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Der Mann ohne Gehirn

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28.10.2017
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Der Mann ohne Gehirn

Unter der linken Achsel des Mannes mit dem hängenden Kopf klemmte ein offenes Glas Bockwurst und mit jedem Schritt plätscherte ein wenig Wurstwasser auf die frisch gebohnerten Kaufhausfliesen. Er schob den Einkaufswagen mit schlurfenden Schritten an Petras Käsetheke vorbei. Sein Hemd hing in Zipfeln aus der Hose, die Haare waren fettig, der Hinterkopf kahl. Kurz hinter der Käsetheke hielt er an, griff in das Glas, angelte eine Bockwurst heraus, steckte sich die Spitze in den Mund und kaute genüsslich. Er schluckte und hielt das angebissene Würstchen nach vorne, zum Kindersitz. Der kleine Knirps mit dem grünweiß karierten Baseballkäppchen biss nach kurzem Zögern davon ab.
Petra sah während ihrer täglichen acht Stunden Käsetheke zwischen zwei und drei solcher Kandidaten vorbeigehen. Meistens vormittags, dann, wenn vernünftige Menschen arbeiteten, und meistens mit Kind im Einkaufswagen. Solche Kandidaten, das hieß Kunden, die ihre Einkäufe bereits im Laden öffneten, aßen und tranken.
Selbstverständlich hatte Petra nicht vor, sie daran zu hindern. Die Dinge, wie sie waren, waren gut so, wie sie waren. Klare Fronten. Zuständigkeiten und Nichtzuständigkeiten. Da war einmal die Käsetheke und auf der anderen Seite der Supermarkt. Und Petra arbeitete nicht für den Supermarkt. Petra arbeitete für Job&Sicher. Ein Tochterunternehmen der Käserei Jakobs mit Sitz in Luxemburg. Und ihre Aufgabe war es, Käse der Käserei Jakobs zu verkaufen, nicht, Kunden auf Punkt 7a der Hausordnung oder Paragraph 242 des Strafgesetzbuches hinzuweisen.
Jutta aus der Schuh-Abteilung, mit der Petra mittags manchmal Kaffee trank, konnte ein Lied von leeren Coladosen, zusammengeknüllten Chipspackungen und aufgerissenen Süßwarentütchen singen, die sie versteckt zwischen Socken, Badelatschen oder in Sneakern vorfand, Artikel, die von ihren »Käufern« ganz oder teilweise verzehrt worden waren und die es nicht mehr bis zur Kasse geschafft hatten. Dieser Mann mit dem Bockwurstglas war ein Paradebeispiel, ein Lexikoneintrag eines solchen Kunden.
»Keine Bewegung!«
Nanu. Petra sah interessiert auf. Eine Frau, hinten bei den Tiefkühltruhen. Sie stützte die Hände auf die Knie, als hätte sie gerade einen Dauerlauf hinter sich.
Petra veränderte ihre Haltung und verlagerte das Körpergewicht auf den linken Fuß. So war es besser.
»Halt, verdammt«, rief die Frau und rannte los. Sie rannte wirklich schnell. Es dauerte nur wenige Sekunden, da war sie auch schon an Petras Käsetheke vorbeigewetzt und packte, noch halb im Lauf, den Mann mit dem Wurstglas und riss ihn herum. Das Glas knallte auf den Boden und zerschellte. Uringelbes Wurstwasser ergoss sich über die weißen Fliesen, drei verbliebene Bockwürstchen hüpften über den Boden.
»Du Scheißkerl«, schrie die Frau.
Geil, dachte Petra. Endlich ein wenig Action. Die letzte zünftige Schlägerei vor der Käsetheke war schon eine Weile her.
»Lass meinen Sohn in Ruhe!«
Die Frau schlug mit der flachen Hand nach dem Gesicht des Mannes. Er wich aus, machte einen Ausfallschritt zur Seite und brachte damit etwas Abstand zwischen sich und die Angreiferin.
»Geh von dem Einkaufswagen weg.«
Der Mann bewegte sich nicht. Er gaffte die Frau an, öffnete langsam den Mund und biss von seinem Würstchen ab.
»Jetzt hau schon ab da!« Die Frau breitete die Arme aus wie ein angriffslustiger Sumoringer.
Als der Mann sich immer noch nicht regte, sah sie sich gleichsam grimmig und hilfesuchend um. Ihr Blick fiel auf Petra und ein ungläubiger Ausdruck legte sich über ihre Miene, ehe sie mit einem Mal wieder wütend wurde.
»Nun helfen sie mir doch, verdammt.«
Petra rührte sich nicht. Sie hatte nicht vor, sich in diesen Streit hineinziehen zu lassen. Sie wandte sich von der Szene ab, zog ihr Handy und wählte die Durchwahl der Geschäftsführung.
»Frisch- und Kompetenzmarkt GmbH«, meldete sich Hans-Peter, der stellvertretende Marktleiter.
»Hier die Käsetheke. Ich habe eine Familienstreitigkeit vor Ort. Glas ist zu Bruch gegangen.«
»Ach scheiße«, sagte Hans-Peter nasal, »gut, ich schick' jemanden.«
Er legte auf. Petra wandte sich wieder den beiden zu.
»Es kommt je-«
Sie brach mitten im Satz ab.
Der Mann hatte den Jungen im Genick gepackt und hielt ihn mit zappelnden Beinchen über der Pfütze mit den Glasscherben.
»Bitte geben Sie ihn her, ja«, sagte die Frau, »der Junge hat Ihnen doch nichts getan, oder?«
Der Mann schien sie nicht zu hören. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Wurstwasserpfütze zu seinen Füßen.
»Geben Sie mir doch bitte meinen Sohn«, sagte die Frau verzweifelt, »bitte ... ja?«
Er löste sich aus seiner Erstarrung, bückte sich langsam herunter und fischte ein Bockwürstchen vom Boden. Er richtete sich wieder zu voller Größe auf, in der einen Hand der Junge, in der anderen das Würstchen, und stand einen Moment so da, als wüsste er nicht, was er als Nächstes tun sollte. Schließlich führte er die Hand mit der Bockwurst zum Mund.
Schnelle Schritte näherten sich.
Eine Frau – mittleres Alter, langes, wallendes Haar – kam aus der Regalreihe Haushaltswaren und Backwaren.
Sie blieb in der Flucht stehen. Ihr Blick glitt über das Durcheinander. Im ersten Moment schien sie geschockt, ja überfordert. Dann kam sie langsam herbei. Die letzten Schritte machte sie ganz vorsichtig, offenbar bedacht, keine lauten Geräusche mit ihren Absatzschuhen zu machen. Sie blieb hinter dem Mann stehen, zögernd, dann legte sie ihre Hand auf seine Schulter.
»Liebling«, sagte sie ruhig und als wäre es das Normalste der Welt, »wir müssen langsam los. Du verpasst noch deinen Arzttermin.«
»Arzt ... termin?«, fragte der Mann in monotoner Stimmlage. Er ließ den Jungen sinken, sodass dessen Fußspitzen den Boden berührten.
»Ist ... der heute?«
»Ja, Liebling«, sagte sie und deutete auf das Kind in seinen Händen, »was hast du denn mit dem Jungen vor?«
Der Mann betrachtete ihn und zuckte mit den Schultern.
»Weiß nich'«, sagte er.
»Dann lass ihn doch bitte los, ja?«
»Mhm«, machte er, »vielleicht eine gute Idee.«
Er setzte ihn vorsichtig auf den Boden neben der Pfütze und machte sich dann, einfach so, und ohne dass er dazu aufgefordert worden wäre, davon. Er steuerte auf die Regalreihe zu, aus der die Frau mit den langen Haaren gekommen war.
Diese sah ihm einen Moment lang nach, dann wandte sie sich der Mutter des Kindes zu, öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen – ihrem Gesichtsausdruck nach etwas wichtiges – aber, als fände sie nicht die richtigen Worte, nickte sie nur, drehte sich auf dem Absatz um und lief dem Mann hinterher.
Petra atmete aus und verlagerte das Gewicht wieder zurück auf den rechten Fuß. Ihr Puls jagte hoch bis zum Hals und sie konnte das Blut in ihren Ohren rauschen hören. Sowas Spannendes hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Fast Mittag.

Einige Jahre nach diesem Vorfall las Petra während der Mittagspause einen Artikel in der Zeitung über einen Mann ohne Gehirn. Der Artikel war reißerisch und Petra hatte ihn schließlich zur Seite gelegt und den Kopf geschüttelt. Denn einen Mann ohne Gehirn, den konnte es ja schließlich gar nicht geben.

Sieben Monate später

In der Mitte des Raumes lag ein Mann in einem Krankenhausbett, angeschlossen an Schläuche und Kabel. Eine künstliche Lunge blähte sich abwechselnd auf und fiel wieder in sich zusammen.
Lana saß im Halbdunkel am Rande des Raumes, direkt neben der Tür, und dachte nach. Über sich, ihn, die gemeinsame Zeit, die sie miteinander hatten, in guten wie in schlechten ...
Ein Klopfen.
Die Tür öffnete sich und ein Mann in weißem Kittel ging durch ihr Sichtfeld, nahm auf dem Stuhl neben ihr Platz.
Nachdem sie einige Sekunden lang still so dagesessen und die reglose Gestalt im Bett betrachtet hatten, brach der Arzt das Schweigen.
»Haben Sie eine Entscheidung getroffen?«
Lana schwieg. Als sie ein kleines Mädchen war, hatten sich unangenehme Dinge oftmals von alleine erledigt, wenn sie sie nur lange genug ignoriert hatte.
»Ich sehe, worauf das hinausläuft«, sagte der Arzt, »und das ist Ihr gutes Recht, aber ich bitte Sie trotzdem, sich die Sache noch einmal gut durch den Kopf gehen zu lassen. Ich weiß, es ist schwer, aber ...«
»Er bleibt.«
Der Arzt seufzte und legte die Stirn in Falten.
»Ihr Mann war wirklich tapfer. Er hat so viele Monate gegen die Wucherung gekämpft, aber am Ende hat er verloren. Sie müssen akzeptieren, dass er nie wieder aufwachen wird. Rein unter medizinischen Standpunkten gesehen, ist Ihr Mann tot. Mit Ihrem Einverständnis veranlasse ich alles, damit er in Ruhe und vor allem in Würde ...«
»Gehen Sie.«
»Wie bitte?«
»Ich möchte mit meinem Mann allein sein.«
Der Arzt erhob sich und besah sie nachdenklich, dann nickte er und verließ mit leisen Schritten den Raum. Als er die Tür hinter sich schloss, hatte die Stille etwas Tröstliches. Lana fand fast augenblicklich in den Gedanken zurück, den der Arzt, diese Person, die in allem nur das Schlechte sah, so unwirsch unterbrochen hatte. Die Menschen hatten vergessen, dass auf Tiefen irgendwann auch wieder Höhen folgten. Das war ganz unweigerlich so.

Der Mann dort in dem Bett, Lanas Mann, würde aufwachen. Egal was der Doktor sagte, ja, egal was alle Doktoren sagten, meinten oder davon hielten. Es würde womöglich dauern, aber am Ende, ganz am Ende, würde er aufwachen und alles wieder so sein, wie immer.

Einunddreißig Monate später.

»Nein, nein ... Scheiße«, schimpfte er und knüllte die Karte wütend in den Händen zusammen.
Lana steuerte den Wagen zum dritten Mal an der Autobahnauffahrt vorbei. Sie wartete einen Moment, bis er sich äußerlich beruhigt hatte. Dann stellte sie ihre Frage erneut.
»Also nicht auf die Autobahn?«
Er sah sie verärgert an.
»W-was weiß ich denn, verdammt«, sagte er und pfefferte die Karte in den Fußraum.
»Es ist d-deine scheiß Karte.«
Lana schwieg. Wenn er wütend war, war es besser, wenn sie ihn einfach reden ließ. Einen Moment saß er so da. Etwa zehn, vielleicht auch zwanzig Sekunden vergingen. Dann sagte er:
»Die Karte, die du gekauft hast, ist scheiße.«
»Du hast die Karte gekauft«, antwortete sie knapp und hätte sich im selben Moment dafür ohrfeigen können. Sie musterte einen Punkt irgendwo am Ende der Fahrbahn und bemühte sich um einen gedankenversunkenen Gesichtsausdruck. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie sein Kopf sich langsam zu ihr drehte. Ihr Puls beschleunigte sich.
»W-wie war das?«, fragte er leise.
»Ach nichts.«
»D-die Karte«, sagte er, »du hast von der Karte gesprochen.«
»Ist nicht so wichtig.«
Einen Moment war er still und betrachtete sie stumm. Während er sie beobachtete, kam es ihr so vor, als würde er körperlich wachsen. Dann sah er ruckartig zur Fahrbahn.
»Fotze.«
Lana erschrak.
»Was?«
Sie hielt den Wagen an einer roten Ampel und wandte sich ihm zu.
»Was hast du eben gesagt?«
Er schwieg. Lana versuchte, ihre Gefühle zu ordnen. Allen voran die Wut, die sich Gehör verschaffen wollte. Aber sie schaffte es, sie zurückzudrängen.
»Ich weiß ...«, ihre Stimme versagte. Sie räusperte sich.
»Ich weiß, dass du in den letzten Monaten viel durchgemacht hast, aber denkst du, ich hatte es leicht?«
Er schwieg. Lana deutete das als Zeichen, dass er zuhörte.
»Wie auch immer«, sagte sie, »was ich auf keinen Fall dulde, ist ...«
»F-fahr«, sagte er.
»Was?«
Ein Auto hupte.
»Fahr doch, verdammt.«
Lana drückte aufs Gas und reihte sich wieder in den fließenden Verkehr ein.
Sie fuhren ein paar Sekunden so. Dann sagte – vielmehr nuschelte – er leise:
»D-deine Karte, deine Schuld. Beschwer dich also nicht bei mir.«

Fünfzehn Monate früher.

»Aus diesem Grund wird der Angeklagte in allen Anklagepunkten freigesprochen.«
Als der Richter diese Worte ausgesprochen hatte, stemmte der alte Mann sich mit dem Krückstock in die Höhe.
»Freigesprochen?«, fragte er mit ungläubiger Stimme.
»Wie kann jemand für ... so etwas ... freigesprochen werden?«
»Beruhigen Sie sich.«
Der Mann in der schwarzen Anwaltsrobe, der eben noch neben dem Alten saß, hatte sich erhoben und tätschelte seinem Mandanten die Schulter.
Aber der Alte ließ sich nicht beirren, seine Stimme klang schrill, er schrie fast, als er weitersprach.
»Wie ist es möglich, dass so jemand-«
»Ich bin noch nicht fertig«, der Richter erhob das Wort und der Anwalt nutzte die Chance, um seinen Mandanten mit sanfter Gewalt zurück in den Stuhl zu drücken.
»Aufgrund der besonderen Schwere der Tat, hätte das Gericht normalerweise dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben und zwei Jahre Freiheitsstrafe verhangen. Die Höchststrafe für diese Art von Sachbeschädigung.«
Der Alte fuhr in die Höhe und reckte seinen Stock gen Richter.«
»Sachbeschädigung? Der Boppie war mein bester Freund.«
»Hören Sie ...«, sagte der Anwalt versöhnlich.
»Lass mich«, der Alte schlug die Hand seines Anwalts weg, »der Boppie war alt und müde, eine liebe Seele ... Abends hat er gezittert, obwohl ich die Heizung aufgedreht habe.«
»Ich verstehe Ihre Situation«, sagte der Richter, »aber das Urteil ist gefällt. Aufgrund des Gutachtens des Doktors kann Schuldunfähigkeit ausgeschlossen werden. Außerdem wird der Angeklagte sich erneut in Therapie begeben«
»Therapie?«, schrie der Alte, »der Boppie hat doch nicht mal in seine Richtung geschaut. Der Kerl kam einfach daher, von der Seite, und trat ihm in den Rücken, immer wieder und wieder, bis der Boppie sich nicht mehr bewegt hat. Und auch dann noch.«
Er reckte seinen Gehstock in die Richtung des Angeklagten.
»Du Teufel«, schrie er, »du bist ein Teufel, ein verdammter.«
Der Angeklagte, der die gesamte Verhandlung über reglos einen Fleck an der ihm gegenüberliegenden Wand betrachtet und sich nicht mal geäußert hatte, als er vom Richter dazu aufgefordert wurde, drehte seinen Kopf nun zu dem Alten.
Er verzog dabei keine Miene. Sah den Alten an, als wäre er ein Gegenstand.
Der Alte verstummte, schien verunsichert, und sah wieder zum Richter.
»Der Boppie war doch das einzige, was mir noch geblieben ist auf dieser Welt.«
Man sah dem Richter an, dass es ihm schwerfiel, nicht ein wenig aus seiner autoritären Rolle herauszufallen.
Er räusperte sich.
»Es gibt eine Anlaufstelle für auf diese Weise Geschädigte. Ihr Anwalt wird sie dazu beraten.«
Er klappte das Mäppchen vor sich zu.
»Die Verhandlung ist geschlossen.«

Gegenwart

Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel auf den von Tannen umrandeten Parkplatz hinab. Lana und ihr Mann waren die Letzten in der Schlange vor dem Eingang der Tropfsteinhöhle. Ihr Blick wanderte über seinen kahlen Hinterkopf, wo sie ein ausgefranstes Muttermal entdeckte, an das sich ein schweißnasses Haar schmiegte. Sie konnte sich nicht erinnern, dieses Muttermal je bemerkt zu haben.
Die Stelle sah nicht gut aus, er sollte zum Arzt gehen. Einen Moment lang überlegte sie, ihn darauf anzusprechen. Aber sie ließ es. So wie er sich während der Autofahrt verhalten hatte, war nicht abzusehen, wie er auf eine solche Bemerkung reagieren würde. Sie hatte das dumme Gefühl, dass dieser Ausflug eine verdammt schlechte Idee gewesen war. Er war wie ausgewechselt, seitdem er das Haus verlassen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass das alles nur eine unangenehme, kurze – und vor allem einmalige – Episode war. Ein Ausrutscher. Mehr nicht. Heute Abend würde sie ins Bett steigen und die Erinnerung daran nicht mit über die Schwelle des neuen Tages tragen.
Während sie so vor sich hingrübelte, landete ein dickliches Insekt auf dem Nacken ihres Mannes. Es saß einen Moment so da und wackelte mit dem schwarz glänzenden Hinterleib, dann drehte es sich behäbig auf der Stelle, erstarrte mitten in der Bewegung und kroch dann zielgerichtet auf das ausgefranste Muttermal zu. Lana erschauderte vor Ekel. Und als sie den fetten Käfer beim Kriechen beobachtete, fühlte sie sich schuldig, weil sie einfach nur glotzte. Sie wollte gerade etwas sagen, da schlug ihr Mann sich unvermittelt an den Hinterkopf. Er besah seine Handfläche, murmelte etwas Unverständliches und wischte die Hand an der Hose ab. Ein ockergelber, schmieriger Streifen blieb auf dem Stoff zurück. Er drehte sich um und sah Lana ausdruckslos an. Sein Mund verzog sich zu einem dünnen Lächeln. Sie konnte sehen, dass er sich dazu zwingen musste.
»Ist was?«, fragte er hohl.
»Nein«, antwortete Lana, »Mistviecher, was?«
»Mhm«, machte er und sein Blick richtete sich auf ihre Umhängetasche.
»Flasche.«
Lana blinzelte, dann öffnete sie den Reißverschluss der Umhängetasche und reichte ihm die Flasche mit dem Mineralwasser. Er griff danach, öffnete den Verschluss und stürzte die Hälfte des Inhalts hastig hinunter. Dicke Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
»So langsam bekomme ich Hunger«, sagte sie.
Er verschloss die Flasche mit dem Deckel und reichte sie ihr zurück. Er musterte sie, leckte sich flüchtig über die Lippen.
»Hm?«, fragte er.
»Hunger«, sagte Lana und deutete auf den Eingang der Tropfsteinhöhle, »ob es da drin wohl die Möglichkeit gibt, eine Kleinigkeit zu essen?«
Er sah einen Moment so aus, als würde es ihm Schmerzen bereiten, darüber nachzudenken, dann lächelte er humorlos und wandte sich stumm um.

Sie rückten weiter, als die Familie vor ihnen das Drehtürchen zum Inneren der Tropfsteinhöhle passierte. Der Kassierer, ein junger Kerl mit weißem Polohemd und langen, schwarzen Haaren, begrüßte sie freundlich.
Lana öffnete den Reißverschluss ihrer Tasche und zog die Geldbörse hervor.
»Zwei Erwachsene«, sagte sie und reichte ihm einen Zwanziger.
Er nahm den Schein entgegen und als er das Wechselgeld herausgab, lächelte er.
»Viel Spaß.«
Lanas Mann sah den Kassierer verständnislos an.
»Viel Spaß w-wobei?«
Der Kassierer grinste, hielt es offenbar für einen Spaß.
»Na, in unserem Freibad «, er zwinkerte Lana zu, dann ihrem Mann.
»B-bist ein Spaßvogel, was?«
Das Lächeln des Mannes bekam einen leichten Knacks.
»D-denkst, du kannst mich und meine Frau blöd von der Seite anmachen und damit auch noch ungestraft davonkommen. Was?«
Das Lächeln des Kassierers verschwand.
»Einen schönen Tag noch«, sagte er kühl.
»Hältst dich wohl für g-ganz schlau, was?«
Der Kassierer wandte sich an Lana.
»Auch Ihnen einen schönen Tag.«
Lana hörte ein Klicken. Sie sah zu ihrem Mann und machte unwillkürlich einen Schritt zur Seite. Er hielt eine Waffe, einen Revolver oder etwas in der Art, und richtete sie auf den Kopf des Kassierers.
»L-lass meine Frau aus dem Spiel.«
Der Kassierer hob die Hände über den Kopf.
»Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
»N-nun«, sagte Lanas Mann, »d-dann entschuldige dich bei meiner Frau.«
»Was tust du denn da?«, mischte Lana sich ein.
Er fuhr herum, richtete die Waffe nun auf sie.
»Du hältst die Fresse«, sein Gesicht verkrampfte sich vor Wut, »d-das hier ist ein Gespräch unter Männern.«
In diesem Moment stürzte sich der Kassierer auf ihn. Ein Schuss löste sich und ein heißer Blitz kratzte über Lanas Schläfe. Ihr wurde schwarz vor Augen, der Schmerz rückte in weite Ferne und die Welt war mit einem Mal ganz leicht.

Neun Monate früher.

»Und das ist der Grund, weshalb ich Sie heute sprechen wollte«, Lana stellte die Tasse auf den Stubentisch und lehnte sich auf der Couch zurück, »mein Mann ist ein denkendes und fühlendes Wesen«, die nächsten Worte sagte sie verächtlich: »Kein Roboter.«
»Aber hören Sie, Gefühle will ihm doch auch niemand absprechen«, sagte der Reporter beschwichtigend, »er ist natürlich ein Lebewesen, so wie Sie, ich und alle anderen Menschen.«
Lana nickte zufrieden.
»Genau«, sagte sie, »er ist so wie Sie und ich. Es ist arrogant, andere zu verurteilen, nur weil man sie nicht versteht.«
»Ganz Ihrer Meinung«, der Reporter hielt das Mikrofon ein wenig höher, »aber was wollen Sie den Menschen sagen, die Angst davor haben, was ihr Mann auch sein könnte?«
»Auch?«
»Na sie wissen schon, Spekulationen, wilde Gerüchte. Dann seine Wutausbrüche. Der Vorfall im Einkaufszentrum oder der mit dem kleinen Hund. Sie haben jetzt gerade die Gelegenheit, das alles zu entkräften.«
»Wieso muss ich irgendetwas entkräften?«
Der Reporter zog eine Augenbraue nach oben.
Lana starrte das Mikrofon an. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie den Mund aufmachte:
»Das ist doch alles Schnee von gestern. Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen.«
Der Reporter verzog die Mundwinkel.
»Nun, Sie wollen doch aber nicht bestreiten, worin sich die Ärzte mehrheitlich einig sind.«
»Einig?«, fragte Lana gereizt.
»Na Sie wissen schon ...«
Der Reporter schien innerlich mit sich zu ringen. Dann gewann eine Seite die Oberhand und sein Gesicht bekam eine Härte, die vorher nicht da gewesen war.
»Ich spreche von der Tatsache, dass Ihr Mann lediglich menschliches Verhalten imitiert. Oftmals Negatives. Und das er sich eigentlich gar nicht selbst bewusst ist.«
»Sie meinen«, Lanas Stimme entglitt ins Schrille, »wie ein Tier?«
Der Reporter machte eine abwehrende Geste.
»Hey, das haben Sie gesagt.«
Lana merkte, wie ihre Hände vor Aufregung zu zittern begannen. Sie verschränkte sie ineinander und bemühte sich um einen ruhigen Tonfall:
»Ich verstehe nicht, wieso alle Welt sich nur für diesen Teil von ihm interessiert. Es ist so viel mehr in ihm.«
Er nickte.
»Natürlich«, er lächelte, aber sein Lächeln wirkte unecht, »und vielleicht ist es das Beste, wenn er sich selbst dazu äußert.«
Lana sah ihn ärgerlich an. Bedingung des Interviews war gewesen, dass jegliches Gespräch mit ihrem Mann von vornherein ausgeschlossen war. Und so falsch wie er lächelte, hatte er das nicht vergessen.
»Ich meine ja nur«, sagte er, »jetzt wo ich gerade schon mal da bin.«
Lana erhob sich.
»Das Gespräch ist zu Ende.«
Sein Lächeln entglitt.
»Ach kommen Sie«, drängte er, »nur ein kurzes Gespräch.«
Er griff in seine Tasche, zückte einen goldenen Umschlag und legte ihn auf den Stubentisch.
»Mein Chef ist wirklich großzügig«, er zwinkerte, »eine Win-Win-Situation ... für Sie, mich und Ihren Mann.«
Als Lana ihn nur fassungslos anstarrte, legte er ein strahlend falsches Reportergrinsen nach.
Und bevor Lana ihn ohrfeigte, grinste sie zurück.

Sie schloss die Haustür hinter ihm und sein wütendes Geschimpfe vermischte sich mit dem gedämpften Rauschen des vorbeiziehenden Güterzuges. Eines musste man dem Blödmann von Reporter lassen. Er konnte verdammt schnell rennen. Sie sah durch das Küchenfenster nach draußen. Er reckte ihr vom Fußweg aus den Mittelfinger entgegen. Was für ein Schwachkopf, Lana ließ die Rollläden herunter.
Ihn sprechen? Hah. Auf keinen Fall. Lana ging durch die Stube in die Küche, stellte auf dem Weg die Teetasse in die Spüle. Die wenigen Male, als die Presse mit ihm gesprochen hatte, war es schlimm gewesen und nur immer noch schlimmer geworden.
Ein renommiertes Ärzteblatt bezeichnete ihn sogar als ›Mann ohne Gehirn‹. Lana lief es eiskalt den Rücken herunter. Sie konnte nicht verstehen, wie Menschen so grausam sein konnten.
Bevor sie den Hobbyraum betrat, klopfte sie.
»Schatz?«, sagte sie, »ich bin es, deine Frau.«
Keine Antwort. Wie immer.
Als sie eintrat, schallte ihr laute Wild-West-Orchester-Musik entgegen. Die Jalousien waren unten, die einzige Lichtquelle des Raums war der Fernseher. Sie drückte den Lichtschalter neben der Tür.
Er griff nach der Fernbedienung.
Der Western pausierte.
»Licht«, sagte er hohl.
»Aber Schatz«, antwortete Lana, »das ist ungesund für deine Augen.«
Einen Moment sagte er nichts, dann wiederholte er:
»Licht«, sagte er und fügte dann grobmotorisch hinzu, »Schatz.«
Lana lächelte. Sie konnte ihm einfach keinen Gefallen abschlagen.
Sie löschte das Licht. Der Western lief weiter.
Wenn er sich auf seine Filme konzentrierte, ruhte er tief in sich selbst. Es war schön, dass er nach allem, was er durchmachen musste, dem Hass, der ihm entgegengeschlagen war, etwas gefunden hatte, das ihm wirklich Freude bereitete.

Sie betrachtete die Rückseite des Sessels und fragte sich, ob er sich wohl ausmalte, ein Cowboy zu sein. Oder vielleicht ein Indianer? Sie musste grinsen. Nein, mit Sicherheit war er der Sheriff. Ja, der Sheriff.

Gegenwart

Lana war eisig kalt. Als sie die Augen öffnete, breitete sich vor ihr der Parkplatz aus. Es war bereits Abend geworden. Sie saß mit dem Rücken an einem Baum am Waldrand. Auf der Mitte des Parkplatzes stand ein Wagen mit laufendem Motor und abgeschalteten Scheinwerfern.
Die Erinnerung war sofort da. Nervenzusammenbruch. Sein schlimmster bisher. Irgendwas musste der junge Mann in ihm ausgelöst haben. Vielleicht seine Haare. Vielleicht die Art, wie er lächelte oder sprach. Was auch immer. Und dann die Pistole. Fast ein Jahr, nachdem Lana alle seine Waffen aus Vereinszeiten zusammengesucht und abgegeben hatte.
Was für ein Schlamassel.
Sie betastete ihre Schläfe, spürte unter den Fingern Bündel miteinander von Blut verklebter Haare. Toll, dachte sie. Klasse, gut gemacht, Lana. Sie tastete weiter, stieß dabei mit dem Ellenbogen gegen etwas weiches. Sie drehte sich um. Neben ihr, ebenfalls am Baum lehnend saß eine reglose Gestalt mit hängendem, auf der Brust liegendem Kopf und langen Haaren. Trotz der Dunkelheit konnte Lana sehen, dass das weiße Hemd mit dunklen Lachen übersät war.
Sie saß einige Zeit so da und betrachtete die leblose Gestalt. Sie vergaß dabei, zu atmen. Als ihre Brust zu drücken begann, verdrehte sie die Augen vor Schmerzen und wandte den Blick ab. Der Wagen stand immer noch unverändert in der Mitte des Parkplatzes. Der Motor schnurrte leise in der kalten Nachtluft.
Sie raufte die Haare. So ein Schlamassel. So ein verdammtes Schlamassel.
Dabei war er auf dem besten Weg gewesen, wieder ganz normal zu werden. Wieso hatte sie ihn nur zu diesem Ausflug gedrängt. Wieso nur? Wieso, verdammt?
Weil du es wolltest, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Weil du es nicht mehr ertragen hast.
Ein Ausflug, Liebling. Nur wir zwei.
Schöne Scheiße.
Darauf bedacht, nicht noch einmal an die am Baum lehnende Gestalt zu stoßen, stemmte sich Lana in die Höhe und streifte dabei Blätter und Zweige ab.
»Liebling«, rief sie in Richtung des Fahrzeugs.
Keine Reaktion.
»Alles in Ordnung, Liebling«, sagte sie, »mir geht es gut, ich komme jetzt und dann fahren wir nach Hause.«
Sie ging langsam, einen Schritt nach dem anderen. Behielt den Wagen dabei fest im Blick. Als sie ihn fast erreicht hatte, hörte sie das markante Geräusch der Zentralverriegelung.

Ohne noch irgendeinen der etwa ein Dutzend nicht zu Ende gedachten Gedanken zu Ende zu denken, öffnete sie die Fahrertür und setzte sich vors Lenkrad.
Sie saßen beide einen Moment so da, dann brach er das Schweigen.
»Hab mich halt aufgeregt.«
Lana antwortete nichts.
»Scheißdreck«, schimpfte er, »der langhaarige Arsch mit seiner blöden Fresse.«
Er holte hörbar Luft, wohl um erneut auszuholen und weiter zu fluchen, doch dann schwieg er überraschend, schloss den Mund für ein paar Sekunden.
»Tut mir aber trotzdem leid«, sagte er mechanisch, »auch das mit dir, meine ich.«
»Mhmm«, machte Lana, aber hörte eigentlich gar nicht, was er sagte. Sie war sieben Jahre alt, saß an einem verschneiten Sonntagmorgen am Küchentisch und teilte sich mit ihrem Vater ein Erdnussbutterbrot mit Marmelade.
»Mama hat gesagt, du hast eine Vier in Mathe geschrieben.«
Er sagte das auf diese Papa-Art, die Lana immer so an ihm gemocht hatte. Wertfrei, keine dummen Fragen, keine Schuldzuweisungen.
»Ja«, Lana kaute bedächtig, »ich glaub', ich bin doch zu blöd, um Tierärztin zu werden.«
Er nickte, so als stimme er ihr zu, aber mittendrin wurde das Nicken zu einem Kopfschütteln.
»Quatsch, Große«, er biss ein Stück von seinem halben Erdnussbutterbrot mit Marmelade ab und sprach mit vollem Mund weiter, »wenn du etwas wirklich willst, dann kann dich niemand davon abbringen.«
Er schluckte geräuschvoll.
»Und eine Vier in Mathe schon gar nicht. Denk immer daran, es gibt Höhen im Leben und es gibt Tiefen. Beide sind wichtig. Ohne das eine würde es das andere nicht geben.«

Lana musste unvermittelt grinsen. Rückblickend waren seine Worte natürlich ein bisschen kitschig. Nichtsdestotrotz hatte er mit seinen Weisheiten jedes Mal recht behalten. Und hiermit würde es nicht anders sein. Das alles hier, der heutige Tag, und was an ihm passiert war, würde schon morgen Vergangenheit sein. Lana legte den ersten Gang ein und der Wagen setzte sich langsam in Bewegung. Es würde womöglich dauern, aber am Ende, ganz am Ende, würde alles wieder so sein, wie immer.

 
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Hallo Gefrierpunkt. Ich gehe nicht auf alles ein. Du hast deine Standpunkte, ich habe meine.

Es ist mir bei ungefähr der Hälfte der Zitate nicht erkennbar, worauf sie sich beziehen, weil du nur mich zitierst, nicht aber die entsprechende Textstelle.

Das ist etwas, was mich an diesem Forum massiv stört und mir schon nach wenigen Tagen einiges an Lust genommen hat, überhaupt noch Antworten zu verfassen. Ich verstehe nicht, wieso Zitate nicht zitiert werden können. Stattdessen werden sie einfach ausgeschnitten.

Ach, ehrlich? Dabei wirkte die Frau auf mich gar nicht unfreundlich.

"Unwirsch" hat viele Bedeutungen. Von "bodenständig", über "grob" und "menschenscheu", über "ruppig" und "unkultiviert" bis zu "rustikal".

Desweiteren: Wenn Lana unwirsch aus ihren Gedanken gerissen wird, dann ist das nicht gleichbedeutend damit, dass die große Frau unwirsch ist. Nicht sie ist unwirsch, die Art und Weise wie Lana die Unterbrechung wahrnimmt, ist unwirsch. Maximal liegt darin eine Unterstellung seitens Lana, dass die Frau sie unwirsch aus ihren Gedanken herausgerissen hat. Objektiv unwirsch ("Wirklich schönes Wetter ...") seitens der Frau ist das aber nicht.

Wenn jemand aus einem Reflex heraus reagiert, dann erwarte ich, dass er Adrenalin ausschüttet und voll da ist und nicht der Rest seines Körpers schlaff herumhängt.

Ich glaube, ich habe inzwischen ausreichend klar gemacht, dass ich zugunsten von Gestaltungsspielraum (hier eine Überzeichnung) bewusst Einbußen in Kauf nehme. Eigentlich ist die komplette Geschichte vollkommen überzeichnet. Die erste Version sogar noch mehr als diese hier. Vielleicht ist es auch das, was dich – und einige andere – stört.

Warum findest du die Stelle gut? Ich meine, sie ist nett geschrieben. Aber gefällt sie dir im Kontext dieser Geschichte? Gehört das genau so genau da hin?

Ich habe ein klares Bild von dieser Szene vor Augen. Mir gefällt die Begegnung zwischen Lanas Mann und dem älteren Herr. Wie dieses Dunkle in das Leben des Alten tritt. Außerdem baut auf diese Szene, die Szene auf, in der Lana wie ein Möbelstück behandelt wird.
Zudem gefällt sie mir weitaus besser als die Stelle in der alten Version:

»Zwei Erwachsene.«
Sie bekamen eine klobige Taschenlampe und zwei gelbe Kunststoffhelme ausgehändigt. Er hängte sich die Lampe mit dem Riemen über die Schulter und der Mann im Einlasshäuschen ratterte monoton einige Belehrungen hinunter.
»Nicht von der Gruppe trennen ... Aufpassen wo sie hintreten ...«

Ich störe mich an diesem perfekten "Einblick in sein Denken",

So ist es ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich sagte nicht "perfekter Einblick in sein Denken", sondern "Ich finde die Stelle perfekt (Punkt) Gerade weil sie Einblick in sein Denken gibt."

Und an der Gefühlsregung störe ich mich, weil du schreibst, dass er keine zeigt:

Du beziehst dich nur auf die Textstelle? Da muss ich irgendwas falsch gelesen haben. Meine Antwort widerspricht sich so natürlich.

Ich wollte in meiner Antwort darauf hinaus, dass er durchaus in der Lage ist, zu fühlen. In der eigentlichen Textstelle zeigt er aber meines Erachtens keine Gefühlsregung. Der Blick an sich soll ausdrucklos rüberkommen.
Ich finde die eigentliche Textstelle auch weiterhin schlüssig:

"Ein normaler Mensch hätte irgendeine Gefühlsregung gezeigt. Scham, Wut oder allgemeine Gereiztheit. Aber er war vollkommen ruhig. Sah sie an wie ein Möbelstück oder Gemälde, das nicht an dem Platz ist, an dem man es gerne haben möchte."

Belassen wir es doch dabei, dass unsere Meinungen an dieser Stelle auseinandergehen, ja?

Das habe ich verstanden. Ich hätte die Betonung nur, wenn schon, dann auf "ihn" gesetzt.

Es soll ausdrücken, dass sie ohne ihn das Bergwerk ein Stückchen weniger ungerne betreten würde. Ich bin der Meinung, dass du auf dem Holzweg bist, nicht ich.

Inwiefern ist es großzügig, dass sie das Desinteresse überhört?

Das ist eine (ironische) Redensart. Gib einfach mal "großzügig überhören" bei Google ein.

"Beim Gehen"?

Wäre eine Alternative. Gefällt mir aber immer noch nicht so gut, wie "mitten im Lauf". Vielleicht habe ich auch ein anderes Bild von "traben" im Kopf, als du.

Was soll dann sein?

Dann würde das bedeuten, dass Lana keine Wehleidigkeit von ihr erwartet hätte. So wie es da auch steht. Die Wehleidigkeit bringe ich in Verbindung mit ihrer eher sanften Sprache. "Hui", "untröstlich", "nicht wahr". Das sehe ich eher bei sanften bzw. empfindlichen Personen, als bei einem Bauarbeiter oder Baumfäller. Jetzt mal rein klischeehaft gesprochen.

Natürlich kannst du die fehlende Sozialkompetenz von jemandem wie ihm zeigen. Aber - sagte ich schon, dass du keinen klaren Fokus in deiner Geschichte gesetzt hast? Und nein, das heißt nicht, dass du nicht auch anderes zeigen kannst, darfst, sollst, musst.

Wie du es ja selber sagst, das eine schließt das andere nicht aus. Und wenn du erlaubst:

"Aber - sagte ich schon, dass du, meiner Meinung nach, keinen klaren Fokus in deiner Geschichte gesetzt hast?

Ich bin mir nicht sicher, wie ernst ich jemanden nehmen möchte, der sich sowas in den Mund legt.

Das ist deine Sache. Umschreibungen wie diese, haben mir eine Menge monotone "Ja's" und "Nein's" erspart. Ich habe dich vielleicht etwas falsch eingeschätzt. Nach deinen Aussagen in den PN's nahm ich an, du hast Humor.

(Wenn du mir diese Äußerung jetzt ebenfalls übel nimmst, dann hast du tatsächlich keinen.)

Dann wäre ein Vermerk nett gewesen, weil ich dann überhaupt nicht dein Zielpublikum bin und nicht den ganzen (Kon)Text habe.

Ich war der Meinung, das hätte ich getan. Habe ich aber nicht. Entschuldige.

--

Hallo Manlio.

Vielleicht will ich dich jetzt zu sehr zu einer einheitlichen Erzählperspektive hinzwingen, aber ich würde dir raten, solche Brüche vermeiden.

Ich antworte mal folgendermaßen:

"Rincewind rülpste leise."

Hier würde irgendjemand ankreiden, dass leises Rülpsen unrealistisch ist oder zumindest da, an der Stelle, nicht – aber auch gar nicht – passt. Stattdessen wäre ein Murmeln viel schöner. Viel angemessener.

"Derzeit hatte er mit der Logik einige Schwierigkeiten."

Das kommt direkt danach. Wer sagt das, wer stellt das fest und wieso?

"Die beiden Abenteurer nickten. In den Ländern am Runden Meer war dieses seltsam schimmernde Metall fast ebenso geschätzt - und selten - wie intelligentes Birnbaumholz."

Hier dasselbe. Wer stellt das fest und wieso darf er das einfach. Welch übler Bruch. Und außerdem: Denken das beide, oder denkt das nur einer von ihnen. Danach folgt ein (amüsanter) Infodump. Mancheiner würde dann schreien, "Show don't tell".

"Dort gibt's Gold, dachte Bravds Gefährte"

Und hier, wieso sind wir jetzt in Schleichers Kopf? Das geht doch nicht!

Alles übrigens innerhalb weniger Zeilen geschehen.

Zu guter Letzt noch:

"Arrgh, dachte Rincewind"

Jetzt spätestens hätte es hochrote Gesichter gegeben, denn immerhin: Wie verdammt kann jemand "Arrgh" denken? Wie unrealistisch. Wie blöd. Wie dreist kann man sein so etwas zu schreiben, ja überhaupt auf die Idee zu kommen?

Und doch ist Pratchett einer der erfolgreichsten Autoren aller Zeiten. Gerade, weil er eben absichtlich vieles anders gemacht hat. Das versuche ich mir zum Beispiel zu nehmen.

Wozu? Ich bin da schon bei Jimmy, dass wir hier Geschichten überarbeiten sollten. Das ist mir zu sehr Meta-Ebene.

Ich würde es auch nicht noch einmal so machen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass die Geschichte eine Generalüberholung braucht. Auch, weil sie schon so alt war und nicht mehr meiner aktuellen Schreibe entsprach. Die alten Stellen zu übernehmen war eine Spielerei. Ich habe bewusst übertrieben.

Ich hätte nicht gedacht, dass noch so viele Anmerkungen zu der neuen Version kommen würden und hatte eigentlich erwartet, dass der Faden in der Versenkung verschwinden würde. Ansonsten hätte ich vielleicht weniger trotzig gehandelt.

Sei nicht zu hart mit dir selbst.

Keine Angst, das bezog sich nur auf "Malign".

--

Lieben Gruß

Analog

 

Hallo Analog


Es ist mir bei ungefähr der Hälfte der Zitate nicht erkennbar, worauf sie sich beziehen, weil du nur mich zitierst, nicht aber die entsprechende Textstelle.
Das ist etwas, was mich an diesem Forum massiv stört und mir schon nach wenigen Tagen einiges an Lust genommen hat, überhaupt noch Antworten zu verfassen. Ich verstehe nicht, wieso Zitate nicht zitiert werden können. Stattdessen werden sie einfach ausgeschnitten.
Ja, das nervt. Ich habe mir angewöhnt, den ganzen Beitrag zu Copypasten und die Stellen manuell zu Zitaten zu formatieren.

Desweiteren: Wenn Lana unwirsch aus ihren Gedanken gerissen wird, dann ist das nicht gleichbedeutend damit, dass die große Frau unwirsch ist. Nicht sie ist unwirsch, die Art und Weise wie Lana die Unterbrechung wahrnimmt, ist unwirsch.
Das stimmt natürlich. Aber das wird nicht unbedingt klar, wenn du in der Perspektive springst. Mir war es an der Stelle nicht ersichtlich.

Ich glaube, ich habe inzwischen ausreichend klar gemacht, dass ich zugunsten von Gestaltungsspielraum (hier eine Überzeichnung) bewusst Einbußen in Kauf nehme. Eigentlich ist die komplette Geschichte vollkommen überzeichnet. Die erste Version sogar noch mehr als diese hier. Vielleicht ist es auch das, was dich – und einige andere – stört.
Ganz im Gegenteil, für mich hättest du gerne deutlicher überzeichnen dürfen - und konsequenter.

Ich habe ein klares Bild von dieser Szene vor Augen. Mir gefällt die Begegnung zwischen Lanas Mann und dem älteren Herr. Wie dieses Dunkle in das Leben des Alten tritt. Außerdem baut auf diese Szene, die Szene auf, in der Lana wie ein Möbelstück behandelt wird.
Das ist eine Idee, die mir gefällt. Eine Stelle, an der ich dir, hättest du vor, die Geschichte zu feilen, empfohlen hätte, zu arbeiten, bis sie perfekt sitzt.

Es soll ausdrücken, dass sie ohne ihn das Bergwerk ein Stückchen weniger ungerne betreten würde. Ich bin der Meinung, dass du auf dem Holzweg bist, nicht ich.
Ich glaube nicht, dass es da ein objektives Richtig und Falsch gibt.
Letztendlich stochere ich mit diesen ganzen Amerkungen auch nur. Stochere und sehe mir an, was ich finde. Stochere, um der Geschichte auf den Grund zu gehen.

Inwiefern ist es großzügig, dass sie das Desinteresse überhört?
Das ist eine (ironische) Redensart. Gib einfach mal "großzügig überhören" bei Google ein.
Ich habe inzwischen die alte Version der Geschichte gelesen. Bei der alten Lana, die so deutlich anders dargestellt wird, dass sie mir wie eine andere Person vorkommt, hätte ich das so eingeordnet.

Dann würde das bedeuten, dass Lana keine Wehleidigkeit von ihr erwartet hätte. So wie es da auch steht. Die Wehleidigkeit bringe ich in Verbindung mit ihrer eher sanften Sprache. "Hui", "untröstlich", "nicht wahr". Das sehe ich eher bei sanften bzw. empfindlichen Personen, als bei einem Bauarbeiter oder Baumfäller. Jetzt mal rein klischeehaft gesprochen.
Ich verstehe schon: Obwohl Lana jemanden wegen sanfter Sprache für wehleidig halten würde, hätte sie es von dieser Frau nicht erwartet, weil sie sie für einen Bauarbeiter hält.
Was mich wundert ist, dass sie sie trotz ihrer sanften Sprache für einen Bauarbeit hält. Das hinkt für mich. Mir ist bewusst, dass Leute so ticken, vor allem, wenn es um subjektive Eindrücke, Gefühlsregungen, etc geht.
Aber mir fehlt wie gesagt an zu vielen Stellen die klare Linie in der Geschichte.

"Aber - sagte ich schon, dass du, meiner Meinung nach, keinen klaren Fokus in deiner Geschichte gesetzt hast?"
Aber deshalb sind wir doch hier, damit du dir meine Meinung zu deinem Text anhörst, und ihn entsprechend meiner Wünsche überarbeitest.

Jede meiner Anmerkungen beinhaltet eigentlich eine Frage. Nämlich die Frage danach, wie du das siehst, welche Intention du bei der Stelle hattest. Und hier frage ich nach deinem Fokus. Du sagst, die Geschichte hat einen. Du sagst, du weißt ganz genau, was du zeigen, was du erzählen willst.
Ich kann es aus deiner Geschichte nicht herauslesen - das kann ich dir rückmelden. Wenn du mir meine Fragen beantwortest, dann befriedigst du nicht nur meine Neugier, sondern ich kann dann auch darüber nachdenken, was es für mich gebraucht hätte, damit ich es aus dem Text heraus verstehe.
Da du mit dem Text wohl zumindest vorerst abgeschlossen hast (?), wird das hier zu nichts führen. Aber vielleicht kritisiere ich ja in der Zukunft mal wieder einen Text von dir und dann kennst du meine Herangehensweise schon etwas besser.


Ich habe dich vielleicht etwas falsch eingeschätzt. Nach deinen Aussagen in den PN's nahm ich an, du hast Humor.
Tja.

Dann wäre ein Vermerk nett gewesen, weil ich dann überhaupt nicht dein Zielpublikum bin und nicht den ganzen (Kon)Text habe.
Ich war der Meinung, das hätte ich getan. Habe ich aber nicht. Entschuldige.
Gewährt.

 

Hallo Gefrierpunkt.

Da du mit dem Text wohl zumindest vorerst abgeschlossen hast (?)

Abgeschlossen nicht. Ich bin allerdings der Meinung, dass ich inzwischen genug Rückmeldungen bekommen habe. Ich werde den Text noch einmal in Ruhe durchgehen, mit dem Feedback abgleichen und einige Stellen abändern.

--

Hallo Manlio.

gut gekontert.

Mehr schlecht als recht, bedenkt man, dass ich dazu erstmal die Referenz eines anderen Autors vorweisen musste.

Vielleicht hilft dir das eine oder andere.

Die Anmeldung hier im Forum hat sich gelohnt, soviel kann ich sagen.

Auch ich nehme was aus deinen Antworten mit.

Wenn das so gemeint war, wie ich denke, dass es gemeint war, dann freut mich das.

 

Ohne noch irgendeinen der etwa ein Dutzend nicht zu Ende gedachten Gedanken zu Ende zu denken, öffnete sie die Fahrertür und setzte sich vors Lenkrad.

Für mich war bis zuletzt nicht klar, wie das einleitende Zitat meines Kommentars zu der korrigierten, besser: neuen Version aussehen wird (vor allem, weil mir die dicke Frau und der erste Satz abhanden gekommen sind wie der Wäschetrockner), dass es Zeit wird, alle Stephen King-Kongs und das von mir ungeliebte Genre zu ignorieren, denn Zeitgeschichte wie Historie überhaupt bietet Horror genug und allein bei E. T. A. Hoffmann find ich einen Grund, Horror deutscher Zunge begründet zu haben: Er musste wohl als Kleinkind holprige Wege durch düstere Wälder in ungefederten Kutschen ertragen und die von Dir gewählte Rubrik,

lieber Analog,

trifft ja auch den zeitgeschichtlichen Horror vom idealisierten Singledasein und seiner Vereinsamung über die kleinste Gruppe, dem Paar, bis zur größten sozialen Einheit - potenzieller Horror auf allen Ebenen vom Insekt bis zu Mord und Totschlag. Und da erschien mir das nun gewählte Zitat (ziemlich vom Ende der Geschichte) sinnvoller als die lebensnahe Beschreibung zu Beginn vor der Käsetheke mit Bockwurst etc. oder letztlich die Episode mit dem dicklichen Insekt auf des Mannes Nacken (schon das für Zartbeseitete Ekel genug). Der hier nun zitierte Satz hat in der automobilen Gesellschaft den zweithöchsten Rang überhaupt, nur übertroffen von jener Mehrheit von Zeitgenossen, die nicht mal einen Gedanken an ihre Tat verschwendet und sich nur wundert, dass der Amazonasindianer nicht die Bohne an Interesse des westlichen Lebensstils zeigt, solange man seine Welt abfackelt ... Wie dem auch sei, Dein bearbeitetes Debut ist es wert, gelesen zu werden in seiner ganzen Absurdität, und Du hast sicherlich schon mitgekriegt, dass ich keine Nacherzählung über gelesene Texte abgebe – das Gedächtnistraining gehört auf die harte Schulbank. Zudem sind noch genug Flusen aufzulesen (jede Änderung kann auch eine Fluse bedeuten). Doch der Reihe nach!

Meistens vormittags, dann, wenn vernünftige Menschen arbeiteten[,] und meistens mit Kind im Einkaufswagen.
Die Konjunktion „und“ setzt m. E. den elliptischen Hauptsatz „meistens v….“ fort

»Du Scheißkerl«, schrie die Frau.
Klingt mir nach mehr als einer bloßen Aussage! - Müsstestu noch mal die wörtl. Rede abklopfen, selbst wenn es ab und an gelingt, wie hier
»Lass meinen Sohn in Ruhe!«

»Jetzt hau schon ab da«, schrie die Frau und breitete die Arme aus[…] wie ein angriffslustiger Sumoringer.
Komma weg, die vergleichende Konjunktion leitet tatsächlich nur einen Vergleich ein.
Bedingung des Kommas wäre aber die Einleitung eines vollständigen Satzes

Erster Flüchtigkeitsfehler, die auslaufenden Gänsefüßchen * müssen gesetzt werden (hab ich hier nicht parat, darum die Sternchenlösung)

»Hier die Käsetheke. Ich habe eine Familienstreitigkeit vor Ort. Glas ist zu Bruch gegangen.[*]
»Ach scheiße«, sagte Hans-Peter nasal, »gut, ich schick' jemanden.«

Die Haltung der Frau hatte sich verändert, statt drohender Gestik machte sie nun beschwichtigende.

Im ersten Moment schien sie geschockt, ja überfordert.
Mein Realschullehrer (erzähl ich immer wieder mal gerne, denn er hat Recht) behauptete immer, nur die Sonne scheine und selbst der Mond habe sein Licht nur geliehen (eben von der Sonne). So rücke „scheinen“ zu meist in die Lage des „brauchen“, von dem der Volksmund richtigerweise erzählt, wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen“. Also korrekt „schien sie geschockt zu sein, ...“
Den Infitiv und zu kannstu aber auch umgehen, indem Du „zu scheinen“ durch „erscheinen“ ersetzt ...

»Mhm«, machte er, »vielleicht eine gute Idee.«
Wie spricht man „mhm“ aus? Lautschriftlich steht nur ein gedehntes „m“ [m:] zur Verfügung, selbst das Dehnungs-h ist entbehrlich. Umgekehrt, „hm“ lässt sich das anlautende „h“ darstellen als tonlos [hm:]

Er setzte ihn vorsichtig auf den Boden neben der Pfütze und machte sich dann, einfach so, und ohne dass er dazu aufgefordert worden wäre, davon.
Unschöne schache Klammer. Setz „davon“ direkt zwischen „dann“ und das Komma und Du sparst sogar ein Satzzeichen ...

Lana schwieg. Als sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatten sich unangenehme Dinge oftmals von alleine erledigt, wenn …
Nix falsch, aber m. E. beweist „als sie ein kleines Mädchen war ...“ genug die Vorzeitigkeit

Kopf gehen zu lassen. Ich weiß, es ist schwer, aber-«
Du arbeitest viel mit Zeichen statt …, aber auch da wäre eine Leerstelle zwischen Wort und Zeichen angesagt ...
Musstu insgesamt nochmals durch ...

»Gehen Sie[!]«
»Wie bitte?«
»Ich möchte mit meinem Mann allein sein[!]«
Auch so ist's möglich ... Imperativ und Wunsch

Es würde womöglich dauern, aber am Ende, ganz am Ende, würde er aufwachen und alles würde wieder so sein, wie immer.
Durch ein umgelauteres "wurde" gewinnt nix Würde.
Warum Konj. II, wenn das schlichte Furur in seiner binären Wertigkeit doch offen genug ist – entweder das Ereignis wird eintreten oder eben nicht ...

»Ich bin noch nicht fertig«, der Richter erhob das Wort und der Anwalt nutzte die Chance[,] um seinen Mandanten mit sanfter Gewalt zurück in den Stuhl zu drücken.
Zwo Gründe erzwingen das Komma, der Infinitiv hängt von einem Substantiv (das auch schon mal als Pro-nomen mit Minuskel daherkommen kann), vor allem aber das einleitende „um“.

Flüchtigkeiten …?

»Aufgrund der besonderen Schwere der Tat, hätte das Gericht normalerweise dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben und zwei Jahre Freiheitsstrafe verhangen.
„verhangen“ kommt zwar vom Verb „verhängen“, kann aber erst seine adjektivistische Eigenschaft gewinnen, wenn die Strafe „verhängt“ wäre, und im Folgesatz müsstestu das „st“ verdoppeln
Die Höch[st]strafe für diese Art von Sachbeschädigung.«

Der Alte fuhr in die Höhe und reckte seinen Stock zum Richter.«
Warum „zu dem“, wo „gen“ eigentlich die Standardpräposition ist, wenn einer was gegen einen andern richtet?

»Therapie?«, schrie der Alte, »der Boppie hat doch nicht[...]mal in seine Richtung geschaut.
eigentlich ein verkürztes "nicht einmal"

»D-denkst[,] du kannst mich und meine Frau blöd von der Seite anmachen und damit auch noch ungestraft davon kommen. Was?«
Komma – Du könntest es aber auch nach dem „du“ setzen (sofern der Stotterer es nicht schon beinhaltet), wodurch freilich nicht eine kleine, sondern eine ziemlich große Ellipse entstünde. Musstu selber entscheiden. Nicht entscheiden brauchstu bei „davonkommen«, das ist eindeutig zusammen

Es ist arrogant, Andere zu verurteilen, …
„andere“ i. d. R. mit Minuskel – ist ursprünglich ein Zahlwort und galt bis zu Luther für die „zwei“. So‘n bissken klingt es noch im „anderthalb“ nach, mehr als eins und weniger als zwei

Sie betrachtete die Rückseite des Sessels und fragte sich, ob er sich wohl ausmalte, ein Cowboy zu sein[...] oder vielleicht ein Indianer?
„Oder“ ersetzt wie z. B. „und“ das Komma zwischen gleichrangigen Wortgruppen (bevorzugt Adjektiven als Attribut), Satzteilen und Sätzen – egal ob Haupt- oder Nebensatz.

Irgendwas musste der junge Mann in ihm ausgelöst haben. Vielleicht seine Haare. Vielleicht die Art[,] wie er lächelte[...] oder sprach.
Das fette scheint mir zwiespältig – fallen evtl. seine paar Flusen noch aus? Besser statt des Possessivpronomens ein „dessen“, des jungen Mannes Haare

Sie raufte die Haare. So ein Schlamassel. So ein verdammte[r] Schlamassel.

Er nickte, so als stimme er ihr zu, aber mittendrin wurde das Nicken zu einem Kopfschütteln.
Dieses „als ob“ schreit eher nach Konj. II, auch „irrealis“ genannt - also „stimmte“ (oder wahrscheinlich von Dir bevorzugte "würde"-Konstruktion) - und dass die Zustimmung irreal ist, zeigt das Kopfschütteln

Rückblickend gesehen, waren seine Worte natürlich ein bisschen kitschig.
Kann man blind blicken? Und weg mit dem Komma!

Wie derm auch werde, gern gelesen vom

Friedel

 

Für mich war bis zuletzt nicht klar, wie das einleitende Zitat meines Kommentars zu der korrigierten, besser: neuen Version aussehen wird

Das nehme ich als Kompliment. Interessant, dass du meinen Lieblingssatz gewählt hast.

(vor allem, weil mir die dicke Frau und der erste Satz abhanden gekommen sind wie der Wäschetrockner),

Ich habe nur wenige Sätze aus der alten Geschichte übernommen. Fünf Prozent etwa. Deshalb auch mein Nachtrag darunter, denn an sich habe ich schon irgendwie geschummelt. Entweder die eigentliche Geschichte war zu schlecht, um überarbeitet zu werden, oder ich war es. Ersteres kommt auf letzteres hinaus.

dass es Zeit wird, alle Stephen King-Kongs und das von mir ungeliebte Genre zu ignorieren, denn Zeitgeschichte wie Historie überhaupt bietet Horror genug

Ich muss gestehen, ich kann nicht recht folgen. Habe ich es dir jetzt so sehr vermiest, dass du nicht mal mehr beim Stefan hereinschauen würdest? Tatsächlich verschwimmt in Stefans Büchern das Alltägliche, unsere Gesellschaft, und das Übernatürliche, der Horror in all seiner Phantastik. Er ist ein Meister, wenn auch einer der manchmal zu Langatmigkeit neigt. Ich halte es dann lieber mit dem Jakob Ketchup, der kommt auf den Punkt. Stiltechnisch ist er ein großes Vorbild von mir.

und die von Dir gewählte Rubrik,

Ich dachte schon, du hättest die kleine Änderung übersehen.

Wie dem auch sei, Dein bearbeitetes Debut ist es wert, gelesen zu werden in seiner ganzen Absurdität

Darf ich mir das einrahmen?

und Du hast sicherlich schon mitgekriegt, dass ich keine Nacherzählung über gelesene Texte abgebe – das Gedächtnistraining gehört auf die harte Schulbank.

Leider,

vorzüglichster Friedrichard,

habe ich auch das nicht verstanden. Schlimm ist es nicht, denke ich, denn auch morgen geht die Sonne wieder auf – hoffe ich. Ich danke vielmals herzlichst für deine erneute Mühe (denn eine Mühe war es mit Sicherheit, sich durch diese Textwand zu wühlen) und stimme dir zu, dass die Realität genug Horror bietet. Hinzufügen möchte ich, dass sie in Aspekten der Abscheulichkeit und Niedertracht von der Fiktion unerreicht ist. Ich glaube, deshalb halte ich es mit letzterer. Denn mag ich auch die härtere Gangart, so lob ich mir doch den Filter, der sich Erzählung nennt.

Bevor ich mich an die Arbeit mache, eine kurze Anmerkung: Was ich nicht anspreche, habe ich so oder sehr ähnlich übernommen.

--

»Du Scheißkerl«, schrie die Frau.
Klingt mir nach mehr als einer bloßen Aussage!

Ich habe mir mal irgendwann sagen lassen, dass man mit einigen Zeichen sparsam umgehen sollte. In deinem Beispiel wird dieses "mehr als" durch das "schrie" ausgedrückt. Man könnte also sagen, dass da sehr wohl ein Ausrufezeichen steht. Es versteckt sich nur. Nicht gelungen? Dann muss ich besser werden. Bist du sicher, dass der Weg an der Stelle nur über dieses Zeichen führt?

Die Haltung der Frau hatte sich verändert, statt drohender Gestik machte sie nun beschwichtigende.

Du hast recht. Allerdings entspricht es so nicht (grundsätzlich schon, aber nicht dort) meinem Stil.

Was hältst du von ...

1.) "Die drohende Gestik der Frau war einer defensiven Körperhaltung gewichen."

2.) "Die drohende Gestik der Frau war beschwichtigender Zurückhaltung gewichen." (Bürks :sick:)

3.) "Die drohende Körperhaltung der Frau war beschwichtigender Gestik gewichen."

4.) "Die drohende Körperhaltung der Frau war einer defensiven Gestik gewichen."

... ?

Mein Realschullehrer (erzähl ich immer wieder mal gerne, denn er hat Recht) behauptete immer ...

Ist zwar eine schöne Metapher, das mit der Sonne und dem Mond, aber wenn sich Autoren (und Lektoren) immer an derartige grammatikalischen Korsetterien halten würden, wäre die Welt um etliche tolle Sätze ärmer und beschissene reicher.

Und gerat ich doch mal an einen Lektor der da den Rotstift ansetzt, so mach ich ihn gerne glücklich.

Um mich für die Metapher zu revangieren:

"Wenn man dir liniertes Papier gibt, schreibe quer über die Zeilen"
-Juan Ramón Jiménez

Der Mann schien sie nicht zu hören.

Ist es hiermit eigentlich auch so, oder ist das ein anderer Fall? (Frage für einen Freund.)

»Mhm«, machte er, »vielleicht eine gute Idee.«
Wie spricht man „mhm“ aus? Lautschriftlich steht nur ein gedehntes „m“ [m:] zur Verfügung, selbst das Dehnungs-h ist entbehrlich. Umgekehrt, „hm“ lässt sich das anlautende „h“ darstellen als tonlos [hm:]

Hm?

Lang und in sich geschlossen:

Der Nachdenkliche: Mhm ... lass mich mal überlegen ...
Der Naive: Mhm, lecker!

Und dann noch in kurz und hinten offen:

Der mürrische Sturkopf: Mh, nö.
Der kurz Angebunde: Mh, er nickte.

Er setzte ihn vorsichtig auf den Boden neben der Pfütze und machte sich dann, einfach so, und ohne dass er dazu aufgefordert worden wäre, davon.

Unschöne schache Klammer. Setz „davon“ direkt zwischen „dann“ und das Komma und Du sparst sogar ein Satzzeichen ...

Unschöne schwache Klammer? Wieso schwach, weil der Leser bis zum Ende des Satzes lesen muss? Ich habe gerade mehrere Varianten durchprobiert, habe das "davon" vorgeholt, das "dann" gestrichen, das Komma gegen einen Halbgeviertstrich getauscht und das alles durcheinander. Mir gefällt "meine" erste Version am besten. Ursprünglich bildete das mit dem nachfolgenden Satz übrigens ein noch ganz anderes Ungetüm. Also, wie gefragt, wieso schwach?

Kopf gehen zu lassen. Ich weiß, es ist schwer, aber-«

Du arbeitest viel mit Zeichen statt …, aber auch da wäre eine Leerstelle zwischen Wort und Zeichen angesagt ...
Musstu insgesamt nochmals durch ...

Tatsache. Witzigerweise (haha) ist mir dieses meine Gebrechen erst vor wenigen Wochen selbst aufgefallen. Ich könnte schwören, dass ich das noch vor einem Jahr korrekt genutzt habe. Weiß nicht mehr, was mich letztendlich hierzu getrieben hat.

»Gehen Sie[!]«
»Wie bitte?«
»Ich möchte mit meinem Mann allein sein[!]«
Auch so ist's möglich ... Imperativ und Wunsch

Ausrufezeichen, Ausrufezeichen ...

Die Protagonistin spricht an der Stelle leise aber bestimmt. Allein in der Unterbrechung sehe ich das Ausrufezeichen. Aber ohne den Leser in Versuchung zu bringen, zu denken, dass sie ihre Stimme erhebt. Ich will, dass es sehr leise während dieser Szene zugeht. Der Satz "Ich möchte mit ..." mag gar noch leiser sein.

Kommt das nicht durch?

Es würde womöglich dauern, aber am Ende, ganz am Ende, würde er aufwachen und alles würde wieder so sein, wie immer.
Durch ein umgelauteres "wurde" gewinnt nix Würde.
Warum Konj. II, wenn das schlichte Furur in seiner binären Wertigkeit doch offen genug ist – entweder das Ereignis wird eintreten oder eben nicht ...

:read:

:hmm:

:confused:

...
...

:idee:

Du meinst, ich soll ein "wäre" hinzu- ... das letzte "würde" weglassen? Eine sehr gute Idee!

»Ich bin noch nicht fertig«, der Richter erhob das Wort und der Anwalt nutzte die Chance[,] um seinen Mandanten mit sanfter Gewalt zurück in den Stuhl zu drücken.
Zwo Gründe erzwingen das Komma, der Infinitiv hängt von einem Substantiv (das auch schon mal als Pro-nomen mit Minuskel daherkommen kann), vor allem aber das einleitende „um“.

Weißt du ... da wir zwei hier unter uns sind ... ich gestehe dir mal was. Ich weiß weder was ein Minuskel ist, noch was ein Substantiv oder ein Pronomen. Ich weiß was Nomen sind, Wörter die man großschreibt, und ich weiß, dass Verben Tuwörter sind. Diese ganzen schrecklichen lateinischen Wörter (Gott strafe Rom. Er strafe es!) wollten noch nie in meinen Kopf hinein.

Übrigens konnte in meiner Familie väterlicherseits ohne Ausnahme jeder über vier ein Instrument spielen. Noten lesen konnte keiner. Ich kann zwar weder das eine noch das andere, aber dafür stehen verdammt viele ostasiatische Filme aus den späten Achtzigern und Neunzigern in meinem Filmschrank – und das ist ja schließlich auch etwas.

Will sagen: An der Stelle habe ich das Komma übersehen.

Anders ist es mit "Komma als"- und "Komma wie"-Konstellationen. Selbst wenn ich die Regeln dazu vor mir und den betreffenden Satz daneben habe, besteht eine Chance von 50%, dass ich das Komma falsch setze. Hat vielleicht was mit einem Teil des mathematischen Spektrums zu tun, gegen den meine Familie väterlicherseits einen Gendefekt Immunität hat. Oder auch anders herum.

Der Alte fuhr in die Höhe und reckte seinen Stock zum Richter.«
Warum „zu dem“, wo „gen“ eigentlich die Standardpräposition ist, wenn einer was gegen einen andern richtet?

Standardpräposition? Tatsächlich? Gen Himmel und so kennt ja jeder. Fand es immer schick, hielt es aber für leicht elitär und zudem nur in großen Maßstäben nutzbar. Die Vielfalt war mir nicht bewusst. Ist aber tausend mal eleganter, als "zum Richter". "Gen Richter", "gen betreffendem X oder Y" ... gefällt mir, werde ich jetzt öfter nutzen.

Sie betrachtete die Rückseite des Sessels und fragte sich, ob er sich wohl ausmalte, ein Cowboy zu sein[...] oder vielleicht ein Indianer?
„Oder“ ersetzt wie z. B. „und“ das Komma zwischen gleichrangigen Wortgruppen (bevorzugt Adjektiven als Attribut), Satzteilen und Sätzen – egal ob Haupt- oder Nebensatz.

Recht hat er, der Friedrichard. Allerdings ist das Problem noch etwas anders gelagert. Der erste Teil des Satzes ist keine Frage. Erst mit dem zweiten Teil wandelt sich das. So ist es aber nicht von mir angedacht. Habe das mal angepasst.

Irgendwas musste der junge Mann in ihm ausgelöst haben. Vielleicht seine Haare. Vielleicht die Art[,] wie er lächelte[...] oder sprach.

Das fette scheint mir zwiespältig – fallen evtl. seine paar Flusen noch aus?

Da bin ich dann wohl einen Tod gestorben. Da hätte auch "Nase" statt "Haare" stehen können. Hatte das überhaupt nicht mit seinem Haarausfall in Verbindung gebracht. Aber wieso erscheint es dir zwiespältig? Jetzt, wo du es erwähnst, macht es auf mich einen stimmigen Eindruck. Als hätte ich mir etwas dabei gedacht.

Besser statt des Possessivpronomens ein „dessen“, des jungen Mannes Haare.

Hm, jetzt kann ich erneut nicht mehr folgen. "seine" finde ich schicker. Siehst du da die Gefahr eines Bezugsfehlers?

Sie raufte die Haare. So ein Schlamassel. So ein verdammte[r] Schlamassel.

Erwähnte ich je, dass meine Vorfahren nach dem Tode Karls VI. die Berge hinter sich ließen um sich in den Auen Ostfrieslands niederzulassen? Eine schöne Geschichte.

Er nickte, so als stimme er ihr zu, aber mittendrin wurde das Nicken zu einem Kopfschütteln.
Dieses „als ob“ schreit eher nach Konj. II, auch „irrealis“ genannt - also „stimmte“ (oder wahrscheinlich von Dir bevorzugte "würde"-Konstruktion)

Tatsächlich sollte gerade dieses "stimme" eine "würde"-Konstruktion vermeiden. "stimmte" hört sich grässlich an. Ich schreibe dann lieber quer über das linierte Papier. (Springt schreit es dich echt so sehr an?)

... und dass die Zustimmung irreal ist, zeigt das Kopfschütteln

Kann nicht ganz folgen.
Sollte
"so als stimme er ihr zu,"
komplett weg?

--

Wie derm auch werde, gern gelesen

Das kann ich zurückgeben. War eine schöne Überraschung. Vielleicht trinkt man ja irgendwann mal ein leicht gesüßtes, nicht zu stark erhitztes Zitronenwasser zusammen. Irgendwo ließen sich mit Sicherheit auch vegane Kaubonbons auftreiben. Oder wilde Beeren. Wobei wir darauf achten sollten, dass sie nicht zu tief hängen, die meisten Tiere heutzutage haben Antibiotika und Aspartam im Blut Urin.

Auf bessere Zeiten,
erhebt sein Glas,

Analog

 

Jetzt, wo du es erwähnst, macht es auf mich einen stimmigen Eindruck. Als hätte ich mir etwas dabei gedacht.

Hoppela,

Analog,

wenn mich mein System nicht betrügt (oder auch nur sich verzählt hat) umfassen Kommentar und Antwort zehn Normseiten unter courier 12 pt., der Type der guten alten Schreibmaschine, 60 Zeichen/Zeile und 30 Zeilen/Seite und nun folgt noch etwas als Antwort der Antwort hinzu, wobei ich nicht auf jeden Punkt eingehen werde (muss ja auch nicht, man – also in dem Fall ich – könnte ja auch die Antwort z. K. nehmen und feddisch!, wie‘t der (nieder)rheinische Ruhr(s)pöttler so sacht und dass nun ganz kurz, mit dem einleitenden Zitat aus einem Wust von möglichen zeigt sich – vllt. - eine gewisse Nähe aus (wobei mir wurscht ist, ob einer die Grammatik beherrscht oder nicht, sie ist eh im Wandel begriffen und wie „lol“ es in den Duden geschafft hat, so werden andere schwachsinnige Dinge einstweilen vom Rat für deutsche Rechtschreibung übernommen werden, sofern sie nur eben massenhaft genug auftreten. Wer glaubt, die Rechtschreibreform sei zu Ende, der irrt. Selbst das „ß“, das jahrelang auf der Abschussliste stand – wegen minimalsten Gebrauchs - hat es letztens zum Gorßbuchstaben („Majuskel“) geschafft, von dem ich sogar einen Hintergrund weiß, weil „mein“ Rechenzentrum in den 1980/90er Jahren in Dehrendorf (Düsseldorf) schräg gegenüber einer Altbierbrauerei mit drei großen S (eins am Anfang für einen zischenden Laut und zwo mittendrin statt des schönsten Buchstabens überhaupt, der eher aussieht wie die grafische Darstellung der schwangeren Jungfrau, deren Namen mir gerade nicht einfällt) im Namen lag (eigentlich: liegt, ist ja immer noch da das RKD, nicht zu verwechseln mit dem Aachener oder dem Niederländischen!), das seinen Namen allzu gerne in der Leuchtreklame ohne „Minuskel“ (wo‘s ja das ß immer noch gibt, trotz aller Bedrohung durch Schwindsucht) ersetzt. Für's freie Unternehmertum ist also alles möglich ...

Warum verbreitet der nun noch‘n Anekdötchen, wenn er die Geschichten hierorts partout nicht nacherzählt? Die Antwort ist einfach, meine Sicht der Dinge und meine Meinung steckt i. d. R. im Kommentar drin, dass ich nicht noch den Text zusammengedampft wiedergeben muss. Und er soll doch noch von anderen gelesen werden … Oder?

Nun, St. King – manchmal will er mir durch seine Fan-Gemeinde wie ein Heiliger gepflegt zu werden – ist mir nur in Verfilmungen (Kubrick z. B.) bekannt und man muss auch nicht alles lesen - da käme man ja zu nix mehr anderem …

Du siehst, man kann mir St. King nicht vermiesen, aber noch bedenklicher find ich seine Fangemeinde, wenn sie „Es“ nachspielt und gottesfürchtige und abergläubische Leute erschreckt.

»Du Scheißkerl«, schrie die Frau.
Klingt mir nach mehr als einer bloßen Aussage!

Ich habe mir mal irgendwann sagen lassen, dass man mit einigen Zeichen sparsam umgehen sollte. In deinem Beispiel wird dieses "mehr als" durch das "schrie" ausgedrückt. Man könnte also sagen, dass da sehr wohl ein Ausrufezeichen steht. Es versteckt sich nur. Nicht gelungen? Dann muss ich besser werden. Bist du sicher, dass der Weg an der Stelle nur über dieses Zeichen führt?

Recht hastu, man sollte – nicht nur in Kurzgeschichten – sparsam mit Zeichen umgehn (also auch nicht nur der Satzzeichen) - aber ist es nicht so, dass wir automatisch beim Imperativ „Stillgestanden!“, „Schnauze!“ (im Sinne von „Ruhe!“) schon halbautomatisch a) strammstehn und b) das entsprechende Satzzeichen mitdenken, weil es auch so schön gerade steht, während das „?“ einen „¿“ i. S. des Hakens zeigt und sich krümmt vor keineswegs übermächtigen Fragen.
Würdestu auf das Fragezeichen verzichten, wenn die Satzstellung schon eine Frage offenbart?

Ganz besonders sind die „Ausrufe“ die geflüstert werden … wie die Frau weiter unten im Text (also jetzt nicht hierselbst). Da gesellt sich die Gefahr (also die in der realen Welt), dass die Gnade des tauben Ohres eine ganz andere Reaktion auslöst ...
Was die weichende, also sich ändernde „Körperhaltung der Frau“ betrifft, nähme ich i. d. R. die sparsamste Formulierung.
Wie die Faust aufs Auge passt da die Passage

Der Mann schien sie nicht zu hören.
und die ist korrekt „scheinen + zu hören“, manchmal wird er eben durch ein näherbestimmendes Verb erzwungen, dass den Kunstgriff eines "scheint zu sein" erspart.

Er setzte ihn vorsichtig auf den Boden neben der Pfütze und machte sich dann, einfach so, und ohne dass er dazu aufgefordert worden wäre, davon.
find ich immer noch eine
Unschöne schwache Klammer. Setz „davon“ direkt zwischen „dann“ und das Komma und Du sparst sogar ein Satzzeichen ...
Deine Antwort Unschöne schwache Klammer? Wieso schwach, weil der Leser bis zum Ende des Satzes lesen muss? Ich habe gerade mehrere Varianten durchprobiert, habe das "davon" vorgeholt, das "dann" gestrichen, das Komma gegen einen Halbgeviertstrich getauscht und das alles durcheinander. Mir gefällt "meine" erste Version am besten. Ursprünglich bildete das mit dem nachfolgenden Satz übrigens ein noch ganz anderes Ungetüm. Also, wie gefragt, wieso schwach?

erzeugt zunächst das Widerwort, dass das Adverb „davon“ an sich das Wort näher bestimmt (und sei‘s ein Verb), bei dem es steht, ist in dem Fall sogar von ihm als Suffix vereinnahmt und Du lässt es in der Diaspora weit draußen am Ende der Welt, pardon, des Satzes zurück …

Aber wie dem auch sei, Dir, als erstem Leser, muss der Satz gefallen und keineswegs jedem anderem Leser. Du bist Herr Deiner Schöpfung. Da ist jeder so‘n Hauch von göttlich (oder teuflisch oder irgendwo dazwischen).

Wie dem auch sei, Dein bearbeitetes Debut ist es wert, gelesen zu werden in seiner ganzen Absurdität

Darf ich mir das einrahmen?
Nur zu, was sollte Dich (oder wen auch immer) daran hindern? Ganz am Anfang hierorts hab ich auch einen richtig schönen Spruch aus meiner ersten Wohnung (drei Stockwerke hoch, drei Paar Erwachsene und ein Kind) in die Schweiz weitergehen lassen, weil er sich einfach in einer Ich-bezogenen Welt gehört. Im Gemeinschaftsraum hing zum Schock aller Gäste ein Schild mit der Aufschrift

"Erzählen Sie nicht über sich selbst.
Das tun wir schon, wenn sie gegangen sind."​

Ich denke, wir werden noch viel Freude aneinander haben!

Tschüss und bis bald

Friedel

 

könnte ja auch die Antwort z. K. nehmen und feddisch!

Eine reine Kenntnisnahme, obwohl der Analog ganz konkrete Fragen gestellt hat? Zum Glück ist es nicht dazu gekommen,

werter Friedrichard.

Ich möchte nicht noch weitere Normseiten provozieren, erwarte ganz sicher keine Rückmeldung und verspreche, dass es gleich vorbei ist!

Würdestu auf das Fragezeichen verzichten, wenn die Satzstellung schon eine Frage offenbart?

Auf die Gefahr hin, despektierlich zu klingen; ich sehe zwar Parallelen, aber die sehe ich bei Äpfel und Birnen auch.

aber ist es nicht so, dass wir automatisch beim Imperativ „Stillgestanden!“, „Schnauze!“ (im Sinne von „Ruhe!“) schon halbautomatisch a) strammstehn und b) das entsprechende Satzzeichen mitdenken, weil es auch so schön gerade steht

Wir sind in der betreffenden Szene nicht in der Damenumkleide der nordkoreanischen Kugelstoßerinnennationalmannschaft.

Wenn Person A Person B gefasst und mit leiser Stimme zum Gehen auffordert (ergo ohne Nachdruck), dann ist für mein Verständnis ein Ausrufezeichen – welches weniger die Information an sich verstärkt, als vielmehr den Ton in der sie übermittelt wird – fehl am Platz.

Anders wäre es, wenn B weiter auf A einreden würde. Da käme höchstwahrscheinlich ...

»Jetzt gehen Sie schon!«,
»Kein Wort mehr!«
»Raus!«

Was die weichende, also sich ändernde „Körperhaltung der Frau“ betrifft, nähme ich i. d. R. die sparsamste Formulierung.

Danke für die Erinnerung. Der Satz fliegt ganz raus.

Wie die Faust aufs Auge passt da die Passage

Der Mann schien sie nicht zu hören.
und die ist korrekt „scheinen + zu hören“, manchmal wird er eben durch ein näherbestimmendes Verb erzwungen, dass den Kunstgriff eines "scheint zu sein" erspart.

Sehr gut, die zwei verschiedenen Paar Schuhe bestärken mich. Reduziere ich die beiden Sätze ...

"Im ersten Moment schien sie geschockt ..."
"Der Mann schien sie nicht zu hören."

... erhalte ich:

"Sie wirkte X."
"Er tat X."

Womit der Autor sah, dass es gut war. Oder so.
Bitte korrigiere mich nicht,

und genieße noch das schöne Wetter,

herzlichst,
Analog

 

Womit der Autor sah, dass es gut war. Oder so.
Bitte korrigiere mich nicht,

und genieße noch das schöne Wetter,


Hab ich gestern, einiges gelaufen ... und mich hernach über die vielen Leute gefreut, wobei die Demo vom Weg her wahrscheinlich von Fußkranken ausgewählt wurde ...

Wir sollten mal uns an einer Loriot'schen Geschichte versuchen ... Sagen Sie nichts ...

Tschüss, schönes Wochenende usw.

Friedel

 

Wir sollten mal uns an einer Loriot'schen Geschichte versuchen ... Sagen Sie nichts ...

"Wir" wie "wir beide", "Wir" wie "ich" oder "Wir" wie "du"?,

fragt Analog,
der vom zu Fuß gehen wenig hält,
aus Höflichkeitsgründen im Faden zu seiner Geschichte bedauerlicherweise das letzte Wort haben muss,
und sich darüber bewusst ist, dass Fragen meist Antworten provozieren,
aber in diesem Fall hofft, dass der Klügere (zumindest vermeintlicherweise),
nachgibt.

 

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