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Die letzte Reise

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27.05.2016
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Die letzte Reise

Auf meinem Schreibtisch steht eine durchsichtige Miniaturvase, aus der sechs dürre Bäume emporwachsen, deren Wurzeln auf dem Grund eines weißgelben Sees liegen. Jede Baumkrone ragt in eine andere Richtung und hält selbst dem stärksten Unwetter stand. Ich kann es wehen, regnen, donnern und auch blitzen lassen – die Bäume bleiben davon unbeeindruckt. Ihnen ist es gleich, dass ich den Qualm in ihre Richtung blase. Obwohl sie wissen, was das zur Folge hat: Ich spucke Blut. Mein Husten erschüttert sie genauso wenig wie die nächste Zigarette, die ich kurz darauf entzünde.

Im Schneidersitz, so sitze ich hier im Garten, den Rücken an einen Stamm gelehnt, und beobachte die Spatzen, die auf den Ästen tanzen. Die Sonne haucht den Bäumen Leben ein. Nun unterscheiden sie sich deutlich von jenen auf dem Schreibtisch, die nichts weiter sind als die stinkenden Stäbchen eines Raumerfrischers. Ich huste.
Um aufzuerstehen, genügt ein einziger Lichtstrahl. Hat das schon jemand geschrieben? Ich hätte es sein können, doch dafür ist es zu spät. Statt aufzuschreiben, wie ich leben möchte, wie wir leben könnten, lebe ich nun das, worauf sich mein Schreiben niemals konzentriert hat.
Kann man den Tod überhaupt leben? Es fühlt sich nicht so an.
Was ich schrieb, landete in Schubladen. Zu Recht. Wer bin ich auch, wer war ich schon, dass ich anderen ein Leben vorschlagen wollte, das ich für lebenswert hielt, ohne es selbst je gelebt zu haben. Rousseau? Er tat nichts anderes – Wen seine Kinder wohl mehr hassten, Émile oder ihn? -, und doch verehre ich ihn und bin gerade deshalb weiter von ihm, weiter von mir entfernt, als ich es in Worte fassen könnte, was sinnbildlich für mein Schreiben steht.
Er schrieb einst, dass die Freiheit eines Menschen nicht darin bestünde, nur das zu tun, wonach einem sei, sondern eben darin, nicht das tun zu müssen, wonach einem nicht sei. Diesen Ausspruch weiß ich zu schätzen, seit meine liebe Großmutter ihn mir das erste Mal vortrug, konnte ihn aber erst verstehen, als vor wenigen Monaten die Diagnose kam. Inoperabler Lungenkrebs stand auf dem Arztbericht, dessen Kopie ich seitdem bei mir trage, um mich an das Damoklesschwert über meinem Kopf zu erinnern, das eigentlich schon längst gefallen ist.
Was ernüchternd klingt, erwies sich zumindest vorübergehend als Segen, da ich mich, stets in Gedanken bei dem Zettel in meiner Tasche, dazu entschloss, etwas aus meinen letzten Monaten zu machen. Ich lebte das, wonach ich mich in meinen schriftlichen Werken sehnte, und dass ich diese Träume durch eine einfache Reise realisieren konnte, legt erneut dar, wie weit ich doch von Rousseau entfernt bin. Auch er brach zu mehreren Wanderungen auf, sehnte sich dabei allerdings nach dem Vergangenen, das nicht mehr war, und beschwor eine Zukunft, die niemals sein sollte, während ich lediglich eins tat: Ich lebte.

Ich schlief in einem Kanu auf dem Vänernsee, in einem Lávvu auf den Lofoten und in einer Hängematte zwischen Tannen des Wolfspades. Unter Sternen und Nordlichtern sowie schräg über einem Feuer, in dem ich vom Bette aus meinen Fang braten konnte. Ich lernte Waliser kennen, die mir unaufgefordert, in einem Park mit kleinem Kanal, auf dem Boote von Pferde gezogen wurden, Gedichte aus eigener Feder vortrugen, während ich ihre Hunde streichelte. Ein Schotte ohrfeigte mich derart, dass all das aufmüpfige Verhalten meiner Jugend getadelt zu sein schien. Außerdem liebte ich eine Australierin. Uns gehörte das Everton Hostel in Liverpool, wenn nicht gar die Welt. Wir begleiteten unsere Mitbewohner zwar zur Karaokebar, übertraten aber nicht die Schwelle, sondern blieben draußen, saßen auf dem kalten Pflaster und sangen Guaranteed von Eddie Vedder. Ich war ihr das Plektron, mit dem sie sanft über die Saiten strich.

On bended knee is no way to be free
Lifting up an empty cup I ask silently
That all my destinations will accept the one that’s me
So I can breath

Sie wusste nicht, wie viel mir diese Zeilen bedeuteten, ich wollte nicht, dass sie wusste, wohin ich gehen und wen konkret ich um Verständnis bitten musste, und doch fühlte ich mich von ihr verstanden. Vedders Text, den ich zu schreiben versäumt habe, war letztlich doch mein eigenes Werk, da sie den Zeilen, die ich wie meine eigenen fühlte, etwas entnahm, das sie sowohl auf sich selbst als auch auf den Autor, auf mich, projizieren konnte.
Nach dem letzten Akkord rutschte sie zu mir, legte den Kopf auf meine Schulter und ließ sich küssen. Ich liebte sie schon, bevor sie mich im Hostel liebte.
So fremd wir uns waren, waren wir einander auch nahe. Ich genoss es, der Siebenundzwanzigjährige auf der Suche nach dem Sinn zu sein, für den sie mich hielt, und es fiel mir leicht, diese Rolle zu spielen, da ich genau genommen nichts anderes verkörperte. Meine Liebe für sie erreichte den Höhepunkt, als sie mich abservierte, weil dadurch meine Diagnose in Vergessenheit geriet und ich den Schmerz empfand, für den wir zu leben scheinen.
Ich schreibe guten Grundes vom Schein, schließlich habe ich das Leben, nun da es dem Ende naht, indem ich es tatsächlich gelebt habe, zwar zu schätzen gelernt, nicht aber verstanden. Obwohl es schwer genug ist, das Leben angemessen schätzen zu lernen, kann das doch nicht alles sein?!
Was ist es, das ich der Welt hinterlasse? Keine Romane, nicht einmal eine verfluchte Kurzgeschichte, sondern bloß eine Handynummer, die aus Anstand und Schuldgefühlen zuerst nicht gelöscht, dafür aber keines Blickes gewürdigt wird und eines Tages dann im Zuge des Telefonwechsel verschwindet, um mit mir gemeinsam unerreichbar und unauffindbar zu sein.
Meine Liebsten sind es, die ich um Verständnis bitten müsste, und auch sie wissen nicht, wohin ich gehen muss.
Ich bin zurückgekehrt, zurück nach Lübeck, habe den Grabstein meiner geliebten Großmutter geküsst, meine Mutter herzlich gedrückt, ihr gesagt, wie sehr ich sie liebe, und meiner Freundin, um ihrer Liebe Willen die meine gestanden und dabei verschwiegen, wie wenig sie vergleichbar ist mit jenen Empfindungen für die Erstgenannten, wie sehr sie ihnen doch nachsteht. Allen teilte ich mit, meine Reise fortzusetzen, mir für weitere Monate diesen einzigartigen Freiraum zu genehmigen, und sie alle, meine zwei oder auch drei Liebsten akzeptierten es.

Keine von ihnen weiß, dass ich Lübeck seit unserer letzten Begegnung nicht mehr verlassen habe. Wären sie sich meines Gesundheitszustandes bewusst, hätte ich nicht nur das Leben, das sie der Trauer um meinen Tod widmen, auf dem Gewissen, sondern würde sie auch jener Monate berauben, in denen sie mich meiner Reise wegen glücklich wussten, wofür ich durch etliche Briefe und Telefonate gesorgt habe. Seit zwei Wochen ließ ich allerdings nichts mehr von mir hören und sie allesamt in dem Glauben, weiterhin mich selbst finden zu wollen, abgeschottet von meiner Heimat, die, wie meinen drei Liebsten bekannt ist, kein Ort ist, sondern das, woran mein Herz hängt, also an ihnen, um dann gefestigt zurückzukehren. Ihre ahnungslosen Herzen waren schon schwer genug, als ich ankündigte, einige Wochen abtauchen zu wollen, ohne etwas von mir hören zu lassen. Wie hätten sie verkraften sollen, dass ich auf ewig Lebewohl sagte?
Ich weiß, wie verblümt ich das darstelle, für mich selbst, weil es eben nicht so ist, dass sich alles um mich dreht, weiß, dass ich egoistisch handele, meinen Glauben über denen jener stelle, in deren Sinn ich zu handeln glaube, und verdränge dabei ganz bewusst das unleugbare Wissen, gegen ihren Willen entschieden zu haben.
Die Abschiedsbriefe werden nach meinem Tod zugestellt. Dafür habe ich gesorgt.
Auf den drei Umschlägen steht jeweils, neben den lieblichen Namen, die sich ein Schriftsteller für seine fiktiven Charaktere kaum trefflicher ausdenken könnte, dass ich versuchte, aus Liebe zu handeln, versuchte, die Liebe zu erwidern, die mir geschenkt wurde, und mir darüber im Klaren bin, kläglich versagt zu haben. So stand es dort geschrieben. Das Wissen um mein Scheitern strich ich und packte die Briefe in neue Umschläge. Meine Liebsten sollen glauben, ich sei im Reinen mit der Entscheidung, die ich fällen musste. Musste ich das denn überhaupt?
Ich bin nicht im Reinen, nicht mit meiner Entscheidung, nicht mit meinem Leben. Ich wünschte, ich könnte glauben, der Tod führe mich zu meiner Großmutter. Sie, die immer stark war, würde meine Entscheidung zwar nicht gutheißen, aber in ihrer rührenden Absicht, die Intention dahinter verstehen zu wollen, die Entscheidung selbst verschwinden lassen und mich tröstend in ihren Armen wiegen, bis ich auf ewig einschlafe.

Es handele sich nur noch um Tage, meinte der Arzt betroffen, als er mich vorgestern in der Wohnung meines Freundes besuchte, der gerade jenes Land bereist, in dem mich meine Liebsten wähnen. Kanada. Ich spüre das Eis in seinen Wanderstiefeln, den Schnee in seinem Nacken und die Kälte seiner Hände, als ich einen letzten Blick auf den Arztbericht werfe. Inoperabler Lungenkrebs.
Eine Empfindung ist mir noch vergönnt, bevor ich zu den Schlaftabletten greife. Genaugenommen sind es zwei Empfindungen und mehrere Schlaftabletten. Die Zigarette schmeckt nicht, ich kann sie kaum rauchen, und ich bin schuld.

 

Hey JackOve,

also auch mal eine Storie von dir, nachdem ich deinen Namen hier schon öfters gesehen hab ...

Vorab-Frage: Was hat es mit diesen Monatsthemen auf sich und wo findet man das? Zu deiner Story: Ja, sie enthält viel Pathos, viel Plauderei, aber sie steckt auch voller Humor, der den herannahenden Tod des Ich-Erzählers kontrastiert (Manchmal ist mir das mit dem Humor etwas zu viel. Aber prinzipiell gefällt es mir schon).

Du beschreibst Erinnerungen an die letzten großen, persönlichen Momente im Leben eines Lungenkrebskranken. Es liest sich wie ein längerer Tagebucheintrag. Die Form finde ich gut gewählt. Ein bisschen weniger Geplauder könnte es für mich noch sein. Zu ein paar Einzelheiten:

durchsichtige Miniaturvase

schwierig vorzustellen. Was willst du damit sagen? Das die Vase klein ist? ist es ein Aschenbecher? Ich bin leicht verwirrt.

sechs dürre Bäume emporwachsen deren Wurzeln auf dem Grund eines weißgelben Sees liegen. Jede Baumkrone ragt in eine andere Richtung und hält selbst dem stärksten Unwetter stand. Ich kann es wehen, regnen, donnern und auch blitzen lassen – die Bäume bleiben davon unbeeindruckt. Ihnen ist es gleich, dass ich den Qualm in ihre Richtung blase. Obwohl sie wissen, was das zur Folge hat. Ich spucke Blut. Mein Husten erschüttert sie genauso wenig wie die nächste Zigarette, die ich kurz darauf entzünde.

sind hier Zigaretten gemeint (gelber See)? Bäume können ja schwerlich aus einer "Miniaturvase" wachsen. Und warum wissen die Bäume, was das Rauchen des Mannes zur Folge hat? Vielleicht kann man das so schreiben - ist ja schließlich nur seine Wahrnehmung - aber ziemlich verwirrend finde ich es trotzdem.


das erwachet nun

ich glaube erwachet ist Imperativ zweite Ps. Plural.

Fürwahr

Warum redet der so altertümlich?

ist das ein Ausspruch, der erst verstanden werden möchte, ist man aber bereit dafür, verstehen zu wollen, was diesem durchaus fragwürdigen und doch brillanten Kopf auf der Seele lag, als er besagte Zeilen notierte, dann erwärmt sich das eigene Herz. Eventuell zieht es sich auch zusammen. Jedenfalls ist eine gewisse Regung nicht zu leugnen.

Er hat ja eigentlich einen ganz schönen Sprechduktus - dies hier fand ich aber mit Verlaub etwas schwafelig. So ein Grenzgebiet zwischen Humor und Lückenfüller, finde ich, aber in diesem Fall überwiegt für mich als Leser leider Letzteres.

sechzehn Jahren zu seiner ersten Wanderung auf. Bis ich dafür bereit war, vergingen siebenundzwanzig Jahre meines Lebens.

Hier ist wohl eher der Erzählende der Sonderfall. Ich kenne einen Haufen Leute, mich eingeschlossen, die in noch zarterem Alter mit ihren Eltern oder sonstwie wandern waren und das ist mit den Möglichkeiten unserer Zeit auch, glaube ich, auch viel einfacher als zu Rousseau's Zeiten.

Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, bin nach wie vor unentschlossen und frage mich, ob ich richtig entschieden habe.

Spannung einerseits. Andererseits ein Hinweis auf einen missglückten Selbstmordversuch?

in einer Hängematte zwischen Tannen des Wolfspfades. Unter Sternen und Nordlichtern sowie schräg über einem Feuer, in dem ich vom Bette aus meinen Fang braten konnte

hörte sich irgendwie so an, als hinge die Hängematte über dem Feuer.

Ich lernte Waliser kennen, die mir unaufgefordert, in einem Park mit kleinem Kanal, in dem Boote von Pferden gezogen wurden, während ich ihre Hunde streichelte, Gedichte aus eigener Feder vortrugen, die mich beinahe zu Tränen rührten.

fand ich ganz schön :)

und habe mit einer Australierin geschlafen, die mich ein letztes Mal begehren ließ.

fand ich irgendwie etwas unangenehm formuliert. Hört sich so nach der Mitleidsnummer an und war für mich relativ schwer vorstellbar.

Zwei Wochen lang erwiderte sie meine Gefühle so, wie ich es mir immer wünschte,

hat er sie dafür bezahlt oder hört es sich nur so an?

Wir liebten uns innig und meine Liebe für sie erreichte den Höhepunkt, als sie mich abservierte, weil meine Diagnose dadurch in Vergessenheit geriet.

"geraten sollte" fänd ich irgendwie offener (kannste du aber bestimmt auch so schreiben, denke ich)

Auf der Insel fragen sie, What’s the point of …? Mir geht es ähnlich.

Erklärung? Vertstehe die Anspielung nicht so ganz.

Derjenige, der auf dem Sterbebett verallgemeinert, der sollte nicht von uns gehen, sondern erneut erleben, um nicht mit vermeintlichen Pauschalitäten zu hadern, bevor er sich auf ewig verabschiedet,

in meiner Vorstellung hadert man eher weniger, wenn man Dinge pauschalisiert, weil man es sich ja gerade einfach machen möchte, oder liege ich falsch?


Ich bin zurückgekehrt, zurück nach Lübeck, habe den Grabstein meiner geliebten Großmutter geküsst,

fand ich auch schön

Gesundheitstandes

Zustandes, glaube ich.


Ich weiß, wie verblümt ich das darstelle, für mich selbst, weil es eben nicht so ist, dass sich alles um mich dreht, weiß, dass ich egoistisch handele, meinen Glauben über denen jener stelle, für die ich so zu handeln glaube muss

"für die ich glaube, so handeln zu müssen", oder wie war das gemeint?


die sich ein Schriftsteller für seine fiktiven Charaktere kaum trefflicher ausdenken könnte

ein Metaverweis?

Maybe that’s the point. Of being alive.

ohne Punkt glaube ich. Ist das die Rückblende zu der Anspielung, die ich nicht verstanden habe oder ein weiteres Zitat oder warum ist das auf Englisch?

Die Zigarette schmeckt nicht, ich kann sie kaum rauchen, und ich bin Schuld.

cooles, offenes Ende.

Hey Jack, hoffe du konntest mit den Punkten was anfangen. Im Großen und Ganzen kann ich deiner Story einiges abgewinnen, dieser lustige und doch eigentlich so tragische Charakter, hach. Ich denke nur, dass du es noch ein bisschen mehr auf den Punkt schreiben könntest. Noch ein bisschen gewissenhafter und etwas weniger auf den Humoreffekt. Finde es ja auch cool, dass du das drin hast, aber es war mir ein kleines bisschen zu viel davon. Ansonsten coole Story, sehr lebendig.

Liebe Grüße
Carlo

 

Hallo JackOve,

und ich bin schuld
Schreibfehler oder Absicht?

Dein Prot ist ja ein kleiner Philosoph, bei der Sprache angefangen. Und wer Rousseau und Sokrates nicht nur flüchtig kennt, hat da auch einiges lernen und vielleicht verstehen können. Da ich einen Menschen, der in der Situation deines Prot war, begleitet habe, ist mir dieses "Einmal das tun, was ich schon immer mal erleben wollte" sehr nahe. Und er lebt ja schon viele Tage (zwei Wochen Australien ... und ... und). Sich nicht von dem Wissen um den Tod niederringen zu lassen, sondern gelassen und heiter das Leben leben, so lange es währt. Das ist nicht vielen Menschen geschenkt.

Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen.

Jobär

 

Hallo JackOve!

Das Thema ist gut gewählt. Die letzten Monate eines Todkranken, der zum Einen auf seinen Reisen noch etwas erleben möchte, der andererseits seinen Angehörigen verschweigt, wie schlimm es um ihn steht. Dazu noch der innere Konflikt, nicht gut genug zu sein, nicht genug geleistet zu haben und an seiner Krankheit die alleinige Schuld zu tragen. Das alles finde ich sehr interessant.
Allerdings nimmt mich die gewählte Erzählform nicht wirklich mit. Ich lese zwar, was du schreibst, aber es berührt mich nicht so, wie es bei der Thematik angebracht wäre. Mir fehlt die tatsächliche, nicht nur berichtete, Interaktion und Kommunikation mit anderen Figuren. Möglicherweise wären auch Selbstgespräche gut, welche die innere Zerrissenheit noch plastischer gestalten.

Mit dem ersten Absatz geht es mir ähnlich wie Carlo, er verwirrt mich. Die Vorbereitung darauf, dass es um jemanden geht, der krank ist, und dass das Rauchen der Grund dafür sein könnte, finde ich gut. Vielleicht wäre aber eine andere Einbettung besser.

Da du zum Thema des Monats schreibst, fehlt mir außerdem eine eindeutige, klare Nachricht. Du schreibst zwar sehr allgemein gehalten von Kurznachrichten etc., benennst aber keine davon tatsächlich. In diesem Fall wäre als Nachricht auch ein Schreiben des Arztes möglich, in dem die kurze Lebenserwartung thematisiert wird, oder dein Protagonist hinterlässt einen Abschiedsbrief.

Alles in Allem ein interessantes Thema, das für meinen Geschmack noch etwas mehr Pep und Interaktion gebrauchen könnte.

LG Jane

 
Zuletzt bearbeitet:

„Solange wir da sind, ist er nicht da,
und wenn er da ist, sind wir nicht mehr.“
Epikur​

Um aufzuerstehen, genügt ein einziger Lichtstrahl.

Darf ein Nichtraucher – wenn auch ohne jeden missionarischen Eifer – da überhaupt mitreden? Doch, doch: Lungenkrebs ist kein Privileg des Rauchers und Gevatter Hein sortiert nicht nach Verdiensten im Leben, trotz aller Zweifel,

lieber Jack,

Vielleicht habe ich es verdient, zu sterben.
Die Alten haben es gewusst, was gut für den Menschen sei: Weder Tag noch Stunde zu wissen, Todeskandidaten sind wir alle.

Wusst ichs doch seit unserer ersten Begegnung, dass da einer komme, den Sprache beherrscht, ohne dass sie ihn versklavt, und der Sprache beherrscht, ohne sie zur Magd zu degradieren, indem er mit ihr feinen Umgang pflegt, wie hier in dem poetischen Abschieds-Monolog (wenn‘s so etwas überhaupt gibt). Da wird es einige Diskussion geben, ob das denn eine Geschichte sei, als ob Sterben und Weiterrauchen - als vermeintlich und doch nur potentielle Todesursache - nicht Geschehen und somit hernach Geschichte genug wären! Auch die Dreckschleudern Automobil und Flugzeug wie jeder industrielle Abfall zeigen ihre Wirkung.

Selbst was unter einer Schädeldecke abläuft, ist Geschichte, die Du hier sichtbar machst. Und die Sprache passt, selbst wenn aufgrund der alten Endung "erwachet" der Imperativ "erwache/erwacht" vermutet wird. Tatsächlich ist's der Konjunktiv I "ihr erwachet",

lieber Carlo Zwei

Da liegt ja auch das Problem drin, dass man - etwa als Beispiel - den Simplicissimus "übersetzen" muss, weil man die Sprachgeschichte nicht kennt.

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Carlo Zwei,

dein Besuch hat mich gefreut!

Wie man zum Thema des Monats kommt, dürftest du mittlerweile ja herausgefunden haben, oder? Ist ganz einfach, klick einfach auf Texte, dann wird dir das ganz oben angezeigt. :)

Zu deiner Story: Ja, sie enthält viel Pathos, viel Plauderei, aber sie steckt auch voller Humor, der den herannahenden Tod des Ich-Erzählers kontrastiert (Manchmal ist mir das mit dem Humor etwas zu viel. Aber prinzipiell gefällt es mir schon).
Dass dir meine Geschichte prinzipiell gefällt, ist schön.
Humor war ganz bestimmt nicht mein Hauptaugenmerk. Ein wenig Galgenhumor habe ich untergebracht, ja, aber dass der Text eine witzige Wirkung haben könnte, darauf wäre ich nicht gekommen. Interessant, wie du das wahrnimmst. Könntest du mir die "humoristischen" Passagen vielleicht aufzeigen, damit ich das besser einordnen kann?

Du beschreibst Erinnerungen an die letzten großen, persönlichen Momente im Leben eines Lungenkrebskranken. Es liest sich wie ein längerer Tagebucheintrag. Die Form finde ich gut gewählt. Ein bisschen weniger Geplauder könnte es für mich noch sein.
Kann ich verstehen, dass dir das etwas viel ist, schließlich besteht die ganze Geschichte aus "Geplauder". Ich lasse ihn erzählen, zeige alles aus seiner Sicht, jene Sicht, die mir für einen Todkranken, der seine letzten Tage alleine verbringt, ohne das jemand weiß, wie es um seine Gesundheit steht, am angebrachtesten erscheint. Außerdem lasse ich ihn ja phasenweise auch ohne eigene Wertung erzählen, so dass es dem Leser überlassen bleibt, was er von meiner Figur bzw. ihrem jeweiligen Handeln denkt. Z.B. die Tatsache, dass er seine Freundin betrügt.
Wie gesagt, ich kann deinen Punkt gut verstehen, an der Form der Geschichte, die eigentlich ein einziger innerer Monolog ist, möchte ich allerdings nur äußerst ungern etwas ändern.

schwierig vorzustellen. Was willst du damit sagen? Das die Vase klein ist? ist es ein Aschenbecher? Ich bin leicht verwirrt.
Verständlich. Würde ich das in einer Geschichte eines anderen Autoren lesen, hätte ich sicher auch Verständnisprobleme, aber ich mag dieses Bild sehr, wirklich sehr gerne. Da es sich ja (beide Augen zugedrückt) nicht um meine "Schreibe", sondern um die meines Protagonisten handelt, maße ich mir zu behaupten an, dass diese Passage reich an bittersüßer Poesie ist.
Die Passage bleibt unverändert, aber ich werde überlegen, vielleicht eine andere Textstelle für sie zu finden, damit man nicht gleicht verwirrt ist, wenn man die Geschichte zu lesen beginnt. Danke für den hilfreichen Leseeindruck.
Zur Aufklärung: Es handelt sich um einen Raumerfrischer. https://www.pinkmelon.de/wp-content/uploads/2014/12/frosch-art3.jpg

Warum redet der so altertümlich?
Meine Figur mag diese Ausdrucksweise, ich übrigens auch, und Bücher von Rousseau o.ä., in denen eben so geschrieben wird. Außerdem notiert er seinen Abschiedsmonolog wohl eher, als ihn sich laut vorzusagen.

Er hat ja eigentlich einen ganz schönen Sprechduktus - dies hier fand ich aber mit Verlaub etwas schwafelig. So ein Grenzgebiet zwischen Humor und Lückenfüller, finde ich, aber in diesem Fall überwiegt für mich als Leser leider Letzteres.
Kann ich nicht wirklich, würde ich aber sehr gerne verstehen! Magst du mir vielleicht nochmal erläutern, was humoristisch oder gar überflüssig wirkt?

Hier ist wohl eher der Erzählende der Sonderfall. Ich kenne einen Haufen Leute, mich eingeschlossen, die in noch zarterem Alter mit ihren Eltern oder sonstwie wandern waren und das ist mit den Möglichkeiten unserer Zeit auch, glaube ich, auch viel einfacher als zu Rousseau's Zeiten.
Hier gilt es, zwischen einer einfachen Wanderung und einem größeren Marsch, einer Reise, im Idealfall zu sich selbst, zu unterscheiden.

fand ich irgendwie etwas unangenehm formuliert. Hört sich so nach der Mitleidsnummer an und war für mich relativ schwer vorstellbar.
Mitleidsnummer eher nicht, sie weiß ja nichts von seiner Krankheit. Trotzdem hast du recht, ich werde mir eine schönere Formulierung einfallen lassen. Gilt auch für deine zweite Anmerkung zu der Australierin. Danke dir, für's Finden der Sätze, die nicht wirklich zur Sprache des sonstigen Texten passen.

ohne Punkt glaube ich. Ist das die Rückblende zu der Anspielung, die ich nicht verstanden habe oder ein weiteres Zitat oder warum ist das auf Englisch?
Richtig, bezieht sich auf das vorherige Zitat. Den Punkt habe ich gesetzt, um das "being alive" hervorzuheben. Schließlich ist er das ja nicht mehr lange ...

Danke, Carlo, für's Lesen und Kommentieren meiner kleinen Geschichte.Hat mich weitergebracht und gefreut (gerade auch die beiden explizit gelobten Textstellen :)).

Liebe Grüße an an dich

***

Lieber jobär,

ich danke dir ganz herzlich für deinen ehrlichen Kommentar.
Ich bin mir sicher, dass du der Person, die du begleitest hast, eine große Stütze bei diesen schweren Schritten warst. Das ist ebenfalls nicht allen Menschen geschenkt.

Ich habe großen Respekt vor dir und grüße dich herzlich.

***

Dir janehumphries und dir mein lieber Friedel, euch antworte ich morgen. Seid vorab schonmal bedankt!

JackOve

 

Hey JackOve,

das mit dem Humor nehme ich nochmal zurück. Weiß um ehrlich zu sein selbst nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin, sorry für die Verwirrung.

Beim Raumerfrischer würde ich echt kein Geheimnis drauß machen. War ne gute Fingerübung, aber sowas muss nicht in den Text, wenn du mich fragst, weil die Auflösung ziemlich unspektakulär ist. Wenn es dir so wichtig ist, um die Wahrnehmung deiner Figur zu betonen, okay, dann lass den Leser aber auch irgendwie wissen, dass da gerade über einen Duftspender sinniert wird, damit würdest du das ja überhaupt nochmal zur Geltung bringen! Aber du hast natürlich das letzte Wort ...

Verstehe nun auch besser, wie du das mit der Reise meinst. Vielleicht kannst du das ja auch in der Story präzisieren. "Wanderjahre" oder so.

Habe mich nach zweiten Lesen auch mit deiner altertümelnden (nicht bös gemeint) ;) Erzählstimme angefreundet.

Liebe Grüße und eine schöne Nacht!
Carlo

 

Hallo JackOve

Ich mag die Geschichte. Dein Protagonist rechnet mit sich ab, schafft es, ehrlich zu sich zu sein, lässt die Masken fallen, ist behutsam mit sich und seiner Umwelt. Klar, er macht das, weil er totkrank ist, aber er macht es und du zeigst mit der Geschichte, was Literatur als Kunstform kann, einen Menschen verständlich machen. Du bist nahe dran an ihm und machst ihn greifbar, mit all seinen Verletzungen.

Die Sprache, diese altertümlichen Wendungen, na ja, die meiste Zeit stören sie mich nicht, kann ich mir genau ihn vorstellen und denke, dass es zu ihm passt. An manchen Stellen hast du damit allerdings übertrieben, etwas sparsamer mit Stilmitteln umgehen, mag wirksamer sein.

Bisschen was zum Text:

Auf meinem Schreibtisch steht eine durchsichtige Miniaturvase, aus der sechs dürre Bäume emporwachsen, deren Wurzeln auf dem Grund eines weißgelben Sees liegen.
super Bild, da nimmst du mich gleich mit. :Pfeif:

Was vorher noch zu schlafen schien, das erwachet nun, um dem Leben die Hand zu reichen.
warum "schien", ist sich der Erzähler so unsicher? was vorher noch schläft, fände ich klarer formuliert

Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, bin nach wie vor unentschlossen und frage mich, ob ich richtig entschieden habe.
das ist doppelt, warum wiederholst du hier?

und habe mit einer Australierin geschlafen, die mich ein letztes Mal begehren ließ.
oh je, begehren ließ, das könnte stärker formuliert sein.

uns gehörte das Everton Hostel in Liverpool, wenn nicht gar die Welt.
sehr schön :thumbsup:

Auf der Insel fragen sie, What’s the point of …? Mir geht es ähnlich.
irgendwie mag ich das nicht, wenn da mit nem englischen Satz was beschrieben wird, das du auf Deutsch auch hin bekommst.

muss seine eventuelle Erkenntnis gewesen sein, dass er schlicht und ergreifend mehr fühlte, als seine Mitmenschen hätten verstehen können?!
echt? so kommt der aber gar nicht rüber.

und meiner Freundin, um ihrer Liebe Willen die meine gestanden und dabei verschwiegen, wie wenig sie doch vergleichbar ist mit jenen Empfindungen für die Erstgenannten,
okay, erst treibt er mit ner Australierin und jetzt hat er daheim ne Freundin, warum das? und das markierte finde ich fürchterlich formuliert, so 18. Jahrhundert

Vielleicht ist es das, was das Leben ausmacht: Unwiderrufliche Entscheidungen zu treffen, die den Verlauf des restlichen Lebens bestimmen. Maybe that’s the point. Of being alive.
den Schluss finde ich unbefriedigend, klingt nach Platitüde, auch der falsch getrennte englische Satz ändert daran nichts.

Hoffe du kannst was mit anfangen :hmm:
viele Grüße
Isegrims

 

Hallo JackOve!

Oh Mann, da hatte ich jetzt aber ein Aha-Erlebnis! Ein Raumerfrischer, na klar! Genau so einer steht bei uns im Bad. Aber ehrlichgesagt wäre ich da ohne deine Erklärung nie und nimmer drauf gekommen. Insofern bin ich ganz bei CarloZwo:

Beim Raumerfrischer würde ich echt kein Geheimnis drauß machen. [...] Wenn es dir so wichtig ist, um die Wahrnehmung deiner Figur zu betonen, okay, dann lass den Leser aber auch irgendwie wissen, dass da gerade über einen Duftspender sinniert wird, damit würdest du das ja überhaupt nochmal zur Geltung bringen! Aber du hast natürlich das letzte Wort ...

Ich könnte mir das so vorstellen, dass du den ersten Absatz genau so lässt, auch dass das gleich am Anfang kommt, und danach einfach eine Auflösung schreibst, z.B.:
"Ich spucke Blut. Mein Husten erschüttert sie genauso wenig wie die nächste Zigarette, die ich kurz darauf entzünde. Geistesabwesend schiebe ich den Raumerfrischer beiseite und bringe die Holzstäbchen in Ordnung. Dass meine Finger nun den penetranten Zitronengrasgeruch angenommen haben, berührt mich nicht." etc. pp.

Gruß Jane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JackOve

Das ist in gewisser Hinsicht der stärkste Text, den ich bisher von dir gelesen habe, in anderer Hinsicht nicht. Stark finde ich ihn in stilistischer Hinsicht, du formulierst sehr sicher, elegant (mit Ausnahme des altertümelnden Tons, den ich später anspreche) und traust dich auch einiges, was Satzlänge und Satzkonstruktion anbelangt (Ausser der Satz mit den Walisern, der ist mir zu umständlich). Dann finde ich den Text konsistent, der kommt kompakt daher und lässt sich gut lesen, aufnehmen. Das ist sauber konstruiert. Handwerklich wirklich gut.

Was ich ebenfalls recht stark finde, auch wenn es szenisch vielleicht noch besser wäre, sind die Passagen zu den Monaten auf Reise, das ist sinnlich und atmosphärisch stimmig.

Was mir nicht gefällt, ist, wie wenig frisch der Text daherkommt. Mann, der ist Mitte zwanzig und erzählt wie ein Opa aus dem 19.Jahrhundert? Diese abgeklärte und altertümelnde Tonlage passt so überhaupt nicht zu dem, was in dem Kerl vorgehen muss. Gut, vielleicht ist das die Fassade, die gewählte Formulierung, und dahinter lauert der emotionale Abgrund, vielleicht war das die Absicht. Aber das hat bei mir nicht funktioniert. Mich hat der Tonfall derart auf Distanz gehalten, dass ich am Ende dachte, ja gut, jetzt stirbt er halt. Es gibt dann auch so seltsame sprachliche Brüche wie "wir liebten uns innig / als sie mich abservierte" im selben Satz.

(Ich persönlich kann auch nicht verstehen, weshalb man Sätze in diesem Stil verfasst. Niemand verwendet heute mehr die Begriffe "Fürwahr" und "trefflich". Das hat doch, wenn man ohne Not so schreibt, notwendigerweise etwas Imitierendes, Gekünsteltes.)

Was mir ebenfalls nicht gefällt, sind die allgemeinen Reflexionen, die mit "solange man lebendig ist ..." einsetzen. Das ging für mich in Richtung BlaBla, da habe ich übersprungen. Auch diese intellektuellen Versatzstücke, ein Detail zu Rousseaus Biographie hier, eine Anekdote zu Sokrates da. Ich finde, hier muss man entweder aufs Ganze gehen, bei Rousseau verweilen, zeigen, weshalb gerade Sokrates wichtig für den Protagonisten ist. Hier aber ist der Grund, weshalb die beiden im Text vorkommen, dass der eine was über Freiheit gesagt hat und der andere gestorben ist. Ich will einen echten JackOve lesen, kein Rousseau-Zitat.

Und das letzte, das mir nicht gefallen hat, weil für mich absolut unplausibel, ist dieser Rückzug des Protagonisten von den Leuten, die er liebt. Er wird sterben. Wenn er sie wirklich liebt, will er die Zeit, die ihm verbleibt, mit ihnen verbringen. Todsicher. Und wenn nicht, dann musst du das m.E. plausibler machen.

Ich kritisiere hier, glaub' ich, härter als gewohnt. Denn es ist ein guter Text. Aber ich denke, dass du mit deinen Möglichkeiten Geschichten erzählen kannst, die fesseln, die originell und frisch sind. Diese Möglichkeiten hast du hier nicht vollständig genutzt, meiner Meinung nach.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

(Ich persönlich kann auch nicht verstehen, weshalb man Sätze in diesem Stil verfasst. Niemand verwendet heute mehr die Begriffe "Fürwahr" und "trefflich". Das hat doch, wenn man ohne Not so schreibt, notwendigerweise etwas Imitierendes, Gekünsteltes.)

Ach lieber Peeperkorn,

dann darfstu mich ab jetzt Odysseus nennen. Keine Bange, ich nenn Dich trotzdem nicht Polyphem.

Tschüss und Euch allen vorsorglich ein schönes Wochenende. Morgen geht's (nicht wegen des Bartes) auf Martinszug, danach kommt der Bart ab, dass ich Nikolaus kein gezupfe auf Echtheit ertragen muss und gar nicht erst Anfragen erhalte. Enkeln kann man so was ja nicht verheimlichen ...

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo janehumphries,

hab vielen Dank für die beiden Kommentare.

Das Thema ist gut gewählt. Die letzten Monate eines Todkranken, der zum Einen auf seinen Reisen noch etwas erleben möchte, der andererseits seinen Angehörigen verschweigt, wie schlimm es um ihn steht. Dazu noch der innere Konflikt, nicht gut genug zu sein, nicht genug geleistet zu haben und an seiner Krankheit die alleinige Schuld zu tragen. Das alles finde ich sehr interessant.
Schön, dass du das alles rausgelesen hast!

Allerdings nimmt mich die gewählte Erzählform nicht wirklich mit. Ich lese zwar, was du schreibst, aber es berührt mich nicht so, wie es bei der Thematik angebracht wäre. Mir fehlt die tatsächliche, nicht nur berichtete, Interaktion und Kommunikation mit anderen Figuren. Möglicherweise wären auch Selbstgespräche gut, welche die innere Zerrissenheit noch plastischer gestalten.
Ja, das kann ich nachvollziehen. Habe schon mehrere Geschichten ähnlich kommentiert und du hast völlig recht.
Allerdings hänge ich an der Erzählform, nicht generell, sondern auf diese Geschichte bezogen, und werde wahrscheinlich nichts (zumindest nichts Gravierendes) an ihr ändern. Das Selbstgespräch, das du empfiehlst, ist sie ja im Prinzip bereits.
Dass es dich nicht berührt, ist schade, ich kann's aber wirklich nachvollziehen.

Da du zum Thema des Monats schreibst, fehlt mir außerdem eine eindeutige, klare Nachricht. Du schreibst zwar sehr allgemein gehalten von Kurznachrichten etc., benennst aber keine davon tatsächlich. In diesem Fall wäre als Nachricht auch ein Schreiben des Arztes möglich, in dem die kurze Lebenserwartung thematisiert wird, oder dein Protagonist hinterlässt einen Abschiedsbrief.
Als Nachricht war der Arztbericht gedacht, der zweimal erwähnt wird.

Alles in Allem ein interessantes Thema, das für meinen Geschmack noch etwas mehr Pep und Interaktion gebrauchen könnte.
Interaktion eher nicht, beim Pep schau ich mal, ob sich zumindest minimal was machen lässt, obwohl das ja fast schon paradox ist.

Dein Hinweis zu dem Raumerfrischer ist sehr hilfreich! Da lasse ich mir was schönes einfallen.

Sei lieb bedankt und gegrüßt. :)

***

Mein lieber Friedel,

Darf ein Nichtraucher – wenn auch ohne jeden missionarischen Eifer – da überhaupt mitreden?
,
du darfst das immer! Ich freue mich jedes Mal riesig über deine Worte, über deine eigenen und über die von anderen, die du mit Feingefühl auswählst und über deinen Kommentar setzt.

Wusst ichs doch seit unserer ersten Begegnung, dass da einer komme, den Sprache beherrscht, ohne dass sie ihn versklavt, und der Sprache beherrscht, ohne sie zur Magd zu degradieren, indem er mit ihr feinen Umgang pflegt, wie hier in dem poetischen Abschieds-Monolog (wenn‘s so etwas überhaupt gibt). Da wird es einige Diskussion geben, ob das denn eine Geschichte sei, als ob Sterben und Weiterrauchen - als vermeintlich und doch nur potentielle Todesursache - nicht Geschehen und somit hernach Geschichte genug wären! Auch die Dreckschleudern Automobil und Flugzeug wie jeder industrielle Abfall zeigen ihre Wirkung.

Selbst was unter einer Schädeldecke abläuft, ist Geschichte, die Du hier sichtbar machst.

Für dieses riesige Kompliment, das du in wunderbaren Worten ausdrückst, bedanke ich mich ganz herzlich bei dir, mein Lieber.
Eigentlich brauche ich keine Motivation, um am Ball zu bleiben, aber das lese ich trotzdem gerne und es spornt mich enorm an.

Ich kann dir nicht genug danken.

PS: Schade um den Bart, kann's aber verstehen und wünsche dir ebenfalls ein schönes Wochenende.

***
Vielen Dank für den Nachtrag, Carlo Zwei, und auch euch beiden, Isegrims und Peeperkorn, möchte ich vorab schon danken, bevor ich morgen angemessen auf eure tollen Kommentare antworte.

Liebe Grüße an alle,
JackOve

 

Hi JackOve!

Ich habe deine Geschichte gelesen und kommen zu folgendem Schluss: sie ist gut geschrieben, du verwendest abwechslungsreiche Formulierungen, man kann sie flüssig lesen, hat klare, deutliche Bilder vor Augen ... und ich mag sie nicht! Kein bisschen! Das liegt an einem technischen und einem handlungsmäßigen Umstand:

1) der Technik-Teil:
Obgleich gut geschrieben, ist mir der Stil insgesamt ein wenig zu dick, zu schwülstig, zu pathetisch, zu sehr auf philosophischen Holzhammer getrimmt. Ausdrücke und Formulierungen wie "Fürwahr", "das erwachet nun", "in dem mich meine Liebsten wähnen" haben bei mir leider keinen philosophischen, sondern eher unfreiwillig komischen Eindruck hinterlassen.
Das ist übrigens durchaus kein Widerspruch zu meiner Aussage, dass die Geschichte gut geschrieben ist - Scampi und Muscheln können ganz hervorragend gekocht sein, und trotzdem muss man sie nicht mögen.
Das zum technischen Teil - das ist aber auch nur eine Marginalie.

2) Der handlungsmäßige Teil:
Ich mag die Hauptfigur nicht - kein Stück. Wenn ich so drüber nachdenke, empfinde ich sogar eine tief empfundene Antipathie und Abscheu vor dem Kerl und war froh, dass er abgekratzt ist.
Gesteht seiner Freundin seine "Liebe" und vögelt eine Australierin, der er zu 105 % sein ganzes Herz schenkt und ihre Trennung schwerer verkraftet als seine Krebsdiagnose? Was für ein doppelzüngiges Ar§$%§loch.
Gesteht seinen Lieben seine ach so großen Gefühle, bezeichnet sie als die wichtigsten Personen in seinem Leben und nimmt ihnen durch seine feigen Lügen die Möglichkeit, sich von ihm zu verabschieden. Er entscheidet, wie sie den Verlust von ihm verarbeiten "dürfen". Er denkt nicht darüber nach, was sie ihm noch alles hätten sagen können, als er noch gelebt hat und was sie ihm nun nie wieder sagen können. Er nimmt ihnen die Möglichkeit, ihren Frieden mit ihm zu machen, mit ihm im Reinen zu sein, alte Schulden und alte Wunden zu heilen. Und warum? Weil das für sie dann ja so viel leichter sein soll? Oder weil er ein mieser, dreckiger Feigling ist, der sich vor seinem Schicksal wie eine feige Ratte verkriecht? Ich jedenfalls habe meine Entscheiddung getroffen, was von beiden Punkten wohl zutrifft.
Und dann, am Ende, bleibt er seiner eigenen moralische Verkommenheit treu und wählt als rückgratloser Feigling, der er ist, den Weg des Feiglings.

Ehrlich, Jack, du hast in eine gut geschriebene, eloquent verpackte Geschichte das Portrait eines Menschen gemalt, den ich am liebsten mit den Füßen voran unter einen Bulldozer gelegt hätte, der sich jeden Tag nur einen Zentimeter nach vorne bewegt.

Sorry für die verbale Wasserstoffbombe, die ich gerade über deiner Geschichte abgeworfen habe, aber so sehe ich diese Figur nun mal. Und ich bin lieber ehrlich als scheinheilig - das überlasse ich Typen wie dem Prot deiner Geschichte!

Viele Grüße, Hut ab vor dir als Autor und zur Hölle mit dem Prot deiner Story!
Der EISENMANN

P.S. meine TdM-Geschichte heißt "Glück ist nicht kornblumenblau", falls du dich revanchieren willst!!!:D

 

Hi JackOve,

Gleich der erste Absatz gefällt mir gut, vielleicht am besten von allen in der Geschichte. Ich verstehe zwar nicht ganz, was es damit auf sich hat, aber das stört mich auch nicht, weil ich das als magisch-realistisches Bild akzeptiere. Am rätselhaftesten ist für mich dies hier:

Ich kann es wehen, regnen, donnern und auch blitzen lassen – die Bäume bleiben davon unbeeindruckt.
Was er konkret meint, weiß ich nicht. Aber er fühlt sich eben aufgewühlt und nah an den Naturgewalten.

Im Schneidersitz, so sitze ich hier im Garten, den Rücken an einen Stamm gelehnt, und beobachte die Spatzen, die auf den Ästen tanzen. Wie es mich doch erfreut, wenn die Sonne den Bäumen Leben einhaucht.
Der erste dieser beiden Sätze schließt nahtlos an die Stimmung an, die du erzeugt hast. Der zweite reißt mich ein bisschen raus. Schlichter gefiele mir hier besser: "Ich freue mich daran, wie die Sonne..." o.ä.

Etwas ähnliches gilt auch für den Abschnitt mit Rousseau: Das ist mir etwas zu viel langsamer Walzer.
Einen Satz darin finde ich inhaltlich nicht ganz durchdacht:

Zweifelsohne ist auch das noch ein zartes Alter, das kann ich so frei heraus behaupten, weil ich es noch immer nicht überschritten habe und auch niemals werde.
"Frei heraus" klingt nach einem Bekenntnis. Aber das ist ja keins... Vor allem aber: Sich selbst ein zartes Alter zuzuschreiben ist, würde ich sagen, an sich problematischer, als anderen (vor allem Jüngeren). "In meinem zarten Alter" - klingt komisch, wenn man das ernst meint, oder? Insofern ist die Begründung, warum er das dürfe, nicht ganz stimmig.

Und dann der Bericht:

Vor neun Monaten kam die Diagnose, ich bat um eine Kopie des Arztberichts. Was dort geschrieben stand, las ich etliche Male laut vor, ohne es wahrhaben zu wollen. Inoperabler Lungenkrebs. Geschätzte Lebenserwartung gleich wenige Monate, wenn überhaupt. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, bin nach wie vor unentschlossen und frage mich, ob ich richtig entschieden habe.
Das schließt nicht so richtig harmonisch an, finde ich. Erst schwelgt der Junge, jetzt kommen die Fakten. Da versucht er Immer noch, in bisschen zu schweben, so mit "geschrieben stand" und "etliche Male", aber das kommt jetzt nicht mehr an. Ich habe den Eindruck, du musst dich da entschieden: Entweder durchgehend schwelgen, oder einen richtigen, krassen Bruch hinsetzen.

Lasse ich die letzten Monate Revue passieren, dann besteht nicht nur ein Grund zur Freude, sondern gleich mehrere.
"Grund zur Freude" - finde ich auch nicht ganz passen. Es sind ja freudige Ereignisse, die er nennt, keine Gründe. Wenn er jetzt noch Grund zur Freude hat, dann wegen der Erinnerungen. Aber dann sind es jetzt Gründe zur Freude, nicht damals.
Die Erzählung, die jetzt kommt, ist aber sehr hübsch!
Ach so, abgesehen von Kleinigkeiten :D z.B.:

konnte mein Glück nicht fassen, als sie mir, lediglich im Handtuch bekleidet, zu verstehen gab, ihr ins Badezimmer zu folgen.
Der Satz ist nicht perfekt gefügt, würde ich sagen. "Zu verstehen gab, ich solle..." oder so.

Wir liebten uns innig und meine Liebe für sie erreichte den Höhepunkt, als sie mich abservierte, weil meine Diagnose dadurch in Vergessenheit geriet.
"Damit" statt "weil"?

Man, man und man. Derjenige, der auf dem Sterbebett verallgemeinert, der sollte nicht von uns gehen, sondern erneut erleben,
Bis dahin finde ich das toll, als die Weisheit konkreter wird, verlierst du mich ein Stück weit. Das Folgende
um nicht mit vermeintlichen Pauschalitäten zu hadern, bevor er sich auf ewig verabschiedet, da es doch letztlich ausschließlich um die eigene Erkenntnis, um den eigenen Frieden geht. Oder sollte er gehen, weil ihm eben diese Zusammenhänge verwehrt blieben?
ist mir irgendwie zu teigig... Ich verstehe, was du meinst, und ich finde es auch nicht schlecht. Aber es wird mir zu sehr zu einer Abhandlung, die dann aber nicht ausgeführt wird.

Wie es wohl Sokrates vor seiner Hinrichtung ging?
Plato berichtet, dass es ihm hervorragend ging. Wenn du daran zweifelst, würde ich das an etwas verankern, z.B.: "Ich misstraue der Darstellung, dass Sokrates vor seiner Hinrichtung soundso usw..., ich fähle an mir selbst, dass das unwahr sein muss." So sinngemäß. Sonst ist man sich als Leser unsicher: Möchtest du die Überlieferung infrage stellen oder kennst du sie nur nicht?

dass er schlicht und ergreifend mehr fühlte, als seine Mitmenschen hätten verstehen können?!
Das geht in Richtung infrage stellen, und das finde ich auch nachvollziehbar. Nur eben würde ich es mir deutlicher wünschen, schärfer konturiert.


Warum kann mein Ende nicht dem einer Romanfigur gleichen? Warum kann ich nicht meinen Frieden schließen, bevor ich abtrete?
Klingt für mich auch nicht ganz stimmig. Viele Romanfiguren schließen keinen Frieden. Auch hier habe ich den Eindruck: Die Idee passt schon, müsste aber präziser formuliert sein.

und meiner Freundin, um ihrer Liebe Willen die meine gestanden und dabei verschwiegen, wie wenig sie doch vergleichbar ist mit jenen Empfindungen für die Erstgenannten, wie sehr sie ihnen nachsteht.
Jetzt frage ich mich gerade: Wie steht es denn mit der Empfindung zu dieser Australierin? Da steht die Freundin wahrscheinlich auch zurück, oder?


Allen teilte ich mit, meine Reise fortzusetzen,
"teilte ich mit, dass ich", oder?

Keine von ihnen weiß, dass ich Lübeck seit unserer letzten Begegnung nicht mehr verlassen habe.
Die Motivation für seine Täuschung ist, dass er Freiraum möchte. Ja, das kann sein, aber ich finde das - wie jemand anderes in den Kommentaren, wenn ich mich richtig erinnere - nicht ganz plausibel. ER weicht aus, das könnte schon gehen. Aber warum möchte er die Leute nicht um sich haben? Das kann er wahrscheinlich doch kaum ertragen. Will er in ihren Augen nicht schwach aussehen? Das ginge vielleicht, aber er müsste trotzdem darunter leiden...
Er möchte ihnen außerdem Aufschub gewähren. Ja, das könnte auch eine nachvollziehbare Motivation sein. Aber bringt es das wirklich? Ich weiß nicht so recht. Irgendwie müsste man das verstärken, absichern, scheint mir. In jedem Fall muss er an dem Abstand leiden, sonst glaubt man's nicht.

meinte der Arzt betroffen,
Der Arzt dürfte seine Betroffenheit im Griff haben...

Die Zigarette schmeckt nicht, ich kann sie kaum rauchen, und ich bin schuld.
Das find ich toll. Das ist wieder ganz die Klasse des Einstiegs, finde ich.

Das waren jetzt lauter Bruchstücke. Zu einer Art Fazit komme ich jetzt nicht mehr, muss den Computer erstmal wieder stehen lassen. Ein ganz knapper Versuch: die Geschichte funktioniert für mich im Grunde schon, aber - jetzt wird es ganz anspruchsvoll - ich hätte gern mehr echte Magie (so wie im ersten Absatz) und weniger reinen Wortzauber. Ist das verständlich ausgedrückt :confused:

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Liebe Isegrims,
schön, dass du vorbeischaust

Ich mag die Geschichte. Dein Protagonist rechnet mit sich ab, schafft es, ehrlich zu sich zu sein, lässt die Masken fallen, ist behutsam mit sich und seiner Umwelt. Klar, er macht das, weil er totkrank ist, aber er macht es und du zeigst mit der Geschichte, was Literatur als Kunstform kann, einen Menschen verständlich machen. Du bist nahe dran an ihm und machst ihn greifbar, mit all seinen Verletzungen.
und so ein großes Lob mitbringst. Wow, vielen Dank dafür! Ich freue mich sehr, dass die Geschichte dich derart erreicht hat.

Die Sprache, diese altertümlichen Wendungen, na ja, die meiste Zeit stören sie mich nicht, kann ich mir genau ihn vorstellen und denke, dass es zu ihm passt. An manchen Stellen hast du damit allerdings übertrieben, etwas sparsamer mit Stilmitteln umgehen, mag wirksamer sein.
Der erste Teil ist beruhigend, ich finde nämlich auch, dass die Sprache, die man sich ja nicht unbedingt ausgesprochen vorzustellen hat, zu meiner Figur passt. Zum zweiten Teil werde ich mich in der Antwort an Peeperkorn äußern. :shy:

super Bild, da nimmst du mich gleich mit.
Yes! Danke dir. :)

warum "schien", ist sich der Erzähler so unsicher? was vorher noch schläft, fände ich klarer formuliert
Na ja, ganz sicher sein kann er sich natürlich nicht, aber so unsicher, wie ich ihn darstelle, muss er eigentlich auch nicht zwingend sein. Ich werde nochmal in mich gehen, ob ich den Schein durch ein einfaches „schlief“ ersetze.

das ist doppelt, warum wiederholst du hier?
Wenn ich das richtig verstehe, dann um darzustellen, dass er unsicher war, von Anfang an, also vor und während seiner Reise, und es jetzt, kurz vor dem Ende, noch immer ist.

oh je, begehren ließ, das könnte stärker formuliert sein.
Keine Frage, da bin ich ganz bei dir. Habe schon zu Carlo geschrieben, dass ich die Passage um die Affäre bearbeiten werde.

echt? so kommt der aber gar nicht rüber.
Sokrates? Dass er viel fühlte, lässt sich sicher nicht bestreiten, aber ob er das fühlte, was ich meine Figur fragen lasse, darüber lässt sich ganz sicher streiten. Dazu hat erdbeerschorsch ja auch etwas angemerkt. Letztlich ist es bloß ein Gedankengang, darum schreibe ich bzw. er ja auch von einer „eventuellen Erkenntnis“. Dank dir und erdbeerschorsch überlege ich mir aber etwas, um meine Figur (und mich :D) nicht unwissend aussehen zu lassen.

okay, erst treibt er mit ner Australierin und jetzt hat er daheim ne Freundin, warum das?
Mann, was freue ich mich darauf, dem Eisenmann zu antworten! :D Hoffentlich komme ich noch heute dazu. Nur so viel vorweg: Natürlich ist meine Figur fehlbar und das ist absolut gewollt. Er ist ein Arschloch, ja, „einer Person um ihrer Liebe willen die eigene zu gestehen“, lässt darauf schließen, dass er sie in keiner Weise liebt, zumindest in keiner ehrenwerten, und dann noch fremd zu vögeln … Er verhält sich ekelhaft. Mit dem Tod, der ihm im Nacken sitzt, lässt sich das vielleicht erklären, keineswegs aber entschuldigen. Das zeigt der Text hoffentlich auch.

und das markierte finde ich fürchterlich formuliert, so 18. Jahrhundert
Na, hätte ja auch noch früher sein können. :D So sehr ich auch an dem Erzählton hänge, das lässt sich ganz sicher verschönern. Danke für den konkreten Hinweis.

den Schluss finde ich unbefriedigend, klingt nach Platitüde, auch der falsch getrennte englische Satz ändert daran nichts.
Schade. Ich finde die Erkenntnis eigentlich passend, auch im Zusammenhang mit dem absichtlich falsch getrennten englischen Satz, aber mal schauen, ob ich eine andere Sicht entwickele, wenn ic etwas Abstand zum Text habe.

Danke dir, liebe Isegrims, dein Kommentar war mir eine ebenso große Hilfe wie Freude!
***
Lieber Peeperkorn,
auch dir danke ich vielmals. So viel Lob und Kritik auf einem Haufen muss erstmal verarbeitet werden.

Das ist in gewisser Hinsicht der stärkste Text, den ich bisher von dir gelesen habe, in anderer Hinsicht nicht. Stark finde ich ihn in stilistischer Hinsicht, du formulierst sehr sicher, elegant (mit Ausnahme des altertümelnden Tons, den ich später anspreche) und traust dich auch einiges, was Satzlänge und Satzkonstruktion anbelangt (Ausser der Satz mit den Walisern, der ist mir zu umständlich). Dann finde ich den Text konsistent, der kommt kompakt daher und lässt sich gut lesen, aufnehmen. Das ist sauber konstruiert. Handwerklich wirklich gut.
Was ich ebenfalls recht stark finde, auch wenn es szenisch vielleicht noch besser wäre, sind die Passagen zu den Monaten auf Reise, das ist sinnlich und atmosphärisch stimmig.
Danke für die Blumen! Das von dir zu hören, bedeutet mir viel, immerhin beherrscht du das Handwerk ja ziemlich gut, um das mal untertrieben auszudrücken.

Mann, der ist Mitte zwanzig und erzählt wie ein Opa aus dem 19.Jahrhundert? Diese abgeklärte und altertümelnde Tonlage passt so überhaupt nicht zu dem, was in dem Kerl vorgehen muss. Gut, vielleicht ist das die Fassade, die gewählte Formulierung, und dahinter lauert der emotionale Abgrund, vielleicht war das die Absicht. Aber das hat bei mir nicht funktioniert. Mich hat der Tonfall derart auf Distanz gehalten, dass ich am Ende dachte, ja gut, jetzt stirbt er halt.
Finde ich super schade, Peeperkorn, dass der Erzählton solche Auswirkungen auf dein Mitgefühl für meine Figur hat, und obwohl du es gut begründest, kann ich das nicht in solchem Maße nachvollziehen, dass ich eine radikale Änderung für nötig halte.
Versteh mich bitte nicht falsch, ich verstehe deine Schwierigkeiten total, aber ich möchte deshalb nicht alles über den Haufen werfen, da ich mir ja etwas dabei gedacht habe. Was du als Fassade deutest, kann man so deuten, ja, aber ich habe mir das wie folgt vorgestellt: Der Kerl ist alleine, dem Tod geweiht, und die Worte sind neben den Erinnerungen eben alles, was ihm bleibt. Er versucht letztere mit ersteren festzuhalten, sie sich ein letztes Mal so vorzutragen, wie es ihm angemessen scheint, und vor diesem letzten Mal wird er das sicherlich schon mehrmals getan haben, zumindest in der Zeit, in der er alleine in der Wohnung seines Freundes ist, also finde ich es nicht allzu abwegig, dass er irgendwann an den Punkt gelangt, an dem er sie so verinnerlicht bzw. so oft rekapituliert hat, dass er es nicht mehr nur mit Emotionen, sondern mit einer großen Erkenntnis zu tun hat, die er sich durch den Erzählton schönzureden versucht. Eventuell mindert das auch seine Komplexe, die er aufgrund der getroffenen und verpassten Entscheidungen hat.
(Ich persönlich kann auch nicht verstehen, weshalb man Sätze in diesem Stil verfasst. Niemand verwendet heute mehr die Begriffe "Fürwahr" und "trefflich". Das hat doch, wenn man ohne Not so schreibt, notwendigerweise etwas Imitierendes, Gekünsteltes.)
Du nennst das Imitieren und Künsteln und hast damit vielleicht sogar gar nicht mal Unrecht. Ich jedenfalls kann es nachvollziehen, dass er besagten Ton anschlägt. Besser fühlen wird er sich dadurch zwar auch nicht, aber etwas geben wird es ihm schon, und wenn auch nur minimal.
Selbst ohne diese Überlegung finde ich nicht, dass der Erzählton kein Mitgefühl zulässt, wobei das als Autor natürlich eine extrem gewagte Behauptung ist, aber ich bin einfach der Ansicht, dass es in dem Text Szenen gibt, die eine Reaktion auf den bevorstehenden Tod meiner erzählenden Figur verursachen. Entweder man leidet mit ihr mit, oder man wünscht ihr gar den Tod, wie es der Eisenmann quasi tut, was ich übrigens genauso gerne sehe wie den ersten „Gefühlsvorschlag“.
Um das mal abzurunden: Ich nehme mir deinen Punt definitiv zu Herzen und schaue, was sich machen lässt, denn da ist sicher noch etwas drin, ohne mich groß verbiegen zu müssen.

Es gibt dann auch so seltsame sprachliche Brüche wie "wir liebten uns innig / als sie mich abservierte" im selben Satz.
Oh ja, bei der Wortwahl für die Passage um die Australierin habe ich echt ins Klo gegriffen. Gut, dass euch das allen auffällt. Wenn ich den Text Monate später aus der Schublade hervorgeholt und einen Stilbruch dieser Art entdeckt hätte, wäre das wahrscheinlich Grund genug, um den Text für immer ad acta zu legen.

Was mir ebenfalls nicht gefällt, sind die allgemeinen Reflexionen, die mit "solange man lebendig ist ..." einsetzen. Das ging für mich in Richtung BlaBla, da habe ich übersprungen
Das sind Phrasen, ja, aber ich halte es nicht für abwegig, so zu denken, wenn man um den bevorstehenden Tod weiß. Zwar ist die Reflexion allgemein ausgedrückt, aber sie hat mehr mit meiner Figur zu tun als mit „man“, was ich in den folgenden Sätzen zu zeigen versucht habe.
JackOve schrieb:
Solange man lebendig ist, vergleicht man das eigene Leben mit jenen der anderen. Man stapelt tief oder gar hoch, ist aber niemals vollends zufrieden, und wenn doch, dann nur in der Erinnerung. In eben jenen Tagen, an die man sich wehmütig erinnert. Man, man und man. Derjenige, der auf dem Sterbebett verallgemeinert, der sollte nicht von uns gehen, sondern erneut erleben, um nicht mit vermeintlichen Pauschalitäten zu hadern, bevor er sich auf ewig verabschiedet, da es doch letztlich ausschließlich um die eigene Erkenntnis, um den eigenen Frieden geht. Oder sollte er gehen, weil ihm eben diese Zusammenhänge verwehrt blieben?
Vielleicht habe ich es verdient, zu sterben.
Das Problem, das du mit der Formulierung, mit der Verallgemeinerung hast, hat meine Figur auch. Dabei habe ich mir durchaus etwas gedacht.

Auch diese intellektuellen Versatzstücke, ein Detail zu Rousseaus Biographie hier, eine Anekdote zu Sokrates da.
Verstehe ich total und werde mir da etwas einfallen lassen müssen, da das in dieser Form, obwohl Rousseau und Sokrates natürlich eine Bedeutung für meine Figur haben, leider tatsächlich mehr name dropping als tieferer Sinn ist.

Und das letzte, das mir nicht gefallen hat, weil für mich absolut unplausibel, ist dieser Rückzug des Protagonisten von den Leuten, die er liebt. Er wird sterben. Wenn er sie wirklich liebt, will er die Zeit, die ihm verbleibt, mit ihnen verbringen. Todsicher. Und wenn nicht, dann musst du das m.E. plausibler machen
Ich würde ebenfalls nicht so handeln, zweifele die Plausibilität aber nicht an, weil ich das, so egoistisch ich es auch finde, nachvollziehen kann, dass er seinen Liebsten die qualvollen Monate vor dem sich abzeichnenden Tode ersparen möchte.
Dass er mit seiner Entscheidung nicht im Reinen ist, habe ich zu zeigen versucht.

Ich kritisiere hier, glaub' ich, härter als gewohnt. Denn es ist ein guter Text. Aber ich denke, dass du mit deinen Möglichkeiten Geschichten erzählen kannst, die fesseln, die originell und frisch sind. Diese Möglichkeiten hast du hier nicht vollständig genutzt, meiner Meinung nach.
Gut, dass du das getan und mir aufgezeigt hast, woran es unter anderem noch zu feilen gilt.

Wenn du mit meiner Antwort nur halb so viel anfangen kannst wie ich mit deinem Kommentar, bin ich zufrieden.
Danke, lieber Peeperkorn!

***
Euch lieben Dreien, Eisenmann, maria.meerhaba und erdbeerschorsch, euch kann ich leider erst morgen angemessen antworten.

Liebe Grüße an alle,
JackOve

 

Hi,

ich schieb noch schnell was hinterher, vorhin war es zum Schluss ja etwas eilig. Nach deiner Antwort auf Peeperkorn weiß ich vielleicht auch selbst besser, was ich meinte mit dem "Wortzauber". Also: Ich finde es gut nachvollziehbar, dass sich dein Typ hinter einer gekünstelten, altertümlichen Sprache verbirgt. Ich würde gerne sehen, dass du das beibehältst. Ich greife deine Antwort auf:

Finde ich super schade, Peeperkorn, dass der Erzählton solche Auswirkungen auf dein Mitgefühl für meine Figur hat,
Ja eben, dachte ich mir da: Und warum sollte diese Sprache eigentlich nicht genau so wirken, nämlich wie eine Mauer, die das Mitgefühl abwehrt? Das passt doch perfekt zusammen damit, dass er sich seine Lieben vom Leib hält.

Auf der anderen Seite scheinen mir die Bewegungen und er gewählten Sprache aber noch nicht ganz trittsicher, die Maske, die er sich aufsetzt, hat ein paar Risse. Durch die Risse hindurch meine ich dann den Autor zu erspähen...

Ich habe jetzt noch nach einem Beispiel gesucht, um nach Möglichkeit zu veranschaulichen, was ich meine. Ich habe eine Stelle gefunden, von der ich sagen würde, dass die Maske da perfekt ist, die Sprache zwar vielleicht gekünstelt, aber auf eine stimmige Art:

Ich bin zurückgekehrt, zurück nach Lübeck, habe den Grabstein meiner geliebten Großmutter geküsst, meine Mutter herzlich gedrückt, ihr gesagt, wie sehr ich sie liebe, und meiner Freundin, um ihrer Liebe Willen die meine gestanden und dabei verschwiegen, wie wenig sie doch vergleichbar ist mit jenen Empfindungen für die Erstgenannten, wie sehr sie ihnen nachsteht.

Und dann auch noch ein Beispiel, wo es meiner Meinung nach nicht perfekt ist:
Auf den drei Umschlägen steht jeweils, neben den lieblichen Namen, die sich ein Schriftsteller für seine fiktiven Charaktere kaum trefflicher ausdenken könnte, dass ich versuchte, aus Liebe zu handeln, versuchte, die Liebe zu erwidern, die mir geschenkt wurde, und mir darüber im Klaren bin, kläglich versagt zu haben.
"die sich ein Schriftsteller für seine fiktiven Charaktere kaum trefflicher ausdenken könnte" - das ist der Haken an dem Satz, finde ich. Das klingt nach einem Schnörkel, der dem Autor gefällt, von dem man aber nicht ganz erkennen kann, welchen Sinn er für den Protagonisten hat. Was würde fehlen, wenn dieser Teilsatz weg wäre?
Tja, ist immer so eine Sache: Ob das wohl nachvollziehbar ist, was ich meine? Ich jedenfalls finde meine Beispiele ganz einleuchtend :lol:

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @JackOve,

nachdem ich deine Geschichte vor einigen Tagen angefangen habe zu lesen, war das für mich die bisher stärkste aus dem Wettbewerb und ich war gleich wieder entmutigt, war ich doch am Überlegen einen Beitrag für die Challange zu schreiben. Doch das soll deine Sorge nicht sein :-)
Ich finde, es ist der souveräne Schreibstil, der diese Geschichte von manch anderen hervorhebt.

Ich bin aber trotzdem hin und hergerissen. Dinge die mir gut gefallen, stören mich gleichzeitig auch und ich weiß nicht, ob ich dir das verdeutlichen kann.
Ich mag die Sprache total. Bisschen ungewohnt, liest man sonst ja nicht – aber das macht sie dafür auch besonders. Doch dann las ich, dass es ein 27jähriger Mann ist, der hier erzählt und fragte mich, ob einer so redet, der in unserer Zeit lebt? Dann störte plötzlich, was mich eben noch begeistert hatte. Ich finde die Sprache natürlich immer noch schön, aber nicht unbedingt passend.

Ebenso die Motivation des Protagonisten. Ich finde es gut, wenn jemand die Möglichkeit hat, sich am Ende seines Lebens Träume zu erfüllen. Aber es geht für mich gar nicht, dass er Mutter und Freundin im Unklaren über seinen Gesundheitszustand lässt. Und auch seine Argumentation diesbezüglich ist für mich mehr als nur fadenscheinig. Verlogen und feige empfinde ich das. Er erlebt die großer Liebe und hat zuhause ein Mädel sitzen, dem er um ihrer Liebe Willen, die seine vorgaukelt (wunderschön formuliert). Er gibt sich die Schuld an seiner Krankheit, hört aber nicht auf zu rauchen. Gut, das würde zu diesem Zeitpunkt eh nichts mehr ändern, aber ich finde, dass das auch ein Zeichen seiner Charakterschwäche ist.

Ich mag ihn auch nicht sehr, den Protagonisten, will ihn aber nicht so verdammen, wie es eisenmann in seiner zurückhaltenden Art gemacht hat. Auch solche Leute gibts und wir schreiben hier ja Sachen aus dem Leben.

Die Beschreibung des Raumerfrischers am Anfang hat mich auch erst rausgeschmissen, weil ich es einfach nicht kapiert habe. Ich tippte auf Bonsai. Jetzt sind es Duftstäbchen und ich frage mich, ob der Protagonist die verträgt. Aus Erfahrung weiß ich, dass solche Dinge reizen und husten auslösen können. Für mich geht so etwas gar nicht - aber ich rauche auch nicht. Dem Protagonisten wirds dann wohl egal sein.

Ich mag deine Geschichte, weil sie konsequent geschrieben ist. Ich kann nicht alles nachvollziehen und dein Prot ist mir unsympatisch (allerdings erst als ich las, dass er zuhause Menschen hat, die auf ihn warten). Aber wo steht geschrieben, dass man nur über nette Leute erzählen darf?

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hallo JackOve

Nachdem ich deine Antwort gelesen habe, war und bin ich mir nicht sicher, ob ich deinem Text gerecht geworden bin. Lass mich daher nochmal präzisieren, auch vor dem Hintergrund dessen, was du in deiner Antwort geschrieben hast.

Was du als Fassade deutest, kann man so deuten, ja, aber ich habe mir das wie folgt vorgestellt: Der Kerl ist alleine, dem Tod geweiht, und die Worte sind neben den Erinnerungen eben alles, was ihm bleibt. Er versucht letztere mit ersteren festzuhalten, sie sich ein letztes Mal so vorzutragen, wie es ihm angemessen scheint, und vor diesem letzten Mal wird er das sicherlich schon mehrmals getan haben, zumindest in der Zeit, in der er alleine in der Wohnung seines Freundes ist, also finde ich es nicht allzu abwegig, dass er irgendwann an den Punkt gelangt, an dem er sie so verinnerlicht bzw. so oft rekapituliert hat, dass er es nicht mehr nur mit Emotionen, sondern mit einer großen Erkenntnis zu tun hat, die er sich durch den Erzählton schönzureden versucht.

Ich denke, hier ist wohl die Hauptschwierigkeit zu verorten, die ich mit dem Text hatte. Isegrims hat davon gesprochen, dass der Protagonist seine Masken fallen lässt, ehrlich ist (und du hast dem nicht widersprochen). Und es stimmt ja auch. Nur schon die Textsorte (so eine Art letzter Tagebucheintrag) wiest in diese Richtung. Der Protagonist gibt einiges von sich preis.

Aber er redet auch schön, versteckt sich hinter Philosophen und gewählter Sprache. Das habe ich vor allem wahrnenommen - und bin daher auf Distanz gegegangen. Insgesamt wurde mir einfach die Erzählabsicht deines Textes nicht klar. Was willst du zeigen? Geht es um die Ehrlichkeit, das Abrechnen mit sich? Oder um Verstecken und Hadern? Wenn es um beides geichzeitg gehen sollte, dann ist der Text m.E. zu kurz.

Ich glaube nicht, dass du die Konzeption des Textes grundlegend ändern solltest (alles über den Haufen werfen), sondern vielleicht kannst du dir überlegen, bestimmte Aspekte deutlicher herauszuarbeiten. Du könntest zum Beispiel sagen, dass der Protagonist viel über den Tod gelesen hat, als er auf Reisen war. Ich hatte so Mühe mit der Erzählsprache, weil ich einen 27jährigen sehe, der in die Natur reist, Hunde streichelt, mit einer Australierin schläft. Und dann kommt er heim und schreibt Sätze, die mit "Fürwahr" beginnen?

Das sind Phrasen, ja, aber ich halte es nicht für abwegig, so zu denken, wenn man um den bevorstehenden Tod weiß. Zwar ist die Reflexion allgemein ausgedrückt, aber sie hat mehr mit meiner Figur zu tun als mit „man“, was ich in den folgenden Sätzen zu zeigen versucht habe.

Ja, ich sehe den Punkt. Ich denke, das ist ein technisches Problem. Nehmen wir das Beispiel "Langeweile" oder "Eintönigkeit". Es gibt viele Texte, die die Eintönigkeit einer Beziehung darstellen wollen oder den langweiligen Büroalltag. Dummerwesie werden fast alle Texte dadurch selbst eintönig und langweilig. Auf deinen Fall angewendet: Es ist schwierig, jemanden Phrasen sprechen zu lassen, ohne den Leser damit zu ärgern. Du hast ja auch - noch ein technisches Problem - keinen Dialogpartner, der auf dieses Phrasenhafte hinweisen könnte, der das auch brechen könnte. Vielleicht kannst du hier etwas reduzieren, gerade so weit, dass der Leser merkt, aha, der verwendet Phrasen.

Solange man lebendig ist, vergleicht man das eigene Leben mit jenen der anderen. Man stapelt tief oder gar hoch, ist aber niemals vollends zufrieden, und wenn doch, dann nur in der Erinnerung. In eben jenen Tagen, an die man sich wehmütig erinnert. Man, man und man. Derjenige, der auf dem Sterbebett verallgemeinert, der sollte nicht von uns gehen, sondern erneut erleben, um nicht mit vermeintlichen Pauschalitäten zu hadern, bevor er sich auf ewig verabschiedet, da es doch letztlich ausschließlich um die eigene Erkenntnis, um den eigenen Frieden geht. Oder sollte er gehen, weil ihm eben diese Zusammenhänge verwehrt blieben?
Vielleicht habe ich es verdient, zu sterben.
Das Problem, das du mit der Formulierung, mit der Verallgemeinerung hast, hat meine Figur auch. Dabei habe ich mir durchaus etwas gedacht.

Ja, das sehe ich. Der fettmarkierte Teil bringt dieses Hadern zum Ausdruck. Aber das ist im selben Duktus gehalten, wie dasjenige, das kritisiert wird. Statt "man" steht jetzt "Derjenige". Ich rate dir hier, zum Ich zu wechseln. "Ich sollte nicht mit Pauschalitäten hadern". Dann wird das deutlicher, dann gehst du den Weg von der phrasenhaften Verallgemeinerung zum konkreten Denken des Protagonisten.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo JackOve,

mir hat dein Text nicht so gut gefallen. Das liegt vor allem daran, dass ich es unglaublich anstrengend und nervig fand, mich durch deine gezwungen ausschweifenden und verschachtelten Sätze zu kämpfen. Zumal ich gar keinen Grund für eine solche Sprache sehe. Der Typ ist keine 27 Jahre alt, wieso spricht der so wichtigtuerisch?

Ich lernte Waliser kennen, die mir unaufgefordert, in einem Park mit kleinem Kanal, in dem Boote von Pferden gezogen wurden, während ich ihre Hunde streichelte, Gedichte aus eigener Feder vortrugen, die mich beinahe zu Tränen rührten.

Das war für mich der schlimmste Satz. Unnötig aufgeblasen, unschön.

Der Einstieg kam mir auch unglücklich vor. Direkt mit so einer Beschreibung loszulegen, damit hast du mich nicht gerade in den Text gezogen. Als dann der Satz mit dem Blitzen und Donnern kam, da dachte ich erst, der Ich-Erzähler sei Gott, aber das hat ja dann wohl doch nicht so gepasst.

Die Stelle, als der Erzähler davon spricht, wie er sich von seiner Freundin verabschiedet hat, fand ich auch merkwürdig. Er sagt, sie bedeute ihm deutlich weniger als Mutter und Großmutter. Ok, auf den ersten Blick vllt einleuchtend, immerhin hatte er keine Probleme während seiner Reisen mit einer Fremden zu schlafen, aber irgendwie frag ich mich ... warum? Warum hast du ihm überhaupt eine Freundin gegeben? Das lenkt doch eine Menge Aufmerksamkeit darauf, dass er fremdgegangen ist. Und dass er die Freundin womöglich die ganze Zeit schon an der Nase herumführt. Das macht ihn nicht gerade sympathisch. Da bin ich gleich viel weniger bereit, mich auf seine Gedankengänge einzulassen.

Zuletzt muss ich zugeben, dass ich das Gefühl habe, deinen Text nicht verstanden zu haben. Gut, es ist offensichtlich eine Art Abschiedsschreiben, ein paar letzte Gedanken vor dem Tod. Aber was sollen denn diese Bäume z.B. am Anfang? Damit konnte ich nicht so viel anfangen. Wie gesagt, mein erster Gedanke war, dass der Erzähler Gott sei. Wie sonst will er es regnen oder blitzen lassen, hab ich mich gefragt. Er könnte natürlich auf die Bäume weinen oder ein Foto machen, aber ob das wirklich dein Gedanke dahinter ist? Ich bezweifle es. Dann diese ganzen pseudophilosphischen Gedankengänge, die der Erzähler zum Besten gibt. Da war mir dann auch wieder diese gewollt intellektuelle Sprache ein Hindernis.

Also meins wars nicht. Das Hauptproblem liegt für mich wie gesagt in der Sprache. Da hätte ich mir etwas natürlicheres gewünscht.

Viele Grüße
Mix

 

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