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Der Mann, der in eine Garage ging und aus einem Flugzeug herauskam

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10.10.2006
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Der Mann, der in eine Garage ging und aus einem Flugzeug herauskam

Als ich auf die Dreißig zuging, baute sich der Vater meiner Freundin die Garage zum Flugsimulator um. Achttausend Euro und mehr, so erzählte mir seine Ehefrau, habe Walter schon in die Garage gesteckt. Seit langem habe sie schon Probleme mit ihm, er sei immer unleidlicher geworden und maulfauler, nachts gar nicht mehr ins Bett gekommen, habe dann immer längere Zeit in der Garage verbracht, immer größere Pakete bestellt, und nun verabschiede er sich regelmäßig vom abendlichen Esstisch mit dem Hinweis, er fliege die nächsten acht Stunden Frankfurt – New York, und sie solle nicht auf ihn warten.
Am Abendessen, so erzählte sie weiter, habe er ohnehin kaum noch Interesse. Er rühre das Brot nicht mehr an, auch die geliebten Senfgurken gefielen ihm nicht länger, er schiebe nur lustlos ein paar Cocktail-Tomaten auf dem Teller hin und her. Sie habe ihn dann darauf angesprochen, und er habe geantwortet, das sei wegen der Verdauung. Er könne ja wohl kaum einen Zwischenstopp machen bei Frankfurt - New York, am Ende noch irgendwo in der Karibik notwassern, um aufs Klo zu gehen. Dem Auto-Piloten vertraue er einfach nicht. Wenn sie sich denn wirklich Sorgen um so etwas mache, dann sei das sehr lieb, aber nicht weiter notwendig.

Da ich nicht im eigentlichen Sinne zur Familie meiner Freundin gehörte, fand ich, dass es nicht an mir war, mich dort einzumischen. Aber die Mutter meiner Freundin konfrontierte mich wieder und wieder mit diesen Dingen. Sie dachte, ich müsse mich doch auskennen, immerhin wäre ich in der Stadt gewesen, zum Studium. Sicher seien mir auch höhere Dinge nicht fremd und ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen, falle in mein Gebiet.
Ich sagte. immerhin wisse sie ja, wo er sei. Da brauche sie sich keine Sorgen machen. Andere Männer, sagte ich, würden ihre Abende ganz anders verbringen und viel mehr Geld ausgeben. Ich sagte, das sei eine Skurrilität, ein interessanter Spleen, etwas, um das man Walter beneiden würde. Andere hätten ihren Garten, sagte ich, Walter habe nun mal New York. Daran sei überhaupt nichts auszusetzen.

Eines Tages jedoch kam ich von der Arbeit nach Hause und fand meine Freundin am Esstisch vor, sie hatte ihre Arme unter der Brust zusammengefaltet und als sie mich sah, tat sie bedrückt. Sie stand etwas schnippisch auf und ging noch schnippischer an den Kühlschrank, holte schnippisch einen Joghurt hervor und stellte den schnippisch auf den Tisch. Dann schnippte sie in meine ungefähre Richtung und sagte: „Joghurt.“
Ich sagte Vielen Dank.
Sie fand das nicht sehr komisch. Ich müsse doch merken, dass sie etwas bedrücke, sagte sie. So etwas müsse mir doch auffallen, mir fiele doch sonst alles auf. Für alles hätte ich eine Theorie, behauptete sie, nichts würde mir entgehen. Bei diesen Filmen, die wir immer sähen, sei ich unausstehlich, könne gar nicht aufhören, darüber zu quatschen, was die Figuren empfänden. Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, und probierte von dem Joghurt.
„Für mich schon“, sagte sie, und jetzt solle ich mich mal zusammenreißen, aufhören hier an dem Joghurt herum zu neiseln und ihr mal ins Gesicht schauen. „Seh ich glücklich aus?“, fragte sie.
Ich verneinte.
„Warum seh ich nicht glücklich aus?“, fragte sie.
Ich überlegte, ihr eine Reihe von plausiblen Gründen anzubieten, entschied mich jedoch dagegen und bot ein „Hm“ an.
„Wegen meiner Mutter“, sagte sie.
„Wegen deines Vaters, meinst du?“, fragte ich.
Sie nickte.
Ich nickte auch.
Ich solle dann noch was vom Chinesen mitbringen, sagte sie und klang wie eine selbstzufriedene Frau, die genau weiß, wie sie ihren Freund zu allem kriegt. Sie koche heute nicht. Sie habe heute schon genug getan.
Als wäre es jetzt eine große Leistung gewesen, mich zu manipulieren, und als sei damit schon alles getan, um das Problem aus der Welt zu schaffen, nur weil man mal den Freund manipuliert hat.
Chinesisch, sagte ich, mal gucken, ob es das in New York so gibt. Das sagte ich, während ich schon die Tür aufgemacht hatte, um das letzte Wort zu haben.
„New York war gestern“, rief sie mir noch hinterher. „Heute ist der Rückflug dran. Er zieht das total durch, du musst dich wirklich darum kümmern, Mutter sagt, er isst schon gar nichts mehr, das ist ernst.“ Das rief sie mir noch nach, als ich schon die Treppe hinunterging, nur damit sie das letzte Wort haben konnte. Sie ist so, da darf man sich nichts vormachen. Sie seufzte dann erschöpft und schloss die Tür hinter sich und ich dachte bei mir so: Wenn Mädchen wie ihre Mutter werden, hätte ich es schlechter treffen können. Immerhin sorgte sich die Mutter meiner Freundin ja liebevoll um ihren Ehemann, außerdem hatte sie ein angenehmes Wesen und eine bemerkenswerte Figur für ihr Alter.
Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde.

Als ich am Haus angelangt war, brannte noch Licht in der Küche und ich sah das Gesicht meiner designierten Schwiegermutter, gedankenverloren strich sie über einen Teller und lächelte mir zu.
Ich achtete nicht darauf, sicher hätte es ihr gefallen, mich noch mit letzten Anweisungen zu instruieren, mir ihre Gedanken und gute Wünsche mit auf den Weg zu geben, um das Problem zu lösen, von dem ich immer noch nicht wusste, ob es denn eins war.

Ich öffnete die Tür zur Garage, zu einem Ort, den ich noch nie betreten hatte, und schon blickte ich auf den Himmel über dem atlantischen Ozean. Walter hatte das Geld in einen Panorama-Bildschirm investiert, etwa acht Meter davor saß er in einem Pilotensessel und vor einem Cockpit, er hatte ein Head-Set auf, so dass ich ihn kaum erkennen konnte.
Das ganze wirkte von außen wie in den Spielhallen, wenn Jugendliche ein Rennspiel spielen, nur sind bei diesen Automaten die Bildschirme nur eine Armeslänge vom Gesicht des Spielers entfernt, bei Walter waren es mehrere Körperlängen. Über ein Dolby Surround Soundsystem flüsterte aus allen Ecken der Garage ein weißes Rauschen, ich versuchte ein Muster zu erkennen, vielleicht das Schreien von ein paar Möwen, aber es waren nur die Triebwerke zu hören. Vielleicht, dachte ich, stottert mal eins oder irgendwas, aber es war nichts zu hören.
Walter hatte mich indessen bemerkt und zeigte mit der rechten Hand energisch an, ich solle mich verpissen. Er wedelte mich regelrecht aus der Garage hinaus, doch ich schloss nur die Tür hinter mir, lehnte mich dann gegen eine Wand und lauschte dem Summen der Triebwerke, und wenn ich auf den Monitor schaute, sah ich dort die immer gleichen Polygon-Wolken vor sich hinziehen. Ich zog es vor, mich am Rande der Garage aufzuhalten, kam mir wie ein Eindringling vor, immerhin hatte er deutlich gemacht, dass ihn niemand hier besuchen durfte. Seine Frau, so hatte sie mir erzählt, habe es am Anfang wiederholt versucht, aber er habe sie überhaupt nicht wahrgenommen, was sie dann so verärgert hatte, dass sie ihn mehrmals später darauf angesprochen, aber nur ausweichenden Antworten erhalten habe.
Ich fragte mich, während ich im Halbdunkeln der Garage den Triebwerken lauschte, was meine Freundin nun wohl treibe. Ob sie es sich vielleicht mit einer Tüte Chips im gemeinsamen King-Size-Bett bequem gemacht habe und dort nun alles vollkrümelte, dabei sich vielleicht die Zehen pink lackierte, es sich ganz mollig machte, ihre Haut ganz weich, und sich beim Gedanken daran totlachte, dass ich hier in einer öligen Garage säße auf einer aussichtslosen Mission.
Und während sie sich mein Kissen noch unter das Kreuz legte, statt wie durch mich bei einigen Gelegenheiten vorgeschlagen, einfach ein weiteres zu kaufen, musste ich hier klamm an der Tür lehnen und dabei zusehen, wie jemand nach New York fliegt.

Nach einer Weile wurden die Triebwerke leiser, ich schreckte hoch aus meinen Überlegungen und glaubte nun, ein Stottern zu vernehmen, vielleicht eine Stichflamme aus irgendeiner Ecke der Garage lodern zu sehen, doch statt dessen hörte ich Walter sprechen: „Hör mal, Junge, ich weiß schon, aber du kannst ihnen doch sagen, mit mir ist alles okay. Du kannst ihr sagen, dass du mit mir geredet hast und dass mit mir alles in Ordnung ist.“
Jetzt erst erkannte ich, dass Walters Stimme aus den vier Ecken der Garage kam. Er musste dasselbe System benutzen, um wichtige Durchsagen an die Passagiere zu tätigen.
Ich sagte: Walter, die werden mir nicht glauben. Die machen sich Sorgen um dich. Ich hab keine Wahl, die wollen das verstehen.
„Dann erklär's Ihnen doch“, sagte Walter.
Dazu muss ich aber erst mal so tun, als hätte ich dich lange angeschaut und es verstanden, sagte ich.
Und er fragte: „Wie lange?“
Und ich fragte, ob ich ihn denn störe.
Und er sagte: „Ja.“ Ganz immens störte ich ihn, ich ruinierte alles, machte den ganzen Spaß kaputt, er könne meine Anwesenheit unmöglich ausblenden und ob es mir denn gefalle, fragte er noch.
Wisse ich nicht so Recht, sagte ich, käme mir alles ein wenig eintönig vor, so ganz ohne Luftkampf oder Möwen oder Brände oder so richtiger Aussicht.
„Ja“, sagte er.
„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.

Ich sagte dann nichts mehr. Ich schaute ihm noch ein bisschen dabei zu, wie er flog. Fünf Stunden hab ich ihm dabei zugesehen und als er dann zur Landung ansetzte, bin ich aufgestanden, hab die Garagentür geöffnet, bin nach draußen gegangen und hab die kalte Luft eingeatmet. Draußen sind die ersten Wagen losgefahren. Man kennt das ja, wenn eine Straße aufwacht, wenn die Menschen ihren Schlaf abschütteln und zur Arbeit gehen. Der Nachbar fährt, der andere Nachbar fährt, und im Haus der Eltern meiner Freundin brannte kein Licht.
Ich spürte Walters Hand auf meiner Schulter, er ging wortlos an mir vorbei, öffnete die Haustür, drehte sich noch einmal um und nickte mir zu.

 

Hey Quinn.

Er rühre das Brot nicht mehr an, auch die geliebten Senfgurken gefielen ihm nicht mehr, er schiebe nur lustlos ein paar Cocktail-Tomaten auf seinem Teller hin und her.
Hier reimt sich ja mehr auf her. Für mich klingt das deswegen etwas komisch. Vielleicht das zweite "mehr" streichen?

Überhaupt am Anfang: Das ist schon verdammt viel indirekte Rede. Prinzipiel stört die mich nicht, aber hier dachte ich schon, ajajaj, das ist ziemlich weit weg und irgendwo auch künstlich. Kann gut sein, dass ich bei jemand anderem hier ausgestiegen wäre, weil ich sich das so überkorrekt für mich liest und überspannt.
Aber ich hab ja weiter gelesen und gerade, wenn ich mir anschaue, wie sich die Geschichte weiter entwickelt, bekomme ich immer mehr das Gefühl, dass diese Stimme und die viele indirekte Rede zu deinem Erzähler passt. Der ist ja schon auf halbem Weg zu diesem Vater, deswegen kann er den ja auch verstehen, deswegen setzt er sich zu dem und schaut sich das an, und versucht auch nicht wirklich was zu ändern, weil er weiß, dass der Vater nunmal so ist und das durchzieht. Und unter dem Gesichtspunkt ergibt diese "Korrektheit" für mich viel Sinn und fügt sich ins Bild, auch wenn ich es jetzt nicht super angenehm zu lesen finde (was aber wohl Geschmackssache ist).
Unabhängig jetzt von der Erzählstimmte: Ich mag die Geschichte und auch die Figurenkonstellation. Da kommt ja der Erzähler in die Geschichte und er ist dieses Element von außen und wird deshalb von den Frauen eingesetzt, um das Problem mit dem Vater zurichten. Nur ist er halt selbst ein Mann und dem Vater nicht so unähnlich und deswegen steht es nicht drei gegen einen, sondern eigentlich zwei gegen zwei. Ich hab, gerade am Ende, das Gefühl, dass halt die Männer zusammenhalten, auf eine nicht sehr wortreiche, sehr männliche Art. :P

Er könne ja wohl kaum einen Zwischenstopp machen bei Frankfurt - New York, am Ende noch irgendwo in der Karibik notwassern, um aufs Klo zu gehen. Dem Auto-Piloten vertraue er einfach nicht.
Das finde ich gut, weil das zeigt, wie tief er eigentlich drinsteckt in dieser Flugidee. Der ist ja wirklich bereit sein ganzes Leben dafür umzustellen. Ich meine, kein Abendessen mehr zu sich nehmen, das ist schon einschneidend.

Da ich nicht im eigentlichen Sinne zur Familie meiner Freundin gehörte, fand ich, dass es nicht an mir war, mich dort einzumischen. Aber die Mutter meiner Freundin konfrontierte mich wieder und wieder mit diesen Dingen. Sie dachte, ich müsse mich doch auskennen, immerhin wäre ich in der Stadt gewesen, zum Studium. Sicher seien mir solche Dinge nicht fremd, wie ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen.
In geht es eigentlich nichts an und sie versucht ihn trotzdem da mit reinzuziehen und manöviert ihn gleichzeitig in eine ganz komische Ecke - sie macht ihn ja quasi zum Experten, nur weil er wohl nicht sein ganzes Leben auf dem Land verbracht hat, weil er im Vergleich weltgewandt ist und damit angeblich auch erfahren in solchen Lebenskrisen.

Wenn Mädchen wie ihre Mutter werden, hätte ich es schlechter treffen können. Immerhin sorgte sich die Mutter meiner Freundin ja liebevoll um ihren Ehemann, außerdem hatte sie ein angenehmes Wesen und eine bemerkenswerte Figur für ihr Alter.
Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde, kam so recht auf kein Ergebnis.
Das ist auch immer wieder spannend, diese unbewusste/ungewollte Beeinflussung durch die Eltern. Da kann man sich schön mit verrückt machen, aber dein Erzähler nimmt es ja ziemlich gelassen. Seine Freundin übersteht auch als "Mutter" den Test und ob er zu dem Vater werden will, lässt er offen. Jedenfalls gruselt es ihm nicht davor.

„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.
Das finde ich stark. Weil da wird nochmal betont, es geht dem Vater nicht um einen Zeitvertreibt, um ein Hobby. Das ist wirklich ein Lebensentwurf, eine ganz neue Existenz. Und deswegen sind ja auch die Frauen so dagegen, weil in dem Entwurf spielen sie ja kaum eine Rolle. Alles was er braucht ist seine Garage. Und das funktioniert halt nicht mit ihren Vorstellungen, weil sie wollen ihn weiterhin als Teil der Familie, wollen ihn als aktives Mitglied. Und das ist er anscheinend nicht mehr bereit zu leisten.

Ließt sich, nach Eingewöhnung, gut, diese Geschichte und man kann einiges drin finden (andere sicher noch mehr als ich). Hast aus einer schrägen Idee eine gute Geschichte gemacht (sonst bleibt es ja leider nur bei der schrägen Idee).

Gruß,
Kew

 

hallo quinn,

mir hat die geschichte echt gut gefallen - sehr coole idee!! und mir gefallen auch diese kleinen details, dass z.B. der erzähler von den beiden frauen instrumentalisiert werden soll. das ende, da stimme ich mit kew überein, ist sehr stark.

einzig würde ich ein paar ausdrücke überdenken, also z.b. statt "die senfgurken gefielen ihm nicht mehr" "die senkfgurken schmecktem ihm nicht mehr"
statt "zehen pink schminken" vielleicht eher "zehennägel pink lackieren"
bei "kissen unters kreuz" statt "kreuz" würde ich eher "rücken" nehmen, weil in diesem zusammenhang das kreuz eher männern gehört ;) frauen haben ja mehr so rücken!

aber mal von diesen feinheiten abgesehen, fand ich deine geschichte sehr schön schräge und hab sie sehr gern gelesen!

viele grüße
aj katz

 

Hallo Quinn,

da steckt viel drin, in diesem doch recht kurzen Text. Die indirekte Rede finde ich gut dosiert. So wirkt die ganze Geschichte sehr oral, sehr nah, man könnte das so ähnlich am Tresen hören. Hier ist das natürlich literarisiert, schon klar, aber der Erzähler wirkt älter, reif und reflektiert.

Ja, Männer die ins Alter kommen, ein Thema für sich. Und irgendwie die Frauen ja auch. Wie weit sie diesen Freund ja schon in ihren intimen Bereich hereingelassen hat, die Ehefrau, ich meine, er betont, dass er nie so richtig zur Familie gehört habe, und dann erzählt sie ihm pikante Details, weil er studiert hat: Der Ehemann kommt nicht mehr ins Bett etc. Er wird hier richtig zum Komplizen gemacht. Andere würden von außen urteilen: Der ist irre. Ich finde auch gut, dass du hier mit dem Essen beginnst; man sagt ja, Fressen sei die Erotik des Alters - auf mich wirkt der Vater so noch viel interessanter, der ist nicht mit ein paar Speisen zu locken, der meint es ernst, der muss noch nach New York.

Im Grunde zeigst du ja einen Verlust an sozialem Status, auch an Anerkennung. So verstehe ich das. Bedrückend finde ich diesen kurzen Dialog, wo der Freund sagt, ist ja wie Arbeit, und der Vater bejaht das nur, ohne etwas zu erklären, etwas hinzufügen, das ist für mich die stärkste Stelle, die sagt unheimlich viel aus. Da schwingt viel Subtext mit: Man definiert sich über Arbeit, ist nutzlos, wenn man keine (oder: keine mehr) hat, da steckt auch Kritik an einem ganzen gesellschaftlichen System, einem Denken über den Lebensentwurf mit drin.

Ich glaube, hier treffen auch zwei Erwartungshaltungen aufeinander: Die Familie und ihr tradiertes Bild des 'Vaters', wie und was er zu tun habe, und dieses oktroyierte Bild der Gesellschaft: Du musst etwas schaffen, du darfst dich nicht ausruhen, muss nützlich sein, arbeite.

Am Ende sind die beiden Kollegen, der Vater nickt ihm zu, sie sind einen Teil dieses Weges nun zusammen gegangen, er reflektiert das sogar noch, eine surreale Sequenz, wie ich finde.

Gerne gelesen.

Gruss, Jimmy

PS: Ich glaube, es heißt: Surround-Anlage.

 

Hallo Quinn,

über den Titel bin ich in die Geschichte reingerutscht und konnte gar nicht mehr raus. Das ist wirklich gut und die indirekte Rede finde ich auch passend. Wollte man da in die direkte, ginge der Abstand flöten und es würde eine ganz andere Geschichte, was ich schade fände, echt.

das sei wegen der Verdauung. Er könne ja wohl kaum einen Zwischenstopp machen bei Frankfurt - New York, am Ende noch irgendwo in der Karibik notwassern, um aufs Klo zu gehen.
Ja, der Mann ist wirklich ganz in seiner „Arbeit“ drin.
Sicher seien mir solche Dinge nicht fremd, wie ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen.
dass ein Mann in den späten 60ern, sein Geld… und da fehlt was, ein um?
Ein bisschen seltsam der Satz, oder?
Sie stand etwas schnippisch auf, und ging noch schnippischer an den Kühlschrank, holte schnippisch einen Joghurt hervor und stellte den schnippisch auf den Tisch. Dann schnippte sie in meine ungefähre Richtung und sagte: „Joghurt.“
Köstlich, wie im richtigen Leben. Auch das:
Sie koche heute nicht. Sie habe heute schon genug getan.
Als wäre es jetzt eine große Leistung gewesen, mich zu manipulieren, und als sei damit schon alles getan, um das Problem aus der Welt zu schaffen, nur weil man mal den Freund manipuliert hat.
Und:
Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich,
mein Kissen noch unter das Kreuz legte, statt wie durch mich einigen Gelegenheiten vorgeschlagen,
fehlt ein bei > bei einigen?
Und dann der feine Schluss! Ganz prima! Alles in allem: ein richtiger Lesegenuss.

Lieben Gruss,
Gisanne

 
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Hallo,
ich finde die Idee interessant, dabei bin ich mir nicht völlig sicher, welche Motivation hinter dem Handeln des Vaters steckt. Als ein großer Fan des Herrn Focks, habe ich auch in diesem Text einige Elemente entdeckt, die auf ein Abfinden mit der Realität, mit der Alltäglichkeit hindeuten. Das ist sicher eine Art Flucht hier, eine seltsame Flucht allerdings, denn sie geht in eine Monotonie eines acht Stundenflugs. Immer und immer wieder. Da ist natürlich der Ozean und immer wieder wird die Überquerung unendlicher Weiten simuliert, der Ausbruch in die Ferne, andererseits aber ist es halt immer wieder ein Flug, eine Tätigkeit, bei der man sich nicht bewegt, bei der man eigentlich auch nichts erlebt. Monoton, öde, ja, wie Arbeit, (jedenfalls wie die Arbeit deines Erzählers), das sagt der Erzähler dann und es fügt sich zusammen, meine ich.
Es steht schon einiges zwischen den Zeilen, diese Eltern-Kind-Freund der Tochter Dynamik ist gut getroffen, und dieser Moment des Abfindens kommt auch wieder deutlich zum Vorschein, wenn der Erzähler über seine Freundin spricht und das was ihn mit ihr erwartet.
Ich finde so eine Einstellung ja ein bisschen zu verfrüht, wenn man erst auf die Dreißig zugeht, die kann ich bei den Menschen um mich herum, die alle in diesem Alter sind jetzt nicht beobachten, aber so im Zusammenschau mit ein paar anderen Texten von dir, wird es schon deutlich, dass du halt auf diese Darstellung der unmagischen Realität, gerade in Paarbeziehungen, stehst. Ich weiß nicht, ich mag Träume lieber, aber das ist natürlich Geschmackssache.
Insofern ist das schon ein wenig bedrückend, finde ich und diese Skurillität der Beschäftigung und auch das uneingeschränkte Einverständnis des Erzählers mit ihr, schon auch traurig.
Also mir gefällt die Idee, diese Garage mit dem Flugzeug ist ein starkes Motiv, aber ich persönlich finde den Text zu kurz. Für meinen Geschmack könnte er noch ein wenig Entwicklung und damit noch ein paar Ebenen vertragen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der ganz schnell entstanden ist und ich finde, es hätte der Idee gut getan, wenn du sie ein wenig länger hättest atmen lassen.
Da ich dich an Herr Focks messen muss, muss ich sagen, dass ich sprachlich etwas enttäuscht bin. Klar, der Plot ist natürlich sehr unaufgeregt, insofern passt es sprachlich schon, aber ich hätte mir ein paar mehr stilistische Lichtblicke gewünscht. Mir hat, glaube ich, kein einziger Satz weh getan. Es fühlte sich etwas emotional distanziert geschrieben an. Der mit der Arbeit war schon der stärkste.
ABer ich habe das schon gerne gelesen, obwohl ich beim Einstieg schon so meine Schwierigkeiten hatte.
lg, randundband

 

Hallo Kew,

Hier reimt sich ja mehr auf her. Für mich klingt das deswegen etwas komisch. Vielleicht das zweite "mehr" streichen?
Da hast du recht, ich hab es in ein „länger“ geändert.

Und unter dem Gesichtspunkt ergibt diese "Korrektheit" für mich viel Sinn und fügt sich ins Bild, auch wenn ich es jetzt nicht super angenehm zu lesen finde (was aber wohl Geschmackssache ist).
Ich find's auch nicht angenehm zu lesen. Aber ich denke, der Kontrast zwischen dieser Art, zu erzählen, und dem, was erzählt wird, macht den Reiz aus. Wenn ich das anders erzählt hätte, dann wär die Geschichte Gefahr gelaufen, entweder in so eine „Freak-Show“ reinzugehen oder zu gemütlich zu wirken. Ich denke die indirekte Rede hält den Leser schon im Ungewissen.


Das finde ich stark. Weil da wird nochmal betont, es geht dem Vater nicht um einen Zeitvertreibt, um ein Hobby. Das ist wirklich ein Lebensentwurf, eine ganz neue Existenz. Und deswegen sind ja auch die Frauen so dagegen, weil in dem Entwurf spielen sie ja kaum eine Rolle. Alles was er braucht ist seine Garage. Und das funktioniert halt nicht mit ihren Vorstellungen, weil sie wollen ihn weiterhin als Teil der Familie, wollen ihn als aktives Mitglied. Und das ist er anscheinend nicht mehr bereit zu leisten.
Ich denke die Frauen machen sich auch einfach Sorgen um ihn, er bleibt die Nächte auf, ändert sein Verhalten.

Hast aus einer schrägen Idee eine gute Geschichte gemacht (sonst bleibt es ja leider nur bei der schrägen Idee).
Die Idee ist gar nicht so schräg, ich hab da vor Monaten einen Artikel darüber gelesen, das gibt es alles wirklich. Ich könnte jetzt nicht beschwören, dass es in den Details so stimmt, aber die Hardware und Software gibt es definitiv. Es gibt Leute, die das machen.
Das war wirklich mal eine Alltags-Geschichte im Versuch, sich dieser Idee zu nähern, für mich. Mich damit auseinander zu setzen.

Ich finde du hast das mit dem 2 gegen 2 und so, gut erklärt. Das hat mich gefreut, danke dir für den Kommentar Quinn

Hallo AJ Katz,

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen konnte, die Detailanmerkungen sind dann oft so eine Ache: Also deine Einwände sind auf jeden plausibel, aber im Detail mag ich dann das „Kreuz“ lieber als den „Rücken“, weil es was vertrautes und auch lokales hat. Das „gefallen“ mag ich lieber als das „schmecken“, weil er die Gurke nicht isst – und ob sich eine Frau nun die Zehen schminkt oder lackiert oder macht – spielt in dem Moment für den Erzähler keine rolle, weil er darüber ja so ein bisschen wütend denkt. Ich versuche, wenn ich so was schreibe, mich auch ein Stück weit auf den Erzähler einzulassen, und mich zu fragen, wie er das formulieren würde.

Danke dir für deine Kritik
Quinn

Hallo jimmy,

Der Ehemann kommt nicht mehr ins Bett etc. Er wird hier richtig zum Komplizen gemacht. Andere würden von außen urteilen: Der ist irre.
Ich hab mir das überlegt mit der Dynamik. Also erstmal: natürlich ist der Erzähler Teil dieser Familie, er lebt ja mit der Tochter zusammen. Ich denke nicht, dass ihn die Frau als „Fremden“ betrachtet.
Zweitens denke ich, das sind schon andere Zeiten hier mittlerweile, die Frau macht sich ernsthafte Sorgen und sucht nach Mitteln, da Einfluss zu nehmen. Das ist keine Frau, die das schweigend erträgt oder hinnimmt.
Und drittens denke ich, die Mutter geht der Tochter so lange mit emotionaler Erpressung auf den Geist, bis das dann passt.

Bedrückend finde ich diesen kurzen Dialog, wo der Freund sagt, ist ja wie Arbeit, und der Vater bejaht das nur, ohne etwas zu erklären, etwas hinzufügen, das ist für mich die stärkste Stelle, die sagt unheimlich viel aus. Da schwingt viel Subtext mit: Man definiert sich über Arbeit, ist nutzlos, wenn man keine (oder: keine mehr) hat, da steckt auch Kritik an einem ganzen gesellschaftlichen System, einem Denken über den Lebensentwurf mit drin.
Ich denke, das ist für viele Menschen eine gewaltige Umstellung, wenn sie diese Stunden mehr am Tag haben. Ich fand es als Idee interessant, es ist ja tatsächlich so, dass viele Rentner nach 65 dann kurz Pause machen und auf einmal wieder anfangen, in Mini-Jobs zu arbeiten oder sich anders zu engagieren. Viele sind dann ehrenamtlich tätig oder suchen sich irgendein Hobby.
Und ich glaube, was der Mann hier macht, ist etwas, das der Erzähler sehr schnell versteht.

Das mit „System“: Ja, aber da kann das System nichts dafür. Ich denke, die Menschen nehmen öfter an, dass Erwartungen an sie gestellt werden und dann werden die „real“, diese Erwartungen.
Ich hab die Geschichte bewusst in den „Alltag“ gestellt (und mich sehr mit Sperenzchen zurückgehalten), weil ich bei der Geschichte das Gefühl hatte: Die wirkt nach.
Ich finde, auf mich hat das so gewirkt, das in diesem Bild was ist. Ich hab das vor 3 Monaten gelesen, dass es sowas gibt, und das war eine Idee, die geblieben ist wohl.
Ich weiß nicht, ob ich mit der Geschichte dieser Idee gerecht geworden bin, das kann man sich immer fragen. „Macht man es härter, muss es weh tun, muss es durchkomponiert sein.“ Das sind schon die Fragen und ich dachte hier mal: Nein. Leise. Ohne dass ich den Anspruch an mich entwickle, das muss jetzt ein großer Wurf sein oder das muss irgendwas toppen. Sondern einfach: Idee.
Ich hab jetzt wieder öfter an eine alte Geschichte von mir gedacht (Herr Cornelius möchte die Zeit anhalten) und da gab es dann eine Empfehlung von bernadette glaub ich mit dem Hinweis, wie schön es sei, den anderen zu akzeptieren. Und das kam mir dann in den Sinn, als ich über die Geschichte hier nachgedacht habe.
Für mich ist das schon im Grunde eine positive Geschichte.

Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen konnte, wenn ich auch weiß, dass du normal auf was ganz anderes stehst
Quinn

Hallo Gisanne,

Wollte man da in die direkte, ginge der Abstand flöten und es würde eine ganz andere Geschichte, was ich schade fände, echt.
Ja, ich denke auch. Es gibt der Geschichte etwas Mildes, das fand ich wichtig.
Ich hatte schon Angst, dass jimmy mit mir schimpft, mit was für Probleme ich mich da befasse. Im gesicherten Mittelstand, wo man mal 8000 Euro ausgeben kann, wenn es doch draußen richtiges Elend gibt, aber ich denke, das tut ja auch mal ganz gut. Und das sind ja auch Sachen, die „draußen“ sind und auf die ich mal Lust hatte.

Und dann der feine Schluss! Ganz prima! Alles in allem: ein richtiger Lesegenuss.
Das freut mich, ich hab die Detailkritiken auch eingearbeitet.

Vielen Dank
Quinn

Hallo randundband,

Das ist sicher eine Art Flucht hier, eine seltsame Flucht allerdings, denn sie geht in eine Monotonie eines acht Stundenflugs. Immer und immer wieder. Da ist natürlich der Ozean und immer wieder wird die Überquerung unendlicher Weiten simuliert, der Ausbruch in die Ferne, andererseits aber ist es halt immer wieder ein Flug, eine Tätigkeit, bei der man sich nicht bewegt, bei der man eigentlich auch nichts erlebt. Monoton, öde, ja, wie Arbeit, (jedenfalls wie die Arbeit deines Erzählers), das sagt der Erzähler dann und es fügt sich zusammen, meine ich.
Du siehst das sehr literarisch. Ich hab mal einen Bericht gesehen, dass es sowas gibt wie „in the zone“ sein, also ein Zen-Zustand sozusagen, der entsteht wenn bestimmte Hirnwellen (Theta-Wellen glaub ich) ein bestimmtes Muster ergeben. Das ist eine Form von konzentrierter Hingabe.
Ich denke das erreicht der Mann hier vielleicht.
Du beschreibst das Paradoxe davon, einen Flugsimulator in der Garage zu haben. Und dieses Banale im Traumberuf. Ja, ich denke deshalb ist das auch so ein Bild, das sich bei mir eingeprägt hat. Ich hab mich neulich mit Andrea H. Über eine Liste mit skurrilen letzten Mahlzeiten von Leuten aus der Todeszellen unterhalte und sie sagte, das sei ja sowieso Quatsch, noch was zu essen, wenn man sterben wird. Das ist ja pervers: Essen dient der Erhaltung des Lebens. Und ich denke ein Flugsimulator in der eigenen Garage und dass man sich diese 8Stunden Schichten freiwillig gibt: Das ist natürlich ein Motiv.
Es gibt aber Leute, die machen die verrücktesten Sachen im Alter. Hier gibt es einen, der dann über den Zebrastreifen läuft, um zu gucken, ob die Autos auch anhalten, und sich als so eine Art Hilfspolizist aufspielt. Andere gucken 8 Stunden lang aus dem Fenster, da sind doch die Flüge schöner.

und dieser Moment des Abfindens kommt auch wieder deutlich zum Vorschein, wenn der Erzähler über seine Freundin spricht und das was ihn mit ihr erwartet.
In tausend Jahren würde dir das nicht in den Sinn kommen, wenn nicht der Focks so im Hinterkopf wäre. Ich mag den Focks auch, aber – die Geschichten haben nur einen ganz zartes Band, das du jetzt stark siehst, weil du den Focks kürzlich gelesen hast. „Abfinden“ - siehst du das so? Ich denke es macht ihm viel Spaß mit seiner Freundin. Die haben doch noch Feuer mit einander.
Wenn er da in der Garage sitzt, stellt er sich die Freundin noch im Bett vor.

Also mir gefällt die Idee, diese Garage mit dem Flugzeug ist ein starkes Motiv, aber ich persönlich finde den Text zu kurz. Für meinen Geschmack könnte er noch ein wenig Entwicklung und damit noch ein paar Ebenen vertragen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der ganz schnell entstanden ist und ich finde, es hätte der Idee gut getan, wenn du sie ein wenig länger hättest atmen lassen.
Da Problem mit den Ebenen ist oft, dass sie der Geschichte den Lebensnerv dann abklemmen. Ich veröffentliche viel weniger als früher hier im Forum, weil halt auch die Ansprüche höher sind, und hier das war für mich, in der Tat, eine Geschichte, die ich auch „klar“ erzählen wollte. Die in dieser Neugier und dem Einverständnis bleiben soll. Das hat mich hier gereizt.
Vielleicht wäre das in einer komplexen Geschichte, dann ein skurriler Nebenplot. Ich denke für eine „Haupt-Geschichte“ wäre es schwer, hier auszuweiten und dabei authentisch zu bleiben, weil der Vater alle Kommunikation abblocken wird. Der Erzähler stand, in meiner Vorstellung, ja schon bald zwei Stunden da, bis der Vater überhaupt angefangen hat, mit ihm zu reden.
Ich hab da immer ein Bild im Kopf, das war in einem Lehrbuch über Journalismus, das ich mal gelesen hab. Da hat ein Mann hundertjährigen Geburtstag und hat die Rosen geschnitten, und ein Reporter Lokalzeitung ist gekommen und wollte ihn interviewen. Und der 100jährige hat kein Wort gesagt, bis der Reporter gegangen ist.
Und der „Beobachter“ hat abgewartet, bis der Mann mit dem Rosenschneiden fertig war und hat ihn dann erst angesprochen. Weil Rosenschneiden ist Rosenschneiden und mit der Zeitung sprechen ist was ganz anderes, und beides gleichzeitig macht man nicht.
Ich wüsste nicht, wie man die Geschichte hier um diesen Kern ausweiten könnte, ohne sie dann sehr breit zu rollen.


Da ich dich an Herr Focks messen muss, muss ich sagen, dass ich sprachlich etwas enttäuscht bin.
Das wäre ja furchtbar, wenn es so wäre, dass man mich an Herrn Focks messen müsste.
Ich hab schon Geschichten geschrieben über Lavalampen, die vom Teufel besessen waren und eine talentlose Partykeller-Truppe zu charismatischen Womanizern gemacht hat. Daran kann man mich ruhig messen!
Also wenn man immer nur an der letzten Geschichte gemessen wird, das wär ja furchtbar – das würde ja auch zu feigen Autoren führen, die dann in Serie produzieren.
Ich weiß, dass man das manchmal so macht, aber – also, das geht hier im Forum auch nicht. Klar, will jeder besser werden, aber das sollte nicht dazu führen, dass Autoren nur Geschichten posten, bei denen sie sich super sicher sind. Das passiert ja „draußen“ so, da hat eine Autorin dann ein Pseudonym für ihre Krimis und sobald sie was anderes machen möchte, muss ein neues Pseudonym angelegt werden, um die Erwartungshaltung der Leser nicht zu enttäuschen.

Nicht dass das falsch rüber kommt: ich kann das aus Leser-Sicht nachvollziehen.

Focks war was ganz anderes. Und wenn ich irgendwann Weihnachten den Vampir-Scheiß fertig krieg, wird das wieder was ganz anderes sein. Ich fände ja eher den Vorwurf schlimm, dass ich dann nur eine Sache hinkrieg. Das tut mir dann eher weh, dieses „more of the same“.

Also du schreibst auch:

Klar, der Plot ist natürlich sehr unaufgeregt, insofern passt es sprachlich schon, aber ich hätte mir ein paar mehr stilistische Lichtblicke gewünscht. Mir hat, glaube ich, kein einziger Satz weh getan.
Ich hab das nicht als Absicht gehabt, dass hier dem Leser weh getan wird mit einem Satz. Ich hab bei der Geschichte gehofft – wie ich tatsächlich bei einigen Geschichten die Hoffnung hatte und habe -, dass man die liest und dass sie dann im Leser arbeitet in irgendeiner Form. Das find ich völlig okay. Ich finde man muss auch schauen, wo einen die Geschichte hinträgt, das ist doch viel aufregender, ich lauf nicht rum und denke mir: Ich such jetzt mal Stoff für was wie Focks.

Also ich geb zu: Die Geschichte ist wesentlich schmuckloser und simpler als die beiden letzten. Ich find das nicht so schlimm. Ich find's auch okay und natürlich, dass man eine Erwartungshaltung an einen Autor hat, aber ich werd die komplett enttäuschen.

Danke dir für deine Kritik
Quinn

 
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Servus Quinn,

der Plot an sich ist ja nicht gerade rasend außergewöhnlich. Ein Rentner gönnt sich die Verwirklichung seines bisher offenbar nicht ausgelebten Lebenstraumes und stößt damit auf weitgehendes Unverständnis in seiner Familie, weil er sich in diesem Traum offenbar zu verlieren scheint. Ob der Traum nun ein Flugsimulator „megaecht-deluxe“, eine Koizucht, oder eine Modelleisenbahn ist, spielt eigentlich keine Rolle. Er nimmt sich einfach das Recht heraus, ein Eigenbrötler zu werden auf seine alten Tage, oder halt ein verspäteter Selbstverwirklicher.
Das ihm das ausgerechnet durch das Hineinfallen in eine rein virtuelle Welt gelingt, entbehrt natürlich nicht einer ziemlichen Tragik. Weil in Wahrheit ja nichts geschieht dabei. Garnichts. Einen verdammten Karpfen z.B. könnte er zumindest füttern und streicheln oder mit ihm reden oder ihm meinetwegen beim echten Sterben zusehen. Oder ihn zum Tierarzt bringen. Aber so tun, als wäre man Flugkapitän? Computergenerierte Wolken anstarren? Imaginäre Passagiere zur Ruhe ermahnen? Eine nicht wirkliche Notlandung vorbereiten? Das ist doch ein trauriger Witz in Wahrheit. Das ist ja mindestens so nutz- und hirnlos, wie stundenlanges Fernsehen, das ist ja nur scheinbares, imaginiertes Teilnehmen an der Welt.
Dass Frau und Tochter das nicht einfach hinnehmen wollen, ist nur allzu verständlich. Sein Verhalten hat ja was schwer Regressives eigentlich. Oder ist es ein Phänomen, an das man sich schön langsam gewöhnen wird müssen? Also dass nicht mehr nur halbwüchsige Nerds in der Virtual Reality ihres Verstandes verlustig gehen, sondern mehr und mehr auch Erwachsene? Irgendwie sehr bizarr diese Vorstellung und für mich einfach nur haarsträubend. Also ich weiß echt nicht, ob ich dem Alten sein Hobby einfach nur gönnen soll, oder doch verständnislos darüber den Kopf schütteln.
Na ja, wie gesagt, nicht unbedingt eine nervenzerfetzende Story, aber als nachdenklich machende Alltagsgeschichte taugt die allemal. Und ist ja auch sehr charmant geschrieben, mit ein paar wirklich tollen, eingängigen Sätzen. Ja, der Text hat Flow, ich glaub, so kann man das sagen. Und dann die Figurencharakterisierung mit nicht viel mehr als ein paar Sätzen. Und einem Joghurt. Also das kannst du wirklich.
Was mich eigentlich auch nicht weiter wundert, wenn ich mir so deine Kommentare ansehe. Von denen kenne ich ja weit mehr, als von deinen Geschichten, muss ich gestehen. Wie du da bisweilen Sätze sezierst, Wortwahl und Wortstellung hinterfragst, mit winzigen Veränderungen gewaltige Effekte auf Rhythmus und Melodie erzielst, zeugt einfach von einem immens tiefen Sprachverständnis. Und es wäre ja sehr eigenartig, wenn das nicht auch in deine eigenen Texte einflösse? einfläße? scheiß drauf, einfließen täte.
Vielleicht sollte ich schön langsam doch einige deiner älteren Geschichten lesen. Und die vielen ungelesenen von Jimmy und Kubus und Rick und Maria und Fliege und JuJu und und …
Schluss mit Offtopic. Sehr, sehr echt, deine Geschichte, Quinn, sehr wirklich, sehr unaufgeregt und trotzdem in meinen Kopf eindringend. Hat mir gefallen.

Noch ein bisschen technischer Kram:

Ich sagte [Komma] immerhin wisse sie ja, wo er sei.

Wisse ich nicht so Recht [recht]

statt wie durch mich [bei] einigen Gelegenheiten vorgeschlagen,


Das andere sind wohl eher so Geschmackssachen, weil ich gerade bei dir, Quinn, automatisch davon ausgehe, dass nicht ein einziges Wort unbedacht an seinem Platz steht.
Bei diesen Stellen jedenfalls hob mein persönliches Sprachempfinden die Augenbraue, bzw. kratzte es sich am Kinn:

kam so recht auf kein Ergebnis.
kam auf kein rechtes Ergebnis

und ich sah das Gesicht der Mutter meiner Freundin,
das finde ich schon arg kompliziert, vor allem auch, weil sich das mehrfach wiederholt. Wenn du hier einen beliebigen Frauennamen (Marlene? Olga?) einsetzt, weiß wohl jeder Leser, wer gemeint ist. Also ich zumindest bin an der Stelle schon so tief im Text, dass mich diese erklärende Umschreibung echt stört.

das Krähen von ein paar Möwen,
das Schreien, Krächzen, Kreischen von Möwen? Alles besser als Krähen.

Walter, so dachte ich mir zumindest, musste nun überlegen, wie er mich in sein Weltbild hinein bekäme.
Walter, so dachte ich mir, musste nun zumindest überlegen, … so klänge es für mich logischer.

dabei sich vielleicht die Zehen pink schminkte,
sich dabei

und dabei zusehen, wie jemand nach New York fliegt
flog


offshore

 
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Hallo offshore,

Ob der Traum nun ein Flugsimulator „megaecht-deluxe“, eine Koizucht, oder eine Modelleisenbahn ist, spielt eigentlich keine Rolle. Er nimmt sich einfach das Recht heraus, ein Eigenbrötler zu werden auf seine alten Tage, oder halt ein verspäteter Selbstverwirklicher.
Ja, ich denke auch. Nur das Spezielle ist außergewöhnlich, das zugrunde liegende Muster ist alltäglich. Aber ich fand es interessant.

Das ihm das ausgerechnet durch das Hineinfallen in eine rein virtuelle Welt gelingt, entbehrt natürlich nicht einer ziemlichen Tragik. Weil in Wahrheit ja nichts geschieht dabei. Garnichts. Einen verdammten Karpfen z.B. könnte er zumindest füttern und streicheln oder mit ihm reden oder ihm meinetwegen beim echten Sterben zusehen. Oder ihn zum Tierarzt bringen.
Ich denke ein Karpfen füllt den Tag nicht so aus. Aber gerade in Deutschland widmen ja viele Leute ihr Leben dann fast vollständig der Vervollkommung ihres eigenen Heims und des Garten vor allem. Das ist ja dann auch ein Hobby, das zum Ersatz-Beruf wird.

Oder ist es ein Phänomen, an das man sich schön langsam gewöhnen wird müssen? Also dass nicht mehr nur halbwüchsige Nerds in der Virtual Reality ihres Verstandes verlustig gehen, sondern mehr und mehr auch Erwachsene?
Es gibt Leute, die stellen sich einen Wecker und stehen nachts auf, um ihren virtuellen Bauernhof zu pflegen. Und das sind gerade Spiele, die sich nicht an Nerds richten.
Es gibt eine Tendenz, eine bestimmte Richtung, dass Arbeit wie Hobby und Hobby wie Arbeit wird.
Wobei das nicht in diese Richtung „Virtuelle Realität“ geht, wie man sich das mal vorgestellt hat mit Tron und ganz toll, sondern das funktioniert nach bestimmten Schemata in Richtung „was wegarbeiten, Fortschritt erzielen, Regelmäßigkeit, Belohnungssystem“.
Aber das ist in der Geschichte nur ein Nebenplatz.

Es gibt da wirklich spannendes Zeug. Wie man in Zukunft mit Angestellten umgehen muss, die mit Computerspielen und sozialen Netzwerken groß geworden sind. Ständiges Feedback, transparentes Bewertungssystem mit Belohnungsmöglichkeiten, Imagepflege - die Firma muss cool sein, damit sich keiner schämt, das auf Facebook als Arbeitsplatz anzugeben usw.
Das sind Ideen von früher (wer die meisten Produkte verkauft, gewinnt ein Auto, wer die wenigsten verkauft wird entlassen), aber halt cleverer umgesetzt und neu verpackt. Die Arbeitswelt wird sich, bin ich mir sicher, in eine Richtung verschieben, die dann von den Angestellten nicht nur immer mehr fordert, sondern auch mehr auf sie zugeschnitten ist (ab einem bestimmtem Niveau natürlich). Okay, das hat wirklich mit dem Text hier nichts mehr zu tun. :)

Sehr, sehr echt, deine Geschichte, Quinn, sehr wirklich, sehr unaufgeregt und trotzdem in meinen Kopf eindringend. Hat mir gefallen.
Das freut mich echt. Das war so die Richtung, in die ich gehen wollte. Dass man es liest und dann was hat, was bleibt in irgendeiner Form.
Es ist ja immer so eine Frage, ob das, was man selbst relevant findet, dann auch für andere relevant ist. Und ob man das auch rüberkriegt. Schlimmste Reaktion ist – für mich immer: Na und? War's das?
Grad bei so einer Geschichte, die zwar vordergründig skurril ist, aber im Kern ja sehr alltäglich.

Danke dir für die Kritik, die Detailanmerkungen arbeite ich noch ein
Gruß
Quinn

P.S.: Hier ist übrigens die wohl extremste Ausführung so eines Falls, dagegen ist der gute Walter ein blutiger Amateur: http://www.spiegel.de/netzwelt/gadg...737-flugsimulator-in-der-garage-a-889932.html

 
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Ich mach das jetzt mal wie du, Quinn. Ich gehe nach und nach durch den Text und schreibe mit, was ich so darüber denke, während ich lese.

Der erste Absatz gefällt mir ausgezeichnet, schon der erste Satz, dann muss ich schmunzeln, als er sich vom Abendessen abmeldet, um Frankfurt-New York zu fliegen, das find ich klasse, und ich muss sagen, mir ist der Walter da schon verdammt sympathisch, das muss man erst mal hinbekommen mit so wenigen Sätzen.

Er könne ja wohl kaum einen Zwischenstopp machen bei Frankfurt - New York, am Ende noch irgendwo in der Karibik notwassern, um aufs Klo zu gehen. Dem Auto-Piloten vertraue er einfach nicht.
Find ich geil. Man könnte denken, der hat ja nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber ich denke, er will eben einfach auf keinen Fall ins Haus zurück, um aufs Klo zu gehen, er will sicher sein, dass er in seinem Flugzeug bleiben kann und man sieht daran auch, dass ihm diese Fluchtmöglichkeit wichtiger ist als was ordentliches zu essen. Das hat schon eine deutliche Aussage. Gefällt mir, der Mann.

Der zweite Absatz: Ja, ich das genauso wie der Freund von Walters Tochter. Nichts dran auszusetzen. Klar, aus Sicht der frau ist es schon beunruhigend, aber aus psychologischer Sicht das Gegenteil von alarmierend.

Bei diesen Filmen, die wir immer sähen, sei ich unausstehlich, könne gar nicht aufhören, darüber zu quatschen, was die Figuren empfänden. Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, und probierte von dem Joghurt.
Du schreibst über mich, oder? Obwohl ... ich quatsche eher nach den Filmen über die Figuren und meine Frau sagt dann so Sachen wie: "Ich verstehe nicht, warum sie nicht zu ihm zurückgegangen ist" und ich sage, dass könne doch wohl nicht im ernst ihr Wunsch gewesen sein, wie hätte denn dann der Konflikt entstehen sollen und sie: "Du mit deinem Konflikt immer, die hat ihn doch aber geliebt."

aufhören hier an dem Joghurt rumzunuckeln
Ich finde nicht, dass rumnuckeln zu Joghurt passt, da würd ich ein besseres Verb suchen und finden.

Das rief sie mir noch nach, als ich schon die Treppe hinunterging, nur damit sie das letzte Wort haben konnte.
Ja klar, und dann wundern die sich, wenn man nachts in der Garage sitzt. Eine Frage der Zeit, bis der Kerl zum Copiloten bei Garagen-Air wird.
Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde, kam so recht auf kein Ergebnis.
Sag ich doch, Copilot.


Ich öffnete die Tür zur Garage, einen Ort, den ich noch nie betreten hatte
Muss es nicht heißen: ich öffnete die Tür zur Garage, einem Ort. Klär mich auf! Er öffnet doch die Tür zu einem Ort ...

Walter, so dachte ich mir zumindest, musste nun überlegen, wie er mich in sein Weltbild hinein bekäme. Musste er sein Spiel nun unterbrechen – nein, das war das falsche Wort. Ein Spiel war es sicher nicht, das hatte ich schon lange verstanden, das hatte ich schon immer gewusst. Aber wie würde er mich behandeln? Immerhin hatte er deutlich gemacht, dass ihn niemand hier besuchen durfte. Seine Frau, so hatte sie mir erzählt, habe es am Anfang wiederholt versucht, aber er habe sie überhaupt nicht wahrgenommen, was sie dann so verärgert hatte, dass sie ihn mehrmals später darauf angesprochen, aber nur ausweichenden Antworten erhalten habe.
Den Abschnitt finde ich überflüssig, der ist zu erklärend und zusammenfassend und ... also ich brauch den nicht. Zumindest würde ich den kürzen.


Ach Quinn, ich glaube nicht, dass New-York zufällig das Ziel hier ist. ich denke, Walter war noch niemals in New-York und wahrscheinlich wird er auch bald Hawaii anfliegen, oder? Jedenfalls find ich das Lied von Udo Jürgens schon immer sehr stark und auch auf die Gefahr hin, irgendwie ins Klo zu greifen, mich erinnert die Stimmung des Textes an die Stimmung des Textes von Udo Jürgens. und ich mag beide.

Dazu muss ich aber erst mal so tun, als hätte ich dich lange angeschaut und es verstanden, sagte ich.
Copilot, sag ich doch. Ich find den Text echt schön, ich mag die zwei Männer, ich kann sie auch voll verstehen. Ich sehe das glaube ich gar nicht so als Ersatz für den Beruf, was ich am Anfang noch dachte, ich sehe das eher als sehnsuchtsvolle, auch schon sehr traurige Sache, die aber gleichzeitig etwas ganz Schönes hat, wie bei Kindern, die, wenn sie spielen, wirklich in diesem Moment in ihrer Rolle sind und sie eben nicht nur spielen.

„Ja“, sagte er.
„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.
Okay, hier kommt es dann doch wieder, was ich am Anfang gedacht habe. Aber gut: Gefühle sind ja Gemische, man ist nie nur sauer, nur fröhlich, nur traurig, es sind alles Gemische und ich fühle bei dem Text hier eben mehr die Sehnsucht nach einem anderen Leben, weil das eigene eben schon gelebt ist und weniger die Leere die aufgekommen ist, als das Arbeitsleben endete. Aber wie gesagt, reine Gefühle gibt's ja nicht. Für mich wäre der Text aber vielleicht noch bisschen schöner ohne die Stelle mit dem Wort Arbeit, bisschen offener noch. So ist er aber auch sehr schön. Hat mir sehr gefallen, ja.


Lollek

 

Ich nochmal.

Also wenn man immer nur an der letzten Geschichte gemessen wird, das wär ja furchtbar– das würde ja auch zu feigen Autoren führen, die dann in Serie produzieren.
Komisch. Das kommt mir fremd vor. Ich weiß nicht genau, ob es jetzt an meinem Entwicklungsstadium liegt oder ob es was Grundsätzliches ist, aber ich habe schon den Anspruch immer was Besseres zu machen oder zumindest etwas von der gleichen Stärke. Und das heißt ja nicht, dass man sich nicht etwas traut.
lg, randundband

 
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Hallo Quinn,

der Titel ist skurril (und erinnert mich ein wenig an den Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam) und auch die KG ist skurril. Im Grunde geschieht nicht viel, aber das auf einem hohen Niveau und weitgehend mit sprachlicher Raffinesse.

Die indirekte Sprache hat auch viel mit der Grundhaltung deines Erzählers zu tun, der ist nämlich keiner, der auch nur irgendwas in seinem Leben direkt angehen würde. Der ist nur ein Beobachter, der um die Dinge herumschleicht und sich (indirekte) Gedanken macht.

Die Hauptrolle in dieser Story könnte ausnahmsweise auch mal keiner Person gehören, sondern mehr der Figurenkonstellation und der Erkenntnis, dass wir alle auf der Suche nach einem Lebenssinn sind. Manche finden ihn sogar. Und manche beäugen dieses Finden aus misstrauischer Distanz und können damit so gar nichts anfangen, weil dieser Sinn des Lebens außerhalb ihres Lebensraums und ihrer Vorstellungskraft liegt.

Gartenarbeit oder eine Reihe anderer bodenständiger Hobbys, die zum Ruhestand passen, das sind so Sachen, mit denen Frauen bei Männern gut leben könnten. Dass sich aber Walter in eine virtuelle Welt in der Garage zurückzieht und den größten Teil vom Rest seines Lebens am Flugsimulator zu verbringen gedenkt, verstört seine Frau und seiner Tochter deutlich mehr, als wenn er sich beispielsweise jeden Abend vor einem Sportkanal die Hucke vollsaufen würde.

Ja, dieser Stoff bietet viel Freiraum zum Nachdenken. Der Text hebt selber sanft ab und nimmt den Leser mit in eine interessante Gedanken- und Figurenwelt, und man kriegt eine Perspektive geboten, die gleichsam Ferne besitzt (durch den Stil) aber auch Nähe (durch feine Beobachtungen).

Es gibt starke Stellen, z. B. die gesamten Beschreibungen zwischen dem Prot und Walter, das erreicht viel Tiefe mit wenig Worten, das ist sehr klug konzipiert und arrangiert.

Zweimal stutzte ich allerdings:

Zitat: Das ganze wirkte von außen wie in den Spielhallen, wenn Jugendliche ein Rennspiel spielen, nur sind bei diesen Automaten die Bildschirme nur eine Armeslänge vom Gesicht des Spielers entfernt, bei Walter waren es mehrere Körperlängen. Über ein Dolby Surround Soundsystem flüsterte aus allen Ecken der Garage ein weißes Rauschen, ich versuchte ein Muster zu erkennen, vielleicht das Krähen von ein paar Möwen, aber es waren nur die Triebwerke zu hören.

Ich finde hier ballen sich umständliche Beschreibungen. Im Vergleich zur sonstigen Präzision deiner Sprache wirkt das unschlüssig und störend in den Formulierungen. "Das Krähen von ein paar Möwen" z. B. Krähende Möwen? Also Möwen krähen nicht. In unserem Hinterhof lebt eine Krähenkolonie, da denke ich nie an Möwen, obwohl mir als Hamburger die Möwen fast täglich um den Kopf segeln. Das ist ein unstimmiges Bild.

Und das zweite Mal:

dabei sich vielleicht die Zehen pink schminkte,

Vielleicht liege ich falsch, aber ich glaube, dass man sich Zehen nicht schminken sondern höchstens lackieren kann. Schminken findet meiner Erfahrung nach eher in Gesichtsregionen statt. Aber das könnte vielleicht mal eine Leserin richtig stellen.

Und ein Fehler fiel mir auf: Ich sagte. immerhin wisse sie ja, wo er sei.

Da müsste ein Komma hin, kein Punkt.

Und worüber ich mir noch Gedanken machte: Warum du deinem Prot bei der wörtlichen Rede keine Anführungszeichen gönnst.

Nun, mich hat die Geschichte zum Nachdenken angeregt. Auch darüber, dass es schlechtere Entscheidung für das Alter geben könnte, als sich einen Flugsimulator zuzulegen. Die Flucht in eine virtuelle Welt kann bei möglicher abnehmender Mobilität im Alter eine ganz interessante Perspektive sein ;-)

Ja, interessante Story, ehrlich!

Rick

 
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Hallo Quinn,

diese Ereignislosigkeit macht mich fertig. Keine Namen, keine Gesichter, bloß der Mann, der die Garage in einen Flugsimulator verwandelt, dabei ist es kein richtiger Flugsimulator, es ist zwar aufwendig alles, aber mir kommt das vor, wie ein Gefängnis. In das er sich selbst begibt und einsperrt und andere aussperrt, er fliegt und wenn jemand plötzlich in der Garage steht, durchbricht das sein Weltbild und ich weiß nicht, mit welchem Stoff er das Loch flickt, er fliegt, aber es passiert nichts und trotzdem wackelt das Flugzeug, obwohl es am Boden steht, obwohl er sich von nichts und niemanden davon abbringen lässt. Es ist eine beeindruckende Ambivalenz in dem Text und ich habe keine Ahnung, ob der jetzt verrückt ist. Die Sorge der Ehefrau und der Freundin kann ich nachvollziehen, dass ist vielleicht nicht selbstverständlich, aber doch nichts unnatürliches. Umso mehr vermisse ich Taten. Warum unternehmen sie nichts gegen sein Projekt, wenn es ihnen so sehr Sorgen bereitet, wenn es sie stört. Die Ehefrau bestört ihn in der Fluggarage, aber sie fragt nie "Darf ich mitfliegen? Warum darf ich eigentlich nie mitfliegen? Warum fliegen wir nicht nach New York, Schatz? Kennst du das überhaupt? Findest du es nicht doof, immer im Flugzeug zu sitzen? Du bist die Strecke zwischen zwei Punkten, die du nie erreichst? Merkst du das nicht, Schatz? Du fliegst uns weg, weißt du das?" Also, sie hätte da auch viel mit Worten machen können, stattdessen reden die Mädels um den kalten Jogurt herum und schicken den Ich-Erzähler in die Garage. Das Gespräch gestaltet sich dann gar nicht so unfreundlich, wie das nonverbale "Verpiss dich" vermuten ließ. Der Vater findet es okay, dass sich Sorgen um ihn gemacht werden, aber im Grunde sind im die Sorgen und die Sorgenden egal, alles dreht sich um die Passagiere, und dem Ich-Erzähler sind die egal und der Pilot und die ganze Garage. Sehr interessant fand ich, dass es hier ja zwei Beziehungen gibt, das aber gar nicht thematisiert wird, dass es ja nur um das Fliegen geht, das scheint das einzige, große Problem zu sein, die kleinen werden wie Vögel in den Turbinen zerschraubt, die unsichtbar durch den Alltag rauschen.

Sprachlich kam mir das wie aus dem Handgelenk geschüttelt vor, es gibt einige (sehr kleine) Unstimmigkeiten, die aber meine Vorredner schon entdeckt und beprangert haben, ansonsten sehr routiniert und exakt, auch lustig an mancher Stelle, aber ich kann mich nicht gegen den ironischen Beiklang wehren, der irgendwo zwischen dem doch neutralen Erzählton steckt. Jedenfalls vergnüglich zu lesen.

So bleibt deine Geschichte ein Fragezeichen, geschickt geschwungen, aber ich verlasse diese Erzählung mit einer leisen Sehnsucht nach Antworten, oder hätte mir zumindest gewünscht, dass die Figuren in der Geschichte danach suchen. Gefunden hätten sie vermutlich nichts. Aber beim Suchen hätte ich gerne noch zugeguckt. Ich denke, du weißt, was ich meine.

Beste Grüße
markus.

 
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Hey Quinn,

Das Thema finde ich sehr spannend: Männer im Ruhestand, Männer im Ruhestand mit Hobbies. Das wird schnell skurril. Immer noch unerreicht natürlich bei Loriot. Wahlweise aber auch auf DMax oder im wahren Leben. Wenn ich mir die Väter in meinem Umfeld so angucke, da ist der Typ in der Geschichte fast noch harmlos. Man hätte da auch sehr weit ausholen und wahnwitzig absurd werden können (und wahrscheinlich käme das an die Väter aus meinem Umfeld immer noch nicht ran). Aber Du hast Dich wohl bewusst dagegen entschieden, die Geschichte etwas schriller und auch lustiger werden zu lassen. Das gibt natürlich Raum, ein bisschen mehr auf die interpersonalen Auswirkungen zu achten. So ein Extrem-Hobby ist natürlich immer etwas asozial. Und als Umfeld fällt es schwer, das nicht persönlich zu nehmen, wenn sich da einer so vereinzelt, nicht notwendig vereinzelt wie durch Erwerbsarbeit, sondern freiwillig das Weite sucht. Ich glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass das Problem gelöst wäre, wenn die anderen es "nur verstehen" könnten. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass ein Hobbyist, der auch noch am Abendbrottisch leidenschaftlich über sein Hobby schwärmt und versucht, es anderen nahe zu bringen, nicht unbedingt leichter erträglich und weniger egozentrisch ist. Das ist echt ne schwierige Frage, wie viel Eigenbrötlertum eine Familie ertragen kann.

Den stärksten Moment hat die Geschichte für mich in der Garage. Als der Erzähler versucht, den Schwiegervater zu verstehen, und als klar wird, dass der Schwiegervater seine Leidenschaft nicht teilen kann, sondern allein sein muss. Und dann das hier:

Wisse ich nicht so Recht, sagte ich, käme mir alles ein wenig eintönig vor, so ganz ohne Luftkampf oder Möwen oder Brände oder so richtiger Aussicht.
„Ja“, sagte er.
„Wie Arbeit“, sagte ich.
„Ja“, sagte er.
Das fand ich richtig spannend. Das es nicht darum geht, sich so kindlich spielend in eine Abenteuerwelt zu begeben, sondern in eine verantwortungsbewusste Pflichtrolle, wo man genau weiß, was man zu tun hat. Es gibt doch irgendwie so ne philosophische Lesart von Sisyphos als glücklichem Menschen von Camus. Ich habe die Begründung vergessen, warum der glücklich ist, aber ich mein, dass hing mit Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns zusammen, vielleicht auch einfach damit, dass man eine Aufgabe im Leben hat. Bin nicht so der Philosophie-Experte, aber das ist ein interessanter Punkt in der Geschichte, über den man gut mal ein bisschen nachdenken kann.

Zum Stil. Der ist mit der indirekten Rede natürlich etwas experimentell. Aber ich mag indirekte Rede sehr gerne, weil es schöne Konjunktive macht. Irgendein Vorkommentator hat geschrieben, das ergebe so einen oralen touch, find ich gar nicht, im Gegenteil. Wann benutzt man schon indirekte Rede mit richtigen Konjunktiven im Alltag? Das rückt das ganze schon eher in ne sehr literarisierte Ecke. So hundertprozentig geglückt finde ich das Experiment trotzdem nicht, weil ich mir da mehr Berührungspunkte zwischen Form und Inhalt gewünscht hätte. Wenn es zum Beispiel tatsächlich um Gerüchte gegangen wäre, die ihr Eigenleben entwickeln. So geht es zwar schon partiell um Hörensagen und irgendwie auch um Distanz und Kommunikationsprobleme, aber das ist mir als Bezug noch nicht spezifisch genug. Und wenn Du dann selbst bei direkter Rede manchmal die Anführungszeichen weglässt, um so einen Übergangsbereich zwischen beiden Formen zu erzeugen, empfinde ich das als etwas gimmicky.
Die Umsetzung ist manchmal auch ein bisschen schwierig:

Er rühre das Brot nicht mehr an, auch die geliebten Senfgurken gefielen ihm nicht länger, er schiebe nur lustlos ein paar Cocktail-Tomaten auf dem Teller hin und her.
Das impliziert ja, die Mutter hätte das so gesagt: "auch die geliebten Senfgurken gefallen ihm nicht mehr, er schiebt nur lustlos ein paar Cocktailtomaten auf dem Teller hin- und her." Aber so redet man doch nicht zu seinem Schwiegersohn und selbst wenn man annimmt, der Schwiegersohn habe da als Erzähler seine eigene Stimme hineingemischt, erscheint mir das zu bunt. Also ich finde, man muss sich da schon entscheiden. Indirekte Rede ist nunmal nicht das Stilmittel für einprägsame Bilder und ich würd ihr das dann auch nicht so unterschieben.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Erzähler, bzw. den Beginn.

Als ich auf die Dreißig zuging, baute sich der Vater meiner Freundin die Garage zum Flugsimulator um.
Das wird hier so prominent gemacht, dass ich da eine Engführung, eine Art Spiegelung zwischen Schwiegervater und Erzähler erwarte. Auch Dreißig werden ist ja ne Marke, da muss man sich langsam mit dem Erwachsensein abfinden und das ließe sich natürlich gut mit dem anderen Einschnitt des Eintritts ins Renten- und Altenalters vergleichen. Eigentlich würde ich mir da wünschen, dass der Erzähler durch seine Auseinandersetzung mit dem Alten und seiner Frau auch irgendwas über sich selbst und seine Freundin erkennt, oder das zumindest der Leser das täte. Das wäre doch das ideale Setup, die beiden Beziehungen zu spiegeln. Also du machst da dieses Manipulationsthema auf und dass sie eventuell wie ihre Mutter werden könnte, also schon Spiegelung. Und irgendwie kann man sich schon vorstellen, dass die Kindergeneration da auch mal so nebeneinander herleben wird, wenn er sich jetzt schon so ein bisschen pantoffelheldig und manipuliert fühlt, wo sie sich mehr Aufmerksamkeit wünscht. Es scheint ja auch so um die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenkommunikation zu gehen, und wie das eventuell nicht so gut zusammenpasst. Aber irgendwie wird mir das hintenrum nicht zugemacht, diese Parallele. Das bleibt mir zu diffus. Mir fehlt da auch einfach noch ne Szene mit der Freundin, mit ner Erknenntnis, einer Pointe, irgendwas...
Also das in der Anlage ist das alles sehr spannend. Ich denk auch grad darüber nach, was das über die Generationen sagt, wenn ein Dreißigjähriger so nen Action-Superhelden-Fluggenerator erwartet und der Sechzigjährige "spielt" aber nur Arbeit. Das wird unserer Generation ja oft vorgeworfen, dieses nie erwachsen werden wollen und die Elterngeneration, die kann irgendwie gar nicht anders, als Verantwortung zu übernehmen und erwachsen zu sein und wenn man denen das wegnimmt, ist düster. Also auch das find ich sehr spannend, aber wenn man mehr vom Erzähler wüsste, ob der zum Beispiel Actionfiguren sammelt und immer noch studiert, könnte man mehr aus der Spiegelung rausholen. Also ich find das alles schon ziemlich gut, würd das aber breiter anlegen.

Kleinvieh:

Als ich auf die Dreißig zuging, baute sich der Vater meiner Freundin die Garage zum Flugsimulator um.
Ich überleg grad, was Du anderen zu diesem ersten Satz schreiben würdest. Eventuell, dass man sich so auf die dreieckige Figurenkostellation konzentrieren muss (Ich - meine Freundin - der Vater meiner Freundin (Schwiegervater würds ja einfacher machen)), dass man dem Flugsimulator Aufmerksamkeit stiehlt? Ist natürlich sehr pedantisch, aber so ging es mir hier etwas. Kann man machen, führt ja auch dieses Außenseiterthema ein, aber nicht unbedingt im ersten Satz. Das raubt Prägnanz.

Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, und probierte von dem Joghurt.
"Empfindling" ist ein super Wort. Und die Antwort ist auch super, weil er ihre These damit ja eigentlich unterschreibt.

Joghurt nuckeln und Zehen schminken - das hat für mich nen richtigtig fiesen Klang. Also ich find das irgendwie ekelig, weiß auch nicht, warum. Und wie sie da schnippisch mit dem Joghurt und dann auch noch schnippt, na ja, das verbuch ich so unter schreiberischem Übermut, dass ist so was Launisches, ach, nicht so meins. Ich hab's auch einfach nicht richtig verstand, warum sie auf den Joghurt schnippt. Da war ich raus aus der Geschichte.

Schön, mal wieder was von Dir zu lesen. Du pickst Dir schon immer ziemlich gute Themen raus und bringst einen ans Denken.

lg,
fiz

 
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Lieber Quinn, bist der erste, den ich nach meiner Auszeit mit einem Kommentar "beglücke".
Naja, ob das dieses Mal so eine Beglückung wird? Immerhin starte ich mit ein paar Meckereien. Aber keine Sorge, ich finde die Geschichte (wie deine G. bisher immer) ausgezeichnet und ich messe dich nicht an einer deiner anderen Geschichten, nee, da steht jede ganz für sich.

Ach, Randundband noch eine Anmerkung zu deinem Hinweis.

Zitat von Quinn:
Also wenn man immer nur an der letzten Geschichte gemessen wird, das wär ja furchtbar– das würde ja auch zu feigen Autoren führen, die dann in Serie produzieren.
Zitat von Randundband:
Komisch. Das kommt mir fremd vor. Ich weiß nicht genau, ob es jetzt an meinem Entwicklungsstadium liegt oder ob es was Grundsätzliches ist, aber ich habe schon den Anspruch immer was Besseres zu machen oder zumindest etwas von der gleichen Stärke. Und das heißt ja nicht, dass man sich nicht etwas traut.
lg, randundband
Nein, das liegt nicht an deinem Entwicklungsstand, sondern das will hier natürlich jede und jeder: was Besseres machen.
Aber ob die nächste Geschichte dann besser wird, das liegt nicht immer in der Kontrolle des Autors, auch wenn er sich die größte Mühe gibt. Und die andere Seite ist die, ich kenne das aus eigener Erfahrung, nichts schmerzt mehr, als mit einer uralten Geschichte verglichen zu werden, an die man nicht mehr rankommt. Auch wenn man sich was getraut oder was ganz anderes gemacht hat. Das ist trotzdem so, als ob man in seiner persönlichen Entwicklung still stehen würde. Ich hab das selbst erfahren und ganz schön schlucken müssen und mich selbst wieder zum Schreiben hinargumentiert. Ich denke, dass ich persönlich da jetzt gefeit bin und meinen Weg gefunden habe. Aber es ist ganz objektiv ein Problem, mit dem viele (in unterschiedlichen Varianten) beim Schreiben zu tun kriegen.
Vielleicht hast du nicht mit solchen Befindlichkeiten zu kämpfen, sei froh drüber, das wär klasse. Aber das ist (denke ich) der Grund, weshalb Quinn darauf insistiert hat, dass man sich selbst nicht an alten Geschichten messen solle, sondern sich ruhig was trauen solle. Gerade hier im Forum. Und da gehe ich mit ihm 100 % d'accord.

Aber zurück zur Geschichte.
Der Titel ist mal wieder erste Sahne. Erinnert mich auch, jemand schrieb das schon, an diesen englischen Film (Der Engländer, der ....). Ich wollte, mir fiele mal so ein geiler Titel ein.
Die ganze Idee ist toll, sie hat den immensen Vorteil, dass man eine ganz normale Alltagsthematik, Beziehungskonstellation, Hobby- und Sinnsuche nach dem Arbeitsleben, aber auch nichterfüllte Träume in überspitzter Form erzählen kann. Dabei kommen einfach ganz köstliche und skurrile Verknüpfungen zustande, die amüsant und eigentümlich zu lesen sind. Sowas zum Beispiel:

und nun verabschiede er sich regelmäßig vom abendlichen Esstisch mit dem Hinweis, er fliege die nächsten acht Stunden Frankfurt – New York, und sie solle nicht auf ihn warten.
Die Geschichte strotzt von solchen Stellen. Ach, es sind ja nicht nur einzelne Stellen, es ist die Zusammenstellung überhaupt, die der G. eine sehr amüsante, hintergründige und eigenwillig ironische Färbung gibt. Das hast du sehr trickreich und subtil gemacht. Die indirekte Rede unterstreicht das, sogar der drollige Kunstgriff, die Rede des Erzählers nicht in Anführungszeichen zu setzen, verstehe ich so.
Aber ob das für jedermann so angenehm zu lesen ist? Also es wirkt schon sehr kunstfertig.
Und die vielen indirekten Reden mit den habe ... habe Abfolgen find ich nicht immer gelungen. Gab eine Stelle, wo mir das besonders auffiel:
Sie habe ihn dann darauf angesprochen, und er habe geantwortet, das sei wegen der Verdauung.
Das mit der Verdauung ist klasse, aber das habe angesprochen ... habe geantwortet. Geht da nix anderes?
Nicht, dass du das falsch verstehst, du brauchst das Indirekte. Auf jeden Fall. Aber manche habe habe habe Sachen, auf die könnt man verzichten.

Aber erst kommt mal eine Abteilung Mecker, denn ich finde, du bist ein wenig nachlässig gewesen, was so rein technischen Kram betrifft. Und nee, das soll nicht sein.

Sicher seien mir Dinge nicht fremd wie ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen.
Das fand ich umständlich, Dinge sind mir nicht fremd wie ein Mann, hmm, ich wundere mich, dass das noch niemand moniert hat, das beißt sich sprachlich. Einmal wegen der Singular/Plural-Geschichte, dann ist ein Mann kein Ding, dann schrei der Satz eigentlich nach einer Fortsetzung der Verneinung und zu guterletzt ist die Satzverbindung eigenartig, wenn überhaupt, dann müsste der Mann nach Dinge kommen. Aber das geht überhaupt nicht, weil man am Ende des Satzes vergessen hätte, dass ihm nichts fremd ist.
Also ich hätte das auseinandergetüftelt. Zum Beispiel so:
Sicher seien mir Dinge nicht fremd. Selbst nicht ein Mann in den späten 60ern, der sein Geld dafür ausgibt, in der Garage nach New York zu fliegen.

Ja, hat vielleicht wieder andere Nachteile. Aber den Ursprungs-Satz find ich echt nicht gut, der hat keinen Fluss.

Sie stand etwas schnippisch auf, und ging noch schnippischer an den Kühlschrank, holte schnippisch einen Joghurt hervor und stellte den schnippisch auf den Tisch.
Wieso machst du so oft vor und und oder ein Komma? Ist doch hier kein Kunstgriff oder? Das Komma macht man nur, wenn ein vollständiger Satz folgt. Oder du schmeißt das undraus.
Ansonsten ist die Stelle total goldig. Mir gefällt die Spielerei mit dem Schnippischen. Die vielen Wiederholungen und (das hab ich zwar nicht mehr zitiert, aber es ist wunderhübsch) dann die Übernahme ins Verb: schnippte sie in meine ungefähre Richtung und sagte: „Joghurt.“
Köstlich.

Ich solle dann noch was vom Chinesen mitbringen, sagte sie, und klang wie eine selbstzufriedene Frau, die genau weiß, wie sie ihren Freund zu allem kriegt.
Hier auch das mit der Kommasache.

Sie seufzte dann erschöpft und schloss die Tür hinter sich und ich dachte bei mir so: Wenn Mädchen wie ihre Mutter werden, hätte ich es schlechter treffen können.
Da hätteste es setzen können vor dem und ich dachte ... haste aber nicht. Muss man nicht, aber hätteste. Versteh einer die Männer.
Und wenn du mich jetzt kleinkrämerisch findest, dann geh ich freiwillig ins Korrekturcenter, Tserk unterstützen, aber du gehst mit!! :D

Während der Fahrt fiel mir aber ein, dass ich einmal gehört hatte, dass sich Mädchen ihren Freund auch so suchen, dass er sie an ihren Vater erinnert, und ich dachte lange darüber nach, ob mir das gefallen würde, kam so recht auf kein Ergebnis.
Hier fand ich den letzten Halbsatz überflüsssig. Fand die Idee stärker ohne diesen. Weil - wenn du ihn nicht schreibst, bleibt das ein bisschen mehr in der Schwebe. Dein Erzähler ist ja so ein wenig ein Typ wie der Vater, der unentschlossen wirkt, der von der Weibermafia so ein wenig manipuliert werden muss. Dass der am Ende einfach nur festhält, dass er zu keinem Ergebnis kommt, find ich fast schad. Lieber wärs mir, der geht die ganze Zeit mit dieser Frage schwanger. Er kommt ja acuh so wunderbar langsam drauf, dass er in diesem Vater-MutterSchwiegrsohn-Tochter-Vergleich vielleicht nicht am besten abschneidet.
Übrigens auch so eine Stelle, über die ich sehr sehr schmunzeln musste. Da sind so viele libevolle kleine Details und Beobachtungen drin. Sehr sehr nett.

Als ich am Haus angelangt war, brannte noch Licht in der Küche und ich sah das Gesicht der Mutter meiner Freundin, gedankenverloren strich sie über einen Teller und lächelte mir zu.
Siehe oben, du Kommavermeider, da hätte gut eins getaugt nach Küche. Aber klar, muss man nicht.


Ich öffnete die Tür zur Garage, einen Ort, den ich noch nie betreten hatte, und schon blickte ich auf den Himmel über dem atlantischen Ozean.
Lollek hats schon gesagt: entweder Dativ für Ort, also einem Ort, den ich ...
Oder du spaltest das ab, gehst zurück in den Nominativ, weil du die Garage näher erklären willst, und schreibst ein Ort.

Über ein Dolby Surround Soundsystem flüsterte aus allen Ecken der Garage ein weißes Rauschen, ich versuchte ein Muster zu erkennen, vielleicht das Krähen von ein paar Möwen, aber es waren nur die Triebwerke zu hören.
nee, Krähen geht für mich hier auch nicht. Krächzen oder so wäre für mich bei Möwen richtig. Es sei denn, du schreibst über die berühmte Mainmöwe, die machen noch ganz andere Sachen außer Hähne kopieren. Aber ich bin sicher, deine Geschichte spielt nicht in Frankfurt.

Vielleicht, dachte ich, stottert mal eins, oder irgendwas, aber es war nichts zu hören.
Hier schon wieder Komma vor oder.

Walter, so dachte ich mir zumindest, musste nun überlegen, wie er mich in sein Weltbild hinein bekäme.
hineinbekäme.

Musste er sein Spiel nun unterbrechen – nein, das war das falsche Wort. Ein Spiel war es sicher nicht, das hatte ich schon lange verstanden, das hatte ich schon immer gewusst. Aber wie würde er mich behandeln? Immerhin hatte er deutlich gemacht, dass ihn niemand hier besuchen durfte. Seine Frau, so hatte sie mir erzählt, habe es am Anfang wiederholt versucht, aber er habe sie überhaupt nicht wahrgenommen, was sie dann so verärgert hatte, dass sie ihn mehrmals später darauf angesprochen, aber nur ausweichenden Antworten erhalten habe.
Ich weiß schon, was du mit diesem Absatz erreichen willst, aber ich empfand ihn dennoch als zu langatmig. War die einzge Stelle, wo meine Aufmerksamkeit so ein bisschen weggerutscht ist.

Ob sie es sich vielleicht mit einer Tüte Chips im gemeinsamen King-Size-Bett bequem gemacht habe und dort nun alles voll krümelte,
vollkrümelte

Er musste das selbe System benutzen, um wichtige Durchsagen an die Passagiere zu tätigen.
dasselbe System

So - Meckerende.

Anbei noch das mit dem Schminken der Fußnägel.
Ich hab sie mir grad geschm.. äh lackiert, also darf ich was dazu sagen. Qua Geschlecht Expertentum, so mag ich das.
Eigentlich sagt man Fußnägel lackieren, Gesicht schminken.
Aber: Die Stelle fungiert für mich hier unter dichterischer Freiheit. Ich find das grade gut, dass du das den Prot so erzählen lässt:

Ob sie es sich vielleicht mit einer Tüte Chips im gemeinsamen King-Size-Bett bequem gemacht habe und dort nun alles voll krümelte, dabei sich vielleicht die Zehen pink schminkte, es sich ganz mollig machte, ihre Haut ganz weich, und sich beim Gedanken daran totlachte, dass ich hier in einer öligen Garage säße auf einer aussichtslosen Mission.
Das ist eine ganz wunderbare Stelle. Der Prot wie ein echter Mann halt auf aussichtsloser Mission, die Welt der Frauen ist ein bisschen was Unbekanntes, auch wenn man Tisch und Bett teilt, aber er verdächtigt sie grundlegend, sich über ihn lustig zu machen. Er ist den "Waffen der Frau" (dem Manipulativen, was man halt Frauen so nachsagt) so ein bisschen ausgeliefert, er durchblickts und fällt trotzdem drauf rein. Und das Fremde, Ausgelieferte, was das Weibliche hier für ihn darstellt, das kommt so hübsch zur Geltung, wenn er nicht die richtigen Worte weiß für das Färben der Fußnägel. Also find ich clever gemacht.

Ich war verblüfft, als ich die Kommentar las, wie unterschiedlich die Gesch. interpretiert wird.
Für mich war es so, dass du zwei Frauen in deiner Geschichte hast, die beide (die Mutter noch weniger als die Tochter) eher manipulierend oder klagend mit ihren Männern umgehen. Sie reden nicht oder diskutieren auf Augenhöhe, sondern beeinflussen. Beide Frauen haben sich etwas verträumte, empfindsame, eher einzelgängerische Männer ausgesucht, die sich in andere Welten (ob das nun Gartenarbeit oder der Flugsimulator ist, finde ich dabei egal) flüchten oder irgendwann flüchten werden (im Falle des Erzählers) und das als hohe Verabtwortung betreiben bis zur Selbstaufgabe.
Ich musste auch sofort, weiß nicht mehr, wem das auch so ging, an das Lied von Udo Jürgens denken: Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii. Ich denke, der Vater erträumt sich nach seinem Job, in dem er vielleicht nicht viel zu sagen hatte, einen Posten, in dem er hohe Veratwortung hat, in die Fremde und über die Wolken reisen kann, alles hängt dabei von ihm ab und dass er Acht gibt auf alles. Das ist so wunderschön geschrieben an der Stelle, wenn er sagt, dass er dem Autopiloten nicht trauen kann.

Ach und je, jetzt muss ich Schluss machen, obwohl ich noch so viele schöne witzige Stellen nennen könnte.
Die zum Beispiel:

Bei diesen Filmen, die wir immer sähen, sei ich unausstehlich, könne gar nicht aufhören, darüber zu quatschen, was die Figuren empfänden. Sei allgemein ein furchtbar anstrengender Besserwisser und Reinquatscher, ein nervender Übererklärer und Empfindling.
Empfindling sei kein Wort, sagte ich, und probierte von dem Joghurt.
Diese Situation kenn ich. Und schön, wie er sich selbst entlarvt mit dem Empfindling.

Eines Tages jedoch kam ich von der Arbeit nach Hause und fand meine Freundin am Esstisch vor, sie hatte ihre Arme unter der Brust zusammengefaltet und als sie mich sah, tat sie bedrückt.
Wie eine Katze. Schöne Idee mit dem zusammengefaltet.

Man kennt das ja, wenn eine Straße aufwacht, wenn die Menschen ihren Schlaf abschütteln und zur Arbeit gehen. Der Nachbar fährt, der andere Nachbar fährt, und im Haus der Eltern meiner Freundin brannte kein Licht.
Auch das ist schön als Ausklang. Ganz ganz schön.

Ach ja, was mir als allererstes bei deiner Geschichte einfiel, aber das ist jetzt nicht ganz ernst gemeint. Ich fragte mich, warum die Gattin ihrem Mann nicht einen Auszug mit den Flugdienstzeiten der Piloten vor die Schnüss hält, dann muss er sich dran halten.

Ganz wunderbare kleine Geschichte. Und schön nach so einer Auszeit, mit einer tollen Geschichte begrüßt zu werden.
Viele Grüße von Novak

 

Hallo Lollek,

Der erste Absatz gefällt mir ausgezeichnet, schon der erste Satz, dann muss ich schmunzeln, als er sich vom Abendessen abmeldet, um Frankfurt-New York zu fliegen, das find ich klasse, und ich muss sagen, mir ist der Walter da schon verdammt sympathisch, das muss man erst mal hinbekommen mit so wenigen Sätzen.
Das freut mich, ich find das auch immer wichtig.

Du schreibst über mich, oder? Obwohl ... ich quatsche eher nach den Filmen über die Figuren und meine Frau sagt dann so Sachen wie: "Ich verstehe nicht, warum sie nicht zu ihm zurückgegangen ist" und ich sage, dass könne doch wohl nicht im ernst ihr Wunsch gewesen sein, wie hätte denn dann der Konflikt entstehen sollen und sie: "Du mit deinem Konflikt immer, die hat ihn doch aber geliebt."
Das dient ja nur, um zu zeigen, warum er sich als Schwiegervater-Bequatscher eignet. Mir fällt das übrigens auf, als Autor muss man sich ja für Geschichten und solche Sachen interessieren und Zwischenmenschliches, und oft ist das aber eher so eine „Frauen-Sache“ - und Frauen finden das zum Teil schon seltsam, wenn sich ein Mann da reinhängt. Weil ein Mann ja eigentlich nicht über Innenwelt groß redet – der hier tut es wohl bei den Filmen und das wird ihm hier sozusagen zum Verhängnis.
Das fand ich als Idee komisch.

Ich finde nicht, dass rumnuckeln zu Joghurt passt, da würd ich ein besseres Verb suchen und finden.
Sie würde sagen: so sag ich das nunmal. Sie ist da ein bisschen aufgebracht und nimmt das Wort.
Es war auch das erste, was mir einfiel, ich hab mir die Szene vorgestellt und sie hat „Nuckeln“ gesagt. :)
Mir leuchtet aber ein, dass wenn jeder dann sagt. „Das Nuckeln passt doch gar nicht“; das es dann zu stark vom Text ablenkt und rausführt.
Der Witz ist ja hier, dass sie ihm den Joghurt noch aus Protest gibt (als Ersatz für ein Abendessen) und ihn sofort anflaumt, wenn er anfängt, den zu essen. Ich werd's ändern.

Eine Frage der Zeit, bis der Kerl zum Copiloten bei Garagen-Air wird.
Das war eine Überlegung, klar.

Den Abschnitt finde ich überflüssig, der ist zu erklärend und zusammenfassend und ... also ich brauch den nicht. Zumindest würde ich den kürzen.
Ich geh noch mal in die Garage rein, dieser Abschnitt, und der mit den Möwen sind wohl eindeutig die beiden Schwachstellen im Text.

Okay, hier kommt es dann doch wieder, was ich am Anfang gedacht habe. Aber gut: Gefühle sind ja Gemische, man ist nie nur sauer, nur fröhlich, nur traurig, es sind alles Gemische und ich fühle bei dem Text hier eben mehr die Sehnsucht nach einem anderen Leben, weil das eigene eben schon gelebt ist und weniger die Leere die aufgekommen ist, als das Arbeitsleben endete.
Das Arbeit kommt ja vom Erzähler als Erklärungsvorschlag, der Walter sagt „Ja“, ob er das auch wirklich für sich so sieht, weiß ich nicht. Du sagst: Verschiedene Gründe, ich denke das auch. Es ist zum einen, was jimmy sagt: Definiert sich über Arbeit. Ich denke, es ist das, was du auch sagst oder offshore: So ein träumen. Ich denke, es ist „Zeit für sich“, die Arbeit als Zuflucht vor dem Zuhause. Und ich denke, was noch eine Rolle spielt, aber nicht im Text ist: Es ist auch etwas, wo man als Mann zeigt, dass man das „noch“ kann. Ich hab gestern einen Thread gelesen, da haben Leute erzählt, wie lange ihre längste Tour am Flugsimulator war als Schwanz-Vergleich auch. Da sind 8 Stunden nicht. Da geht es bei 14 los. :)Ich hab das auch überlegt, wenn Walter aufmachen würde, dann würde er wahrscheinlich sagen: Und nächste Woche geht es bis nach Chicago, da ssind dann 10 Stunden! Und 2 Wochen drauf bis nach Los Angeles. Das wären die Richtungen, in die die Geschichte noch hätte gehen können,aber dazu hätte Walter aufmachen müssen – das wär schwer gegangen.

Freut mich, dass dir der Text gefallen hat, ich hab richtig bei der Kritik gemerkt, dass ich dich am Haken hatte, das ist das Schöne bei den „Währenddessen Kommenatre“ da kriegt man das so mit, ich mag das deshalb auch gerne
Quinn

Hallo randundband nochmal.

Ich weiß nicht genau, ob es jetzt an meinem Entwicklungsstadium liegt oder ob es was Grundsätzliches ist, aber ich habe schon den Anspruch immer was Besseres zu machen oder zumindest etwas von der gleichen Stärke.
Da muss halt jeder finden, was für ihn klappt. Ich würde so als Idee für mich definieren, ich will mich dann als Autor weiterentwickeln oder von Jahr zu Jahr besser werden. Aber ich könnte für mich nicht den Anspruch definieren, dass ich mit jeder Geschichte die letzte toppen will, da wär eine ständige Enttäuschung und Frustration vorprogrammiert, weil man sich zu sehr von außen abhängig macht: Was sagen die Leute, wer liest grade die Geschichte, hab ich einen Stoff, der lang genug trägt, hab ich Erwartungshaltungen erfüllt – und dann kommt man in so einen Trott rein (ich kenn das ja), der nicht unbedingt gesund ist und auch nicht ins kreative Nirvana führt.
Ich hab schon so Geschichten gehabt, wo ich dachte: Jetzt wird’s aber der große Wurf – und die sind total zerschellt. Manche haben auch geklappt. Focks z.b. der hat halt einen Nerv getroffen, aber der war nie so als „ich hau alles rein“-Text gedacht, der „Ich hau alles rein“-Text, ist dann nach 8000 Zeichen auf der Festplatte verrottet. Man ist halt wer man ist und man macht, was klappt.

Also wenn ich immer versuchen würde, meine letzte Geschichte zu toppen, dann muss man ja auch sagen: In wessen Augen? Früher hab ich fast nur Horror geschrieben, da toppt man seine Geschichten mit ähnlichen anderen Geschichten. Ich hab dann immer so gemerkt: Da ist dann ein Punkt erreicht und dann macht man halt was ganz anderes, und das ist okay.
Ich hab auch schon so Kritiken gekriegt: Ich hab gelacht, es war spannend und hab mich köstlich amüsiert, aber von dir erwart ich mehr.

Gruß
Quinn

Hallo Rick,

der Titel ist skurril (und erinnert mich ein wenig an den Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam) und auch die KG ist skurril.
Ist von dem Film geklaut. Ich hab rumüberlegt und kam dann auf solche Ideen mit „The Hi-Jacking off“, aber für diese Art der „Flugzeugentführung“ im Sinne von „Entern“, „Kaperung“ gibt es im Deutschen kein passendes Wort (dass da einer richtig eindringt). Die Kaperung der Garage oder so … Hi-Jacking, kriegt man nicht ins Deutsche. Hab dann eiskalt den Titel von dem Hugh Grant geklaut und bin sehr stolz drauf.

Die indirekte Sprache hat auch viel mit der Grundhaltung deines Erzählers zu tun, der ist nämlich keiner, der auch nur irgendwas in seinem Leben direkt angehen würde. Der ist nur ein Beobachter, der um die Dinge herumschleicht und sich (indirekte) Gedanken macht.
Ich hatte auch so das Bild: Nachts, kalt, noch mal raus, kalte Garage, Hände in den Taschen, so was Herbstliches. Die indirekte Rede (ich weiß das ist auch wieder künstlich hier und nicht tadellos) – aber für mich ist das immer so, als würde man in Moll spielen, oder ohne Gitarren und dafür mit Oboen oder so, oder diesen Bratschen oder wie das Zeug heißt. Ein Text kommt dadurch in eine andere Klangebene.

Nun, mich hat die Geschichte zum Nachdenken angeregt. Auch darüber, dass es schlechtere Entscheidung für das Alter geben könnte, als sich einen Flugsimulator zuzulegen. Die Flucht in eine virtuelle Welt kann bei möglicher abnehmender Mobilität im Alter eine ganz interessante Perspektive sein ;-)
Ich hab gestern „The 6th Day“ gesehen, da haben sie virtuelle Freundinnen. Der eine kommt nach Hause, flakkt sich in den Sessel und sie seufzt entzückt: „Ach, wie du dich immer gleich in den Sessel fallen lässt, das ist so erotisch!“ Und er sagt: „Das tu ich nur für dich, Schätzchen“. Und als er dann am Ende erschossen wird und am Boden liegt, ruft sie: „Ach, ist er schon wieder auf dem Boden eingeschlafen? Wie süüüüß!“
Also ich hoffe ja, dass die Technik so weit ist, wenn ich das brauch, und dass ich mich nicht in die Garage hocken muss dafür.

Danke dir für den Kommentar – die Detailssachen mach ich dann in einem Rutsch, da brauch ich immer bisschen Seelenfrieden für, wenn das umfangreicher wird
Quinn

Hallo Glass,

Umso mehr vermisse ich Taten. Warum unternehmen sie nichts gegen sein Projekt, wenn es ihnen so sehr Sorgen bereitet, wenn es sie stört.
Machen sie doch, sie sagen dem Typen, er soll sich drum kümmern. Also ich find das entspricht so dem, was ich beobachte. Der „Schritt“, dann jemanden von außen zu holen, der sich drum kümmert – einen Fremden zu holen, wäre auch ein Eingeständnis, dass was nicht in Ordnung ist.
Man weiß ja nicht, ob die Frau nicht all diese Sachen fragt und mit ihm redet und das versucht. Es ist aber auch nicht jeder Mensch so reflektiert und geht so auf einen anderen zu und konfrontiert ihn.

Du bist die Strecke zwischen zwei Punkten, die du nie erreichst? Merkst du das nicht, Schatz? Du fliegst uns weg, weißt du das?
Oh Mann. :) Ich hab neulich fränkische Regionalkrimis gesehen – da besteht ein Großteil des Reizes daraus, dass die Leute weder das Vokabular noch das Interesse daran haben, derart über ihr Innenleben zu reden.

Aber beim Suchen hätte ich gerne noch zugeguckt. Ich denke, du weißt, was ich meine.
Ja, es gab so vorsichtige Ideen, die Geschichte zu erweitern, aber nicht in diese Richtung, sondern eher ins Surreale hinein. Ich hab mich bewusst dagegen entschieden. Es war wirklich der Versuch, das halbwegs „real“ zu zeigen. Wie ich mir vorstelle, dass so was laufen könnte. Ohne als Autor hier groß in den Ablauf einzugreifen. Fiz kritisiert das ja im Kern auch. Ich kann das auch nachvollziehen. Der Kritikpunkt „Warum hast du's nicht größer gemacht“ - den hab ich ja auch oft. Einfach eine bewusste Entscheidung: Ich wollte das relativ klein, ich wollte viel Freiraum, ich wollte im Kern so ein „Verständnis“, das „Milde“, nicht das „Skurrile“. Ich wollte hier nicht „Da ist ein Problem, das gelöst werden muss“.

Danke dir für deine Kritik!
Quinn

Hallo fiz,

Man hätte da auch sehr weit ausholen und wahnwitzig absurd werden können (und wahrscheinlich käme das an die Väter aus meinem Umfeld immer noch nicht ran). Aber Du hast Dich wohl bewusst dagegen entschieden, die Geschichte etwas schriller und auch lustiger werden zu lassen.
Jau, ich hab dann immer gleich so zwei, drei Geschichten, im Kopf, die ich kenne. Mit dem Thema: Eskalation. Gibt eine, hab ich mal gelesen, da wird die Nachbarin auf einmal gefräßig, der Nachbar füttert sie immer, bis sie zu einem menschenverschlingenden Riesenschlangen-Göttinen-Monster wird – und er freut sich, dass sie sich so prächtig macht. Und bei einer anderen Geschichte von Roald Dahl, wo eine kränkliche Person mit Gelee Royale gefüttert wird und sich dann zu einer Bienenkönigin verwandelt.
Und hier dachte ich: Es bietet sich eigentlich an, dass dann langsam in so eine phantastische Richtung kippen zu lassen, bis am Ende die Garage abhebt mit dem Erzähler als Ko-Pilot, aber: Ich wollte das ja nicht erzählen.

quote]Und als Umfeld fällt es schwer, das nicht persönlich zu nehmen, wenn sich da einer so vereinzelt, nicht notwendig vereinzelt wie durch Erwerbsarbeit, sondern freiwillig das Weite sucht.[/quote]
Ich hab mir auch überlegt, ich glaub, es gibt einige Leute für die es bei einer Arbeit dann nicht mal eine Rolle spielt, ob sie Geld dafür kriegen oder nicht. Man hört ja immer Geschichten von Leuten, die im Lotto gewinnen, und trotzdem noch zur Arbeit gehen. Oder die Frage: Was einer macht, wenn er weiß, dass er bald sterben wird.

, und als klar wird, dass der Schwiegervater seine Leidenschaft nicht teilen kann, sondern allein sein muss.
Ja. Ob ihm das „peinlich“ ist, ob er nur nicht drüber reden will. Vielleicht macht er einfach ganz bewusst zu. Vielleicht gibt es ihm einfach ein gutes Gefühl und er will sich keine Gedanken darum machen, wo das herkommt. Das ist ja mit Leuten, die so ein extremes Hobby haben – du kannst ja keinen davon wegquatschen.

Das es nicht darum geht, sich so kindlich spielend in eine Abenteuerwelt zu begeben, sondern in eine verantwortungsbewusste Pflichtrolle, wo man genau weiß, was man zu tun hat. Es gibt doch irgendwie so ne philosophische Lesart von Sisyphos als glücklichem Menschen von Camus. Ich habe die Begründung vergessen, warum der glücklich ist, aber ich mein, dass hing mit Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns zusammen, vielleicht auch einfach damit, dass man eine Aufgabe im Leben hat. Bin nicht so der Philosophie-Experte, aber das ist ein interessanter Punkt in der Geschichte, über den man gut mal ein bisschen nachdenken kann.
Ja, ich hab das auch mal gehört, mit Sisyphus. Die meisten philosophischen Gedanken, zu denen ich Zugang bekomme, krieg ich leider, wenn ich im Halbschlaf noch Sat1 nachts laufen hab, und diese völlig irren dccp-Interviews laufen. Ich glaub, da hab ich das mal gehört.

So hundertprozentig geglückt finde ich das Experiment trotzdem nicht, weil ich mir da mehr Berührungspunkte zwischen Form und Inhalt gewünscht hätte. Wenn es zum Beispiel tatsächlich um Gerüchte gegangen wäre, die ihr Eigenleben entwickeln. So geht es zwar schon partiell um Hörensagen und irgendwie auch um Distanz und Kommunikationsprobleme, aber das ist mir als Bezug noch nicht spezifisch genug. Und wenn Du dann selbst bei direkter Rede manchmal die Anführungszeichen weglässt, um so einen Übergangsbereich zwischen beiden Formen zu erzeugen, empfinde ich das als etwas gimmicky.
Ihr seid aber streng geworden, Mann. ;)
Klar ist das „gimmicky“ - aber … das ist ja auch nix sooooo Schlimmes. Ich finde es gibt einem Text eine grundlegend andere Tonalität. Ein anderes Register. Ich find dein Argument sehr gut mit dem „Hörensagen“, aber andererseits denke ich: Warum soll man nicht die Tonart einfach ändern, weil man denkt es passt besser.
Es ist „gimmicky“, aber es ist ja kein Selbstzweck, sondern verändert die Färbung der Geschichte.
Bei direkter Rede, indirekter Rede – da möchte ich mir gern künstlerische Freiheit nehmen, ich denke, da lässt das Deutsche relativ viel zu, und ich finde es ist sprachlich ein Feld, das viel hergibt, und das noch nicht so beackert ist.
Klar ist das „Künstlich“, aber es zieht auch nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich wie anderen Sachen, ich hab einmal was gemacht bei „Hoffmanns letztes Abendmahl“, da hab ich stilistisch die Schraube wohl zu weit gedreht, da ist die Hälfte mit dem Messer auf mich los und die andere fand's richtig gut. Aber wie
auch immer, das war auf jeden Fall dann so stark, dass es die Geschichte zugedeckt hat.

Es scheint ja auch so um die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenkommunikation zu gehen, und wie das eventuell nicht so gut zusammenpasst. Aber irgendwie wird mir das hintenrum nicht zugemacht, diese Parallele. Das bleibt mir zu diffus. Mir fehlt da auch einfach noch ne Szene mit der Freundin, mit ner Erknenntnis, einer Pointe, irgendwas...
Ja, du hast hervorragende Argumente, das stimmt. Die Geschichte ist nicht sehr diszipliniert. Ich wollte da einfach nur zeigen – auch launig -, wie das hier funktioniert, dieser „Wir müssen was tun“-Ablauf.
Aber es ist immer schwer bei so einer sehr angetippten Geschichte, alle Felder abzudecken. Ich hätte zum Beispiel eher gedacht, es geht in so eine Geschichte „Was einen Mann ausmacht“, „Was ein Mann tun muss“: Du musst in die Garage und mit meinem Vater reden, das ist Männer-Sache.
Sie kann im Bett liegen und er muss Männersachen machen.
Und Walter muss aus dem Haus und auch Männersachen machen. Und der Erzähler sträubt sich dagegen, das zu machen, weil er meint, man müsse das nicht machen. Und die Frauen zwingen ihn dazu.
Das sind halt so Sachen, die sich auch in eine Geschichte schleichen.

wenn ein Dreißigjähriger so nen Action-Superhelden-Fluggenerator erwartet und der Sechzigjährige "spielt" aber nur Arbeit. Das wird unserer Generation ja oft vorgeworfen, dieses nie erwachsen werden wollen und die Elterngeneration, die kann irgendwie gar nicht anders, als Verantwortung zu übernehmen und erwachsen zu sein und wenn man denen das wegnimmt, ist düster.
Ich finde, für mich: Wenn eine Geschichte in einem Leser solche Gedanken bringt – was soll ich denn als Autor mit einer solchen Geschichte mehr bezwecken wollen? So was nehm ich mir gern und hefte es mir an die Brust. Ich merke bei mir auch, dass ich so Gedanken - im Kommentieren – auch nur bei Geschichten entwickle, bei denen ich mich hinterher freue, sie gelesen zu haben.

Schön, mal wieder was von Dir zu lesen. Du pickst Dir schon immer ziemlich gute Themen raus und bringst einen ans Denken.
Das ist nicht gerade eines der überschwänglichsten Komplimente, die ich in meiner Zeit hier bekommen hab, aber ich hab mich sehr gefreut. :)

Danke für die Kritik, ich versuch, wieder mehr zu machen und auch weiter zu fassen dann
Quinn

Hallo Novak,

Aber das ist (denke ich) der Grund, weshalb Quinn darauf insistiert hat, dass man sich selbst nicht an alten Geschichten messen solle, sondern sich ruhig was trauen solle. Gerade hier im Forum. Und da gehe ich mit ihm 100 % d'accord.
Ich finde wir sollten hier im Forum auch ein wenig eine Enklave bleiben und nicht die Verlagswelt total emulieren. Es ist tatsächlich so, nach allem, was ich weiß, dass drauße auf dem Markt es viel um Branding, Erwartungshaltung, Zielgruppe und den ganzen Kram geht. Dass Autoren in Schubladen gesteckt werden und dass das jeder der Beteiligten auch so will. Vielleicht die Autoren nicht, aber sonst wirklich jeder. Wenn du einen Stephen King kaufst, dann willst du genau das und das Spektrum, das was du mit der Marke verbindest.
Und ich finde: Wir sollten das wenigstens, solange wir hier kein Geld für kriegen, das offen lassen – und Erwartungshaltungenn stecken klare Grenzen. Ich hab's halt auch gemerkt, wenn Leute dann sagen: Ach! Du musst mal wieder Horror schreiben! Und der nächste sagt: Das schönste war aber mal die, das war so persönlich. Und der nächste sagt: Was hast du denn da gemacht, also früher war das viel stärker.
Hab ich ja alles schon gehört. Einer hat das mal geschrieben: Was ist denn das für ein Kunst-Scheiß, früher das Popcorn-Zeug! Da wollte ich so schreiben wie du! Und jetzt schreibst du so Kunst-Mist?
Was soll man da sagen? Ich finde als Autor sollte man darauf bestehen, neue Dinge ausprobieren zu dürfen und sich in andere Richtungen zu entwickeln. Grade, wenn man weiß, dass das „Draußen“ dann genau nicht mehr geht.

Ich krieg das so mit – das Forum lädt dazu ein, sich mehr Gedanken um die „Marke“ zu machen, als das vielleicht gut wäre.

Die ganze Idee ist toll, sie hat den immensen Vorteil, dass man eine ganz normale Alltagsthematik, Beziehungskonstellation, Hobby- und Sinnsuche nach dem Arbeitsleben, aber auch nichterfüllte Träume in überspitzter Form erzählen kann. Dabei kommen einfach ganz köstliche und skurrile Verknüpfungen zustande, die amüsant und eigentümlich zu lesen sind.
Ja, find ich auch. So das Bild hat mich irgendwie erwischt, das Motiv.

Aber erst kommt mal eine Abteilung Mecker, denn ich finde, du bist ein wenig nachlässig gewesen, was so rein technischen Kram betrifft. Und nee, das soll nicht sein.
Ich kann dich gern in das Geheimnis einweihen, das Frollein Andrea H. schon seit Jahren kennt: Alles, was man nur im Schriftbild merkt und nicht im gesprochenen Wort – mach ich ständig falsch. Komma vor „und“, Komma vor „oder“, Komma bei erw. Infinitvsätzen; Groß/Klein-; Zusammen/Getrennt-Schreibung: Furchtbar.
Vielleicht wird das mal irgendwann besser, mich stört es selbst auch überhaupt nicht bei anderen Texten. Das ist was, da hört es bei mir auf. Das sind diese Schrift-Typ-Sachen, ich denke da immer, das kann man nur sehen, wenn man Druckerschwärze in den Augen hat. Ich kann das null. :)
Das ist also nicht „nachlässig“ bei mir, ich kann das einfach nicht. Das ist vielleicht bisschen schockierend, weil ich mich sonst so als Sprachkoryphäe aufspiele bei bestimmten anderen Dinge, aber es werden immer Sachen sein, wo es um den Klang geht, als spreche man den Satz laut aus. Alles, was man nur geschrieben sieht: Keine Chance. Ich änder das alles, ich guck mir das an, vielen Dank für die Detail-Arbeit, aber mit diesem „Ich dachte du schreibst fehlerfreies Deutsch“-Mythos muss ich hier mal aufräumen. :)

Lieber wärs mir, der geht die ganze Zeit mit dieser Frage schwanger. Er kommt ja acuh so wunderbar langsam drauf, dass er in diesem Vater-MutterSchwiegrsohn-Tochter-Vergleich vielleicht nicht am besten abschneidet.
Leuchtet mir ein. Auch das mit den Krähen und das Überklären, das stimmt einfach.

Ich fragte mich, warum die Gattin ihrem Mann nicht einen Auszug mit den Flugdienstzeiten der Piloten vor die Schnüss hält, dann muss er sich dran halten.
Da musste ich schmunzeln, das wär ein humorvolles Ende für die Geschichte, wenn man das so in einer Comedy-Serie machen würde,wäre das eine tolle Idee für die Schlusspointe.

Danke dir für die Kritik und auch vor allem für die Kleinarbeit, die mir immer so schwer fällt
Quinn

 

Hallo Quinn,

reduzierte Tragik, die mich etwas ratlos zurücklässt.
Kann das sein, dass jemand aus wirklichen Beziehungen ins konstruierte Nichts flüchtet, quasi Teil einer Maschine oder von irgendwas ohne Sinn wird? Ja schon, und vermutlich gar nicht mal so selten. Hat mich angesprochen, wie du den Rückzug, die wortkarge Verweigerung eingefangen hast.
Zwar nicht mit Freude (wegen des Unbehagens über den Fluchtweg in eine Sackgasse), aber mit Gewinn gelesen.

Schöne Grüße,

Eva

 

Ich meinte nicht, dass die Wahl der indirekten Rede insgesamt gimmicky ist. Die mochte ich eigentlich, auch wenn mir zum richtigen Begeisterungssturm eben der Inhaltsbezug fehlte. Gimmicky fand ich nur, dass Du dann auch bei direkter Rede die Anführungszeichen manchmal weggelassen hast. Hat mich nicht richtig gestört, aber immer wenn literarische Innovation sich so auf Interpunktionsebene abspielt, bin ich so ein bisschen ;)

 

Hallo Quinn,

der Anfang ist schon so angelegt, als käme da noch etwas Großes. Schon der erste Satz mit dem "Als ich auf die Dreißig zuging, ..." Da baust da schon eine gewisse Erwartungshaltung auf, die die Geschichte gar nicht hergibt. Du sagst ja selbst, wenn die Geschichte irgendwie größer angelegt wäre, dann wäre die Sache mit Walther und seinem Flugsimulator wahrscheinlich ein Nebenplot. Das ist richtig - ich persönlich hätte mich nicht getraut, das so einfach zu schreiben. Ich meine die Idee dahinter ist schon simpel, aber das heißt nicht, dass man sich nicht damit lange beschäftigen kann (was ne Weisheit!).
Na ja, was ich, glaube ich, sagen will, ist, dass ich es gut finde, dass du es doch nicht so breit angelegt hast. Ich habe das erwartet, aber so nach deinen Erklärungen, ja klingt einleuchtend. Du willst dafür auch nicht den Nobelpreis.
Ich denke, ich weiß, was du mit dieser Geschichte bewirken wolltest und ich glaube, das ist auch bei mir so angekommen.

Am Abendessen, so erzählte sie weiter, habe er ohnehin kaum noch Interesse. Er rühre das Brot nicht mehr an, auch die geliebten Senfgurken gefielen ihm nicht länger, er schiebe nur lustlos ein paar Cocktail-Tomaten auf dem Teller hin und her.
Feirefiz hat die Stelle bemängelt, weil's ja nicht authentisch ist, dass jemand so reden würde. Ich finde die Stelle sehr schön und bildlich, natürlich gibt es Menschen die so reden. Und wenn nicht, dann redet deine Figur halt so. Das ist doch das Schöne am Schreiben - der Autor kann alles entscheiden, wenn wir ständig damit kommen, dass es nicht authentisch ist, dann weiß ich nicht, wo das hinführen soll. Literatur ist immer noch eine Imitation der Wirklichkeit, nicht die Wirklichkeit (heute sprühe ich nur so vor Weisheiten, unglaublich).
Wie gesagt, ich mag diese Senfgurken und die Cocktail-Tomaten, man sieht richtig, wie er da mit seinem Gabel die Tomaten auf seinem blanken Teller rollt.
Ich kann die Ehefrau absolut verstehen - wer würde sich da nicht sorgen machen? Wenn das so eine Sache wäre, die er von anfang an hätte, dann käme sie wahrscheinlich eher damit klar. Aber der macht das ja in so einer radikalen Weise. Es ist dann für sie tragisch, wenn sie nicht mehr in seinem Lebensplan vorkommt - die darf ja nicht mal die Stewardess spielen! Vielleicht ist sie auch noch mehr verärgert, weil sie überhaupt nicht wusste, was für eine Leidenschaft er hatte oder dass es die ganze Ehe über diesen Wunsch in ihm gab und sie merkt, ich war nur Plan B oder so. Ich spinne so bisschen rum, aber da gingen mir so die Möglichkeiten durch den Kopf und ich glaube, ich wäre auch stinksauer. Aber andererseits versteht man Walter total, obwohl er absolut keinen Raum für sich beansprucht, und trotzdem wird er in die Position gedrängt sich zu erklären. Ist dann immer blöd, so etwas zu erklären. Was will er da bitte seiner Frau erklären? Die würde das nie verstehen, und wenn sie es tut, dann tut ihr das bestimmt sehr weh, also, er hat gar keine Möglichkeiten seiner Frau irgendwie das nahe zu bringen.

Da ich nicht im eigentlichen Sinne zur Familie meiner Freundin gehörte, fand ich, dass es nicht an mir war, mich dort einzumischen
dass es nicht an mir war - was für ein schöner Ausdruck. Der Ich-Erzähler ist ja keine richtige Figur in der Geschichte, das hat Rick glaub ich gesagt, der ist ja eher Beobachter und will sich da nicht einmischen und macht es sich da vielleicht bisschen zu bequem. Erst durch die Frauen wird er gezwungen als Figur aufzutreten, fand ich auch schön.
Ich finde den Stil sehr distanziert, aber das ist hier sehr reizvoll. Er will Distanz zu der ganzen Sache Distanz bewahren, weil's keine Auswirkungen für sein Leben hat, dass Walter zehn Stunden in der Garage ist, weil's ja seiner Meinung nach nicht seine Familie ist, aber er ist da längst mit drin und muss dann als der zweite Mann im Hause mit dem anderen sprechen, als wäre das so ein Geschlechterding. Dabei könnte das genauso gut Frau Walther treffen, wenn sie anfängt manisch zu stricken und nicht mehr aufhört.
Aber ich glaube, es ist wirklich mehr als nur ein Hobby, für mich ist das Walters Flucht in ein anderes Leben. Er benutzt auch die Garage, was ja nicht direkt zu Haus gehört, sondern so angehängt ist, wo auch das Auto steht, wo er jederzeit abhauen könnte. Er könnte ja auch am Computer sitzen und das spielen, so im Schlafzimmer oder seinem alten Arbeitszimmer - was die Aussage des Textes auch ändern würde. Also, dass sich das in der Garage abspielt, ist auch wichtig. Hab mal nen Lehrer kennen gelernt, der auch sowas gespielt hat, aber dann nur am Computer und auch mit anderen Spielern und er hat erzählt, dass er auch mit echten Piloten zu tun hatte. Das war so seine Leidenschaft und er wollte wohl Pilot werden, aber er war kurzsichtig und die sind da wohl streng mit sowas. Tja, dann wird man halt Lehrer.

Ich hab gar nicht so viel zu kritisieren, ich laber hier nur so rum. Aber etwas, was mir voll sauer aufgestoßen ist: Also die Sache mit der genervten Freundin, ernsthaft? Das ist so bisschen die Mario Barth Schiene. Meine Freundin, dies das, und dann hat sie das gemacht und sie war schnippisch dabei, typisch Frau halt.

Ich mochte die Geschichte, das ist eine feine, runde Sache. Das i-Tüpfelchen wäre dann tatsächlich, wenn es auch irgendwelche Konsequenzen für sein Leben gehabt hätte. (Wir wissen ja, wie wichtig so ein i-Tüpfelchen sein kann! Ich erinnere an die hair-Affäre.) Ernsthaft, dann wäre die Geschichte noch schöner in der Konsequenz für alle Figuren, wie da eine einzige Figur durch irgendeine komische Aktion so eine Kettenreaktion auslöst, die jemanden betrifft, der direkt nix damit zu tun hat.

JoBlack

 

Hallo Quinn,

eigentlich muss ich mich für meinen Kommentar entschuldigen. Recht hilfreich dürfte er nicht gewesen sein und ich kritisiere im Grunde bloß eine Sache, von der ich beim Lesen schon bemerkt habe, dass du das sehr bewusst so gemacht hast, wie es dasteht. Vielleicht wäre etwas mehr Lob hilfreich, täte zumindest gut, aber es ist so, dass ich begeistert von dir bin und mich die Geschichte nicht begeistern konnte, obwohl sie gut ist und obwohl die Idee auch interessant und witzig ist. Hier kritisiert etwas Unterbewusstes in mir.

Beste Grüße
markus.

 

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