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Die blauschwarze Miesmuschel

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09.06.2017
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Die blauschwarze Miesmuschel

Vom Radau des Zeitungsjungen geweckt schäle ich mich in der Früh aus dem Bett, schlucke eine Handvoll Pillen und krieche zurück unter die Decke. Während im Treppenhaus ein Kind wie von Sinnen schreit, fallen meine Augen wieder zu. Um neun schlurfe ich in die Küche und stopfe Nutellatoast in mich rein, den Kaffee trinke ich schwarz. Meine Hosen spannen. Aus dem Abfluss des Spülbeckens riecht es. Ich spiele mit dem Gedanken, die Obstmotte zu zerquetschen, die auf der Lehne des leeren Stuhles sitzt, bringe es nicht fertig und schleiche zurück ins Schlafzimmer. Wie konnte er mir das antun? Nicht einmal Weinen funktioniert.

Im Karstadt läuft Amy Winehouse. Egal, wegen mir könnten sie die Wildecker Herzbuben spielen, die Pillen wirken. Als ich ein paar Polyesterhosen von der Stange greife, kommt die Verkäuferin auf mich zugewieselt. Sie lässt ihren Blick an mir herabgleiten, öffnet den Mund und schließt ihn wieder.
"Was Schwarzes würde strecken", murmelt sie im Weggehen.
Früher hätte ich sie dafür gehasst, heute ist mir alles gleich. Ich senke den Blick und nehme die dunklen Teile mit in die Kabine.
"Bei den Blusen können Sie was Helles probieren", sagt sie durch den Vorhang. "Oder was Längsgestreiftes. Sie sind ja noch jung."
Ich schnappe die Hosen, die zugehen, und zwei zeltförmige Oberteile, eile zur Kasse. Das andere hab ich liegen lassen, soll sie es halt zurückbringen.


Die Standuhr im Wintergarten spielte die Westminster-Melodie, es war zehn. Daniel nahm einen Schluck Tee und beugte sich stirnrunzelnd über den Zettel auf dem Frühstückstisch.
"Um 14.07 Uhr ist Niedrigwasser. Lass uns um halb zwölf loslaufen, hm?"
Jeden Morgen machte er eine Riesensauerei beim Frühstück. Brötchenkrümel hingen an seinem Sweatshirt, am Kinn, einfach überall. Er biss in sein Vierminutenei und das Gelb rann ihm in den Hemdsärmel. Louisa reichte ihm Servietten, die er mit zerstreutem Lächeln nahm und neben seinen Teller legte. Unbenutzt.
Ihr Blick wanderte zum Buffet am Fenster, in dessen Mitte ein von einem Teelicht befeuerter Leuchtturm stand. Daneben thronte auf blauem Porzellan die Spezialität des Hauses: Hamburger Butterkuchen, mit einer glänzenden Schicht obendrauf. Louisas Lieblingsjeans saß und wenn es nach ihr ginge, würde das am Ende der Reise genauso sein. Daniel machte sich auf den Weg, balancierte ein Stück auf den Teller und sah sie fragend an. Sie nickte. Was sollte sie tun? Und im nächsten Moment lag es vor ihr.
"Ich weiß nicht", murmelte sie.
"Pass auf, wir zwei genießen jetzt den Kuchen, infolgedessen gibt es schönes Wetter, wir gehen weit raus ins Watt und abends auf dem Deich bis runter zur Alten Liebe. Also, jede Menge Bewegung! Besser, als bei Regen im Hotelzimmer zu hocken, oder?"
Siehst du, ich hab Recht, schienen seine Augen zu sagen, das ist alles in sich logisch, was ich dir erzähle. Immer wenn er sie anlächelte, hatte er diese Grübchen auf den Wangen. Als Louisa die Kuchengabel zum Mund führte, hielt er ihre Hand fest und sah ihr in die Augen.
"Genießen! Du musst jeden Bissen auskosten, das ist wichtig. Versprochen?"
Sie nickte. Er begann, sie mit einer Serviette am Arm zu kitzeln, bis sie beide lachten, miteinander rangelten, Besteck zu Boden fiel. Zum Glück waren sie die Letzten im Frühstücksraum.
"Hör auf", japste sie und wischte sich mit dem Handrücken Tränen aus den Augen.
Daniel lehnte sich zurück. "Das wird so was von schön. Ich werd im Watt ein paar Fotos von dir machen."
"Und ich nehm den Eimer zum Muschelsammeln mit", sagte sie kauend.

Die Strandhotels bildeten eine Kette winziger Punkte am Horizont. Hoch über dem gerippelten Sandboden brach die Sonne durch den Dunstschleier. Von fern tönte ein Schiffshorn. Louisa strich ihre Haare aus dem Gesicht und wandte den Blick zur Rettungsbake, an deren Fuß der braune Algenfilm Blasen warf. Der Boden klebte bei jedem Schritt. Beim Näherkommen sah sie Herzmuscheln in Rosa und Beige schimmern. Sie legte ein paar besonders schöne Exemplare in ihren Eimer.

Daniel stand mit zerzaustem Haar am Priel und winkte. "Schau mal, Blaumuscheln!"
"Aber Herr Biologe, die heißen Miesmuscheln. Und außerdem sind die schwarz." Louisa stakste durch spaghettiförmige Sandhaufen zu ihm. "Müssen wir nicht langsam zurück?"
Er schüttelte den Kopf und begann, in seinem Büchlein zu blättern. "Hör mal, hier steht: Die essbaren Miesmuscheln oder Blaumuscheln, Mytilus edulis, bla bla bla, in der Gezeitenzone der nördlichen Hemisphäre. Guck mal hier das Foto, das sind sie doch! Warum würde man die sonst Blaumuscheln nennen, wenn sie nicht blau wären, hm?"
"Es ist wie immer: Von Gefahren willst du nichts hören." Sie beugte sich runter zu dem, was spitz aus dem Schlickboden ragte. "Das ist eindeutig schwarz."
"Und wenn du die Sonnenbrille abnimmst, welche Farbe haben sie dann?"
"Einigen wir uns auf blauschwarz", sagte Louisa.
Er klappte das Büchlein zu und steckte es in die Hosentasche. Dann zog er sie zu sich heran und küsste sie auf die Stirn. "Meine blauschwarze Miesmuschel", flüsterte er ihr ins Ohr.


Morgen ist Sperrmüll. Ich hole seine Flugsachen aus dem Abstellraum und lege alles an den Rand des Bürgersteigs. Das Gurtzeug, die blaue Schirmkappe. Von der Sonne geblendet stolpere ich beinahe über ein gottverdammtes Dreirad. No risk, no fun, hat er gesagt und ich habe dazu geschwiegen - Miesmuscheln sind leise Wesen.

Mittags mache ich mich auf den Weg zu ihm. Um niemandem zu begegnen, nehme ich den Pfad hinter den Gärten, vorbei am Bach und der Dogge vom Jacobsen, die kurz aufjault. Die Sonne brennt vom Himmel, während ich das quietschende Tor öffne und mich über den Asphaltweg schleppe, wo es nach Kiefernharz riecht. Die schwarzen Polyestersachen reiben meine Achseln wund, scheuern an den Oberschenkeln. Ich gehe zum Brunnen und mache die Kannen randvoll, meine Schuhe haben Kalkränder. Zu oft ist Wasser drübergeschwappt. Das Grün verschwimmt vor meinen Augen und der Schüttelfrost geht wieder los. Ich habe keine Taschentücher einstecken, wische Rotz an den Ärmel. Nachdem ich mit Gießen fertig bin, sinke ich auf die Knie.


Niemals zuvor waren Louisa und Daniel so weit draußen. Das Watt gurgelte und knisterte in der Sonne, ab und zu übertönt von den Schreien der Möwen, die hoch oben über ihnen segelten. Er nahm sein Fernglas, um die Schiffe am Horizont zu betrachten.
"Da ist die Cap San Raphael, ein Containerschiff aus Südamerika."
Louisa wusch Muschelschalen am Priel. "Die hat bestimmt Bananen geladen."
"Hm."
In Shorts und T-Shirt stand er da, mit Sommersprossen auf den Armen und rötlichem Haar, das sich bereits zu lichten begann, und war wie ein kleiner Junge begeistert vom Anblick der Ozeanriesen. Zwischendurch, wenn am Horizont nichts zu entdecken war, ging er in die Hocke und fotografierte. Eine Krabbe, ein Stück Treibholz, eine seltsame Muschel.
"Louisa?"
Als sie aufsah, betätigte er den Auslöser.
"Hey Mann!"
Er verbiss sich das Lachen.
"Sehr witzig", sagte sie. "Jedes Foto kostet einen Kuss."
"Eine hervorragende Idee!" Daniel steckte seine Kamera in den Rucksack, lief zu ihr und zog eine Schnute. Als sie sich aufrichtete und einen Schritt zur Seite trat, schoss der Schmerz in ihr hoch. War sie in etwas Scharfkantiges getreten? Sie hielt sich an seiner Schulter fest, um nachzusehen. Blut tropfte aus einer vom Schlick verfärbten Linie quer über ihre Fußsohle.
"Das desinfizieren wir jetzt einfach mal", sagte Daniel und öffnete den Rucksack.
Louisa schloss die Augen und machte sie erst wieder auf, als das Spray ihren Fuß kühlte. Es zog über die Rückseite des Beines bis hoch zum Rücken und sie fürchtete den Marsch zurück.
Er sah auf die Uhr. "Wir sollten los. Stütz dich auf mich, hm?"
Sie nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Er verpackte den Muscheleimer in eine Plastiktüte und quetschte ihn in seinen Rucksack, neben seine geliebte Kamera - so musste sie nichts tragen. Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung und durchwateten den knietiefen Priel, in dem sich ein paar mit Seepocken bewachsene Taschenkrebse im eiskalten Wasser tummelten. Louisa freute sich über das anschließende Stück Sandwatt, auf dem sie vorankamen. Wie mühsam war das auf dem Schlick, bei jedem Tritt versank man bis zum Knöchel und es gab ein Schmatzgeräusch, wenn man den Fuß herauszog. Sie blieb stehen und lehnte ihren Kopf an Daniels Schulter.
Er streichelte ihre Hand. "Soll ich dich huckepack nehmen?"
Louisa schüttelte den Kopf.
Gleichwohl sie noch zwei Priele vor sich hatten und es Zeit war, zum Strand zurückzugehen. Im Vergleich zu Daniel war sie schlecht in Form. Warum war sie so weit mit ihm rausgelaufen?
Weil sie einen Narren an ihm gefressen hatte.

Als sie sich auf ihn stützte und einen humpelnden Schritt nach vorne machte, runzelte er die Stirn; sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Schätzte sie die Situation falsch ein und die Rückkehr aus dem Watt war in Gefahr?
"Louisa", sagte er leise. "Ich wollte dich etwas fragen."
Ihre Schläfen pochten. Sie standen auf dem Boden des Meeres, in einigen Stunden käme die Flut, wie viele Meter läge das hier dann unter der Wasseroberfläche?
"Eigentlich wollte ich dir das erst beim Abendessen sagen." Daniel blieb stehen und fixierte sie aus seinen blauen Augen. "Lass uns heiraten."
Louisa vergrub den Kopf an seiner Brust.
"Heißt das ja?"
"Ja."
"An Land hab ich einen Ring für dich."
"Ich will an Land", sagte sie schnell.

Louisa spürte kaum mehr die Wunde und sie marschierten zügig. Daniel summte vor sich hin. Die Sonne verschwand hinter Wolken, während sie gemeinsam den letzten Priel durchwateten. Das eisige Wasser konnte ihr nichts mehr anhaben. Lass uns heiraten - drei Worte nur. Ein Knirps in grüner Badehose zog die Piratenfahne aus einer Sandburg. In der Ferne johlte ein Wanderer, dessen neongelbes Flugobjekt aberwitzige Tänze am Himmel vollführte. Der Wind peitschte und verhöhnte den Lenkdrachen, ließ ihn mit der Nase voran auf den Wattboden krachen. Und noch einmal. Bis er liegen blieb. Beim Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge dran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz. Sie suchte Daniels Hand und umschloss sie.

Am letzten Muschelfeld, wenige Meter vorm Strand, hielt er an und blätterte in seinem Büchlein. Wie er es liebte, zu dozieren.
"Die Miesmuscheln sind gar nicht mies. Sie heißen so wegen des Mooses, das an ihren Fäden klebt."
"Und außerdem sind die blauschwarz ..."
Schweigend standen sie da und blickten zum Horizont.
"Hm." Daniel klappte das Büchlein zu und schürzte die Lippen. "Sag mal, blau-schwarz-farbenblind - würde sich das über die mütterliche Linie vererben?"


Miesmuscheln, Mytilidae, Unterklasse Pteriomorpha; Muscheln mit zugespitztem Vorderende, meist unter 10 cm lang, braun, blau oder schwarz, oft radial gestreift. Fuß und Byssus; getrenntgeschlechtlich mit äußerer Befruchtung. Etwa 30 Gattungen mit 250 Arten.
Die essbaren Miesmuscheln oder Blaumuscheln (Mytilus edulis), 8–16 cm lang, in der Gezeitenzone der nördlichen Hemisphäre an allen Hartsubstraten, werden kultiviert; biologisch wichtig, da sie große Mengen Wasser filtrieren und Sinkstoffe binden.

So steht es in deinem Büchlein. Darunter hast du handschriftlich vermerkt:

Louisa, blauschwarze Miesmuschel und Genießerin. Einmalige Symbiose.

Beim Frühstück im Wintergarten studiere ich den Gezeitenkalender. Tag und Nacht trage ich deinen Ring. Ich halte mich gerade, meine neue Seidenbluse - endlich wieder in vierzig - ist blauschwarz marmoriert. Die Westminster-Uhr schlägt zehn, während ich zum Abschluss der Mahlzeit ein kleines Stück Butterkuchen auf meinen Teller bugsiere. Ich steche mit der Gabel hinein, schließe die Augen und lasse den ersten Bissen auf meiner Zunge zergehen: weichen Hefeteig, fettige Mandeln, krachenden Zucker. Das will ich auskosten und dafür lasse ich mir Zeit.

Ich bin die Letzte im Frühstücksraum. Frau Christiansen beginnt, die Tische abzuräumen, und sieht wieder zu mir rüber. Vielleicht werde ich ihr am Abreisetag von deinem letzten Flug erzählen. Hier an der See habe ich begonnen, zu schreiben. Darüber, wie ich die schwarze Miesmuschel war. Wie ich nun jeden Tag für dich versuche, die blauschwarze Miesmuschel zu sein, die beste Louisa, die ich ohne Daniel werden kann.

Deine Flugsachen habe ich damals zurück ins Haus geholt, als das Müllauto um die Ecke bog. Nein, du hast Recht, das ist gelogen. Ich hab zugesehen, wie sie zusammen mit dem Dreirad der Lehmanns unter Quietschen und Stöhnen verschluckt wurden. Ein Metallhaken klemmte und es dauerte einige Minuten, bis alles weg war - das war so großartig. Seit einigen Tagen nahm ich keine Pillen mehr, zum ersten Mal kamen Tränen. Da begriff ich, dass ich ganz unten war. Dass es ab jetzt bergauf ginge, dass ich mich am Weinen abarbeiten und befreien könnte.

Ich nehme einen Schluck Tee. Während ich an unsere einmalige Symbiose zurückdenke, pruste ich, verschlucke mich am letzten Bissen und wische mir Tränen aus den Augenwinkeln. Ziehende Teebeutel, TÜV-Termine und Rasieren, das alles hast du regelmäßig vergessen, du Schuft. Ich versuche mir vorzustellen, wie du mir jetzt gegenübersitzen würdest: Vielleicht würdest du mit funkelnden Augen und ersten grauen Strähnen von deiner neuen Kamera erzählen.

Am Strand kremple ich die Jeans hoch. Obwohl September ist, werde ich barfuß ins Watt gehen. Weit hinaus, so wie damals mit dir. Ich sehe den neonfarbenen Rauten hinterher, die am Himmel arglos tanzen. Mit den Turnschuhen im Rucksack und dem Muscheleimer in der Hand laufe ich los.

 

Hej Anne49,

und wieder bin ich für den tag Drama.

Herrje, dabei begann alles so wundervoll. Musses denn so enden? Na gut, in diesem Fall einer Kurzgeschichte wäre ein happy ending unerträglich und sterbenslangweilig. Schon klar.

Gut nur, dass du, ganz deinem Stil treu, fröhlich, frisch und wie von der "Leber weg" schreibst und zwei warmherzige Protagonisten kreierst, denen ich in ihrem Urlaub gerne zusehe, -höre, zumal mir Muscheln am Herzen liegen und mir dieser Liebesausflug willkommen ist.

Der Aufbau verheißt von Anfang an ein gebrochenes Herz, oder eben einen Verschwundenen und ein gebrochenes Herz, inkl. Bemühen um Contenance und Weitermachen. Eine starke Frau, (meine Lieblingsheldinnen) deine Louisa.

Während im Treppenhaus ein Kind wie besinnungslos schreit, fallen meine Augen wieder zu

besinnungslos schreien kommt mir abwegig vor - man könnte sich womöglich besinnungslos schreien

Im Karstadt läuft Amy Winehouse. Egal, wegen mir könnten sie die Wildecker Herzbuben spielen, die Pillen wirken. Als ich ein paar Polyesterhosen von der Stange greife, kommt die Verkäuferin auf mich zugewieselt und lässt ihren Blick an mir herabgleiten.
"Was Schwarzes würde strecken, das wär bei Ihnen nicht verkehrt."
Früher hätte ich sie dafür gehasst, heute ist mir alles gleich. Ich senke den Blick und nehme die dunklen Teile mit in die Kabine.
"Bei den Blusen können Sie was Helles probieren", sagt sie durch den Vorhang. "Oder was Längsgestreiftes. Sie sind ja noch jung."
Ich schnappe die Hosen, die zugehen, und zwei zeltförmige Oberteile, eile zur Kasse. Das andere hab ich liegen lassen, soll sie es halt zurückbringen.

Hier bekommt deine Geschichte deinen Stempel und ich freue mich über dieses Paar Deprimiertheit und Humor.

Dann lässt du Louisa nicht rückblickend erzählen, sondern wechselst die Perspektive und ich bin mir nicht ganz "einig", ob es mir zusagt. Ich werde aufmerksam den Kommentaren folgen und es herausfinden.

So vergeht Zeit und du informierst mich conchologisch, aber ich scrolle hoch und runter, um zu sehen, an welche Stelle ich unaufmerksam gewesen bin, weil ich nicht weiß, wo Daniel abgeblieben ist. Das ist recht enervierend, weil ich denke, dass ich's wissen müsste.

Louisa berappelt sich, verliert Gewicht, trägt neue Blusen, kehrt an den Ort der offenbar bis dahin glücklichsten Zeit und Business als usual. Ging ja noch mal alles gut, grob betrachtet.

Obwohl September ist, werde ich barfuss ins Watt gehen. Wie damals. Am Strand kremple ich die Jeans hoch und stecke meine Turnschuhe in den Rucksack. Mit der Erinnerung im Herzen und dem Muscheleimer in der Hand laufe ich los.

Im Watt wird er nicht versunken sein, auch nicht vom Meer verschlungen. Wo isser hin?

Am Ende ist es eine Geschichte, wie sie meine Mutter gerne Sonntagabend im TV sieht. Und zum Nachmittagskaffee geht sie auch gut, was hauptsächlich an deiner Leichtigkeit liegt.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anne49,

kommt die Verkäuferin auf mich zugewieselt
tolles Wort.


Die Standuhr im Wintergarten spielte die Westminster-Melodie, es war zehn.
Da das jetzt in der Vergangenheit spielt, ist 9 Uhr vom ersten Absatz und jetzt 10 Uhr etwas verwirrend.


Daniel nahm einen Schluck Tee und beugte sich stirnrunzelnd über den Zettel auf dem Frühstückstisch.
Einen unbestimmten Artikel fände ich hier schöner.

"Um 14.07 Uhr ist Niedrigwasser. Lass uns um halb zwölf loslaufen, hm?"
Wozu gehört das Fragezeichen? Nur zu dem hm, oder? Von wem ist der Zettel? Sie sitzt doch mit am Tisch?


Ihr Blick wanderte zum Buffet am Fenster, in dessen Mitte ein von einem Teelicht befeuerter Leuchtturm stand.
Du willst nicht beleuchtet schreiben, aber so klingt es, als ob der Turm in Flammen steht. Befeuert wird z.B. ein Ofen. Vlt. hell scheinender/strahlender?


Sie nickte, was sollte sie tun, und im nächsten Moment lag es vor ihr auf dem Teller.
Der Satz klingt etwas unlogisch.


zur Alten Liebe.
vlt. den Eigennamen besser kursiv?


Louisa strich ihre Haare aus dem Gesicht und wandte den Blick zur Rettungsbake, an deren(derem ?) Fuße der braune Algenfilm Blasen warf.

Zu oft ist Wasser drübergeschwappt.
über den Rand geschwappt?


Nachdem ich mit Gießen fertig bin, sinke ich auf die Knie und in mir bricht der Deich.
Die Verbindung zwischen Es brechen einem alle Dämme an Daniels Grab und dem Deich aus dem Urlaub ist mir ein wenig zu gewollt. :Pfeif:


"Jedes Foto kostet einen Kuss." "Eine hervorragende Idee!"
Finde ich auch! :lol:


Blut tropfte aus einer vom Schlick verfärbten Linie quer über ihre Fußsohle.
"Das desinfizieren wir jetzt einfach mal", sagte Daniel und öffnete den Rucksack.
Da fehlt mir was zwischen dem Blut tropfen und desinfizieren. Ist sie Barfuß? Müsste dann nicht erst der Schlamm ab? Oder sie zieht mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Schuh aus?


Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung und durchwateten den knietiefen Priel, in dem sich ein paar mit Seepocken bewachsene Taschenkrebse im eiskalten Wasser tummelten.
Schönes detailreiches Bild!


Louisa freute sich über das anschließende Stück Sandwatt, auf dem sie vorankamen.
Freute sich finde ich nicht passend, vlt. sehnte sich nach…


In Farben gedacht verkörperte er lichtes Blau und sie dumpfes Schwarz.
Och, denkt sie (schon jetzt) so von sich selbst? :(


Beim Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge dran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz. Sie suchte Daniels Hand und umschloss sie.
Warum versetzt sie diese Vorstellung so übermäßig in Panik?


So steht es in deinem Büchlein. Beim Frühstück im Wintergarten studiere ich den Gezeitenkalender. Tag und Nacht trage ich deinen Ring.
Warum spricht sie ihn jetzt persönlich an? Damit dieser Wechsel richtig beim Leser rüber kommt, könntest du das noch ausbauen, vlt. als Brief an ihn.


Ich steche mit der Gabel hinein, schließe die Augen und lasse den erste[n] Bissen auf meiner Zunge zergehen: weichen Hefeteig, fettige Mandeln, krachenden Zucker. Diese Geschmacksexplosion will ich auskosten und dafür lasse ich mir Zeit.
Schön, wie sie seinen Rat hier befolgt. :)

Obwohl September ist, werde ich barfuss [barfuß] ins Watt gehen.

Ich habe so mitgefiebert, als sie sich zurück aus dem Watt gekämpft haben. Der Wechsel von Gegenwart und ihrer Erinnerung mit Daniel hat mir gut gefallen und dass sie zum Schluss wieder in das gleiche Hotel fährt und es ihr besser geht, schließt die Geschichte ganz wunderbar. Ich frage mich aber schon, woran er gestorben ist, dachte ich doch an einen Heldentod im Watt. :Pfeif:

Liebe Anne, ich habe die Geschichte sehr gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

 

Hallo Anne49,

wie schön eine neue Geschichte von dir. Mir gefällt die Atmosphäre die du hier schaffst, alles wirkt etwas gedämpft und melancholisch und doch ist der Text voll von Liebe.

Allerdings habe ich nicht alles ganz verstanden. Lass mal schauen:

Während im Treppenhaus ein Kind wie besinnungslos schreit,
Besinnungslos finde ich hier auch merkwürdig – eher von Sinnen?

stopfe Nutellatoast in mich rein, den Kaffee trink ich schwarz.
Minimaler Aufwand am frühen Morgen – kann ich absolut verstehen!

Früher hätte ich sie dafür gehasst, heute ist mir alles gleich.
Man erfährt ja nicht wirklich was hier los ist, aber da Daniel am Ende nicht mehr da ist, sie aber den Ring noch trägt und sein Buch hat, haben sie sich wohl nicht getrennt sondern er ist gestorben? Das heißt man könnte erwarten, dass Louisa eine depressive Phase durchmacht und deswegen auch Tabletten nimmt.
Irgendwie gefällt mir diese Shoppingszene in dem Zusammenhang nicht. Klar, sie macht das alles ziemlich emotionslos mit, aber würde jemand in so einer Stimmung auf die Idee kommen neue Hosen zu kaufen?
Was willst du mit dieser Szene zeigen? Wenn es darum geht, dass ihr alles egal ist – könnte man das nicht anders zeigen? Eine Alltagssituation, der man nicht entkommen kann – z.B. die Arbeit oder Lebensmittel einkaufen. Aufs Hoseneinkaufen kann man ja doch einige Zeit verzichten, wenn man keinen Bock drauf hat.

Und dann komm der Perspektivenwechsel, der mich komplett verwirrt hat. Ich war davon überzeugt, dass dort drei Leute am Tisch sitzen. Die Ich-Erzählerin, Louisa und Daniel. Wieso wechselst du eigentlich die Perspektive? Könntest du nicht alles als Ich-Erzähler schreiben?

Daniel ist in der Szene beim Frühstück echt süß, man merkt wie sehr er Louisa liebt, zum Beispiel hier:

"Genießen! Du musst jeden Bissen auskosten, das ist wichtig. Versprochen?"
oder hier
"Das wird sowas von schön. Ich werd im Watt ein paar Fotos von dir machen."

Aus Louisa werde ich noch nicht schlau. Was ist los mit ihr? Warum ist sie so in sich gefangen?
Sie nickte, was sollte sie tun, und im nächsten Moment lag es vor ihr auf dem Teller.
"Ich weiß nicht", murmelte sie.
Warum sagt sie nicht was sie denkt? Hat sie hier bereits psychische Probleme? Ist das der Grund warum Daniel sich so lieb um sie kümmert?

Die Strandhotels bildeten eine Kette winziger Punkte am Horizont. Hoch über dem gerippelten Sandboden brach die Sonne durch den Dunstschleier. Von fern tönte ein Schiffshorn. Louisa strich ihre Haare aus dem Gesicht und wandte den Blick zur Rettungsbake, an deren Fuße der braune Algenfilm Blasen warf. Der Boden klebte bei jedem Schritt. Beim Näherkommen sah sie Herzmuscheln in Rosa und Beige schimmern. Sie legte ein paar besonders schöne Exemplare in ihren Eimer.
Das Wort gerippelt kenne ich nicht.

Eigentlich finde ich diesen ganzen Absatz nicht wichtig. Warum geht es dir hier? Wegen mir könntest du direkt zu Daniel und den miesen Blauschwarzmuscheln springen.

"Meine blauschwarze Miesmuschel", flüsterte er ihr ins Ohr.
Süüüüüß, den Daniel mag ich. :thumbsup:

Mittags mache ich mich auf den Weg zu ihm.
Zu ihm? Ist Daniel doch nicht tot? Oder kümmert sie sich um sein Haus?

Niemals zuvor waren Louisa und Daniel so weit draußen.
+gewesen

Er verpackte den Muscheleimer in eine Plastiktüte und quetschte ihn in seinen Rucksack, neben seine geliebte Kamera - so musste sie nichts tragen.
Schön!:herz:

Weil sie einen Narren an ihm gefressen hatte.
Das hört sich komisch an. Das sagt man, wenn man sich grade kennengelernt hat und verknallt ist, oder? Und nicht wenn man sich verlobt.

Darüber, wie ich die schwarze Miesmuschel war. Wie ich nun jeden Tag für dich versuche, die blauschwarze Miesmuschel zu sein, die beste Louisa, die ich ohne Daniel werden kann.
Ok, mittlerweile glaube ich Louisa etwas zu verstehen. Sie scheint schon vorher Depressionen oder eine andere Krankheit gehabt zu haben, einiges deutet darauf hin.

In Farben gedacht verkörperte er lichtes Blau und sie dumpfes Schwarz.
Beim Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge dran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz.

Das würde auch erklären warum Louisa so zurückhaltend ist.

Aber verstehe ich das Ende richtig und sie schafft es erst ohne Daniel gegen ihre Krankheit vorzugehen? Das macht für mich keinen Sinn. So ein Erlebnis würde eher zu noch größeren Problemen führen. Oder liegt der letzte Abschnitt viel später, als die vorherigen Abschnitte aus der Ich-Perspektive?

Mir gefällt die Geschichte, auch wenn noch nicht alles klar ist. Du hast hier große Gefühle sehr leise und ohne großes Tamtam rübergebracht.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo Anne,

ich finde diese Geschichte gut geschrieben, aber es bleiben mir doch zu viele lose Enden. Auch ich vermisse einen Hinweis darauf woran Daniel, offenbar jung, stirbt.
Wenn das für die Geschichte egal ist, dann würde es mich als nächstes interessieren, wie sie es schafft, mit der Trauer zurecht zu kommen, also aus der Anfangssituation zum letzten Absatz zu kommen, in dem sie "hexhex" wieder Kleidergröße 38 hat. Aber auch davon kein Wort. Hm, worum geht es in der Geschichte? Dass die beiden zwei unterschiedliche Charaktere sind, er fröhlicher, sie melancholischer?
Oder die Szene mit dem Butterkuchen. Hat sie eine verkappte Eßstörung?
Die Miesmuscheln stehen für etwas, der Kuchen steht für etwas, vielleicht für den Genuß, den sie nur mit ihm leben konnte und jetzt mühsam alleine lernt?
Die ersten beiden Absätze in ich-Form, dann geht es weiter in der dritten Person. Auch hier verstehe ich nicht genau die Absicht. Ich bin mit der "Ich"-Louisa schnell warm geworden. Die Louisa aus der dritten Person läßt mich lange kalt. Da ist mehr Distanz. Vielleicht, weil für die trauernde Louisa die glückliche Louisa auch wie eine fremde Person geworden ist?
Der Anfang hat mir sehr gut gefallen. Merkwürdigerweise war mir die Person aus den ersten Absätzen angenehmer als die, aus den letzten. Der Schluß ist mir zu schmalzig. Damit ich das akzeptiere, müßte ich erheblich mehr von ihrem Kampf vorher mitbekommen haben. Oder umgekehrt, wenn es gleich in der Pension beginnen würde, wo sie sich durch ihre Erinnerungen kämpft, das wäre vielleicht runder.

Während im Treppenhaus ein Kind wie besinnungslos schreit, fallen meine Augen wieder zu.

Das ist ein starkes Bild finde ich.


Im Karstadt läuft Amy Winehouse. Egal, wegen mir könnten sie die Wildecker Herzbuben spielen, die Pillen wirken. Als ich ein paar Polyesterhosen von der Stange greife, kommt die Verkäuferin auf mich zugewieselt und lässt ihren Blick an mir herabgleiten.

Wirkt frisch, bisschen prollig.

Das andere hab ich liegen lassen, soll sie es halt zurückbringen.

Auch schön.:D


Bei dieser Person wäre ich gerne noch länger geblieben, aber sie wirkt wie aus einer ganz anderen Geschichte.

Louisa reichte ihm Servietten, die er mit zerstreutem Lächeln nahm und neben seinen Teller legte.

Und auf einmal ist sie so eine betuliche Tante.


"Genießen! Du musst jeden Bissen auskosten, das ist wichtig. Versprochen?"

Er versucht sie zu therapieren?

Dann wird es so dramatisch mit ihrer Fußverletzung, aber das verläuft im wahrsten Sinne des Wortes im Sande.

"Und an Land hab einen Ring für dich."
"Ich will an Land", sagte sie schnell.

Sehr schön!

Beim Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge dran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz. Sie suchte Daniels Hand und umschloss sie.

So eine Art Vorahnung? Ist Daniel abgestürzt?


Also ich würde zwei Geschichten draus machen. Ich will wissen, was mit der Frau vom Karstadt geworden ist und mich interessiert, etwas weniger, die romantische Geschichte, aber mit Auflösung, was denn nun mit Daniel ist.

So, das wars, ziemlich ungefiltert. Dir ein schönes Wochenende, Anne!

Liebe Grüße von Chutney

 

Hey speedy Kanji,

liebsten Dank für deine wohlwollende Rückmeldung, und dann noch so schnell!

Dann lässt du Louisa nicht rückblickend erzählen, sondern wechselst die Perspektive und ich bin mir nicht ganz "einig", ob es mir zusagt. Ich werde aufmerksam den Kommentaren folgen und es herausfinden.

Exacto. Das will ich nämlich auch rausfinden ... :shy:

weil ich nicht weiß, wo Daniel abgeblieben ist. Das ist recht enervierend [...]
Im Watt wird er nicht versunken sein, auch nicht vom Meer verschlungen. Wo isser hin?

:Pfeif:

Ungefähr zu der Zeit, als ich angefangen hab, diese Geschichte zu schreiben, hab ich übrigens die wunderschöne Geschichte 'Witwer' von ernst offshore gelesen. Ich rede mir ja feste ein, dass ich schon vorher den Plan hatte, den Sensenmann in meiner Geschichte auftreten zu lassen. Hundertprozent sicher bin ich mir aber mittlerweile nicht mehr. In 'Witwer' ist das Paar älter, weswegen sich die Frage nach der Todesursache wohl weniger aufdrängt als bei jungen Menschen.

besinnungslos schreien kommt mir abwegig vor

Nichtgeburtstagskind hat vorgeschlagen, stattdessen zu schreiben: 'wie von Sinnen schreien' und Google findet das viel häufiger. Werd ich vermutlich ändern.

und wieder bin ich für den tag Drama.

Da hast du Recht: Der Tag 'Drama' wäre auf jeden Fall aussagekräftiger als der Tag 'Sonstige'. Kann man den nicht einführen?

Ja, und Muscheln mag ich auch sehr gerne - jetzt nicht als Essen, sondern die Schalen. Die sind so schön romantisch (und vermutlich dauert es nicht mehr lange, bis ich mit den Muschelsuchern von Rosamunde Pilcher aufgezogen werde).

Eine Geschichte, wie sie deine Mutter gerne Sonntagabend im TV sieht, soso ...
Hm, jetzt hab ich mal geschaut, was da so läuft: Tatort, Marie fängt Feuer: Allein war gestern, Grill den Profi, The Big Wedding, Wirtshausmusikanten beim Hirzinger, Medicopter 117 - jedes Leben zählt ... Was nehm ich bloß? :D

Gut nur, dass du, ganz deinem Stil treu, fröhlich, frisch und wie von der "Leber weg" schreibst und zwei warmherzige Protagonisten kreierst

Wenn du das so wahrnimmst, dann freut mich das sehr. Vielen Dank für deinen Besuch! :thumbsup:

Ein wunderschönes Wochenende wünsch ich dir!
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Anne49 schrieb:
Kanji schrieb:
Eine Geschichte, wie sie deine Mutter gerne Sonntagabend im TV sieht, soso ...
Hm, jetzt hab ich mal geschaut, was da so läuft: Tatort, Marie fängt Feuer: Allein war gestern, Grill den Profi, The Big Wedding, Wirtshausmusikanten beim Hirzinger, Medicopter 117 - jedes Leben zählt ... Was nehm ich bloß?
Nein, da läuft manchmal auch so etwas: Rosamunde Pilcher, Die Muschelsucher.

Liebe Anne49,

und in deiner Geschichte pilchert es für mein Empfinden ganz schön. Eine heile Glanzbild-Welt ist es, die du uns da am Anfang zeichnest, wenn man deine Geschichte am Ende zeitlich einordnen kann: ein Hotel wie aus dem Bilderbuch, ein Strandspaziergang wie aus dem Bilderbuch, eine Liebe wie aus dem Bilderbuch, zwei Menschen, die miteinander turteln wie aus …

Doch die Idylle trügt. Dein Protagonist stirbt (wann, wo und wie bleibt unklar) und deine Protagonistin lässt sich fallen, wird dick und bricht an seinem Grab zusammen. Doch sie kann sich befreien, sowohl von ihren Kilos wie auch von ihrer Trauer. Wieder schlank, findet sie dort, wo ihre Liebe ihren Höhepunkt erfahren hat, ihre Ruhe wieder.

Anne, wie immer ist das alles schön geschrieben mit vielen gut beobachteten Details. Nur bleibt leider auch diesmal die Personenzeichnung auf der Strecke. Von deiner Protagonistin erfahre ich nicht viel mehr, als dass sie verliebt ist, Probleme mit ihrer Figur hat und den Tod ihres Mannes nur schwer verarbeiten kann.
Und leider bleibt auch er ein Mann wie viele andere, die mir in diesen Sonntagabend-Filmen begegnen: Er sagt, was man von ihm erwartet, er handelt genauso, wie wir es erwarten, ist ritterlich und macht ihr am Ende einen Heiratsantrag. Das alles ist schön. Das Unschöne, seinen Tod, thematisierst du nicht, deutest mit ihrer Gewichtzunahme und ihrem Tablettenkonsum nur an, dass er sie aus der Bahn geworfen hat. Woher sie die Kraft genommen hat, sich wieder zu fangen, bleibt ebenfalls unberührt. Anne, es tut mir leid, dass ist, so gut du es sprachlich wieder meisterst, für mich leider nur eine Aneinanderreihung von Klischees, die ich konsumiere, die in mir aber nichts hervorrufen, weder Empathie noch Nachdenklichkeit.

Noch ein paar Anmerkungen:

Während im Treppenhaus ein Kind wie besinnungslos schreit,

Wie geht besinnungsloses Schreien?

Er biss in sein Vierminutenei und das Gelb rann ihm in den Hemd(s)ärmel.
Nimmt er das ganze Ei in die Hand, beißt rein und dann rinnt …?

Louisa reichte ihm Servietten, die er mit zerstreutem Lächeln nahm und neben seinen Teller legte. Unbenutzt.

Ja, du möchtest ihn gerne als zerstreuten Professor zeichnen. Aber auch damit bleibst du
leider voll im Klischee.

Daniel machte sich auf den Weg, balancierte ein Stück auf den Kuchenheber und sah sie fragend an. Sie nickte, was sollte sie tun, und im nächsten Moment lag es vor ihr auf dem Teller.
Ich balanciere mit dem Kuchenheber ein Stück Kuchen auf den Teller, aber balanciere ich auch das Stück Kuchen auf den Kuchenheber?
Hier würde ich die Kommas in Punkte verwandeln:
Sie nickte. Was sollte sie auch tun? Im nächsten Moment lag es vor ihr auf dem Teller.

"Pass auf, wir zwei genießen jetzt den Kuchen, infolgedessen gibt es schönes Wetter, wir gehen weit raus ins Watt und abends auf dem Deich bis runter zur Alten Liebe. Also, jede Menge Bewegung! Besser als bei Regen im Hotelzimmer zu hocken, oder?"
Siehst du, ich hab Recht, schienen seine Augen zu sagen, das ist alles in sich logisch, was ich dir erzähle.
Jetzt fehlt nur noch: Ich schau dir in die Augen, Kleines.

Aber nein, er toppt es auf andere Weise:

"Genießen! Du musst jeden Bissen auskosten, das ist wichtig. Versprochen?"

Daniel lehnte sich zurück. "Das wird sowas von schön. Ich werd im Watt ein paar Fotos von dir machen."
so was

Louisa strich ihre Haare aus dem Gesicht und wandte den Blick zur Rettungsbake, an deren Fuße der braune Algenfilm Blasen warf.
‚an deren Fuße’ Das ist die Diktion der ‚Gartenlaube’.

Und das auch:

Er schüttelte den Kopf und begann, in seinem Büchlein zu blättern.

Nachdem ich mit Gießen fertig bin, sinke ich auf die Knie und in mir bricht der Deich.
Mit diesen oft gebrauchten Metaphern habe ich so meine Probleme, das weißt du.

Louisa schüttelte den Kopf.
Gleichwohl sie noch zwei Priele vor sich hatten und es Zeit war, zum Strand zurückzugehen.
Auch dieses Wort kommt mir wie aus einer anderen Zeit vor. ‚obwohl’ täte es für mein Empfinden auch. Und den NS würde ich gleich mit dem HS verbinden.

Weil sie einen Narren an ihm gefressen hatte.

s.vorletzte Bemerkung

In Farben gedacht verkörperte er lichtes Blau und sie dumpfes Schwarz.
Diese Farbsymbolik kann ich der bisherigen Charakteristik nicht entnehmen.

Bis er liegenblieb (liegen blieb). Beim Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge dran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz.
Woher so plötzlich ein so verstörender Gedanke? .. und ein Mensch zerbräche ???

Ich steche mit der Gabel hinein, schließe die Augen und lasse den erste(n) Bissen auf meiner Zunge zergehen: weichen(r?) Hefeteig, fettige Mandeln, krachenden(r?) Zucker. Diese Geschmacksexplosion will ich auskosten und dafür lasse ich mir Zeit.
‚Geschmacksexplosion’ ist ein in vielen Kochsendungen ziemlich häufig auftauchender Begriff, den ich hier weglassen würde. Er schwächt in seiner Wucht mMn die Information, dass sie jetzt wieder ‚kosten’ und ‚sich Zeit lassen’ kann.

Liebe Anne, es ist wie immer: Ich bewundere deine sprachlichen Fähigkeiten und dein feines Gespür für Details, aber ich komme auch hier mit der Klischeehaftigkeit deines Textes nicht zurecht. Das liegt aber vermutlich eher an mir und meinen Vorlieben.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Anne, wie so oft habe ich zuerst deinen Text gelesen und mir paar Gedanken dazu gemacht, dann erst die Kommentare. Mach ich oft so, um mich nicht "anstecken" zu lassen. Aber hier war mein Eindruck wie der von barnhelm oder auch Chutney.

Dass du gut schreibst, das weißt du, also kümmere ich mich nicht um Details.
Ich finde übrigens auch nicht, dass die Figuren eindimensional oder ErsteProgrammfernsehen sind (manchmal will man ja auch die Idylle, um den Konflikt rauszuarbeiten). Was aber völlig unausgeführt ist, sind die Konflikte. Du hast mehrere in deinem Text angelegt.

- Spaziergang selbst, der von dir so aufbereitet wird, als könnte er schief gehen
- Tod Daniels
- Trauerbewältigung und hier explizit als Kampf um die 38er Figur (Himmel noch mal, das will ich eigentlich nicht lesen sowas, das ist echt abseitig - aber gut, persönlicher Geschmack) (Dazu fällt mir ein: In Frankfurt gibt es gerade eine Aussstellung: "I am a problem". Eine Ausstellung über den Zwang und den Reiz und den Schaden der Selbstoptimierung. War zum Teil echt bizarr. Mit dem Darm von Maria Callas, die laut Mythos einen Bandwurm in Champagner zu sich nahm, um sich schlank fressen zu lassen. )
- Ihr Mann füttert sie. Ich meine damit die Frühstücksszene. Da überbetonst du diese Fütterei. Er überredet, ja drängt sie ja richtiggehend. Und das finde ich das eigentlich Spannende an deiner Geschichte. Das könnte in drei Richtungen interpretiert werden, entweder er zeigt ihr den Genuss (fragt man sich, warum kann sie nicht genießen) oder er füttert sie, weil er das irgendwie gut findet (Fragt man sich, was unter der Decke dieser Heile-Weile-Welt fürn Perverskram brodelt. Will er sie dick haben oder was?) Oder du willst hier anlegen, dass und warum sie so frisst, nachdem Daniel gestorben ist. Sie frisst dann nicht nur, weil sie traurig ist, sondern sie opfert ihm praktisch ihre Figur, ist so von ihm konditioniert worden. Und die Geschichte will zeigen, dass sie da wieder rauskommt.
Dann wäre das Thema also Trauerbewältigung der Frau, die ihren Kummer mit Essen bewältigt, das ihr Geliebter ihr erst "schmackhaft" gemacht hat.
Aber alles müsstest du erst mal durchführen.

Was ich sagen muss, ist, dass diese Konflikte alle nur vorkommen, sie werden nicht ausgeführt oder gezeigt, sie sind nur angelegt, nur angedeutet. Und deshalb fragen sich auch viele, ich auch, was du eigentlich erzählen willst. Du zeigst die Person nicht innerhalb des Konfliktes, sondern (außer bei dem Spaziergang) erst danach. Da ist dann alles schon passiert.

Was ich persönlich echt stark finde, das ist diese Fütterszene. Und das wäre auch für mich der Ansatz zu dieser Geschichte. Da ist so viel angelegt, aber du müsstest das rauskitzeln. Müsstest den Faden halt weiterspinnen. Ich denke mir, du persönlich willst den Daniel da nicht böse oder abgründig zeigen, sondern lebenslustig. Und dass sie durch ihn genießen lernt. Aber dazu musst du mehr auf den Konflikt eingehen, den sie da hat, dieses Schwarzmuschelige, das sie nicht wirklich leben lässt. Und dass dann - Tragik - ausgerechnet das, was sie zum Leben führen soll, sie so an den verlorenen Mann bindet, dass sie sich zufrisst und der Kampf um die Schlankheit gleichzusetzen ist mit ihrer Bewältigung.
Mein Ding wäre ja eher, dass er pervers füttert. :D

Was ich gar nicht gerafft habe, das ist die Miesmuschelsache. Okay, ich hab verstanden, dass du durch diese Analogie ihre unterschiedlichen Eigenarten zeigen oder in den raum stellen willst. Aber es ist eher metaphorisch ausgedrückt und weniger durchgeführt. Und der Stellenwert der einen zitierten Stelle wäre mir immer noch nicht klar.

Also ich finde, deine Geschichte ist schön geschrieben - ich denke nur an den Spaziergang und die Landschaftsbeschreibungen - und sie enthält ein Wahnsinnspotential. Du musst es nur überhaupt erst mal angehen.

Viele liebe Grüße an dich
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Anne49,

ich finde nicht, dass Deine Geschichte zu seicht ist. Liebe und besonders das Verliebtsein ist immer ein bißchen kitschig, da kann man machen was man will. Die Charaktere in einer so kurzen Geschichte noch stärker herauszuarbeiten, ist sehr sehr schwer. Und länger dürfte sie nicht sein.
Womit ich in Deiner Geschichte nicht zurechtkomme, ist der Zeitablauf. Du versuchst die Geschichte interessanter zu machen, in dem Du wie in den modernen Romanen die Geschehensabläufe ineineander verflichtst (verflechten tust ;) ).
Das funktioniert bei einer Kurzgeschichte nicht. MMn kann man eine KG zwar mit dem Ende einleiten, muß dies aber durch wörtliche Widerholungen am Ende ganz deutlich machen. So kann der Leser sich auch in der gebotenen Kürze zurechtfinden (ohne hin und her zu scrollen).
Da würden vielleicht auch die Problematiken, die Du in der Frau angelegt hast besser herausgearbeitet werden können.

Viele Grüße
Branwen

PS: Das Wort "gerippelt" gibts im Watt :)

 

Liebe Anne49,

heute bin ich gar nicht speedy oder oder flitzemäuschenschnell (Isegrims), weil ich schon etwas müde bin vom vielen Lesen und Kommentieren, aber auch, weil deine Geschichte mich zu ein paar grundlegenden Gedanken veranlasst.

Wir erfahren nicht, wie der Verlobte gestorben ist und wo sich das Grab befindet. In offshores Geschichte "Witwer" erfahren wir es auch nicht, was teilweise kritisiert, aber dann doch durch den Kunstgriff mit dem Titel akzeptiert wird. So ein Kunstgriff fehlt mir hier.

Bei dem Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge daran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz.

Wie ist das zu verstehen?
Hat Louisa so einen Unfall schon mal erlebt und ist ein ihr nahestehender Mensch auf diese Weise gestorben? Rührt daher ihre schwarz gefärbte Stimmungslage, aus der sie ein fröhlicher Professor mit viel, für mich etwas überdrehtem Eifer, herauslockt, sogar mit dem Ring der Ringe?

Oder ist Louisa eine norddeutsche Spökenkiekerin, die nicht an dauerhaftes Glück glauben kann und darf?

Du siehst, diese Fragen kannst du nur beantworten, wenn du dem Leser tiefere Einblicke in die Seelenstruktur deiner Prota gewährst. Du musst das Geheimnis lüften, auf die eine oder andere oder ene dritte Art.

Dann hat mich auch der öfter schon erhobene Vorwurf von Klischeehaftigkeit beschäftigt.

Für mich muss ein Klischee von seinem Inhalt her nichts Verkehrtes sein. Was tausendmal gehört oder gelesen wurde, ist es deswegen nicht a priori falsch. Das Bild von der Muschel und den Muschelsuchern ist uralt. Du und ich und Kanji, da gehe ich jede Wette ein, sind schon auf Muschelsuche am Strand unterwegs gewesen. Wenn man Kinder hat, sowieso. Kein Urlaub, an dem nicht zuhause die Muscheln erst auf der Fensterbank, dann im Garten, schließlich im Kompost landeten.:lol: Vielleicht ist das Muschelbild deshalb etwas verbrannt.

Und der zerstreut-chaotisch-jugendliche Professor mit dem kindlichen Gemüt, der sich als wahrer Ritter manifestiert, ist schon stark idealisiert. Ist er deshalb ein Klischee, das man vermeiden muss?

Ich könnte mir vorstellen: Jedes Bild, das du verwendest, jagst du durch eine strenge Prüfung, ob du es wirklich brauchst für die Intention deiner Geschichte. Wenn du mit ja antworten kannst, wenn es genau das ausdrückt, was du sagen willst, dann behalte es, egal, ob es sich um eine Klischee handelt oder nicht. Zwanghaftes Poetisieren meine ich aber nicht damit. Es ist schon die berühmte Suche nach den zu killenden Darlings, und alle haben damit zu kämpfen ...

Gut gefallen haben mir deine Natur-und Landschaftsbeschreibungen, auch die Dialogführung hat mich überzeugt.

Falls du nicht zu enttäuscht bist von den bisherigen Kommentaren, so glaube ich, es könnte sich lohnen, am Text weiterzuarbeiten. Dann finden sich bestimmt auch Perlen in den blauschwarzen Miesmuscheln.;) Achtung! Klischee!

Herzlichst

wieselmaus

 

Hallo Anne49,

mir hat deine Geschichte sprachlich sehr gut gefallen, inhaltlich habe ich noch kleine Schwierigkeiten.
Ein paar Anmerkungen:

schlurfe ich zum Frühstück in die Küche
Das klingt für mich so, als wäre sie beim betreuten Wohnen, wo sich in der Küche die anderen schon zum Frühstück versammelt haben - vielleicht "schlurfe ich in die Küche und stopfe ..."

stopfe Nutellatoast in mich rein, den Kaffee trink ich schwarz.
trinke - ich weiß, soll schnell gehen, aber dann auch stopf :klug:

Die extra Karstadt-Szene zerstückelt für mein Empfinden das Ganze zu sehr, vielleicht kann sie sich ja beim Frühstück oder beim Anziehen daran erinnern, wie das bei Karstadt war ...

Daniel machte sich auf den Weg, balancierte ein Stück auf den Kuchenheber und sah sie fragend an. Sie nickte, was sollte sie tun, und im nächsten Moment lag es vor ihr auf dem Teller.
"Ich weiß nicht", murmelte sie.
Das Ganze ist mir zu bedeutungsschwanger, das sie das so murmelt und alles, dabei hat sie doch einfach nur Angst, fett zu werden, wie wir alle ... Aber dass das später ihr Problem werden wird,
weiß sie ja jetzt noch gar nicht.

Als Louisa die Kuchengabel zum Mund führte, hielt er ihre Hand fest und sah ihr in die Augen.
"Genießen! Du musst jeden Bissen auskosten, das ist wichtig. Versprochen?"
Da fühle ich mich als Leser zu sehr mit der Nase drauf gestoßen - für meinen Geschmack müsste diese Message mehr zwischen den Zeilen rüberkommen.

Mittags mache ich mich auf den Weg zu ihm. Um niemandem zu begegnen, nehme ich den Pfad hinter den Gärten, vorbei am Bach und der Dogge vom Jacobsen
Vielleicht habe ja nur ich hier dieses Problem - der Name Jacobsen klingt für mich so nach Küste und Meer, dass ich erst nicht kapiert habe, wo diese Szene spielt. Gut, ich weiß es auch nicht,
aber wenn die beiden am Meer Urlaub gemacht haben, wohnen sie wahrscheinlich woanders.

fettige Mandeln
fettig klingt eklig - soll aber lecker sein, oder?

Mit der Erinnerung im Herzen und dem Muscheleimer in der Hand laufe ich los.
Finde ich einen sehr schönen letzten Satz, aber das Herze macht mir es dann doch etwas kitschig, auch wenn es natürlich stimmt.

Viele Grüße
von Raindog

 

Hallo Anne,

deine neue Geschichte hat mir insgesamt gut gefallen, du baust die Spannung gut auf, aber dann zerfasert es etwas für mich. Erstmal bin ich auch mit diesen Perspektivwechseln nicht klar gekommen, kurz dachte ich sogar, die Ich-Erzählerin ist Kommissarin, die sich aufmacht, den Tod Daniels aufzuklären. ( Hahaha. Das würde zum sonntäglichen Tatort passen ...) Aber das dachte ich wirklich nur kurz.
Also so wie ich es verstanden habe, nimmt Louise Diätpillen, denn eine Hand voll Psychopharmaka schmeißt man sich wohl nicht so gleich nach dem Aufstehen rein, aber wer weiß. Jedenfalls würde zu den Diätpillen auch die Szene im Karstadt passen, die eben zeigen soll, wie es um Louises Figur bestellt ist. Nur weiß ich eben nicht, ob es hier diese Ausführlichkeit braucht, weil die dreiste Verkäuferin ja sonst keine Rolle in der Geschichte spielt. Mich persönlich verwirrt das eher.
Mir hätte es auch besser gefallen, wenn die Perspektive stringenter wäre, also entweder ganz Louise oder ganz Ich. Den Rückblick finde ich eigentlich nicht schlecht, aber wie schon von anderen erwähnt wurde, fände ich es auch besser, wenn gesagt würde, wie Daniel gestorben ist und was das mit diesser Wattwanderung zu tun hat. Klar wäre es zu vorhersehbar, wenn Daniel bei dieser Wanderung plötzlich stirbt, mit Louises Verletzung fühlte ich mich da schon ziemlich spannend auf die falsche Fährte gelockt, aber das so gar nicht gesagt wird, was denn nun passiert ist, fand ich etwas unbefriedigend. Das war ein bisschen so, als hätte man versehentlich ein paar Absätze übersprungen. Wenn das noch mit reinkäme, der Grund, warum Daniel plötzlich nicht mehr ist, wäre die Geschichte schlüssiger für mich.
Zwei Sachen sind mir noch aufgefallen:"Wir zwei ... Du und ich ..." Also das klingt schon sehr nach Vorabendserie, sorry. Ich denke, der Antrag wirkt auch, wenn du das weglässt.
Die Lehrbuch- Beschreibung der Miesmuschel hätte es für mich auch nicht gebraucht. Sicherlich hat das einen bestimmten Zweck, aber den hab ich nicht so ganz begriffen.

Ansonsten fand ich es aber wie immer gut und plastisch geschrieben, und ich habe die ganze Zeit mitgefiebert, weil ich dachte, da passiert noch was in diesem Watt. War als Kind viel an der Nordsee und kann mich noch gut daran erinnern, dass meine Eltern einen Gezeitenkalender hatten und mir ständig eingetrichtert haben, ich soll nicht zu weit rauslaufen und mit der Flut aufpassen.
Insgesamt also gerne gelesen.

Liebe Grüße von Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Anne49,

erst mal finde ich deine Geschichte sehr schön, traurig und freue mich immer, wenn die Hauptperson ihre Kriese überwinden kann.

Was mich im Lese- und Verständnisfluss allerdings etwas unterbrochen hat, war der Perspektivenwechsel. Zuerst die Ich-Form und dann dritte Person.

Dass ich dazu am Anfang noch den Verdacht hatte, dass die Protagonistin arbeitslos und drogensüchtig ist, hat mich weiter verwirrt. :-D


Mir kommt Daniel an diversen Stellen etwas kontrollierend vor (Kuchen aufdrängend, Tagesprogramm bestimmmend, ...) und dass er gleich zu Beginn sein weiches Ei verteilt hat mich auch eher abgeschreckt, aber später ist er fürsorglich und beschützend und Louisa ist nun mal verliebt in ihn.

Ich liebe dein Kuchenbeschreibung, habe jetzt auch Appetit bekommen! ;-)


Einige haben kritisiert, dass man die Überwindung des Konfliktes nicht mitbekommt (dass wurde an meiner Geschichte übrigends auch kritisiert), aber wie will man das -auch im Rahmen einer Kurzgeschichte- überzeugend darstellen? Ich kann ds jedenfalls (noch) nicht beantworten.

Alos vielen Dank für die Geschichte mit den schönen Szenen.
LG, Svea

 

Ihr Lieben, ich bin gerührt und dankbar angesichts eurer facettenreichen Kommentare!

Ursprünglich hatte ich vor, den Text noch bis 2018 reifen zu lassen. Die ganze Zeit habe ich auf eine Eingebung gewartet, weil mir schon bewusst war, dass der noch unrund ist.
Na ja, irgendwann bestand die Eingebung dann darin, dass ich den Entwurf so poste. Ich denke, das war die richtige Entscheidung.
With a little help from my friends ...
Bin dabei, ihn behutsam zu entschmalzen, und es wird wohl noch eine Szene hinzukommen. Eure Kommentare arbeiten in mir ...

Lieber wegen,

schön, dass du vorbeigeschaut hast!

zugewieselt - tolles Wort.
Ja, nicht? Musste dabei auch an die wieselmaus denken! (Wieselmaus, über deinen weisen Kommentar hab ich mich besonders gefreut).
Da das jetzt in der Vergangenheit spielt, ist 9 Uhr vom ersten Absatz und jetzt 10 Uhr etwas verwirrend.
Ich fürchte, wegen, da musst du durch ...
Einen unbestimmten Artikel fände ich hier schöner.
Ich nicht. Ich erzähle personal. Es liegt genau ein Zettel auf dem Tisch, und zwar der vom Hotel, da stehen die Wettervorhersage und die Wattwanderzeiten drauf. Und den Zettel, mit bestimmtem Artikel, meine ich.
Wozu gehört das Fragezeichen? Nur zu dem hm, oder? Von wem ist der Zettel? Sie sitzt doch mit am Tisch?
Das Fragezeichen gehört zu dem 'hm', genau.
Du willst nicht beleuchtet schreiben, aber so klingt es, als ob der Turm in Flammen steht. Befeuert wird z.B. ein Ofen. Vlt. hell scheinender/strahlender?
Ein Leuchtturm wurde früher auch befeuert, deshalb heißt es ja Leuchtfeuer.
Sie nickte, was sollte sie tun, und im nächsten Moment lag es vor ihr auf dem Teller.
Der Satz klingt etwas unlogisch.
Der Einschub ist ein Gedanke von Louisa. Ich wollte keinen Extrasatz mit Fragezeichen draus machen, das erschiene mir zu abgehackt.

Louisa strich ihre Haare aus dem Gesicht und wandte den Blick zur Rettungsbake, an deren(derem ?) Fuße der braune Algenfilm Blasen warf.
Mein ursprüngliches Pronomen klingt in meinen Ohren richtig. Du hast ein Fragezeichen dran. Muss ich mal den Friedel fragen ...

Alte Liebe -
vlt. den Eigennamen besser kursiv?
Gekauft.
über den Rand geschwappt?
Nein, über die Schuhe geschwappt. Deshalb haben die Kalkränder.
Die Verbindung zwischen Es brechen einem alle Dämme an Daniels Grab und dem Deich aus dem Urlaub ist mir ein wenig zu gewollt. :Pfeif:
Ja. Darüber hab ich mir auch Gedanken gemacht und das hab ich mir schon gedacht, dass das artifiziell wirken könnte. Ich hab das jetzt mal versuchsweise gekillt: Sie sinkt auf die Knie, fertig. Apropos 'Kill your darlings': Der Schlussatz lautet jetzt: 'Mit den Turnschuhen im Rucksack und dem Muscheleimer in der Hand laufe ich los.' Die 'Erinnerung im Herzen' ist weg.

Da fehlt mir was zwischen dem Blut tropfen und desinfizieren. Ist sie Barfuß? Müsste dann nicht erst der Schlamm ab? Oder sie zieht mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Schuh aus?
Klar ist sie barfuß. Das steht im letzten Absatz. Ich weiß, was du meinst, aber eigentlich widerstrebt es mir, das noch kleinschrittiger zu beschreiben. Bzw. ich stell mir vor, dass da nur so ein dunkler Strich im Schnitt ist und da sprüht Daniel das Spray einfach drauf.
Freute sich finde ich nicht passend, vlt. sehnte sich nach…
Sie befindet sich ja gerade darauf. Sehnen würde sie sich danach, wenn sie jetzt in einem Schlickfeld wäre und nicht auf festem Sandwatt.
In Farben gedacht verkörperte er lichtes Blau und sie dumpfes Schwarz. -
Och, denkt sie (schon jetzt) so von sich selbst? :(
Ja, das ist auch so ein sehr abstrakter Satz, stimmt schon. Diese Farbsymbolik ... Ich hab den Satz jetzt mal versuchsweise gekillt.

Beim Gedanken, der Gleiter wäre groß, ein Mensch hinge dran und zerbräche, verkrampfte sich Louisas Herz. Sie suchte Daniels Hand und umschloss sie. -
Warum versetzt sie diese Vorstellung so übermäßig in Panik?
Genau, das ist die Frage! Da gäbe es wohl mehrere Möglichkeiten, aber eines ist sicher: Es legt sich ein Schatten über die Idylle.

Warum spricht sie ihn jetzt persönlich an? Damit dieser Wechsel richtig beim Leser rüber kommt, könntest du das noch ausbauen, vlt. als Brief an ihn.
Also, dieser Perspektivfehler - wenn es denn einer ist - der ist mir schon sehr bewusst. In der mittleren Rückblende, auf dem Friedhof, hab ich geschrieben: 'Mittags mache ich mich auf den Weg zu ihm.' Eigentlich müsste es heißen: 'zu dir'. Ich wollte es da aber mit mehr Distanz. Daniel liegt in seinem Grab und ist 'er', nicht 'du'. Vielleicht ist sie zu dem Zeitpunkt auch sauer auf ihn, dass er die Unverfrorenheit besessen hat, zu sterben.

Yoah, Brief ... Ich selbst würde im Leben nicht auf den Gedanken kommen, einem Verstorbenen einen Brief zu schreiben. Ich weiß nicht, wie ich das schreiben soll. Ich glaub, ich kann das nicht. Das wäre dann sogar mir zu kitschig. Louisa schreibt eine Art Tagebuch.

Besten Dank für deinen hilfreichen Kommentar und auch fürs Raussuchen der Tippfehler, die sind verbessert!

LG, Anne

 

Hallo Anne49,

*
Zitat von*wegen*

über den Rand geschwappt?


Nein, über die Schuhe geschwappt. Deshalb haben die Kalkränder.
Ah, jetzt seh ich es. :)
Das andere auch.

Machs nicht zu trocken. So nen bisschen Schmalz in einer Geschichte ist doch ganz schön. :shy:

Viele Grüße
wegen

 

Liebe Anna,

mir hat die Geschichte sehr gut gefallen, gerade weil sie nicht alles vorkaut und der Leser mitdenken muss.
Die Protagonistin erfährt eine Wandlung, und in diesem Zusammenhang sehe ich auch den Perspektivwechsel, nämlich Ich-Erzähler und die Rolle der Louisa.
Louisa kommt tatsächlich etwas unterkühlt rüber und ich denke, das ist gewollt. Ihre "Miesmupfeligkeit" macht sie nicht besonders sympathisch. Selbst in ihrer Stunde des Heiratsantrages sieht sie irgendwelche nicht vorhanden Gefahren.
Die Protagonistin versteht diese Louisa vielleicht selber nicht mehr so richtig.
Warum sieht sie die Muscheln nicht farbig zu einer Zeit ihres größten Glückes? Warum genießt sie das Leben nicht mit ihrer großen Liebe?
Dass Louisa ihren Daniel sehr lieben muss, macht das Bild vom kleckernden Daniel deutlich.

Brötchenkrümel hingen an seinem Sweatshirt, am Kinn, einfach überall. Er biss in sein Vierminutenei und das Gelb rann ihm in den Hemdärmel.
Dieses Bild vom kleckernde Daniel ist schon etwas abstoßend und man muss schon heftig verliebt sein, es nicht abtörnend zu finden.
Auch Daniel scheint sie sehr zu lieben, obwohl er sie gerne heiterer hätte. Er verstaut den Muscheleimer im Rucksack neben seiner teuren Kamera.
Er redet teilweise mit ihr wie mit einem kleinen Kind. Das stört mich an dieser Figur ein wenig.
Pass auf, wir zwei genießen jetzt den Kuchen, infolgedessen gibt es schönes Wetter,
Unter verliebten, jungen Leuten passt das meines Erachtens nicht. Dieses Verhalten als Ausdruck der Liebe passt eher zu einem Liebespaar in reifen Jahren. Ich hatte die beiden auch relativ alt vor Augen in dieser Passage. Erst durch die Passagen der Ich-Erzählung wurde mir klar, dass meine Vorstellung falsch war.
Aus all dem geht aber letztendlich eine Louisa hervor, die nach einer Zeit der Trauerphase gereift ist, genießen kann, so wie sie es bei Daniel gelernt hat, mit Maß, aber ohne Reue. Sie scheint zu sich selber gefunden zu haben. Ihre Bluse ist nicht blau, aber auch nicht schwarz, sondern eine Symbiose von beiden, sie ist bei ihrem Ich angekommen.
Diesen Perspektivwechsel von Ich-Erzähler und Louisa finde ich genial in diesem Zusammenhang.

Ich habe deinen Text mit großer Freude gelesen und deine Wortmalereien sehr genossen.
Kitschig und Klischeehaft? Nein, so sehe ich das gar nicht.

Liebe Grüße

Mata

 

Hallo Nichtgeburtstagskind,

gerade eben habe ich eine leicht veränderte Version eingestellt, in der die Ursache für Daniels frühen Tod ersichtlich wird.

Von deinem wohlwollenden Kommentar war ich einigermaßen überrascht! Bei dir hatte ich mich auf Zerfetzmodus eingerichtet, zumal ich selbst mit meiner Geschichte noch nicht ganz zufrieden war. Und dann liegen deine Interessenschwerpunkte ja auch ganz woanders.

Wie von Sinnen schreien habe ich - entsprechend deinem Vorschlag - so geändert.

Louisa geht einkaufen, weil ihre Hosen alle zu eng geworden sind. In einer früheren (unpublizierten) Fassung stand das explizit drin, jetzt muss der Leser sich das erschließen.

Nutellatoast ist nicht nur minimaler Aufwand am Morgen, das sind schnell anflutende Kohlenhydrate, die je nach Disposition ein verheerendes Suchtpotential haben können. In stressfreien Zeiten kann Louisa das unter Kontrolle halten, in der akuten Trauersituation nicht. Als Essgestörte oder psychisch Kranke würde ich sie deswegen noch nicht bezeichnen bzw. in diese Richtung möchte ich ihre Figur nicht weiterentwickeln.

Der Perspektivwechsel ist so ein Experiment, bei dem ich auf die Rückmeldungen besonders gespannt war. Ich hab mir das so vorgestellt, dass die Rückblenden in der dritten Person wie ein Film mit mehr Distanz wirken. Bis jetzt hab ich noch kein schlagkräftiges Gegenargument gehört. Klar muss der Leser da aufpassen. Aber das muss er bei einer Kurzgeschichte ohnehin.
Ja, und vielleicht sieht Louisa die Wattwanderung in diesem 'Film' auch ein wenig verklärt.

Schön, dass dir Daniel gefällt. Teilweise wird er ja auch als zu kontrollierend wahrgenommen.

'Niemals zuvor waren Louisa und Daniel so weit draußen' hab ich bewusst ohne 'gewesen' geschrieben. Friedel hat mich davon überzeugt, dass es das nicht explizit braucht.

Weil sie einen Narren an ihm gefressen hatte. -
Das hört sich komisch an. Das sagt man, wenn man sich grade kennengelernt hat und verknallt ist, oder? Und nicht wenn man sich verlobt.
Hehe, meinst du nicht, dass es Paare gibt, bei denen das zeitlich zusammenfällt?

Zu den Landschaftsbeschreibungen, die du teilweise als überflüssig empfindest: Na ja, ich bin halt selbst begeisterter Wattenlöper, insofern hat es mir viel Freude bereitet, das einmal aufzuschreiben, wie es da so aussieht. Die ganzen Details, wie den vom Algenfilm klebrigen, gerippelten (das Wort gibt es) Wattenboden, die Tiere.

Den grünen Seetang hab ich vergessen, fällt mir da gerade auf. Aber der würde nicht zur Farbsymbolik passen. Ach ja, den einen superabstrakten Farbsymboliksatz hab ich übrigens gekillt, den hatte Wegen auch angesprochen.

Die letzten Szenen nach dem kursiven Buchtext über die Miesmuscheln, da hat die Zeit dann gearbeitet, da hat Louisa einen großen Teil der Trauerarbeit geleistet.

Ich danke dir für deinen Besuch und für deine wie immer sehr hilfreichen Eindrücke und Überlegungen.

LG, Anne

 

Hallo zusammen,

ich habe gerade beruflich viel um die Ohren, deshalb geht es mit den individuellen Antworten diesmal leider langsamer voran - sorry!

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Hi Chutney,

ungefiltert ist gut (jetzt ohne Ironie). Vielen Dank für deine Anmerkungen!

Du hast recht gut die Bedenken verbalisiert, die ich tief in mir verspürt habe und z. T. immer noch verspüre. Ich hatte schon beim Posten das Gefühl, dass da etwas fehlte, wollte dann aber doch wissen, wie die Geschichte so wirkt. Und dass sie nicht jedem gefallen würde, das hab ich mir auch schon gedacht. Mal sehen, wie ich sie noch aufpolieren kann.

Du hast viele Fragen gestellt und dabei steht die Muschel doch als Symbol für ein Geheimnis! Darüberhinaus steht sie für Verletzbarkeit.

Was Louisas Trauer betrifft, da hilft und heilt nur die Zeit, denke ich. Das auszuwalzen, wäre ein Roman. Zwei Geschichten, so wie von dir vorgeschlagen, werde ich nicht daraus machen. Dass da Brüche sind in Louisas Verhalten, ja das stimmt schon, da hast du Recht. Weiß noch nicht, wie bzw. ob ich das löse.

Am Anfang der Geschichte nimmt sie Psychopharmaka (im Entwurf stand lange Zeit 'Scheißegalpillen'), sie kompensiert ihre Trauer durch übermäßiges (suchtartiges) Essen.

Mit Daniel im Hotel: Interessant, dass du das mit der betulichen Tante geschrieben hast. So schlimm sehe ich sie da nicht. Aber klar, er ist der Lebenslustigere. Er zeigt ihr, wie man ein Stück Kuchen mit Genuss isst, ohne Reue, und das dann hinterher bei der Wattwanderung wieder verbrennt.

Neu hinzugekommen: Sie entsorgt die zweite Gleitschirmausrüstung von ihm auf dem Sperrmüll. Damit ist die Todesursache hoffentlich klar. Vorher war die Andeutung mit dem abstürzenden Lenkdrachen sehr vage. Also, ein loses Ende weniger, hoffentlich. Jetzt steht vor der Friedhofszene:

Morgen ist Sperrmüll. Ich hole seine Sachen aus dem Abstellraum und lege alles an den Rand des Bürgersteigs. Das Gurtzeug, die blaue Schirmkappe. Von der Sonne geblendet stolpere ich beinahe über ein gottverdammtes Dreirad. No risk, no fun, hat er gesagt und ich habe dazu geschwiegen - Miesmuscheln sind leise Wesen.

Louisa spricht zu dieser Zeit von ihm nur in der dritten Person. Ich würde sagen, sie ist nicht nur traurig, sondern auch wütend auf ihn. Neuer Satz auf dem Friedhof: "Sie schweigen beide." Hoffe, das reicht, um das auszudrücken.

Dann wieder zurück zur Wattwanderung. -- Und am Ende wieder im Hotel, wenn ihre Trauer ein reiferes Stadium erreicht hat, dann spricht sie in Gedanken mit ihm. Da heißt es nicht mehr 'er', sondern 'du'. Sie genießt den Kuchen, wendet das von ihm Gelernte also an, und neu: Sie sieht - anscheinend gelassen - den neonfarbenen Rauten (=Drachen) am Himmel hinterher.

Den schmalzigen Schlussatz hab ich geändert, die 'Erinnerung im Herzen' ist weg. Da war ich von vornherein extrem unsicher und die Reaktionen der Wortkrieger haben mich bestätigt.

Ja, und der Perspektivwechsel, das war/ist ein Experiment von mir, soll dazu dienen, mehr Distanz zu Louisas (verklärter?) Erinnerung zu schaffen. Die Rückmeldungen sind gemischt. Sicher macht es den Text nicht leichter zu lesen, aber ich seh nicht die Notwendigkeit, das jetzt in die Ich-Perspektive umzuschreiben.

Mir selbst kam es auch auf die Naturbeschreibungen an, es hat mir einfach Freude gemacht, das zu schreiben. (Egoistisch von mir, ich weiß. :lol:) Ein dialoglastiges Psychodrama wird diese Geschichte, denke ich mal, nie werden. Ich verspüre auch aktuell wenig Lust, die beiden im Watt über die Gefährlichkeit des Gleitschirmfliegens streiten zu lassen. Das wäre natürlich das offene Austragen des Konfliktes, der dieser Beziehung zu Grunde liegt. Aber Louisa ist in dem Moment die verschlossene Miesmuschel, die schweigt. Na, vielleicht sehe ich das irgendwann anders und schreib doch noch was, mal sehen.

Dir nochmal vielen Dank fürs Vorbeischauen und den sehr hilfreichen und differenzierten Kommentar! :thumbsup:

LG, Anne

 

Hallo liebe Anne49,

Neu hinzugekommen: Sie entsorgt die zweite Gleitschirmausrüstung von ihm auf dem Sperrmüll. Damit ist die Todesursache hoffentlich klar. Vorher war die Andeutung mit dem abstürzenden Lenkdrachen sehr vage. Also, ein loses Ende weniger, hoffentlich. Jetzt steht vor der Friedhofszene:
Morgen ist Sperrmüll. Ich hole seine Sachen aus dem Abstellraum und lege alles an den Rand des Bürgersteigs. Das Gurtzeug, die blaue Schirmkappe. Von der Sonne geblendet stolpere ich beinahe über ein gottverdammtes Dreirad. No risk, no fun, hat er gesagt und ich habe dazu geschwiegen - Miesmuscheln sind leise Wesen.

Ich finde es super, dass du Daniels Todesursache doch noch im Text erklärt hast, hätte aber ehrlich gesagt nicht von Gurtzeug, die blaue Schirmkappe , auch in Kombination mit dem gottverdammten Dreirad, auf Gleitschirmausrüstung geschlossen. :shy:


Ein dialoglastiges Psychodrama wird diese Geschichte, denke ich mal, nie werden. Ich verspüre auch aktuell wenig Lust, die beiden im Watt über die Gefährlichkeit des Gleitschirmfliegens streiten zu lassen. Das wäre natürlich das offene Austragen des Konfliktes, der dieser Beziehung zu Grunde liegt. Aber Louisa ist in dem Moment die verschlossene Miesmuschel, die schweigt.

Schade, würde Louisa gern mal zur Feuerqualle werden sehen :D . Vielleicht wenigstens ein zwei Gedanken von ihr, die ihre Ängste und Sorgen beschreiben?

Gern (wieder) gelesen.
Viele Grüße
wegen

 

"Nebel, stiller Nebel über Meer und Land.
Totenstill die Watten, totenstill der Strand.
Trauer, leise Trauer deckt die Erde zu.
Seele, liebe Seele, schweig und träum auch du."
Christian Morgenstern​

Großer Gott, durch den Titel kommt der Appetit, regieren doch noch einstweilen Monate mit "r", dann das geliebte Watt und der Gezeitenwechsel im doppelten Sinn, der Beginn Deiner Geschichte,

liebe Anne,

mit dem Einkauf von Trauerkleidung und dann ist Daniel ("Gott ist mein Richter") weniger in der Löwengrube als ... (mutmaßlich) im altfriesischen "wad" (= seicht, untief), bei entsprechend hohen Temperaturen ein nach Verwesung stinkendes und um so fruchtbareres Weltnaturerbe.

Hätt' ich gedacht ...
Nun gut, aber wofür stünde ein Absturz? Bekanntermaßen kommt doch der um, der sich nicht in Gefahr begibt. So also kann Schreibwerk ("wenn ich ein Vöglein wär ...", fällt mir auch noch ein) sich irren.

Da verspür ich nix seichtes in dieser Geschichte über Anfang und Ende (zur sonntäglichen Alternative zum Tatort kann ich nix sagen, weder als Buch noch Verfilmung. Bestseller sind mir immer verdächtig!) einer Liebe, die allemal über den Tod hinausreicht.

Triviales

Besser[,] als bei Regen im Hotelzimmer zu hocken, oder?"
(nicht nur, weil die Infinitivgruppe mit "als" beginnt und einem vollständigen Satz angehört und von Substantiven abhängt, sondern auch, um von der Ellipse getrennt zu werden ...

..., an deren Fuße ...
Bleibt "Fuß"nicht "Fuß", mit Ausnahme im Genitiv?

"Hör mal, hier steht: Die Essbaren Miesmuscheln ...
Mag ja da so stehen, aber die "essbaren" Muscheln wird er meinen ...

Flüchtigkeit, wortlos

Ich habe keine Taschentücher einstecken, wische Rotz an den Ärmel.
"Und an Land hab einen Ring für dich."
Am letzten Muschelfeld, wenige Meter vorm Strand[,] hielt er an und blätterte ...

So, gleich kütt der Musicus und der Friedel frohlocket undsagt Luja ..., darum so kurz.

Bis bald

Friedel

 

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