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Der Mann, der in eine Garage ging und aus einem Flugzeug herauskam

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10.10.2006
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Der Mann, der in eine Garage ging und aus einem Flugzeug herauskam

Als ich auf die Dreißig zuging, baute sich der Vater meiner Freundin die Garage zum Flugsimulator um. Achttausend Euro und mehr, so erzählte mir seine Ehefrau, habe Walter schon in die Garage gesteckt. Seit langem habe sie schon Probleme mit ihm, er sei immer unleidlicher geworden und maulfauler, nachts gar nicht mehr ins Bett gekommen, habe dann immer längere Zeit in der Garage verbracht, immer größere Pakete bestellt, und nun verabschiede er sich regelmäßig vom abendlichen Esstisch mit dem Hinweis, er fliege die nächsten acht Stunden Frankfurt – New York, und sie solle nicht auf ihn warten.
Am Abendessen, so erzählte sie weiter, habe er ohnehin kaum noch Interesse. Er rühre das Brot nicht mehr an, auch die geliebten Senfgurken gefielen ihm nicht länger, er schiebe nur lustlos ein paar Cocktail-Tomaten auf dem Teller hin und her. Sie habe ihn dann darauf angesprochen, und er habe geantwortet, das sei wegen der Verdauung. Er könne ja wohl kaum einen Zwischenstopp machen bei Frankfurt - New York, am Ende noch irgendwo in der Karibik notwassern, um aufs Klo zu gehen. Dem Auto-Piloten vertraue er einfach nicht. Wenn sie sich denn wirklich Sorgen um so etwas mache, dann sei das sehr lieb, aber nicht weiter notwendig.

Da ich nicht im eigentlichen Sinne zur Familie meiner Freundin gehörte, fand ich, dass es nicht an mir war, mich dort einzumischen. Aber die Mutter meiner Freundin konfrontierte mich wieder und wieder mit diesen Dingen. Sie dachte, ich müsse mich doch auskennen, immerhin wäre ich in der Stadt gewesen, zum Studium. Sicher seien mir auch höhere Dinge nicht fremd und ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen, falle in mein Gebiet.
Ich sagte. immerhin wisse sie ja, wo er sei. Da brauche sie sich keine Sorgen machen. Andere Männer, sagte ich, würden ihre Abende ganz anders verbringen und viel mehr Geld ausgeben. Ich sagte, das sei eine Skurrilität, ein interessanter Spleen, etwas, um das man Walter beneiden würde. Andere hätten ihren Garten, sagte ich, Walter habe nun mal New York. Daran sei überhaupt nichts auszusetzen.

Eines Tages jedoch kam ich von der Arbeit nach Hause und fand meine Freundin am Esstisch vor, sie hatte ihre Arme unter der Brust zusammengefaltet und als sie mich sah, tat sie bedrückt. Sie stand etwas schnippisch auf und ging noch schnippischer an den Kühlschrank, holte schnippisch einen Joghurt hervor und stellte den schnippisch auf den Tisch. Dann schnippte sie in meine ungefähre Richtung und sagte: „Joghurt.“
Ich sagte Vielen Dank.
Sie fand das nicht sehr komisch. Ich müsse doch merken, dass sie etwas bedrücke, sagte sie. So etwas müsse mir doch auffallen, mir fiele doch sonst alles auf. Für alles hätte ich eine Theorie, behauptete sie, nichts würde mir entgehen. Bei diesen Filmen, die wir immer sähen, sei ich unausstehlich, könne gar nicht aufhören, darüber zu quatschen, was die Figuren empfänden. Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, und probierte von dem Joghurt.
„Für mich schon“, sagte sie, und jetzt solle ich mich mal zusammenreißen, aufhören hier an dem Joghurt herum zu neiseln und ihr mal ins Gesicht schauen. „Seh ich glücklich aus?“, fragte sie.
Ich verneinte.
„Warum seh ich nicht glücklich aus?“, fragte sie.
Ich überlegte, ihr eine Reihe von plausiblen Gründen anzubieten, entschied mich jedoch dagegen und bot ein „Hm“ an.
„Wegen meiner Mutter“, sagte sie.
„Wegen deines Vaters, meinst du?“, fragte ich.
Sie nickte.
Ich nickte auch.
Ich solle dann noch was vom Chinesen mitbringen, sagte sie und klang wie eine selbstzufriedene Frau, die genau weiß, wie sie ihren Freund zu allem kriegt. Sie koche heute nicht. Sie habe heute schon genug getan.
Als wäre es jetzt eine große Leistung gewesen, mich zu manipulieren, und als sei damit schon alles getan, um das Problem aus der Welt zu schaffen, nur weil man mal den Freund manipuliert hat.
Chinesisch, sagte ich, mal gucken, ob es das in New York so gibt. Das sagte ich, während ich schon die Tür aufgemacht hatte, um das letzte Wort zu haben.
„New York war gestern“, rief sie mir noch hinterher. „Heute ist der Rückflug dran. Er zieht das total durch, du musst dich wirklich darum kümmern, Mutter sagt, er isst schon gar nichts mehr, das ist ernst.“ Das rief sie mir noch nach, als ich schon die Treppe hinunterging, nur damit sie das letzte Wort haben konnte. Sie ist so, da darf man sich nichts vormachen. Sie seufzte dann erschöpft und schloss die Tür hinter sich und ich dachte bei mir so: Wenn Mädchen wie ihre Mutter werden, hätte ich es schlechter treffen können. Immerhin sorgte sich die Mutter meiner Freundin ja liebevoll um ihren Ehemann, außerdem hatte sie ein angenehmes Wesen und eine bemerkenswerte Figur für ihr Alter.
Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde.

Als ich am Haus angelangt war, brannte noch Licht in der Küche und ich sah das Gesicht meiner designierten Schwiegermutter, gedankenverloren strich sie über einen Teller und lächelte mir zu.
Ich achtete nicht darauf, sicher hätte es ihr gefallen, mich noch mit letzten Anweisungen zu instruieren, mir ihre Gedanken und gute Wünsche mit auf den Weg zu geben, um das Problem zu lösen, von dem ich immer noch nicht wusste, ob es denn eins war.

Ich öffnete die Tür zur Garage, zu einem Ort, den ich noch nie betreten hatte, und schon blickte ich auf den Himmel über dem atlantischen Ozean. Walter hatte das Geld in einen Panorama-Bildschirm investiert, etwa acht Meter davor saß er in einem Pilotensessel und vor einem Cockpit, er hatte ein Head-Set auf, so dass ich ihn kaum erkennen konnte.
Das ganze wirkte von außen wie in den Spielhallen, wenn Jugendliche ein Rennspiel spielen, nur sind bei diesen Automaten die Bildschirme nur eine Armeslänge vom Gesicht des Spielers entfernt, bei Walter waren es mehrere Körperlängen. Über ein Dolby Surround Soundsystem flüsterte aus allen Ecken der Garage ein weißes Rauschen, ich versuchte ein Muster zu erkennen, vielleicht das Schreien von ein paar Möwen, aber es waren nur die Triebwerke zu hören. Vielleicht, dachte ich, stottert mal eins oder irgendwas, aber es war nichts zu hören.
Walter hatte mich indessen bemerkt und zeigte mit der rechten Hand energisch an, ich solle mich verpissen. Er wedelte mich regelrecht aus der Garage hinaus, doch ich schloss nur die Tür hinter mir, lehnte mich dann gegen eine Wand und lauschte dem Summen der Triebwerke, und wenn ich auf den Monitor schaute, sah ich dort die immer gleichen Polygon-Wolken vor sich hinziehen. Ich zog es vor, mich am Rande der Garage aufzuhalten, kam mir wie ein Eindringling vor, immerhin hatte er deutlich gemacht, dass ihn niemand hier besuchen durfte. Seine Frau, so hatte sie mir erzählt, habe es am Anfang wiederholt versucht, aber er habe sie überhaupt nicht wahrgenommen, was sie dann so verärgert hatte, dass sie ihn mehrmals später darauf angesprochen, aber nur ausweichenden Antworten erhalten habe.
Ich fragte mich, während ich im Halbdunkeln der Garage den Triebwerken lauschte, was meine Freundin nun wohl treibe. Ob sie es sich vielleicht mit einer Tüte Chips im gemeinsamen King-Size-Bett bequem gemacht habe und dort nun alles vollkrümelte, dabei sich vielleicht die Zehen pink lackierte, es sich ganz mollig machte, ihre Haut ganz weich, und sich beim Gedanken daran totlachte, dass ich hier in einer öligen Garage säße auf einer aussichtslosen Mission.
Und während sie sich mein Kissen noch unter das Kreuz legte, statt wie durch mich bei einigen Gelegenheiten vorgeschlagen, einfach ein weiteres zu kaufen, musste ich hier klamm an der Tür lehnen und dabei zusehen, wie jemand nach New York fliegt.

Nach einer Weile wurden die Triebwerke leiser, ich schreckte hoch aus meinen Überlegungen und glaubte nun, ein Stottern zu vernehmen, vielleicht eine Stichflamme aus irgendeiner Ecke der Garage lodern zu sehen, doch statt dessen hörte ich Walter sprechen: „Hör mal, Junge, ich weiß schon, aber du kannst ihnen doch sagen, mit mir ist alles okay. Du kannst ihr sagen, dass du mit mir geredet hast und dass mit mir alles in Ordnung ist.“
Jetzt erst erkannte ich, dass Walters Stimme aus den vier Ecken der Garage kam. Er musste dasselbe System benutzen, um wichtige Durchsagen an die Passagiere zu tätigen.
Ich sagte: Walter, die werden mir nicht glauben. Die machen sich Sorgen um dich. Ich hab keine Wahl, die wollen das verstehen.
„Dann erklär's Ihnen doch“, sagte Walter.
Dazu muss ich aber erst mal so tun, als hätte ich dich lange angeschaut und es verstanden, sagte ich.
Und er fragte: „Wie lange?“
Und ich fragte, ob ich ihn denn störe.
Und er sagte: „Ja.“ Ganz immens störte ich ihn, ich ruinierte alles, machte den ganzen Spaß kaputt, er könne meine Anwesenheit unmöglich ausblenden und ob es mir denn gefalle, fragte er noch.
Wisse ich nicht so Recht, sagte ich, käme mir alles ein wenig eintönig vor, so ganz ohne Luftkampf oder Möwen oder Brände oder so richtiger Aussicht.
„Ja“, sagte er.
„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.

Ich sagte dann nichts mehr. Ich schaute ihm noch ein bisschen dabei zu, wie er flog. Fünf Stunden hab ich ihm dabei zugesehen und als er dann zur Landung ansetzte, bin ich aufgestanden, hab die Garagentür geöffnet, bin nach draußen gegangen und hab die kalte Luft eingeatmet. Draußen sind die ersten Wagen losgefahren. Man kennt das ja, wenn eine Straße aufwacht, wenn die Menschen ihren Schlaf abschütteln und zur Arbeit gehen. Der Nachbar fährt, der andere Nachbar fährt, und im Haus der Eltern meiner Freundin brannte kein Licht.
Ich spürte Walters Hand auf meiner Schulter, er ging wortlos an mir vorbei, öffnete die Haustür, drehte sich noch einmal um und nickte mir zu.

 
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Hey Quinn

Er rühre das Brot nicht mehr an, auch die geliebten Senfgurken gefielen ihm nicht länger, er schiebe nur lustlos ein paar Cocktail-Tomaten auf dem Teller hin und her. Sie habe ihn dann darauf angesprochen, und er habe geantwortet, das sei wegen der Verdauung. Er könne ja wohl kaum einen Zwischenstopp machen bei Frankfurt - New York, am Ende noch irgendwo in der Karibik notwassern, um aufs Klo zu gehen.

Bei der Stelle hab ich zunächst geschmunzelt, aber sie zeigt auch das Dilemma der Familie. Zum einen, wie weit es mit dem "Hobby" des Mannes gekommen ist. Klar, man kann jetzt sagen, der Mann geht da total auf, das ist zunächst ja etwas positives - aber auf der anderen Seite ist es manchmal nur ein kleiner Schritt zwischen tiefer Begeisterung und einer Sucht. Wenn er nicht einmal für einen Gang zur Toilette die Pause-Taste drückt - das ist bedenklich.

Auf der anderen Seite: ich habe von Leuten mit diesem Hobby auch schon gehört. Oft auch, dass sie damit ihren Lebenstraum verwirklichen, weil es mit der Piloten-Karriere nicht geklappt hat. Die haben Karten zum Navigieren und Pilotenbücher und Anflugpläne von diversen Flughäfen daheim rumliegen, und simulieren diese eigentlich sehr langweiligen Transatlantikflüge bis ins kleinste Detail. Das klingt erst befremdlich, aber auf der anderen Seite ist das auch nichts anderes, als stundenlang Züge durch die Gegend fahren zu lassen. Bei beiden Beschäftigungen wird sehr viel Wert aufs Detail gelegt.

Jedenfalls wird durch den oben zitierten Abschnitt auch deutlich, warum die Familie ein Problem mit dem Hobby hat. Normalerweise könnte man der Mutter auch einfach sagen: sei froh, dass dein Mann überhaupt was macht. fiz hat geschrieben, in ihrem Umfeld machen die Männer viel verrücktere Sachen, ich hab schon oft von Männern gehört, die dann in ein Loch fallen und überhaupt nichts mehr machen. Die sitzen dann daheim rum, und die Frauen merken plötzlich, wie angenehm es doch war, als der Kerl noch täglich acht Stunden arbeiten ging, und wie weit man sich inzwischen auseinandergelebt hat. Aber vielleicht ist das auch das Problem der Frau: Ihr Mann ist ihr auf einmal fremd geworden, vielleicht auch, weil er etwas tut, das man zunächst eher bei einem Jugendlichen erwarten würde. Als er in seinem Arbeitsleben beschäftigt war, hat ihr das nichts ausgemacht, jetzt stört sie seine neue Beschäftigung. Zum einen hat das vielleicht mit enttäuschten Erwartungen zu tun ("wenn er in Rente ist, können wir viel mehr Zeit miteinander verbringen"), zum anderen aber sicher auch, weil er etwas tut, das sie im besten Fall für seltsam hält.

Und dann werden natürlich auch handfeste Gründe angeführt:

er sei immer unleidlicher geworden und maulfauler,

Hier habe ich mich beim Lesen gefragt, ob das wirklich so ist, oder ob sie das nur so empfindet. Nach dem Lesen ist das klarer, spätestens mit der Stelle, als es zur Begegnung zwischen dem Mann und dem Erzähler in der Garage kommt. Also da gehts schon um mehr als bloss ein Hobby, ich hab das nicht ganz durchschaut, vielleicht ist der wirklich in ein Loch gefallen und hat sich auch charakterlich verändert. Das geht dann schon wieder in Richtung Suchtverhalten, und dann sind die Bedenken der Ehefrau natürlich berechtigt.

Sie stand etwas schnippisch auf, und ging noch schnippischer an den Kühlschrank, holte schnippisch einen Joghurt hervor und stellte den schnippisch auf den Tisch. Dann schnippte sie in meine ungefähre Richtung und sagte:

Ist eine sprachliche Spielerei, die vielen "schnippisch" und dann "schnippte". Aber fehlt da nicht etwas? "Dann schnippte sie den Joghurt in meine Richtung" ergäbe Sinn für mich, aber meinst du "schnippen" hier nicht im Sinne von "werfen, rüberreichen" oder so? Oder ist es doch nur eine reine Wortspielerei?

Sie fand das nicht sehr komisch. Ich müsse doch merken, dass sie etwas bedrücke, sagte sie. So etwas müsse mir doch auffallen, mir fiele doch sonst alles auf. Für alles hätte ich eine Theorie, behauptete sie, nichts würde mir entgehen. Bei diesen Filmen, die wir immer sähen, sei ich unausstehlich, könne gar nicht aufhören, darüber zu quatschen, was die Figuren empfänden. Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, und probierte von dem Joghurt.

Fand das auch eine gute Stelle, weil er ihre Vorwürfe indirekt sofort bestätigt. So nach dem Motto "Immer widersprichst du mir." - "Tu ich gar nicht." Mir gefällt hier auch die Wortfolge Besserwisser - Reinquatscher - Übererklärer - Empfindling, vor allem auch, weil bis auf das erste vermutlich alles Erfindungen sind. Aber so redet man schonmal, wenn man einen Punkt betonen will :).

„New York war gestern“, rief sie mir noch hinterher. „Heute ist der Rückflug dran. Er zieht das total durch, du musst dich wirklich darum kümmern, Mutter sagt, er isst schon gar nichts mehr, das ist ernst.“

Das geht wieder so in die Richtung, die ich anfangs erwähnte - wann hört der Spass auf? Gerade wenn man so in eine virtuelle Realität abtaucht. Das ist ja schon absurd hier, ich hab das weiter oben schon geschrieben, eigentlich würde man das Verhalten eher bei einem Jugendlichen erwarten. Hier wird ein Mann in den 60igern davon "befallen", vielleicht reagiert das Umfeld da noch ein Stück empfindlicher, eben weil man das nicht erwartet. Ich war neulich mit einem Kollegen beim Mittagessen, er ist kurz vor den fünfzig, und er hat mir erzählt, wie er ein ganzes Wochenende Counterstrike durchgespielt hat. Ich bin da auch erstmal stutzig geworden, weil ich nicht viele Männer in dem Alter kenne, die sich derart für Computerspiele begeistern können, aber man hat da natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung, und wenn der widersprochen wird, ist das immer erstmal komisch.

Am Ende dann werden noch einige wichtige Details entlarvt. Zum einen, was virtuelle Realität angeht - so richtig ist es das ja gar nicht. Es findet keinerlei Aktion oder Interaktion statt, so wie du das beschreibst, sitzt der da acht Stunden weitgehend stumm vor dem Monitor, und das finde ich dann schon bedenklich. Man kann da in literarischem Sinn jetzt alles Mögliche reininterpretieren - verflogene Träume, Flucht aus dem Alltag, vielleicht auch das Verlangen, sich einer monotonen Tätigkeit hinzugeben, weil er das vierzig Jahre am Schreibtisch gemacht hat - aber ich finde, dazu gibt die Geschichte zu wenig her. Ich finde das Ende eigentlich sehr traurig. Ich dachte anfangs wirklich, wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der sich für etwas begeistert. Ich bewundere das an Menschen, wenn die sich in dem Alter noch für etwas Neues begeistern können, weil ich es grundsätzlich sehr wichtig finde, im Leben etwas zu haben, in dem man richtig aufgeht. Wenn nicht in der Arbeit, dann in einem Hobby. So fand ich es anfangs eigentlich toll, dass der Mann sich da was aufgebaut hat, aber wenn ich ihn mir vorstelle, wie er nächtelang stumm vor immer denselben Bildern sitzt - das ist ein trauriges Bild. Und er niemanden dabei haben will. Das spricht schon klar gegen die Begeisterung, denn daran möchte man andere teilhaben lassen.

„Ja“, sagte er.
„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.

Also vielleicht sucht er doch etwas, das er früher hatte, und mit der Rente verloren hat. Vielleicht etwas zum Festhalten, eine Konstante im Leben. Vielleicht verunsichert ihn die neue Situation so sehr, dass er jetzt Zuflucht in dieser Monotonie sucht. Aber das sind wieder so interpretierende Ansätze, ich weiss gar nicht, ob die hier überhaupt angebracht sind. Es kommt mir dann auch komisch vor, weil gerade die Fliegerei – da hängt immer auch der Mythos mit dran, das ist mehr Berufung als Beruf, mehr gelebter Traum als schnöde Beschäftigung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand dieses Hobby sucht aus einem anderen Grund als dem Traum zum Fliegen – aber vielleicht geh ich da auch dem Mythos auf den Leim.

Insgesamt hat mir der Text gut gefallen. Da werden viele Punkte angesprochen, die interessant sind und auch für eine Umsetzung viel hergeben: Was macht man aus dem Leben, wenn die Arbeit mal wegfällt? Wie geht die Familie damit um, wenn sich der Vater ein ungewöhnliches Hobby sucht? Was passiert, wenn er sich durch dieses Hobby immer mehr von der Familie entfremdet? Gerade das Ende hat mich berührt, da war ich dann auch richtig im Text drin.
Als Kritikpunkt, ich denke, du hättest das noch deutlicher ausführen können, die Geschichte weitererzählen. Kommt der Erzähler jetzt auch auf den Geschmack, was erzählt er denn jetzt der Mutter, wie geht es mit dem Vater weiter? Das ist eine druckvolle Situation jetzt, wie entlädt sich das Ganze? Ich habe das Gefühl, hier liegen viele Konflikte, ungelöste Probleme unter der Oberfläche, zumindest deutet einiges darauf hin - eine Aufarbeitung findet aber nicht statt, die Geschichte blendet am Ende einfach aus. Man geht sich eher aus dem Weg, als sich direkt mit den Problemen zu konfrontieren – so wie die Mutter und Tochter den Schwiegersohn einspannen, um ihr eigenes Problem zu lösen. Ich sehe schon, dass es nicht deine Absicht war, da weiterzuerzählen, es wäre aber interessant gewesen, was du aus dem Text gemacht hättest, hättest du ihn weitergesponnen.

Grüsse,
Schwups

 
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Hallo Quinn,

oh je, da ist ja schon derartig viel zu deiner Geschichte geschrieben worden, dass ich das unmöglich vorher lesen kann. Daher bitte ich es mir nachzusehen, falls ich dich mit Wiederholungen langweile.

Ich fang mal mit dem Titel an, denn meist vergess ich am Ende, dazu etwas zu sagen.

Der Titel war der Grund, weshalb ich in diese Geschichte gespitzelt hab. Also funktioniert er.

Der Plot hat mir gefallen. Was stellt man in seinem Rentnerleben an und was verändert sich dadurch. Diese Grundidee fand ich wieder in deinem Text und fand sie zudem beantwortet in deinen Figuren.
Dass du zudem das Hobby der Flugsimulator-Piloten herausgegriffen hast, finde ich für mich persönlich gut, weil ich gerade letztens mit solchen, allerdings waren es Jüngelchen, zu tun hatte.
Ich organisiere seit sechs Jahren einen Pilotenstammtisch, der als lockere Zusammenkunft für Berufspiloten und Fluglotsen, aber auch Freizeitpiloten gedacht ist. Kürzlich erschien eine Gruppe Flugsimulator-Piloten, die tatsächlich glaubten, sie würden in diesen Stammtisch passen. Ich finde darin eine Parallele zu deiner Geschichte. Walter und auch diese Jungs sind fest davon überzeugt, dass ihr Aufenthalt im Simulator kein Spiel ist. Da findet ein Stückchen weit Realitätsverlust statt.

Walter versucht sich skurrilerweise so zu ernähren, dass er nicht während eines Überseefluges auf Toilette muss, er glaubt also an die Wichtigkeit seiner Fliegerei und diese Stammtischjungs hatten dieselbe verschobene Realitätswahrnehmung.
Das ist alles kein Spiel mehr, das dient nicht mehr der Unterhaltung, sondern hat sich verselbstständigt, aus dem Hobby ist eine Passion geworden, die mit dickem Arm reingreift in den Alltag und sich Anteile davon packt.
Genau das spiegelt deine Geschichte und deswegen gefällt sie mir.

Dein Protagonist steigt eine Stufe höher und schaut von oben drauf, er benennt nicht diesen Verlust, er rechtfertigt ihn. Er gibt Mutter und Tochter zu bedenken, dass es schlimmere Hobbys gibt. Er steht von Anfang an auf Walters Seite. Und seltsam ist, dass keine der beiden Frauen dies erkennen können. Ich finde gut, dass du hier Raum lässt, selbst zu interpretieren, weshalb es so ist.
Ein weiterer Punkt, der mir angenehm aufgefallen ist, ist diese völlige Unaufgeregtheit des Protagonisten. Er wirkt als habe er ein dickes Nervenkostüm, er lässt sich nicht einfangen von der Aufgeregtheit der Ehefrau Walters, von den Forderungen, die beide Frauen an ihn stellen. Das funktioniert, weil er so viel Distanz zu allen Personen hat. Eigentlich bleibt er der Erzähler in deiner Geschichte, auch wenn er mittendrin im Geschehen steckt. Distanz als Schutz gegen Vereinnahmung. Im Grunde genommen ist er der einzige in der Geschichte, der weiß.

Gefallen hat mir die Darstellung der Mutter. Sie überblickt die Situation ihres Mannes nicht, sie schildert nur die einzelnen Puzzleteilchen, die zusammen gesetzt ergeben, dass er sich grundlegend geändert hat.
Sie bleibt unlogisch in ihrem Denken, wenn sie glaubt, dass ausgerechnet jemand, der studiert hat, ihr vielleicht aus der Misere helfen kann. Ihre Tochter ist wie der Apfel, der nicht weit vom Stamm gefallen ist.
Beide Frauen versuchen, zu manipulieren, aber sie scheitern an ihren eigenen Kurzsichtigkeiten. Dieser Druck, der weitergereicht wird, ist gut beschrieben. Da ist die Mutter, die der Tochter Solidarität abverlangt, das Bündnis der Frauen gegen einen Mann, der ausbricht aus der Gewohnheit. Dieses Zusammenspiel hat mir in deiner Darstellung gefallen. Oder besser gesagt, ich fand gut, dass ich dies aus deinem Text herauslesen konnte. Das ist viel hinter den Zeilen erfahrbar.

Einzig die Szene mit dem Essenholen vom Chinesen ist mir etwas unlogisch vorgekommen. Klar ist, dass die Tochter Druck ausüben möchte, sie weigert sich, zu kochen. Offensichtlich ist sie dafür zuständig. Der Freund soll den Familienseelenfrieden wieder herstellen, das scheint seine Aufgabe zu sein. Der Wechsel vom Auftrag, Essen beim Chinesen zu holen, zur Garage ist mir nicht ganz klar dabei. Geht dein Protagonist direkt dorthin, weil er sofort erkennt, dass er seine Aufgabe erfüllen und mit dem Vater reden soll und das Essenholen nur vorgeschoben ist?

Fünf Stunden hab ich ihm dabei zugesehen
Diese Worte deute ich so, dass der Protagonist sich zugunsten des Vaters entschieden hat. Respekt, manch ein anderer Autor hätte für die Darstellung solch einer Entwicklung mehrere Absätze benötigt.

Am Ende deiner Geschichte ist der Bruch zwischen Mann und Frau manifest, eigentlich zwischen Männern und Frauen. Der Vater verlässt zwar die Garage, aber er hat einen Verbündeten gewonnen.

Hoffe, du konntest mit meinem Feedback etwas anfangen.


Lieben Gruß

lakita

 

Hallo Quinn,

ich hatte schon früher vor, mal eine Geschichte von Dir zu kommentieren, um mich für Deine Rezensionen zu revanchieren. Aber es machte bisher keinen Sinn, denn ich fand es überflüssig, den vielen Wortmeldungen zu Deinen Geschichten eine weitere mit gleichem Inhalt hinzuzufügen. In diesem Fall sehe ich aber ein paar Dinge anders, als der Grundtenor vieler Kommentare zu sagen scheint, deshalb schreib ich einfach mal:

Vorneweg – ich habe die Geschichte gern gelesen, fand sie gut geschrieben und unterhaltsam. Mir gefällt Deine lakonische Erzählweise und der ironische Blick auf die Schwächen (wenn man so will) Deiner Protagonisten.

In einem Band von Erzählungen von Dir, würde ich den Text aber eher etwas nach hinten schieben. Für mich ist die Geschichte nett und leicht zu lesen, aber eben nicht viel mehr. (Ich lese gerade "Business Class" einen Band mit Kurzgeschichten von Martin Suter, da ging es mir mit einigen Texten ähnlich.)

Es mag daran liegen, dass diese TV-Doku über den Mann der hobbymäßig in einem Airbus-Flugsimulator nach New York fliegt, erst vor ein paar Wochen im Fernsehen lief. Ich erinnere mich jedenfalls, dass ein Freund mir davon erzählte. Für mich sind das entbehrliche Dokumentationen, denn ehrlich gesagt kann ich daran nicht viel Sonderbares finden.

Ich habe ja grundsätzlich ein Problem mit Texten der Sorte " Geschichten aus dem Alltag", weil ich mich immer frage, warum wir triviale Begebenheiten noch zum Thema von Literatur machen sollten. Eine Ausnahme sehe ich dann, wenn der Text diesen Dingen etwas entlockt, das nicht schon tausend mal abgehandelt worden ist.

Dass viele Leute nicht verstehen, was bei einer Simulation so spannend sein soll, ist schon klar. Vielen Menschen fehlt dazu der Zugang. Vielleicht auch die Phantasie. Es gibt Angel- und Jagdsimulationen, Business-Simulationen, Flug-, Transport- und Konstrukionssimulationen. Einige Sims bestehen nur aus Tabellen-Displays.

Der Punkt ist doch aber, dass die Simulation für den User (bzw. Spieler) real wird. Ich finde es allemal interessanter, am Simulator eine große Maschine zu steuern und zu überwachen, als das oft recht geistlose TV-Programm anzuschauen, was ein großer Teil der Menschen macht, ohne dass es zum Thema einer TV-Doku wird.

Natürlich ist das auch ein Fluchtverhalten, ein Rückzug, wenn jemand das häufig macht und sich von seinen Freunden distanziert. Soziale Fähigkeiten können darunter leiden, Familienmitglieder reagieren frustriert. Okay, aber alles in allem ist es keine große Sache. Ich sehe darin kein großes Potential für eine Geschichte, außer – wie gesagt – es beleuchtet das alles von einer neuen Seite oder lässt die tiefere Dimension (die empfundene Sinnlosigkeit des modernen Lebens) aufscheinen.

Das tut Dein Text aber nicht, deshalb ist er mir zu harmlos. Vielleicht muss man Alltagsbegebenheiten noch stärker ironisieren oder auf die Spitze treiben, so wie Loriot es getan hat (oder Suter in besagtem Band tut), damit der hinter der Oberfläche lauernde Wahn des modernen Menschen sichtbar wird. So aber wirkt es auf mich wie eine Bagatelle.

Gruß Achillus

 

Hey Quinn,

Die Geschichte klingt schön. Jedenfalls für mich haben die Sätze einen unglaublich feinen Rhythmus. Und, ich bin auch ein großer Freund der indirekten Rede. Schon allein des Klanges wegen. Das fließt dann alles so schön ineinander, so auf sprachmelodischer Ebene.

Ich mochte die Geschichte echt gern. Mir gefällt ihre stille Art. Die versucht gar nicht durch wahnsinns Plot und Konfliktzuspitzung und Drama aus ihrem Alltag auszubrechen. Aber!, sie beobachtet sehr fein. Und was mir auch gefällt, sie wertet nicht über den Vater der Freundin. Die Frauen tun es in der Geschichte, durch ihre Sorgen um ihn, aber der Autor tut es nicht, der Prot. tut es nicht. Und ich glaube, genau das gefällt mir hier und genau darum funktioniert sie nach hinten raus für mich auch so gut, man wird als Leser in die Pflicht genommen, sich da selber zu positionieren und am Ende hatte ich Empathie für alle vier :). Das ist toll, das hinzubekommen. Kann mir aber auch gut vorstellen, dass es dazu gegensätzliche Lesermeinungen gibt, habe die Kommentare aufgrund der Vielzahl jetzt nicht gelesen. Hole ich irgendwann nach.

Sicher seien mir Dinge nicht fremd wie ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen.
Ich sagte.KOMMA immerhin wisse sie ja, wo er sei.

:)
Das ist sehr liebevoll gestrickt, wie er da versucht sich rauszuhalten, geht ja auch nicht, macht man ja auch nicht als Schwiegersohn in Spe.

Ich sagte, das sei eine Skurrilität, ein interessanter Spleen, etwas, um das man Walter beneiden würde. Andere hätten ihren Garten, sagte ich, Walter habe nun mal New York. Daran sei überhaupt nichts auszusetzen.

Finde ich tricky. Erst verstehe ich voll die Mutter und nach dieser Argumentation auch den Vater. Kennt man ja von sich selbst, dass man gewisse Dinge eben für sich tut, tun muss - wie auch immer. Und solange dabei niemand wirklich zu Schaden kommt, kann es eigentlich auch nicht schaden. Nun kann man zwar sagen, die Mutter will halt nicht allein schlafen, sie macht sich halt Sorgen, auch weiß man nicht, was die 8000 Euro für die Haushaltskasse bedeuten, da es aber nicht weiter thematisiert wird, scheint es wohl im Rahmen zu sein. Und dann ist da sicher auch noch unausgesprochen irgendwo das Gerede der Leute, wenn die da im ländlichen wohnen. Und überhaupt, was soll das - täglich nach NY oder zurück zu fliegen. Wobei ich das wieder sehr schön finde, dass es immer die gleiche Route ist. Der Vater scheint mir jemand zu sein, der festen Abläufen sehr zugetan ist. Auch eben, dass die Zeit in der Garage ihm gehört und zwar allein, wie es früher wahrscheinlich die Arbeitszeit war. Ich würde echt gern mal in den seinen Kopf gucken können, wenn er da so fliegt. Ich glaube, der fliegt ganz wirklich und freut sich, wenn die Maschine heil auf den Boden kommt. Warum er nun nachts fliegen muss, weiß ich nicht, aber es wird sicher einen Grund haben. Vielleicht, weil da keine Mahlzeiten anstehen :).

Dann schnippte sie in meine ungefähre Richtung und sagte: „Joghurt.“
Ich sagte Vielen Dank.

Ich verstehe nicht, warum du einmal mit "..." und einmal ohne "..." arbeitest. Ich erkenne da kein stilistisches Schemata.

Sie fand das nicht sehr komisch. Ich müsse doch merken, dass sie etwas bedrücke, sagte sie. So etwas müsse mir doch auffallen, mir fiele doch sonst alles auf. Für alles hätte ich eine Theorie, behauptete sie, nichts würde mir entgehen. Bei diesen Filmen, die wir immer sähen, sei ich unausstehlich, könne gar nicht aufhören, darüber zu quatschen, was die Figuren empfänden. Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, ...

Hehe - ich sag jetzt nix, aber ich mag die Stelle ungemein!

... die genau weiß, wie sie ihren Freund zu allem kriegt. Sie koche heute nicht. Sie habe heute schon genug getan.

Bin mir sicher, der Typ kann sicher auch prima Spiegeleier braten, wenn er nicht zum Vater wollte. Aber da geht es ja eigentlich auch gar nicht ums Essen. Es geht um die Beziehung und die Vermeidung von gewaltigen Ärger, sich der Freundin in dieser Phase zu widersetzen und da ist der Gang zum Vater wohl das kleinere Übel.

Chinesisch, sagte ich, mal gucken, ob es das in New York so gibt. Das sagte ich, während ich schon die Tür aufgemacht hatte, um das letzte Wort zu haben.
„New York war gestern“, rief sie mir noch hinterher. „Heute ist der Rückflug dran. Er zieht das total durch, du musst dich wirklich darum kümmern, Mutter sagt, er isst schon gar nichts mehr, das ist ernst.“ Das rief sie mir noch nach, als ich schon die Treppe hinunterging, nur damit sie das letzte Wort haben konnte.

Ich mag die beiden. Wenige Striche, viel Figur, viel über die Beziehung zwischen ihnen gesagt. Sehr schön, Herr Quinn.

... dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde, kam so recht auf kein Ergebnis.

Wertungsfrei - da haben wir es sogar ausformuliert :).

Er wedelte mich regelrecht aus der Garage hinaus, ...

Meine Lieblingswortkombi in der Geschichte

Ein Spiel war es sicher nicht, das hatte ich schon lange verstanden, das hatte ich schon immer gewusst.

Das hast du bisher auch sehr wirksam verkauft. Der Mann hier spielt nicht, er hat darin etwas gefunden, was ihm gehört, zu ihm gehört und welchen Teil es in ihm auch immer befriedigt, er braucht es.

... und sich beim Gedanken daran totlachte, dass ich hier in einer öligen Garage säße auf einer aussichtslosen Mission.

So sind wir Frauen nicht :). Bis zu den Fußnägeln vielleicht ja noch, aber wenn wir uns um Mama Sorgen machen, weil sich Mama um Papa Sorgen macht, worüber wir uns scheinbar selber keine Sorgen machen, dann sind wir ganz ernsthaft in Gedanken mit den Männer in der Garage und hoffen, sie würden reden, was sie aber nicht tun, weil Kommunikation zwischen Männern einfach mit viel weniger Worten auskommt, als wie Frauen dafür brauchen. So ein männliches miteinander schweigen - das erzeugt doch sehr vertraute Verbundenheit. Außer natürlich der Worte, die wir Frauen bei einem gemeinsamen Pinkelgang wechseln. Ich glaube Klogespräche sind das Paradon zum Schweigen der Männer :D. Meine These ab heute.

Und während sie sich mein Kissen noch unter das Kreuz legte, statt wie durch mich bei einigen Gelegenheiten vorgeschlagen, einfach ein weiteres zu kaufen, ...

Hier musste ich echt lachen. Weil das bei mir zu Hause genau anders rum läuft :).

Ich sagte: Walter, die werden mir nicht glauben. Die machen sich Sorgen um dich. Ich hab keine Wahl, die wollen das verstehen.
„Dann erklär's Ihnen doch“, sagte Walter.
Dazu muss ich aber erst mal so tun, als hätte ich dich lange angeschaut und es verstanden, sagte ich.
Und er fragte: „Wie lange?“
Und ich fragte, ob ich ihn denn störe.

Hier erkenne ich ein Muster. Der Prot. redet ohne "...", der Vater nicht. Dann musst Du das aber an anderen Stellen noch angleichen, falls dies deine Absicht war, worin mir aber auch kein Sinn aufgeht.

„Ja“, sagte er.
„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.

Das schien mir ganz wesentlich irgendwie. Und schon war ich gedanklich bei Loriot.

Ich finde das Ende gut gewählt. Es entlässt einen halt in den Alltag der weitergehen wird. Und obwohl die beiden da kaum ein Wort geredet haben, haben die wohl irgendeine Art der Vereinbarung getroffen, nämlich so in der Art von Leben und Leben lassen. Ich mag den Text voll gern. Ich mag ihn in seiner Einfachheit die nicht einfach ist. Ich mag ihn, weil er vier Figuren ins Spiel bringt, die alle okay sind, alle ein Recht darauf haben, so zu sein, wie sie sind. Die man nicht verurteilt, die der Autor nicht verurteilt. Und diese kleinen feinen Beobachtungen - schön! Und ja, man geht mit dem Gefühl raus, die werden das hinbekommen. Mutti hört irgendwann auf sich Sorgen zu machen und dann hört Tochter auch auf sich Sorgen zu machen und Sonntags isst man zusammen Mittag und redet darüber, ob es nicht an der Zeit wäre, einen neuen Teppich zu kaufen.

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Eva Luise Groh,

freut mich, dass die Geschichte erwischt hat.

Danke für deinen Kommentar
Quinn

Hallo Jo,

Du sagst ja selbst, wenn die Geschichte irgendwie größer angelegt wäre, dann wäre die Sache mit Walther und seinem Flugsimulator wahrscheinlich ein Nebenplot. Das ist richtig - ich persönlich hätte mich nicht getraut, das so einfach zu schreiben. Ich meine die Idee dahinter ist schon simpel,
Das ist was, das ich bei anderen Geschichten neidisch bestaunt habe. Das ich danach gesagt habe: Das war überhaupt nicht viel, nichts „Spektakuläres“, aber es hat mir am Ende gefallen und ich kann mich an die Geschichte noch einen Monat später erinnern. Das fand ich reizvoll.

Ich spinne so bisschen rum, aber da gingen mir so die Möglichkeiten durch den Kopf und ich glaube, ich wäre auch stinksauer.
Ich denke, das ist ganz normal. Das hat man ja in einer Beziehung auch, wenn da von 12 Stunden, die man die Woche miteinander verbringt, auf einmal nur noch 3 da sind, da interessiert einen ja nicht unbedingt, ob der andere gute Gründe dafür hat, sondern es kommt an als: Der verliert das Interesse an mir.

Aber andererseits versteht man Walter total, obwohl er absolut keinen Raum für sich beansprucht, und trotzdem wird er in die Position gedrängt sich zu erklären. Ist dann immer blöd, so etwas zu erklären. Was will er da bitte seiner Frau erklären? Die würde das nie verstehen, und wenn sie es tut, dann tut ihr das bestimmt sehr weh, also, er hat gar keine Möglichkeiten seiner Frau irgendwie das nahe zu bringen.
Ja, ich denke auch. Ich beobachte das bei Männern in dem Alter, dass sie dann einfach komplett zumachen. Die sind dann auch „eigen“, mein Vater ist in dem Alter und er erzählt mir da immer Geschichten, wie die Männer untereinander miteinander umgehen. Wenn da zu „tief“ gebohrt wird oder sie sich irgendwie angegriffen fühlen, dann beenden die die Freundschaft. Dann sind die weg zum Teil.
Es gibt ja viele Rentner, die ihr Leben nach der Rente dann im Baumarkt verbringen. Was machen denn die Leute mit den 8 Stunden mehr am Tag – darum baut sich ja der ganze Wochenablauf auch auf? Die werden ja danach nicht automatisch zu solchen Werbe-“Golden Agern“, die ständig zu irgendwelchen Fahrten aufbrechen, stundenlang mit dem Hund spazieren gehen und im Internet Potenzmittel, Inkontinenzwindeln und Granufink bestellen.

Er will Distanz zu der ganzen Sache Distanz bewahren, weil's keine Auswirkungen für sein Leben hat, dass Walter zehn Stunden in der Garage ist,
Ich denke, es gibt einfach Leute, die nach „Leben und leben lassen“ handeln. Die sich einfach nicht einmischen wollen. Es gibt bei „United States of Tara“ eine wunderbare Figur, den schwule Nachbarn, der die Eskapaden der Familie mit großer Sympathie beobachtet. Und in einer der letzten Szenen der Serie dreht der Vater völlig ab, stellt sich nachts um 2 auf die Straße und spielt E-Gitarre – ein anderer Nachbar beschwert sich völlig zurecht, was der Scheiß jetzt soll; und der schwule Nachbar staucht den in einem Wuausbruch zusammen – weil er totale Sympathie für den Vater hat.
Ich denke, dass „gebildete, offene“ Menschen dann auch schon mit einem anderen Blick ins Leben gehen. Vielleicht ist er Erzähler auch neugierig, diese Distanz. Er muss das nicht entscheiden.

Aber ich glaube, es ist wirklich mehr als nur ein Hobby, für mich ist das Walters Flucht in ein anderes Leben. Er benutzt auch die Garage, was ja nicht direkt zu Haus gehört, sondern so angehängt ist, wo auch das Auto steht, wo er jederzeit abhauen könnte. Er könnte ja auch am Computer sitzen und das spielen, so im Schlafzimmer oder seinem alten Arbeitszimmer - was die Aussage des Textes auch ändern würde. Also, dass sich das in der Garage abspielt, ist auch wichtig. Hab mal nen Lehrer kennen gelernt, der auch sowas gespielt hat, aber dann nur am Computer und auch mit anderen Spielern und er hat erzählt, dass er auch mit echten Piloten zu tun hatte. Das war so seine Leidenschaft und er wollte wohl Pilot werden, aber er war kurzsichtig und die sind da wohl streng mit sowas. Tja, dann wird man halt Lehrer.
Ich denke, er sieht das nicht als „spielen“; das tut den Leuten sogar richtig weh, wenn sie dann so abgetan werden, die „spielen“ das nur. So wie „Schach“ auch kein „Spiel“ ist. Lakita schreibt ja über das Verhältnis zwischen „echten“ Piloten und solchen Hobby-Piloten.
Ich weiß nicht, ob das so „bewusst“ ist für denjenigen, der so in einer seiner Sache aufgeht. Man macht das dann,weil es sich gut anfühlt, weil das „füllt“. Im Fernsehen laufen immer die Hornbach-Werbungen: Da wird genau damit gespielt. Handwerken: Besessenheit, Lebensinhalt, Vermächtnis, Natur. Das ist keine bewusste Entscheidung, keine rationale Sache: Ich muss jetzt die Treppe neu machen, sondern das ist ein Gefühl, ein Bedürfnis.

Das ist jetzt ein Klischee: Aber es ist ja auch keine rationale Entscheidung, „shoppen“ zu gehen oder sich dem Konsumrausch hinzugeben. Man geht ja nicht los und sagt: Ich kauf jetzt drei paar neue Schuhe, weil ich die unbedingt brauch, und zwei neue Handtaschen dazu, sondern weil man ein gutes Gefühl dadurch bekommt – und das will man weder hinterfragen, noch rechtfertigen.
Das können sicher (Mario Barth – hin oder her) Männer auch bestätigen, wie das ist, mit einer Frau, die „shoppen“ geht, rational darüber zu sprechen, warum das jetzt das und das sein muss – bei vielen Frauen wird das Gespräch dann sehr schnell emotional werden.
Was hier in der Geschichte passiert, das ist – denke ich – derselbe Mechanismus, der große Kunst und Erfindungen überhaupt erst ermöglicht hat, wenn man's böse sieht, ist das eine wahnhafte Besessenheit, wenn man es positiv sieht, dann ist es leidenschaftliche Hingabe. Hier ist das natürlich in einer Form, die dann „monoton“ und „traurig“ von außen erscheint, aber irgendwas ist das im Menschen, diese leidenschaftliche Hingabe und Besessenheit zu was. Und je nachdem, was das dann ist, wird das von der Gesellschaft anders bewertet. Wenn sich Zuckerberg 14 Stunden am Tag einschließt und auf einen Monitor starrt, ist er der Mann des Jahrzehnts. Wenn das Walter in der Garage macht, ist das ein Grund zur Sorge. Aber es ist in beiden Fällen derselbe Mechanismus, denke ich.
Und ja ich denke. Frauen haben natürlich auch die Fähigkeit sich so leidenschaftlich und autistisch in eine Sache zu vertiefen.Aber vielleicht ist das bei vielen nicht derart ausgeprägt – die meisten Fälle, die man hört, drehen sich ja wirklich um Männer.

Also die Sache mit der genervten Freundin, ernsthaft? Das ist so bisschen die Mario Barth Schiene. Meine Freundin, dies das, und dann hat sie das gemacht und sie war schnippisch dabei,typisch Frau halt
Es ist schon Mario Barth, ja. :) Kennstu Freundin, kennstu, kennstu, kennstu Freundin. Wirklich wahr, genauso passiert, wirklich wahr, genau so passiert!
Es ist ja ganz amüsant, ich hab das auch nicht als so „ernst“ aufgefasst, dass die jetzt richtig zickt, sondern es ist einfach ein Zeichen: Du machst das jetzt. Er hat dann keine Wahl.

Das i-Tüpfelchen wäre dann tatsächlich, wenn es auch irgendwelche Konsequenzen für sein Leben gehabt hätte.
Das stimmt. Ich hab mich hier echt so gegen „konstruiert“ entscheiden, aber das wär natürlich spitze gewesen.

Danke dir für dienen Kommentar, Jo!
Quinn

Ich mach erst mal hier Schluss, es sind wirklich tolle, ausführliche Kommentare, die mich dann auch anregen, andere Seiten der Thematik zu sehen.
Ich versuch dann jedem auch ausführlich zu antworten und das dauert ein bisschen.
Ich mach auch noch die Korrektur. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Mir geistert seit Tagen eine (möglicherweise) blöde Frage zu deiner Geschichte im Kopf herum, Quinn.
Hast du beim Schreiben eigentlich in Erwägung gezogen, dass Walter während seines achtstündigen Transat-Fluges, was weiß ich, sechs Stunden oder so eventuell gar mit Autopilot fliegt?
Was ja durchaus der Realität im echten Flugverkehr entspräche und deshalb auch im Sinne von Walters Authentizitätsanspruch wäre. Und falls es so wäre, änderte das irgendwas an der ohnehin schon sehr bizarren Situation? Würde sich Walters Realitätsflucht (?) dadurch nicht ins endgültig Absurde steigern? Sein Ziel der möglichst perfekten Simulation wäre dann zwar erreicht, aber gleichzeitig katapultierte er sich damit gleichsam ins virtuelle Out. Zwangsläufiges, reales Nichtstun in einer simulierten Welt als Erfüllung eines Lebenstraumes? Sehr strange irgendwie.

Na ja, du merkst, dass mir deine Geschichte noch nicht so recht aus dem Kopf will, obwohl ich junger Spund von der Thematik des Rentnerdaseins ja noch nicht wirklich betroffen bin.
Eine sehr feine Geschichte, und sie gibt echt viel zum Nachdenken her, aber das hab ich eh schon gesagt.

offshore

 

Hallo M. Glass noch mal,

eigentlich muss ich mich für meinen Kommentar entschuldigen. Recht hilfreich dürfte er nicht gewesen sein und ich kritisiere im Grunde bloß eine Sache, von der ich beim Lesen schon bemerkt habe, dass du das sehr bewusst so gemacht hast, wie es dasteht.
Ich versteh das absolut, das sind auch Themen, mit denen ich mich häufiger beschäftige. Ich kann nachvollziehen, dass dich die Passivität der Figuren aufregt und dass sie sich nicht ihre Gefühle gegenseitig sagen können, und dass das nicht alles so nach Außen geht.
Ich kann das verstehen – es ist auch keine sonderlich kunstvolle Geschichte in der Komposition. Es war einfach mal ein Weg, um zu sehen, ob ich auch so erzählen kann.

Wir sind ja hier auch Autoren, die wenn sie jemand anders kritisieren, auch für sich selbst deutlich machen, worum es ihnen geht. Und dabei kommen wir vielleicht auf Ideen, was wir gut finden und was wir nicht gut finden und warum das so ist, auf die wir ohne so ein Gespräch gar nicht gekommen wären. Ich finde nicht, dass du dich entschuldigen musst.

Gruß
Quinn

Hallo Schwupps,

Klar, man kann jetzt sagen, der Mann geht da total auf, das ist zunächst ja etwas positives - aber auf der anderen Seite ist es manchmal nur ein kleiner Schritt zwischen tiefer Begeisterung und einer Sucht. Wenn er nicht einmal für einen Gang zur Toilette die Pause-Taste drückt - das ist bedenklich.
Also ich denke, da ist vieles nur eine Frage, wie man das nun von außen bewertet. „Sucht“ ist dann ein Stempel, der von draußen aufgedrückt wird. Wenn du überlegst, was in vielen Bereichen der Musik oder des Sports für Tagesabläufe, für Lebensentwürfe nötig sind, damit ein hoher Grad an Perfektion erreicht werden kann – das ist ja auch völlig Irrsinn – aber gibt’s Geld für, gibt’s Presse für, da ist das okay.
Ich hab mal ein Interview gesehen mit dem Typen von Scooter und der meinte, er stand mal morgens unter der Dusche, mit Anfang 30, und hat sich gedacht: Was machst du hier eigentlich? Du machst seit 10 Jahren Musik, kannst sonst überhaupt nix und du verdienst keine Kohle damit? Das geht komplett schief. Und dann hat er eben Erfolg bekommen: Da ist der Grad zwischen einem „Idol“, einem gesellschaftlich akzeptierten Beispiel, und einem völlig verkorksten Lebenslauf als Dilettant und Träumer nur in der Definition von außen. So finde ich das mit mancher Sucht auch. Es hat auch einen Grund, warum so viele wirklich „bahnbrechende“ Künstler, Erfinder und Persönlichkeiten solche vermeintlichen „Suchtmenschen“ waren. Gibt ja bald über jeden, der mal irgendwas großes hingekriegt hat, solche irren Geschichten, die alle auf „Maßlosigkeit“ hinauslaufen.
Es gibt ja viele Beispiele von Leuten – das ist so eine typische „Geschichte“, dass jemand gegen alle Widrigkeiten einen absolut irren und extremen Lebensweg eingeschlagen hat und nun ist er gerade deshalb erfolgreich. Und das sind im Kern alles völlig desaströse Lebensläufe und Ideen.

Also ich hab für so ein Verhalten schon viel Milde, denke ich.

Zum einen hat das vielleicht mit enttäuschten Erwartungen zu tun ("wenn er in Rente ist, können wir viel mehr Zeit miteinander verbringen")
Ja, natürlich.


Zum einen, was virtuelle Realität angeht - so richtig ist es das ja gar nicht. Es findet keinerlei Aktion oder Interaktion statt, so wie du das beschreibst, sitzt der da acht Stunden weitgehend stumm vor dem Monitor, und das finde ich dann schon bedenklich. Man kann da in literarischem Sinn jetzt alles Mögliche reininterpretieren - verflogene Träume, Flucht aus dem Alltag, vielleicht auch das Verlangen, sich einer monotonen Tätigkeit hinzugeben, weil er das vierzig Jahre am Schreibtisch gemacht hat - aber ich finde, dazu gibt die Geschichte zu wenig her. Ich finde das Ende eigentlich sehr traurig. Ich dachte anfangs wirklich, wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der sich für etwas begeistert.
Also so wie ich das verstanden hab: Passiert bei diesen Flugsimulatoren wirklich herzlich wenig, außer bei Start und Landung. Also er lenkt da schon das Flugzeug, aber das ist jetzt nicht sehr aufregend. Gut, der Erzähler ist vor der Landung und beim Checken – vielleicht sollte ich da mal was reinschreiben. Also es ist nicht so, dass er gar nichts macht, aber es ist von außen zumindest kaum wahrnehmbar. Es ist nicht dasselbe wie bei Top Gun oder so. Das macht ja auch grad dem Erzähler zu schaffen, dass da so wenig „Action“ ist.
Ich weiß nicht, ob man das irgendwie deutlicher machen kann . Also für mich ist es schon eine „relativ“ monotone Handlung. Bei den Flugsimulatoren gibt es wohl auch die Möglichkeit, dann die „Ich fliege“-Phase zu überspringen und mit der Landung weiter zu machen.

Es kommt mir dann auch komisch vor, weil gerade die Fliegerei – da hängt immer auch der Mythos mit dran, das ist mehr Berufung als Beruf, mehr gelebter Traum als schnöde Beschäftigung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand dieses Hobby sucht aus einem anderen Grund als dem Traum zum Fliegen – aber vielleicht geh ich da auch dem Mythos auf den Leim.
Die Leute bauen sich ganze Landstriche und Schlachten nach in ihrem Keller, oder abbildgetreue Bahnstrecken mit Märklin. Oder – was ich Irrsinn finde – diese 2000teiligen Bastelobjekte da. Ich denke es ist der Vorgang das zu machen und dann das Gefühl: Ich hab das geschafft.
Ich find's schwer da so ganz von außen und rational ran zu gehen.
Wenn du dich hinsetzt und schreibst ein Buch und machst am Ende eine Bilanz wie viel Zeit du jetzt in das Buch gesteckt hast. 400 Stunden, 500 Stunden, 600 Stunden. Und einer würd dir mit der Pistole auf der Brust sagen, du musst das jetzt rational rechtfertigen. Am Ende läuft es drauf hinaus, so was zu murmeln wie: Ich hab mich gut dabei gefühlt.
Gut, bei vielen Hobbys hast du so was „Ich hab was geschafft, ich hab was gebaut, ich hab was vorzuweisen“ - das ist dann vielleicht „eher“ zu verstehen, aber gut.
Der Fall hier sollte ja auch noch so „im Rahmen“ sein, dass man sich das vorstellen kann – ich denke, deshalb kommt die Geschichte auch bei so vielen an. Weil man denkt: Wenn das jetzt meinem Vater passieren würde … wenn ich die Mutter wäre … wenn ich der Erzähler wäre … wie würde ich mich da verhalten? Wenn man jetzt eine Geschichte hätte, wo der verrückte Bruder 192 Stunden am Stück Donkey Kong spielt, um einen Rekord zu brechen (à la der Doku King of Kong), da hätte man nicht so ein „Anknüpf“-Potential.

Ich merk bei der Geschichte, dass die eben ein großes Bedürfnis auslöst, über das Thema zu sprechen, weil das offenbar auf breiter Basis was trifft. Deshalb find ich auch den Zeitpunkt des Endes hier – nach dieser Nacht schon -, klar ist da noch „Druck“ da, aber es ist ein guter Punkt für mich, um rauszugehen. Aber natürlich lässt man den Leser da mit diesem „Druck“ dann allein, aber ich find das nicht schlecht. Es ist ja nicht „unfair“.

Vielen Dank für deine Kritik, Schwups
Quinn

Hallo Lakita,

Das ist alles kein Spiel mehr, das dient nicht mehr der Unterhaltung, sondern hat sich verselbstständigt, aus dem Hobby ist eine Passion geworden, die mit dickem Arm reingreift in den Alltag und sich Anteile davon packt.
Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Ich denke, wenn man so eine Passion hat, ist auch das Bedürfnis da, dafür Anerkennung zu kriegen. Man ist ja nicht 30 Stunden in der Woche im Garten, wenn das dann keiner sieht. Und ich glaube, grade wenn man sowas wie „Flugsimulator“ als Passion hat, dann ist grade das schwierig, weil das von „außem“ keinem einleuchtet. Wenn du Passions fürs Kochen hast, dann lädst du einmal ein und sie küssen dir danach die Füße und man kriegt seine Anerkennung.
Fiz hat das ja auch schon gesagt, dass viele mit so einem Hobby, das dann auch nach außen teilen wollen. Hier Walter tut das nicht – nur mal ganz kur, als er den Erzähler „Gefällt es dir?“ fragt, da erlaubt er sich das. Aber er weiß schon, denke ich, dass er für diese Passion keine Anerkennung erfahren wird.
Und so geht es ja vielen. Die Computerspielhersteller haben das schon lange erkannt, da gibt es dann Möglichkeiten, die schönste Stadt ins internet zu stellen und das schönste und das schönste – das ist jetzt ganz groß im Spieledesign „Bau was, schaff was, mach was – und zeig des dem Rest der Welt“

Ein weiterer Punkt, der mir angenehm aufgefallen ist, ist diese völlige Unaufgeregtheit des Protagonisten. Er wirkt als habe er ein dickes Nervenkostüm, er lässt sich nicht einfangen von der Aufgeregtheit der Ehefrau Walters, von den Forderungen, die beide Frauen an ihn stellen. Das funktioniert, weil er so viel Distanz zu allen Personen hat. Eigentlich bleibt er der Erzähler in deiner Geschichte, auch wenn er mittendrin im Geschehen steckt. Distanz als Schutz gegen Vereinnahmung. Im Grunde genommen ist er der einzige in der Geschichte, der weiß.
Ich denke, so eine Figur lädt den Leser dann auch dazu ein, das Gesehene selbst zu bewerten.

Vielen Dank für deine Kritik, klar kann ich damit was anfangen
Quinn

Ich mach hier mal wieder einen Break, ich vergess aber keinen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Achillus,

In einem Band von Erzählungen von Dir, würde ich den Text aber eher etwas nach hinten schieben. Für mich ist die Geschichte nett und leicht zu lesen, aber eben nicht viel mehr. (Ich lese gerade "Business Class" einen Band mit Kurzgeschichten von Martin Suter, da ging es mir mit einigen Texten ähnlich.)
Ich fände das völlig okay. Es gibt ja keinen solchen Band und wenn es einen gäbe, fände ich es gut, wenn da ein paar Geschichten drin wären, bei denen die Leute sagen „Nett und leicht zu lesen“.
Ich hab Romane gelesen, mehrmals gelesen, über die ich so gedacht habe. Und ich mochte dann eine Figur oder ich mochte ein Thema – ich weiß das ist schon immer das Bedürfnis da ist, jetzt was zu finden, dass einen richtig umaht, aber – wann hat man das schonmal? Ich weiß auch nicht, ob das immer die Idee sein sollte – grade hier. Also wenn ich nur Sachen poste, bei denen ich denke „Das haut jetzt wen um“, da würd ich gar nix mehr hier veröffentlichen
Die Geschichte hier hat – obwohl sie nicht empfohlen wurde – von der Kritik hier ein allgemeines „Das ist gut“ bekommen, während andere Geschichten zum Teil deutlich weniger gelesen wurden, weil sie sehr schräg waren. Andere Geschichten haben stark polarisiert mit höheren Hochs und tieferen Tiefen. Also im Chor Begeisterung hab ich, glaub ich, noch nie gekriegt - eher war es dann so, dass eine Geschichte sehr lang war und die, die sie blöd fanden, haben früh aufgehört zu lesen und nix zu gesagt. (Auch die Geschichte, mit der ich mal so eine Top-Wahl gewonnen hab, die fanden auch nicht alle toll).

Es mag daran liegen, dass diese TV-Doku über den Mann der hobbymäßig in einem Airbus-Flugsimulator nach New York fliegt, erst vor ein paar Wochen im Fernsehen lief. Ich erinnere mich jedenfalls, dass ein Freund mir davon erzählte. Für mich sind das entbehrliche Dokumentationen, denn ehrlich gesagt kann ich daran nicht viel Sonderbares finden.
Ich hab die Doku nicht gesehen, ich bin auf das Thema gekommen, weil ich einen Artikel geschrieben hab über Peripherie-Geräte für den PC, und ich hab natürlich sofort an Lenkrad gedacht und bei der Recherche bin ich dann auf diese Simulatoren gestoßen, hab mich da kurz eingelesen und dann halt weitergemacht, aber der Gedanke hat sich bei mir offensichtlich gehalten.
Am zweiten Teil deiner Aussage seh ich einmal mehr, dass wir komplett unterschiedlich ticken. Also „entbehrliche Dokumentationen, weil nichts Sonderbares da gezeigt wird“ - da bin ich am genau anderen Pol. Ich mag grade die Dokus am liebsten, die ein scheinbar alltägliches Thema behandeln, das aber sehr gut. Neulich kam eine Stunde eine Reportage über die Neuregelung des Unterhalts-Gesetzes. Das war total alltäglich, da ging's im Wesentlichen um Frauen, die nun keinen Unterhalt mehr von ihren Männern bekamen – aber das war der Hammer. Da ging's richtig in den Kern rein – da ging's um Lebensentwürfe und um Risse in den Regeln, die unsere Gesellschaft für ein Miteinander aufgestellt hat. Ich seh das lieber als 3 Mit-Zwanziger wollen unbedingt an den Nordpol oder was weiß ich.

Ich habe ja grundsätzlich ein Problem mit Texten der Sorte " Geschichten aus dem Alltag", weil ich mich immer frage, warum wir triviale Begebenheiten noch zum Thema von Literatur machen sollten. Eine Ausnahme sehe ich dann, wenn der Text diesen Dingen etwas entlockt, das nicht schon tausend mal abgehandelt worden ist.
Weil „triviale“ Begebenheiten das Leben ausmachen. Im Vergleich zu was „trivial“? Also für die Beteiligten hier ist das eine „Krise“, eine „Lebenskrise“; darüber denkt die Mutter Tag und Nacht nach. Das ist aus ihrer Sicht alles andere als „trivial“. Wenn ich das Gefühl hätte, ich hätte hier überhaupt nichts zu sagen gehabt, hätte ich es auch nicht schreiben können, klar.
Ich bin tendenziell ein Freund der „Kleinen Dingen“, des engen Fokus – jedenfalls häufig und ich kann dem viel abgewinnen. Das mag dann trivial sein. Ich find's wirklich beeindruckend zum Beispiel in gewisse Sub-Kulturen einzusteigen, gedanklich, in eine Branche, in ein enges Gewebe – ich bin mir sicher, ich könnte eine bessere Geschichte über zwei rivalisierende Keramikbetriebe in einer Kleinstadt schreiben als über Apple gegen Microsoft oder die ganz großen Sachen. Klar ist das trivial. Bankrott ist alltäglich, wird oft behandelt, aber – das hat neulich feirefiz gesagt – nur weil die Probleme in einem abstrakten Maßstab trivial sind, werden sie für die Betroffenen nicht kleiner. Man sagt zwar immer: Was stellst du dich so an, in Afrika verhungern die Kinder? Aber das ändert nichts.

Natürlich ist das auch ein Fluchtverhalten, ein Rückzug, wenn jemand das häufig macht und sich von seinen Freunden distanziert. Soziale Fähigkeiten können darunter leiden, Familienmitglieder reagieren frustriert. Okay, aber alles in allem ist es keine große Sache. Ich sehe darin kein großes Potential für eine Geschichte, außer – wie gesagt – es beleuchtet das alles von einer neuen Seite oder lässt die tiefere Dimension (die empfundene Sinnlosigkeit des modernen Lebens) aufscheinen.
Ich versteh wirklich nicht, warum du sagst „das sei keine große Sache“. Für wen denn nicht? Ich glaube für die an der Geschichte Beteiligten ist das zur Zeit die größte Sache in deren Leben. Ich find das schon erzählenswert.

Das tut Dein Text aber nicht, deshalb ist er mir zu harmlos. Vielleicht muss man Alltagsbegebenheiten noch stärker ironisieren oder auf die Spitze treiben, so wie Loriot es getan hat (oder Suter in besagtem Band tut), damit der hinter der Oberfläche lauernde Wahn des modernen Menschen sichtbar wird.
Da unterstellst dir mir aber die Absicht, dass ich da was vorführen möchte, dass ich möchte, dass der Leser zu einem Schluss kommt, den ich mir überlegt hab. Dieses „Zeigen der Absurdität des modernen Lebens“ - das ist so ein Bildungsbürgeranspruch, das Literatur eine aufklärerische, „Wir halten jetzt mal die Taschenlampe drauf!“-Ding hat. Ich finde Kunst, die so einen Anspruch hat – das ist ja dann auch oft „Satire“ und so eine Welterklärung und dann guckt man sich das an und denkt sich: Ach, Herr, wie gut, dass ich nicht bin wie jene dort.
Ich denke gerade bei Satiren: Ich finde die Gattung schwierig. Ich finde die Methoden schwierig und ich finde, dass da mit den immer gleichen Phrasen Beifall geklatscht wird, das sollte einem zu denken geben. Also sowohl Desperate Housewives als auch Sex and the City liefen beide als „Groteske“ und „Satire“: Wer hat die so gesehen?
Diese Absicht in einem literarischen Werk nun Dinge „zu enthüllen“, und durch Übersteigerung „sichtbar zu machen“, und „Bewusstsein zu schaffen“: Ich finde das sind oft Phrasen.
Ich finde bei Kunst häufig problematisch, wenn Leute sie konsumieren, um sich dabei gebildet und überlegen zu fühlen und die Idee haben, Dinge zu durchschauen (ich find auch Eckhart von Hirschhausen und Bastian Sick ziemlich zum Kotzen) - das ist ja oft total affirmativ, du guckst dir was an und kriegst das gespiegelt, was du sowieso schon weißt: Du gehörst zur Elite, du weißt die Politiker sind korrupt, die Konzerne sind skrupellos und die Menschen egoistisch, du weißt das, du hältst den Schlüssel zur Welt in der Hand.
.Das ist leider eines der Erfolgsrezepte für jede Form von Kunst, Menschen dieses Gefühl zu geben. Wenn Leute immer sagen: Es gibt kein Erfolgsrezept, ... - Also das ist eindeutig eins: Wenn du dich nach Kunst klüger fühlst als vorher, aber dabei denkst, dass mit dir alles okay ist - ja.
Die „große“ Kunst ist ja leider immer gut darin, den Leser am Ende völlig zu deprimieren und ihn dazu zwingen, sich mit selbst zu beschäftigen und sich selbst in Frage zu stellen. Bei Satire ist das oft so ein ideales Beiprodukt „Dem wird das Lachen im Halse steckenbleiben!“ - aber das passiert so gut wie nie, glaub ich.
Also das ist jetzt weit ausgeholt, ich will nur sagen, dieses „Bedürfnis, den hinter der Oberfläche lauernden Wahn des modernen Menschen“ sichtbar zu machen: Null.

Danke dir für deine Kritik, du scheinst dem Simulations-Thema ja auch näher zu sein als ich jetzt, ich wollte das auf keinen Fall irgendwie zum Abschuss frei geben, du siehst halt in meiner Antwort auch, dass wir in grundlegenden Dingen extrem weit auseinander sind immer, aber die Auseinandersetzung ist ja fair, denke ich, und ich hab mich über deine Kritik gefreut und werd sie sicher auch als Anregung nehmen können
Quinn


Hallo Fliege,

Aber!, sie beobachtet sehr fein. Und was mir auch gefällt, sie wertet nicht über den Vater der Freundin. Die Frauen tun es in der Geschichte, durch ihre Sorgen um ihn, aber der Autor tut es nicht, der Prot. tut es nicht. Und ich glaube, genau das gefällt mir hier und genau darum funktioniert sie nach hinten raus für mich auch so gut, man wird als Leser in die Pflicht genommen, sich da selber zu positionieren und am Ende hatte ich Empathie für alle vier
Mir war das auch wichtig, und ich denke, wenn man so erzählt, wird man als Leser wirklich dazu gezwungen, das jetzt selbst zu bewerten und sich zu fragen, wie man handeln würde.

Ich glaube, der fliegt ganz wirklich und freut sich, wenn die Maschine heil auf den Boden kommt. Warum er nun nachts fliegen muss, weiß ich nicht, aber es wird sicher einen Grund haben. Vielleicht, weil da keine Mahlzeiten anstehen
Ja, ist eine gute Frage. Ich hab auch erst überlegt, ihn tagsüber zu fliegen lassen, so 9 to 5, aber nachts hat sich gut angefühlt. Da ist er ganz für sich, vielleicht hat er ohnehin Probleme, nachts zu schlafen. Vielleicht hat das klein angefangen „Nach dem Abendessen kurz in die Garage“ - ich fand's besser nachts, ich weiß auch nicht.

Hehe - ich sag jetzt nix, aber ich mag die Stelle ungemein!
Ich hab das auch gemerkt beim Schreiben, dass durch die indirekte Rede so eine Kanonade auch einen anderen Drive kriegt, wie so ein Ski-Fahrer, der den Abhang runterrauscht. Ich hab das beim Focks schon gemerkt und früher auch, dass sich solche „Tiraden“ dann, wenn sich einer wirklich in was reinsteigert, in der indirekten Rede wahnsinnig gut klingen – jedenfalls für mich.

Bin mir sicher, der Typ kann sicher auch prima Spiegeleier braten, wenn er nicht zum Vater wollte. Aber da geht es ja eigentlich auch gar nicht ums Essen. Es geht um die Beziehung und die Vermeidung von gewaltigen Ärger, sich der Freundin in dieser Phase zu widersetzen und da ist der Gang zum Vater wohl das kleinere Übel.
Für mich war auch die Idee, dass sie denkt, das geht jetzt eine halbe Stunde und dann ist das Problem aus der Welt und wir essen noch was. Mach das schnell und bring noch Milch mit. Und er bleibt aber zehn Stunden aus dem Haus.
Das mit dem „ich koche heute nicht“ - soll so ein Signal sein: Bevor du das nicht geregelt hast, werden wir beide nicht mehr vernünftig zusammenleben. So Sit-Com-mäßig hätte er sich ein Spiegelei machen können, wär ihr aus dem Weg gegangen, hätte sich dann nachts ins Bett zu ihr gelegt, sie sanft umarmt und sie hätte dann gesagt: Das kannst du auch selber machen.
Die beiden kennen sich offenbar gut – und er wusste dann gleich: Ich geh dann mal los. Da sind die Rollen auch schon klar verteilt.

Ich mag den Text voll gern. Ich mag ihn in seiner Einfachheit die nicht einfach ist. Ich mag ihn, weil er vier Figuren ins Spiel bringt, die alle okay sind, alle ein Recht darauf haben, so zu sein, wie sie sind. Die man nicht verurteilt, die der Autor nicht verurteilt. Und diese kleinen feinen Beobachtungen - schön! Und ja, man geht mit dem Gefühl raus, die werden das hinbekommen. Mutti hört irgendwann auf sich Sorgen zu machen und dann hört Tochter auch auf sich Sorgen zu machen und Sonntags isst man zusammen Mittag und redet darüber, ob es nicht an der Zeit wäre, einen neuen Teppich zu kaufen.
Das freut mich echt. Das sind doch so Sachen, mit denen man auch einfach leben muss. Wenn der Onkel auf einmal wieder volles Haar hat oder sich die Cousine mit einem 20 Jahre älteren Mann einlässt: Da macht man ja keine Intervention ständig. Ich weiß nicht, ob die das hinkriegen. Ich denke ein langes Zusammenleben ist immer schwierig. Grad, wenn man dann „zusammenlebt“ - gibt ja so Paartherapie, immer reden, immer Ziele abgleichen, Spannungen halten usw. - ich denke nicht, dass Walter und seine Frau da ein Fan davon sind. Ich glaube die meisten Beziehungen, die so lange halten, laufen darauf hinaus, dass ein Teil gewaltige Abstriche macht oder beide Teile kleine. Also ob die das hinkriegen, ob die Mutter aufhört, sich Sorgen zu machen – ich weiß es nicht. Vielleicht würde sie lieber wirklich mal wohin fliegen. Oder Töchterchen soll endlich mal ein Enkelchen kriegen, damit man was zu tun hat.
Mal böse gesagt: Es tut ihr sicher gut, dass sie jetzt was „unternommen“ hat. Der Schwiegersohn hat sich drum gekümmert, wenn jetzt noch was passiert, dann hat sie ein reines Gewissen. Da werden ja auch oft Pfarrer, Doktoren und so gerufen, nur damit die sagen: Ja, das ist schon okay – früher am Land gab es ja so „Weise“: Bürgermeister, Pfarrer, Lehrer, Geschäftsmann, Doktor. Die wurden dann, wenn es um „höheres“ ging, angerufen und da wurde geurteilt. Ich denke so eine Funktion hat der Erzähler hier auch ein Stück weit. Das geht natürlich heute völlig zurück, aber für die Mutter hier ist das noch eine „Idee“.
Das beruhigt das Gewissen ungemein. So war für mich auch der Auftrag hier zu verstehen und der Erzähler hat ihn auch so verstanden, denke ich.

Danke für deinen Kommentar, ich merk schon, in dir hat der Text die ideale Leserin gefunden, das freut mich!
Quinn

Hallo ernst,

Hast du beim Schreiben eigentlich in Erwägung gezogen, dass Walter während seines achtstündigen Transat-Fluges, was weiß ich, sechs Stunden oder so eventuell gar mit Autopilot fliegt?
Ja, das ist gleich am Anfang, wenn er aufs Klo gehen soll, sagt Walter, er traut dem Autopiloten nicht. Ich denke da gibt es schon so einen „Ethos“ auch.

Sein Ziel der möglichst perfekten Simulation wäre dann zwar erreicht, aber gleichzeitig katapultierte er sich damit gleichsam ins virtuelle Out. Zwangsläufiges, reales Nichtstun in einer simulierten Welt als Erfüllung eines Lebenstraumes? Sehr strange irgendwie.
Das ist eine tolle Idee, dass die Perfektionierung einer Simulation dann denjenigen, der das simuliert überflüssig macht. Das wäre die Geschichte von jemandem, der eine Maschine baut, die auf ihn angewiesen ist, und der dann solange daran arbeitet, bis er sich überflüssig gemacht hat. Nur: Was macht er dann? Das geht dann ins Religiöse rein, die Uhrmacher-Theorie von Rosseau.
Wäre auf jeden Fall ein großartiges Gleichnis, ich kann verstehen, dass der Autorenblick ein skurriles Ding wie das Flugzeug, das nie abhebt, auf diese Metaphern und Verknüpfungen und die Symbolik abklopft. Für mich war das in der Geschichte einfach „da“.

Vielen Dank für deine erneute Rückmeldung
Quinn

 

Hallo Quinn,

Und er sagte: „Ja.“ Ganz immens störte ich ihn, ich ruinierte alles, machte den ganzen Spaß kaputt, er könne meine Anwesenheit unmöglich ausblenden und ob es mir denn gefalle, fragte er noch.

Das war irgendwie meine Leiblingsstelle. Lass mich in Ruhe, natürlich störst du mich gewaltig ... aber wenn wir gerade dabei sind: Hat schon was, oder? Hehehehe …

Ich denke nicht, dass es solche Menschen direkt um "Einsamkeit" geht. Die wollen sich halt mit dem beschäftigen, womit die sich grad beschäftigen wollen. Und das geht halt alleine am besten.


Ich kann gar nicht all das lesen, was schon zu der Geschichte gesagt wurde, zur Zeit fehlt mir voll die Zeit. Es ist auf jeden Fall so ein Mann-Frau Konflikt drin, ich denk, das sind auch so Männersachen, dieser Fanatismus, das gibts auch bei mir auch in der Familie, und es sind wirklich vor allem die Männe, und die Frauen sind halt vielleicht eher mit einem Ohr noch bei den Kindern oder so, und sie machen vielleicht eher so praktische, normale Dinge, die was bringen auch. Aber auch davor, vor die Kinder da sind … also völlig assexuelle Frauen, die sich voll gehen lassen, und 120 Stunden lang irgendwelche Rekorde brechen ohne zu duschen - inwiefern trägt das zur Fortpflanzung bei? Frauen machen so ein Scheiß nicht, die machen sich die Haare schön und suchen sich einen gescheiden Mann. Das ist jetzt sehr billig und platt dahergesagt, aber man weiß, was ich meine. Das sieht man schon in der Schule, auf dem Gymnasium. Die richtigen Nerds, die Freaks, diese Jungs, verglichen mit den Frauen sind die schon recht assexuell, also ich hab nicht das Gefühl, die würden da groß auf Partnersuche sein, klar haben die irgendwie auch Bedürfnisse, aber sich da groß drum kümmern ... die stecken ihre Energie lieber woanders rein. Und Frauen … also so ein Minimum an Hübschsein ist sich Präsentieren und soziales Umfeld ist immer gegeben, ganz egal wie intelligent und nerdig unterwegs. Klar gibt es Ausnahmen, aber tendenziell halt. Die fallen nicht so krass aus dem Rahmen wie Walter hier.


Die Idee ist gut, und die Geschichte ist rund und knackig und es passt schon, auch auf der kurzen Strecke. Ich hab da auch das Gefühl, das ist etwas, was du wahrscheinlich besonders gut kannst. So ein Thema, das dich intersessiert, herunterbrechen und in verkürzter, pointierter, hübscher, aussagekräftiger Form wiedergeben. Das sind Sachen, die sehen vielleicht auch viel leichter aus als sie sind. Da muss man schon das ganze Thema im Auge bzw. im Kopf haben, und sich seine Gedanken dazu gemacht haben, bevor man mit dem Schreiben beginnt. Das ist natürlich immer eine gute Idee beim Schreiben, aber so machen es glaub nicht alle. Oder manche halt bisschen mehr und manche bisschen weniger, vielleicht kann so einer wie Stephen King sich wirklich auch unterbewusst leiten lassen und einfach mitgehen oder so was. Wobei im Grunde jede Entscheidung, wenn es darum geht, ob gut oder schelcht ist, irgendwie auch eine "Bauchentscheidung", nichts geht ohne affektive Beteiligung. Ich laber jetzt nur, das bezieht sich nicht auf dich, ich denk mir halt, dass du dein Thema schon im Kopf hast und unter anderem deswegen so knackige Kgs schreiben kannst.

Hat mir gut gefallen, habs gerne gelesen.

MfG,

JuJu

 

Hallo Quinn,

ich habe eine ähnliche Diskussion manchmal mit Freunden aus der taoistischen und buddhistischen Sangha, die mich in meiner Liebhaberei für Kurzgeschichten, Romane, Filme usw. nicht verstehen können. Sie sagen dann, dass es doch langweilig ist, immer wieder die gleichen Stories zu lesen, die von Menschen mit vernebelten Vorstellungen (Gier, Hass, Illusion) handeln, die sich dann zu bescheuerten Handlungen hinreißen lassen, ohne dass der Autor einen Schimmer Weisheit in diese Betrachtung einbettet. Obwohl diese Einschätzung nicht ganz fair sein mag, finde ich schon, dass da häufig was dran ist.

Ist es nicht trivial, wenn in jeder Badesaison "Konflikte" um reservierte Liegestühle entbrennen? Wenn uns TV-Dokus über Nachbarschaftsstreitigkeiten im Wedding, Modelkarrieren und Schrottsammler informieren? In meinen Augen ist das alles Gewäsch und Geschwätz, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Du das groß anders siehst.

Ich weiß nicht mehr, ob es der Intendant des NDR war, der auf die Anfrage von Journalisten zur zunehmenden Trivialisierung und "Boulevardisierung" der öffentlichen Programme erwiderte, dass viele Leute so etwas nun mal sehen wollen, schließlich solle das Fernsehen ja auch das ganz normale Leben abbilden, die kleinen Dinge und so. Das mag alles sein, doch ich finde, darauf kann man verzichten.

Was diese Sim-Geschichte betrifft, da hast Du recht. Es wurmt mich immer ein bisschen, wenn in Artikeln oder Dokus das sonderbare Leben von PC-Gamern, Kampfsportlern, Waffenbesitzern, Langstreckenschwimmern oder Fallschirmspringern (die Liste ist endlos) vorgeführt werden soll, mit all den zwischenmenschlichen Konflikten natürlich. Dabei bedienen diese Dokus aber in erster Linie den Bedarf an emotional-sentimentaler Unterhaltung ("Nun schau Dir doch bloß die arme Mutter an, die einen solchen verrückten Sohn hat!")

Das alles nur am Rande. Es soll Deiner Geschichte nicht die Qualität absprechen. Ich habe ähnliches ja schon mal Jimmy geschrieben, als ich fand, dass es zu sehr menschelt.

Gruß Achillus

 

Hey juju,

freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Die Stelle, die du dir ausgesucht hast, war schon so mit dem Augenzwinkern „Wie gefällt es dir?“
Mit dem „Frauen achten noch immer auf die Fortpflanzung“ - also – ich weiß ja nicht. Wenn das so ins Messie reingeht und Alk – ich weiß nicht, das sollte jetzt auch hier nicht das Thema sein. Also ich hab auch „asexuelle“ Frauen kennengelernt, das ist nun kein Männer-Recht.
Was ich auch so im Hinterkopf hatte – hab ich auch in einem Kommentar hier lang und breit drüber gelabert: Dieses „sich gehen lassen“; das hingeben, ich denke das ist wohl echt eher eine Männer-Sache, weil Frauen dazu, ihren Mutterinstinkt ausschalten müssen wahrscheinlich. Aber das ist sicher auch nicht universell anwendbar – wird aber natürlich viel in den Medien gespiegelt (bei Margin Call gibt es eine einzige Frau und jeder fragt sich unterbewusst, was bei der wohl schief gelaufen ist).

Gruß
Quinn

Hallo Achillus,

ich habe eine ähnliche Diskussion manchmal mit Freunden aus der taoistischen und buddhistischen Sangha, die mich in meiner Liebhaberei für Kurzgeschichten, Romane, Filme usw. nicht verstehen können. Sie sagen dann, dass es doch langweilig ist, immer wieder die gleichen Stories zu lesen, die von Menschen mit vernebelten Vorstellungen (Gier, Hass, Illusion) handeln, die sich dann zu bescheuerten Handlungen hinreißen lassen, ohne dass der Autor einen Schimmer Weisheit in diese Betrachtung ä#
einbettet. Obwohl diese Einschätzung nicht ganz fair sein mag, finde ich schon, dass da häufig was dran ist.
Toiaistisch und buddhistische Sangha-Freunde – tjo. Ich weiß nicht, du hast immer so Wertevorstellungen und gehst davon aus, dass die andere teilen müssten – ich weiß noch, als du mir am Anfang vorgeworfen hast, ich als Sensei des Forums müsste doch viel gütiger, ausgeglichener und weiser sein, und meinen Wissensvorsprung nicht ausnutzen, niederen Gelüsten zu frönen.
Taoistische Sangha - hm, klingt nach einer Bande von prätentiösen Spielverderbern, aber da geb ich mich halt meinen eigenen Vorstellungen hin, weil jedemal, wenn ich auf einen Asiophilen gestoßen bin, ging er mir nach fünf Minuten richtig auf den Sack – ich weiß auch nicht, woran das liegt.
Ganz subjektiv: Irgendwas ist mit diesem Asien-Zeug, das sich im Deutschen nicht gut macht, ich hab mich da auch schon mit beschäftigt, und die haben so schöne Ideen, Mythen und Legenden – und wenn das ins Deutsche übersetzt wird und man damit konfrontiert wird, klingt das alles furchtbar. Irgendwas geht da in der Übersetzung verloren.
Also hier die Idee, ein Autor müsse einen „Schimmer Weisheit in diese Betrachtungen einbetten“: Ich find das zumindest fragwürdig, so ein „Papa knows best“-Anspruch in der Literatur.

Ist es nicht trivial, wenn in jeder Badesaison "Konflikte" um reservierte Liegestühle entbrennen? Wenn uns TV-Dokus über Nachbarschaftsstreitigkeiten im Wedding, Modelkarrieren und Schrottsammler informieren? In meinen Augen ist das alles Gewäsch und Geschwätz, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Du das groß anders siehst.
Das Format ist bescheuert da und billig, nicht der Konflikt. Mit den Mitteln von Berlin – Tag und Nacht könntest du die besten Konflite der Welt haben und das furchtbare Drehbuch würde reißerischen Mist draus machen, das liegt aber nicht am Material.
Ich hab mal eine Doku gesehen über Menschen, die im Streit mit ihrem Umfeld kaputt gehen, weil sie sich ungerecht behandeln fühlen und darüber nicht hinweg kommen. Ums Verrecken nicht. War ein Mann, der sich mit dem ganzen Dorf angelegt hat, weil irgendwas zu laut war oder so, der war entschlossen, jeden nur denkbaren Schritt zu unternehmen, um Recht zu bekommen, der wurde darüber zum Pariah, zum Ausgestoßenen, er hat sich sein ganzes Leben damit zerstört. Und keiner hat's verstanden: Das ist eine großartige Geschichte. Von Martin Walser gibt es ein Buch Finks Krieg: Im Grunde dasselbe. „Der menschliche Makel“: Ähnlich gelagert.
Es geht darum, dass man Figuren mit Respekt behandelt, sie ernst nimmt und die Konflikte „zu Ende“ denkt und sie nicht ausschlachtet. Sonst ist alles Geschwätz und Kawumm – klar.
Aber ich denke das liegt überhaupt nicht am Konflikt. Du kannst ja deinen Tao-Freunden irgendwas sagen, dass sich die Essenz der Welt im Kleinsten widerspiegelt und dort auch besser zu verstehen und zu erfassen ist. Das klingt doch wie was, das Buddha gesagt haben könnte, oder?


Ich weiß nicht mehr, ob es der Intendant des NDR war, der auf die Anfrage von Journalisten zur zunehmenden Trivialisierung und "Boulevardisierung" der öffentlichen Programme erwiderte, dass viele Leute so etwas nun mal sehen wollen, schließlich solle das Fernsehen ja auch das ganz normale Leben abbilden, die kleinen Dinge und so. Das mag alles sein, doch ich finde, darauf kann man verzichten.
Nee, überhaupt nicht. Also das ist die Antike: Nur dem König kann eine Tragödie widerfahren, denn er hat die Fallhöhe. Das hat aber überhaupt nichts mit dem Niveau der Beteiligten zu tun oder dem des Konflikts, sondern mit dem Erzählniveau, wie das angegangen wird.
Wenn man das anders sieht, müsste man die Uhr weit zurückdrehen – vor Dickens und so. Der kleine Mann findet in der Literatur nicht statt – der kann eh nicht lesen. In Game of Thrones gibt es dann im dritten Buch dankbarerweise einen weiten Teil, der sich nur damit beschäftigt, wie das Volk darunter leiden muss, dass die Adligen ihre Kämpfe ausfechten: Den Teil hätte es vor 200 Jahren eben nicht gegeben.
Es gibt „Trivialitäten“, natürlich: Wenn beim Bäcker morgens schon die Schoko-Donuts aus sind und ich einen ohne Gasur nehmen muss, klar – das gibt keinen Plot. Aber wenn das Leben von einem Konflikt stark beeinträchtigt ist, dann kann er nicht trivial sein, nur weil der Konflikt kein „globales“ Ausmaß hat oder nicht „klassisch“ genug ist.

Die Tatsache, dass sich scripted reality-Serien mit den Problemen einer Unterschicht oder unteren Mittelschicht beschäftigen und furchtbar sind – daraus kann man nicht schließen, dass die Probleme da furchtbar sind und das Personal so furchtbar ungeeignet: Die handwerklichen Mittel, die verwendet werden, sind einfach furchtbar.
In „Silver Linings“ geht es darum, dass ein gebrochener Mann nach Hause kommt und wie ein Irrer seiner Ex-Frau nachstalkt. Die weibliche Hauptfigur trauert ihrem Mann nach, ist promiskuitiv geworden und will unbedingt einen Tanzwettbewerb gewinnen. Und der Vater ist wettsüchtig und total vom Aberglauben zerfressen: Das ist auch scheinbar das Personal aus einer scripted reality Serie. Aber es ist ein großartiger Film – weil da Könner am Werk waren.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

das ist eine Geschichte über männliche Eigenheiten: selbstgewählte Aufgaben, die man gewissenhaft erfüllt und dabei auf dem Posten bleibt, auch wenn die Umwelt es ablehnt. Dieser spezifisch männnliche Idealismus, der zu völlig verrückten Projekten (Gaudís Kathedrale, der Wettlauf zum Südpol zwischen Scott und Amundsen, "Drowned Alive" von David Blaine, usw. usf.) führt, die keine vernünftige Frau in Angriff nehmen würde. Es ist auch eine Geschichte über typische Missverständnisse zwischen Männern und Frauen. Das Schweigen der Männer und die Annahme der Frauen, man könne Gedanken lesen:

„Warum seh ich nicht glücklich aus?“, fragte sie.
Ich überlegte, ihr eine Reihe von plausiblen Gründen anzubieten, entschied mich jedoch dagegen und bot ein „Hm“ an.
„Wegen meiner Mutter“, sagte sie.
„Wegen deines Vaters, meinst du?“, fragte ich.
Sie nickte.
Ich nickte auch.

Der Erzähler versteht seinen Schwiegervater in spe, weil er dieselben Neigungen in sich trägt. Das muss ein Bedürfnis nach einer gewissen Monotonie sein, nach Aufgaben, die einen weder über- noch unterfordern, nach einer guten Arbeit die ein gewisses Prestige mit sich bringt. Vermutlich ist Walter schon pensioniert und die Fliegerei ist das einzige was ihn wirklich interessiert und obwohl es aussichtslos ist, macht er es eben.

Das scheint mir ein bisschen überzeichnet und würde als Anekdote in eines der Bücher von Allan und Barbara Pease passen - deren Niveau deine Geschichte natürlich übertrifft. Von gewissen deutschen Kabarettisten, die sich dieses Themas annehmen, ganz zu schweigen. ;)

Was ich manchmal an deinen Geschichten bewundere, ist dein Stil, der sich nicht darum schert, wie man schreiben soll, wenn man schön schreiben will. Wie bei dieser Geschichte der umgangssprachliche Einsatz der Zeitformen am Ende:

Ich sagte dann nichts mehr. Ich schaute ihm noch ein bisschen dabei zu, wie er flog. Fünf Stunden hab ich ihm dabei zugesehen und als er dann zur Landung ansetzte, bin ich aufgestanden, hab die Garagentür geöffnet, bin nach draußen gegangen und hab die kalte Luft eingeatmet. Draußen sind die ersten Wagen losgefahren. Man kennt das ja, wenn eine Straße aufwacht, wenn die Menschen ihren Schlaf abschütteln und zur Arbeit gehen. Der Nachbar fährt, der andere Nachbar fährt, und im Haus der Eltern meiner Freundin brannte kein Licht.

War angenehm zu lesen und voller vertrauter Melancholie.

Freundliche Grüße,

Berg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Berg, freut mich, dass dir die Geschichte gefallen konnte. Gerade was die männliche Besessenheit angeht: Das halte ich auch für ein ergiebiges Thema.

Was du sagst zu dem "schönen" und dem "korrekten" Stil find ich spannend. Ich denke in den Bereichen Zeiten und Modi lässt das Deutsche schon einiges zu, außer man hat einen überstrengen Korrektor. Die hab ich manchmal im Verdacht, taub für die Sprache geworden zu sein, und dann geht es nur noch nach Regeln. Ich hab mich neulich wieder mit Bastian Sick beschäftigen müssen - und hab dann auch eine Kritik an ihm gelesen, die sagte, ein Sprachkritiker frage auch nach dem Zweck, warum eine "Wendung" entsteht und was sie aussagt, es gehe nicht nur darum, ob die jetzt korrekt ist. Auch den Deppen-Apostroph setzen Leute ja nicht, weil sie Deppen sind, sondern weil der Apostroph in ihren Augen ein Textbild entschlackt und pfiffiger macht. "Werner's Würstchenbude" sieht dann überm Laden pfiffiger aus als "Werners Würstchenbude". Dann nur drauf zu zeigen und "Haha, seid ihr blöd" zu machen ... Das Bedürfnis kommt aus einer Schwäche in der deutschen Sprache bei Genetiv-Apostrophen. Hans' Koffer. Das ist total bescheuert. Dann gibt man dem armen Hans einen Spitznamen: Hänschens Koffer, nur damit man da raus kommt. Oder das veraltete "Hansens Koffer". Autoren vermeiden Namen mit "s" am Ende für ihre Protagonisten, nur damit sie nie "Hans' Koffer" schreiben müssen, das ist doch irre. Genau so ist es mit bestimmten grammatikalischen Formen. Die sind einfach so hässlich und umständlich, dass man denen bloß aus dem Weg geht, auch wenn der Autor sich dann selbst geistige Pfade verbarrikadiert.

Ich denke, wenn das Deutsche in Formen geht, die viele Hilfsverben erfordert, dann lässt die Sprache da auch die Zügel locker und - wenn man dann in diesem Modus schreiben will, muss man mogeln und tricksen. Das ist ja das Problem vieler Zeitformen, Futur II und Plusquamperfekt werden einfach nicht eingesetzt, weil sie hässlich sind und dann in Sätzen rumstehen wie ein Bremsklotz. Das darf aber auch nicht zu weit gehen. Gibt ja Ecken im Internet, da wirst du für jede Passiv-Konstruktion und für jedes "man" gesteinigt, weil Leute, die mit dem Schreiben überhaupt nix zu tun haben, dann solche Faustformeln auswendig lernen: Bloß kein Passiv, bloß keine Wortwiederholung, bloß keine Negation. Was gibt's noch? Keine Substantivierung. Dann heulen manche auf, weil ein Satz 3 Kommas hat. Als wär jedes Satzgefüge mit vielen Kommas automatisch ein Schachtelsatz und schwer zu verstehen. Angst vor Interpunktion: Um Gottes Willen bloß kein Ausrufezeichen!
Stilistik und dieses "schöne Schreiben": Das passt halt nicht auf einen 10 goldene Gebote-Zettel. Was soll man sagen? Ich denke, man tut als Schreiber gut, sich Sätze anzuschauen und Texte und sich zu fragen, wie die wirken.
Ich beobachte das jetzt seit paar Monaten verstärkt: Wie viele Leute sich mit Sprache beschäftigen, die dazu überhaupt keinen Zugang haben und dann lernen die "Stilistikregeln" auswendig, als hätte sie grad wer von einem Berg runtergetragen. Furchtbar. Als könne man einen Text mit irgendwelchen Algorithmen berechnen und verbessern.

Die Stelle, die du zitierst, da hoffe ich natürlich, dass der Leser nicht denkt: "Guck mal da geht er ins Perfekt und wechselt fein säuberlich hab und bin 3mal ab - und am Ende geht er bei "brannte" wieder ins Präteritum", sondern der Leser soll an Garagentür und "eingeatmet" hängen bleiben.

Danke dir für deine Kritik
Quinn

P.S.: Ich hab jetzt wieder fünf Minuten Wolf Schneider gelesen, das kann ich nur jedem empfehlen. Es nervt furchtbar, an jeden blöden Text, den man verbricht, so einen Maßstab anzulegen (komischerweise nervt es Wolf Schneider auch selbst, wenn das wer bei ihm macht) - aber als Texter oder Autor wird man sich mit Sprache und Stil beschäftigen müssen. In einem Interview hat er mal gesagt, in Zeiten des Internets werde dreimal so viel geschrieben wie früher, aber nur noch halb so viel gelesen. Ist echt schwer, bei dem vielen Text, den man in Foren und anderswo produziert, auch nur geringen Standards gerecht zu werden. Geht mir jedenfalls so.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn,

ich sah kürzlich (vorgestern oder so) einen Bericht über einen Club von Typen, die in einem im Keller original nachgebautem Cockpit (für über T€ 40!) in sieben Tagen um die Welt fliegen. Die Flugsimulation perfekt und die Typen etwas versponnen (so urteilten sie auch selbst über sich) aber mit Feuereifer bei der Sache. Die wechseln sch in den sieben Tagen rund um die Uhr im Team ab und das ganze läuft für einen guten Zweck (da können sich Passagiere mit Spenden für die einzelnen Flüge einbuchen).

Die Clubmitglieder tragen während der Flüge original Uniformen (vielleicht auch sonst :-)) und fliegen natürlich auch außerhalb dieser 7-Tage-Wohltätigkeitstour immer wieder durch die virtuelle Welt.

Die Frau eines der Typen - selbst jahrelang Stewardess - sagte: "Lieber einen Mann im Keller als in der Kneipe".

Die Männer selbst waren nie Piloten gewesen, aber der eine meinte, er könne im Notfall eine Maschine landen.

Ich musste sofort an deine KG denken, habe sie danach noch mal gelesen und noch mal anders gelesen. Das ist halt ein Flug mitten ins echte Leben. Schon außergewöhnlich, aber am Ende eben doch alltäglicher als man denkt.

Ich finde es immer wieder spannend, wenn ein KG Thema dann in der Wirklichkeit noch mal eine solche Bestätigung findet, und im ersten Moment dacht ich, die haben dir für die Reportage voll das Thema geklaut ;-)

Rick

 

Hi Quinn!

Der Titel hat mich in deine Story gezogen; der erinnerte mich einfach total an der Engländer, der auf einen Hügel stieg, und von einem Berg herunterkam, der lief letzte Woche oder so auf Arte, und ich habe den schon alleine wegen dem genialen Titel gefeiert.
Ja, deine Geschichte hat mir echt gut gefallen, vor allem weil dein Erzählstil sehr ruhig und routiniert durch die Story führt; und die ist auch echt knapp gehalten, verdichtet, und das meine ich im positiven Sinn. Was mir auffiel, ist, dass du sehr viel indirekte Rede eingebaut hast - und das klappte zu meinem Erstaunen echt sehr gut. Das fängt schon beim ersten Absatz an, ich war da noch ein bisschen skeptisch, aber irgendwann hat sich das echt gelegt und dann habe ich mich auch dran gewöhnt und es hatte dann irgendwie einen angenehmen Erzählton. Ist eine mutige Art zu verdichten, weiß nicht, ob ich mich das in so großem Umfang trauen würde, kein Plan.
Irgendwie hat mir die ganze Geschichte über auch so ein permanentes Schmunzeln im Gesicht geklebt, dieser schrullige Ende-60er bietet ja schon viel Boden für Witziges, aber auch die Tischszene mit der Freundin, weiß nicht, die hatte echt was witziges, so eine eigene Art von Situationskomik:

„Wegen meiner Mutter“, sagte sie.
„Wegen deines Vaters, meinst du?“, fragte ich.
Sie nickte.
Ich nickte auch.
Ich solle dann noch was vom Chinesen mitbringen, sagte sie und klang wie eine selbstzufriedene Frau, die genau weiß, wie sie ihren Freund zu allem kriegt. Sie koche heute nicht. Sie habe heute schon genug getan.
Als wäre es jetzt eine große Leistung gewesen, mich zu manipulieren, und als sei damit schon alles getan, um das Problem aus der Welt zu schaffen, nur weil man mal den Freund manipuliert hat.
Chinesisch, sagte ich, mal gucken, ob es das in New York so gibt. Das sagte ich, während ich schon die Tür aufgemacht hatte, um das letzte Wort zu haben.
Ja, das war so ein Teil, wo ich echt mies grinsen musste :D

Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde.
Das ist dann der eigentliche Knackpunkt, finde ich. So a la Freud, Männer wollen ihre Mutter heiraten, Frauen ihre Väter. Und bis dahin will dein Protagonist das ja auch nicht wirklich glauben, er findet den fast-Schwiegervater schrullig, skurril, kann sich gar nicht vorstellen, dass dieses skurril-Gen auch in ihm schlummern könnte; und der Leser blickt ihm über die Schulter, wundert sich auch über diesen alten Eigenbrötler.

Ich sagte dann nichts mehr. Ich schaute ihm noch ein bisschen dabei zu, wie er flog. Fünf Stunden hab ich ihm dabei zugesehen und als er dann zur Landung ansetzte, bin ich aufgestanden, hab die Garagentür geöffnet, bin nach draußen gegangen und hab die kalte Luft eingeatmet. Draußen sind die ersten Wagen losgefahren. Man kennt das ja, wenn eine Straße aufwacht, wenn die Menschen ihren Schlaf abschütteln und zur Arbeit gehen. Der Nachbar fährt, der andere Nachbar fährt, und im Haus der Eltern meiner Freundin brannte kein Licht.
Und dann das. Sehr gut, das ist echt witzig und gleichzeitig mit viel Subtext; der Protagonist ist doch wie der designierte Schwiegervater, zumindest schlummert es irgendwie in ihm; und irgendwie kann man es als Leser nachvollziehen, man spürt die Wandlung, auch der Protagonist hat den Alten verstanden, warum er auf diese Simulatorgeschichte steht.

Hat mir gut gefallen, ist zwar jetzt kein weltbewegendes Drama, was man da auf drei Seiten liest, aber das kann man irgendwie auch nicht erwarten, und das wolltest du auch gar nicht; nettes Häppchen für zwischendurch auf jeden Fall. Alles sehr knapp, sehr fokussiert und verdichtet geschrieben, auch witzig und mit Message im Subtext.

Ach ja, bevor ichs vergesse:

Ich sagte. immerhin wisse sie ja, wo er sei.
Da hat sich ein Punkt eingeschlichen.

Grüße

 

Hi Quinn,

beim ersten Satz war ich ganz hin und weg, ich dachte sofort, was für eine coole Idee! (Okay, mir schwebten da auch gleich Ballerspiele vor, ich gebe es ja zu.) ... Naja, und der Rest hat mich dann extrem unbefriedigt zurückgelassen, weil mir alle Figuren ziemlich auf den Sack gingen, nur Walter ist cool, aber der hat kaum Screentime (und ich behaupte, auch abgesehen von meinem Geschmacksurteil ist das ein Problem des Textes: Walter hat zu wenig Screentime).

Ich hab kein Verständnis für Leute, die kein Verständnis für Exzentrik haben. Dementsprechend hab ich die Frau und die Tochter überhaupt nicht kapiert. Es steht im Text auch nicht so richtig drin, wo hier jetzt die Dramatik und die Tragik liegt. Inwiefern schadet es Walter denn jetzt? Isst nicht mehr so gut zu Abend? Das sind doch Kinkerlitzchen. Man kann halt nicht essen, wenn man total aufgeregt ist wegen dem, was man nach dem Essen vorhat. Das ist doch klar. Dass Walter leidet wird nur behauptet, dass die Mutter leidet wird auch nur behauptet, ich seh und spür das nicht. (Die Mutter hat ja noch weniger Screentime als Walter!)

Mangels Informationen aus dem Text, hab ich dann versucht, die Rollen mit mir und meinen Eltern zu besetzen.

Was hätte ich wohl gesagt, wenn mein Vater einen Flugsimulator in die Garage gebaut hätte?
"Oi Papa, Reschpeckt! Hier, hab ne Palette Tomatensaft besorgt. Darf ich mal mitfliegen heute Abend? Co-Pilot wär mir am liebsten, aber als Passagier wär auch okay. Stewardessen-Uniform? Hehe, du Arsch. Zeig mir wenigstens mal das Cockpit. Waaah, was ein Screen! Kann ich meinen Laptop da anschließen, ich will mal sehen, wie Skyrim in der Größe aussieht."

Wie hätte meine Mutter reagiert?
"Uff, endlich hat der Mann ein Hobby!"
"Vermisst du ihn?"
"Och nö, is eigentlich ganz schön so. Früher hab ich ja immer gesagt, wenn wir dann mal beide zu Hause sind, nicht, dass wir uns dann dauernd auf den Senkel gehen ... aber so is wirklich gut. Hat sich ja fast nix geändert, definiert sich immer noch über seine Arbeit. Jetzt noch mehr als früher, Fliegen macht ihm auch mehr Spaß. Er arbeitet jetzt öfter Nachtschicht, aber okay, bei Transatlantik sind Nachtflüge ja kaum zu vermeiden. Ich hab ihm gesagt, was man sich so über Piloten erzählt, wenn die an Land sind, und jetzt, wenn er morgens nach Hause und ins Bett kommt ..."
"Boah Mama, keine Details bitte."
"Ja schon gut."
"Ist dir langweilig, wenn Papa jetzt so viel weg ist?"
"Ach was, ist ja wie gesagt nicht anders als sonst. Ich geh jetzt ins Studio, kommst mit? Du trainierst zu unregelmäßig. Bankdrücken ist immer noch so jämmerlich, aber Beinpresse hab ich jetzt die 100kg geknackt. Hast du Sportsachen dabei?"
"Geh du mal, ich bring Papa was zu Trinken. Haben wir Plastikbecher?"

Also das, was der Erzähler da sagt:

Ich sagte. immerhin wisse sie ja, wo er sei. Da brauche sie sich keine Sorgen machen. Andere Männer, sagte ich, würden ihre Abende ganz anders verbringen und viel mehr Geld ausgeben. Ich sagte, das sei eine Skurrilität, ein interessanter Spleen, etwas, um das man Walter beneiden würde. Andere hätten ihren Garten, sagte ich, Walter habe nun mal New York. Daran sei überhaupt nichts auszusetzen.
Ich seh das wirklich ganz genau so. Ernsthaft jetzt und völlig unironisch.
Und dieser Text geht aber davon aus, dass ein Leser den Flugsimulator irgendwie pfui findet. (Der Erzähler findet das ja auch "irgendwie pfui", auch wenn er es nicht so ausspricht oder nur so vor sich hinzweifelt.) Anders kann der Text nicht funktionieren, der Leser muss Walter irgendwie skeptisch beurteilen - zumindest am Anfang. Weil zu viele Leerstellen in dem Text sind, die der Leser auf eine bestimmte Art und Weise füllen müsste, was die Mutter und die Tochter da angeht. Damit der Leser überhaupt nachvollziehen kann, worunter da eigentlich gelitten wird. Du als Autor solltest nicht leichtfertig davon ausgehen, dass Leser diese Leerstellen im Sinne des Textes ausfüllen ;)
Wenn der Text nicht explizit was anderes sagt, füllt ein Leser Leerstellen immer gemäß der eigenen Lebenswirklichkeit aus - und zwischen mir und dem Text ging das voll in die Hose. Ich fand die Idee mit dem überlebensgroßen Cockpit in der Garage total genial, war komplett auf Walters Seite und einfach nur darüber enttäuscht, was danach in der Geschichte kam.

Das wär wohl gut gegangen, hättest du den Fokus mehr auf der Mutter gehabt. Szenisch gezeigt, wie die Frau kaputtgeht und warum. Dann kann ich mir zwar immer noch nicht vorstellen, dass meine Mutter in so einer Situation kaputtgeht, aber das muss ich dann auch nicht mehr, weil der Text mir dann plausibel zeigt, wie die Figur in der Geschichte leidet. Verstehst was ich meine?

Und die Tochter da, alter Schwede. Selbes Problem: Man kriegt kaum Informationen über die, also stell ich mich an ihre Stelle und frage mich, was hätte ich getan (weil ich die Leerstellen ja irgendwie füllen muss). Und ich fass mir echt an den Kopf, es ist MEIN Vater, da schick ich doch nicht irgendeinen Freund vor, wenn es da was zu klären gibt.

Okay, dann hab ich noch versucht, mich mit dem Erzähler zu identifizieren. Das hat auch relativ gut geklappt - bis hier:

Ich fragte mich, während ich im Halbdunkeln der Garage den Triebwerken lauschte, was meine Freundin nun wohl treibe. Ob sie es sich vielleicht mit einer Tüte Chips im gemeinsamen King-Size-Bett bequem gemacht habe und dort nun alles vollkrümelte, dabei sich vielleicht die Zehen pink lackierte, es sich ganz mollig machte, ihre Haut ganz weich, und sich beim Gedanken daran totlachte, dass ich hier in einer öligen Garage säße auf einer aussichtslosen Mission.
Äh? Warum zur Hölle ist der mit der Tussi zusammen, wenn er ihr sowas unterstellt? Sie ist ein missgünstiges, gehässiges Dreckstück, wir heiraten im Juli? :lol:

Nee, ich konnte drei von vier Figuren nicht für voll nehmen, und über die vierte (Walter) hätte ich gern mehr erfahren, das gönnt mir der Text aber nicht.

Fazit: Schnellschuss, der mich verfehlte :)

Sprachlich fand ich's aber echt gut diesmal. Keine selbstverliebten Ellipsen :P Irgendwelche Experimente machst du ja bei den meisten Texten, hier die indirekte Rede - liest sich erstaunlich flüssig. Es kam mir überhaupt nicht künstlich vor (komisch eigentlich, denn das ist ja eine ziemlich künstliche Art zu Erzählen). Also ich hab der Erzählstimme wirklich gern zugehört, obwohl ich nicht mochte, was sie mir erzählt hat.

LG,
MG

 

Hallo Rick,

ich sah kürzlich (vorgestern oder so) einen Bericht über einen Club von Typen, die in einem im Keller original nachgebautem Cockpit (für über T€ 40!) in sieben Tagen um die Welt fliegen. Die Flugsimulation perfekt und die Typen etwas versponnen (so urteilten sie auch selbst über sich) aber mit Feuereifer bei der Sache. Die wechseln sch in den sieben Tagen rund um die Uhr im Team ab und das ganze läuft für einen guten Zweck (da können sich Passagiere mit Spenden für die einzelnen Flüge einbuchen).
Lakita hat mir auch eine PN geschrieben – das ist alles da draußen, wenn man danach sucht. Ich denke hier in der Geschichte ist diese „nach außen“-Komponente nicht in der Form da, sondern das ist ein Ein-Mann-Flug, der sich vielleicht danach sehnt, dann Aufmerksamkeit von außen zu kriegen.

Die Frau eines der Typen - selbst jahrelang Stewardess - sagte: "Lieber einen Mann im Keller als in der Kneipe".
Ja, das ist ja auch genau so in der Geschichte. Das wär auch eine spannende Geschichte über Paare in so „außergewöhnlichen“ Hobbys.

Vielen Dank für deine Rückmeldung noch
Quinn

Hallo zigga,

Der Titel hat mich in deine Story gezogen; der erinnerte mich einfach total an*der Engländer, der auf einen Hügel stieg, und von einem Berg herunterkam, der lief letzte Woche oder so auf Arte, und ich habe den schon alleine wegen dem genialen Titel gefeiert.
Ich mag den Film auch gern, ich hab den paar Mal gesehen – und der hat mehr für sich als nur den Titel. Wenn die Leute da völlig irren Tätigkeiten nachgehen und dazu diese absurde „idyllische Musik“ läuft: Das lieb ich immer an diesen Filmen. Ich bin ein Fan von solchen „Kleinstadt“-Filmen, überhaupt von abgeschlossenen, ganz eigenen Welten. Morgan der Bock allein!

Das fängt schon beim ersten Absatz an, ich war da noch ein bisschen skeptisch, aber irgendwann hat sich das echt gelegt und dann habe ich mich auch dran gewöhnt und es hatte dann irgendwie einen angenehmen Erzählton. Ist eine mutige Art zu verdichten, weiß nicht, ob ich mich das in so großem Umfang trauen würde, kein Plan.
Wie du sagst: Man gewöhnt sich dran. Also ich denke, das ginge auf jeden Fall. Es sind eher Stilmittel, an die man sich nicht gewöhnt, die dann schwer so lange durchzuhalten sind.

Irgendwie hat mir die ganze Geschichte über auch so ein permanentes Schmunzeln im Gesicht geklebt, dieser schrullige Ende-60er bietet ja schon viel Boden für Witziges, aber auch die Tischszene mit der Freundin, weiß nicht, die hatte echt was witziges, so eine eigene Art von Situationskomik:
Ich denke das liegt auch an der sprachlichen Gestaltung mit der indirekten Rede. Ich hab mich auch gefragt: Geht das so? Aber es ist natürlich auch ein Prozess, wenn die „Distanz“ dann etwas schmilzt und man sich für die Figuren erwärmt. Das funktioniert vielleicht besser, als wenn der Text von Anfang an Nähe sucht.

Hat mir gut gefallen, ist zwar jetzt kein weltbewegendes Drama, was man da auf drei Seiten liest, aber das kann man irgendwie auch nicht erwarten, und das wolltest du auch gar nicht; nettes Häppchen für zwischendurch auf jeden Fall. Alles sehr knapp, sehr fokussiert und verdichtet geschrieben, auch witzig und mit Message im Subtext.
Ich finde das ist so das best-case-Szenario. Das war so meine Absicht, dass man sagt: Man geht hier auf einen kurzen Trip und nimmt etwas davon mit. Klar ist für so eine Geschichte das „ceiling“, das obere Limit relativ niedrig, aber ich fand das sehr angenehm hier, ich brauchte das mal wieder als Autor.

Danke dir für deinen Kommentar, freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat
Quinn

Hallo Lolita!

Ich hab kein Verständnis für Leute, die kein Verständnis für Exzentrik haben. Dementsprechend hab ich die Frau und die Tochter überhaupt nicht kapiert. Es steht im Text auch nicht so richtig drin, wo hier jetzt die Dramatik und die Tragik liegt. Inwiefern schadet es Walter denn jetzt? Isst nicht mehr so gut zu Abend? Das sind doch Kinkerlitzchen. Man kann halt nicht essen, wenn man total aufgeregt ist wegen dem, was man nach dem Essen vorhat. Das ist doch klar. Dass Walter leidet wird nur behauptet, dass die Mutter leidet wird auch nur behauptet, ich seh und spür das nicht. (Die Mutter hat ja noch weniger Screentime als Walter!)
Also in Relation haben die schon „Screentime“ - aber es sind halt nur 5 Szenen da oder so, und wenn Walter da in 2 ist, hat er 40% Screentime. :)
Ich finde die Logik hier – das haben die anderen Leser ja auch verstanden, warum sich die Mutter da „sorgt“. Ich finde das schon nachvollziehbar, dass sie sich ausgeschlossen fühlt. Und dass sie sich ärgert, nicht genug Zugang zu finden. Ob das jetzt wirklich am „Essen“ liegt … na ja. Und die Tochter – die kriegt halt Druck. Ich weiß nicht, ob das jetzt mehr Platz braucht. Gut, du hast kein Verständnis für Leute, die kein Verständnis für Exzentrik haben. Ich denke den meisten Lesern fällt es deutlich leichter, sich mit der Mutter zu identifizieren.

Und dieser Text geht aber davon aus, dass ein Leser den Flugsimulator irgendwie pfui findet. (Der Erzähler findet das ja auch "irgendwie pfui", auch wenn er es nicht so ausspricht oder nur so vor sich hinzweifelt.)
Ich find das gar nicht. Ich finde der Erzähler ist schon offen dafür. Aber der nimmt auch die Position der Mutter ernst: Sie will, dass sich jemand darum kümmert.
Du sagst im Prinzip: Deine Figuren sind so – warum sind die nicht viel offener und ironischer und reflektierter und toleranter: Ja, was soll ich sagen? Also glaubst du denn, dass die Mutter hier derart „unglaubwürdig“ ist?

Du als Autor solltest nicht leichtfertig davon ausgehen, dass Leser diese Leerstellen im Sinne des Textes ausfüllen
Doch, das muss ich sogar. Ich kann nicht beim Schreiben jede Eventualität berücksichtigen im Leser. Das war ja schon paar mal. Wenn ich bei irgendwem was trigger, was die anderen Leser gar nicht so wahrnehmen, dann ist das gut, wenn ich das weiß, aber … ein Text kann nicht für jeden geschrieben sein.

Ich hab in einem meiner ersten Texten was über Schnitzel geschrieben in einem Nebensatz. Und bekam dann die Rückmeldung, ob ich da nicht genauer was schreiben könnte, weil bei ihnen zu Hause hieße Schnitzel was anderes. Da wär Schnitzel ein Steak. Und wenn ich das anderes schriebe, dann wär das Problem ja weg. Welches Problem denn? Mal deutlicher gesagt: Man stelle sich vor, ein Blinder liest einen Text und sagt dann: Ich versteh nicht, was das und das heißt, kannst du das nicht anders beschreiben? Wie fühlt sich das an? Da muss man halt als Autor sagen: Tut mir leid, ich schreib nicht für österreichische, taubblinde Veganer, der in einer deutschsprachigen argentinischen Enklave aufgewachsen ist, gerade eine Identitätskrise mitmacht, sich mit den Lehren eines indischen Yogis beschäftigt und bei der Farbe gelb an Pestpocken denkt – es geht halt nicht. Das ist natürlich ein Stück weit diskriminierend. Klar. Man nimmt einen Leser an, der eine ähnliche Begriffswelt und eine ähnliche „Moralwelt“ hat wie man selbst. Aber wie sollte es anders gehen? Man muss vom Leser auch eine gewisse Toleranz erwarten, dass er sich „Mühe“ gibt, Figuren zu verstehen. Wenn ich die Sorge der Mutter hier nicht verstehen will, dann ist das auch ein Statement von mir als Leser. Das ich sage: Die Frau ist so schräg, dass ich es ablehne, sie verstehen zu wollen Punkt. So geht es mir manchmal mit jimmys Texten, wenn einer total verroht ist, und offensichtlich einfach ein Sadist.
Juju hat doch zu dem „Zuckerbrot und Peitsche“-Text gesagt, das wär halt nichts für ihn, weil er diese „Deutschen Kindheitserfahrungen“ nicht hat. Da ist mir das klar geworden, warum der Text für mich so toll funktioniert. Hätte fiz den jetzt „juju-kompatibel“ gemacht, wär's für mich wahrscheinlich nicht mehr so ein Spitzen-Text gewesen.
Also zu sagen: Ich erwarte vom Leser, dass er versteht, warum die Ehefrau sich hier Sorgen um ihren Mann macht. Ja. Das erwarte ich vom Leser. Du sagst: Ich kann das nicht nachvollziehen. Also: Ich kann verstehen, wenn du das nicht teilst, aber „nachvollziehen“ - das sollte doch drin sein.

Sprachlich fand ich's aber echt gut diesmal. Keine selbstverliebten Ellipsen :P
Wenn du grade ein Geräusch hörst, ist das mein Zähneknirschen!

Danke dir für deine – wie immer – individuelle Rückmeldung! Es hilft auf jeden Fall, sich über den Text Gedanken zu machen. Wenn ich zu sehr auf dich höre, könnte ich keinen Satz mehr schreiben.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn!

Es sind schon einige Kommentare geflossen, aber ich habe nur die ersten 2-3 überflogen, deshalb: sorry, sollte sich etwas mit anderen Kommentaren überschneiden.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Ich finde das so klassisch, nur die Darstellung ist vielleicht etwas überzogen. Aber es ist schon so: mit dem Alter manifestieren sich Macken stärker und andere kommen hinzu. Man wird irgendwie "eigener". Mein Vater hat auch erst mit Mitte fünfzig oder so seinen eigenen Klammoten-Stil entwickelt. ;) Und er hat eine Harley-Tour auf der "Route 66" mit 60 Jahren gemacht, weil es immer sein Traum war. Er ist jetzt nicht zum Eigenbrödler mutiert, wie Walter hier im Text, aber es ist schon so, dass sich viele durch das Alter stark verändern.

Der Schwiegersohn in Spe, der regelrecht "vorgeschoben" wird. Die typischerweise besorgte Ehefrau, die diese Veränderungen nicht gut annehmen kann. Dieses kleine bisschen Wahn im Vater. Die Tochter, die "ihre starke" Hälfte vorschiebt, in der Hoffnung, er könne Walters Wahn beenden und ihr und ihrer Mutter Ruhe bringen. Das ist schon ziemlich facettenreich, was in Deiner Geschichte alles angesprochen wird. Auch Klischees werden bedient.

Besonders witzig fand ich vor allem:

Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde.

:D Ja, ja ... diese Frage sollten sich einige stellen. ;)

Eine schöne Geschichte, in der ich immer wieder neue Botschaften entdecken, ob von Dir gewollt oder unbewusst.

Lieber Gruß von
Meraviglia

 

Hallo Meraviglia,

schön, dass du die Geschichte so aufgenommen hast

Ich denke die Geschichte ist auch "frei" genug, damit man sie als Leser betrachten und eigene Gedanken dazu entwickeln kann.
Das ist was, das ich auch Leser selbst mag - ich denke an meinen Kommentaren, die zum Teil sehr ausufern, sieht man das auch.
Schön wenn ich mit einer Geschichte im Leser erreichen kann, dass er sich in der Geschichte umsieht und sie sich zu eigen machen kann.

Danke dir für den Kommentar
Quinn

 

Schön wenn ich mit einer Geschichte im Leser erreichen kann, dass er sich in der Geschichte umsieht und sie sich zu eigen machen kann.

Das hört sich nach vollkommener Verschmelzung an :D

 

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