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Der Lauf

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22.01.2013
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Der Lauf

Obwohl ein paar ihrer roten Haarsträhnen an der Stirn klebten und die Schweißtropfen in den Augen brannten, fehlte Merle kaum etwas zum Abheben. Sie fühlte sich fit, der Waldboden flog unter ihren weißen Joggingschuhen dahin. Es war Ende Mai, der Wald roch nach Sommer, nach warmer Erde und schon nach Beeren. Der Bruch der Kniescheibe, die Operationen und monatelangen Physiotherapien nach dem Autounfall, das alles lag weit hinter ihr. Sie war wieder da. Auf ihrer großen Runde, in ihrem Leben! Dabei hatte kein Arzt einen Pfifferling darauf gewettet, dass sie je wieder so laufen würde, schon gar nicht kilometerweit. Merle lächelte in sich hinein und einem Fuchs hinterher, der ihr zu dieser frühen Stunde über den Weg lief. Dies war ihr Triumph! Über sich und über all die anderen, die ihr zur Vernunft und zum Stillhalten geraten hatten. Es war sogar ein Sieg über Michaels sorgenvollen Gesichtsausdruck: „Musst du wirklich schon wieder so weit laufen? Was ist, wenn du dich übernimmst? Oder dich jemand belästigt, so allein wie du da unterwegs bist? Da ist doch neulich erst was am Waldparkplatz passiert, fahnden die nicht nach einem dicken Blonden?“
Der weltbeste Joggingpartner - Jakob, Nachbars Großpudelmix – war inzwischen fünfzehn Jahre alt und nicht mehr bereit, sie auf weiten Strecken zu begleiten. Aber sie selbst fühlte sich viel zu stark und viel zu jung, um auf Momente wie diesen zu verzichten. „Ich hab' mein Handy Mick, und überhaupt, da soll sich mal einer trauen“, lachte sie seine Bedenken weg.

Während der vielen Monate, in denen sie die 14-Kilometer-Strecke durch den Wald und die angrenzende Heide nicht hatte laufen können, war manches anders geworden. Es gab neu angelegte Teiche, über ihrem sandigen Lieblingspfad lag eine umgestürzte Birke - sie musste wie ein Eichhörnchen durch das Geäst klettern, um weiterzukommen – und gleich nach dem Schotterweg führte ein neuer Pfad seitlich durch dichtes Gestrüpp. An dieser Stelle hatten zuvor ein paar Findlinge gelegen, irgendwer musste sie weggeräumt haben. So war ein kleiner Weg entstanden, den vielleicht Wildschweine ins Gebüsch getrampelt hatten. Der Pfad sah mit seinen am Rand blühenden Maiglöckchen idyllisch aus, war aber voller Wurzeln, Schlammpfützen und niedrig hängender Fichtenzweige. Merle hatte diesen Abzweig gerade passiert, als sie weit vor sich den Military-Typen sah, mit dem sie früher schon einmal aneinander geraten war. Natürlich hatte er diesen Pitbull dabei, der auf den niedlichen Namen Killer hörte. Manchmal. Ob der Hund diesmal einen Maulkorb trug, war aus der Entfernung nicht zu erkennen. So oder so, es erschien ihr sicherer, zurückzulaufen und den kleinen, schlammigen Weg zu nehmen. Killer und sein Begleiter sahen sie nicht. Doch ihr Abtauchen blieb nicht unbemerkt.

Der Trampelpfad erwies sich tatsächlich als schwierig, sie musste etliche Gehpausen einlegen, um nicht zu stolpern. Hin und wieder war das Blätterdach so dicht, dass das Tageslicht Mühe hatte, den Boden zu erreichen. Der Untergrund war feucht, einmal sank sie bis zu den Knöcheln ein – die Farbe ihrer Schuhe hatte sich schnell in ein undefinierbares Graubraun verwandelt, die Socken waren durchnässt. Merle hatte inzwischen völlig die Orientierung verloren, denn der Pfad schlängelte sich in immer neuen Windungen um uralte Bäume, Felsen und Brombeerhecken und der Stand der Sonne war von hier aus kaum zu erkennen. Das Handy erwies sich als unbrauchbar, es hatte weder Empfang noch ließ sich die Offline-Karte laden. Noch nicht einmal Uhrzeit und Datum wurden von dem Teil korrekt angezeigt, die Ziffern flackerten kurz auf, veränderten sich und verschwanden dann ganz. „Es wird Zeit für ein neues“, murmelte sie. Dennoch hatte dieser Pfad etwas, das ihr gefiel. Sehr gefiel. Als wäre er eine Welt für sich. Nur ein, zwei Mal wurde sie unruhig als sie meinte, etwas zu hören, Blicke zu spüren. Doch das musste sie sich eingebildet haben, sie konnte niemanden entdecken. Und so gab sie sich dem Gefühl hin, ganz für sich und völlig frei zu sein.
Unvermittelt tauchte vor ihr ein bekannter Weg auf, der Wanderweg zum Steinbruch. In wenigen Minuten war sie dort und pausierte für einen Moment, um den Gesteinsabbau zu beobachten. Der Lärm war nach der Stille des kleinen Traumpfades schwer zu ertragen, mehrere Schlämmmaschinen bohrten sich laut schmatzend und krachend in eine Flanke des Berges hinein, die Motoren hoch beladener Lastwagen heulten immer wieder auf.

Als sie eine halbe Stunde später zuhause ankam, wartete Michael an der Gartentür. Im Rollstuhl, wie fast immer seit dem Unfall. Er mochte das Hantieren mit den Krücken nicht.
„Da bist du ja endlich!“, sagte er erleichtert, „Wieso warst du so lange unterwegs?“
„Ich musste einen kleinen Umweg machen, wollte mich nicht mit Killer und seinem Herrchen anlegen ...“
„Dieser Typ und sein Mistvieh, gut, dass dir nichts passiert ist! Du solltest da nicht alleine laufen, wirklich, hab' ich dir doch gesagt!“
„Lass' gut sein, ich pass schon auf mich auf.“
„Klar, seit du deinen supertollen Selbstverteidigungskurs gemacht hast, zittert sowieso jeder dicke Frauenmörder oder Killer-Pitbull vor dir“, er wendete abrupt auf dem Kiesweg und rollte zur Eingangstür. Einen Moment später drehte er sich nochmals zu ihr: „Tut mir leid, ich wollte nicht so sein eben. Ich mache mir einfach Sorgen, wenn du allein im Wald bist. Hauptsache, dir ist nichts passiert und, na ja, und du hattest deinen Spaß!“
„Hatte ich ...“, antwortete sie. Leise genug, dass er es nicht hören konnte

Merle verkraftete den Lauf gut, die Spur Muskelkater war schon nach einem Tag verschwunden. Das Laufen wurde wieder zur Routine für sie. Selbst Michael gab es auf, sie davon abhalten zu wollen: „Wenn ich dich nicht laufen lasse, läufst du mir eines Tages ganz davon“, sagte er resigniert - und insgeheim gab sie ihm Recht. Zwar fühlte sie sich ihm seit dem Unfall noch verbundener, doch auf dieses Gefühl der Freiheit wollte sie nicht verzichten.

So machte sie sich auch an diesem Sonntagmorgen auf den Weg. Obwohl es in den letzten Tagen nicht geregnet hatte, war der Boden im Wald noch angenehm weich. Nach einer Weile begann ein Kuckuck zu rufen, sie hörte ein „su-per, su-per“ hinein.
Es war viel los auf der Strecke, immer wieder kamen ihr Spaziergänger und Fahrradfahrer entgegen. Sie wollte für sich sein und tauchte in den kleinen, dämmrigen Pfad ein. Eine Welt nur für sie. Der Boden war diesmal nicht aufgeweicht, das Laufen machte wenig Probleme und der Maiglöckchenduft lag betörend in der Luft.
Sie schaute kurz über ihre Schulter. Auf dem von ihr verlassenen Weg radelte gerade eine Familie vorbei: Vater, Mutter, Kind. Die Mutter würde später aussagen, dass ihr eine Joggerin, zirka 30 Jahre alt, rotes Haar, dunkelblaue Sportjacke, weiße Schuhe, an dieser Stelle aufgefallen war.
Weitere Zeugen gab es nicht.


Aus dem Wallstädter Tagblatt vom 22.6.2017:


Rätselhafter Leichenfund

In der Nähe des Steinbruchs am Felder See wurde vor zwei Wochen die Leiche eines Mannes entdeckt (wir berichteten). Jetzt teilte die Polizei weitere Details mit: Gefunden wurde der zunächst unbekannte Tote von einem Hundehalter auf der Suche nach seinem entlaufenen Pitbull. Durch die ungestümen Aktivitäten des Hundes am Fundort wurden wertvolle Spuren vernichtet - wie sich der Tote den folgenschweren Genickbruch zugezogen hatte, konnte daher trotz intensiver Polizeiarbeit bisher nicht ermittelt werden. Festgestellt wurde allerdings, dass es sich bei dem stark übergewichtigen Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit um den gesuchten Triebtäter handelt, nach dem zuletzt auch öffentlich gefahndet worden war. Er wird unter anderem für den Tod eines jungen Mädchens verantwortlich gemacht. Eine Sportlerin, die sich einer Zeugenaussage zufolge zum Todeszeitpunkt in der Nähe aufgehalten hatte, konnte zur Klärung des Falles nichts beitragen. Die Polizei bittet daher die Bevölkerung um Mithilfe: Beobachtungen, die im Zusammenhang mit dem Fall stehen könnten, sollen der örtlichen Polizeidienststelle gemeldet werden.


Merle läuft ihre große Runde inzwischen täglich.
Michael macht sich keine Sorgen mehr.

 

Hej Eva Luise Groh,

so seicht und scheinbar 'belanglos' wie die Geschichte beginnt, eingebettet in einen Lauf plus Gedanken in der Natur, so steigert sie sich, wie die Fitness und mentale Kraft der Protagonistin.
Und ganz ehrlich, ich habe diese Naturbeschreibungen, eher "weggelesen", als genossen, weil ich spürte, das bleibt so nicht.

Und dann kommts doppelt dicke, du Füchsin. Und auch doppelt gefuchst, weil unklar bleibt, was jetzt wirklich passiert ist. Ich will ja nicht glauben, dass Killer und sein Herrchen etwas mit Merles Verschwinden zu tun haben. :shy:
Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn ich es mehr Austausch gegeben hätte zwischen ihr und ihrem Mann, damit ich betroffener gewesen wäre.
Vielleicht war mir der Ton etwas zu ... sportlich, denn richtig mitfühlen konnte ich nicht.

kletttern

ein t zu viel

Und nächstes Mal bitte mit einer Freundin trainieren, oder einer Laufgruppe oder eben nicht so früh oder so spät. Mannmannmann.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 
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Hallo Eva

Bis ganz ganz kurz vor Schluss fand ich den Text sehr gut. Ich hab mich die ganze Zeit gefragt, worauf du hinauswillst, du baust da nicht wirklich Spannung auf, beschreibst einfach diese Joggingrunde, (mit ein paar wenigen beunruhigenden Einsprengseln) und ich fand, da wird der Text dem Stichwort "Alltag" etwas gar sehr gerecht. Aber du erzählst halt sehr flüssig, machst das so gut, dass ich dem Text gerne weiter gefolgt bin. Und dann, als sie zurückkommt und mit Michael spricht, bekommt dieser Ausflug eine ganz neue Bedeutung, ja die Geschichte erhält auf einmal eine Tragik. Du sagst da sehr wenig dazu, aber in meinem Kopf ging eine ganze Menge ab. Wie ist das, wenn die Partnerin nach dem schrecklichen Geschehen wieder durchs Leben rennt, und du kannst das eben nicht? Das fand ich gut gemacht und mir lief dieser Schauer über den Rücken, den ich beim Lesen so mag.

Dann der Schluss. Vielleicht hab ich was verpasst, ich schreibe diesen Kommentar, kurz nachdem ich den Text gelesen habe. Für mich ist das so, wie wenn man über ein liebevoll zubereitetes Gericht einen Eimer Schokoladenpudding giesst. Da ist gar nichts mehr drunter zu sehen, die ganze Subtilität des Textes weg. Schon klar, der Text erhält damit noch mal einen zusätzlichen Dreh, ich schreibe ja "Schokoladenpudding" und nicht "Mist". Aber wie gesagt, der Dreh ist so stark, dass ich gar nicht mehr zurück auf den Text blicken kann. Jetzt muss ich mir nämlich so Fragen stellen, ob sie nun weggelaufen (unwahrscheinlich, aber möglich) oder Opfer geworden (wahrscheinlich, aber irgendwie nicht stimmig zum Rest des Textes) ist usw. Rein von der Textmenge her, auch strukturell, ist das Ende zudem ziemlich angepappt, so etwas funktioniert in meinen Augen sehr selten.

Ich meine, dass sich Michael Sorgen macht, das könnte ja auch ein Teil dieses diffizillen Verhältnisses sein, in dem die beiden zueinander stehen, so habe ich das zumindest gelesen, es scheint fast, als würde er sich nicht wirklich Sorgen machen, als wollte er sie vielmehr von ihrem Vorhaben abbringen, damit sie zuhause bei ihm bleibt, wozu er ja verdammt ist. Aber diese Überlegungen kann ich mir nur machen, wenn ich das Ende der Geschichte ausblende, denn all das hätte ja im Kontext der Schlusswendung keine Bedeutung mehr. In meinem Kopf schipsle ich die letzten Zeilen also einfach weg.

Ich merke, dass ich den Text nach dem Gespräch auf einmal mit einer anderen Erwartungshaltung gelesen habe. Am Anfang dachte ich natürlich schon, dass es hier um Angst geht und fand das auch ein wenig unheimlich. Nach dem Gespräch dachte ich dann aber, aha, das ist ein psychologischer Text, da geht es um die Beziehung. Aber kaum hatte ich das zu Ende gedacht, kam, ja eben, du weisst schon. Ich hätte da einfach noch gerne viel mehr über die Beziehung zu Michael gelesen.

Ach, ich weiss nicht, meine ganze Kritik handelt vielleicht mehr davon, wie ich den Text gerne gelesen / selbst geschrieben hätte.

Detailanmerkungen habe ich keine, nur der Duft nach Beeren, der war mir für den Mai etwas zu früh. Ich finde den Text sehr gut geschrieben.

Ich bin gespannt, was andere meinen, und grüsse herzlich

Peeperkorn

 
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Hallo Kanji,

vielen Dank für deine Bemerkungen zur Geschichte!
Ich stimme dir zu, mehr Austausch zwischen Merle und ihrem Mann wäre gut. Bloß denke ich mir, die haben durch ihre schwierige Situation - einer ist durch den Unfall auf Dauer behindert, die andere wieder ganz gesund und genießt das auch - noch keinen Weg dafür gefunden. Da hat sich quasi eine Sprachlosigkeit entwickelt, die vor allem ihm Angst macht. Und auch seine reale Angst vor den Gefahren des Joggens ohne Begleitung beeinflusst. Aber seine 'Innenansicht' wollte ich nicht unbedingt schildern. Trotzdem, wenn die Beschränkung auf Andeutungen in dieser Sache dich weniger mitfühlen lassen, muss ich vielleicht mal überlegen, wie man noch etwas zum Verhältnis der Beiden einbringen kann. Ich lasse das mal sacken.
Ja, Lauftreff und so ist ja prima, aber manchmal ist man doch auch gerne allein mit sich ...

Viele Wochenendgrüße,

Eva

Hi Peeperkorn,

dass dich die Geschichte bis kurz vor Schluss angesprochen hat freut mich sehr. Danke für's Lesen und Kommentieren!
Dass das Ende angepappt wirkt, kann ich nachvollziehen. Doch, sie soll schon verschwinden, aber wie ich das besser hätte schildern können, nicht so überfallmäßig, fiel mir bisher noch nicht ein - zufrieden bin ich (auch wegen der Kürze) daher selbst noch nicht.
Es soll tatsächlich offen bleiben, was nun wirklich passiert ist. Hat sie Angst, ihren Mann offiziell allein zu lassen in seiner Situation, als mitleidlose Egoistin verachtet, will aber ihre neue Freiheit trotzdem voll und ganz genießen, rücksichtslos? Dann liefe sie weg, irgendwie. Feige und frei. Wahrscheinlicher ist allerdings ein Verbrechen, ein perfektes dazu, weil keine Spur von ihr bleibt. Ich finde, auch dann hat die Vorgeschichte eine Bedeutung. So willkürlich und sinnlos passieren ja solche Gewaltverbrechen, verschneiden Lebensträume, beenden Entwicklungen, zertrümmern Familien. Ohne Rücksicht darauf, dass noch was zu klären wäre in diesen Leben. Ja, zum Ende brauche ich noch eine Idee, mal schauen, ob sie kommt.
Doch, Beerenduft im Wald gibt es schon vor den Beeren, wenn die Sonne die ersten Male den Waldboden ganz aufwärmt. Ich weiß nicht weshalb, ist aber so, wirklich :-).

Danke nochmal,
bye,

Eva

 

Hallo Eva,
Zunächst einmal: Deine Prota ist sehr sympatisch. Du zeichnest sie lebendig und realistisch.
Besonders am Anfang beschreibst du toll.
Dann kommt der Twist am Schluss :D .
Verstehe mich nicht falsch. Durch diesen Twist bekommt deine Story etwas Experimentelles und wird einzigartig. Ich persönlich hätte aber doch lieber mehr von dieser rothaarigen Frau und ihrem Leben erfahren.
Deine lockere, sportliche Sprache hat mir auch gut gefalle.
LG,
alexei

 
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Hallo Eva

Ich nochmal, das lässt mir grad keine Ruhe. Ja, deine Protagonistin verabschiedet sich aus der Geschichte (oder wird verabschiedet):

So willkürlich und sinnlos passieren ja solche Gewaltverbrechen, verschneiden Lebensträume, beenden Entwicklungen, zertrümmern Familien. Ohne Rücksicht darauf, dass noch was zu klären wäre in diesen Leben.

Ja, so ist das Leben. Die Frage ist, ob Geschichten auch so sein dürfen. Vielleicht ja. Dürrenmatt hat ja zum Beispiel mit dem Zufall herumgespielt, dem Zufall, der die Logik der Erzählung zunichte macht, der in "Das Versprechen" dem Leser das narrativ konsequente Ende verweigert. Das ist schon spannend.
Bei dieser Geschichte hat das bei mir aber nicht funktioniert, ich denke, das müsste irgendwie noch elaborierter sein. Denn es wirkt auf mich, als würde sich nicht nur die Protagonistin verabschieden, sondern auch die Autorin davor drücken, auszuerzählen, was sie angerissen hat.

Gestern bin ich im Zug einem der berühmtesten deutschsprachigen Schriftsteller begegnet. Wir kamen ins Gespräch und dann hat er gesagt, er verrate mir das einzige, das wahre Geheimnis des guten Schreibens. Leider hat dann sein Telefon geklingelt (das passiert ja manchmal im Leben, ohne Rücksicht darauf, dass noch was zu klären wäre) und als er wieder aufhängte, musste er aussteigen.

Weisst du, was ich meine?

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Eva,

ein feiner Text, da gibt es sprachlich nix zu meckern, gefällt mir sehr gut.
Zudem er dafür sorgt, dass ich mich sofort an eine meiner KGs erinnere. Logisch, dass ich mich bereitwillig auf deine Geschichte eingelassen habe, um zu sehen, wohin du den Leser – außer in den Wald natürlich – führen wirst. Ich lasse übrigens auch eine (namenlose) Frau alleine durchs Unterholz stapfen. Allerdings dreht sich mein Text NUR um das Gefühl der Angst.
Was man ja so von deiner Geschichte nicht behaupten kann (die Atmosphäre im Wald fand ich gut getroffen, nicht wirklich unheimlich, aber unterschwellig bedrohlich, sicher durch meine Voreingenommenheit). Ich hab mich gefragt, worauf du hinaus willst, du wirfst ja mehrere Angeln aus.

Deine Prota hat nach überstandener OP gerade wieder Freude am Leben gefunden, sie will sich unter keinen Umständen unterkriegen lassen.

Obwohl ein paar Haarsträhnen an der verschwitzten Stirn klebten und die Schweißtropfen heftig in den Augen brannten, fehlte kaum etwas zum Abheben.

… in ihrem ganzen wunderbaren Leben!

Später erfahre ich, dass ihr Ehemann an dem Unfall ebenfalls beteiligt war und er mit einem bleibenden Schaden leben muss. Da fantasiere ich mir zusammen, dass seine Sorge etwas von Missgunst gelenkt wird und das Kernthema der KG wohl das Umgehen der beiden mit dem Problem sein wird.
„Na klar!“, er wendete auf dem Kiesweg und rollte zur Eingangstür.„Hauptsache, dir ist nichts passiert und du hattest deinen Spaß!“
„Hatte ich ...“, antwortete sie. Leise genug, dass er es nicht hören konnte.
ein klarer Hinweis, (Leerzeichen vor die Anführungsstrich der Hauptsache)
Ängstlich kommt Merle nicht bei mir an, sie erscheint vorsichtig, als ihr Mann und Pitbull begegnen. Aber du brauchst die beiden für deinen dramaturgischen Kniff, du willst begründen, warum Merle den Trampelpfad nimmt. Oder täusche ich mich da?

Die Wende zum Schluss so unerwartet und rätselhaft bringt mich kurz auf die Idee, Merle verschwindet, um ihre neu gewonnene Lebensfreude ohne Miesepeter Ehemann genießen zu können. Doch da hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Also bleibt für mich ein Gewaltverbrechen. Dass Military-Mann und Hund mit dem Verschwinden? oder der Tötung? Merles zu tun haben könnten, kommt mir keine Sekunde in den Sinn (die beiden sind für mich nur Mittel zum Zweck, siehe oben). Für mich existiert der „Große Unbekannte“.

Ich kann nur mutmaßen, welche Botschaft du transportieren willst, und davon, dass es eine gibt, bin ich überzeugt:
Gerade mit heiler Haut einer schwierigen Situation entkommen und wenn man am wenigsten damit rechnet, schlägt das Schicksal erneut zu?
Oder macht der Übermut Merle so blind, dass sie Gefahr nicht einschätzen kann?

Noch eine Kleinigkeit

… war inzwischen fünfzehn Jahre alt und athrosegeplagt nicht mehr bereit,
arthrosegeplagt

Soweit meine Gedanken und Fragen zum Text.

Liebe Grüße,
peregrina

 
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Hi nochmal Peeperkorn,

tja, damit

... es wirkt auf mich, als würde sich nicht nur die Protagonistin verabschieden, sondern auch die Autorin davor drücken, auszuerzählen, was sie angerissen hat.
hast du Recht, fürchte ich. Ein 'altes' Problem mit dem Ende bei mir, im Leben wie in Geschichten :hmm:. Schon dass ich meine, etwas erklären zu müssen, spricht dafür. Ich versuche demnächst, das in die Geschichte selbst zu packen, denn da gehört es eigentlich ja hinein.
Merle findet sich und ihr Leben gerade wieder, für Michael ist das erheblich schwieriger. Und gerade jetzt ist er vermutlich besonders auf sie angewiesen, über das übliche beziehungsmäßige Angewiesensein hinaus. Auch wenn sie ihn liebt, fühlt sich das einengend an für sie und widerspricht ihrem gewachsenen Freiheitsgefühl. Zumindest theoretisch taucht da schon mal die Idee auf, einfach zu gehen. Und dann läuft sie weg, zum Joggen, auch mal länger, obwohl sie weiß, dass er ungeduldig und ängstlich wartet. Ihr schlechtes Gewissen blendet sie dabei aus. Er wieder spürt das und bekommt zusätzlich Angst, dass sie ihm irgendwann nicht nur zeitweise, sondern ganz und gar 'wegläuft'. Als sie dann spurlos verschwindet hat er zwei schlechte Möglichkeiten, sich das zu erklären: 1. Sie hat seinen Rat und seine Sorge nicht angenommen, hat getan was sie wollte, wider sein besseres Wissen. Er konnte sie nicht daran hindern und nun ist eingetreten, wovor er sie schützen wollte und nicht konnte. 2. Sie hat irgendeinen Weg gefunden, wegzulaufen von ihm ohne ihm bei der Trennung in die Augen sehen zu müssen. Die brutalstmögliche Weise, verlassen zu werden, weil die Ungewissheit nie aufhört und eine Verarbeitung fast unmöglich macht. Und zu dieser Grausamkeit war sie ihm gegenüber fähig.
Davon muss noch was rein in die Geschichte. Es stimmt, das Leben darf seine Mitspieler ohne Erklärungen in sinnlose Situationen werfen - Geschichtenerzähler nicht.
Ich denke drüber nach, wird aber dauern ...

Danke für deinen zweiten Besuch!

All the best,

Eva

Hallo peregrina,

dass dir der Text gefällt, freut mich sehr!
Dass die Geschichte zuviel offen lässt, in der Beschreibung der Beziehung etwas fehlt, haben auch Kanji und Peeperkorn angemerkt. Ich versuche demnächst dran zu arbeiten.
Damit

Dass Military-Mann und Hund mit dem Verschwinden? oder der Tötung? Merles zu tun haben könnten, kommt mir keine Sekunde in den Sinn (die beiden sind für mich nur Mittel zum Zweck, siehe oben).
hast du völlig recht, gefährlich sind oft sowieso eher die, die harmlos aussehen.
Die Wende zum Schluss so unerwartet und rätselhaft bringt mich kurz auf die Idee, Merle verschwindet, um ihre neu gewonnene Lebensfreude ohne Miesepeter Ehemann genießen zu können.
Ich empfinde Michael nicht als Miesepeter, sie stecken halt in einer komplizierten Situation und seine Möglichkeiten dabei sind eingeschränkter als ihre. Für mich macht er sich echte Sorgen, gleichzeitig klammert er, vielleicht ein wenig hilflos. Sie dagegen agiert und kostet die wiedergewonnene Freiheit voll aus, zumindest während des Laufens denkt sie an sich und weniger an ihn. Bestimmt kommt dabei hin und wieder der Gedanke auf, statt eine Runde immer weiter und weiter zu laufen. Aber es gibt vermutlich genug Gründe für sie, es in der Realität nicht zu tun. Und wenn auch nicht sicher, wahrscheinlicher ist es schon, dass sie nicht freiwillig verschwunden ist. In einem Moment, wo sie einerseits meint abheben zu können, andererseits noch ein ganzes Stück Beziehungsarbeit vor ihr liegt. Und beides wird gewaltsam verhindert, einfach so. Du mutmaßt in diese Richtung und Peeperkorn bemerkt auch, dass da zu wenig wirklich klar wird. Es wird ein bisschen dauern, aber ich werde irgendwann versuchen, das zu ändern.

Vielen Dank für deine Bemerkungen!

Sonnige Grüße,

Eva

 
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Hallo Bea,

das wäre eine interessante Idee. Dass du von Anfang an darauf kommst, dass sie stirbt (bist du da sicher? 100% sicher bin ich mir gar nicht :-), ist bemerkenswert. Der Pfad sollte eher idyllisch wirken, Mann und Hund sind als Täter (für mich) auszuschließen. Dein Ende wäre auch gut, aber für mich soll Michael zurückbleiben mit dieser Unsicherheit, was passiert ist. Und das würde dann nicht funktionieren.
Lieben Dank für deine Anmerkungen und noch einen schönen Samstagabend
wünscht

Eva


Hallo Bas,

ich freue mich, dass dir die Naturbeschreibungen in der Geschichte gefallen. Ich liebe es da draußen und es ist schön, wenn ich das transportieren konnte. Danke auch für die sprachlichen Anmerkungen!

Umso trauriger ist dann das so ganz unerwartete Ende, das die Geschichte nochmal in eine andere Richtung lenkt.
Ach, mit dem Ende bin ich mir auch wirklich nicht sicher. Vielleicht kann sie auch nur für eine Weile verschwunden bleiben, für Michael wäre das - zunächst - die selbe Situation. Wenn ich demnächst Zeit habe, denke ich über das Ende nochmal nach.

Vielen Dank für deinen Besuch,
habe einen schönen Samstagabend,

Eva

 

Hallo Eva,

ich habe am Anfang auch damit gerechnet, dass ihr im Wald etwas Schlimmes passiert, war dann angenehm überrascht, dass ich enttäuscht wurde und wurde wach, als die Problematik mit ihrem Mann auftauchte. Da blitzte ein richtig interessantes Thema auf. Ich hatte auch die Phantasie, dass es derselbe Unfall war, der für ihre Verletzung und für seine Behinderung verantwortlich war, also ganz fettes existenzielles Thema um eine Katastrophe in der zwei zusammen und jeder für sich ihren Weg finden müssen. Und da hätte ich dir nach dem Beginn auch ein paar originelle Wendungen zugetraut. Und dann wurde sie plötzlich doch noch im Wald umgebracht oder so. Nee, also da ging es mir wie Peeperkorn, das hat mich enttäuscht.
Aber die Beschreibung des Wegs durch den Wald, ihre Gefühle dabei, dieses Aufleben, das hat mich sehr angesprochen. Ihren Mann fand ich gut charakterisiert. Ich war ärgerlich auf ihn und konnte dennoch seinen Neid und seine Angst um sie, von der er sich wohl abhängig fühlt, verstehen.
Für mich schreit das nach einer längeren Geschichte. Tod, Selbstmord oder Verschwinden, sowas finde ich hier langweilig als "Lösung".

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo Eva!

Beim Lesen deiner Geschichte hatte ich irgendwie immer Sillitoes "The loneliness of the long distance runner" vor meinem geistigen Auge;).

Sprachlich routiniert und sehr plastisch beschrieben. Ich konnte deine Lauf-Einlagen immer sehr schön und lebendig nachvollziehen. Und von der Handlung her gibt das Ende tatsächlich einen höchst unerwarteten Twist, wie das ja auch schon von anderen Kommentatoren angemerkt worden ist.

Eine Sache hätte ich anzumerken:

Sie war absolut fit
passt irgendwie nicht so richtig zu
in ihrem rundlicher gewordenen Körper,

Das offene Ende deiner Geschichte über ihr Schicksal eröffnet natürlich ein weites Feld für Spekulationen. Es ist ein ironischer Gedanke, dass sie jetzt endlich nach ihrem Unfall genesen ist, sich über ihre vollständige Wiederherstellung freut und ihr ausgerechnet ihre Gesundheit am Ende das Verderben bringt.
Ich habe eine eigene Theorie über das Ende entwickelt: Michael ist neidisch über ihre gesundheitlichen Fortschritte - deshalb rollt er unter einem Vorwand so zirka zwei Stunden bevor sie losläuft mit seinem Rollstuhl aus dem Haus in den Wald und lauert ihr hinter einem Gebüsch auf. Und als sie an ihm vorbeiläuft, bricht er aus dem Versteck hervor und walzt sie platt. Ihre Leiche entsorgt er in dem Steinbruch und schiebt die ganze Sache anschließend dem Military-Typen in die Schuhe. Geschnappt wird er aber trotzdem, da die Reifenspuren auf dem plattgewalzten Körper deiner Protagonistin mit dem Profil des Rollstuhls übereinstimmen.:D

Grüße und ein schönes Wochenende wünscht der EISENMANN

 

Lieber Eisenmann,

fein, dass du hier warst, danke! "The loneliness of the long distance runner" war bei mir mal Schullektüre in der 11. Klasse (also vor etwa 40 Jahren :read:) und tatsächlich, wenn ich mich richtig erinnere ist für ihn das Laufen dort ja auch eine temporäre 'Freiheit').

Ich konnte deine Lauf-Einlagen immer sehr schön und lebendig nachvollziehen.
Das freut mich!
Eine Sache hätte ich anzumerken:

Sie war absolut fit
passt irgendwie nicht so richtig zu
in ihrem rundlicher gewordenen Körper,

Also, ich habe extra nochmal in den Spiegel geguckt und bin auf die Waage geklettert :schiel:: Doch, doch, das geht: Fit sein und rundlicher werden :-)! Na ja, vielleicht ist die Protagonistin keine Spitzenzeitläuferin, aber sie kann mit Genuss 14 km laufen und dann fühlt sie sich eben absolut fit.
Da das Ende ja offen bleibt, kann deine Variante (obwohl, bei den Bodenverhältnissen?) stimmen :D, dann wäre Michael aber ganz anders, als ich ihn mir dachte. Ich glaube nämlich, er ist ein ganz Netter. Weil ich meine, die Geschichte noch überarbeiten zu müssen, kommt mir beim Überlegen jetzt immer das Bild der überrollten Merle in die Quere - da hast du was angestellt :lol:.

Einen schönen Sonntag und viele Grüße,

Eva

 
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Liebe Eva Luise Groh,

ich werde mit deiner Geschichte nicht so richtig warm. Beim ersten Lesen hat mich noch dieser Überraschungseffekt beschäftigt (geflasht sagt man wohl heute), aber nun, nach dem nochmaligen Lesen, habe ich doch gewisse Zweifel an der Anlage des gesamten Textes. Mir vermittelt er so etwas wie Unentschlossenheit des Autors, so als habe der sich nicht genau überlegt, was er seinem Leser eigentlich erzählen will und warum. Die Geschichte zerfällt für mein Empfinden in verschiedene Themen, die ich aber auf den ersten Blick keinem Gesamtthema unterordnen kann.

1. Thema:
Der Waldlauf nach der Rekonvaleszenz.
Du beschreibst diesen Lauf sehr ausführlich mit schönen Stellen, die mich den frühsommerlichen Wald erleben lassen. Deine Protagonistin genießt diesen Lauf, weicht nur aus, als sie eine Gefahr befürchtet, verirrt sich dann, findet zum Schluss aber ihren Weg zurück.
2. Thema:
Der Unfall in der Vergangenheit.
Merle hat gemeinsam mit ihrem Mann einen Unfall hinter sich. Sie ist genesen, er sitzt im Rollstuhl, bzw. geht an Krücken. Für den ersten und den dritten Teil der Geschichte spielt dieser Unfall allerdings keine Rolle. Er ist nur der Grund dafür, dass sie den Lauf ganz besonders genießt.
3. Thema:
Die Beziehung der beiden zueinander.
Nur angedeutet wird hier ein gewisser Konflikt zwischen den beiden. Der Leser muss selber entscheiden, ob dieser Konflikt tiefer oder nur oberflächlich ist. Die beiden setzen sich auseinander über die Fragen, ob es richtig ist, dass Merle jetzt schon so weit läuft und ob es nicht zu gefährlich ist. Unterschwellig schwingt mit, dass da noch mehr ist:

„Na klar!“, er wendete auf dem Kiesweg und rollte zur Eingangstür.„Hauptsache, dir ist nichts passiert und du hattest deinen Spaß!“
„Hatte ich ...“, antwortete sie. Leise genug, dass er es nicht hören konnte.
und
Da sie Zeit für sich brauchte, …
(Warum eigentlich. Das wird nicht thematisiert.)
4. Thema:
Merles Ende
Nicht sicher, aber zu vermuten ist, dass Merle zum Schluss bei ihrem zweiten Waldlauf doch etwas zugestoßen ist bzw. dass sie verschwunden ist. Ein sehr vages Ende, das in keinem Zusammenhang zu dem vorher Geschehenen (dem ersten Lauf, dem Gespräch mit Michael) steht.

Diese Bestandteile deiner Geschichte fallen für mich leider auseinander, haben, wenn ich dem Wortlaut deiner Geschichte folge, nicht viel miteinander zu tun. Mir fehlt im ganzen Text etwas Verbindendes, sei es auf der Handlungsebene oder auf einer unterschwellig angedeuteten psychologischen Ebene.
Was hat das Ende mit der Beziehung der beiden zueinander zu tun? Was hat die ganze Geschichte mit der Vorgeschichte zu tun? Woraus kann ich vielleicht eine Zwangsläufigkeit des Geschehens ableiten? Der angedeutete Konflikt bleibt vage und wird nicht vertieft und ist so auch nicht erkennbar der Grund, dass Merle noch einmal läuft.
Der Lauf des Anfangs wiederholt sich beim zweiten Mal sprachlich und inhaltlich, ohne dass sich irgendetwas Neues abspielt (vom Ende natürlich abgesehen).

Vielleicht hättest du die Vorgeschichte ausführlicher skizzieren , den Konflikt der beiden stärker in den Vordergrund rücken und Merles Laufen vertiefter als Reaktion auf beides darstellen sollen. So hättest du vielleicht die einzelnen Elemente deiner Geschichte miteinander verbinden und ihr einen psychologischen Hintergrund und Zusammenhang geben können.

Auf das Ende, so wie es jetzt dasteht, müsstest du allerdings dann verzichten. Es führt in eine völlig andere Richtung und ist in seiner Verknappung leider nur ein Überraschungseffekt.

Tut mir leid, liebe Eva, dass ich diesmal mit deiner Geschichte ein paar Probleme hatte. Das betrifft aber nicht die sehr schöne Beschreibung des Waldes und der Sinneseindrücke Merles. Die sind dir wirklich gut gelungen.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

Sie war absolut fit, der Waldboden flog unter den weißen Joggingschuhen dahin.
Mit diesem Bild komme ich nicht klar: Fliegt der Waldboden unter ihren Schuhen dahin? Sieht das so aus, wenn man rennt? Keine Ahnung.

Obwohl ein paar Haarsträhnen an der verschwitzten Stirn klebten und die Schweißtropfen in den Augen brannten, fehlte kaum etwas zum Abheben.
Also hätte sie ohne Haarsträhnen und Schweißtropfen abheben können. (Ich weiß, dass ich hier pingelig bin.)

Und auch hier:

Es war Ende Mai, der Wald roch nach Sommer, nach warmer Erde und Beeren.
Ende Mai? Welche Beeren?

sie musste wie ein Eichhörnchen durch das Geäst klettern, um weiter zu kommen
weiterzukommen

„Da bist du ja endlich!“, sagte er erleichtert, „wieso (Wieso) warst du so lange unterwegs?“

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Eva Luise Groh,
deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Für mich hätte das Verhältnis mit Michael nicht unbedingt weiter vertieft werden müssen, Du schaffst es mit wenigen Eindrücken das Verhältnis der beiden auf den Punkt zu bringen. Könnte man natürlich noch vertiefen, aber muss man nicht, finde ich.
Obwohl das Ende sehr plötzlich kam, hat es mich nicht wirklich gestört, im Gegenteil. Bei mir hat der Gruseleffekt gewirkt, gerade, weil ich an der Stelle überhaupt nicht damit gerechnet hatte. Ich hab mich dabei etrappt, dass ich laut "Iiiii" gesagt hab. Passt jetzt vielleicht nicht 100% ig, denn es ist ja nichts Ekliges passiert, aber es hat mich schon kalt erwischt. Also ich fand das Ende gut, so wie auch den Rest der Geschichte.
Liebe Grüße, Chai

 
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Liebe barnhelm,

lieben Dank für's Lesen und Kommentieren! Es wurden schon ähnliche Kritikpunkte von anderen Lesern angemerkt und ich vermute wirklich, dass ich die ganze Geschichte nochmal überarbeiten werde. Allerdings möchte ich auf Merles Verschwinden nicht verzichten, ich wiederhole mal eine frühere Antwort von mir dazu: "Merle findet sich und ihr Leben gerade wieder, für Michael ist das erheblich schwieriger. Und gerade jetzt ist er vermutlich besonders auf sie angewiesen, über das übliche beziehungsmäßige Angewiesensein hinaus. Auch wenn sie ihn liebt, fühlt sich das einengend an für sie und widerspricht ihrem gewachsenen Freiheitsgefühl. Zumindest theoretisch taucht da schon mal die Idee auf, einfach zu gehen. Und dann läuft sie weg, zum Joggen, auch mal länger, obwohl sie weiß, dass er ungeduldig und ängstlich wartet. Ihr schlechtes Gewissen blendet sie dabei aus. Er wieder spürt das und bekommt zusätzlich Angst, dass sie ihm irgendwann nicht nur zeitweise, sondern ganz und gar 'wegläuft'. Als sie dann spurlos verschwindet hat er zwei schlechte Möglichkeiten, sich das zu erklären: 1. Sie hat seinen Rat und seine Sorge nicht angenommen, hat getan was sie wollte, wider sein besseres Wissen. Er konnte sie nicht daran hindern und nun ist eingetreten, wovor er sie schützen wollte und nicht konnte. 2. Sie hat irgendeinen Weg gefunden, wegzulaufen von ihm ohne ihm bei der Trennung in die Augen sehen zu müssen. Die brutalstmögliche Weise, verlassen zu werden, weil die Ungewissheit nie aufhört und eine Verarbeitung fast unmöglich macht. Und zu dieser Grausamkeit war sie ihm gegenüber fähig.
Davon muss noch was rein in die Geschichte. Es stimmt, das Leben darf seine Mitspieler ohne Erklärungen in sinnlose Situationen werfen - Geschichtenerzähler nicht.
Ich denke drüber nach, wird aber dauern ..."

Mal schauen, wann ich zum Überarbeiten komme, deine Kritik versuche ich dann zu berücksichtigen. Ja, auch das wurde schon angemerkt: Beerengeruch Anfang Mai. Aber genau den hatte ich neulich in der Nase, er hat mich überrascht und erfreut, deshalb lasse ich ihn drin :-).

Einen schönen Sonntag wünsche ich dir,
viele Grüße,

Eva

Hallo Chai,

danke für's Vorbeikommen! Wie schön, dass dir die Geschichte so wie sie jetzt ist gefällt! Obwohl ich noch was daran schrauben werde (später, wenn ich mehr Zeit habe) ist es gut zu hören, dass manches, zumindest für dich, schon jetzt funktioniert hat.

Hab' einen schönen Sonntag,
ciao,

Eva

 

Liebe Eva Luise Grohe,

"Merle findet sich und ihr Leben gerade wieder, für Michael ist das erheblich schwieriger. Und gerade jetzt ist er vermutlich besonders auf sie angewiesen, über das übliche beziehungsmäßige Angewiesensein hinaus. Auch wenn sie ihn liebt, fühlt sich das einengend an für sie und widerspricht ihrem gewachsenen Freiheitsgefühl. Zumindest theoretisch taucht da schon mal die Idee auf, einfach zu gehen. Und dann läuft sie weg, zum Joggen, auch mal länger, obwohl sie weiß, dass er ungeduldig und ängstlich wartet. Ihr schlechtes Gewissen blendet sie dabei aus. Er wieder spürt das und bekommt zusätzlich Angst, dass sie ihm irgendwann nicht nur zeitweise, sondern ganz und gar 'wegläuft'. Als sie dann spurlos verschwindet hat er zwei schlechte Möglichkeiten, sich das zu erklären: 1. Sie hat seinen Rat und seine Sorge nicht angenommen, hat getan was sie wollte, wider sein besseres Wissen. Er konnte sie nicht daran hindern und nun ist eingetreten, wovor er sie schützen wollte und nicht konnte. 2. Sie hat irgendeinen Weg gefunden, wegzulaufen von ihm ohne ihm bei der Trennung in die Augen sehen zu müssen. Die brutalstmögliche Weise, verlassen zu werden, weil die Ungewissheit nie aufhört und eine Verarbeitung fast unmöglich macht. Und zu dieser Grausamkeit war sie ihm gegenüber fähig.
Davon muss noch was rein in die Geschichte.

Genau das meinte ich. Bring's rein in deine Geschichte und sie funktioniert.

Liebe Grüße und einen schönen Sonntag wünscht dir
barnhelm

 
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Liebe Eva,

... der Waldboden flog unter den weißen Joggingschuhen dahin.

Sagt man das so? Heute bin ich mir gar nicht mehr so sicher, aber gestern Abend erschien es mir komisch. Als ob sie an Ort und Stelle bliebe und der Boden sich bewegte.

Obwohl ein paar Haarsträhnen an der verschwitzten Stirn klebten und die Schweißtropfen in den Augen brannten, fehlte kaum etwas zum Abheben.

Versteh ich nicht. Abheben wohin? Und was hat all der Schweiß damit zu tun?

Sie war wieder da: auf ihrer großen Runde, in ihrem rundlicher gewordenen Körper, in ihrem ganzen wunderbaren Leben!

Groß nach Doppelpunkten - Sie war wieder da: Auf ihrer großen Runde,
Aber eigentlich kann man da genauso gut einen Punkt setzen. Fände ich besser. Sie war wieder da - ist ja eine ziemlich starke Aussage, die sollte auch für sich stehen.

rundlicher gewordenen Körper - liest sich kompliziert unschön für mich, vielleicht: in ihrem nun rundlichem Körper

Dies war ihr Triumph! Über sich und über all die anderen, die ihr zur Vernunft und zum Stillhalten geraten hatten.

Schön.

Der weltbeste Joggingpartner - Jakob, Nachbars Großpudelmix – war inzwischen fünfzehn Jahre alt und arthrosegeplagt nicht mehr bereit, sie auf weiten Strecken zu begleiten.

Also entweder fehlen da Komma oder Du stellst das war um.

Der weltbeste Joggingpartner - Jakob, Nachbars Großpudelmix – war, inzwischen fünfzehn Jahre alt und arthrosegeplagt, nicht mehr bereit, sie auf weiten Strecken zu begleiten.

Der weltbeste Joggingpartner - Jakob, Nachbars Großpudelmix – inzwischen fünfzehn Jahre alt und arthrosegeplagt, war nicht mehr bereit, sie auf weiten Strecken zu begleiten.

Den ganzen Absatz zu den Veränderungen der Laufstrecke fand ich schön, auch das Auftauchen des Pittbull-Mannes. Und ja, Michaels Sorgen so an den Anfang gestellt, hat mich auch zu der Vermutung gebracht, okay, hier passiert demnächst was.

Der Lärm war nach der Stille des kleinen Traumpfades schwer zu ertragen, mehrere Schlämmmaschinen bohrten sich laut schmatzend und krachend in eine Flanke des Berges hinein, die Motoren hoch beladener Lastwagen heulten immer wieder auf.

Es ist gut, dass Du hier diesen Bruch, diesen Gegensatz hast, dadurch wird die zuvor eingeführte Idylle verstärkt. Das fand ich alles auch sehr hübsch.

Als sie eine halbe Stunde später zuhause ankam, wartete Michael an der Gartentür. Wie fast immer seit dem Unfall im Rollstuhl, er mochte das Hantieren mit Krücken nicht.

Für mich ist dieser Satz das Highlight der Geschichte. Sie, die wieder laufen kann, kilometerweit und er, der sich in den Rollstuhl zurückzieht, obwohl er gar nicht müsste. Aus Bequemlichkeit. Sie die Kämpferin entgegen aller Prognosen, er aber hat aufgegeben, die weiße Fahne geschwenkt.
Ab diesem Satz ist alles möglich für die Geschichte. Der Gedanke vom Anfang, ah, ihr passiert etwas oder ein Beziehungsdrama zwischen den beiden, weil die konträren Charakterzüge für Konfliktpotential sorgen.

Das habe ich so gelesen und jetzt lese ich in deinen Antworten, dass dies so auch beabsichtigt ist. Es für dich das offene Ende rechtfertigt, während ich eben genau dieses ganz furchtbar fand. Für so eine Anthologieausschreibung, wo sie einem immer nur eine Handvoll Tausend Zeichen zugestehen, weil sie möglichst viele Autoren unterbringen müssen, die die Dinger dann kaufen - da sind 99% der Stories genau nach diesem Schema gestrickt. Konflikt angelegt, Einleitung geschrieben, Zeichen fast aufgebraucht, jetzt muss noch schnell ein Ende dran, was Mittelteil und Ende gleichzeitig ist. Und das bitte in zwei bis fünf Sätzen. So lesen diese Anthologien sich dann auch und Spaß macht das nicht. Dabei liegt das gar nicht mal an den Autoren, sondern an diesen Zeichenvorgaben. Dabei kommen eben genau solche Geschichten heraus. Da sind wir wieder bei dem Thema: Gute, kurze Geschichten sind sau schwierig. Aber ich schweife ab.

Sie schaute kurz über ihre Schulter. Auf dem von ihr verlassenen Weg radelte gerade eine Familie vorbei: Vater, Mutter, Kind. Die Mutter würde später aussagen, dass ihr eine Joggerin, zirka 30 Jahre alt, rotes Haar, dunkelblaue Sportjacke, weiße Schuhe, an dieser Stelle aufgefallen war.
Weitere Zeugen wurden nicht gefunden.

Ich kauf das Ende vom Aufbruch in die Freiheit, was Du gern mitschreiben möchtest, nicht. Der Konflikt ist zwar angelegt, aber noch nicht genügend zugespitzt für eine solche Handlung. Ich weiß mehr über seine Sorgen, die Gefahr, die er unterstellt. Ihre Enge, ihr Unwohlsein, das schwingt ja nur so mit zwischen den paar Zeilen der Naturbeschreibungen. Gefühlt würde ich sagen, 80 % Natur, 18 % Sorge, 2 % ihre Empfindungen. Dass dieses Laufen für sie Befreiung und Weglaufen bedeutet, all das kommt so zart, so wunderschön unterschwellig mit - aber eben auch in pastellrosa, da kauf ich nicht, dass sie ihr "altes" Leben samt Michael mit einem Fingerschnipp verlässt. Das ist ja schon eine heftige Entwicklung, die sich im Vorfeld abgespielt haben muss. Und sie muss M. richtig hassen, um ihm einen solchen Schmerz bewusst und vorsätzlich zuzuführen. Und von Hass lese ich so gar nichts. Ich bin noch immer im rosa-Modus. Also, um den Leser dahin zu bringen, da braucht es viel, viel mehr. Bleibt also, ihr wurde doch etwas angetan, sie liegt da irgendwo im Steinbruch - und tja, so Schulterzucken. Okay. Vor allem aber Schade. Weil all das Zarte, mein Highlightsatz, überhaupt keine Rolle mehr spielt. Nie eine gespielt hat. Da ist keine Entwicklung, eine Lösung aus sich selbst heraus, da ist das Ende ein Deus ex Machina mit all seinen Nachteilen per Excellence.

Bis auf das Ende aber eine wunderschöne Geschichte!

Lieben Gruß, Fliege

 

Hej Eva Luise Groh nochmal,

die Kommentatorinnen haben wunderbar zusammengetragen, gerade Fliege konnte das treffsicher, was diese Geschichte doch noch in sich tragen würde.
DAS, was wirklich wirklich wirklich noch fehlt. Also eine andere Gewichtung, als du es beabsichtigt hast.
Das gilt es selbstverständlich zu respektieren, nur es so sehr schade.
Und was ist mit der Schuld? Es ist tatsächlich viel in der Schwebe. Dort dürfte es auch bleiben, aber furchtbar gerne würde ich etwasdichter heran. Denn: für meine Phanatsie, um deine Geschichte zu lesen, brauche ich etwas mehr Informationen, sonst wird es meine Geschichte. Das will ich nicht. :lol:

Das musste ich jetzt noch einmal loswerden.ä

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Liebe Fliege,

danke für deine lobenden und kritischen Worte! Die Kritik geht in eine Richtung, die schon einige Kommentatoren zuvor beschrieben haben und hat somit besonderes Gewicht.

Obwohl ein paar Haarsträhnen an der verschwitzten Stirn klebten und die Schweißtropfen in den Augen brannten,*fehlte kaum etwas zum Abheben.
Versteh ich nicht. Abheben wohin? Und was hat all der Schweiß damit zu tun?*
Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die physisch eher unangenehm sind, aber sie fühlt sich dennoch so leicht und gut, dass sie das Gefühl von 'Fliegen-Können' hat.
Groß nach Doppelpunkten - Sie war wieder da: Auf ihrer großen Runde,
Ich meine nein, nach Doppelpunkten wird nur groß geschrieben, wenn ein kompletter Satz folgt, das ist hier nicht der Fall. Aber trotzdem, ein Punkt ist besser – wird übernommen.
Ich kauf das Ende vom Aufbruch in die Freiheit, was Du gern mitschreiben möchtest, nicht. Der Konflikt ist zwar angelegt, aber noch nicht genügend zugespitzt für eine solche Handlung.*

Ja, das sehe ich auch so, ein solches Verhalten in dieser Situation ist extrem unwahrscheinlich. Zumal ich davon ausgehe, dass sie selbst so gestärkt auch willens und in der Lage ist, ihn zu unterstützen (selbst wenn das belastend sein kann, gerade weil es ihn schlimmer erwischt hat beim Unfall und er wohl auch nicht so ein Kämpfer ist). Bloß, wenn sie wirklich spurlos verschwindet, dann wird – durch die Problematik zwischen den Zweien zuvor – immer auch diese Möglichkeit mitschwingen, sei sie noch so unwahrscheinlich. Und das wollte ich.
Wirklich glauben, dass sie, nicht nur mal in Gedanken sondern ganz real einfach weg läuft, können das weder Michael noch ich.

Bleibt also, ihr wurde doch etwas angetan, sie liegt da irgendwo im Steinbruch - und tja, so Schulterzucken. Okay. Vor allem aber Schade. Weil all das Zarte, mein Highlightsatz, überhaupt keine Rolle mehr spielt. Nie eine gespielt hat. Da ist keine Entwicklung, eine Lösung aus sich selbst heraus, da ist das Ende ein Deus ex Machina mit all seinen Nachteilen per Excellence.
Ja, das sehen viele so. Wobei, aber ich bringe das in dieser Geschichte noch nicht wirklich rüber, jeder Moment eine Bedeutung in sich hat. Unabhängig davon, wie und dass er endet. Ein Gefühl von Freiheit ist für mich auch dann bedeutsam, wenn das krassestmöglichste Ende dieser Freiheit folgen sollte.
Irgendwie muss ich da noch etwas verbinden, erklären, das meine ich auch. Nur weiß ich noch nicht wie und ich habe einfach derzeit wenig Muße dazu. Daher wird das noch dauern, wird aber probiert.

Vielen Dank für deine Impulse und einen sonnigen Tag
wünscht dir

Eva

P.S.
Dumme Frage, obwohl ich hier schon so lange dabei bin: Wie macht man das, dass der Name des Adressaten so 'blau' wird und er/sie ober 'neue Benachrichtigung: 1' oder sowas liest?

 
Zuletzt bearbeitet:

Nachträglich eingefügt: Hach, jetzt hat sich das überschnitten. Und eine ganze Menge hätt ich nicht meher schreiben brauchen. Naja, ich lass mal stehen.

Deus ex machina schreibt Fliege und recht hat sie damit. Man könnt auch sagen, das ist eine Kasperl hüpft aus der Kiste-Geschichte.

Liebe Eva Luise,
bin mächtig froh, dich mal wieder hier zu lesen. Da wollte ich auch bissel kommentieren - auch wenn das meiste schon gesagt wurde.

Das Ende geht einfach nicht mit Logik oder einer geplanten Zwangsläufigkeit aus dem von dir gezeichneten Konflikt hervor. Es ist drangeklebt. Das meine ich mit dem Kasper.
Ich gehe es noch mal vom Gewaltverbrechen her an. Das hätte mit dem bisherigen sonstigen Geschehen null zu tun, keine Sau käme zum Beispiel auf den Militarymann und seinen Killerhund. Warum auch. Aber auch sonst gibt es in deiner Geschichte nichts, was für diese Lösung überhaupt spricht. Aber noch mehr. Hättest du eine normale Alltagsgeschichte geschrieben oder Horror, vielleicht hätte man das drangeklebte Ende akzeptiert. Aber mit dem von dir gesetzten Konflikt geht das eben nicht mehr.
Das Gewaltverbrechen würde der Charakteristik des Paares und dem Konflikt, den es zwischen ihnen gibt, also dem, wie du als Autorin die Geschichte angelegt hast, nicht entsprechen. Natürlich kann die Realität den Konflikt so "lösen", aber du schreibst eine Geschichte, konstruierst also Wirklichkeit und deutest die Wirklichkeit aus, belegst bestimmte Elemente mit Bedeutung. Das Ende als Gewaltverbrechern hätte mit dem angedeuteten Konflikt nichts, aber auch rein gar nichts zu tun, weil diese Frau noch gar nicht soweit ist, abzuhauen. Da brauchts ein bisschen mehr als das Gefühl des Ärgers oder des Genervtseins, oder des gefühls, man werde eingeengt und brauche Zeit für sich. Die Elemente deiner Geschichte stünden so einfach unverbunden nebeneinander.
Und für ein Weglaufen ihrerseits ist der Konflikt noch nicht scharf genug.

Aber das weißt du alles schon, die anderen haben es dir besser und ausführlicher eh schon gesagt. Ich wollt dich einfach nur noch mal bestärken, dass du ja weiter machst mit diesem Konflikt zwischen beiden.
Das fand ich nämlich hochspannend, was sich zwischen beiden da abspielt. Der eine, der (sehr gut gemacht von dir) am Anfang noch mit der ganz liebevollen Sorge um die Freundin rüberkommt, dann entpuppt sich das als eine Art von durchaus nachvollziehbarer Missgunst. Den scheint es bei dem Unfall ja schwerer erwischt zu haben als sie. Und nun will er sie bei sich haben. Klar, dass die arme Sau nicht nur selbstlos ist, wenn der jetzt im Rollstuhl vor sich hingammelt und die Partnerin geht joggen. Gleichzeitig überlegt man sich aber auch, ob der sich nicht vielleicht auch bissel hängen lässt und sie in die Pflicht nimmst, dass sie ihr Leben auch nicht so recht genießen kann. Ich hab sofort auch überlegt, wer wohl für den Unfall verantwortlich war, und ob da auch Schuld oder das Erzeugen von Schuldgefühlen eine Rolle spielen.
Das ist aber bisher nur anberaumt, angedeutet, da ist nichts ausgeführt, da fehlt einfach eine Szene.

Ansonsten: Ich hab deine Geschichte (bis aufs Ende) saugern gelesen. Sprachlich sehr schön.


Ich gehe noch mal durch, weiß nicht, ob alles, was mir aufgefallen ist, schon genannt wurde. Gab so zwei drei Stellen, wo ich was anzumerken hätte. Nimm, was dir schmeckt. Weißt du ja.

Sie war absolut fit, der Waldboden flog unter den weißen Joggingschuhen dahin.
Die anderen waren da kritisch, mir gefiel die Stelle ulkigerweise sehr gut, weil es sofort eine hohe Leichtigkeit zeigt. Mocht ich sehr.


Obwohl ein paar Haarsträhnen an der verschwitzten Stirn klebten und die Schweißtropfen in den Augen brannten, fehlte kaum etwas zum Abheben.
Nee, das geht für mich leider überhaupt nicht. Ist holprig.
ich würde schreiben hätte sie abheben können oder so ähnlich.


Sie war wieder da: auf ihrer großen Runde, in ihrem rundlicher gewordenen Körper, in ihrem ganzen wunderbaren Leben!
Ich würde automatisch auch nach da keinen Doppelpunkt, sondern einen Punkt setzen. Das ist ja wirklich ein sehr starker Satz. Nur frag ich mich, warum du den rundlichen Körper brauchst. ich weiß schon, du willst darauf hinweisen, dass sie lange nicht trainieren konnte, dass das Auswirkungen hatte. Aber warum so übervorsichtig. Die Sätze vorher machen sehr und ganz deutlich klar, dass sie lange lange Zeit nicht rennen konnte und sich in einer üblen Verfassung befunden haben muss. Ich weiß auch nicht, ob man so (im echten Leben) über sich selbst denkt, dass man sich in einem Überschwang befindet und dann alle Relativitäten gleich dazudenkt.
Und vom Schreiben her würde ich sagen, bleib doch ohne Ambivalenz einfach kurz wenigstens in diesem Gefühl des Fitseins, des Laufens, der Schwerlosigkeit. Das ist doch das, was ihr da den Höhenflug beschert. Lass dein Spotlight doch kurz darauf, ohne den Leser mit der Figur abzulenken.


Es war sogar ein Sieg über Michaels sorgenvollen Gesichtsausdruck: „Musst du wirklich schon wieder so weit laufen? Was ist, wenn du dich übernimmst? Oder dich jemand belästigt, so allein wie du da unterwegs bist?“
Das fand ich sehr gut gemacht. Da denkt man, Michael sei gesund und sorgt sich einfach nur um sie. Es fällt aber auch schon auf, dass er die Belästigung mit dazudenkt. Entweder, so denkt man weiter, sorgt der sich bisschen übertrieben, hat die Sorge generalisiert oder man kommt auch darauf, dass ev. ihr desolater Zustand von vorher mit einer solchen Situation zu tun gehabt haben muss. Natürlich könnte es auch ein Hook für eine HorrorJoggerinnenverschwindegeschichte sein, das haben Hooks eben so an sich, dass sie mehrdeutig sein können.
Jedenfalls setzt du da einen Haken, an dem Aufmerksamkeit gebunden wird und umso cooler kommt dann die Stelle, als der sorgende Partner selbst im Rollstuhl sitzt.


Der weltbeste Joggingpartner - Jakob, Nachbars Großpudelmix – war inzwischen fünfzehn Jahre alt und arthrosegeplagt nicht mehr bereit, sie auf weiten Strecken zu begleiten.
Puuh, was für ein Satz. Eigentlich müsstest du vor und hinter "arthrosegeplagt" jeweils ein Komma setzen, damit es als Einschub kenntlich wird. Ich frag mich, warum du dieses scheußliche Wort nicht eh aus dem Satz streichst. Der ganz Pudel müsst nicht unbedingt vorkommen, aber egal, manchmal will man eben einen Pudel oder eine Gans im Text haben, aber das muss man ja nicht unnötig verkompliziert werden. Dass der Köter eher ein Hindernis wäre beim Laufen rafft man auch durch die Nennung von 15 Jahren.


Schöne Naturbeschreibungen dazwischen. Mag ich sehr. Wenn man so will, sind die krachenden schmatzenden Schlämmmaschinen Symbole/Vorboten für den Konflikt, der trotz aller Idylle der Natur oder trotz allen Glücks über die wiedergefundene Gesundheit in ihr wühlen.


Als sie eine halbe Stunde später zuhause ankam, wartete Michael an der Gartentür. Wie fast immer seit dem Unfall im Rollstuhl, er mochte das Hantieren mit Krücken nicht.
Pfui deibel. Da hat es sich in mich gegraben. Einmal, dass es dem vermutlich noch viel schlechter ging/geht, als es ihr mit der gebrochenen Kniescheibe, und dass der da jetzt wartet. Und das auch noch immer. Mann , das engt ein.
Übrigens fand ich das auch etwas holprig ausgedrückt: Wie immer seit dem Unfall im Rollstuhl ... ist vielleicht übergenau, aber man bezieht den Unfall kurz auf Unfall, den er im Rollstauhl hatte. Vielleicht findest du eine Formulierung, die diese Irritation verhindert.


„Na klar!“, er wendete auf dem Kiesweg und rollte zur Eingangstür.„Hauptsache, dir ist nichts passiert und du hattest deinen Spaß!“
Oh weh.

„Hatte ich ...“, antwortete sie. Leise genug, dass er es nicht hören konnte.
Oh weh oh weh.


Ich wünsch dir viel Spaß und Erfolg beim Überarbeiten. Ich freu mich sehr, dich mal wieder gelesen zu haben.
Mach et jut.
Novak

 

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