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Die unbenannte Zone

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01.05.2009
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Die unbenannte Zone

Es gibt einen heiligen Ort am Rande des Waldes: Eine Hütte, die aussieht, als wäre sie nur gebaut worden, um den Turm darüber zu stützen. Sie ist aus Holzbalken gefertigt, mit Teer bestrichen. Ein einzelner Raum, der stets sauber gehalten wird. Es riecht nach Harz, wie der Atem eines fremden Tieres. Man erzählt sich, früher hätten die Menschen dort Heilung erfahren. Wie, kann heute niemand mehr sagen, aber sie haben Zeugnisse hinterlassen – Zähne, zu Ketten aufgefädelt, Hautstücke wie Trockenpilze auf der Leine, Gliedmaßen an die Wand genagelt als wäre es Dörrfleisch. Vielleicht waren es überschüssige Arme, oder Kinderhände, aus denen Hufe wuchsen.
An einer Wand dieser Tšašouna sind Holztafeln aufgereiht, in ihrem Gold spiegeln sich die Kerzenflammen. Viele von uns haben Scheu vor diesen Bildern und es heißt, Dinge geschähen, wenn man sie berührte. Auf ihnen sind Menschen abgebildet, die Gesichter erstarrt, die Augen geweitet. Selbst wenn man sich vor sie stellt, schauen sie durch einen hindurch, begegnen niemals dem Blick. Einer ist darauf, den man den Heiligen Sohn nennt, und er ist wie wir. Trotzig zeigt er seine verwachsene Hand, an der nur zwei Finger sind. Es heißt, damit habe es angefangen, bevor die Tiere mit zwei Köpfen geboren wurden, mit Spinnenbeinen und Gummiknochen. Die Goldbekleideten mit ihren Fischaugen und verhangenen Lidern geben uns das Gefühl einer Heimat, einer Vergangenheit, von der nur noch Geschichten geblieben sind.
An schlimmen Tagen, wenn Josefiina nicht aufhört, nach mir zu schreien, gehe ich an diesen Ort. Vor ihrer Rückkehr war Josefiina die Schwiegermutter der Nachbarin zwei Querstraßen weiter. Heute ist sie meine.

Vieles aus meiner Kindheit sind unzuverlässige Erinnerungen. Oft bin ich unsicher, ob mir etwas erzählt worden war, oder ich es selbst erlebte. Aber eine Begebenheit ist mir deutlich im Gedächtnis geblieben: Es war einer der letzten hohen Festtage im Frühjahr, zu denen sich das Dorf versammelte. Alte und Junge gingen voraus und läuteten kleine Glocken, ohne jegliche Melodie. Nicht alle hatten im Innenraum Platz gefunden, aber wir Kinder durften in der ersten Reihe stehen. Wir waren glücklich über diesen Schattenplatz, den Teergeruch, das Gold, die Opferketten. Wir sollten den heiligen Mann nicht unterbrechen, hatte man uns eingeschärft. An sein Gesicht habe ich wenig Erinnerung, aber an seine Stimme, dunkel und durchdringend. An seine Gewänder, lang und zerschlissen, so dass sich kaum noch eine Form erahnen ließ.
„Was hat eine weiße Schale und ein gelbes Herz?“, fragte er.
„Ein Ei!“, piepste Talvi neben mir. Meine Schwester hielt sich immer in meiner Nähe, folgte mir, wohin ich ging.
Der Mann lächelte. Mit gewichtiger Geste legte er jedem von uns ein Hühnerei in die Hand. Wie wir es jeden Tag zu Hause aßen – der Mann musste ein Verrückter sein. Ich versuchte, hinter mich zu schauen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, ob meine Eltern im Raum sind. Ob der Weg zur Tür frei wäre.
„Zerbrecht das Ei und trinkt“, wies er uns mit einem Nicken an. „Und die Schale müsst ihr essen, nichts darf vergeudet werden!“
Wir gehorchten, der Schleim lief mir die Kehle herunter, Knirschen zwischen den Zähnen. Als ich mir mit der Hand über den Mund wischte, sagte er: „Das Weiße außen ist das Leichentuch, das Gelb ist das Herz und die Liebe des Wiederauferstandenen, der zu uns zurückkehrte.“
Ich erbrach das gerade Geschluckte vor seine Füße.
Talvi weinte, in ihrem Ei hatte sie kleine, gefiederte Krallen gefunden.

Heute Morgen waren Josefiinas Haare an der Wand festgefroren. Wie Spinnenfäden hatten sie sich über die Holzbalken gebreitet, Silber schimmert im Eis. Ein gutes Zeichen – sie atmet, hat auch diese Nacht überstanden. Josefiina liegt eng an die Wand gepresst, die Finger kneten den Bettbezug, den sie oben nassgelutscht hat. Seit einiger Zeit scheint sie vom Kauzwang besessen. Ihre Lippen bewegen sich lautlos.
Eigentlich ist es mir recht, dass sie dort am Bett fixiert ist. So kann ich sie waschen, die Laken haben bereits ihren Geruch nach Vergorenem angenommen. Auf dem Weg in die Küche überlege ich, ob ich sie bald festbinden müsste. Gestern Morgen hing sie über dem Bettrand und kaute an der Holzkante herum. Ihr Gaumen blutete, das Gebiss spuckte sie aus, weil es nicht mehr passte, und mahlte stundenlang die wunden Kiefer aufeinander. Ihr Blut war dunkel und ließ sich nicht stillen. Irgendwie muss ich sie wieder an das Gebiss gewöhnen. Vielleicht mit Schmalz – sie liebt alles Fettige. Ich setze unseren größten Topf auf den Herd und fülle ihn mit Wasser. Es ist angenehm kalt.
Mit den Zähnen könnte Josefiina allerdings die Möbel zerbeißen, ich weiß keine Lösung – früher hatte sie diesen Beißzwang nicht. Ich habe Scheu, jemanden um Rat zu fragen: Es ist immer unterschiedlich mit denen, die zurückkehren. Man muss sich irgendwie behelfen, improvisieren.
Wintersonne scheint durch das Küchenfenster, glitzert in den Eiskristallen am Glas. Diesem Licht fehlt jegliche Farbe. Kein Blau des Abends, kein Gold des Sommertages, ist es das, womit ich mich am wohlsten fühle. Fragile Gebilde strecken ihre Fühler aus, als ob sie die Fläche für sich einnehmen wollten. Würde ich nähertreten, könnte ich abertausende Verzweigungen sehen, die die Form wieder auflösten. Aber meine Augen sind längst nicht mehr gut genug, Einzelheiten von hier aus zu erkennen. Josefiina stöhnt, und ich erinnere mich wieder, was zu tun ist.
Als ich mit dem warmen Wasser zu ihr ins Zimmer komme, hat sie die Augen geöffnet, ihr Blick ist hasserfüllt auf mich gerichtet. Beim Aufdecken schon schreit sie los: „Ich hab keine Haare mehr und ich hab keine Haare und ich zeig dich an! Was machst du da, ich zeig dich an, keine Haare mehr!“

Die vergangenen Nächte habe ich zu tief geschlafen, Dinge gesehen, die ich nicht abschütteln kann. Sie fühlen sich an wie Erinnerungen, nicht wie Träume. Ich bin in einem Haus, in dem nur Tote wohnen. Ihre Haut ist trocken, grau wie Kitt. Eine unerklärliche Angst zwingt mich, ihnen nicht in die Augen zu sehen – vielleicht, damit sie nicht die Fremde in mir spüren, den Eindringling auffressen. Obwohl ich Zweifel habe, dass mein Trick undurchschaut bliebe, wechseln die Toten nur einige Worte mit mir, und verlassen mich. In ihren Bewegungen liegt keine Eile, dennoch bin ich sicher, dass diese Trägheit trügerisch ist. Im Haus gibt es außer Tischen und Regalen nichts von praktischem Wert. Kleidungsstücke, Unterwäsche, Notizbücher, beklebte Schachteln und Döschen, Küchenutensilien – alles wie zufällig abgelegt und vergessen. Möglicherweise gehören die Stücke nicht den Bewohnern, sondern Besuchern wie mir. Aber ich stelle mir vor, es seien Dinge aus ihrer Vergangenheit, die sie aufbewahrten, um sich nicht ganz zu verlieren. Vorsichtig durchstöbere ich die Regale, gleichzeitig voller Angst, ertappt zu werden und neugierig, etwas über ihre Identität zu erfahren.
Jemand hat mich an der Schulter gepackt und zerrt an mir. Mein erster wacher Gedanke ist, dass Josefiina nachtaktiv geworden ist, im Haus herumgeisterte und sich vor etwas erschrocken hat. Ich drehe mich um und mache im Dunkel ein kleines Gesicht aus. Nur ein Auge glotzt mich an, anstelle des anderen klafft eine Höhle. Der Nachbarssohn, Livanas Jüngster, der nie zu sprechen gelernt hat. Nach wie vor hält er meine Schulter umklammert – sein Gestammel ist unverständlich, aber von eindeutiger Dringlichkeit.
„Fröschlein, mein Guter“, sage ich. „Warte doch mal ...“ Dann fällt mir ein, dass ich Nachtwache halten sollte, drüben im Stall, bis das Kalb geboren ist. Verschlafen schäle ich mich aus den Laken, das Kind zieht mich an der Hand hinter sich her, bevor ich den Kittel ganz zugeknüpft habe.
„Du bist spät dran, hast alles verpasst“, begrüßt mich Livana mit einem Lächeln. Fröschlein lässt meine Hand los und läuft hinaus, die Tür schlägt hinter ihm zu. Im Stall feuchte Luft, die die Flammen der Fettlampen zu ersticken droht.
Aus der Brust des Kälbchens wächst ein fünftes Bein. Verkümmert und ohne Kraft hängt es dort und zuckt. Livana reibt das Kleine trocken. Auch seine anderen Beine sind schwach – einige Male rappelt es sich hoch, aber die Gelenke strecken sich nicht durch. Dann gibt es auf, liegt keuchend im Stroh, die Zunge hängt ihm aus dem Maul. Das Muttertier ist von ihm abgerückt, als ginge es die Sache nichts mehr an.
„Das wird schon“, meint Livana. „Die anderen haben wir ja auch durchbekommen. Besser als eines mit zwei Köpfen allemal.“ Sie überlässt mir das Kleine, schnappt sich einen Blecheimer und melkt, was das störrische Muttertier herzugeben hat. Die Nachgeburt gibt sie dazu – einen langen, blutigen Sack, der an Wurstdarm erinnert. Mit geübter Hand nimmt sie ihr Messer vom Gürtel und teilt die zähe Haut in Stücke. Derweil habe ich das Kalb in eine Wolldecke gewickelt, gerieben, bis es aufgehört hat zu zittern und zu zappeln. Es versucht, meine Finger in sein Mäulchen zu bekommen – die feuchte Schnauze hat genug Wärme.
Livana hält eine Flasche voll rosa Milch, Gewebefetzen treiben darin. „Sie fressen es selbst, wenn man nicht aufpasst“, sagt sie, als sie sich zu uns kniet. „Aber das Kleine braucht es dringender.“
Der Schnuller ist aus einem Stück Hartgummi gefertigt, dessen ursprüngliche Verwendung ich nicht mehr erkennen kann. Es ist sicher seit Generationen in diesem Haushalt. Wie viele andere Dinge, von denen niemand mehr weiß, wofür sie einmal gedacht waren. Nicht für alles davon hat man Verwendung gefunden, manches steht wie außer Gebrauch gekommene Heiligenbilder in der Ecke. Livana ist abergläubisch, wie wir alle. Man sagt, die Zeiten würden noch einmal besser, wenn man Altes aufbewahre. Diese Überbleibsel wie eine Garantie, dass es ein anderes Leben geben kann.
Das Kälbchen hat die Flasche leergetrunken und fällt in tiefen Schlaf. Während der Nachtwache erzählt Livana Geschichten aus der Alten Zeit. Das Vieh sei viel größer gewesen, sagt sie. Das kam daher, dass es genügend Tiere gab – immer sei was übrig gewesen, und so habe man die Milchkühe besser füttern können. Mit Hühnern und Ziegen, zermahlen, und davon seien die Kühe groß und kräftig geworden. Ein paar Liter Milch am Tag war gar nichts, die Euter haben sie kaum noch mit sich schleppen können. Sie erzählt, als sei sie dabei gewesen. „Wenn ein Rind geschlachtet wurde, konnte die Familie noch was an alle Nachbarn abgeben. Richtiges, festes Muskelfleisch. Und das Geflügel war so fett, dass es nicht mehr laufen konnte und vornüber fiel!“
„So ein Quatsch“, sage ich müde. Und höre ihr trotzdem gerne zu.
Wir hatten sogar alte Schulbücher, als ich Kind war: viele Worte und ein paar Bilder. Heute werden sie kaum noch benutzt. Oder zumindest nicht mehr für die Kleinsten, die Alpträume bekommen von den Dingen, die sie sehen. Vieles ist zu phantastisch, als dass man glauben könnte, was dort Geschichte sein soll. Die meisten Bände sind verfeuert worden.

Im Dorf ist Schlachttag und drei Jäger sind eingetroffen. Sie werden das Fleisch verteilen, mehr, als wir alle verzehren können, und Fett für die Lampen. Josefiina hat sich im Nachthemd auf den Boden gesetzt und poliert Werkzeug, das sie aus irgendeinem Schrank gekramt hat. Ich kann in Ruhe Kartoffelhälften aushöhlen und Dochte zuschneiden, einige dunkle Wochen ohne Schnee haben uns beinahe alle Kerzen gekostet. Bevor ich Livana drüben anspannen helfe, schließe ich alles Essbare in der Vorratskammer ein.
Kaum bin ich aus dem Haus, kann ich durchatmen. Mit Josefiina muss ich stets auf der Hut sein, dass sie sich nicht verletzt, nichts kaputtschlägt. Es strengt an wie körperliche Arbeit – bin ich draußen, frage ich mich, was sie tut, bin ich im Haus, ermüdet mich das Gezeter, ihre sinnlosen Fragen. Ich bin froh, Livana zu sehen, die sich gerade fluchend mit dem Kummet abmüht. Ziehe mit an, und schließlich bekommt sie die Schlaufe ums Holz gelegt.
„Das Ding hat noch nie gepasst, das ist einfach falsch, so was Dämliches!“
„Du hast nur das falsche Pferd“, sage ich und umarme sie zur Begrüßung.
Wir tätscheln dem Wallach von beiden Seiten den breiten Hals. Der Falbe ist das kräftigste Zugtier im Dorf, sieht mit seinem dichten Fell und stämmigen Beinen als einziges gesund aus. Livana schwört, er sei eines der Wildpferde, doch bei ihr geht er ruhig genug. Wir sitzen auf und diskutieren, ob wir aus den Kartoffelschnitzen Mittagessen kochen oder eine Tinktur destillieren sollen. Der Wagen poltert über gefrorene Erde, wir passieren ein uraltes Straßenschild. Nur noch die letzten fünf Buchstaben sind lesbar: …NOBYL. Weiter entfernt auf einer Wiese ein kleineres, ebenfalls ausgeblichenes Schild: dreieckig, darauf in Rot und Gelb ebenfalls Dreiecke. Niemand weiß, was sie einst bedeuteten. Von diesen kleineren gibt es eine ganze Menge, wahllos verstreut stehen sie verloren mitten im Nirgendwo.
„Stinkmorchel“, schlägt Livana vor. „Das gab es schon ewig nicht mehr. Oder Fliegenpilze, ich hab bald keine Pflaster mehr, und dieses blöde Kummet ...“ Sie wechselt die Zügel in eine Hand und zeigt mir einen Splitter im Finger.
„Bei mir zu Haus stinkt es schon so genug“, sage ich. „Wie wär‘s mit Birkenknospen? Irgendwas Liebliches ...“
„Von Birken hab ich langsam die Schnauze voll, und gleich gibt‘s wieder was davon. Holunder. Lass uns den nehmen, oder das Zeug so trinken.“

Am Marktplatz hat sich bereits eine Menschenmenge versammelt. Die Leute rücken Bänke zurecht, breiten Leinendecken mit Blumenmuster über die Tische, tragen Geschirr aus den Häusern. Die Kundschafter sind umringt von Neugierigen. Sicher erzählen sie von dem Gebäude, das aufragt über geborstenem Stein und einem Gerippe aus Metall. Ein graues Ungeheuer, an dessen Wänden Schlieren herunterlaufen wie schwarzes Blut. Etwas war darin eingeschlossen gewesen, von schweren Toren und Gittern, Stacheldraht. Längst verrostet ist er überall – auf den Mauern, vor den Steinrippen, der offenen Flanke. Den Weg hinein zu finden ein Wagnis. Aber das ist nicht die eigentliche Mutprobe. Dazu muss man in den Bunker hinabsteigen. Einen Beweis mitbringen – etwas, das es bei uns nicht gibt.
Dieses Mal war es Frettchen, der flinkste unter den Jungs. Er hat ein spitzes, feines Gesicht und kann seine Hände nicht stillhalten. „Die anderen lügen“, sagt er gerade. „Es sind überall Risse dort, sogar ein Mann würde hindurchpassen. Und es ist hell genug, oben in der Halle. Sie muss von Riesen gebaut worden sein. Da kraxel ich also runter, die Leiter ist ganz klein und quietscht und wackelt, viele sind schon abgestürzt und nie wieder gefunden worden. Das ist da, wo die Geister leben – nicht die der Unsrigen, sondern von früher, vom Krieg. Sie müssen sich verirrt haben dort unten, und nie wieder ans Tageslicht gefunden. Anna – letztes Jahr. Hat einen von ihnen gesehen. Sie keuchen ganz laut, so ein Pfeifen, Saugen, und ihre Kleidung raschelt, wie trockenes Laub.“
Aber wer weiß schon, ob das die Wahrheit ist. Das nächste Mal stieg Anna runter und kam nie wieder. Wenige haben die Weißen Geister mit eigenen Augen gesehen. Hörst du sie atmen, ist es schon zu spät, ihre Berührung verbrennt Fleisch bis auf die Knochen. Und selbst wenn sie dich nicht sofort umbringen, sondern mitschleifen, um mit dir zu spielen, bedeutet ihre Nähe den Tod. Es herrscht Unklarheit darüber, wer sie sind. In meiner Kinderzeit hieß es, sie wollten Rache nehmen für erlittenes Unrecht, selbst wenn die Nachgeborenen büßen müssten. Wir wurden gewarnt, sie kämen den langen Weg durch den Wald, mit den Wölfen zusammen, und holten uns aus dem Bett. Heute glaubt man eher, die Geister seien friedfertig und nur einsam dort. Sie könnten den Bunker gar nicht verlassen – fingen daher Besucher, die sich zu tief in ihren Unterschlupf wagten. Und tatsächlich hat bislang niemand einen von ihnen im freien Feld beobachtet.
„Was hast du mitgebracht?“, piepst Raijsa aus ihrem Korb. Raijsa hat weder Arme noch Beine und muss getragen werden. Sie ist immer fröhlich und leicht zu begeistern, aus ihrem Mund fließt ein Faden Spucke. Der Junge kramt in seiner Tasche, beugt sich zu ihr hinunter und öffnet verschwörerisch die Hand. Raijsa quiekt. Wir anderen verrenken uns die Hälse, schließen den Kreis enger.
Frettchen hält uns einen Klumpen hin, dessen eine Seite glänzt. „Da“, sagt er, und zeigt auf die glatte, silbrige Fläche. „Da hab ich ihn abgebrochen. Er gehört zu einem Ding, so riesig wie ein Schrank. Ach was, wie ein ganzes Zimmer!“
Zum Bunker führt kein Weg, er liegt in der Zone der Vergessenheit. Vom Dorf aus drei Tagesmärsche durch die Wildnis. Und schließlich den Roten Wald, von dem gesagt wird, es sei der Ort des Todes; aber in Wahrheit gibt es keinen, der darin gestorben wäre. Schlimmer ist die verlassene, weißblaue Kapelle. Ich war dort und will mich nicht erinnern.

Der Besuch des Bunkers ist seit jeher ein Ritual. Es wird spontan ausgeführt, von Kindern, die sich eines Tages am Marktplatz zusammenfinden und losmarschieren. Ausgerüstet mit Proviant und Waffen. Wichtig ist, dass man zu Fuß geht – Pferde zu benutzen, ein Tabu. Auf die Erkundung folgt eine Jagd. Größtes Ansehen erlangt der, der eines der wehrhaften Huftiere erlegt. Riesige, braunbefellte Wesen mit Geweih. Für sie gibt es viele Bezeichnungen, denn keines gleicht dem anderen. Die Tiere haben wenig Fett, aber nahrhaftes Muskelfleisch, ihre Sehnen sind zäh. Der Tradition nach werden sie roh verzehrt. Fleisch aus dem Wald ist unrein – es muss in Birkensaft ziehen und wird mit jungen Fichtenspitzen serviert. Eingelegte tun es auch, oder ihr Sirup. Es ist ein Fest, zu dem das ganze Dorf zusammenkommt; umso beliebter, als dass keiner genau weiß, wann genau die Kundschafter mit Beute eintreffen.

“Ich habe die Sommer damit verbracht, weiße Kleider anzuziehen, zu feiern. Wenn ich nur noch zwei weitere Sommer hätte, um mit den Jungs auszugehen ... Mein Liebster war hier, ist gefallen auf die Blätter, kalt und schwarz geworden.” Livana hat eine melodische, dunkle Singstimme.
„Das ist aus der Alten Zeit“, behaupte ich. „Wer singt denn heute noch vom Sommer?“ Mit Schaudern denke ich an die Sonne, die selbst nachts die Haut verbrennen will. Wir alle werden im Herbst geboren – selbst im Frühjahr kann keiner einen fremden Körper am eigenen ertragen. Wenn die Haut juckt, die Augen vor Trockenheit brennen, dass wir manchmal Schmieröl und Teer nehmen müssen, um den Schmerz zu lindern.
„Fröschlein ist heute Nacht gestorben“, erwidert Livana, ohne direkt zu antworten. Sie schluckt und blickt an mir vorbei. „Seine Lungen haben sich mit Flüssigkeit gefüllt und er ist erstickt, und keiner weiß, warum.“
„Er kommt sicher zurück“, versuche ich, sie zu trösten. Ich könnte mir auf die Zunge beißen, dass mir nichts Persönlicheres einfallen will.
„Aber wenn, nicht zu mir!“ sagt sie wütend. „Außerdem ... einige bleiben beerdigt. Sie sind tot, einfach so. Es ist eine Krankheit. Ansteckend, eine Seuche. Das hat es bisher nie gegeben, was sollen wir denn jetzt tun?“
‚Allein leben’, möchte ich sagen, will sie aber nicht verletzen. Es ist schwerer, wenn es Jüngere trifft. Und in letzter Zeit geschehen verrückte Dinge – aus dem Nachbardorf wird erzählt, eine Frau habe ein Kind geboren, das bereits in ihrem Leib gestorben sein musste. Ein langsames, zurückgebliebenes Kind, blind und stumm, das frisst, was ihm unter die Finger kommt. Die Mutter hält es in einem Laufstall, ist aber glücklich, ihm nicht eines Tages beim Sterben zusehen zu müssen. Das Ereignis wird als etwas Unnatürliches angesehen, und obwohl die beiden niemandem etwas zuleide tun, werden sie von allen ausgegrenzt.
Livanas Lachen unterbricht meine Gedanken. Es klingt eher wie ein Husten. „Manchmal habe ich Lust zu schauen, was eigentlich jenseits des Bunkers liegt. Ich könnte das Pferd nehmen, zu schaffen wäre es“, sagt sie. „Andererseits - was soll es da schon geben ... mehr Wald, mehr Bäume, ein paar verfallene Hütten, genau wie bei uns. Trotzdem ... ach naja. Stell dir vor, man würde so Sachen finden, wie die aus den Büchern.“ Sie zuckt die Schultern.
„Ja, oder wie solche, die man bei der Kapelle im Roten Wald gefunden hat“, sage ich schärfer als gewollt. Hilflosigkeit kenne ich bei ihr nicht, und dieser Tage irritiert mich alles Unbekannte.
"Was du immer hast", erwidert sie ohne Bitterkeit. "Erstmal ist die Kapelle viel schöner als unsere. Sogar aus Stein, angestrichen in Schneeweiß und Himmelblau, sie leuchtet richtig. Dann sind auf dem Friedhof nur ein paar alte Knochen, die hat man gefunden und gleich wieder eingebuddelt. Das müssen welche von früher gewesen sein, die kommen nicht mehr wieder!"
Hunderte in einer Grube. Nicht sorgfältig geschichtet, so als ob sie übereinander gekrochen ... „Vergiss es", sage ich nur. "Vielleicht ist deine Idee ja gar nicht so schlecht. Aber lauf mir nicht allein los.“
Wir nehmen einen Umweg über das Feld – keine von uns hat es eilig, nach Hause zu kommen.

„Durst“, klagt Josefiina zum dritten Mal.
Ich schiebe den Becher näher zu ihr hin.
„Das ist Gift!“
„Nein, Kornblumentee, schön abgekühlt. Du kannst ihn trinken, schau.“ Ich nehme einen Schluck davon.
„Worunter ist das?“
„Aus dem Brunnen. Ungefährlich.“
„Wovon hast Du dafür gezahlt? Banditen! Elende Scheißbanditen! Sie bitten um ein Ei und nehmen dir den Hahn. Du musst Meldung machen!“
„Ich musste nichts dafür tauschen, Brunnenwasser ist frei. Du hast doch Durst, komm.“
Es ist wichtig, viel zu trinken. Diese Zustände. Manchmal denke ich, es hängt damit zusammen, dass sie zu wenig trinkt.

Josefiina hebt die Tasse, doch setzt sie wieder ab. Ihre Augen haben sich verschlechtert, sie müht sich, etwas im Tee zu erkennen. „Aus dem Fluss ist kein trinken, du willst mich vergiften! Ich will nach Hause. Drecksau du, immer schließt du die Fenster ab!“
Wir stehen gleichzeitig auf – einen Moment bin ich alarmiert, doch sie schlurft nur zum Schrank und inspiziert die Wäsche. An den Bewegungen ihrer Lippen erkenne ich, dass sie versucht zu zählen. Als sie erneut an der gleichen Stelle anfängt, räume ich leise den Tisch ab. Manchmal kann sie sich in einer Beschäftigung vergessen, gibt eine Weile Ruhe. Ich verliere noch den Verstand darüber, wie sie neben mir her lebt, wie sie einfach nur lebt, um die Zeit bis zum Ende zu füllen.

Heute Morgen kam Livanas Fröschlein zurück. Er watschelte verloren die Straße herunter und sah aus, als könnte er jeden Moment hinfallen. Seine Körperform ist selten geworden – der Oberkörper abgemagert, die Gliedmaßen unterhalb der Taille geschwollen, als hätte jemand Wasser in die zu weiche Haut gefüllt. Unter den Fußlappen, so weiß ich, ähneln die Zehen den Fingern einer Hand. Im Laufe der Jahre hatte er es auf eine erstaunliche Beweglichkeit gebracht, nun stolpert er wieder herum wie ein Kleinkind. Er nimmt mich nicht wahr, als ich an ihm vorbeigehe, sucht die Zäune und Häuser nach etwas Vertrautem ab. Ich denke nicht, dass ich ihn später vor meiner Tür vorfinde – sie kommen immer allein, und nie in ein Haus, das bereits einen Gast beherbergt.

Die Jahreszeiten wechseln, selbst der eisige Wind kann nicht darüber hinwegtäuschen. Intensiver Geruch von nasser Erde. Schmelzwasser glitzert auf den Grashalmen, im Schilf. Als ich über die Schwelle auf die Veranda trete, ist das Holz unter meinen Füßen sonnengewärmt. Eine Nessel hat sich durch die Planken geschoben, das erste Grün. Ich widerstehe dem Impuls, es mit der Zehenspitze wieder zurück in den Schatten zu pressen. Das vermodernde Holz der Veranda erinnert mich an einen anderen Anblick: einen häufig wiederkehrenden Traum von einem verkrüppelten Fohlen. Irgendwie weiß ich, dass es tot geboren wurde. Mit Beinen, die abgeknickt und in sich gefaltet sind, mit spitzen Hufen, nicht breiter als die Fesseln selbst. Seine Augen sind geschlossen, blind kriecht es vorwärts, zielstrebig. Sein Fell gekräuselt von Feuchtigkeit, und ich stelle mir vor, dass es klebrig sein muss. Ich wage kaum, Atem zu holen – im Raum ist es so still, dass es mich sofort verriete. Möglicherweise ist das Fohlen einfach von dunkelbrauner Farbe, aber es ähnelt Kadavern, die man zu lange im Feuer geröstet hat. Zähne treten wie gedunkelter Knochen unter den Lefzen hervor, übergroß, als ließe sich das Maul nicht darüber schließen. Oft liege ich im Bett, und höre es kommen, das Scharren seiner Gelenke auf den Dielen. In den Träumen herrscht keine Nacht, eine kalte Sonne wirft Schatten auf die Wände. Die Bodenbretter wirken organisch, pelzig, mussten lange der Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen sein: Sie haben sich aufgeworfen, sind gesplittert. Dazwischen klaffen Risse und sie sind es, die mich bisher vor dem Fohlen bewahrten. Ich versuche, die Erinnerung abzuschütteln und mich wieder meinen Aufgaben zuzuwenden, aber die Furcht klebt an mir wie zäher Schimmel. Beinahe zitternd betrete ich Josefiinas Schlafzimmer.
Ihr Blick findet keinen Fokus, die Augen sehen aus, als wäre jene bläulich schillernde Haut darüber gespannt, die sonst Muskelfasern oder Eingeweide trennt. Ich kann das Gefühl nicht abschütteln, Josefiina versuche angestrengt, hindurchzusehen. Sie will sich die Lippen lecken, die Zunge ist trocken, weißlicher Pelz darauf. Ich möchte aus dem Zimmer laufen, doch es ist sonst niemand da, der sich um sie kümmert.
„Ich will ...“ krächzt sie, die Stirn in Falten gezogen. „Ich will dieses Hunger!“
„Du hattest heute früh etwas zu essen, bevor du wieder eingenickt bist. Flechtenbrei, weißt du noch?“
Aus ihrem Mund dringt ein Laut zwischen Würgen und Husten. Die Suche nach den richtigen Begriffen kostet sie Kraft – sie schaut nicht mehr zu mir, sondern geradeaus an die Wand. „Medizin“, keucht sie. „Hase in Milch. Nicht gekocht. Die Zähne musst du ihm ausschlagen vorher. Sonst gehen sie ab und schwimmen in der Blutsuppe.“
Ich weiß nicht, wovon sie redet. Unsere Kaninchen haben nicht geworfen dieses Jahr und es gab auch nichts zum Tauschen.
„Hase und Igel. In Erde gebacken, gleich in die Glut. Die Stacheln fallen ab, ganz von allein, du kannst ihn rauspellen wie aus einer Eierschale ...“
Bei dem Gedanken an das Ei wird mir schlecht. „Du hast gegessen. Morgen wieder“, sage ich entschieden zu dem Gesicht, das mich nicht anschaut. Ich trete zurück, versuche mich hinauszustehlen.
„Gib mir wenigstens ein paar Muränen!“, keift sie, plötzlich hellwach.
„Du meinst kleine Maränen. Warte.“
Ich gehe in den Garten und grabe den Porzellankrug aus unserem eingezäunten Vorratsbereich. Hoffe, Josefiina schläft in der Zwischenzeit ein.
Doch sie blickt mich erwartungsvoll an – besser, in Richtung Kleiderrascheln und Tapsen nackter Füße. Ihre Augen haben einen fiebrigen Glanz bekommen. Sie will die Arme heben, doch die Muskeln gehorchen ihr nicht. Das Zappeln unter dem Bettlaken lässt mich an Forellen denken, wenn man mit dem Knüppel schlecht gezielt hat. Ich konzentriere mich auf den klaffenden Mund mit der Pelzzunge. Fasse einen der winzigen Fische an der Schwanzflosse und lasse ihn in ihre Kehle fallen. Mit einem glitschigen Geräusch verschwindet die Maräne Josefiinas Speiseröhre hinunter. Langsam, sie wird bald vergessen haben, dass sie Hunger hatte. Oder, ob sie nicht schon einen Eimer dieser Dinger verschlungen hat. Die Augen der Maränen sind so groß, dass ihr Kopf aus nichts anderem zu bestehen scheint. Ihre Haut ist bedeckt mit Schleim und wie geschaffen für alte, trockene Kehlen. Nach fünf Stück muss Schluss sein, sonst reichen unsere Vorräte nicht.
Das vorletzte. Dann werde ich aufstehen und gehen, bevor sie Worte findet, mich aufzuhalten. Ich sehe nicht, wie ihr Arm unter dem Laken hervorschießt, fühle nur den eiskalten Griff ums Handgelenk. Ihr Kopf schnellt hoch. Auf ihren Lippen zermatscht eine Maräne zu öliger Schmiere, und ich höre mich selbst schreien. Meine Finger in ihrem Mund, zwischen Knochenplatten, die sich aufeinanderpressen. Ich springe auf. Als ich Porzellan klirren höre, finde ich mich in der Küche wieder, meine Finger pochen, als seien sie in einer Tür eingeklemmt gewesen. Im Zimmer ein dumpfer Aufschlag, den ich nicht zuordnen möchte. Wenigstens die Vorräte retten ... ich halte die gequetschte Hand an mich gedrückt, obwohl der Schmerz schon abklingt. Gestern hatte ich ihr das Gebiss weggenommen. Heimlich draußen im Schnee vergraben wie ein totes Tier. Sie hätte mir jetzt damit die Finger abbeißen können.
Ich schleiche mich ins Zimmer. Josefiina liegt am Boden, einen Arm unter sich, den anderen verdreht vom Körper gestreckt. Füße mit verknoteten Venen zucken, schaben über Holzdielen. Ihre Lippen suchen den Boden ab, schlürfen die verstreuten Maränen auf, Blut tropft herunter, bräunlich, wie geronnen. In ihrer Gier hat sie die Scherben vergessen, schluckt alles, ohne zu kauen.
Ich habe zwei Möglichkeiten: Die Sense aus der Scheune. Der Schürhaken aus der Küche.

Es wäre klug, die übriggebliebenen Fische in ein Glas umzufüllen. Nahrung für zwei Wochen. Abspülen. Den Rest wegkehren. Knochensplitter aus den Dielenspalten stochern. Den Teppich waschen, dessen Fransen in Blut und Fischschleim hängen. Totes Fleisch im Fluss versenken. Ich kann mir nicht leisten, Feuerholz dafür zu verbrauchen; wenn jetzt die Wölfe so nah ans Dorf kommen.
Am liebsten möchte ich die Tür hinter mir verschließen und mich schlafen legen, bis das Holz des Fußbodens alle Flüssigkeit aufgenommen hat, und ich den Körper wie die zarte Hülle eines Insekts nach draußen tragen könnte.
Im Haus ist es still. Aber der nächste Gast könnte bald an meine Tür klopfen – als witterten sie, wo wieder ein Bett frei ist.

Das Jahr schreitet voran und es wird Sommer – von einem Tag auf den anderen wie mir scheint. Gras und Schlingpflanzen überwuchern die Veranda. Im Garten Wildblumen, die mir bis zur Schulter reichen. Der Sommer ist ein Fluch, der von einem Tag zum anderen über uns hereinbricht. Einer Krankheit gleich frisst sich die Hitze durch unser Fleisch. Das Gewebe wird mürbe, aufgeschwemmt von Gift und Schlacke. Sechzig Kilo Fleisch schleppe ich auf meinen Knochen herum, nutzlos produzieren Organe Abfall, verpesten den Organismus. Und wie zum Hohn wächst der Hunger, alles würgen wir herunter: Trockenfisch, rotes Fleisch, verschlingen Kröten lebendig und schöpfen Laich vom Wasser. Einige haben darüber den Verstand verloren, andere fliehen in die Grabhäuschen und schmiegen sich im Schatten an die Erde, bis das Schlimmste vorüber ist. Die wenigen, die arbeiten können, dürfen keine Pause machen, sonst gibt es nicht genügend Vorräte für den Winter. Ich schlafe nicht mehr. Bin zu müde, Schattenplätze zu suchen, meine Haut schält sich ab, die Augen sind voller Staub. In der Nachtsonne schleppe ich mich die Straße entlang, denke an ein Bad in Eiswasser und ein paar Stunden Ruhe. Den Rauch sehe ich erst, als ich fast vor meinem Haus stehe. Der Herd war doch gar nicht beheizt, ist mein einziger Gedanke.
Eine Feuerwand, die Holzbalken darin nur noch ein Gitter in hartem Kontrast. Aus den Flammen löst sich eine Gestalt. Das Fohlen kriecht auf mich zu, auf gebrochenen Beinen. Dürren Spinnenbeinen, vom Feuer verkrümmt, geschwärzt, ohne Fleisch, schartig. Seinen Kopf vorgestreckt, als hätte es meine Witterung aufgenommen. Etwas hängt ihm aus dem Maul, die Zunge oder hochgewürgtes Gedärm, noch feucht. Ich will schreien, doch fürchte ich, es könnte mich hören. Es ist ein Traum, immer wieder dieses Fohlen, und die Erkenntnis wird mich aufwachen lassen.
Der Wind dreht, ich spüre die Hitze auf meinem Gesicht, ringe nach Atem in der Trockenheit der Luft. Von dem Tier geht ein Gestank aus, der mich würgen lässt: nicht süß wie gebratenes Fett, sondern Bitterkeit versengten Knochens. Es ist keinen Schritt mehr von mir entfernt. Ich öffne den Mund zum Schrei, atme Flammen ein, Luft wie kochendes Wasser, Schmerz explodiert hinter meinen Augen. Dann Schwärze. Ein Nichts, die Abwesenheit von allem: Raum, Zeit. Grenzen. Nichts Eigenes, nichts Fremdes. Die Absolutheit entsetzlicher als Todesangst und Schmerz. Sie wird nicht enden. Es gibt keinen Körper und keine Richtung, in die ich mich bewegen könnte. Ich habe keinen Mund zum Sprechen, keine Augen, die Dunkelheit zu sehen. Zukunft hat aufgehört zu existieren; ich muss die Vergangenheit nachspielen, um wenigstens ein Jetzt zu schaffen. Sonst wird sich mein Bewusstsein mit allem anderen zusammen auflösen. Gleichgültig, wo man beginnt, alles ist Wiederholung. Kindheit. Beeren pflücken im Wald. Ein Pferd mit einem warmen Rücken. Baden im Fluss. Er ist breit, viel Grün am Ufer. Jugendzeit. Die Schule, fünf, sechs andere Kinder. Bücher. Eine ... Frau, die vorliest. Ich habe vergessen, wie man sie nennt. Bäume, ein ... viele Bäume sind ... ich kenne das Wort nicht mehr. Das Bild dazu wie ausgelöscht. Was war vorher? Der Fluss, darin ist ... ich spüre, wie sich das Bild beginnt, aufzulösen. Die Welt entgleitet mir, es wird nichts mehr geben, woran ich denken könnte – ein Bewusstsein ohne Erinnerung. Für immer.
In der Leere eine Stimme. Sie ist Teil von mir und nicht ich selbst.
Weiß und Blau und mattes Gold.
Ich kenne die Worte nicht.
Bögen und Spitzen, Kuppeln und Säulen.
Kein Bild. Worte werden gesprochen, lösen sich wieder auf.
Sonne und Schatten, Bäume und Gras.
Türen, Fenster. Kein Eingang, kein Entkommen.

Ich habe Angst. Die Stimme ist bösartig, es ist eine Falle.
Wächter, Fremde. Viele gehen vorüber.
Genagelte Lederstiefel, lange Mäntel.
Sie bleiben stehen.

Gesprochenes fließt vorüber – Worte, Pausen. Betont, unbetont, Singsang, manchmal ein Reim. Ich konnte nie dichten.
Gitterstäbe, Eisenzäune. Steine, ohne Farbe.
Markierungen, Buchstaben, Nummern.
Versteckte Bedeutungen, Codewörter.

Es ist ein Rätsel! Ich habe zu lange nicht hingehört. Den Anfang vergessen.
Metallbolzen in die Erde getrieben,
bei Tageslicht und in der Nacht
… sie graben, schichten Erde … Erschöpfung
Körper fallen. Knochen brechen.
Etwas Weiches. Stoff und ein Gesicht.
Noch mehr, zu eng.
Nicht nachdenken, abschweifen, der Tonfall wird dringlicher. Die Stimme wird nicht ewig sprechen – sie endet, bald, und dann muss ich die Lösung wissen.
Tief und zu viele. Ersticken im Dunkel.
Schreie. Schweiß. Erdgeruch.
Kein Raum zum Schreien.

Nichts ergibt einen Zusammenhang. Die Worte folgen schneller aufeinander.
Die Erde. Der Schnee.
Auskühlendes Fleisch.
Sie rufen, bis der Winter kommt.

Plötzlich Stille. Das Rätsel ist beendet. Alles ist vergessen bis auf die letzten Worte. Ich werde nicht entkommen. Werde alles vergessen. Sogar mich selbst.
Talvi – meine Schwester. Ihr Spitzname bedeutet Winter. „Die Kapelle. Lebendig Begrabene. Nur meine Schwester hatte keine Angst, mich in jenem Winter von den Stimmen der Toten wegzuholen“, flüstere ich in die Leere.
Mein Herzschlag erstickt mich, mein Mund ist trocken, die Sicht verschwommen. Aber ich bin wach. Hartes Gras unter mir. Mein Fleisch drückt mich nieder, die Haut gequetscht zwischen Knochen und Boden. Nur aufstehen. Zu Hause werde ich längst erwartet.

 
Quellenangaben
Anmerkungen:
Um den havarierten Reaktor 4 von Tschornobyl existieren vier Exklusionszonen: Die Todeszone oder „Zone der Vergessenheit“, die Dauerhafte Überprüfungszone, die Periodische Überprüfungszone, und die Unbenannte Zone (Strahlungswerte sind unnatürlich hoch, aber es existieren keinerlei Kontrollen).

Am 19. November 1941 verübte die deutsche Wehrmacht einen Genozid an der jüdischen Bevölkerung von Tschornobyl. Sie hoben neben einem bestehenden Friedhof ein Massengrab aus, erschossen bis zu 450 Opfer und warfen sie aufeinander in die Grube – allerdings waren einige nur verletzt. Nachdem das Massengrab zugeschüttet worden war, hielten sich zwischen den Leibern vereinzelte Lufträume. Zeugen gaben später an, dass sie noch Tage darauf Schreie aus der Erde hören konnten.

Quellen:
Äußerungen Demenzkranker, teils wörtlich übernommen: Mit großem Dank an Angelika Knapp, Fachkraft für Geriatrie (und - leider längst inaktives - Forenmitglied hier).

Alle Rezepte außer Fleisch: SERDE (Hrsg.): Exercise Book of Traditions – Foraging in Central Kurzeme. Aizpute, Lettland 2010; eigene Gespräche mit Signe Pucena, SERDE.

„Ich habe die Sommer damit verbracht (…) kalt und schwarz geworden.” Koivune / Die Birke, Karelisches Volkslied.

“Was hat eine weiße Schale und ein gelbes Herz?” christlich-orthodoxes Osterrätsel aus Ostkarelien mit Doppelbedeutung wie verwendet: Eierschale / Leichentuch und Dotter / Liebe.
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Liebe Leute,

ich wollte eigentlich einen Humortext schreiben, in dem die Oma gerettet und ein Baby vom Balkon geschmissen wird :D, aber wie es so geht, passt ein älterer Text, den ich für weitere Verwendung mit freundlich-kritischer Hilfe neueditiert habe, gut ins Thema.

Da nur wenige aus der damaligen VÖ-Zeit hier im Forum sind, nutze ich die frischen Augen, ob die Neubearbeitung halbwegs so funzt.

Herzlichst,
Katla

 
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Hallo @Katla, also falls es beim nächsten Mal ein "Wunschkonzert" gibt - bitte, bitte, schreib etwa Humoriges. Ich wollte gestern Abend schon lesen, musste aber abbrechen, da ich an meinem Nachtschlaf hänge. Ich empfinde die Geschichte als echten Horror, wirklich gut gemacht, ich habe mich lange nicht so gegruselt und es wird lange nachwirken. Ich bin gegen triggerwarnungen, hoffe deshalb, das zartbesaitete Gemüter hier wirklich Eigenverantwortung zeigen. Du spielst so geschickt mit Erfahrungen und Bildern, das ganze direkt im Präsens miterlebt - puh!
Literarisch, vom Aufbau her überfordert die Geschichte mich mit einmal lesen noch, ich werde mich sicherlich aus Autorenneugierde noch einmal, ja, irgendwie wirklich durchquälen, weil es ist so hart ehrlich und nicht abwegig, das dieses die Zukunft ist.
Ich schreibe wie immer auf, wo mir Gedanken durch den Kopf gingen, nimm es als Lesereindruck und schau, was Dir hilft.

Die unbenannte Zone
Spannender Titel, spontan überlege ich ob ich namenlose Zone gewählt hätte, sehe aber den Unterschied. Dieses hier ist aktiv ohne Namen, bewusst.

Es gibt einen heiligen Ort am Rande des Waldes: Eine Hütte, die aussieht, als wäre sie nur gebaut worden, um den Turm darüber zu stützen. Sie ist aus Holzbalken gefertigt, mit Teer bestrichen. Ein einzelner Raum, der stets sauber gehalten wird.
Spannend! Sofort! Allerdings gestehe ich, habe ich es als Rahmenhandlung gelesen, dann fehlt mir natürlich der Zirkelschluss. Vielleicht erschließt sich mir später der Aufbau beim erneuten Lesen.

Man erzählt sich, früher hätten die Menschen dort Heilung erfahren.
warum steht das früher kursiv?

Gliedmaßen an die Wand genagelt als wäre es Dörrfleisch. Vielleicht waren es überschüssige Arme, oder Kinderhände, aus denen Hufe wuchsen.
Deine Bilder klappen bei mir meist zu gut, hier hakelt es bei mir. Gliedmaßen haben etwas grobes, Knochen enthaltend! Dörrfleisch sind dünne, knochenfreie Streifen, jedenfalls in meinem Kopf. DAs kriege ich nicht zusammen ...

er ist wie wir. Trotzig zeigt er seine verwachsene Hand, an der nur zwei Finger sind. Es heißt, damit habe es angefangen, bevor die Tiere mit zwei Köpfen geboren wurden, mit Spinnenbeinen und Gummiknochen.
Hier fängt es an beunruhigend zu werden. ist wie wir? Weder bei der Erzählerin noch sonst einem der Dörfler zeigst Du etwas, oder? Da sind die "Besucher" die anders sind und zum Teil die Neugeburten.
Eine Frage, die mehrmals in meinem Leserkopf aufploppte - wann war früher, in welchem Zeitrahmen hören wir hier von Ereignissen?

Wir waren glücklich über diesen Schattenplatz
Es ist Frühling, und ich kriege den nötigen Schatten noch nicht zugeordnet. Die Hitze, selbst Frühling schon zu heiß für Sex ist, kommt erst viel später. Kleiner Hinweis eher eventuell?

Wir gehorchten, der Schleim lief mir die Kehle herunter, Knirschen zwischen den Zähnen.
Brrr - auch wenn es später ja erst richtig schlimm wird - brr

Ich erbrach das gerade Geschluckte vor seine Füße.
Talvi weinte, in ihrem Ei hatte sie kleine gefiederte Krallen gefunden.
Okay! Hier habe ich gestern entschieden, dass es eindeutig keine gute Nacht Geschichte wird. Passt sehr gut. Auch wenn mir der Sinn hinter der Aktion tatsächlich nicht als Brauch einleuchtet, wenn sie doch Eier im normalen Gebrauch auch haben, was hebt es dann ab. Nur der Tag? Pfingsten?

Wie Spinnenfäden hatten sie sich über die Holzbalken gebreitet, Silber schimmert im Eis.
Ich liebe Ellipsen! Dies ist total schön, zeichnet auch ein schönes Bild, trotz der beklemmenden Situation. Aber gefühlt (und ja, ich liebe Konjunktive) würde es "schimmernd" heißen müssen, oder?

mahlte stundenlang die wunden Kiefer aufeinander. Ihr Blut war dunkel
Ist der Bezug sauber? Ihr beziehe ich auf Kiefer, die wundgebissenen. Du meinst denke ich die ganze Frau.

früher hatte sie diesen Beißzwang nicht.
Hier würde mich auch das "früher" interessieren, beim letzten Mal? Als sie noch die Schwiegertochter von irgendeiner Nachbarin war? Ah, ich glaube, das haben ich nicht rauszitiert: "War früher Schwiegertochter von ..." bin ich unsicher, wie ich es lesen sollte: a) im wahren Leben, bevor sie eine "Widergängerin" wurde oder b) als Sie schon einmal zurückgekehrt war. Also als ewiger Kreislauf?

Die vergangenen Nächte habe ich zu tief geschlafen, Dinge gesehen, die ich nicht abschütteln kann. Sie fühlen sich an wie Erinnerungen, nicht wie Träume. Ich bin in einem Haus, in dem nur Tote wohnen. Ihre Haut ist trocken, grau wie Kitt. Eine unerklärliche Angst zwingt mich
Hier hatte ich ein Zeitproblem, aber ich denke, das ist Erwartungshaltung meinerseits: Traum gehabt - ich hatte den Traum/Erinnerungen in Präteritum erwartet. Aber Du bleibst in der Gegenwart. Das macht den Text für mich so schlimm/eindringlich/gruselig.

Man sagt, die Zeiten würden noch einmal besser, wenn man Altes aufbewahre. Diese Überbleibsel wie eine Garantie, dass es ein anderes Leben geben kann.
Hier stolpere ich ein bisschen über die Logik dahinter. Den ersten Satz finde ich einleuchtend! Aber müsste es nicht auf eine Verbesserung/also eher zurück zu den alten guten Zeiten bedeuten? Für einen Neuanfang trennt man sich in meinen Augen von Altem. Aber okay, ich gehe davon aus , das wir über 100 Jahre in der Zukunft sind, da mag sich einiges ändern.

Oder zumindest nicht mehr für die Kleinsten, die Alpträume bekommen von den Dingen, die sie sehen. Vieles ist zu phantastisch, als dass man glauben könnte, was dort Geschichte sein soll. Die meisten Bände sind verfeuert worden.
Ja, hier könnten es sogar noch mehr Jahrhunderte sein

einige dunkle Wochen ohne Schnee haben uns beinahe alle Kerzen gekostet.
da stehe ich auf dem Schlauch! Ja, Schneenächte sind heller, als andere, aber doch nicht hell genug, um im Haushalt und Stall ohne Kerzen klar zu kommen.
Was übersehe ich?

BYL. Weiter entfernt auf einer Wiese ein kleineres, ebenfalls ausgeblichenes Schild: dreieckig, darauf in Rot und Gelb ebenfalls Dreiecke. Niemand weiß, was sie einst bedeuteten. Von diesen kleineren gibt es eine ganze Menge, wahllos verstreut stehen sie verloren mitten im Nirgendwo.
Ich wäre gespannt, ob ich ohne den Infotext und die Quellen auch sofort bei Tschernobyl und atomarer Verstrahlung gelandet wäre, aber das Wort Zone geht halt oft in diese Richtung. Die Präsenserzählung gekoppelt an reale Orte macht es für mich wirklich schlimm.

„Von Birken hab ich langsam die Schnauze voll, und gleich gibt‘s wieder was davon. Holunder. Lass uns den nehmen, oder das Zeug so trinken.“
Ah! Birken! Ich glaube, ich baue auch noch eine ein :-) - Aber passt natürlich in die angedachte Gegend. Ich habe allerdings nicht ganz verstanden, worüber die beiden da sprechen. Erst ging es um die Verwendung der Kartoffelreste Mittagessen oder Schnapsherstellung, oder? Und jetzt? Um die Zuschlagstoffe? Aber sie fahren doch zu dem Fest/Treffen - da wollen sie es schon trinken?

Dieses Mal war es Frettchen, der flinkste unter den Jungs. Er hat ein spitzes, feines Gesicht und kann seine Hände nicht stillhalten. „Die anderen lügen“, sagt er gerade. „Es sind überall Risse dort, sogar ein Mann würde hindurchpassen. Und es ist hell genug, oben in der Halle.
Spannend und auch super gruselig, eine Mutprobe dort hinunter/hinein.

viele sind schon abgestürzt und nie wieder gefunden worden. Das ist da, wo die Geister leben – nicht die der Unsrigen, sondern von früher, vom Krieg. Sie müssen sich verirrt haben dort unten, und nie wieder ans Tageslicht gefunden. Anna – letztes Jahr. Hat einen von ihnen gesehen. Sie keuchen ganz laut, so ein Pfeifen, Saugen, und ihre Kleidung raschelt, wie trockenes Laub.“
Aber wer weiß schon, ob das die Wahrheit ist. Das nächste Mal stieg Anna runter
Was dort passierte ging mir ein bisschen zu sehr hin und her, zu viele Infos in den paar Sätzen.

Der Tradition nach werden sie roh verzehrt. Fleisch aus dem Wald ist unrein – es muss in Birkensaft ziehen und wird mit jungen Fichtenspitzen serviert. Eingelegte tun es auch, oder ihr Sirup. Es ist ein Fest, zu dem das ganze Dorf zusammenkommt; umso beliebter, als dass keiner genau weiß, wann genau die Kundschafter mit Beute eintreffen.
Was habe ich jetzt durcheinander? In meinem Kopf ist angekommen:
Mutprobe - Einstieg in den Reaktor
Anschließend gehen die selben (Kundschafter?) auf die Jagd?
Dann essen alle gemeinsam, nachdem sie die Strahlung mittels Birkensaft oder Fichtenspitzen herausgezogen haben?
Oder bin ich falsch abgebogen?

„Fröschlein ist heute Nacht gestorben“, erwidert Livana, ohne direkt zu antworten. Sie schluckt und blickt an mir vorbei. „Seine Lungen haben sich mit Flüssigkeit gefüllt und er ist erstickt, und keiner weiß, warum.“
„Er kommt sicher zurück“, versuche ich, sie zu trösten. Ich könnte mir auf die Zunge beißen, dass mir nichts Persönlicheres einfallen will.
„Aber wenn, nicht zu mir!“ sagt sie wütend. „Außerdem ... einige bleiben beerdigt. Sie sind tot, einfach so. Es ist eine Krankheit. Ansteckend, eine Seuche. Das hat es bisher nie gegeben, was sollen wir denn jetzt tun?“
Das finde ich ... toll oder gut mag ich hier echt nicht schreiben. Aber Du sollst einen Leseeindruck bekommen, wie die Geschichte bei mir ankommt. Und ich traure um Fröschlein! Und das, obwohl er nur in einem Absatz aufgetreten ist, ganz nebenbei. Analytisch würde ich sagen: der Spitzname macht es, die Verknüpfung mit der um Hilfe/komm raus Situation - das finde ich wirklich gut gelöst.
Den letzten Absatz habe ich nicht klar! einige bleiben tot - okay! Was ist die Krankheit? Das sie sterben? Was gab es bisher nicht? Die Widergänger sind ja schon länger? Ist das normale Sterben unnormal?

ein Kind geboren, das bereits in ihrem Leib gestorben sein musste. Ein langsames, zurückgebliebenes Kind, blind und stumm, das frisst, was ihm unter die Finger kommt. Die Mutter hält es in einem Laufstall, ist aber glücklich, ihm nicht eines Tages beim Sterben zusehen zu müssen.
Auch hier fehlt für mich ein Hinweis mehr. (Ja, ich bin kein Horrorleser, totaler Kopfmensch) Wenn das Kind frisst, zurückgeblieben und im Laufstall ist - wie kann es dann tot sein. So tot, das die Mutter es nicht noch sterben sehen muss? Ich warte mal ab, brauchst also nicht alles erklären, meistens helfen einem ja andere Kommentare auf die Sprünge.

Hunderte in einer Grube. Nicht sorgfältig geschichtet, so als ob sie übereinander gekrochen ...
Hier beziehst Du dich auf das Massengrab der Wehrmacht? Werden die denn normalerweise sorgfältig geschichtet? Mein Kopfbild erzählt mir Missachtung des Einzelnen, keine Achtung vor dem Leben und Tod des Menschen, reinwerfen, rücksichtslos. Da kriege ich das sorgfältig nicht rein. Der letzte Teil bezieht sich auf die Verletzen, lebendig begrabenen würde ich annehmen.

„Worunter ist das?“
„Aus dem Brunnen. Ungefährlich.“
Mich hat das Worunter verwirrt, aber es geht in der Sprache weiter, und ich erinnert mich dann an die "Originalsprache" von Demenzerkrankten - passt also

Seine Körperform ist selten geworden – der Oberkörper abgemagert, die Gliedmaßen unterhalb der Taille geschwollen, als hätte jemand Wasser in die zu weiche Haut gefüllt. Unter den Fußlappen, so weiß ich, ähneln die Zehen den Fingern einer Hand.
Wie meinst Du - seine Körperform ist selten geworden? Es laufen nicht mehr Menschen mit geschwollenen Gliedmaßen herum? Oder wäre hier seltsam richtiger?

sie kommen immer allein, und nie in ein Haus, das bereits einen Gast beherbergt.
Ich mochte bei all dem Horror und den schrecklichen Bildern die Bezeichnung "Gast" und das sich kümmern. Kümmern bis zum Schürhaken, aber kümmern.

es ähnelt Kadavern, die man zu lange im Feuer geröstet hat
Da hackelt es bei mir: Über dem Feuer rösten tut man Lebensmittel, Kadaver werden angekokelt, verbrannt, vernichtet, ...

„Medizin“, keucht sie. „Hase in Milch. Nicht gekocht. Die Zähne musst du ihm ausschlagen vorher. Sonst gehen sie ab und schwimmen in der Blutsuppe.“
Brrr - erinnere mich dran, wenn ich Dich besuche, gehen wir brav essen!

Ihr Kopf schnellt hoch. Auf ihren Lippen zermatscht eine Maräne zu öliger Schmiere, und ich höre mich selbst schreien. Meine Finger in ihrem Mund, zwischen Knochenplatten, die sich aufeinanderpressen.
Aua! Aber mir fiel rechtzeitig ein, das die Zähne ja raus waren. Dennoch Aua!

Am liebsten möchte ich die Tür hinter mir verschließen und mich schlafen legen, bis das Holz des Fußbodens alle Flüssigkeit aufgenommen hat, und ich den Körper wie die zarte Hülle eines Insekts nach draußen tragen könnte.
Im Haus ist es still. Aber der nächste Gast könnte bald an meine Tür klopfen – als witterten sie, wo wieder ein Bett frei ist.
Ich mag Deine respektvolle Umschreibung dessen, was sie machen musste, was sie noch tun muss. Ich nehme Insekt hier für klein, hilflos, nur noch Hülle, wahr.
Irgendwas hatte mich an der Satzkonstruktion mit dem könnte klopfen, als witterten gestört, aber jetzt klingt es gerade okay.

Gras und Schlingpflanzen überwuchern die Veranda. Im Garten Wildblumen, die mir bis zur Schulter reichen. Der Sommer ist ein Fluch, der von einem Tag zum anderen über uns hereinbricht. Einer Krankheit gleich frisst sich die Hitze durch unser Fleisch.
Da hätte ich gerne eine Hinweis, wie das Grün überlebt, oder wie es vergeht. Wenn die Menschen so unter der Hitze leiden, kommt Vegetation auch nicht zurecht. Es hört sich jedenfalls nicht wie parallel hohe Luftfeuchtigkeit an.

Etwas hängt ihm aus dem Maul, die Zunge oder hochgewürgtes Gedärm, noch feucht.
Bäh! Jetzt übertreibst Du es für meinen Geschmack, ich muss mich zwingen, weiterzulesen. Wenn ich es sachlich angehen, sollte es nicht möglich sein, Gedärme hochzuwürgen. Sagt man nicht, Pferde könnten sich nicht einmal übergeben. Aber ich würde hier tatsächlich etwas runterfahren, schade wenn der Leser wegen Ekel abbricht. Wir können natürlich auch sagen, das ich ein Weichei sei :-)

Zukunft hat aufgehört zu existieren; ich muss die Vergangenheit nachspielen, um wenigstens ein Jetzt zu schaffen. Sonst wird sich mein Bewusstsein mit allem anderen zusammen auflösen. Gleichgültig, wo man beginnt, alles ist Wiederholung. Kindheit. Beeren pflücken im Wald. Ein Pferd mit einem warmen Rücken. Baden im Fluss. Er ist breit, viel Grün am Ufer. Jugendzeit. Die Schule, fünf, sechs andere Kinder. Bücher. Eine ... Frau, die vorliest. Ich habe vergessen, wie man sie nennt. Bäume, ein ... viele Bäume sind ...
Tja, der Schluss klappt bei mir leider nicht mehr. Eine Deutung - sie stirbt, oder wird auch krank?
Aber gut geschrieben finde ich dieses vorbeiziehende Leben.

Plötzlich Stille. Das Rätsel ist beendet. Alles ist vergessen, bis auf die letzten Worte. Ich werde nicht entkommen. Werde alles vergessen. Sogar mich selbst.
Talvi – meine Schwester. Ihr Spitzname bedeutet Winter. „Die Kapelle. Lebendig Begrabene. Nur meine Schwester hatte keine Angst, mich in jenem Winter von den Stimmen der Toten wegzuholen“, flüstere ich in die Leere.
Ja, ich denke, sie wird auch Demenz/das Gehirn leidet unter der Strahlung? Wie die Schwester hier dazwischen passt? Hatten wir weiter vorne eine Bezug auf die Schwester an der Kapelle? Ich achte morgen noch einmal darauf ...

Aber ich bin wach. Hartes Gras unter mir. Mein Fleisch drückt mich nieder, die Haut gequetscht zwischen Knochen und Boden. Nur aufstehen. Zu Hause werde ich längst erwartet.
Mhh! Echt jetzt? Ein Traum? Was alles? Ich bin unzufrieden!!!

Für mich eine toll geschriebener Text, dessen Inhalt mich gruseln und ekeln lässt, aber vor allem Angst vor der Zukunft macht. Hier fliegt nicht etwa seine Oma vom Balkon, hier stirbt die Menschheit!? Aber unwahrscheinlich ist es nicht ...
Ich hoffe meine Bemerkungen geben Dir einen Anhaltspunkt, wo es zumindest bei mir noch nicht funktioniert, aber auch, was mir wirklich gut gefallen hat.
Wünsche Dir viele Kommentare
witch

 
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Dear Witch,

ui, vielen herzlichen Dank für all deine Anmerkungen, super! Und auch fürs Dabeibleiben, obwohl es sicher nicht dein Genre ist.

ich werde mich sicherlich aus Autorenneugierde noch einmal, ja, irgendwie wirklich durchquälen, weil es ist so hart ehrlich und nicht abwegig, das dieses die Zukunft ist.
Danke sehr, wirklich - nee eben, absolut nicht abwegig und nur die Idee mit den Wiedergängern ist spekulative Zukunft. Alle 'Horrorfiguren' - die unterschiedlichen Kinder und Tiere - sind 1:1 Realität, da gäbe es zu allem Photos. Damals nach der Havarie wochenlang durch u.a. Stern und Spiegel gegangen, eigenartigerweise hatte ich beim ersten Recherchieren für diesen Text und beim Nachrecherchieren vorletztes Jahr für ein Zonen-Essay gesehen, dass nur weniges davon online steht, man muss teils intensiv suchen.

Ich schreibe wie immer auf, wo mir Gedanken durch den Kopf gingen, nimm es als Lesereindruck und schau, was Dir hilft.
Alles hilft, vielen lieben Dank!

Spannender Titel, spontan überlege ich ob ich namenlose Zone gewählt hätte, sehe aber den Unterschied. Dieses hier ist aktiv ohne Namen, bewusst.
Dadurch, dass es ja die Bezeichnung einer realen Region ist, blieb mir auch keine Wahl. Diese Seltsamkeit (es wird als Zone ausgewiesen und auf einer Karte abgesteckt, das hat aber null Konsequenzen) passte auch gut zum Verhältnis meiner Figuren zur realen bzw. ihrer Historie.

Spannend! Sofort! Allerdings gestehe ich, habe ich es als Rahmenhandlung gelesen, dann fehlt mir natürlich der Zirkelschluss. Vielleicht erschließt sich mir später der Aufbau beim erneuten Lesen.
Ah hm, verstehe. Ich hatte Julia (der kritischen Helferin beim Re-Edit) gefragt, ob ich das Intro kicken soll und sie meinte nein, weil es eine gute Grundlage schaffe fürs Setting. Letztlich brauche ich es auch für die Schwester, die sonst am Ende total aus dem Nichts käme. Und über den christlichen Zombiemythos (Jesus) weise ich - so jedenfalls der Plan - auf das Thema 'Wiederauferstehung' in der Geschichte hin.
Der Zirkelschluss läuft a) über die Schwester, die eine Bedeutung für die Prota hat und b) über das Thema der Wiederauferstehung. Vielleicht zu abstrakt? Vielleicht gleich eine Szene andeuten, dass sie und die Schwester in Teenagejahren öfter mal Erkundungen unternahmen und einges dabei gruselig war? (Das mit den Geisterstimmen auf dem Friedhof hinter der Kapelle will ich nicht weiter ausführen, weil das weitestgehend aktive/bewusste Verdrängung ist.) *grübel grübel*

warum steht das früher kursiv?
Weil es mit Bedeutung belegte Begriffe sind, ähnlich wie Eigennamen oder Betonungen.

Deine Bilder klappen bei mir meist zu gut, hier hakelt es bei mir. Gliedmaßen haben etwas grobes, Knochen enthaltend! Dörrfleisch sind dünne, knochenfreie Streifen, jedenfalls in meinem Kopf. DAs kriege ich nicht zusammen ...
Aber ich sage nicht, die Gliedmaßen sähen aus wie Dörrfleisch (obwohl das die Assoziation sein soll, siehe Mumien oder Moorleichen), sondern sie wären an die Wand genagelt wie man es sonst mit Dörrfleisch macht. ->
Gliedmaßen an die Wand genagelt als wäre es Dörrfleisch

Hier fängt es an beunruhigend zu werden. ist wie wir? Weder bei der Erzählerin noch sonst einem der Dörfler zeigst Du etwas, oder? Da sind die "Besucher" die anders sind und zum Teil die Neugeburten.
Nee, eben, man weiß nicht genau, ob alle physische Einschränkungen haben oder nur einige - aber da Missbildungen als natürlich angesehen werden, gibt es hier kein wir vs sie. Es ist eine Gemeinschaft, egal wie - ich sag mal - der Phänotyp ist.

Sie weiten sogar ihre Sicht auf anderes auf, bei Ikonen ist die Hand von Heiligen manchmal mit der Handfläche zum Körper gewandt und wenn dann diese "Segnen"-Geste gezeigt ist, sieht es eben aus, als hätte die Hand nur zwei Finger. Das ist nicht Jesus und vllt. eh ein KI-Bild, aber so eben. Wir ergänzen im Kopf quasi die Finger, weil wir sie erwarten; aber wer Missbildungen erwartet, sieht es sicher so, als ob drei Finger nicht nur optisch, sondern faktisch fehlten; zumal die Hand unnatürlich gehalten wird.

Eine Frage, die mehrmals in meinem Leserkopf aufploppte - wan war früher, in welchem Zeitrahmen hören wir hier von Ereignissen?
Das möchte ich offenlassen, aber wenn es noch Papier zum Verfeuern gab und Bücher nicht zerfallen sind, kann es nur ein bestimmter Zeitraum sein. Ich dachte an so 3-4 Generationen.

Passenderweise zur Geschichte hab ich den Begriff dafür vergessen, aber es gibt einen Topos-Begriff, der bezeichnet, dass es bei einer Gesellschaft (oft bei Alternative / Parallel History) einen vollständigen Bruch gab, was das Wissen der Figuren um Vergangheit angeht. Also ab einem Punkt X ist nichts mehr eindeutig bekannt und muss aus Dingen erahnt / abgeleitet werden.

Es ist Frühling, und ich kriege den nötigen Schatten noch nicht zugeordnet. Die Hitze, selbst Frühling schon zu heiß für Sex kommen erst viel später. KLeiner Hinweis eher eventuell?
Der Hinweis ist die Ichperspektive = subjektives Empfinden. Also eine indirekte Info zum Körperempfinden / zur spekulativen Biologie der Prota, keine objektive Ansage des Autors, wie die Temperatur faktisch ist.
Hatte versucht, das beim Waschwasser (wobei man Eiseskälte ja vermutlich als unangenhem empfände) und vereisten Fenster vorzubereiten. :shy:

Okay! Hier habe ich gestern entschieden, dass es eindeutig keine gute Nacht Geschichte wird. Passt sehr gut. Auch wenn mir der Sinn hinter der Aktion tatsächlich nicht als Brauch einleuchtet, wenn sie doch Eier im normalen Gebrauch auch haben, was hebt es dann ab. Nur der Tag?
Meine Idee war, dass Traditionen und vor allem religiöse Traditionen auch eklig & scary sind, es durch die Gewöhnung seit Kindeszeit für die meisten aber total harmlos klingt.
Die Traditionen haben sich hier eben teil-lösgelöst von den Ursprüngen erhalten, und ich weiß nicht, ob rohe Hühnereier zu "Ostern" ekliger sind als "trinkt mein Blut und esst mein Fleisch" bei Wein & Oblate im Christentum. Also, das ist doch um Unlängen abartiger und makaberer ...

Ich liebe Ellipsen! Dies ist total schön, zeichnet auch ein schönes Bild, trotz der beklemmenden Situation. Aber gefühlt (und ja, ich liebe Konjunktive) würde es "schimmernd" heißen müssen, oder?
Ja, das ginge auch, aber es wäre mit 'schimmernd' eine andere Konstruktion, und eigentlich ist es weder Ellipse noch Konjunktiv, sondern nur ein mit Komma abgetrennter, zweiter Hauptsatz (Silber schimmert im Eis könnte auch allein stehen).

Ist der Bezug sauber? Ihr beziehe ich auf Kiefer, die wundgebissenen. Du meinst denke ich die ganze Frau.
Ja, der ist sauber und ich kann mir nicht vorstellen - sorry, das soll nicht frech klingen -, dass jemand es tatsächlich anders liest, weil es semantisch null Sinn ergäbe. Die Frau ist ja das Subjekt im Satz davor, ihre Kiefer ein Teil von ihr, sozusagen. Ich würde mitgehen, wenn die Person weiter entfernt vom 'sie' stünde.

Hier würde mich auch das "früher" interessieren, beim letzten Mal? Als sie noch die Schwiegertochter von irgendeiner Nachbarin war? Ah, ich glaube, das haben ich nicht rauszitiert: "War früher Schwiegertochter von ..." bin ich unsicher, wie ich es lesen sollte: a) im wahren Leben, bevor sie eine "Widergängerin" wurde oder b) als Sie schon einmal zurückgekehrt war. Also als ewiger Kreislauf?
Die Idee ist, dass Leute leben, sterben und wiederkehren. Also einmal. Daher bezieht sich 'früher' auf das Leben der Frau vor Tod / Wiederkehr. Ich schaue mal, ob da was unklar ist.

Hier hatte ich ein Zeitproblem, aber ich denke, das ist Erwartungshaltung meinerseits: Traum gehabt - ich hatte den Traum/Erinnerungen in Präteritum erwartet. Aber Du bleibst in der Gegenwart. Das macht den Text für mich so schlimm/eindringlich/gruselig.
Ah, ja, das ist in dem Sinne dramatisches Präsens. So gedacht, weil man im Englischen das, was auf Fotos zu sehen, ist grammatikalisch im Präsens beschreibt (jaja, das ist nicht deckungsgleich :-)).
War mein eigener Traum, übrigens.

Hier stolpere ich ein bisschen über die Logik dahinter. Den ersten Satz finde ich einleuchtend! Aber müsste es nicht auf eine Verbesserung/also eher zurück zu den alten guten Zeiten bedeuten? Für einen Neuanfang trennt man sich in meinen Augen von Altem. Aber okay, ich gehe davon aus , das wir über 100 Jahre in der Zukunft sind, da mag sich einiges ändern.
Ah okay - die Logik ist, dass es in der Historie ja nie von nur gut auf nur schlecht bzw. umgekehrt geht; und wenn man einen Hinweis hat, dass es mal besser ging, könnte man meinen, dass unter günstigen Umständen etwas ähnliches wieder möglich ist. Anders als wenn man denkt, es ist schlimm und es war nie anders, daher hätte man auch keinen Grund, etwas anderes in der Zukunft zu erwarten.

da stehe ich auf dem Schlauch! Ja, Schneenächte sind heller, als andere, aber doch nicht hell genug, um im Haushalt und Stall ohne Kerzen klar zu kommen.
Was übersehe ich?
Äh, übersehe ich was? Winter = lange, dunkle Nächte = man braucht mehr künstliche Beleuchtung als zu anderen Jahreszeiten. Schnee im Winter = man braucht weniger künstliche Beleuchtung als in schneelosen Winternächten, weil ja der Schnee das Mondlicht reflektiert und das in Innenräume abstrahlt, sodass man dann nicht so einen hohen Verbrauch an Kerzen hat.

Das mit der Reflektion des Mondlichts auf Schnee funzt sogar in meiner Stadtbude bei geschlossenen Vorhängen i.e. meinem weißen Bettlaken vorm Fenster.

Ich wäre gespannt, ob ich ohne den Infotext und die Quellen auch sofort bei Tschernobyl und atomarer Verstrahlung gelandet wäre, aber das Wort Zone geht halt oft in diese Richtung. Die Präsenserzählung gekoppelt an reale Orte macht es für mich wirklich schlimm.
Ja, hier hab ich im Re-Edit einiges eingefügt, u.a. die Warnschilder und den Wortrest. Soll ich den länger machen? NOBYL? Ist mir alles recht, solange nicht das gesamte Wort da steht.

Ja, der Text ist eindeutig die Variante 'Spekulativen Horror schreiben, um mit realem umzugehen'.

Ich habe allerdings nicht ganz verstanden, worüber die beiden da sprechen. erst ging es um die Verwendung der Kartoffelreste Mittagessen oder Schnapsherstellung, oder? Und jetzt? Um die Zuschlagstoffe? Aber sie fahren doch zu dem Fest/Treffen - da wollen sie es schon trinken?
Ah, da schaue ich noch mal. Aber sie reden einfach über Essen beim Fest und darüber über etwas, dass sie auch selbst für sich herstellen könnten. So wie wenn man von einer Party redet und dann darüber, was man auf Parties generell alles anziehen könnte. Nee?

Was dort passierte ging mir ein bisschen zu sehr hin und her, zu viele Infos in den paar Sätzen.
Ja, aber hier möchte ich einen realen Eindruck, wenn Leute alle möglichen Infos weglassen, weil sie es beim Erzählen selbst noch mal erleben. Ich befürchte auch, dass ich sonst zu klar ausbuchstabieren würde, wer diese Gespenster bzw. Legenden sind (-> Schutzanzüge).

Was habe ich jetzt durcheinander? In meinem Kopf ist angekommen:
Mutprobe - Einstieg in den Reaktor
Anschließend gehen die selben (Kundschafter?) auf die Jagd?
Dann essen alle gemeinsam, nachdem sie die Strahlung mittels Birkensaft oder Fichtenspitzen herausgezogen haben?
Oder bin ich falsch abgebogen?
Oh, ich schaue. Die Jagd ist eine Tradition (im Wald) und die Mutprobe eine andere (im Reaktorgebäude, das die Figuren für einen Bunker halten). Ich gucke!

Die Figuren wissen ja nix von der Strahlung, haben nur ihre traditionellen Gerichte mit den bestehenden Möglichkeiten entwickelt. Birkensaft und frische Fichtenspitzen werden z.B. in Finnland heute noch verzehrt und sind super gesund (Vitamine, entzündungshemmend und so).

Das finde ich ... toll oder gut mag ich hier echt nicht schreiben. Aber Du sollst einen Leseeindruck bekommen, wie die Geschichte bei mir ankommt. Und ich traure um Fröschlein! Und das, obwohl er nur in einem Absatz aufgetreten ist, ganz nebenbei. Analytisch würde ich sagen: der Spitzname macht es, die Verknüpfung mit der um Hilfe/komm raus Situation - das finde ich wirklich gut gelöst.
Sehr cool, um Fröschlein soll man auch trauern. Das freut mich sehr (sozusagen).

Ja, das mit dem Spitznamen war genau die Idee wie du es beschreibst, andererseits ist das typisch für systemkritische Sowjet-SF, v.a. die Strugatzkis haben das sehr oft gemacht. So trägt die Tochter des Stalkers 'Red' Schuchart den Spitznamen "das Äffchen", und sie ist eben auch - genetisch, wegen seiner Besuche dort - durch die Zone verändert.

Den letzten Absatz habe ich nicht klar! einige bleiben tot - okay! Was ist die Krankheit? Das sie sterben? Was gab es bisher nicht? Die Widergänger sind ja schon länger? Ist das normale Sterben unnormal?
Ja auf alle Fragen. Es wird natürlich gestorben, aber dann kommen die Toten - hier quasi ebenso natürlich, aber eigentlich ein spekulativer Zonen-Umstand - zurück. Die reale Normalität ( = Leute sterben und bleiben tot & begraben) ist hier anormal. Und beängstigend.

Auch hier fehlt für mich ein Hinweis mehr. (Ja, ich bin kein Horrorleser, totaler Kopfmensch) Wenn das Kind frisst, zurückgeblieben und im Laufstall ist - wie kann es dann tot sein. So tot, das die Mutter es nicht noch sterben sehen muss? Ich warte mal ab, brauchst also nicht alles erklären, meistens helfen einem ja andere Kommentare auf die Sprünge.
Wenn das Kind im Mutterleib sowohl stirbt wie auch 'wiederkommt', stirbt es ja kein zweites Mal, zumindest solange es niemand gewaltsam umbringt.

Hier beziehst Du dich auf das Massengrab der Wehrmacht? Werden die denn normalerweise sorgfältig geschichtet? Mein Kopfbild erzählt mir Missachtung des Einzelnen, keine Achtung vor dem Leben und Tod des Menschen, reinwerfen, rücksichtslos. Da kriege ich das sorgfältig nicht rein.
Ich hoffe, mein Zynismus richtet sich deutlich gegen Täter, nicht Opfer: Es gibt solche und solche. Wenn die Toten ordentlich geschichtet werden, wird Platz gespart und die Grube kann flacher oder schmaler sein -> Mauthausen nur zum Beispiel.

Mich hat das Worunter verwirrt, aber es geht in der Sprache weiter, und ich erinnert mich dann an die "Originalsprache" von Demenzerkrankten - passt also
Ja, es gibt aber verschiedene Formen des Sprachverfalls bei Demenz und ich hab drei von fünf gemixt. Das würde ich bei einer anderen Geschichte wohl einheitlich handhaben. Also: Hahn statt Huhn zu nehmen und worunter statt wofür ist etwas anderes als sowas wie die Episode mit dem 'ich hab keine Haare mehr', weil dort der Bezug zu dem, was die Person eigentlich sagen will, extrem unklar ist. Das ist schon nicht mehr reine Wortverwechslung innerhalb derselben Bezugsgruppe ('Federvieh'), sondern ein anderes Wahrnehmen der gesamten Realität.

Wie meinst Du - seine Körperform ist selten geworden? Es laufen nicht mehr Menschen mit geschwollenen Gliedmaßen herum? Oder wäre hier seltsam richtiger?
Genau, dass es früher öfter vorkam. Ist ja in der Realität auch so, diese stark verwachsenen Kinder und Tiere wurden nur in den ersten Jahren nach dem Reaktorunfall geboren, danach nicht mehr. Aber es gibt heute noch (im Roten Wald) Mutationen und Missbildungen bei Tieren, z.B. Schwalben, Wühlmäusen und Insekten, dabei auch wesentlich reduzierte Lebenserwartung.

Ich mochte bei all dem Horror und den schrecklichen Bildern die Bezeichnung "Gast" und das sich kümmern. Kümmern bis zum Schürhaken, aber kümmern.
Sehr schön, ja, das war die Idee.

Da hackelt es bei mir: Über dem Feuer rösten tut man Lebensmittel, Kadaver werden angekokelt, verbrannt, vernichtet, ...
Genau. Der Plan war eben diese Assoziation, ich denke, das leicht unpassende Bild macht etwas im Kopf. Dass man eben dabei an Essen denkt und das verstärkt den Ekel.

Brrr - erinnere mich dran, wenn ich Dich besuche, gehen wir brav essen!
Ich kann dir sagen, dass ich noch keinen traditionellen finnischen Blutpudding gegessen hab, jörks. Lieber guten Kuchen, Rensteak mit Cranberries und karelische Piroggen mit Eibutter. Ganz herzlich willkommen, jedenfalls! :gelb:

Da hätte ich gerne eine Hinweis, wie das Grün überlebt, oder wie es vergeht. Wenn die Menschen so unter der Hitze leiden, kommt Vegetation auch nicht zurecht.
S.o. der Hinweis ist die (subjektive) Ich-Perspektive. War gedacht als show, don't tell Bodyhorror.

Wenn ich es sachlich angehen, sollte es nicht möglich sein, Gedärme hochzuwürgen. Sagt man nicht, Pferde könnten sich nicht einmal übergeben. Aber ich würde hier tatsächlich etwas runterfahren, schade wenn der Leser wegen Ekel abbricht.
Wieso sachlich nicht möglich? Das ist eine spekulative Geschichte, es kehren ja auch keine Toten zurück. (Allerdings würgen Haie in Gefahr ihren eigenen Magen raus, komplett. Hab aber vergessen, warum.)
Zudem ist meine Erzählerin nicht mal sicher, ob das Fakt ist, sie sagt ja nur, es sähe so aus. (Ist dasselbe wie beim Dörrfleisch eingangs.) Ich denke eigentlich, das ist ein ganz guter Trick beim Horror, dieses Assoziative, nicht mal dezidiert Behauptete ...

Wer aus Ekel abbricht, bricht eben ab. Hier im Forum stehen ja ältere Texte, die ganz wesentlich härter sind, z.B. Salems "Amputation II", sehr geiler, sehr physischer und sehr gut geschriebener Horror. Schade, dass die Zeiten wohl vorbei sind.

Tja, der Schluss klappt bei mir leider nicht mehr. Eine Deutung - sie stirbt, oder wird auch krank?
Aber gut geschrieben finde ich dieses vorbeiziehende Leben.
Oh oh, der Schluss lag mir auch etwas im Magen, da hab ich am meisten zugefügt, das war noch wesentlich assoziativer.
Ja, sie stirbt, erlebt das Sterben und kehrt dann - ohne, dass es ihr klar ist - wieder, daher kann sie durch den Tod hindurch weitererzählen.
Es ist aber nicht ihr Leben, das sie da sieht, sondern den (historischen) Tod anderer. Im Text gibt es sowohl Wiedergänger (als Norm) sowie Geister (das Spekulativ-Unheimliche im Spekulativ-Unheimlichen). Ist ggfs. unerwartet, aber wie das klarer machen, wo meine Prota es nicht mit dem Blick unserer Realität heute sehen kann?

Ja, ich denke, sie wird auch Demenz/das Gehirn leidet unter der Strahlung? Wie die Schwester hier dazwischen passt? Hatten wir weiter vorne eine Bezug auf die Schwester an der Kapelle? Ich achte morgen noch einmal darauf ...
Ja, die Schwester taucht am Anfang auf. Ob der Bezug zum Ende irgendwie ersichtlich ist, weiß ich allerdings nicht, weil es so stark über die Sicht der Erzählerin läuft, die ja mehr über ihr Leben weiß, als sie dem Leser hier mitteilen könnte (falls du weißt, was ich meine).

Mhh! Echt jetzt? Ein Traum? Was alles? Ich bin unzufrieden!!!
Nope, kein Traum. :shy:
Ihr "ich werde erwartet" ist eine Spiegelung zur Wahrnehmung der anderen Wiedergänger, die sich immer ein neues Zuhause bei neuen Leuten suchen. Dass es dann nicht eigentlich ihrs ist, weiß meine Erzählerin selbstverständlich nicht mehr, weil die Wiedergänger keine Erinnerung an ihre eigentliche Identität / Familie haben, wie eben bei realer Demenz im Endstadium auch.

Mal gucken, was noch kommt, ich brauche zu mindestens einer Sache ne zündende Idee ...

Vielen lieben Dank, dear Witch, das war sehr spannend zu lesen und ich hab ein paar Dinge auf der Liste!

Ganz herzliche Grüße - dir alles Gute :-)), viel Muße & viele Musen,
Katla

 

Moin, @Katla und danke für Deine Geschichte.

Ein paar Mal bin ich beim Lesen dagesessen und habe laut „Alter!“ gerufen, haben mich einige der Passagen doch eiskalt erwischt.
Textarbeit traue ich mir bei diesem Brett (auch aus Zeitgründen) gerade nicht zu, möchte Dir aber trotzdem im Rahmen der Challenge einen Eindruck da lassen.

Am Anfang kam ich ein wenig schwer in das Setting, habe mir den Infokasten angeschaut (war über die Schreibweise von Tschornobyl irritiert, – musste erst mal Wikipedia befragen) und dachte mir aber „Okay, klingt heftig, aber auch interessant“.
Im weiteren Verlauf habe ich mehrere Male gedacht, ob die Wirkung nicht noch stärker ausfallen würde, wenn Du den „Spoiler“ im Infokasten einsparen würdest, sodass man selbst darauf kommen muss, wo das Ganze spielen soll.

„Zerbrecht das Ei und trinkt“, wies er uns mit einem Nicken an. „Und die Schale müsst ihr essen, nichts darf vergeudet werden!“
Wir gehorchten, der Schleim lief mir die Kehle herunter, Knirschen zwischen den Zähnen. Als ich mir mit der Hand über den Mund wischte, sagte er: „Das Weiße außen ist das Leichentuch, das Gelb ist das Herz und die Liebe des Wiederauferstandenen, der zu uns zurückkehrte.“
Ich erbrach das gerade Geschluckte vor seine Füße.
Talvi weinte, in ihrem Ei hatte sie kleine, gefiederte Krallen gefunden.
Ab hier hattest Du mich. Das machte mich neugierig, mit dem Essen des kompletten Eies. Und die gefiederten Krallen im anderen Ei – supereklig. Doch Nichts im Vergeleich dazu, was dann noch kommen sollte.


Kaum bin ich aus dem Haus, kann ich durchatmen. Mit Josefiina muss ich stets auf der Hut sein, dass sie sich nicht verletzt, nichts kaputtschlägt. Es strengt an wie körperliche Arbeit – bin ich draußen, frage ich mich, was sie tut, bin ich im Haus, ermüdet mich das Gezeter, ihre sinnlosen Fragen. Ich bin froh, Livana zu sehen, die sich gerade fluchend mit dem Kummet abmüht. Ziehe mit an, und schließlich bekommt sie die Schlaufe ums Holz gelegt.
„Das Ding hat noch nie gepasst, das ist einfach falsch, so was Dämliches!“
„Du hast nur das falsche Pferd“, sage ich und umarme sie zur Begrüßung.
Wir tätscheln dem Wallach von beiden Seiten den breiten Hals. Der Falbe ist das kräftigste Zugtier im Dorf, sieht mit seinem dichten Fell und stämmigen Beinen als einziges gesund aus. Livana schwört, er sei eines der Wildpferde, doch bei ihr geht er ruhig genug. Wir sitzen auf und diskutieren, ob wir aus den Kartoffelschnitzen Mittagessen kochen oder eine Tinktur destillieren sollen. Der Wagen poltert über gefrorene Erde, wir passieren ein uraltes Straßenschild. Nur noch die letzten drei Buchstaben sind lesbar: …BYL. Weiter entfernt auf einer Wiese ein kleineres, ebenfalls ausgeblichenes Schild: dreieckig, darauf in Rot und Gelb ebenfalls Dreiecke. Niemand weiß, was sie einst bedeuteten. Von diesen kleineren gibt es eine ganze Menge, wahllos verstreut stehen sie verloren mitten im Nirgendwo.
Zu Beginn dieser Szene habe ich mich kurz gefragt, ob sie Josefiina einfach so alleine zurücklassen kann. Klar, sie schließt alles Essbare ein, aber mir war nicht klar, für wie lange sie ihre Schwiegermutter jetzt verlässt.

Ich habe zwei Möglichkeiten: Die Sense aus der Scheune. Der Schürhaken aus der Küche.
Superhart. Und daher so gut.

Eigentlich nicht „My Cup of tea“, aber ich bin froh, die Geschichte gelesen zu haben.
Die Bilder, die Du erzeugst, haben mich in eine Art Bann gezogen, der Horrorfilm im Kopfkino war bemerkenswert.
Manchmal war es mir schon fast zu viel vom Ekel-Faktor und zu wenig Story, die erzählt, was hinter dieser Welt steckt. Aber ich glaube, das bin nur ich (gehörige nicht zur Zielgruppe).

Heftiges Ding, sehr gerne gelesen.
Beste Grüße und ein angenehmes Wochenende
Seth

 
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Hallo @Seth Gecko ,

sehr cool, vielen lieben Dank für deinen Besuch und deine Kommentare. Ich hab mich wirklich gefreut.

Am Anfang kam ich ein wenig schwer in das Setting, habe mir den Infokasten angeschaut (war über die Schreibweise von Tschornobyl irritiert, – musste erst mal Wikipedia befragen) und dachte mir aber „Okay, klingt heftig, aber auch interessant“.
Im weiteren Verlauf habe ich mehrere Male gedacht, ob die Wirkung nicht noch stärker ausfallen würde, wenn Du den „Spoiler“ im Infokasten einsparen würdest, sodass man selbst darauf kommen muss, wo das Ganze spielen soll.
Ja, hatte ich auch schon gedacht und deinen Rat aufgegriffen: Das steht jetzt unten über den Quellen. So kann ich hoffen, dass Leser trotz vermutlichen Nichterkennens zuende lesen und dort eine Info nachgereicht bekommen.
Etwas schwieriger ist es jetzt, weil inzwischen der Reaktor einen neuen, zweiten Schutzmantel / Kuppel hat, sodass dieses Bild mit den dunklen Schlieren - wie eben vor 10+ Jahren - nicht mehr hinkommt. Mit dem neuen Reaktormantel funzt es aber visuell für diese Story gar nicht, zu rund, zu steril.

Ja, Tschernobyl, Pripyat und Kiew ist russisch, alles liegt aber ja nun in der Ukraine, daher ukrainisch Tschornobyl, Prypiat und Kyiv etc. Ich wusste nicht, dass das in deutschsprachigen Ländern noch nicht angeglichen wurde (?), hier und in britischen/nordischen/baltischen Medien hab ich das seit Anfang 2022 nicht mehr gesehen bzw. nur von Leuten, die den Angriffskrieg befürworten. Grad hab ich irritiert gesehen, dass das engl. Wiki es wieder als russischen Standard schreibt, das war mal zwischendurch korrigiert worden.

Ab hier hattest Du mich. Das machte mich neugierig, mit dem Essen des kompletten Eies. Und die gefiederten Krallen im anderen Ei – supereklig. Doch Nichts im Vergeleich dazu, was dann noch kommen sollte.
:thumbsup: Hehe, ich mag zwar zubereitete Eier sehr gern, aber das finde ich selbst auch maximal eklig (Sportler schlürfen z.B. rohe Eier).

Zu Beginn dieser Szene habe ich mich kurz gefragt, ob sie Josefiina einfach so alleine zurücklassen kann. Klar, sie schließt alles Essbare ein, aber mir war nicht klar, für wie lange sie ihre Schwiegermutter jetzt verlässt.
Ah, danke für die Info - das ist aber nicht so schlimm, weil das die Szene nicht wesentlich veränderte.

Manchmal war es mir schon fast zu viel vom Ekel-Faktor und zu wenig Story, die erzählt, was hinter dieser Welt steckt.
Liegt vielleicht auch an meinen Lesevorlieben: Ich bin kein Freund von viel backstories. Hier geht es auch nicht, weil eine Icherzählerin die Leser-Verortungen selbst nicht leisten kann. Finde das auch immer in Fremdtexten fies / gut, wenn sich Protas in einer schrecklichen Lage befinden, die Ausmaße aber nur der Leser sieht, nicht sie selbst. Dafür muss natürlich das Setting irgendwie zumindest erahnt oder die Situation zumindest intuitiv erfasst werden ...

Eigentlich hab ich mir so gut wie gar nix ausgedacht, nur reale Dinge in schräg-weirde Zusammenhänge gestellt. Ausgedacht ist neben dem Paranormalen nur die leichte Uminterpretation des Christenkultes und die Fleischgerichte / Jagdtradition.

Es gibt sogar Puten, die so gezüchtet wurden, dass möglichst viel Brustfleisch wächst und die fallen wirklich hin; Hühner werden mit Fischmehl und Kühe mit irgendwelchen pulverisierten Huftieren als Kraftfutter zugefüttert (nur keine Ziegen, ich habs grad nicht parat). Haie würgen bei Gefahr ihre Mägen aus.
Alle Kinder und Tiere gab es wirklich genau so in Tschornobyl. Und das glänzende Metall ist Corium aus dem Reaktor-Raum mit dem "Elefantenfuß". Kaum nimmt man Wiedergänger dazu, wirkt die Realität aber extrem schräg, sowas mache ich sehr gern und es freut mich, wenn es für dich - gerade als Nicht-Genrefan - aufging.

Eigentlich nicht „My Cup of tea“, aber ich bin froh, die Geschichte gelesen zu haben.
Die Bilder, die Du erzeugst, haben mich in eine Art Bann gezogen, der Horrorfilm im Kopfkino war bemerkenswert.
Freut mich, Seth! Vielen lieben Dank, das ist wirklich klasse.

Dir noch ein schönes Wochenende,
herzlichst, Katla

 

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