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Der Zuhörer

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26.04.2002
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Der Zuhörer

Der Zuhörer

Das aufdringliche Klingeln eines Telefons riss ihn aus nächlichen Träumen und alltäglichem Wahnsinn hinein in eine unwirklich scheinende Geschichte. Noch an der Existenz der Realität des Moments zweifelnd stürzte er stolpernd und suchend in die Richtung des penetranten Tons. Eine unbekannte Stimme wirkte verzweifelter als jede der anderen ihm unbekannten Stimmen und kannte seinen Namen. „Sie müssen mir helfen, bitte, Sie sind meine einzige Hoffnung.“ flehte sie und offenbarte ihm eine verworrene Kurzform ihres Lebens. Eine Anzahl komplizierter Gründe und Faktoren die mit ihrer Vergangenheit zu tun hätten zwingen sie dazu ihre Wohnung nicht zu verlassen...
Was ihn betrifft, müssen wir nicht viel wissen. Alles was vorher war ist nicht mehr wichtig. Dass er neben seiner Tätigkeit als Radioseelsorger auch privat ein Ohr für die Probleme seiner Mitmenschen und Freunde hatte und Gefallen daran fand seine eigenen Sorgen durch die anderer zu ersetzen mag helfen zu erklären, warum er sich gleich am morgen nach dem seltsamen Anruf auf den Weg machte, den Besitzer der Stimme zu treffen. Dieser hatte den Körper eines Mannes mittleren Alters und den Namen Daniel Quinn. Ängstlich öffnete er die Tür und ließ seine wie er ihn genannt hatte einzige Hoffnung in die einsam wirkende Wohnung. Quinns blasse Haut bildete einen unheimlichen Kontrast zu der düsteren Atmosphäre seiner Umgebung und liess seinen Besucher schaudern. Nach dem ersten Schreck erholte er sich jedoch bald und freundete sich schnell mit dem schüchternen Quinn an. Seine Geschichte interessierte und faszinierte ihn sehr und er willigte sofort ein ihm zu helfen.
Ob dieser Moment oder ein früherer darüber entschied, dass alles ausser Kontrolle geraten sollte ist schwer zu sagen. Fest steht nur, dass er von nun an all seine Gedanken auf Quinn und seine Sorgen konzentrierte.
Alles was er tun musste, um seinem neuen Freund zu helfen, war eine Frau zu finden um ihr eine glaubwürdige Geschichte über das Verschwinden oder besser den Tod ihres Liebsten zu erzählen. Sophie machte sich scheinbar ernsthafte Sorgen um den verschollenen Quinn. Kein Wunder, denn vor ungefähr einem Jahr hatte er jeglichen Kontakt zu allen Bekannten und Verwandten abgebrochen um sich hier in dieser winzigen Wohnung vor Irgendwem oder Irgendetwas zu verstecken. Doch sie gab die Hoffnung nicht auf, was unzählige Vermisstenanzeigen in diversen Tageszeitungen bewiesen.
Sie zu finden war nicht schwer, auch eine plausible Geschichte über den Tod Quinns zu erfinden fiel ihm leicht. Nur die Vorstellung, dieser Frau eine solch lebensveränderne Lüge zu erzählen und ihr dabei in die Augen sehen zu müssen, liess ihn nicht ruhig schlafen.
Als es soweit war, er vor ihrer Tür stand und in Gedanken noch ein letztes Mal den auswendig gelernten Monolog über Quinns tragisches Schicksal probte, überkamen ihn Zweifel. Was mache ich hier eigentlich, warum helfe ich diesem armen Irren während ich eigentlich an mein Leben denken und versuchen sollte, meine eigenen Probleme zu lösen? Eine Antwort fand er nicht, und als Sophie die Tür öffnete und ihn mit einem atemberaubend fragendem Lächeln ansah, vergass er die Frage und alles andere.
Ein sekundenlanges Schweigen liess ihn hilflos erscheinen. Ein zitterndes „Hi“ brachte er über die Lippen. „Ich kenne ihren Freund.“ Das fragende verwandelte sich in ein ratlos verwirrtes Gesicht.. „Daniel Quinn! ich habe ihre Anzeige gesehen, in der Times. Ich hab ihn vor einem Jahr..ähm, kennengelernt.“ Sie sah aus als würde sie ihn entweder gleich umbringen oder ihm um den Hals fallen wollen. Den Tränen nahe und völlig schockiert. „oh....wirklich?..äh..kommen Sie doch rein, bitte!“
Fragmentartig nahm er ihre Wohnung wahr; an der Wand ein Bild eines Künstlers, den er kannte, dessen Namen ihm aber nicht einfiel, ein grosser roter Sessel vor dem laufenden Fernseher, eine halbleere Weinflasche mit einem einzelnen Glas daneben auf dem Tisch, Bücher, überall im Zimmer verteilt. Nervös starrte sie ihn an, während er auf dem Sofa Platz nahm und anfing, eine neue, nicht zuvor auswenig gelernte Lüge über Quinn zu erzählen. Irgendetwas von einem Flugzeug und Europa und einer Überraschung für seine Freundin. Genau kann er sich später nicht mehr erinnern. Quinn selbst sagte er natürlich alles sei planmäßig gelaufen.
An diesem Morgen geschah etwas mit ihm, besser gesagt begann etwas mit ihm zu geschehen. Liebe? Vielleicht. Sicher. Aber nicht nur, da war noch etwas anderes, undefinierbares. Er fühlte sich so vollkommen anders, ein ganz neues Gefühl überkam ihn, das er versuchte zu ignorieren, weil es ihm Angst machte.
Von nun an besuchte er Sophie jeden Tag, die meiste Zeit redeten sie über Quinn. Sie erzählte ihm alles über ihn, gemeinsam rätselten sie über Quinns Verschwinden, während er sich immer mehr in sie verliebte. Doch fast noch mehr interressierte er sich für Quinn und das was wohl wirklich mit ihm geschehen sein mochte. Da Quinn ihm den wahren Grund für sein Versteckspiel nicht verraten würde, versuchte er es auf eigene Faust herauszufinden. Man könnte sagen er war besessen von Quinns Geheimnis, doch herausfinden sollte er es nie.
Einige Wochen später, immernoch auf der Suche nach einer Lösung und auf dem Weg zu Sophies Haus, traf er in dem Cafe, in dem er jeden Morgen frühstückte, einen alten Freund, dem er so oft ein guter Zuhörer gewesen war. Doch dieser erkannte ihn nicht und meinte das müsse ein Missverständnis sein.
Völlig durcheinander kam er zu Sophie, die ihm die Tür aufmachte, ihn ansah als hätte sie einen Geist gesehen, ihm Freudenstränen weinend um den Hals fiel, und ihn „Daniel“ nannte.

 

Hallo Nuwanda,

zunächst ein paar kleine Fehlerchen:
nächlichen -> nächtlichen
ausser -> außer
liess -> ließ (einmal hast Du es ja auch richtig geschrieben)
Genau kann er sich später nicht mehr erinnern. -> konnte
Eine unbekannte Stimme wirkte verzweifelter als jede der anderen ihm unbekannten Stimmen -> unlogisch, denn der Vergleich wäre nicht möglich, wenn er die anderen Stimmen nicht kennen würde. Ich weiß aber, was Du meinst: ... als die Stimmen der anderen Unbekannten.
Man könnte sagen ... -> Umgangssprache, einfach weglassen.

Nun zum Inhalt und zum Erzählstil.
Es gelingt Dir gut, den Leser in einer unwirklichen Atmosphäre zu fangen. Der Verzicht auf direkte Rede unterstützt dies wie ich finde, dafür zieht das Geschehen dadurch recht schnell am Leser vorbei.
Diese Sophie ist offenbar der Faktor X in der Geschichte - durch den Kontakt zu ihr scheint die Hauptfigur sich zu verwandeln, was auch erklärt, warum Quinn sich versteckt hält. Deutlich tritt zu Tage, dass man sich trotz guter Vorbereitung durch manche Situationen überfordert fühlt bzw. anders als geplant reagiert - obwohl ich das spontane Verlieben in Sophie doch etwas trivial finde. Du schreibst zwar auch von einem neuen, unbekannten Gefühl, aber das bleibt unspezifisch, und damit auch die Frage, ob Du abgesehen von der seltsamen Verwandlung noch mehr aussagen willst.

Fazit: sprachlich okay, gut erzählt, am Ende etwas diffus; interessante Idee, aus der Du noch etwas mehr rausholen könntest.

Uwe
:cool:

 

Hallo Uwe,
vielen Dank für dein Interesse an meiner Geschichte.
Mit der Rechtschreibung hapert's bei mir noch ein wenig, liegt vielleicht daran, dass ich meist nur zu Zeiten kreativ sein kann, in denen ich eigentlich im Bett liegen und träumen sollte.. und einem selbst fallen die eigenen Fehler beim durchlesen nicht so schnell ins Auge. Ich denke über deine Verbesserungsvorschläge nach.
Das nicht unbekannte Gefühl, von dem ich schreibe, bleibt absichtlich unspezifisch, ich habe mit meinem kleinen Experiment versucht, zum darüber nachdenken anzuregen und wollte nicht eine der Geschichten schreiben, in denen sofort alles klar und ersichtlich ist.
Kreative Interpretationen des Gefühls und der Geschichte selbst sind willkommen, ebenso wie weitere Kritik!

Gruß
Nuwanda

 

Hallo Nuwanda,

bei dieser Geschichte muß ich mich Uwes Meinung anschließen: Man findet nicht viele verwertbare Informationen und erfährt fast nichts über die Beweggründe der Darsteller:

Daniel Quinn verläßt seine Liebste und hält sich versteckt. Ein möglicher Grund wäre: Sie ist eine Quasselstrippe und geht ihm auf den Geist (sofern ich es richtig verstanden habe). Anscheinend hat sie sich so sehr in Quinn als Zuhörer verbissen, daß sie ihn über Rundfunk und Fernsehen suchen läßt und später sogar den armen Radioseelsorger als >Daniel- Ersatz< betrachtet. Der Radioseelsorger hält es wohl besser bei ihr aus (ist ja auch sein Beruf!), jedoch bleibt der Prozeß des Sich-Verliebens von beiden Seiten unwirklich, d.h. kaum nachvollziehbar.

Gute Idee, aber wie Uwe schon sehr richtig gesagt hat, könnte man mehr draus machen, z.B. die Charaktere präziser zeichnen und ihre Eigenschaften deutlicher herausstellen.

Schöne Grüße,
ababwa

 

Hallo ababwa,

ich stimme dir völlig zu, man erfährt nicht viel über die "Darsteller", soll man aber auch nicht. Wie ich geschrieben habe, ist alles was vorher war, nicht mehr wichtig. Quinns Beweggründe für sein Verschwinden sind ebenso unwichtig wie die Vergangenheit des Erzählers, der der eigentliche Zuhörer ist. Quinns Geschichte ist eine andere, übrigens wirklich existierende Geschichte. Ich hatte gehofft, dass vielleicht jemand "Stadt aus Glas" von Paul Auster kennt. Mit diesem "Vorwissen" könntest du vielleicht mehr mit meiner Geschichte anfangen.
Die Liebe zwischen Sophie und dem Erzähler/Zuhörer sollte hier nicht das Hauptthema sein. Die eigentliche Idee war, dass Quinn so sehr zum Zuhörer wird, sich so wenig um sich selbst kümmert und sein eigenes Leben völlig in den Hintergrund drängt, dass er buchstäblich seine Identität verliert und ein anderer Mensch wird. Seine Verliebtsein in Sophie ist vielleicht nur eine Art erstes Anzeichen dafür, dass er mehr Daniel Quinn als er selbst ist.

Gruß,
Nuwanda

 

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