrer Natürlichkeit und Treffsicherheit.

Kosmetisches:

Er fläzte an seinem Tisch, Kappe auf dem Kopf, Beine auf dem Tisch, ...

... wahrscheinlich kannte irgendein Frontallappen in meinem Schädel sogar seinen ersten Zahn.
Ich glaube, das hätte Dir in einer anderen Geschichte auch nicht gefallen;). Oder das:
... Eltern, die sich in Gorillas verwandelt hatten.

... wollte mich das Sims zurückschieben Richtung Rohr, ...
Es will und will nicht (richtig) klingen; der / das Sims – und trotzdem.

Liebes Novak, mir hat das Lesen Spaß gemacht – und Dir wohl das Schreiben (glaube ich, gespürt zu haben:)). Ein Titel, der der Autorin alle Freiheiten lässt, und das scheint mir die wichtigste Voraussetzung zu sein.
Ich bin verblüfft, wie treffend Du die Sprache der jungen Leute rüberbringst, Donnerwetter. Und über allem liegt Deine Warmherzigkeit. So etwas Kostbares hat nur ein(e) Menschenfreund(in).

Kompliment! Echt ein sublimes, pardon, subtiles Teil!

Liebe Novak, ich wünsche Dir eine schöne Weihnachtszeit!
José

 
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Weiter geht es mit den Antworten:

Hallo an den Eisenmann
Manchmal möchte ich gerne ein Mitgliedertreffen haben, wo du da bist und der Incredible Holg auch. Wird wie ein Marvel Comic.

Ach so - Mathelehrer ist kein Beruf, sondern eine Diagnose!!!
Sag ich doch!
Muss ich mir merken, den Spruch.

Das meiste ist recherchiert, und wenn gesprayt, dann natürlich erlaubt. Aber: erlaubtes Sprayen ist nicht halb so erfüllend wie illegales Sprayen. Nehme ich jedenfalls mal an. :) Jedenfalls die Vorstellung einer urbanen Sprayrevoluzzeroma hat es mir schon angetan, muss mal drüber nachdenken, ob das nicht eine Zukunftsperspektive für mich wäre. Aber halt, nachher erwischst du mich noch und so ein bisschen hab ich jetzt doch Angst gekriegt vor dir, wenn du mir die Hände und so, du weißt schon. :D Also da war ich dann doch froh, dass Heiko Maas Justizminister ist und nicht du. :)

Die Mathestunden-Einlage mit dem simulierten Asthmaanfall fand ich hingegen ein bisschen zu übertrieben. Klar, Kühnert ist ein unsympathischer Arsch - das musst du aber nicht dadurch charakterisieren, dass er so gleichgültig reagiert, wenn eine Schülerin Blut (!) spuckt. Also ich glaube, da würde jeder Lehrer eher einen mittleren Panikanfall kriegen.
Ich habe ja u.a. nach deiner Kritik ein bisschen was eingebaut, zwar wenig nur, aber doch so viel hoffentlich, dass dem Leser klarer wird, Kühnert ist nicht einfach eine ignorante Type, sondern er ahnt, weiß fast, dass er mal wieder reingelegt wird. Ich hoffe, das merkt man jetzt besser.
Ob ich ansonsten wirklich noch den einen oder anderen Satz rausnehmen sollte, oder noch mehr ergänzen sollte, ich bin immer noch nicht ganz schlüssig.

Schönes (typisches) Jugend-Dilemma, das man wahrscheinlich nur dann so richtig nachvollziehen kann, wenn man selber ein Mädchen ist! Danke für diesen Blick hinter die weiblichen Kulissen!!
Gern geschehen.

Hab mich total darüber gefreut, dass dir das etappenweise Sprayen als Stilmittel gut gefallen hat. Es ist natürlich nicht nur ein Stilmittel, sondern entspricht ja auch der eigentlichen Aktion.

Dass der Spruch unbefriedigend wirkt. ja, das kann ich mir schon vorstellen, aber es stimmt, das wahre Leben lässt uns die Sprüche ja auch nicht bin zum Ende sagen. Mir zum Beispiel fallen sie gar erst immer dann ein, wenn die Situation komplett beendet ist.
Dass dir das unter dem Strich so gefallen hat, in seiner Nüchternheit und seioner Abruptheit, das hat mich sehr gefreut. Ich hätte kein anderes Ende wählen mögen als dieses. Karmapunkte hat Jonas sich nicht eingehandelt. Das stimmt, aber ich glaube auch nicht, dass die beiden für immer und ewig miteinander fertig sind. Feigheit ist ja manchmal etwas sehr Nachvollziehbares. Und der Jonas hier, der schämt sich einfach, nachdem er abgehauen ist. Sein Bild hat Risse bekommen. Besonders das, das er von sich selbst hat.
Und auch Tessas Weltsicht hat Risse bekommen. Denn auch sie ist nicht ganz unschuldig am Geschehen. Denn sie geht erhöhte Risiken ein, um ihm zu imponieren. Und überhaupt, so einen auf Freiersfüßen rumbrummenden Kumpel nicht seinen Weg gehen zu lassen, sondern sich in den Kopf zu setzen, dass sie jetzt nur mit ihm tanzen kann, und sonst mit niemandem, in diesem Bereich ist sie ja auch nicht nur sympathisch, da ist sie schon ziemlich stur. Alles ein Lernprozess. Nichts Schlimmes, aber auch nichts, das einen grad glücklich macht, aber ein wenig reifer vielleicht und weiser und einfühlsamer in andere.

Mir hat die Geschichte ausnehmend gut gefallen. Ein bisschen juvenile Subkultur, ein bisschen romantisch-tragische Teenagerliebe und das alles in einem realistischen Rahmen.
Falls ich mir jemals einen Wandspruch aufhängen würde, das wäre einer.

Lieber Eisenmann, tausend Dank für deine motivierenden Worte, und für den Hinweis mit dem Mathelehrer. Manchmal denkt man vielleicht nicht genug an den Leser und glaubt, der müsste das einfach so verstehen.
Danke einfach für deinen netten Besuch. So gleich am Anfang, wenn die Geschichte noch neu ist, weiß man ja nie, was passsiert und ob man was getroffen hat. Ich jedenfalls weiß das nie. Da ist das einfach schön, wenn man so einen schönen Kommentar kriegt.

Viele liebe Grüße an dich.


Lieber jobär

hat mich sehr gefreut, dass du gleich vorbeigeschaut hast.

Ich gehe gleich mal in medias res:

ob man Jonas Schulter lesen konnte. Hin und wieder zuckten sie,
Meinst du Schultern? Dann stimmt das "sie". Ich könnte mir denken, dass man aus dem Zucken etwas ablesen kann - aber lesen? Steht da was drauf?
hehe, ich dachte, das wär ein tolles BIld. Aber du bliebst ja nicht der einzige, oder zweite, der das moniert hat, da kam ja eine ganze Phalanx. ich habe es in deinem Sinne abgeändert. Und jetzt sind die immer noch nicht zufrieden.
Aber ich schon - jedenfalls bis noch mehr kommen, die die gegenwärtige Formulierung kippen lassen. :)

ROFL oder oh je, kann mich jemand wieder vom Boder aufheben.
Da musste ich jetzt lachen, du hast echt total viel Humor, jobär.

Das mit deiner Bekannten tut mir sehr leid. Bevor ich die Geschichte begann, hatte ich von Jungs, hier aus der Frankfurter Gegend gehört, die beim Sprayen verletzt wurden. Zum Glück nichts Ernsthaftes, aber trotzdem. Das war so ein bisschen der Ausgangspunkt. Und irgendwie hat es mir das Sprayen auch schon immer ein bisschen angetan.
Ich mache mich wahrscheinlich jetzt unbeliebt, wenn ich das sage, aber es gibt wahnsinnig schöne Bilder. Ich bin schon oft rumgeradelt, einfach nur um zu gucken.

Danke fürs Lesen, jobär, für Tipps und Lob.
Bis bald mal wieder.
Novak

 

Lieber Peeperkorn, vielen Dank, dass du nicht lange gewartet hast mit dem Kommentieren. Ich bin nämlich immer sehr gespannt, was du mir schreiben wirst, und prompt war es genau das, was ich selbst als Problem mit dem Text hatte, aber glücklicherweise jetzt nicht mehr habe. Ich schreib weiter hinten was dazu.
Erst mal habe ich mich sehr gefreut, dass du mir soviel Ermutigung und Lob dagelassen hast. Ich bin unglaublich stolz darauf, dass der Erschaffer von beeindruckenden Geschichtenschicksalen mit meiner Tessa mitfiebern konnte.
Merkst du was, ich rede von der schon wie von einem Kind. Ja, sie ist mir schon auch sehr nah in vielerlei Hinsicht.

Ich gehe mit meinen Kommentaren ja ziemlich systematisch durch die Geschichten, nach Einstelldatum und so, aber hier muss ich eine Ausnahme machen.
"Aber ich blieb echt subtil so insgesamt."
Was auch für deine grossartige Geschichte gilt. Du hast da zwar wunderbar kräftige Figuren, tolle Dialoge, einen sehr schönen Plot, der Spannung verspricht (und das Versprechen auch einhält), aber am Ende verzichtest du auf den grossen Knall. So wie der Spruch nicht zu einem Ende kommt, so auch die Geschichte nicht. Also, irgendwie schon. Aber es entspricht eher den drei Pünktchen an der Wand. Nicht, dass es offen wäre, aber es ist so, als würde dem Ballon, der aufgepustet wurde, einfach die Luft entweichen. Enttäuschung. Das ist, was bleibt. Und ich find's gut. Das macht die Geschichte noch authentischer, lebensnaher.
Meine Güte, wie gut das tut, das zu hören. Aber zu dem drei Pünktchen Schluss. Ja, du hast recht. Ich haue keinen großen Knall rein, sondern verabschiede mich von den beiden eher sanft, ein bisschen traurig, aber da gibt es keine große Wendung. Und das ist mir auch wichtig so.
Irgendwie ist dieses Erlebnis mit den beiden und für die beiden für mich ein bisschen wie eine Etappe einer Wegstrecke. Ich sehe das gar nicht so, dass der gemeinsame Weg da zu Ende ist. Klar, ein Bruch ist da, aber beide werden sich wieder einkriegen. Es sollte ja nicht nur eine lustige Geschichte sein, sondern eine, die auch in Wirklichkeit so enden könnte.

Und jetzt zu einem entscheidenden Punkt:

Das wäre, so weit ich das in der ersten Begeisterung sehen kann, dann auch der einzige Kritikpunkt. Mir ist Tessa zu sehr Opfer. ... Also, diese beiden Passagen haben ja was Selbsterniedrigendes an sich. (...)
Also, mir wäre es einfach lieber, wenn Tessa selbst entscheidet, dass das mit dem Ball nichts wird. Selbst dann wenn Jonas sagt, er könne nicht. Dann hättest du auch eine stärkere Entwicklung in der Figur, das würde mir gefallen.
Ich will mal kurz skizzieren, wie die Geschichte entstanden ist. Mir ging zu dem Thema komischerweise Schillers Handschuh nicht mehr aus dem Kopf. Wobei ich dazu sagen muss, ich wollte schon immer mal eine Jugendgeschichte schreiben und bin eh dabei mich in der Richtung zu probieren. Also mit Erzählstimmen, was das Alter betrifft, zu variieren.
Du weißt ja bestimmt, wie Schillers Ballade endet, der Ritter verschmäht die edle Dame, weil sie ihn zum Fleiß zu den Tigern und Löwen schickt. Ich wollte sowas Ähnliches machen, nur alles gleichzeitig ganz anders. Also Mädchen wird auf die Probe gestellt statt des Jungen. Es sind Sprayer, kein Ritter. Und: Ich wollte keinesfalls das gloriose Ende der Handschuhballade.
Das erschien mir arg vorhersehbar, wobei das sicherlich nur mir so gegangen wäre, denn ich glaube nicht, dass man noch merkt, dass die Geschichte mal aus dieser "Eingabe" entstanden ist. Aber ich wollte dieses Ende auch deshalb nicht, weil mir die Heldin Tessa dann gar so heldenhaft gewesen wäre. So wollte ich sie nicht. So sind Jugendliche ja auch nicht. Auch die Ollen nicht natürlich. Und deshalb ist die hier so etwas quengelig, drängelig, macht sich selbst so ein bisschen zum Opfer. Darauf kam es mir aber auch an. Ich wollte, dass ganz versteckt auch etwas zwischen den beiden sich abspielt, was einem Reifeprozess ähnlich wird. Es ist nicht ausgesprochen, und man weiß auch nicht, was daraus wird so ganz genau, aber die Leinen sind gelegt. Sowohl beim Jonas als auch bei Tessa.
Jonas hat erleben müssen, dass er auch eine angstvolle Seite in sich trägt, die so gar nicht zu dem Bild des sunny Klassenclowns passt, er ist ein Feigling. Und das muss man erst mal vor sich und sich selbst zugeben. Und vor Scham kann er dann tatsächlich nicht mehr mit Tessa gehen.
Und Tessa sieht eigentlich, was da in der Tanzstunde passiert, dass der Jonas sich am Vergucken ist und etwas zwischen ihnen steht, aber sie will trotzdem mit ihm zum Ball. So richtig gescheit ist das nicht. Und sie hätte auch kapieren können, was in ihm vorgeht, als er da am Boden liegt und zu ihr hochäugt. Sie hätte ihn nicht mehr fragen brauchen, er war doch schon geschlagen. Klar so ein junger Mensch kapiert das nicht, aber vielleicht hat sie ein bisschen was gemerkt.
Ja, anfangs sah ich das auch so, dass sie zu sehr Opfer ist, aber, das ist wenn man so will, ihr negativer Anteil in dieser Geschichte. Kein schlimmer Anteil natürlich, sondern ein sehr menschlicher. Opfer zu sein heißt ja auch manchmal, durch diese Passivität zu "handeln" und den anderen zu beeinflussen. Ach, ich kann das nicht so richtig ausdrücken. Aber sowas, zu erfahren, dass man nicht einfach jemanden dazu bringen kann, sich in einen zu verlieben, das ist jedenfalls für mich auch ein Teil einer Entwicklung. Es ist auch keine weniger starke Entwicklung, sondern nur eine andere.

Ich habe mich über dein Lob ganz furchtbar gefreut. Ich glaub nicht, dass dir das klar ist, wie wichtig das ist, dass dieses Mädchen gemocht wird. Ich wollte die auch so haben, dass man die mag. Und da bin ich schon sehr sehr stolz, dass mir das in deinen Augen geglückt ist.
Und ich verrate dir noch was. Es hat einen Wahnsinnsspaß gemacht, diese Geschichte zu schreiben. Die entstand in für meine Verhältnisse extrem kurzen Zeit.
Lieber Peeperkorn, ich danke dir für deinen Besuch.
Novak


Liebe wieselmaus,
Ja, die Szene mit dem Sprayen hat wohl den meisten ganz gut gefallen, die sich gemeldet haben. Ich musste sie allerdings vielleicht insgesamt sechsmal schreiben. Genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls war es stinkig oft.
Aber das lag nicht an den Charakteren, sondern daran, das alles einigermaßen glaubwürdig zu machen. Ich hab mir sogar fachlichen Rat eingeholt bei einem ausgezeichneten Kletterer (behaupte ich jetzt mal, gell offshore?) ob mein Szenario überhaupt geht, Und das erste ging gar nicht.
Hat dann noch ganz schön gedauert, das zu entwickeln und dann ging es dann doch.
Welche eigenen Erfahrungen dabei waren, habe ich ja schon mal andernorts geschrieben. Blaues Auge. Ich denk heut noch dran.

Dass du den guten Jonas übefordert fandst, ja, das fasst es gut zusammen. Wer wäre da nicht überfordert? Eine Art Doppelbelastung! :D

Lehrer als Feindbilder ... Gibt es nicht noch andere Gründe für Sprayerkarrieren, z.B.künstlerische Selbstverwirklichung, Lust auf Nervenkitzel wegen der Illegalität
oder auch der Wunsch nach geheimer Rebellion?
Der unmittelbare Anlass, warum es zum Sprayen in diesem Falle kommt, ist Tessas Wunsch, die Situation im Matheunterricht (insofern der Lehrer) und die Tatsache, dass er was über Tessa und ihr Asthma und das Sprayen sagt, also es ist eher ein Knäuel aus verschiedenen Gründen. Denn das verhalten des L. bringt Jonas dazu, sie verteidigen und sich am Lehrer rächen zu wollen. Und dazu braucht er sie. Also geht er, um sie zu ködern auf ihren Wunsch ein.
Ansonsten aber ist das nicht der alleinige Grund ihres Sprayens. Da sind im Text jede Menge Anspielungen drin, dass die beiden schon häufig gesprayt haben, auch warum sie es tun. Gerade die Szene im Klassenzimmer zeigt doch trotz ihres Comedycharakters, dass Jonas sich mit Autoritäten zofft. Und sie übrigens auch. Nur subtiler eben. :D Auch das Lied, das sie am liebsten singen will, da geht es um Trotz, Rebellion, um Aufbegehren, sich nicht einfügen wollen.

Tessa ist doch ein starkes Mädchen und klug. Wie wäre es, wenn Tessa eine ganz akzeptable Schülerin in Mathe wäre mit diesem stark ausgeprägten Gefühl für Gerechtigkeit und die sich deshalb für Jonas, die Mathe-Null, ins Zeug legt? Kreativ und verliebt, wie sie ist?
Ich habe darüber nachgedacht, Tessa zur Mathekoryphäe zu machen, aber ich habe dann doch keinen Sinn darin erkannt. Oder nicht kapiert, worauf du rauswillst. Ich befürchte auch, dass das irgendwie nicht mehr so viel mit dem zu tun hätte, was und wie Tessa sein soll. Also wie ich das will, wie sie sein soll. :)

Der Mathelehrer durchschaut die Situation. Solche Spielchen kennt er.
Du lässt ihn unergründlich[ aus dem Fenster schauen. Da denkt er wahrscheinlich darüber nach, was als nächstes kommt. Und dass er später die Fünf gibt, ist aus seiner Sicht konsequent. Die schauspielerische Leistung wäre natürlich besser zu bewerten. Aber er ist ja kein Deutschlehrer ...

Seine "Passivität" ist wohlberechnet und, das nur nebenbei, ganz im Sinne der Vorschriften. Eine Schülerin anfassen geht gar nicht. Kein Lehrer, der seinen Verstand beieinander hat, würde hier anders handeln.

Oh Wieselmaus, da war ich dann echt froh, dass du das geschrieben hast. Genauso war das gemeint. Dass er also nicht ein Mann ist, der über Leichen geht. Und auch, dass er nicht Hand anlegt, bei dem Mädchen, das kann man heute echt nicht mehr bringen. Gerade als Typ verkneifst du dir das ganz schnell.

Gut, du brauchst die Schulszene als Begründung fürs Sprayen. Aber ich meine, da müssten noch tieferliegende Motive her, wenn man wie Tessa und Jonas so tief in die Szene eintaucht.
In dieser Szene wird Jonas charakterisiert. Und was sie an ihm so anziehend findet. Und wie er selbst sich und seine Rolle sieht durch die Augen von Tessa. Ich brauche diese Szene. Und zwar ziemlich ausführlich. da beiß die Maus keinen faden ab.
Liebe Wieselmaus, ich danke dir ganz herzlich für Lob, für Kritik und für deine Vorschläge und Ideen. Mir hilft das immer sehr, weil ich oft unbewusst schreibe, ich plane zwar viel, aber die genauen Gründe sind mir oanfangs oft selbst nicht ganz klar. Und die Auseinandersetzung mit Kritik und Einwänden hilft mir auch, klarer zu sehen, was ich selbst genau will.

Mach es gut. Und bis bald mal wieder. Vielleicht schon bald in deinem wunderbaren Kruschelzimmer, das ich bestimmt schon dreimal gelesen habe.
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak,

ich melde mich nochmal, ohne Anspruch auf eine weitere Antwort. Ich sehe ja, welchen Aufwand du betreibst, um allen Kommentaren gerecht zu werden. Und dann noch Hochwasser in der Küche ...

Erstmal was zur "Jugendsprache". Weißt du, ich finde es gar nicht wichtig, ob man jetzt den punktgenauen Wortschatz drauf hat. Hauptsache, die Sprache wirkt jung, frisch und aufmüpfig. Und wenn Tessa nicht nur im Sprayen kreativ ist, warum sollte sie nicht auch wortschöpferisch auftreten, mit schrägen Vergleichen und Hyperellipsen. Tessas unverwechselbarer Stil eben.

Warum ich sie gerne als akzeptable Matheschülerin gesehen hätte? Ganz bestimmt nicht als Koryphäe. Tessa hat was gegen Ungerechtigkeiten, sowohl in der Schule, als auch im "richtigen Leben". Ich stelle mir vor, dass ihre Sprayertexte und -bilder solche Botschaften enthalten. Und obwohl sie - in meiner Vorstellung - gar nicht im Fokus des Mathelehrers steht und sie durchaus Jonas' Schwäche kennt, stellt sie sich schützend vor, klamaukmäßig kreativ eben. Wäre sie Klassensprecherin, könnte ja auch mal ein offenes Gespräch mit dem Lehrer weiterhelfen. Ich weiß schon, gähn ...
Tessa ist also ein Stückchen reifer. Sie kann ihren Freund auch mit einem "Mangel" akzeptieren. Diese Reife hat Jonas (noch) nicht. Aber der arme Kerl befindet sich ja auch im Hormonsturm.

Liebe Novak, ich habe inzwischen auch das Portrait des Mathelehrers akzeptiert. Die neuesten Pisa-Studien zeigen ja, dass es sich um ein "deutsches " Phänomen handelt ... Da bist du ja glatt auf dem richtigen Dampfer.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Lieber hell
Schön, dass meine Geschichte dir gefallen hat.
Ich glaube, du warst der erste, der ein bisschen Verständnis für den armen Jonas hatte. Und ja klar, das war nicht das erste Mal, dass die beiden sprayen, und vor allem Jonas muss deswegen schon Ärger bekommen haben, das hast du ganz richtig aus den 200 Euro entnommen.
Dass ich es in deinen Augen sprachlich ein bisschen übertreibe, lag hier wohl weniger an einer Liebe zu detailreichen Sprachbildern, sondern an der fehlenden Überarbeitung. :D Und da war ich dir sowas von dankbar, du hast mir richtig viel, ja sogar sauviel Arbeit abgenommen.
Normalerweise mache ich, bevor ich eine Geschichte poste, zahlreiche Überarbeitungsschritte: Füllwörter prüfen (mit Hilfe eines Tools, das prinzipiell all diese Fälle anmarkert, und dann kannst du überlegen), inhaltlich mehrere Überarbeitungsschritte. Wiederholungswörter prüfen, persönliche Rechtschreibschwächen abgleichen. Und vor allem, ich lasse den Text wirklich zwischendrin liegen, erst dann bin ich in der Lage, bestimmte Dinge wahrzunehmen.
Du bist da richtig gewissenhaft, hast einen wahnsinnig guten Blick. Das schätze ich total an dir. Und ich kann richtig viel damit anfangen. Was mich betrifft, bleib bitte bitte weiter so "pingelig". :D Für mich ist das wertvollste Textarbeit.
Zu den einzelnen Details, die du angemerkt hast, mag ich aus Zeitgründen allerdings gar nicht viel antworten, nur recht allgemein, denn ich fühl mich zur Zeit etwas überfordert mit dem Schreiben und Kommentieren und Antworten und einigem anderen mehr. Nimm es einfach so, ich bin jedes Fizzelchen genau durchgegangen, und werde das auch nochmal tun. Viel, sehr viel sogar, habe ich gleich übernommen oder in deinem Sinne abgeändert, z. B. bei Wiederholungen oder so. Einiges ist noch auf der Warteinsel oder der Gedankenliste und einiges werde ich auch nicht übernehmen. Aber dadurch, dass ich mich damit auseinandersetzen musste, bin ich mir über bestimmte Formulierungsvorlieben oder so klarer geworden. Manchmal ist das vielleicht Geschmackssache? Eine persönliche Eigenart? Weiß ich selbst nicht so genau.

Ich finde es sehr mutig von dir, den Jugendjargon zu verwenden. Ich weiß nicht, ob das bei Jugendlichen immer authentisch wirkt - kann das aber letztendlich nicht beurteilen.
Es ist kein lupenreiner Jugendjargon. Und soll es auch nicht sein. Ich habe dazu in einer allgemeinen Antwort was geschrieben.

Mach das noch mal, und du landest im Wurstwasser.“
Hab' ich noch nie gehört, auch von meinem 14'jährigen nicht.
Ja, ein sehr seltener Ausdruck. Ich habe es irgendwann einen jüngeren Mann sagen hören. Sicherlich keine Jugendsprache, sondern eine gewollte individuelle Sprachalbernheit, die ich selbst auch sehr witzig finde, weshalb ich das übernahm.

Füße auf dem Tisch, das Schminken, die Verbeugung und das Theater mit dem "Sani" ist mir too much, zu Fack-Ju-Göhte-mäßig. Finde ich unnötig überzeichnet; aber gut, mag an mir liegen.
Nee, liegt nicht an dir, sondern ist eher Geschmackssache, da bin eher ich in der Minderheit als du. :D Ich mag das nämlich schon, das Überzeichnete bis Alberne. Trotzdem: Ich überlege immer noch, ob ich nicht ein klein bisschen was streiche. Das dauert aber. Die Überdrehtheit er ersten Szene hat ja auch diverse Gründe, die ich schon öfters geschildert habe. Und das will ausgewogen sein.

Blicke ich auch nicht ganz mit den Tanzassisitenten, ehrlich gesagt.
Nie einen Tanzkurs gemacht? Meistens gibt es einen Frauenüberschuss und um den auszugleichen, besorgen die Tanzlehrer Tanzende aus höheren Kursen. Und der nennt sich Tanzassistent. Das ist ganz normal und üblich.

Woher weiß er das eigentlich? Ist das für alle klar, dass sie ein Sprayer ist? Sogar dem Kühnert?
Lehrer wissen mehr als du denkst. :) Diesen Spruch wollte ich schon lange mal wieder sagen.

Cans und Caps steckte ich zu den Handschuhen in die Bauchtasche.
Gefällt mir besser als Cappy. Ich würde das oben derart ändern.
Ist geändert, weil es zu Irritationen führte, aber gemeint war da eigentlich keine Kappe, sondern die Düse der Sprühflasche. Das nennen Sprayer eine Cap.


Ich verstehe nicht, weshalb sie die Handschuhe nicht vorher anzieht.
Kletter mal mit normalen Handschuhen, die dich vor der Sprayfarbe schützen sollen.
als es blinkte.
Verstehe ich nicht mit dem Blinken.
Viele Schulen haben keinen Gong, sondern eine Lampe über der Tür leuchtet auf. Und im Schuljargon sagt man dann oft: "Lass uns nach dem Blinken drüber reden" oder so.

Lieber hell, noch einmal einen ganz ganz großen Dank an dich. Viele liebe Grüße an dich von Novak

Meine liebe bernadette,
Nein, es ist definitiv nicht so gewesen, dass ich erst den Sprayerteil geschreiben hätte und dann den Rest. Vielleicht liegt der mir nur mehr oder deinem Geschmack?
Zur ersten Szene habe ich inhaltlich schon furchtbar viel gesagt. Vor allem in den allgemeinen Antworten. Es kann sein, dass ich inhaltlich noch eine Winzigkeit ändere, aber das werden Winzigkeiten werden. Vielleicht mal eine Formulierungsänderung. Aber nichts Wesentliches, eine winzige Kürzung. Grund: In der ersten Szene charakterisiere ich das Verhältnis zwischen Jonas und Tessa, ich charakterisiere auch beide Figuren. Die Überdrehtheit hatte noch einen weiteren Aspekt, nämlich zu verdeutlichen, dass der Lehrer ahnt, dass die beiden ein doppeltes Spiel treiben. Nicht zu vergessen, der Spaß an den Albernheiten, an dem Vertauschen der Rollen, den Eulenspiegeleien. Ich weiß schon, das ist nicht jedermanns Sache. Aber das will ich nicht ändern. Dann ist es halt so, wie es ist.

Das kannst du besser
Da habe ich geschluckt. Ich hasse diesen Spruch. Ganz ehrlich. Das ist das Pendant zu offshores "ich fand deinen Text ganz nett (in der falschen Betonung). Sag lieber die erste Szene findest du scheiße. :D
Ich war richtig froh, als ich gemerkt habe, dass dein Missfallen oder deine Einschätzung ganz inhaltliche Gründe hat. Und ich glaube, die haben dir die erste Szenensuppe verhagelt.

Der Jonas sieht die also röcheln, sie kotzt scheinbar in den Mülleimer - und er reagiert erst, wenn er vom Sekretariat die offizielle Meldung bekommen hat. Sani ist Sani ist Sani - und wenn der was sieht, muss er gleich helfen. Punkt. Alles andere gilt nicht. Das käme doch dem Handlungsverlauf auch noch entgegen, weil der Jonas dann schneller aus der Bredouille kommt.
Das ist es doch, was dich am meisten gestört hat – nehme ich an? Okay, muss ich so akzeptieren, aber ich gebe einfach mal zu bedenken, dass es nicht nur unterschiedliche Motive gibt, Schulsanitäter zu werden, du siehst einzig und allein die moralisch einwandfreie. Aber Schulsanitäter ist erstens was anderes als ein normaler Sanitäter. Das sind Jugendliche mit all ihren Ambiguitäten. Und auch bei den erwachsenen Sanitätern soll es schon paar schlimme Finger gegeben haben – wie bei den Feuerwehrmännern . Und ich gebe weiterhin zu bedenken, dass dem Jonas klar (er ahnt) ist, dass Tessa spielt. Er will die Szene auskosten, Kühnert alt aussehen lassen, so ein bisschen Rebellion im Klassenzimmer. Warum soll ein Schulsanitäter dieses Bedürfnis nicht auch haben? Und das Vermeiden des Tafeltests ist die eine Sache (also aus dem Raum rauszukommen), den Seiteneffekt, einen Stich bei den Mitschülern zu machen, ist mit Sicherheit genauso wichtig für ihn, wenn er dem Tafeltest entkommt. .
Aber ich fürchte, ich kann an der Stelle weder schwups noch dich wirklich überzeugen.


Cappy? Kappi oder Cape, meines Empfindens nach.
Das ist ulkig. Kappi und Cape habe ich als Synonym für Mütze noch nie gehört. Ein Cape ist doch dieser komische Umhang – oder? Regencape? Irgendwie muss mein Cappy doch regional sein. So wie dein Kappi und dein Cape. Ganz egal, ich habs geändert. Ist jetzt eine Kappe.

Ansonsten habe ich einiges übernommen, klar, hier aber, sorry, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden, wieso du das nicht verstehst:

"Ich schob mich hinter Jonas an den Tisch und versteckte mich hinter seinen Schultern. "
Ich kann mir das auch nicht vorstellen. Hinter Jonas und gleichzeitig an den Tisch?
Ich musste richtig lachen bei der Vorstellung, du sitzt vor dem PC und überlegst dir, die sitzen jetzt einträchtig wie ein belegtes Brötchen auf dem selben Stuhl. Ich sehe richtig deine Kinnlade runterklappen. Okay, ich hör auf, ist nur lieb gemeinter Ulk und ich schau mal, ob ich noch was dran ändern kann, wie wäre es z. B., wenn ich "einen Tisch" schreibe? (Obwohl da kommt dann wieder jemand und sagt, das muss "den" Tisch heißen. Oder ich ergänze noch "Bankreihe dahinter".
Wurscht, ich war einfach wahnsinnig verblüfft, dass das unverständlich sein sollte. Aber so ist es halt. Und da hübschen Frauen keine runterklappenden Kinnladen stehen, gebe ich mir da noch mal eine Extramühe für dich.


In der Schlussszene hätte ich gerne gesehen, dass Tessa dem richtig eine runterhaut, so volle Kanne. So, dass er strauchelt, stürzt und sich das Bein bricht. Der Arme konnte dann deswegen nicht an den Abschlussball - so ein Ärger
Hehe, bernadette, wie sie leibt und lebt.


Aber diese Schulszene, die würde ich eindampfen, mir ist der Jonas auch einen Ticken zu frech bei den Antworten dem Kühnert gegenüber.

Also, in einem Satz gesagt: Noch etwas den Anfang in die Mangel nehmen, Mathestunde verschlanken und den Jonas ein Bein brechen lassen (Zerrung reicht ja auch schon), dann wird das für mich eine supergute Story

Leider wird da nichts draus. :D


Liebe bernadette, ich hoffe, du siehst es mir nach, dass ich ein bisschen gefrozzelt habe, es liegt einfach daran, dass ich mir bei deinem Kommentar manchmal vorgestellt habe, wie du jetzt guckst und die Augenbrauen hebst, da musste ich so oft lachen. Das ist eben meine alberne Art. Aber denke bitte nicht, auf gar keinen Fall, ich hätte das nicht total durchdacht, was du da geschrieben hast. Ich habe mich sehr damit auseinandergesetzt und bin ganz schön ins Grübeln gekommen. Lob ist etwas Tolles, man braucht es, um weiter zu schreiben. Und die Kritik braucht man, um an ihr zu wachsen und sich zu verbessern Und manchmal braucht man sie auch, um sich darüber klar zu werden, weshalb man auf der eigenen Sicht beharren will.
Insofern danke ich dir sehr sehr sehr für dein Lesen und deine Gedanken, ach einfach für deine ganze Art. Und schicke einen ganz speziell lieben und dicken Gruß zu dir.


Liebe RinaWu
Nein, Gänse sind kein Markenzeichen von mir. Aber sie könnten es werden. Diese Kanadagans habe ich ganz ganz ernsthaft speziell für dich eingebaut. Ist echt wahr.


Zur Geschichte, ich finde, den Anfang könnte man kürzen. Die beiden hassen ihren Mathelehrer (wenn ich da an meinen damals denke, kann ich das sehr gut verstehen) und wollen sich an ihm rächen. Ich finde, dafür braucht es wenig Worte, die mich dann vielleicht schneller in die Geschichte gezogen hatten.
Nein, ich finde nicht, dass ich den Anfang kürzen könnte - bis auf ein paar Kleinigkeiten vielleicht oder die ein oder andere Ungenauigkeit noch oder Holprigkeit. Aber darum geht es dir ja nicht. Warum ich den Anfang keinesfalls wesentlich kürzen will, da verweise ich dich der Einfachheit halber auf allgemeine Antworten und auf die Antworten vorher. Natürlich finde ich das total blöd, dass dir das dann nicht gefällt, ich hätte es viel viel lieber anders, also gerade bei dir. Aber die Funktionen, die diese Szene erfüllt, sind mir einfach zu wichtig.


Ob ich das Ende richtig verstanden habe, weiß ich nicht. Mal abgesehen davon, dass man leider nicht erfährt, was Tessa eigentlich sprayen wollte, deute ich Jonas' Verrat so, dass er kapiert hat, dass Tessa mehr empfindet, als bloß Freundschaft, und er sieht sich dieser Situation nicht gewachsen. Also haut er einfach ab und gibt sich danach wortkarg und feige.
Nein, leider nicht richtig verstanden. Was heißt nicht richtig verstanden, vielleicht ist es ja so, ich hab das zu wenig ausgedeutet. Muss ich drüber nachdenken noch. Aber ich finde das auch schwierig. Eigentlich meine ich, man merkt das doch dem Jonas an, dass der ein total schlechtes Gewissen hat. Die Körperhaltung, das Wegbleiben. Das Nicht-Sprechen. Wann macht man das denn? Er schämt sich seiner Feigheit. Und genau deswegen kann/will er auch nicht mehr mit ihr zum Ball gehen. Er ist buchstäblich aus seiner üblichen Rolle gefallen, und das musste dir erst mal zurechtklamüsern als Jugendlicher. Da gehst du nicht mit der ausgerechnet zum Ball, die du gerade vorher verraten hast. Wie willst du der denn in die Augen gucken können?


Eine Frage habe ich noch: Was soll dieses "subtil" die ganze Zeit? Sagt man das so? Für was soll das stehen? "Chillig"? Das ging mir total auf die Nerven, weil es total unpassend klingt ... Aber vielleicht habe ich da einen neuen Jugendslang verpasst ...?
Auf die Nerven gehen wollte ich dir natürlich nicht, aber ich fürchte trotzdem, da musst du durch, ich will es nämlich behalten. Ich fand auch nicht unpassend inhaltlich. :) Ob man das so sagt, weiß ich nicht, ich denke, ich habe es erfunden. Nein, das soll nicht für chillig stehen.. Es steht für .... na für subtil eben. :D

Viele Grüße und vielen Dank für deinen lieben Besuch. Bei der nächsten Geschichte baue ich dir wieder irgendeinen Gänsevogel ein. Ich schwöre es.
Viele Grüße von Novak

 

Novak,

Diese Kanadagans habe ich ganz ganz ernsthaft speziell für dich eingebaut. Ist echt wahr.
NICHT. DEIN. ERNST!!! :bounce::kuss::bounce::herz: Das ist ja unfassbar toll. Jetzt freue ich mich noch viel viel mehr auf die nächste Geschichte von dir!

Aber die Funktionen, die diese Szene erfüllt, sind mir einfach zu wichtig.
Das verstehe ich. Nur weil ich das so empfinde, muss das ja auch noch lange nicht allen so gehen.

Nein, leider nicht richtig verstanden.
Sagen wir doch, das ist, wie es bei Kunst oft der Fall ist: Jeder interpretiert ein bisschen etwas anderes hinein. Ist das nicht auch sowas, was das Schreiben so toll macht? Ich finde das immer sehr spannend. So, wie du mir das Ende erklärst, habe ich es nämlich tatsächlich überhaupt nicht verstanden. Ich will es weiter so verstehen, wie ich dachte. Jawohl. Mach ich jetzt einfach so.

Auf die Nerven gehen wollte ich dir natürlich nicht, aber ich fürchte trotzdem, da musst du durch, ich will es nämlich behalten.
Ja okee. Ist okee. Ist ja schließlich dein Baby!

Bei der nächsten Geschichte baue ich dir wieder irgendeinen Gänsevogel ein. Ich schwöre es.
Ich flipp aus!

Liebe Grüße an dich!
RinaWu

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber gibberish,
Wie schön, dass du vorbeischaust ...


Du benutzt teils hanebüchene Vergleiche (Seehundbaby, Kriegerdenkmal), die ich bei anderen Texten vielleicht hinterfragt hätte, aber sie passen hier einfach, zeichnen Tesse als taffes Mädchen, das sich nichts so leicht gefallen lässt, immer einen klugen Spruch auf den Lippen hat.
Hanebüchen? Oh weh. Aber dann fand ich es lustig. Es stimmt wohl. Anderswo habe ich mal geschrieben, dass ich hier eine rumpelige Sprache habe, aber manchmal passt ja gerade das. Schön, dass du das so siehst.


Wie du den Text zusammengefasst und interpretiert hast, das hat mich sehr erleichtert, denn du beschreibst das Geschehen und die Konflikte so, wie ich sie auch installierren wollte. Auch, dass Jonas dir bzw aus deiner Sicht dem Leser nahe kommt, auch das fand ich äußerst wichtig, er wird ja nur durch Tessas Augen gesehen, trotzdem soll er als Gestalt fühlbar werden.


Die Protagonisten sind wirklich klasse. Und dann kommt auch noch richtig Spannung auf, als Tessa da an der Brücke sprayt. Wirklich ein starker Absatz, vor allem, weil man Tessa so mag. Man will nicht, dass sie erwischt wird, geschweige denn abstürzt. Mit der Spannung spielst du echt gut, das hast du wirklich drauf.
Du darfst gerne weitermachen.


Was die Anmerkungen betrifft, habe ich sehr viel davon schon eingebaut. Oder werde noch nachbessern. Ich komme nur irgendwie zu nix. An ein paar Stellen überlege ich aber auch noch.
Zum Beispiel an der Stelle mit dem Zettel. Da war mir halt wichtig, dass sie ihn genau beobachtet. Sie ist ja sehr unsicher, wie seine Antwort lauten wird. Darum war ich so ausführlich, aber ich schau noch mal nach, wenn du das so sagst.


Auch hier ist so eine unsichere Stelle.

„Genau deswegen.
Hier hast du was verloren.
Ich hab das absichtlich so zusammengestellt. Da ist nichts verloren gegangen. Nicht ungefährlich – genau deswegen. Das soll auf sehr knappe Weise bedeuten, dass die Gefahr gerade der Anreiz ist. Meinst du nicht, das geht doch?


Den Slang mit der häufigen Nutzung von subtil habe ich tatsächlich schon mal gehört, also für mich funktioniert es, macht den Text noch authentischer. Klar, mag den ein oder anderen stören, weil das Wort ja auch benutzt wird, ohne dass es eine signifikante Bedeutung hätte. Aber so benutzt die Jugend das eben, ich würde das nicht ändern.
Ich könnte zwar schwören, das ist auf meinem Mist gewachsen. Aber das ist im Endeffekt ja auch egal.
Diese Wörter haben nicht nur eine semantische Bedeutung, eine sprachlich informierende Funktion, sondern sind gleichzeitig Mittel der Abgrenzung, Selbstdefinition und Identitätsfindung. Insofern hat Jugendsprache etwas Schöpferisches. Da kommen Wortveränderungen vor, Neuschöpfungen, Begriffsumdefinitionen, alles mögliche kommt da vor. Immer aber dient es der Selbstdefinition und der Abgrenzung. Deshalb wirkt es ja oft so peinlich, wenn ein Erwachsener krampfhaft Jugendlichensprache zu sprechen sucht. Wenn man also einen Jugendlichen literarisch erschafft, steht man vor einem Dilemma. ich habe es darüber versucht zu lösen, dass ich in meiner Geschichte Funktionen dieser Sprache in meiner eigenen Sprache versucht habe zu übernehmen. Ob ich das nun gut oder weniger gut hingekriegt habe, das müssen andere beurteilen. Nur eines tue ich hier nicht, DIE Jugendsprache sprechen, oder eins zu eins Wörter aus DER Jugendsprache übernehmen, die man nun darauf abklopfen müsste, ob es das Wort tatsächlich gibt.
Weshalb mach ich hier noch einmal so einen langen Ausflug, weil ich so froh war, dass auch dir ein typisches Merkmal jugendlicher Sprache aufgefallen ist, die Benutzung des Wortes ohne signifikante Bedeutung. Es dabei egal ist, ob es das Wort nun genau so gibt. Die Frage ist dann eher, erreicht das Wort und die Art, wie es benutzt wird, seinen Zweck.

Gibberish, vielen Dank für deine Hilfe und deine Gedanken und für dein Lob, das hat mich sehr stolz und glücklich gemacht.

Bis bald einmal wieder.
Novak


Oh je, und jetzt kommt der Mann, den ich so gerne stolz machen möchte. Einer meiner Mentoren. Und ich schaffe es nicht mehr, ihm ein Geschichtenwohlwollen zu entlocken. Naja, so ein bisschen schon noch, aber in den Grundpfeilern hakt es – und wieder die böse, böse erste Szene.
Lieber Schwups

Für mich ist der Beginn ganz klar zu lang. Die Szene mit dem Mathelehrer hat keine wirkliche Bedeutung für die Geschichte - klar, sie ist der Grund für das Sprayen, und sie zeigt auch, dass Tessa und Jonas ein (eher kumpelhaftes) Team sind - aber trotzdem, dafür nimmt die Szene einfach zu viel Platz ein und zieht den Fokus zu sehr auf sich. Das würde knapper, prägnanter, pointierter gehen.
Ich bin da leider anderer Meinung. Wie ich auch schon bernadette geschrieben habe. Die Szene steht da nicht nur wegen des Spraygrundes, sondern da wird das gesamte Verhältnis der beiden charakterisiert. Und warum ich dieses Verhältnis, die Treue Tessas zu Jonas, den Grund, weshalb der Freund-Liebes-Konflikt doch überhaupt zur Entwicklung kommt, denn das alles wird in der Mathestunde gezeigt, unbedingt in der Vergangenheit ansiedeln sollte, und nicht hier, verstehe ich einfach nicht. Das ist doch hier viel frischer.
Ja, ich verstehe dein Bedürfnis, mehr über ihr Verhältnis zu erfahren, denn meine gewählte Szene bleibt dir einfach verschlossen. Aber irgendwie würde ich eine andere Geschichte schreiben, eine, die nicht mehr meine wäre, wenn ich das alles umkrempelte, noch dazu, wo ich tatsächlich meine, ich habe alles das, was du gefordert hast, auch gemacht. Nur eben nicht in einer davor liegenden Zeit.

Übrigens nett, dass die doch sehr toughe Tessa den Mumm nicht aufbringt, Jonas direkt nach dem Abschlussball zu fragen, sondern einen Zettel schreibt. Das fand ich irgendwie niedlich, weil das Tessa sympathisch macht und auch glaubwürdig rüberkommt - ein schön eingestreutes Beispiel ihres Charakters.
Das hat mich total gefreut, dass du das gesehen hast. War bisher noch niemandem aufgefallen. Aber da war mir wichtig, ein bisschen schüchtern ist sie schon auch und sie weiß eigentlich, dass sie normalerweise keine Chance hätte. Geht hier ein bisschen in die Konfrontation, die Kleine, hat sich was in den Kopf gesetzt.


Noch was zu der Namenswahl:
Ich teile zwar deine Bedenken, ein s am Ende eines Namens und dann der Genitiv, das ist schon blöd. Aber bitte nimm es nicht als Sturheit, sondern als eine eigenartige persönlichdämliche Novaknummer. Ich will einfach, dass der Jonas heißt. Das ist komisch, denn üblicherweise denke ich an Namen furchtbar viel rum. Die müssen sich vom Klang unterscheiden, damit die Leser die Personen gut auseinanderhalten können, die dürfen nicht zu altmodisch klingen, nicht zu modisch. So Zeug halt. Und hier sind die Namen mir einfach so zugeflogen. Ich kann das nicht ändern. Echt nicht.


Die ganze Aktion fand ich übertrieben und auch nicht sehr glaubhaft. Ganz ehrlich, wenn ich als Lehrer sehen würde, dass jemand Blut spuckt (!) und einen Asthma-Anfall hat - den würde ich doch nicht mit einem anderen Schüler einfach davonspazieren lassen, auch wenn der offenbar irgendeine medizinische Nothilfe-Ausbildung bekommen hat.
Dazu habe ich schon in zahlreichen Antworten was geschrieben. Hab was eingebaut, damit deutlicher wird, der Lehrer ahnt/weiß, dass sie ihn verarscht, er kann nur nicht wirklich den Finger drauf legen, ist aber entsprechend misstrauisch.


Find ich (unfreiwillig) komisch - die sagen dem Kühnert, dass sich in seiner Klasse ein Sanitäter befindet, und er legt das Handy weg und wartet seelenruhig, bis es bei Jonas klingelt. Warum redet er nicht direkt mit Jonas? Oder warum sagt ihm das Sekretariat nicht, dass er direkt zu Jonas gehen soll? Oder - wie bernadette richtig angemerkt hat - warum kommt Jonas nicht schon allein auf die Idee zu helfen?
In der Antwort zu bernadettes Kommentar steht noch mehr dazu geschrieben. Aber so viel schon mal: Wieso sollte er helfen, wenn das Ganze doch ein Trick ist, Kühnert dumm aussehen zu lassen? Dass er gearscht ist, merkt er an der Antwort des Sekretariats. Da spätestens ist es ihm endgültig klar, was Sache ist, denn ein anderer Schulsanitäter hätte sich selbstverständlich schon vorher gemeldet. Wenn dieser hier das nicht tut, muss sich was anderes abgespielt haben. Er merkt also, er ist (mal wieder) reingefallen. Aber er kann den beiden auch nicht wirklich etwas nachweisen.


Subtil kommt häufig vor, weil es mein Tessa-Jonas-Wort ist. Jugendliche haben oft Lieblingswörter.
Ich habe es mir ausgedacht. Mehr steht dazu in den allgemeinen Antworten. Und besonders auch oben drüber in der Antwort an gibberish.

Den "Quieken-Abschnitt" überprüfe ich nochmal, da wird sich was ändern, also beim Quieken, rausfliegen soll da ja keiner. Ist auf jeden Fall angemerkt.


Jemanden vor dem Mathelehrer retten ist zwar schon ein netter Freundschaftsbeweis ... aber irgendwie halt auch nicht viel mehr. Ich hätte mir da was Individuelleres gewünscht, irgendwas, dass man als Leser denkt, Mensch, das ist schon eine besondere Freundschaft zwischen der Tessa und dem Jonas.
Ich finde, die Szene leistet das. Also für mich. Denn mir erscheint das Auffliegen eines vorgetäuschten Asthmaanfalles nicht unbedingt leichtwiegend. Also wird da in meinen Augen deas Außergewöhnliche ihrer Freundschaft gezeigt. Für die Szene spricht auch der unmittelbare Bezug zu dem eigentlichen Konflikt der beiden und dann zu der Wandszene.
Also du siehst, ich habe mich entschlossen, da nichts Wesentliches zu ändern bis auf Kleinigkeiten, trotzdem tut mir das irgendwie superleid. Ich hätte gerne was geschrieben, was dir gefallen hätte. :(

Jonas ist echt ein Feigling, immerhin blitzen am Ende Schuldgefühle auf, zumindest verstehe ich diesen Satz so:
„Ich kann nicht mit dir gehen“, sagte er, „es geht einfach nicht. Jetzt noch viel weniger.“
Ja, so wollte ich den Satz verstanden wissen.


Eben - hier wäre jetzt noch spannend gewesen, was Tessa denn immer noch an ihm findet. Er hat sie sitzen lassen, er will offenbar nichts von ihr - was sieht sie so Besonderes an ihm? Da hat die Geschichte noch eine Lücke, finde ich.
Das, was du als Lücke siehst, ist für mich der Haken, an dem bei ihr ein Lernprozess beginnen kann. Und ich formuliere den nicht aus, das stimmt. Ich will das aber auch nicht stärker tun.
Er hat sich selbst vor seinen und ihren Augen blamiert, ist ein Feigling. Er hat Schuldgefühle deswegen. Es ist nicht leicht, mit solchen Gefühlen umzugehen. Deshalb kann er auch nicht mit ihr tanzen. Also bei ihm sind die Scham- oder Schuldgefühle spürbar. Sie hält konsequent und taff und stur wie ein Maulesel an der Frage und Vorstellung fest, dass der Jonas doch eigentlich mit ihr tanzen sollte. Meine Idee ist, dass sie es sich gar nicht anders vorstellen kann, als dass Jonas in diese Rolle zu schlüpfen hat. Wollte ich mit der Tanzschulszene verdeutlichen.
Mit ihrem "macht nichts" am Schluss, beginnt auch bei ihr möglicherweise ein Lernprozess. Sie merkt ja trotz aller Wut, dass er leidet.

Wenn eine Freundschaft zerbricht, ist das immer ein Punkt, an dem man ins Rotieren kommt, anfängt zu reflektieren, vielleicht etwas lernt. Über den anderen hier zum Beispiel, dass er nicht nur der umschwärmte Klassenclown ist, sondern eben auch ein Feigling, der einen verrät. Und vielleicht lernt man ja auch, jemanden so anzunehmen.
Also mit diesem sehr offenen Ende wollte ich eigentlich erreichen, dass man die Geschichte zwischen den beiden als nicht unbedingt abgeschlossen ansieht. Vielleicht kommen sie wieder freundesmäßig zueinander, aber es wird anders sein.


Das ist offensichtlich nicht bei allen Leser so angekommen. Und natürlich überlegt man da, ob man noch was ändern kann/soll. Aber im Moment bin ich innerlich nicht frei genug, dem genauer nachzugehen. Ich finde es ja gut so, wie es ist. Wollte es in dieser Offenheit haben, dass nur ein Ahnung davon spürbar wird.

Lieber schwups, ich hab mich wahnsinnig gefreut, mal wieder von dir zu lesen.
Lass es dir bitte ganz ganz gut gehen.
Bis die Tage
Novak

Liebe Bea Milana

was für eine coole Geschichte! Ich spüre hier sehr viel Herzblut, Leichtigkeit, Lebendigkeit, Raserei, Mut, Aufbegehren, Leidenschaft.
Was für ein wunderschönes Kompliment.


Ich mag den leichten spritzigen jugendlichen Ton und erkenne mich ein wenig in Tessa und dem Thema dieser Geschichte wieder.
Aber nicht, dass du denkst, ich sag jetzt Tessa zu dir, ich glaube nämlich nicht, dass du so weite Hosen trägst und ein mülliges Cappy auf dem Kopf hast. Ich sehe dich wesentlich eleganter. :) Aber im Ernst jetzt, ich weiß ja, was du meinst.


Freundschaft und Liebe, geht das zusammen? Und: Der Verlust der ersten Freundschaft.
Deine Geschichte spitzt sich auf den bitteren Moment der Erkenntnis zu. Das ist klar aufgebaut und so erzählt, dass ich von Anfang an mit Tessa bin.
Ja, das ist der Konflikt. Und der bittere Moment. Daher auch der Titel. Und ich empfinde es so, dass dieser bittere Moment nicht nur bitter ist, sondern auch ein Moment, den man nie vergessen wird, an dem man aber vielleicht auch reifen kann. Verständnis für den anderen aufbringen kann in der Zukunft, ob das hier der Fall sein wird, das lässt die Geschichte bewusst offen.


Allen Beteiligten ist klar, dass hier eine Show, reine Schauspielerei, abläuft, die die Schüler und wir als Zuschauer nicht ernst nehmen, sondern belustigt beiwohnen.
Ich bin wahnsinnig froh, dass du das so eindeutig sagst, ich dachte schon, ich hätte alles völlig verpeilt.

Die Sache mit Tessas Sprache im Vergleich zwischen erster Szene und später lasse ich mir durch den Kopf gehen. Bin gespannt, ob mir das auch auffällt. Ich selbst habe das natürlich nicht gemerkt. Aber ich gucke mal.
Ebenso gucke ich auch nach diversen Korrekturvorschlägen. Ich bin nur noch gar nicht soweit, ich hab ein paar Vorschläge eingearbeitet, aber zum Teil bin ich doch ein bisschen überfordert mit Moderation, dem Lesen und Kommentieren der anderen Geschichten und dem ganz alltäglichen Gewirre und Gewese des Alltags, das manchmal zeitraubende und äußerst bizarre Formen annehmen kann
Womit ich mich nicht so anfreuden kann, das sind die sehr starken Kürzungen der ersten Szene, die du vorschlägst, ich denke zwar noch darüber nach, wie und was ich da ändere, da gibt es ja Ansätze. Aber die Radikalität deiner Kürzung ist mir zuviel. Wills lieber ein bisschen breiter haben will. Auch wenn ich da der Mehrheit vielleicht nicht entspreche. Aber die Szene und das, was ich darin zeige, ist mir einfach zu wichtig. Es kann natürlich auch sein, dass die erste Szene sich ein bisschen feinporiger aussieht, wenn ich endgültig die sprachlichen Patzer rausgewaschen habe. Das habe ich schon oft gemerkt, dass durch eigentlich ganz unwesentliche Miniaturänderungen (Wortänderungen zum Beispiel, Streichung eines halben Satzes) Leser der Meinung waren, ich hätte wahnsinnig viel an einem Text abgeändert. Auf einen ähnlichen Effekt hoffe ich hier auch.
Aber, das weißt du ja vielleicht selbst, macnhmal ändert sich sowas auch nach vier Wochen. Und diese Zeit will ich mir für das Nachdenken auch nehmen. Die brauche ich. Jetzt wäre ich von einer derart strengen Kürzung nicht überzeugt.


Zuerst dachte, die Szene spielt direkt nach dem Tanzkurs am selben Abend. Dann erfahre ich, dass es der nächste Morgen in der Schule ist. Aber warum sollte dann ihr Asthmaanfall auffallen, wenn sie bereits in der Schule war? Ich vermute einen Logikfehler entweder bei mir oder im Text.
Also da schau ich natürlich noch mal. Aber es ist jedenfalls so gemeint: Sie spielt nach dem Tanzkurs an einem der nächsten Morgen in der Schule. Und unmittelbar nach der Szene mit Kühnert. Und wenn Tessa jetzt einfach geht, ohne persönliche Abmeldung im Sekretariat, oder ohne Krankenwagen, ohne Abholung durch die Eltern, dann ist allen klar, dass ihr Anfall gespielt war.
Auch die andere von dir noch angegebene Stelle schaue ich mir noch einmal an.

Mir gefällt auch ihr Lieblingswort: Subtil. Das ist schon sehr speziell und passt zu ihrem individuellen Stil.
Juchhu. Das war es, was ich erhofft hatte.


Dann würde ich die Nummer mit dem Blut und dem Anfall zumindest am Anfang rasanter erzählen, Tempo reinbringen. Action! Nach meinem Gefühl lenkst du hier zuviel Aufmerksamkeit auf Details, die für den Kern der Szene unwichtig sind (z.B. die Reaktion von Melanie.
Da ist was dran.


Liebe Bea Milana, deine Gedanken und Kürzungsvorschläge treiben mich ein wenig um. Bestimmte Dinge, wie das Geplänkel am Anfang mag ich nicht streichen, anderes wiederum kommt vielleicht infrage, weil es den Kern der Szene ja nicht berührt (Melanie). Das muss ich prüfen. Kommt Zeit, kommt Rat.

Vielen vielen Dank für deinen Besuch, Bea. Er war sehr motivierend.
Bis die Tage
Novak

Lieber Achillus, lieber weltenläufer
Ich antworte euch beiden zusammen, weil sich vieles überschneidet und ich grad auch ein bisschen überfordert bin mit dem Antworten.
Ich habe mich sehr gefreut, dass ihr die Geschichte gelesen habt, obwohl solche stories eigentlich nicht dein Ding sind, Achillus, oder ich dich, weltenläufer mit dem Aufbau aus dem Tritt gebracht habe.
Gefreut habe ich mich natürlich auch darüber, dass euch die Geschichte trotzdem in groben Zügen gefallen konnte.

Mal wieder war die erste Szene Stein des Anstoßes.

Aber vorweg noch was speziell für Achillus:

Ich glaube weder, dass die Jugendlichen das Wort subtil verwenden (bezweifle sogar, dass die meisten es überhaupt kennen)
Verwenden als "Modewort" der Jugendsprache oder als typisches Wort wie Alder oder krass werden Jugendliche dieses Wort wohl nicht. Das macht doch aber auch gar nichts. Ich hatte übrigens auch nicht vor, als durchgängiges "Leitwort" ein bestimmtes, existierendes Jugendwort zu verwenden, fände das sogar falsch.
Es gibt übrigens nicht die Jugendsprache, wenn man sich damit mal ein bisschen beschäftigt hat. Von daher könnte es das Wort "subtil" in bestimmten Kreisen durchaus geben. Aber: Ob es das Wort nun gibt oder nicht, ist mir dabei nicht wichtig, sondern, ob das Wort funktionell verwendet werden kann und seine Aufgabe (zum Beispiel zur Abgrenzunge und zur Identitätsstiftung geeignet zu sein) erfüllt.
Wenn du magst, kannst du Genaueres in den allgemeinen Antworten nachlesen oder auch in der Antwort an gibberish.
Ob die meisten Jugendlichen das Wort subtil kennen, ist also amS egal. Tessa und Jonas könnten es aber kennen. Nur das zählt.

noch halte ich die ganzen Clownsspiele, die da ablaufen, für sonderlich realistisch. Das betrifft den Wortwechsel zwischen Jonas und dem Lehrer, seine Verbeugung, das Wegwischen der Gleichung usw. Für mich ist das ein bisschen zu sehr Feuerzangenbowle und zu wenig Gymnasium Neukölln.
Auch du empfindest die erste Szene eher als Karikatur, weltenläufer.
Ja, mittlerweile bin ich ein bisschen selbst zur "plattgetretenen Nudel" geworden. Ich habe das jetzt so oft gelesen. Ich weiß mittlerweile auch nicht mehr so recht, was ich dazu noch sagen soll. Ich finde die Szene übrigens durchaus realistisch, habe schon in meinem Berufsleben sehr eigenartige Dinge erlebt, aber das wird dir, Achillus, nicht genügen, und du empfändest die Szenerie trotzdem immer noch als Karikatur, und ihr hättet ja Recht, der Text muss es leisten, für euch Glaubwürdigkeit zu erzielen, ganz egal, ob das tausend mal so vorkommt oder nicht, er muss literarisch glaubwürdig sein, was ihm in euren Augen in der ersten Szene eben nicht gelingt.

Jetzt weiß ich aber auch, es gibt einfach manchmal einen solchen Dissens bei einer Geschichte. Und damit muss man als Autor dann eben leben. Das ist mein momentaner Stand, erfreulich finde ich das nicht, aber irgendwie auch nicht lösbar. Die Szene hat eine bestimmte Bedeutung für den Gesamtaufbau der Geschichte, was Motive und Charaktere betrifft und sie ist wiederum aus bestimmten Gründen bewusst etwas überzogen. Wie anders will man denn die Rolle eines Klassenclowns zeigen als durch die Betätigung des Klassenclowns?
Also ich sehe das so, dass ich zwar damit Leser verliere, aber ich wüsste auch nicht, wie ich sie gewinnen könnte, ohne meine Vorstellungen von der Geschichte aufzugeben. Ich hab das entweder nicht gut genug gemacht, oder es kann sowas nicht genügend oder es ist auch Geschmackssache.
Ich empfinde es übrigens nicht als Makel, wenn ein Text an die Feuerzangenbowle erinnert oder an Fack ju Göte, ganz im Gegenteil. Aber ich befürchte, von den meisten, die das gesagt haben, ist es leider anders gemeint. :D Muss und will ich so akzeptieren.

Gut, dass danach für euch beide die Geschichte geklappt hat, das hat mich sehr gefreut. Ist mir euer Urteil doch sehr wichtig.


Beide sprecht ihr danach einen Punkt an, den ich auch sehr wichtig oder sehr interessant finde. Ich zitiere mal Achillus:

Mich hat der Text auf die Frage gebracht, warum die meisten Autoren hier im Forum (uns beide eingeschlossen) so beharrlich das Happy End verweigern. Vielleicht weil wir nicht in kommerziellen Schreibstuben sitzen und es uns leisten können, jenen Teil des Publikums zu frustrieren, der in Geschichten auch Trost und Hoffnung sucht und bereit ist, dafür gutes Geld zu zahlen.
Vielleicht sollte man mehr Feurzangenbowlen zulassen? Okay, das war jetzt flapsig. Aber es gibt mit Sicherheit hier eine inhaltliche Dynamik im Forum, die eine Strömung in der realen Literaturwelt widerspiegelt. Happyend-Texte gelten eher als Unterhaltung. Nur Nachdenkliches ist echte Literatur. Von daher, da kannst du sicher sein wie das Amen in der Kirche, wird jeder Happytext eher argwöhnisch beurteilt werden. Und ich meine, dass solche Strömungen auch bei uns einen Nachhall hinterlassen. Wir sind nicht fri davon. ich würde das also genau anders herum beschreiben als du in deinem Zitat.

Davon ab empfinde ich mein Ende gar nicht als so melancholisch oder so frustrierend oder zerfasernd wie ihr. Ich habe schon an so vielen Stellen dazu was geschrieben. Wenn ihr mögt, könnt ihr da auch nochmal nachlesen. Ich finde auch, dass die Geschichte einen Moment ihres Verhältnisses und ihres weiteren persönlichen Werdens benennt, an dem sie reifen können. Und das ist Wachsen. Es sind nur Ahnungen, aber sie sind da. Zum Beispiel in dem Spruch "Macht nix Macht ja nix" der ist traurig, enttäuscht, aber er zeigt nicht nur das, es könnte auch als Klang spürbar werden, die Not des anderen zu sehen. Der Jonas ist ein Feigling, ein Verräter, ja, aber er ist immer noch auch ein Junge, der sich sicherlich schwer tut, diese Erkenntnis von und über sich zu akzeptieren. Und ihr "macht ja nix" bedeutet neben der Wut und der Enttäuschung auch einen Moment der Reifung, insofern, trotz aller Enttäuschung, aller Wut, die Not eines anderen, sein Auf-dem-Boden-liegen, wahrzunehmen. Ob der Moment dann Bestand haben wird, das weiß ich nicht. Aber er ist da.

Und das hat dich besonders genervt, welti:
"Melanie holte sich den Stift zurück und betrachtete ihn, als wäre er eine plattgetretene Nudel."

Also den Gag fand ich etwas bemüht.
Wann gucke ich denn etwas an wie eine plattgetretene Nudel? Und, warum tut sie das, den Stift so anzugucken?

Sie guckt den Stift so an, weil er nicht mehr aussieht wie ein normaler Lippenstift. Er ist breit gequetscht durch Tessa Manöver. Das ist gemeint. Aber ich überdenke, ob ich nicht einen Teil streiche. Ich brauche ja hier nicht alles.

Danke, dass ihr da wart, euren Eindruck erzählt habt, mal schauen, was ich daraus mache, sehr froh und dankbar bin ich, dass ihr den Text trotz der Kritik gerne lesen konntet.
Viele liebe Grüße an Achillus und weltenläufer

Liebe Kanji

Du bist mir ja eine. :)
Mich in Sicherheit zu wiegen mit dem Aufzählen der schönen Textstellen und dann das:

Bis zum Schluss war mir keine Zeile langweilig, aber ich habe mich in dieser (kurzen) Zeit nicht so dicht an deine beiden Protagonisten gefühlt. Obwohl mehr an Tessa als an Jonas. Und dabei ist mir noch nicht einmal klar, woran das gelegen hat.
Das hatte ich nicht erwartet. Aber muss ich so akzeptieren. Schluchz. Ich weiß es ja auch nicht, woran es liegt. Handwerkliche Fehler mache ich aus deiner Sicht eher nicht, habe ich zumindest nicht so empfunden. Manchmal ist es ja so, dass man auch sein persönliches Herz für eine Geschichte finden muss – geht mir ja selbst so - und wenn das nicht klappt, dann ist es so, wie es ist.

Lieben Dank, Kanji für deinen Besuch. Sehr hilfreich war er für mich auf jeden Fall, denn gerade durch das Textstellen nennen konnte ich mitkriegen, dass manche Überdrehtheit durchaus genossen werden konnte. Das war sehr wichtig für mich.
Viele Grüße von Novak

 
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Liebe Eva Luise Groh

Uh, Mathebauchweh wollte ich dir natürlich nicht bescheren. Aber trotzdem bin ich ein bisschen froh, dass mir das gelungen ist.
Gefreut hat mich auch, dass Sprache und der Humor aus deiner Sicht gelungen waren.
Besonders widmen aber will ich mich deiner letzten Frage:
Jonas wollte mit ihr ja freundschafthalber auf den Ball gehen. Ihren Wunsch erfüllen wollte er wegen der Ereignisse nach der Mathestunde, die ich nur getellt habe, also als Kühnert über Sprayer insbesondere Tessa lästerte. Das hat ihn sowohl in der Sprayer- als auch in der Freundesehre gekränkt. Da will man dann schon mal dem anderen einen Freundesbeweis liefern, zumal er Tessa im Gegenzug dadurch zu seinem Langzeitprojekt ködern kann. Nach dem Motto: eine Hand wäscht die andere.
In dieser Übereinkunft, also das gemeinsame Sprayen gegen Kühnert, versagt er aber. Er lässt Tessa im Stich. Sie, die für ihn wegen zu wenig Weiblichkeit nicht in Frage kam, wird von ihm, dem beliebten Klassenclown, den alle Mädchen interessant finden, verraten. Das ist ein Bruch mit seinem eigenen Selbstbild. Er ist jetzt ein Feigling. Und wer wüsste das besser als die, die er verraten hat. Er schämt sich vor ihr. Deshalb schaut er nach unten. Ist krank, sein ganzes ausweichendes Verhalten nach der Wandszene zeigt das. Und mit jemandem, vor dem man sich schämt, kann man keinen Abschlussball tanzen. Das ist der Grund. Scham, schlechtes Gewissen.
Vielen Dank, liebe Eva für deinen Besuch.
Novak

Lieber Friedrichard, mit dieser tollen aber auch blöden Mentionfunktion kann ich überhaupt nicht mehr lieber Friedel sagen, das ärgert mich. Dann hol ich das jetzt gleich nach: lieber Friedel, lieber Friedel, lieber Friedel, lieber Friedel, lieber Friedel.
Ich hab deine Stones- und Spiegeleierinnerungen gerne gelesen, denn du hast recht, ich bin schon in dem Alter, in dem man sich gerne erinnert. Das begann aber bei mir schon im zarten Alter von zehn.
Tanzstunde gab es zu meiner Zeit auch nur für die Angepassten. Wer was auf sich hielt, der hat Tanzstundenverweigerung betrieben. Heute ist das anders. Gehört irgendwie viel mehr zum guten Ton, ist vor allem aber auch nicht mehr ganz so konservativ aufgezogen wie damals. Es geht weniger um das gute Benehmen, sondern um das Tanzen. Trotzdem, mit diesem ganzen Abschlussballbrimborium, diesen Sträußchen und Sprüchelchen, damit könntest du mich auch heute nicht mit hinter dem Ofen vorlocken.

des feinen Werkes zwischen Feuerzangenbowle und der Unterwelt Don Delillos
Das gefällt mir. Muss ich mir merken.

Fläzen wird reflexiv gebraucht, ich dachte, es ginge hier trotzdem sprachgestalterisch durch, bin jetzt unschlüssig, ob ich "sich" nicht doch einsetze oder es durch "lümmeln" austausche.
Schaudern hingegen wird reflexiv und nicht reflexiv gebraucht. Und der reflexive Gebrauch gefällt mir persönlich nicht so gut, erinnert mich immer an altbackene Klassikhorrors. Sogar "schaudern" ist schon hart an der Grenze.

Sprechgesang hieß da nicht Rap, sondern Dylan. Und das heute noch. Kann sich einer einen Gangstaräpper als Nobelpreisträger vorstellen?
:D

Die anderen Flusen oder Fehler habe/werde ich alle übernehmen. Muss trotzdem erst mal die Antworten fertig schreiben.
Lieber Friedel (da ist es wieder) mach et jut.
Oder wie wir hier in Frankfurt sagen: Gude.


Auch von mir schöne Weihnachten. Wunderbar, dass du mich und meine Geschichte besucht hast.

Viele Grüße von Novak

Liebe Dalina, deinen charmanten, kleinen Gruß habe ich sehr gerne mitgenommen. Mich hat das total gefreut, dass die Geschichte dir so gefallen konnte.
Lieben Gruß an dich.
Novak


Lieber ernst offshore
ich war ein bisschen froh, als du aufgetaucht bist, denn du hast nicht nur das hier geschrieben:

Ich will dir ja nicht unterstellen, liebe Novak, dass du risikoscheu seist, aber … na ja, wenn man so eine liebenswerte und witzige Ich-Erzählerin hat, müsste man sich als Autor schon ziemlich dumm anstellen, um damit keine gute Geschichte zustande zu bringen. Mit dieser frechen, unangepassten, abenteuerlustigen und obendrein ein bisschen verliebten(?) Tessa hast du eine Figur erschaffen, der die Herzen der Leser beinahe zwangsläufig zufliegen müssen. Noch dazu, wenn man sie auf derart charmante und glaubwürdige Art erzählen lässt. Hast sozusagen auf eine bombensichere Bank gesetzt.
Da spricht der offshore, wie er leibt und lebt. Wobei ich persönlich bei sicher scheinenden Bänken nicht so sicher bin. Also ich stell mir immer vor,m ich könnte mal gut zusammenkrachen mit einer Bank, auf der schon ganz viele gesessen haben. Und ich krach dann zusammen damit. Als berufsmäßige Zweiflerin hätte ich also erwartet, dass mir das überhaupt nicht besonders gelingt. Deshalb freue ich mich ja auch so, dass die Geschichte insgesamt jetzt auch nicht gar so schlecht ankommt. Ich wollte unbedingt eine Jugendgeschichte schreiben – ganz unabhängig von der Challenge. Ich bin zur Zeit an einer eigenartigen Geschichte, von der ich nicht ganz weiß, ob sie Horror ist, jedenfalls spricht da ein merkwürdiger Junge, und meine nächste Geschichte soll von zwei Freundinnen in einer siebten Klasse handeln. Die sind auch ein bisschen komisch. Aber lustig komisch. Und eine Geschichte auch aus der Ichsicht über ein kleines Mädchen habe ich etwa zeitgleich zu einem anderen Zweck geschrieben. Auch wie gesagt eine Geschichte mit einer eher kindlichen Sprache. Irgendwie bin ich da gerade drin.

Und jetzt geht mein schon vor ewigen Zeiten begonnener "nicht nur-Satz" weiter, .... sondern wegen dem hier:

Ach ja, die Szene in der Schulklasse:
Ich muss zugeben, dass ich da auch die Stirn runzeln musste, die erschien mir (wie anderen ja auch) stellenweise einfach zu slapstickmäßig - und dadurch nicht wirklich glaubwürdig. Dann hab ich mir aber gedacht: Na und? Denn immerhin ist deine Geschichte ja mit „Jugend“ getaggt. Und so wie ich das Stichwort verstehe, heißt das nichts anderes, als dass es nicht in erster Linie eine Geschichte über, sondern eine für Jugendliche ist. Und wenn man diese Altersgruppe als Zielpublikum vor Augen hat, kann man schon mal fünfe gerade sein lassen. Ich kann mir vorstellen, dass junge Leser, die ja in aller Regel selber Schüler sind, diese Szene anders (schadenfroher?) lesen, als wir pingeligen Erwachsenen.
Du argumentierst hier viel besser, als ich das gemacht habe und könnte. Klar, ich hatte ja auch noch andere Gründe, die so auszubauen. Charakterisierung beider Figuren, er als beliebter Klassenkasper, Darstellung der Freundschaft zwischen beiden, die gar nicht viel Verständigung braucht, Überzeichnung, um zu verdeutlichen, dass die hier rumalbern, und der Lehrer das auch spürt, aber eben auch diesen anarchischen Zweck, wenn Jugendliche die Erwachsenen mal alt aussehen lassen wollen. Ich würde das übrigens auch dann machen wollen, wenn es keine Geschichte von, sondern über Jugendliche ist.

bei eigenwilligen Formulierungen hab ich nicht die Augenbraue hochgezogen, sondern sie einfach als Tessas genuine Sprache akzeptiert (Das ist einer der Vorteile der Ich-Perspektive.)
Tessas Sprüche mit „subtil“ hab ich sehr gemocht und das Eichhörnchen und das Seehundbaby hab ich geliebt.
Ich glaube fast, das ist auch der Grund, warum mir das Schreiben dieser Geschichte so viel Spaß bereitet hat. Man kann rumpeln. Ich bin keine Sprachvirtuosin, ich komme manchmal auf schöne oder ungewöhnliche Bilder, aber ich bin weit davon entfernt, einen bestimmten, typischen Sprachsound zu entwickeln oder gar zu haben wie einige hier. Und ich bin vielleicht fürchterlich albern und patze manchmal beim plot. Aber eines merkt man meinen Geschichten vielleicht doch hoffentlich an, das ist das Herzblut, das darin steckt. Und irgendwie scheinst du da was von zu spüren, was bei dir einen ähnlichen Nachhall hinterlässt. Ich bin von deinem Kommentar ähnlich gerührt wie von kathsos Kommentar. Es ist glaube ich wohl so, dass in euer beider Kommentare viel Persönliches, viel Erlebtes mitschwingt.


Abschließend sag ich dir noch was, Novak, und ich hoffe, du fasst das jetzt als so großes Kompliment auf, wie es von mir gemeint ist: Die großartige fiz ist dem Forum ja leider abhandengekommen. Aber mit dieser Story etablierst du dich in meinen Augen als würdige Nachfolgerin von ihr. (Vergiss den Horrorkram, schreib uns lieber süße Teenager-Storys.)
Da sind mir jetzt die Augen feucht geworden. Einfach weil ich die fiz vermisse. Und klar, das ist wirklich ein sehr großes Kompliment. Lieber allerdings wäre es uns beiden wohl, ich schriebe weiter Horror- und probierte mich hin und wieder einfach so an ein paar Jugendgeschichten, aber die fiz wär noch da. Aber das Kompliment, meine Güte. Es stimmt natürlich nicht. Leider. Aber es klingt so verflucht schön.
Ich habe deinen Kommentar wie immer furchtbar gerne gelesen, so leidenschaftlich und eigenwillig wie der ist. Ich sag einfach ...
Danke.
Novak


Lieber Willi

Wenn ich bei Geschichten schon zu Anfang mit einem 'genau wie bei mir!' innerlich aufquietsche, bin ich auf jeden Fall schon eingefangen.
Toll. Ich bin richtig froh.
„Sie haben mich an die Tafel geholt, da wollte ich nicht unhöflich sein.“
Hab ich mich leider nie getraut, aber um so herzlicher geschmunzelt.

Deine Prots tragen die Geschichte mit dem richtigen Coolness- und Sympathiefaktor durch eine Welt , in der sich - wie es sich für Jugendliche gehört - alles um sie selbst dreht. Das finde ich unglaublich gut eingefangen.

Ich lass das einfach so stehen, wenn ich darf. Denn ich bin superfroh, dass du mir diese Zeilen dagelassen hast. Du hast da was formuliert, was eines meiner Anliegen war in der ersten Szene.
Vielen Dank für deinen Besuch.
Lieben Gruß von Novak


Lieber GoMusic,
Vielen Dank für dein Lob, aber auch für deine Hinweise:
Die Stelle, die du schwieiig fandest, habe ich mal der Vollständigkeit halber aufgeschrieben:

„Nicht ungefährlich.“
„Genau deswegen.
Ich fand das grad durch die Entgegensetzung so lustig. Zwei Kurzsätze oder eine Zusammenstellung die stutzen lässt. Und gerade dadurch die Aufmerksamkeit auf den Inhalt lenkt. Da warnt jemand, dass etwas gefährlich ist und der andere sagt: genau deswegen macht er es.
Ich dachte, das ist gerade in der Kürze ganz gut?

Mein Lieblingssatz ist eindeutig:
und wahrscheinlich krieg ich noch zehn Jahre nach meinem Tod Taschengeldkürzung.
Ja, ich mag den auch sehr.


Ich hätte mir etwas mehr Hintergrund über die Freundschaft der beiden gewünscht. Es wird zwar gesagt, dass sie sich von ganz klein an kennen ... Da ist es irgendwie schon etwas seltsam (oder gewollt?), dass sie sich für eine Zeit aus den Augen verloren haben, sonst hätten sie ja das mit der Tanzschule gewusst.
Es steht ja nicht in der Geschichte, dass sie sich aus den Augen verloren hätten, sondern dass sie sich lediglich gerade diese spezielle Info: Tanzstunde verschwiegen haben. Ich finde, dass gerade das eine Menge über die beiden aussagt. Ich hatte vorher getellt, dass sie sich sehr gut kennen. Und nur an dem Punkt schweigen sie. Warum? Intendiert ist damit, dass ihre sehr funktionierende Beziehung eine neue Schwelle erreicht hat, das andere Geschlecht wird interessant. Und da gibt es wechselseitig für beide grad keinen Raum miteinander. Es ist ja für Tessa auch ein Aha-Erlebnis in dieser Tanzstunde, dass sie sich ausgerechnet in Jonas verguckt.


Dann finde ich, dass da ruhig etwas mehr zwischen dem Lehrer und Jonas hätte passieren müssen, das diese Sprayer-Aktion nicht so spontan erscheinen lässt. Etwas lang Geplantes ...
Ich verstehe den Einwand leider nicht. Im Text steht, dass die Wand am Main für Jonas schon lange ein Projekt war, nur Tessa hat es abgelehnt bisher. Es ist also von der einen Seite aus lang geplant.
Und dass sich da wenig abspielt zwischen Lehrer und Schüler finde ich eigentlich auch nicht. Die Kriitk ging bisher auch eher in eine andere Richtung.

Ich freue mich, dass die die Geschichte trotzdem gut gefallen hat, Gomusic. Bis bald einmal wieder.


Liebe kathso60
Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Dein Kommentar ist einer dieser seltenen Glücksfälle, bei denen man das Gefühl hat, jemand anderes taucht in die eigene Geschichte ein und versteht jedes verdammte einzelne Wort. Lebt die Geschichte quasi mit.
Ich will deinen Kommentar ehrlich gesagt jetzt auch nicht zerteilen duch ein genaues Durchgehen oder Wiederholen dessen, was du geschrieben hast. Du hast den Text einfach genau so verstanden, wie ich ihn gemeint habe. Das macht mich echt fassungslos.
Ich erlebe es bei deinen Kommentaren in anderen Texten auch immer wieder, dass du sehr genau und aufmerksam liest und dich in die Motive und Handlungsweisen der Figuren einfühlst. In meinem früheren Berufsjargon würde ich sagen, dass du eine ausgesprochen hohe Lesekompetenz hast. :) Aber das ist ja noch viel mehr, diese hohe Lesekompetenz haben ja alle hier, wenn man nicht gerade mal müde ist oder zu viel gefeiert oder aus anderen Gründen unaufmerksam ist, es kommt auch so eine gefühlsmäßige Übereinstimmung dazu. Ein sich wirklich auf die Geschichte einlassen wollen ist das. Also mir gelingt das nicht immer. Und dieses Einlassen, dieses gefühlmäßige Übereinstimmen ist es, was mich so umhaut. Da muss man eine große Interpretationskraft mitbringen. Und man muss in irgendeiner Weise ein Herz an eine Geschichte verlieren oder persönlich andocken können. Ob das nun aufgrund des Alters ist oder eine Persönlichkeitsfrage oder eine ähnlich berufliche Vergangenheit, ich weiß es nicht. Was auch immer es ist. Ich bin begeistert und gerührt.

Wahnsinnig froh war ich über deine Wort zu Jonas und jetzt zitiere ich doch einmal etwas:

Verständnis und Sympathie hege ich aber auch für Jonas.

Jonas ist zwar eine Mathenull, aber in der Klasse scheint er einen guten Stand zu haben: Er spielt vollendet den galanten Klassenclown nach seiner Aktion an der Tafel (tiefe Verbeugung gewolltes Missverständnis/ Löschen der ganzen Gleichung);
Er verhält sich Kühnert gegenüber nicht wie ein Schüler, sondern erlaubt sich, ihn auf eine „subtile“ Art zu veralbern.
Für Tessa und die Mitschüler ist er der Hero, der den Kühnert schafft.

Genau so ist es. Dein Kommentar ist einer der Gründe, weshalb ich auch sehr vorsichtig mit Kürzungen bin. Ich zweifle zwar schnell an mir und wenn viele sagen, eine Szene sei zu lang oder zu überzeichnet, dann knicke ich doch irgendwann ein und ändere, obwohl ich eigentlich gute Gründe dafür hatte, es auf meine Weise zu tun. Mit der Zeit und der Erfahrung lernt man zwar sowieso, dass es manchmal besser ist, abzuwarten, bis man Grundsätzliches ändert. Aber ein Kommentar, der die eigenen Beweggründe so klar zusammenfasst, der ist da schon sehr hilfreich.

Die Anfangsszene verrät aber so viel über den Jonas, seinen Stand in der Klasse, sein Stehvermögen dem Kühnert gegenüber, dass er so ein richtiger Sunnyboy ist, der mit seiner Art und seinem Status als Sani die Mädchen und Jungen für sich vereinnahmt.
Die Tessa hat sich da in einen starken jungen Mann verguckt.
Ja


Obwohl der Leser nicht erfährt, was Jonas auf den Zettel als Antworten schreibt und wieder verwirft, gelingt es dir zu übermitteln, dass er sich sehr schwer mit einem NEIN zu ihrer Anfrage tut, denn er will sie nicht verletzen.
Genau das ist das Problem. Deshalb sträube ich mich auch bisher, die Stelle wirklich eklatant zu ändern, ich schau sie mir zwar noch einmal an, aber genau das wird hier szenisch gezeigt: er hat große Schwierigkeiten, ihr die Wahrheit zu sagen. Warum hat man das? Doch deswegen, weil er sie mag, sie keinesfalls verletzen will. Das zeigt ja eine gewisse Tiefe ihrer Freudnschaft.

Ich habe mich gefragt, wieso Tessa sich durch ihre Anfrage zum Abschlussball in eine so peinliche und erniedrigende Situation begibt.
Es liegt wohl daran, dass die beiden sich von frühester Kindheit an kennen und bisher alles gemeinsam ausgeheckt und erlebt haben, da erscheint es Tessa als selbstverständlich, dass sie auch den Tanzkurs als Partner absolvieren. Sie kommt gar nicht auf die Idee, dass Jonas mal etwas ohne sie machen könnte.
So ist es, es ist ein, wenn man so will, negativer Anteil in ihrer Person, sie lebt diese Union mit Jonas so selbstverständlich, dass sie gar nicht wahrnehmen will, dass er andere Wünsche haben könnte als sie. Das kommt für sie nicht in Frage.

All diese Erklärungen und Beweggründe für die Handlung und das Handeln der Protagonisten kann ich aus deinem Text herauslesen, weil du diese Rückschlüsse „subtil“ in deinem Text vergraben hast.
Die Kürzung einiger Passagen könnten dieses Gefüge möglicherweise kaputtmachen.
Es ist gut, dass du das schreibst. Ich wollte zwar ohnehin vorsichtig sein mit Kürzungen und Abflachungen, aber wie gesagt, dein Kommentar hat mir eine große Sicherheit gegeben. Er hilft mir, zwischen den aus ihrer Sicht berechtigten Kritiken anderer und meinen persönlichen Schwerpunkten in dieser Geschichte zu unterscheiden und die Waage zu halten.
Vielen Dank dafür.

Viele liebe Grüße an dich von Novak

 

Fläzen wird reflexiv gebraucht, ich dachte, es ginge hier trotzdem sprachgestalterisch durch, bin jetzt unschlüssig, ob ich "sich" nicht doch einsetze oder es durch "lümmeln" austausche.

Ganz kurz nur,

liebe Novak,

"lümmeln", trotz seiner Nähe zu dem Lümmel, befreit Dich nicht aus Refllexivitäterä. Ignorier mich einfach und sich auch ...

Tschüss und schönes Wochenende ausm Pott

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber SCFuchs
Schön, dein Besuch und dass du deine Gedanken da lässt. Ich muss mal zugeben, als ich deinen Namen sah, dachte ich, oha, jetzt kommt ein Experte in Jugendfragen, aber so ganz bin ich wohl nicht durch deinen Lesetest durchgefallen. Es hat dir sogar gefallen. Das fühlte sich so schön an, wie Milchkaffee mit einer Sahneschnitte.

Sie liest sich aus meiner Sicht in einem angenehmen Tempo. Vor allem, weil du keine unnötig langen (& und verwirrenden) Formulierungen benutzt, sondern immer strickt beim Thema bleibst.
Das habe ich hier gelernt. Nach vorne gerichtet zu schreiben.

Das "würde" bei dem Angelsatz baue ich mit Sicherheit ein. Du hast recht, das klingt besser.
Die andere Stelle, in die du nicht so gut reingekommen bist, schau ich mir noch mal in Ruhe an. Die Note Fünf habe ich erwähnt, ganz wie du es überlegt hast, damit das später nicht so überraschend kommt. Ich hätte sonst ja noch einmal eine Szene einbauen müssen, wo Jonas Tessa diese Info gibt. Manchmal finde ich eine kurze, aber hilfreiche, zusammenfassende Tellstelle grad ganz gut. Ich sehe "show don't tell" ohnehin nicht sehr prinzipiell, sondern überlege mir, wann was passen könnte.

Es gab noch ein paar andere Stellen, an denen ich grinsen musste (richtig lachen über Geschichten funktioniert bei mir irgendwie nur mit anderen zusammen ).
Na so viel anders ist das bei mir auch nicht. Ich glaub laut lachen tun die wenigsten beim Lesen. Aber kommt ja drauf an, dass der Bauch so ein bisschen schwummert, die Mundwinkel sich heben und die Augen sich ein bisserl kneifen.


,Subtil‘ scheint das Lieblingswort zu sein, das kam öfters mal vor. Was aber nicht heißen soll, dass es stört, ist mir nur aufgefallen (die gibt es ja eigentlich immer, solche Wörter. Bei uns war es die letzten Wochen ‚dezent‘ (frag mich nicht warum-), das hört man dann jede Minute zig-mal, bis es jedem auf die Nerven geht, was dazu führt, dass es abermals aus der Versenkung rausgeholt wird... haha =)
Hihi, das fand ich jetzt süß, wie du das erzählt hast. Genau so ist das. Manchmal sind diese Wörter auch von Schule zu Schule anders. Oder sogar von Klasse zu Klasse. Und wenn man als Lehrer dann mal aus Versehen ein derartiges Wort benutzt, und kennt es nicht, dann wundert man sich, warum ganze Schulreihen plötzlich leicht erheitert wirken.

Insofern mit dezenten Grüßen und einem Augenzwinkern über diesen lustigen Kommentar ...
Novak

Lieber snif
wunderbar, mein Tigererschaffer kommt.
Dass dich der Anfang so in die Geschichte reinsaugen konnte, hat mich sehr gefreut.
Ja, das Wurstwasser. Nein, du bist überhaupt nicht alt, sondern ich bin alt Und das auch noch mit einer speziellen Vorliebe. Der nach Wurst. Nach dem Wurstwasser hat schon mal jemand gefragt, habe es im realen Leben von einem jüngeren Mann gehört, ein Student. Von dem habe ich es geklaut. Ich glaube nicht, dass das Wort weit verbreitet ist. Ich liebe es aber , weil es so herrlich albern und abgedreht ist, und deswegen ist es hier gelandet. Ich dachte, es passt zu Tessa und Jonas. Ist ein Insider zwischen den beiden. Denn Jugendpsrache dient ja auch dazu, sich vom Rest der Welt abzugrenzen.
Außerdem werde ich als echte Frankfurterin immer mit meiner Vorliebe für Rindswurst von Gref Völsing geärgert, liebevoll natürlich. Dieses Wurstwasser ist eine Reminiszenz an Gref Völsing Rindswürste.
Na ja, du nimmst das bestimmt nicht so ganz ernst, ich schreibe nur schon seit Stunden an den Antworten, ich werde, glaube ich, so langsam aber sicher wahnsinnig. :D


Tessa hat Stolz. Würde eine verliebte Tessa nicht eher mit Zynismus und Abstand auf eine solche Situation reagieren?
Gute Frage. Ein ähnliches Mädchen vielleicht schon. Tessa hier soll sich aber auch sehr als Bestandteil im Verhältnis zu Jonas sehen, als fundamentaler Bestandteil, ich wollte das so erzählen, dass sie sich einfach gar nicht vorstellen kann, dass er Wünsche hat, die nach außen gehen.
Und zu dem Spruch - ja, es gab ja einige, die den Spruch gut fanden gerade in seiner Einfachheit, andere fanden es eher so wie du. In meiner allersten Antwort habe ich schon mal was dazugeschreiben. Wenn du magst, kannst du da ja mal schauen. Bei mir ist es jedenfalls so, dass mir das einfach viel zu sehr gefällt.

Aber das sind Klaubereien, Novak. Deine Geschichte ist herrlich authentisch. Du schaffst es fluffig, Charaktere zu zeichen. Ich staune immer wieder darüber, wie detailreich ihr diese Welten malen könnt. Warst du mal Sprayerin? Klettertest du noch immer an Mauern rum? Nicht? Woher holst du dir all diese Infos? Das ist so bewundernswert.
Wow, was für ein Lob für uns hier.
Das ist zum einen Recherche, zum anderen Beobachtungen. Zum Teil eigene Erfahrungen, also nicht als normale Sprayerin, das war ich nie, sondern im beruflichen Rahmen. Projektarbeit mit Schülern.
Aber ganz ganz viel ist einfach Ausprobieren, Sich in eine Person einfühlen. Mut haben, dem fremden Point of view nachzugehen. Da nimmt man natürlich auch nicht grad Dinge, die einem ganz fremd sind. Aber wie auch immer, schief gehen kann das immer. Ist halt ein Weg, den man beim Schreiben geht.
Lieber snif, ich danke dir sehr für deinen Besuch

Lieber josefelipe,

Schön, dass ich dich in die Geschichte locken konnte. Auch das Lob zu den Dialogen, das geht alles natürlich runter wie Öl.
Dass dir die Geschichte gefallen konnte, hat mich sehr erfreut, schreibst du doch gänzlich anders als ich. Da trennen einen schon manchmal größere Räume als Welten.

Deine Kosmetiktipps hab ich mir angeschaut, weriß noch nicht, was daraus wird. Ich schau, dass mir vielleicht an der einen oder anderen Stelle was einfällt. Die Gorillas aber bleiben. Die hätten mir auch in einem anderen Text gefallen. Und der Frontallappen auch. Aber nicht, dass du das jetzt in einen deiner zukünftigen Texte einbaust und dann "siehste" sagst, wenn ich komme und das moniere. Passen muss das schon! Und bei mir passt das eben. :)
Nee, Spaß beiseite, ich prüfe es natürlich nach. Aber ich komm grad nicht so recht dazu.

Liebes Novak, mir hat das Lesen Spaß gemacht – und Dir wohl das Schreiben (glaube ich, gespürt zu haben). Ein Titel, der der Autorin alle Freiheiten lässt, und das scheint mir die wichtigste Voraussetzung zu sein.
Ich bin verblüfft, wie treffend Du die Sprache der jungen Leute rüberbringst, Donnerwetter. Und über allem liegt Deine Warmherzigkeit. So etwas Kostbares hat nur ein(e) Menschenfreund(in).
Mann, könntest du bitte weitermachen. Das ist der Hammer, das hat mir ja noch keiner gesagt. Ich zitiere es deswegen mal hier. Also ihr Leut, falls mal jemand an mir zweifelt, einfach josefelipe fragen. Der weiß, wie ich wirklich bin. :)
Trotz meines Geblödels, jose, das mache ich nur, weil ich grad ganz verlegen bin, du hast mir mit deinen Worten eine ganz ganz große Freude bereitet.

Dir auch eine ganz wunderschöne Weihnachtszeit. Und gutes Essen für dich und für mich.
Liebe Grüße von Novak

 

Hallo @Novak,

gleich vorne weg: Ich habe nur die ersten paar Kommentare gelesen. Ist mir grad zu viel, da ich noch lesen muss und kommentieren möchte.

Dein Einstieg finde ich super. Man ist gleich im Geschehen, hat bzw. kann sich ein Bild von den beiden Figuren machen. Ich mag Tessa und Jonas auf Anhieb.
Die rauf- und runtersurrende Tafel als Startbeginn zum Nullenkillen. Nö, den Kühnert mag ich nicht.

Ich schob mich hinter Jonas an den Tisch und versteckte mich hinter seinen Schultern.

Gefällt mir nicht, wegen zweimal "mich". Würde da nicht ausreichen: Ich versteckte mich hinter Jonas Schultern? Oder: Ich schob mich hinter Jonas an den Tisch und wurde hinter seinen Schultern unsichtbar?

Jonas gekaspere vor der Tafel und der Lehrer, der nichts dazu sagt, passt nicht in mein Bild, das ich bis dahin vom Kühnert habe. Einer der darauf bedacht ist, Schüler bloßzustellen, wird sicher nicht zulassen, dass ein Schüler den Spieß umdreht.

Meines Wissens geht ein Asthmaanfall nicht mit Bluthusten einher. Kann vllt schon in schlimmen Fällen passieren, aber mir ist das hier zu arg den Lehrer verarschen wollen, als dass ich glauben kann, dass der Kühnert das nicht durchschaut.

„Gehst du jetzt mit mir zum Abschlussball?“
„Ich wollte mit einem Mädchen gehen.“

Scheißkerl :-)

Es wird sie immer geben, diese Mädchen mit ihren doofen Locken und Kerle die eben auf diese bauchfreien Chickas abfahren ohne mitzubekommen, dass sie lange schon eine Pfundskerlin haben könnten. Ohne Locken zwar, aber mit Käppi und Loyalität bis zum Abwinken.

Irgendwann an diesem Abend, als ich über der Schulter eines Jungen hing, der Angst vor mir zu haben schien, und Jonas nachstarrte, der durch die Mädelsschar brummte wie eine Hummel durch einen Kasten Hyazinthen, begriff ich, dass ich nur mit Jonas tanzen wollte. Mit sonst niemandem.

Gefällt mir super gut die Szene. Auch wie ihr ein Licht aufgeht.

„Doch, sieht bestimmt geil aus, zwei Arschgeigen Arm in Arm. Und alle im Saal heben Pappschildchen mit Fünfen drauf.“

Ich mag ihre Schlagfertigkeit.

Die Sprache und Begriffe rund ums Sprayen haben mir auch gut gefallen. Bin jetzt informiert :-)

Liebe Novak, Deine Zwei habe ich ins Herz geschlossen. Tessa ist so was von taff aber gleichzeitig auch sensibel und verwundbar. Ich hätte ihr natürlich gewünscht, dass sie mit Jonas zusammenkommt. Doch was nicht ist kann ja noch werden.
Und den Jonas mag ich immer noch. Ist sicher ne blöde Situation für ihn, wenn er merkt, wie sich Vertrautes ändert. Damit muss er erst mal klarkommen.

Schöner Text. Liebevoll, in der Srache eines Teenager-Mädels geschrieben. Mit allen Verwirrungen die man in diesem Alter durchlebt.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Liebe wieselmaus,

ich melde mich nochmal, ohne Anspruch auf eine weitere Antwort. Ich sehe ja, welchen Aufwand du betreibst, um allen Kommentaren gerecht zu werden. Und dann noch Hochwasser in der Küche ...
Du Liebe, Antwort kriegst du aber trotzdem :) Wenigstens kurz, damit ich das endlich mal lerne, mich kurz zu fassen.


Hochwasser ist weg, war aber zwischendrin echt nervig.

Erstmal was zur "Jugendsprache". Weißt du, ich finde es gar nicht wichtig, ob man jetzt den punktgenauen Wortschatz drauf hat. Hauptsache, die Sprache wirkt jung, frisch und aufmüpfig. Und wenn Tessa nicht nur im Sprayen kreativ ist, warum sollte sie nicht auch wortschöpferisch auftreten, mit schrägen Vergleichen und Hyperellipsen. Tessas unverwechselbarer Stil eben.
Ganz genau. Das muss man mal festhalten. Ich glaub, ich zitiere deine Antwort in Zukunft immer.


Jetzt habe ich auch verstanden, was du mit der Idee meintest, dass Tessa eine "normale" Matheschülerin sein könnte.
Ist eine interessante Option. Besonders deine Idee einer Stürmerin für die Gerechtigkeit hat was. :)

Liebe Novak, ich habe inzwischen auch das Portrait des Mathelehrers akzeptiert. Die neuesten Pisa-Studien zeigen ja, dass es sich um ein "deutsches " Phänomen handelt ... Da bist du ja glatt auf dem richtigen Dampfer.
Damit hast du mich echt zum Schmunzeln gebracht. Bist wirklich goldig.
Bis dann hoffentlich bald im Schönbergzimmer, denn das will ich mir nicht entgehen lassen.

Bis die Tage
Novak

Und dir auch noch mal ganz herzlichen Dank, Friedrichard, für die Rückmeldung. Ja, hast ja recht, lümmeln würde nicht unbedingt eine Verbesserung bringen, wenn man "sich" vermeiden will.
Lass es dir gut gehen.

 

Liebe Frau Novak,

„Was ist das?“, fragte Kühnert und wies auf Jonas Geschreibsel.
„Zahlen?“
„Und was sollen die?“
„Ihnen einen Gefallen tun?“

:lol:

Und dann wars auch schon vorbei mit seiner jugendlichen Rebellion und er ist ein Waschlappen und Tessa soll froh sein, ihn nicht zu bekommen. Schon klar, sie sieht das anders, aber zwanzig Jahre später hätte sie es schön satt, immer hinter ihm herzuräumen. Nein, Tessa braucht wen mit mehr Mum in den Knochen, jemanden zu dem sie aufschauen kann, der sie auf ein Podest stellt und sie bewedelt und ihr ab und an in den Hintern tritt. Zu ihrer Verteidigung muss ich aber sagen, sie ist noch jung, sie braucht da noch Erfahrung für die Schärfung des Männerblicks. Aber das wird!

Schöne Geschichte. Letztes Jahr hat peeperkorn mit seiner Jugendromanze die Challenge gewonnen, das Thema scheint doch sehr beliebt bei den Lesern zu sein. Gute Wahl! Nächstes Jahr schreiben dann alle Teenegeschichten und übernächstes Jahr verbieten wir sie :p.

Kühnert kam zu uns, seine Gesicht wirkte misstrauisch. Ich glaub, hustende Mädchen waren für ihn eine unbegreifliche Nullausgabe von Amöbe.

Ab hier war ich der Nullen überdrüssig. Die Idee ist hübsch, heißt aber nicht, dass sie immun vor Abnutzung und Überspannung ist.

Draußen klatschten wir (uns) ab, fielen uns in die Arme und lachten.

wegen doppeluns

„Nullstress“, sagte Jonas.

ja ja

... während den Mädchen rings um (mich) die Brüste wie Äpfel aus dem rosa Stoff sprangen. Scheiße, dachte ich.

definitiv ohne "mich"

Ich fand den Text sehr lebendig, frisch, echt. Habe auch gar nichts weiter an Kritik dabei, will aber auch nicht auf die Suche gehen. Ich will ihn mir nicht zerdenken. Muss auch mal sein. Auch für die Autoren. Also nimm von den anderen, von mir kriegste nischt. Außer ein sehr gut. Setzen! Weiterschreiben!

Beste Grüße, Fliege

 

Will nicht stören,

liebe Novak,

aber könnte es sein dass der junge Mann am Tisch "(herum) gammelte"? Der Gammler kam etwa zur Mitte der 1960er Jahre auf und Massa Franz Josef (Strauss - oder doch ß?), deftiger Bayer, der er war, warf kurz nachdem Ludwig Erhard einen ersten Versuch gestartet hatte, Oppositionelle wie Grass, Böll etc. herunterzuputzen, Srauss ob mit ss oder ß bezeichnete die Gruppe als Ratten und Gammler. Wohlgemerkt, vor 67 und lange vor der Bewegung der APO.

Tschüss und toi toi toi!

Friedel

"Gammeln" tauchte dann 1967 im Duden auf ...

 

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