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Eine Geschichte von Euch hat mit zu dieser Geschichte inspiriert.
Der Diebstahl der Zukunft
Die Tür steht offen und der Wind spielt mit ihr. „Nicht schon wieder“, entfährt Femi die Vorahnung der Verzweiflung. Der Wind klingt in ihren Ohren wie ein höhnisches Flüstern. Sie eilt zu ihrer kleinen Blechhütte, um Gewissheit über den Schaden zu erlangen. Ihre letzten Schritte knirschen auf dem staubigen Boden, dann überschreitet sie die Schwelle. Der Raum ist leer. Ein Hohlraum, der schmerzt wie ein Schlag in die Magengrube. Wo gestern noch 3 Stoffballen, Nadeln, Garne, Zwirne und Scheren griffbereit lagen, klafft nun nur noch Leere. Alles fort. Alles, was sie für ihre Arbeit, ihr Leben braucht.
„Oloriburuku“, verflucht sie den Dieb ihrer Existenz. Es ist der zweite Einbruch in ihren kleinen Laden in diesem Monat.
Femi bleibt einen Moment stehen und stellt die Nähmaschine vorsichtig auf den Boden, die sie aus Sicherheitsgründen immer mit nach Hause schleppt. Sie schließt die Augen und erinnert sich an stundenlanges Nähen vor ihrer Hütte - selbst bei Nacht und Kerzenschein – um Kleidung für Kinder, Männer und Frauen anzufertigen oder diese auszubessern. In jeder Naht steckt ein Teil von ihr, eine Stunde Leben, die sie nie zurückbekommen wird. Die Arbeit prägt ihr Leben. Jeden Kobo hatte sie gespart, jedes Werkzeug, jedes Stück Material hart erarbeitet. Das alles muss sie sich wieder erarbeiten.
Ihre kleine Schneiderei ist mehr als ein Einkommen. Durch sie kann sie die Schule ihrer Kinder bezahlen und etwas zur Seite legen. Doch die hohe Inflation von rund 30 Prozent im Monat frisst einen Großteil ihres Verdienstes auf. Stoffballen – sie waren wie kleine Tresore, sicherer als Papiergeld, das jeden Tag weniger wert ist. Leider sind nun selbst die Ballen verschwunden.
Plötzlich fühlt sie: es reicht. Die Leere in ihr drängt sie zur Veränderung. Bisher hatte sie die Versicherung immer für einen unnötigen Luxus gehalten – etwas für die Reichen. Doch jetzt, in dieser Leere, weiß sie es besser. „Ich brauche eine Versicherung“, seufzt Femi und akzeptiert das Unausweichliche. Die hohen Gebühren hatten sie bislang abgeschreckt, doch jetzt erkennt sie, dass Nicht-Versichertsein sie mehr gekostet hat, als sie jemals gedacht hätte. Eine Versicherung gegen Diebstahl – oder besser: gegen Verlust. Gegen all das, was sie hart erarbeitet und mit ihrer Lebenszeit bezahlt hat.
Femi hebt die Nähmaschine wieder hoch. Das Wertvollste zuerst. Bevor sie nach Hause geht, wirft sie einen letzten Blick in die leere Hütte. Mit festem Griff hält sie die Nähmaschine, als könne sie durch ihre Hände alles festhalten, was ihr noch geblieben war. Ein leiser Windzug streicht durch die offene Tür. „Nie wieder“, schwört sie leise, ihre Stimme ist so fest wie Ekkiholz. Sie ist bereit zu kämpfen – für ihre Arbeit, für ihre Kinder, für sich selbst.
Auf dem Heimweg trifft sie Adewale. Er ist ein alter Freund ihres Vaters und sein Sohn Kio ihr bester Freund. Über Kio hat sie sogar ihren Mann kennengelernt – das verbindet sie für immer. Adewale bemerkt sofort, dass etwas mit Femi nicht stimmt. „Was ist passiert?“, fragt er besorgt.
Femi atmet tief durch, um Kraft zu schöpfen. Das Erzählen fühlt sich an, als müsste sie den Morgen noch einmal durchleben. Mit zitternder Wut in der Stimme berichtet sie von ihrem Pech und ihrer Absicht, endlich eine Versicherung gegen Diebstahl abzuschließen.
„Hast du denn ein Bankkonto?“, fragt Adewale ruhig. Seine Stimme klingt fast beiläufig, aber Femi erkennt das Unbehagen dahinter – als ahnte er die Antwort schon.
Femi zögert. Der Gedanke an die Kontogebühren schnürt ihr die Kehle zu, doch schlimmer schmerzt die Erinnerung an die Ablehnung. Damals, als die Banken sie abwiesen, fühlte sie sich klein und wertlos. Später nahm die Inflation ihr Vertrauen – das Geld auf der Bank entwertet schneller, als sie es verdienen kann. Stoffballen hingegen sind greifbar, ein Stück Sicherheit in unsicheren Zeiten. Bis heute. Nun ist alles anders. Das Bankensystem, dem sie stets egal war und bestimmt noch ist, erscheint plötzlich wie der letzte Rettungsanker. Doch allein der Gedanke daran fühlt sich falsch an, als würde sie gegen sich selbst kämpfen.
„Nein“, gibt sie leise zu. „Ich habe kein Konto.“
„Chai“, seufzt Adewale. „Ohne ein Bankkonto wird es schwer, eine Versicherung abzuschließen“, sagt er bedauernd.
Femis Blick fällt zu Boden. Ihre Augen verlieren sich im Staub, als suche sie einen Ausweg, wo es keinen gibt. Eine lähmende Müdigkeit überkommt sie, als hätte die Welt jede Tür vor ihrer Nase zugeschlagen. „Was soll ich jetzt tun, Adewale?“, fragt sie, ihre Stimme bricht fast. „Was bleibt mir noch, wenn mir die Arbeit gestohlen wird? Wie kämpft man weiter, wenn alles, was man aufbaut, wieder in sich zusammenfällt?“
Adewale spürt die Resignation bei Femi und legt seine Hand auf ihren Arm. Sein Griff ist warm, fest – wie ein Anker im Chaos. „Du wirst einen anderen Weg finden, deine Ersparnisse zu schützen“, sagt er sanft. „Erinnerst du dich an den ersten Einbruch in deinem Laden?“
Femi lächelt schwach. Die Erinnerung flackert auf. Der erste Einbruch war ein harter Schlag – Monate an Arbeit in Sekunden verloren. Doch sie hatte daraus gelernt. Seitdem nimmt sie die Nähmaschine mit nach Hause und lagert ihre Stoffballen dezentral – im Laden, zu Hause und bei ihrer Schwester. Sie weiß, dass ein Einbruch an allen drei Orten gleichzeitig höchst unwahrscheinlich ist. Es mag keine perfekte Lösung sein, doch es gibt ihr ein Gefühl von Kontrolle. Eine Art Widerstand gegen das, was die Welt immer wieder versucht ihr wegzunehmen.
„Es ist nicht perfekt, Adewale“, sagt sie leise. „Aber Abwarten ändert nichts. Manchmal muss man auf das setzen, was man kontrollieren kann.“
Adewale nickt, sein Gesicht entspannt sich ein wenig, aber er sieht auch den kleinen Funken Entschlossenheit in ihren Augen. „Das ist der richtige Weg“, sagt er. „Dein Weg. Er wird nicht einfach werden, aber dein Weg wird dich finden – wie bei der Nähmaschine oder den Stoffballen.“
„Und wenn ich diesen Weg nicht sehe?“ fragt Femi, mit einem Rest Zweifel in der Stimme.
„Dann geh weiter“, antwortet Adewale schlicht. „Mit jedem Schritt wird er klarer werden.“
Sie gehen noch ein Stück zusammen, aber ihre Schritte werden langsamer. Der Wind weht stärker und wirbelt Staub über den Pfad. Schließlich erreichen sie die Gabelung am Ende ihres gemeinsamen Weges. "Die Kreuzung", denkt Femi, "ein stiller Hinweis darauf, dass Entscheidungen getroffen werden müssen."
„Danke für deine Worte, Adewale“, sagt Femi, ihre Stimme jetzt etwas ruhiger, aber immer noch bestimmt. „Du hast mir geholfen, klarer zu sehen.“
Adewale lächelt leicht, der Ausdruck in seinem Gesicht ein bisschen weiser. „Und du wirst weiter kämpfen. Ich weiß es.“
Sie verabschieden sich, und als Femi nach Hause geht, zieht die Last des Diebstahls nicht mehr so schwer an ihren Schultern. Die Dunkelheit, die sie umhüllt, ist nicht verschwunden, aber ein kleines Feuer brennt in ihr – ein Funke, der gegen das Ungewisse ankämpft. „Ich werde zur Bank gehen“, denkt sie. „Egal, was sie sagen. Ich werde einen Weg finden.“
Mit der Nähmaschine in ihrer Hand, das Wertvollste, was ihr geblieben ist, fühlt sie sich ein Stück stärker. Stärke ist, weiterzugehen, auch wenn der Weg unsicher ist. „Es gibt immer eine andere Lösung“, sagt sie. Diesmal zweifelt sie nicht, sondern gibt sich selbst ein Versprechen.
Kio und ihr Mann stehen an der Tür, als sie daheim eintrifft. Seine Verwunderung über ihre Rückkehr weicht blitzschnell einer Vorahnung. „Wurdest du wieder ausgeraubt?“, fragt ihr Mann mitfühlend. Eine Antwort braucht er nicht. Ihr Anblick genügt ihm. „Das tut mir sehr leid. Ich weiß, was dir dein Geschäft bedeutet.“ Er nimmt ihr die Nähmaschine ab, stellt sie sicher in ihre bescheidene Hütte und schließt die Tür. Dann zieht er sie in seine Arme und sagt: „Komm mit.“
Seine Umarmung schenkt ihr Trost und Kraft, und für einen Moment fühlt sie sich sicher und geborgen. Doch als er sie loslässt, wird die Unsicherheit in ihr wieder wach. Wie soll sie nur mit der Versicherung und dem Bankkonto umgehen? Zögerlich folgt sie ihm, unsicher, was der nächste Schritt sein wird.
Unterwegs erzählt Kio, was er weiß und bereits ihrem Mann erklärt hat: „Wir gehen zu einem MeetUp. Es bietet dir die Möglichkeit, dich gegen Diebstahl und Inflation abzusichern, ganz ohne die traditionellen Risiken. Du kannst sogar dein eigenes Bankkonto bekommen, ganz ohne Versicherung oder Bank. Alles, was du brauchst, ist dein Handy. Und die Gebühren sind so gering, dass sie kaum ins Gewicht fallen.“
Femi schüttelt den Kopf. „Wenn es zu gut klingt, ist es Betrug. Wie soll das funktionieren?“
Kio lächelt verständnisvoll und sagt: „Es klingt wie ein Märchen, ich weiß. Deswegen wollte ich die Täuschung entlarven und begann nachzuforschen – selbst zu lesen, zu fragen, zu lernen. Und je mehr ich verstand, desto mehr ergab alles einen Sinn. Es ist wie mit deinen Stoffballen: Sicherheit durch Verteilung. Niemand kann die Kaufkraft deines Geldes verringern. Keine Inflation. Verstehst du? Die Inflation, die jeden Monat deine Ersparnisse entwertet, hört auf. Das neue Geldsystem schützt dich vor Dieben – den sichtbaren und den unsichtbaren.“
„Aber was, wenn Regierungen es stoppen? Sie könnten alles unter ihre Kontrolle bringen“, entgegnet Femi.
„Nicht bei Bitcoin“, erklärt Kio. „Dieses Peer-to-Peer Geld ist einzigartig. Es gehört niemandem und wird dezentral von hunderttausenden Computern weltweit betrieben. Regierungen können Kryptowährungen regulieren und die Unternehmen angreifen, die dahinter stehen. Aber bei Bitcoin gibt es keine zentrale Autorität: niemand kann Bitcoin verändern, geschweige denn seine Menge inflationieren. Es ist so dezentral wie deine Stoffballen: Sie sind überall verteilt – zu Hause, im Laden, bei deiner Schwester. So funktioniert Bitcoin auch – nur weltweit. Aber glaube mir nicht. Finde es selbst heraus.“
Femi bleibt stehen. Der Gedanke braucht eine Weile, um zu ihr durchzudringen. Schließlich trifft sie unvorbereitet eine Erkenntnis: Sie hat die Inflation immer als unvermeidbar akzeptiert – wie Regen in der Regenzeit. Doch sie ist vermeidbar und nun scheint sich eine Chance zu eröffnen. Die Hilflosigkeit, die sie spürt, mischt sich mit Hoffnung.
„Und das kann wirklich funktionieren? Niemand kann mein Geld manipulieren? Niemand kann mich bestehlen?“
Kio nickt ernst. „Niemand. Es gehört nur dir - wie deine Nähmaschine. Aber lass es dir einfach auf dem MeetUp erklären – ich verspreche dir, es wird Sinn machen.“
Femi runzelt die Stirn. Sie versteht nur die Hälfte von dem, was Kio ihr erzählt, doch etwas daran fühlt sich richtig an. Eine Lösung, die nicht nur ihre Ersparnisse schützt, sondern ihr auch die Kontrolle zurückgibt. Kein Dieb mehr, kein Verlust durch Inflation. Hoffnung macht sich in ihr breit, ein Gefühl, das sie lange nicht mehr gespürt hat.
„Hier sind wir“, sagt Kio und bahnt ihnen einen Weg durch eine Gruppe von Menschen auf dem Marktplatz. Femi folgt ihm, die Menge um sie herum scheint fröhlich und aufgeregt zu sein. Stimmengewirr, Lachen, ein Hauch von Zuversicht liegt in der Luft.
In der Mitte der Gruppe steht ein kleines Schild: „Bitcoin MeetUp“.
Femi bleibt stehen, ihr Herz schlägt schneller. Sie weiß noch nicht, was sie erwartet – doch sie weiß, dass sie hier ist, um Bitcoin zu prüfen und zu lernen. Vielleicht ist wirklich die Zeit gekommen, dem täglichen Diebstahl – der Inflation – ein Ende zu setzen.