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Dach über dem Kopf

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02.02.2004
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Dach über dem Kopf

"Es gibt zuviele Flüchtlinge, sagen die Menschen.
Es gibt zuwenig Menschen, sagen die Flüchtlinge"
Ernst Ferstl​

Es klingelt. Ich stelle die Bierflasche ab, drücke mit der Fernbedienung die Spätnachrichten auf Pause und schäle mich aus dem Fernsehsessel.
"Hallo?", frage ich in die Gegensprechanlage. Nichts.
Ein leises Klopfen verrät, dass der späte Besuch bereits vor meiner Tür steht.
Ich öffne, lasse aber die Kette vor, keine Ahnung, welchen Klinkenputzer die alte Siegenthaler unten ins Treppenhaus gelassen hat.
"Ja?"
"Herr Frutiger. Roland Frutiger?"
"Und Sie sind?"
Vor der Tür steht ein Mann um die vierzig, schlecht sitzender Anzug. In den Händen hält er eine Mappe, aus der er ein A4-Blatt herauszieht und mir entgegenstreckt.
"Geissbühler, freier Mitarbeiter beim Projekt 'Ein Dach für Menschen'. Ich bringe die Ihnen zugewiesenen Leute."
Jetzt bemerke ich im Halbdunkel des Treppenhauses weitere Personen. Hängende Schultern, fremdländische Gesichter, eine Familie wie mir scheint, ein Mann um die vierzig, mit Frau und Kind. Alle starren sie mich an, irritiert schaue ich zurück zu Herrn Geissbühler.
"Was heisst zugewiesene Leute? Und wissen Sie, wie spät es ist?"
"Ja, tut mir leid, aber wir kommen nicht hinterher, es sind einfach zu viele."
Von unten höre ich die alte Siegentaler die Tür öffnen, will ja nichts verpassen, die Schachtel.
"Also, äh, ich bin gerade etwas verwirrt. Sie bringen mir ... Leute?"
Die Familie hinter Geissbühler wird unruhig, das Mädchen fängt leise an zu weinen, der Mann zischelt kehlige Laute, worauf das Mädchen verstummt und ihren Teddy fest an sich drückt.

"Einen Moment", sage ich, löse die Kette und öffne die Tür.
"Kann ich kurz unter vier Augen?" Ich blicke auf Geissbühler und nicke Richtung Flur. Der schlüpft durch den schmalen Spalt und ich schliesse die Tür.
"Sie wollen mir doch jetzt keinen Ärger machen, Herr Frutiger, oder?"
"Ich glaube, hier handelt es sich um ein Missverständnis."
"Aber hier steht", Geissbühler zieht ein weiteres Formular hervor, "Sie bewohnen eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung, besitzen weder Haustiere noch Kinder, haben also Kapazität für maximal drei schutzbedürftige Personen. Und Sie haben sich für eine vorübergehende Aufnahme bereit erklärt. Ist das ihre Unterschrift?"
Fassungslos schaue ich auf das Formular, fange an zu schwitzen, erinnere mich, vor einer Woche in der Einkaufsstrasse, eine junge Frau hielt mir ein Klemmbrett hin, "Ein Dach für Menschen" stand in knalligem Rot auf ihrem T-Shirt, sie erzählte mir etwas von den vielen Flüchtlingen, die alles verloren haben, die in Zügen mit nichts als ein paar Habseligkeiten ankommen werden, zu Tausenden, dringend auf Unterstützung und Soforthilfe angewiesen, und so weiter und so fort.
"Mit Ihrer Unterschrift helfen Sie uns, den Leuten wenigstens ein Dach über dem Kopf zu geben."
Ihr Schmollmund war süss, ihr Lächeln überzeugend und ausserdem war es für eine gute Sache. So liess ich Name und Adresse auf dem Klemmbrett. Meine Güte, warum habe ich mit ihr eigentlich über meine neuen Platzverhältnisse geplaudert? Was habe ich mir dabei gedacht?
"Ja, meine Unterschrift", sage ich kleinlaut.
"Dann wäre das ja geklärt, morgen kommt wieder jemand vorbei, keine Angst, wir lassen Sie da nicht hängen. Hier, die Notfallnummer und danke für Ihre Unterstützung".
Herr Geissbühler öffnet eigenmächtig die Tür und im Treppenhaus verstummt das fremdländische Gemurmel, alle drei blicken dem Geissbühler nach, wie er nach unten spurtet. Ich trete ans Geländer und sehe noch, wie er die alte Siegenthaler fast über den Haufen rennt. Dann blicken mich alle fragend an. Auch die Siegenthaler schaut hoch, droht mit dem Finger.
"Ist jetzt endlich Ruhe dort oben? Und was sind das für Leute, Herr Frutiger?"
"Meine Gäste, weit gereist und müde, wir machen sicher keinen Lärm mehr. Gute Nacht."
Ich seufze, trete vom Geländer zurück und mache eine einladende Geste. Der Vater scheint als erster zu realisieren.
"Danke, viel danke", flüstert er, greift nach meiner Hand, küsst und schüttelt sie. Ich bin verlegen und winde mich vorsichtig aus der Umklammerung. "Schon gut, erstmal rein hier."
Einer nach dem anderen schlurft zaghaft mit Sack und Pack in den Flur, sie drängen sich vor der Garderobe, die Kleine steht unter meinem Mantel und starrt auf den Kunstdruck an der Wand. 'Die Badenden' von Renoir, drei nackte Frauen beim Plantschen. Der Vater stellt sich dazwischen und schaut etwas bedrückt zu seiner Frau.
"Bitte einfach mal durchgehen", sage ich und zeige auf mein Wohnzimmer. Jeder schnappt sich sein Bündel und zaghaft betreten sie die Stube. Der Fernseher zeigt noch immer die eingefrorenen Spätnachrichten, im Bild das überfüllte Flüchtlingslager, ein Polizist, der sich drohend vor einer Mutter mit Kind aufgebaut hat, zum Schrei aufgerissene Münder. Rasch drücke ich die Fernbedienung und der Bildschirm erlischt.

"Bitte setzt Euch", sage ich und zeige auf Couch und Sessel.
Sie riechen streng, Körperdunst schwängert den Raum. Schmutz, Angst und Schweiss steckt in ihren staubigen Kleidern, wie lange sind diese Leute schon unterwegs? Hätte man sie nicht erst einmal in Quarantäne unterbringen müssen, was ist mit ansteckenden Krankheiten?
'Morgen kommt jemand', höre ich Geissbühler. Ich spüre Wut emporsteigen, Wut auf meine voreilige Zustimmung. Hilft nichts, die armen Leute können nichts dafür. Jetzt wird improvisiert, dafür hat mich Tina immer gemocht, aber letztendlich auch verlassen.
"Ihr habt sicher Durst." Fragende Gesichter stehen verloren zwischen Sofa und Fernseher, die Habseligkeiten fest im Griff. Fremde Menschen in einem fremden Land, in einer fremden Wohnung, bei einem fremden Mann. Ich bekomme einen Kloss im Hals.

Ich zeige ihnen verschiedene Flaschen, sie entscheiden sich für Wasser und nachdem alle ein volles Glas in der Hand halten, starte ich einen neuen Anlauf zur Verständigung.
"Können Sie mich verstehen? Do you speak English? French?"
"Le français, un peu", sagte der Mann.
"Oh, très bien." Mein Französisch ist zwar holprig, aber besser als nur mit den Händen reden zu müssen. So lerne ich Familie Tamer kennen. Vater Yusuf, Mama Wafa und Tochter Ghada. Yusuf erzählt von Heimat, Bomben, einem Lastwagen ohne Luft. Yusuf zieht ein Bild hervor, darauf ein weisses Haus, daneben drei Männer. Yusuf hat Tränen in den Augen, nichts sei mehr übrig, er zeigt mit dem Finger auf das Bild. Bruder, und Mann von Schwester. Hatten beim Bauen geholfen, jetzt sind sie tot. Ein kurzer Moment des Schweigens, wir schauen auf Ghada, die im Schoss der Mutter eingeschlafen ist, den neuen Teddy im Arm.

Ich mache ihnen verständlich, dass sie sich mein Schlafzimmer und das Büro teilen können, sie bestehen aber aufs Wohnzimmer, möchten zusammenbleiben, und so basteln wir zusammen eine Art Schlafnest. Die Couch kann ich ausziehen und die vom Sardinientrip mit Tina übrig gebliebene Luftmatratze gibt ein prima Kinderbett. Ich lege meine letzten frischen Handtücher, Seife und Waschlappen bereit, da legt Wafa die Hand über ihren Schritt und schaut mich etwas betreten an. Ich verstehe, krame im Haushaltsvorrat und stosse auf Tinas Restbestand an Binden und Tampons, zum Glück habe ich die Sachen noch nicht weggeworfen.
Während in meiner Wohnung ein geschäftiges Treiben beginnt, ziehe ich mich zurück ins Schlafzimmer und greife zum Handy. Es ist kurz nach Mitternacht, ob Tina noch wach ist? Lange starre ich auf das Display ...


Ich erwache, bin wie gerädert. Vom Treppenhaus her dringt lautes Getrampel in mein Schlafzimmer, wie spät ist es? Die Morgendämmerung zwängt sich durch die halb geschlossene Jalousie. Kurz darauf klingelt es.
Die Ereignisse von gestern Abend springen mich an wie ein Tier. Wieder klingelt es, jemand klopft an die Tür. Morgen kommt jemand, hat Geissbühler gesagt. Im Wohnzimmer höre ich Familie Tamer, mein Gott, dieser Lärm muss sie ja total verängstigen. Ich springe aus dem Bett, in Unterhose und T-Shirt eile ich zur Tür, will dem aufdringlichen Besuch gleich mal meine Meinung sagen, im Augenwinkel sehe ich Wafa neben Yusuf sitzen, beide halten Ghada fest in den Armen, da klopft es erneut, diesmal energischer.
"Kantonspolizei Bern, machen Sie auf!"
Ich öffne die Tür, lasse aber die Kette vor.
"Polizei? Aber ..."
"Herr Roland Frutiger?"
Ich nicke und eine Person mit blauer Kappe steckt mir ihren Ausweis entgegen, das Bild zeigt ein lachendes Gesicht mit zum Zopf gebundenem blondem Haar.
"Wir haben Hinweise, dass sich in ihrem Haushalt Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung befinden."
"Das muss ein Missverständnis sein ...", das Déjà-vu lässt mich kurz schwindlig werden.
"Machen Sie auf, wir müssen ihre Wohnung durchsuchen. Hier der Beschluss des Staatsanwalts." Der Ausweis macht einem zerknitterten Papier Platz. Ich nehme der Polizistin den Wisch aus der Hand. Das war sicher die Siegenthaler.

"Okay, Moment, ich zieh mir nur kurz eine Hose an."
Betont ruhig schliesse ich die Tür. Roland denk nach, Flüchtlinge reisen meistens ohne Papiere, aber wenn sie betreut werden, dann ...
Auf Zehenspitzen schleiche ich mich ins Wohnzimmer und sehe in die erschrockenen Gesichter der Familie Tamer.
"C'est seulement la police." Nur die Polizei? Was rede ich da.
Ich erkläre ihm, es handle sich sicher um ein Missverständnis. "Un malentendu!"
Ich frage, ob sie Ausweise haben, oder sonst irgendwelche Papiere.
"Papiers? Mais ... nous n'avons pas papiers." Yusuf sieht mich erschrocken an.
Keine Papiere? Scheisse. Ich dachte, wenn eine Hilfsorganisation sie schon bringe, seien sie wenigstens registriert.
"Vous n'êtes pas enregistré?"
Yusuf schüttelt den Kopf. Geissbühler hat mir auch kein Dokument dagelassen.
Na toll, ich beherberge Flüchtlinge ohne Papiere und wo habe ich bloss die Notfallnummer hingelegt?
Yusuf fängt lautstark an mit Wafa zu diskutieren.

Hinter mir fliegt krachend die Wohnungstür aus den Angeln, Holz- und Glassplitter prasseln aufs Parkett.
Gebellte Befehle, Wafa schreit auf, Ghada fängt an zu weinen. Mir werden die Hände auf den Rücken gedreht, Handschellen klicken. Als ich hinter den Tamers, nur in T-Shirt und Unterhosen, vorbei an der lächelnden Siegenthaler, abgeführt werde, spüre ich zum ersten Mal, wie es ist, völlig unverschuldet am Rand des Abgrunds zu stehen.

Nach zwölf langen Stunden darf ich endlich meine Sicht der Dinge zu Protokoll geben. Ja, die Organisation "Ein Dach für Menschen" sei ihnen bekannt. Leider handle diese Gruppe ohne Bewilligung der Behörden, und Flüchtlinge ohne Papiere zu beherbergen sei nun mal illegal.
Ob ich auch Mitglied sei? Ich verneine.
Ob man mir glaubt? Das sei Sache des Staatsanwalts.
Was aus der Familie Tamir wird? Will man mir nicht sagen, Datenschutz.

Mit der Auflage, bis zum Ende der Strafuntersuchung die Stadt nicht zu verlassen, darf ich gehen. Sie haben mir sogar eine Fahrkarte ausgestellt und eine Trainingshose aus dem Spendenfundus überlassen. Nach einer langen Busfahrt in der Abenddämmerung, treffe ich vor dem Haus auf eine junge Frau, wie sie die sauber eingelassenen Klingelschilder studiert, erkenne sie am "Dach für Menschen"-T-Shirt. In den Händen hält sie einen Waschkorb voll Haushaltssachen. Mein Herz klopft bis zum Hals, das Gefühl von Freude vermischt sich mit aufkeimender Wut.
"Oh, Herr Frutiger", ruft die Frau mit dem Wäschekorb aufgeregt. "Ich bringe Ihnen ein paar Sachen für ..."
"Sie kommen zu spät. Sind schon wieder weg."
"Weg? Warum ... "
"Heute morgen, wurden von der Polizei abgeholt, ich musste auch mit."
"Ich verstehe nicht."
Ich blicke in das geschlossene Küchenfenster im Erdgeschoss, und bin mir sicher, dass wir beobachtet werden.
"Lass uns ins Haus gehen, äh, wie war doch gleich ... ?"
"Stella."
Schöner Name, passt zu ihrem Wesen.
Ich schiebe sie durch die Haustür und weiter, die gebohnerten Treppenstufen hoch bis vor meine Wohnung. Die Tür ist anscheinend provisorisch gerichtet worden, der Schlüssel passt noch.

Ich schliesse auf und lasse Stella zuerst hinein. Ihr Haar riecht nach Pfirsich.
"Was war denn hier los?", fragt sie und scheut sich, den verwüsteten Flur zu betreten. Ich quetsche mich hinter sie und schliesse die Tür. Stellas fragender Blick trifft mich und da ist er wieder, der Kloss im Hals. Vorsichtig nehme ich ihr den Materialkorb ab und stelle ihn unter die Garderobe.
"Als erstes mache ich uns mal Kaffee. Und dann suchen wir im Schrank nach einem anderen T-Shirt."

Wir sitzen in der Küche und nippen an unseren Tassen. Stella sieht mich fragend an und ich suche auf der Tischplatte nach den richtigen Worten.
"Was ist denn eigentlich verkehrt an meinem T-Shirt?", kommt sie mir zuvor.
"Na ja, leider ist deine Organisation den Behörden ein Dorn im Auge. Und ich habe jetzt eine Strafanzeige am Hals."
"Du hast was? Aber das ist doch völlig ... unfair."
"Kann sein, abgesehen davon, es wäre sowieso nicht gut gegangen, ich meine, gleich eine ganze Familie, bei mir alleine. Ich weiss ja nicht mal, was die Tamers essen, und was, wenn sie krank werden? Wie sieht es mit Versicherungsschutz aus?"
Ich rede mich in Fahrt, plötzlich sind da mehr Fragen als Antworten.
"Und dann muss ich auch arbeiten, soll ich sie den ganzen Tag hier alleine lassen? Was, wenn sie was kaputt machen, also im Treppenhaus oder draussen beim Spielen, wer bezahlt das dann?"
"Na ja, das wollte Geissbühler nächstens abklären, bis dahin ..."
"Siehst du? Ihr habt das vorerst einfach ausgeblendet, ganz toll!" Ich haue mit der flachen Hand auf den Tisch.
Stella schaut betreten auf ihre halbvolle Tasse, schiebt sie von sich weg und steht auf.
"Ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Danke für den Kaffee."
"Sorry, ich wollte dich nicht kränken. Bleib doch noch ..."
Warum habe ich nur meine schlechte Laune an ihr ausgelassen? Dabei ist es ja kaum ihre Schuld, na wenigstens nicht allein ihre. Wir sind beide ziemlich naiv an das Thema rangegangen.
"Die Haushaltssachen nehm ich wieder mit, brauchts ja nicht mehr."
Ich nicke stumm, will ihr mit dem Wäschekorb helfen. Sie schüttelt den Kopf.
Betretenes Schweigen, nur das anklagende Knirschen der Diele unter den Schuhsohlen. Ich öffne die Tür, Stella schlüpft hindurch.
"Wir können uns ja auch mal in der Stadt ..."
"Lieber nicht. Machs gut", sagt sie ohne zurückzusehen und läuft die Treppe hinunter.
Ich schaue ihr nach, hoffe vergebens auf ein versöhnliches Lächeln und warte, bis die Haustür ins Schloss fällt.

 

Hallo dotslash,

Was sind das für Menschen ...

Wahrscheinlich Doppelverdiener. Auf der Hinfahrt Waffen und zurück Flüchtlinge. Eine packende Geschichte und hochaktuell. Glückwunsch!
Ich dachte immer, die Schweizer sind etwas langsamer als die Deutschen, aber hier hatten sie uns eins voraus: sie wussten sehr schnell, wer illegal eingereist war. Eine Frage stellt sich mir aber doch: Wer hat ihn verpfiffen? War das die liebe Siegenthaler? Eines weiß ich aber ganz bestimmt: Noch einmal hilft dein Prot. nicht. Die armen Menschen können ja nichts dafür. Die waren froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Man kriegt augenblicklich Wut, was hier mit Menschen gemacht wird. Sollten die Politiker doch alle Anstrengungen darauf richten, um in den Ländern, woher die Massen an Flüchtlingen kommen, die Verhältnisse so zu ändern, dass sie in ihrer Heimat bleiben wollen. Welcher normal denkende und fühlende Mensch verlässt denn einfach so seine Heimat. Doch erst, wenn das Leben dort nicht mehr lebenswert ist. Ich klammere hier mal die aus, die dem Ruf nach Deutschland folgen, weil da Milch und Honig fließt. Wut!

Hängende Schultern, fremdländische Gesichter, eine Familie wie mir scheint, ein Mann um die vierzig, mit Frau und Kind.

Wenn Sie dann mal bitte hier die Lieferung bestätigen könnten?

Hier hätte er schon stutzig werden müssen.

Von unten höre ich die alte Siegentaler die Tür öffnen, will ja nichts verpassen[,] die Schachtel.

Hätte man sie nicht erst einmal in Karantäne unterbringen müssen, was ist mit ansteckenden Krankheiten?

Quarantäne

"Cela n'a pas été un fonctionnaire, n'est-ce pas?"

Lieber dotslash, denke bitte an die Menschenkinder, die kein Französisch verstehen. Da muss schon eine Übersetzung entweder davor, oder danach.

Tolle Geschichte, sehr gern gelesen.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hallo dotslash,

du hast ein Thema aufgegriffen, das momentan in allen Köpfen ist und insofern auch hochinteressant. Heute habe ich zum ersten Mal in der Zeitung gelesen, dass sie Privatquartiere für Flüchtlinge suchen. Und spätestens jetzt spielt man in Gedanken durch, wie es wohl wäre, wenn man das Gästezimmer...und wie man das mit dem Bad machen würde... und wie das alles auf Menschen die hierher geflüchtet sind wirkt, all die praktischen Dinge halt und die Befürchtungen, das Mitgefühl und die Neugier. Dazu hast du sehr anschauliche Details geliefert. (der Renoir, der Geruch, die Sprache und die Binden...) Und so war ich fast ein wenig enttäuscht, dass sich das Ganze als Betrug einer Schlepperbande entpuppte und so abrupt endete. Ich war schon so gespannt, wie es weiter gehen würde und auch die Andeutungen mit Tina haben mich neugierig gemacht.

Aber so ist die Geschichte auch rund und der zweimal überrumpelte Protagonist hat mir gut gefallen. PLötzlich selbst in der Situation des unschuldig Verfolgten zu sein gibt dem Ganzen noch einen weiteren Dreh weg von der Rolle des Fernsehzuschauers. Tja, und die fiese Siegenthaler (toller Name!) und der Nachbar, der durchs Schlüsselloch noch profitiert, die gibt es in diesem Land nun leider auch.

Hat mir sehr gut gefallen.

LG Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Also ich hab diese Story ein bisschen zwiegespalten aufgenommen, dot. Zum einen hat sie mich wirklich betroffen gemacht. Das für mich Aufrüttelndste war aber gar nicht mal die doch sehr dramatische Handlung, sondern vielmehr das quasi Subthema, das da drin noch mitschwingt:

Wir privilegierten Mitteleuropäer haben es ja wirklich einfach: Wir können uns unsere Betroffenheit über das Flüchtlingselend allemal leisten, abgesehen von Spenden (hoffentlich) kostet und das ja nichts. Es ändert in Wahrheit ja kein bisschen was an unserem eigenen, behaglichen Leben, wenn wir Mitleid empfinden und bekunden.
Interessant wird es erst dann, wenn man als Einzelner plötzlich unmittelbar mit der Frage konfrontiert wird, wie weit man für seine (theoretische) Hilfsbereitschaft auch persönliche Opfer zu bringen bereit ist. Insofern war der Beginn deiner Geschichte der für mich spannendste Teil, bzw, der Teil, der mich am meisten nachdenken und grübeln und, ja, auch meine eigene Einstellung zu dieser Problematik hinterfragen ließ. Wie würde ich mich in so einer Situation verhalten? Wieviel Unbequemlichkeit nähme ich in Kauf, um Reden Taten folgen zu lassen? Habe ich überhaupt das Recht, mich über unfähige, untätige Politiker aufzuregen, solange ich selbst nur quasi Zuschauer bin? Und wenn es eine Geschichte schafft, mich ernsthaft über meine Rolle in unserer wunderbaren, grausamen Welt nachdenken zu lassen, dann hat der Autor schon einmal sehr viel richtig gemacht. Ja, so gesehen ist es eine wirklich tolle Story, dot.

Aber:
Auch wenn es bei so einem Thema beinahe zynisch klingt, muss ich leider sagen, dass ich die Geschichte - trotz des doch sehr dramatischen Geschehens - plottechnisch gesehen nicht wirklich als erstklassig empfinde. Einfach deshalb, weil ein ganz wesentliches Element, bzw. die Figur, auf der ja eigentlich die ganze Handlung aufbaut, verglichen mit der grausamen Realität einfach vollkommen unglaubwürdig wirkt.
Wenn man sich den tatsächliche Umgang von Schleppern mit ihren „Kunden“ so anschaut (entlang von Autobahnen oder gar im Niemandsland ausgesetzt, usw.), wirkt ein Menschenhändler (immerhin nennt ihn Yusuf „un trafiquant“), der da sozusagen bei einer Köpenickiade mitspielt, um Flüchtlinge bei wildfremden Menschen unterzubringen, schon ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Das wirkte auf mich leider wie eine auf dem Reißbrett konstruierte Situation, um überhaupt erst die Geschichte zu ermöglichen. Und das ist halt gerade bei einer Story, die ein reales, aktuelles Geschehen zum Thema hat, schade, wenn da zu so einem etwas unplausiblen Kniff gegriffen wird.
Oder kapiere ich schlicht nicht den Zusammenhang zwischen dieser Initiative "Ein Dach für Menschen" und dem vermeintlichen Beamten, dem Geissbühl. Ist das einfach eine Gruppe von Idealisten, die ganz naiv und ohne Rücksicht auf Konsequenzen zu helfen versucht?
Oder muss mir das als Leser einfach egal sein, weil es der Protagonist der Geschichte ja auch nicht wissen kann?

Aber wie gesagt, dot, die - ich nenns mal Metaebene der Story hat einen wirklich starken Eindruck auf mich gemacht. Und überhaupt finde ich es toll, wenn hin und wieder einer von uns Autoren hier sich Themen von aktueller und zeitpolitischer Relevanz widmet. Das sollte eigentlch viel öfter geschehen.

Mein Lieblingssatz, auch wenn das jetzt angesichts des Themas vielleicht wieder zynisch klingen mag, war übrigens der:

Jetzt wird improvisiert, dafür hat mich Tina immer gemocht, aber letztendlich auch verlassen.
:D


offshore


… fange an zu Schwitzen, [schwitzen]

Ghada fängt an zu Weinen. [weinen]

Edit:
Weil ich jetzt auch die anderen Kommentare gelesen habe:
Ich kann zwar auch nicht Französisch, finde diese paar Sätze allerdings auch Sprachunkundigen durchaus zumutbar. Einerseits sind sie ja beinahe selbsterklärend, andererseits sehe ich auch keine andere (glaubhaft wirkende) Möglichkeit, den Erzähler und die Flüchtlingsfamilie miteinander kommunizieren zu lassen.
Ich finde, das passt schon so.

 

Hallo khnebel, Feuerwanze, Chutney und offshore

Danke für eure fundierten Rückmeldungen, das Thema ist in der Tat ein heisses Eisen, an dem man sich eigentlich nur die Finger verbrennen kann. Deshab bin ich froh, dass euch die Geschichte im Grossen und Ganzen gefällt.

khnebel
Danke fürs Finden der Typos, kleine fiese Dinger aber auch. Gut Karantäne ist offensichtlich, was habe ich mir dabei nur gedacht ... :D

Eine Frage stellt sich mir aber doch: Wer hat ihn verpfiffen?
Tja, entweder die Seigenthaler, wobei ich ihr es nicht zutraue, die will zwar alles wissen, aber mit der Polizei will die eigentlich nix zu tun haben, nein, ich glaube eher, es war ihr anonymer Nachbar gegenüber, der auch das Foto duch den Spion geknipst hat. Sich am Leid der anderen weiden, und dafür 50.- einheimsen, wie ich jetzt buuähh...

Sollten die Politiker doch alle Anstrengungen darauf richten, um in den Ländern, woher die Massen an Flüchtlingen kommen, die Verhältnisse so zu ändern, dass sie in ihrer Heimat bleiben wollen.
Vor allem , dass sie in ihrer Heimat bleiben können. Das ist ein heiss diskutiertes Thema, da ist als erstes die Politk in den Konfliktstaaten gefragt, und da passt nach dem Fall der Diktaturen oft überhaupt nichts zusammen. In Syrien ist die Lage noch viel verzweifelter, da an Aufbau und (Wieder-)Herstellung einer geordneten Regierung und Stabilität, aufgrund des offenen (Bürger?)kriegs zwischen unterschiedlichsten Gruppierungen und Machthabern, im Moment nicht zu denken ist.

Ich klammere hier mal die aus, die dem Ruf nach Deutschland folgen, weil da Milch und Honig fließt.
Ich frage mal ganz frech: Ist das nicht auch legitim? Darf man zwischen "echten" und "unechten" Flüchtlinge überhaut unterscheiden? Wenn in Deutschland die gelernte Busfahrerin alle Zelte abbricht, den Freundeskreis aufgibt und in die Schweiz zu den ZVV wechselt, wo sie ein Mehrfaches verdient, dann war der Leidensdruck wohl einfach zu gross. Nicht falsch verstehen, diese Person war ja nicht an Leib und Leben bedroht, aber es gibt zahlreiche Gründe, weshalb Menschen ihre Zelte abbrechen und ein neues Glück suchen, so was geht immer mit grossen persönlichen Verlusten einher.

Wenn Sie dann mal bitte hier die Lieferung bestätigen könnten?
Hier hätte er schon stutzig werden müssen.
Stimmt, jetzt wo du's sagst. Zu offensichtlich, da muss ich etwas nachschleifen. Denke drüber nach, danke.

"Cela n'a pas été un fonctionnaire, n'est-ce pas?"
Lieber dotslash, denke bitte an die Menschenkinder, die kein Französisch verstehen. Da muss schon eine Übersetzung entweder davor, oder danach.
Ok, den "Funktionär" kann ich für dich noch irgendwie ausdeutschen, aber mehr brauchts nicht, denn wie offshore weiter unten ausführt, ist damit ein interessanter Aspekt, das Verständigungsproblem auch für den Leser erlebbar.

Tolle Geschichte, sehr gern gelesen.
Vielen Dank, das freut mich ungemein.

***

Feuerwanze
ich finde deine Geschichte auch große Klasse.
Schön, dass sie dir gefällt, danke.

Was mich an der ganzen Sache aufregt ist die Justiz, die sich mal wieder nur die Personen krallt, die mal eben greifbar sind.
Die Justiz handelt ja auch nur nach unseren Gesetzen und diese wurden wiederum von unseren (gewählten) Politikern erlassen. :p

Ansonsten muss ich khnebel zustimmen, auch ich spreche kein Französisch.
Den Beamten schiebe ich wie versprochen noch nach, ansonsten habe ich eigentlich genug "Übersetzung" im Text eingearbeitet:

"Non, cela a été un trafiquant ... mais, tu ne le sait pas?", fragte Yusuf.
Ich bin verwirrt. Was meint er mit Händler? Und woher sollte ich den kennen?​

Ok, sait/connais ist hier dem schlechten Französisch beider Seiten geschuldet.

Macht teilweise Sinn, aber ich trau den Übersetzern nicht.
Aber sinngemäss stimmt's schon, allerdings soll der Leser weder Langenscheid, noch google bemühen müssen.
Andererseits, wirkt eine explizite Übersetzung nicht zu aufgesetzt?

Danke dir fürs Lesen und dein Feedback.

***

Chutney

Und spätestens jetzt spielt man in Gedanken durch, wie es wohl wäre, wenn man das Gästezimmer...und wie man das mit dem Bad machen würde... und wie das alles auf Menschen die hierher geflüchtet sind wirkt, all die praktischen Dinge halt und die Befürchtungen, das Mitgefühl und die Neugier. Dazu hast du sehr anschauliche Details geliefert. (der Renoir, der Geruch, die Sprache und die Binden...)
Und genau das war meine Intention zu dieser Geschichte, schön, dass du das so herauslesen konntest.

Und so war ich fast ein wenig enttäuscht, dass sich das Ganze als Betrug einer Schlepperbande entpuppte und so abrupt endete. Ich war schon so gespannt, wie es weiter gehen würde und auch die Andeutungen mit Tina haben mich neugierig gemacht.
Das tut mir leid, dass ich da nicht weiter erzählt habe, auch dass es für die Beteiligten kein happy end gibt, und Tina, ach die gute Tina, ja, ja ... :D

Aber so ist die Geschichte auch rund und der zweimal überrumpelte Protagonist hat mir gut gefallen. PLötzlich selbst in der Situation des unschuldig Verfolgten zu sein gibt dem Ganzen noch einen weiteren Dreh weg von der Rolle des Fernsehzuschauers. Tja, und die fiese Siegenthaler (toller Name!) und der Nachbar, der durchs Schlüsselloch noch profitiert, die gibt es in diesem Land nun leider auch.
In diesem, und in allen anderen "zivilisierten" Ländern, wo's Geld fürs smartfoto gibt. Und ja, manchmal geht es schnell und du bist selber in der Position des (unschuldig) Verfolgten.

Danke auch dir fürs Lesen und dein Feedback.

***

ernst offshore

Also ich hab diese Story ein bisschen zwiegespalten aufgenommen, dot.
Uff, jetzt geht's ans Eingemachte.

Zum einen hat sie mich wirklich betroffen gemacht. Das für mich Aufrüttelndste war aber gar nicht mal die doch sehr dramatische Handlung, sondern vielmehr das quasi Subthema, das da drin noch mitschwingt
Ja genau, dieses Mitleid und sich ein gutes Gewissen erkaufen, dass ist ja so einfach. Aber verwerflich ist es natürlich nicht, Geld und Sachspenden fliessen letztendlich (na hoffentlich) zu den Bedürftigen. Das ist schon mal positiv.

ja, auch meine eigene Einstellung zu dieser Problematik hinterfragen ließ. Wie würde ich mich in so einer Situation verhalten? Wieviel Unbequemlichkeit nähme ich in Kauf, um Reden Taten folgen zu lassen? Habe ich überhaupt das Recht, mich über unfähige, untätige Politiker aufzuregen, solange ich selbst nur quasi Zuschauer bin? Und wenn es eine Geschichte schafft, mich ernsthaft über meine Rolle in unserer wunderbaren, grausamen Welt nachdenken zu lassen, dann hat der Autor schon einmal sehr viel richtig gemacht. Ja, so gesehen ist es eine wirklich tolle Story, dot.
Das ist natürich cool, dass ich genau diesen Knopf drücken konnte. War es genau diese Frage die mich umtreibt. Wieviel Freiheit/Bequemlichkeit bin ich bereit dranzugeben, falls die Flüchtlingswelle bis in meine Wohnstube schwappt, bzw. die Bevölkerung dazu aufgefordert wird, zugunsten von Flüchtlingen unangenehme Massnahmen zu tragen? Ich denke dabei an die Gemeinden, die per Volksabstimmung bereits erfolgreich Asylzentren abgelehnt haben. Spenden ist einfach, man gibt ja etwas weg. Unterstützung im nahen Lebensumfeld ist da schon schwieriger, man muss plötzlich etwas ertragen.

Aber:
Auch wenn es bei so einem Thema beinahe zynisch klingt, muss ich leider sagen, dass ich die Geschichte - trotz des doch sehr dramatischen Geschehens - plottechnisch gesehen nicht wirklich als erstklassig empfinde. Einfach deshalb, weil ein ganz wesentliches Element, bzw. die Figur, auf der ja eigentlich die ganze Handlung aufbaut, verglichen mit der grausamen Realität einfach vollkommen unglaubwürdig wirkt.
Schuldig, ich brauchte einen Aufhänger.
Bin jetzt allerdings nicht sicher ob du mit der Figur Frutiger oder Geissbühler meinst. Ich nehme an Geissbühler, da du im weiteren Kommentar die Sache mit der Menschenhändlersache anführst.
Im Nachhinein muss ich dir Recht geben, die Schlepper(banden) kümmern sich meist nur bis knapp hinter die Grenze um ihre "Wahre", das weitere Schicksal der Flüchtlinge ist "outside of bussines".
Somit würde ich deinen Ansatz gerne aufgreifen und die Gruppe "Ein Dach für Menschen" tatsächlich als leicht naive Hilfstruppe ins Leben rufen, die Flüchtlinge eigenmächtig bei mehr oder weniger freiwilligen Wohnungseigentümern/Mietern unterbringen.

Was meinst du? Könnte ich so die Kurve auf dem Reisbrett noch schaffen? :D

Und überhaupt finde ich es toll, wenn hin und wieder einer von uns Autoren hier sich Themen von aktueller und zeitpolitischer Relevanz widmet. Das sollte eigentlch viel öfter geschehen.
Wie Eingangs erwähnt, man kann sich eben auch leicht die Finger daran verbrennen.

Danke fürs Finden der Typos, das aufmerksame Lesen und das kritische Hinterfragen.

***

Liebe Grüsse
dot

 

Hallo dotslash,

Der Funktionär ist nun gerade der, den man auch so erkennt :D
Aber mit deiner Begründung hast du natürlich auch recht. Ich hatte nur mit den Büchern von Ken Follet, die ich als letztes gelesen hatte, die Jahrhundertsaga, verglichen. Der hatte bei solchen Stellen, gerade wo Engländer im Krieg in Deutschland waren, oder umgekehrt, immer die Übersetzung dabei. Bin halt verwöhnt :lol:

khnebel

 
Zuletzt bearbeitet:

dotslash schrieb:
Bin jetzt allerdings nicht sicher ob du mit der Figur Frutiger oder Geissbühler meinst. Ich nehme an Geissbühler, da du im weiteren Kommentar die Sache mit der Menschenhändlersache anführst.
Genau den meinte ich.

Im Nachhinein muss ich dir Recht geben, die Schlepper(banden) kümmern sich meist nur bis knapp hinter die Grenze um ihre "Ware", das weitere Schicksal der Flüchtlinge ist "outside of bussines".
Somit würde ich deinen Ansatz gerne aufgreifen und die Gruppe "Ein Dach für Menschen" tatsächlich als leicht naive Hilfstruppe ins Leben rufen, die Flüchtlinge eigenmächtig bei mehr oder weniger freiwilligen Wohnungseigentümern/Mietern unterbringen.
Wie gesagt war das undurchsichtige Verhältnis zwischen dem Geissbühler und der Flüchtlingsfamilie für mich die Schwachstelle der Geschichte. Also irgendwas müsstest du da noch machen, dot, keine Ahnung, wie du da mehr Glaubwürdigkeit hineinbekommen könntest. Vielleicht könnte ja auch diese süße Kleine (die mit den hübschen Titten, du weißt schon :Pfeif:) noch eine Rolle spielen.


Und wenn ich schon da bin:

Als ich hinter den Tamers, nur in T-Shirt und Unterhosen, vorbei an der selbstgefällig lächelnden Siegenthaler, abgeführt werde, spüre ich zum ersten Mal, wie es ist, völlig unverschuldet an den Rand des Abgrunds gestellt worden zu sein.
Den Satz hab ich mir gestern zwar markiert, dann aber vergessen, ihn im Kommentar zu erwähnen.
Mir gefällt da das Perfekt nicht. Ich nehme mal an, du hast es gewählt, um ein zweifaches werde/werden (abgeführt werde, gestellt zu werden) zu vermeiden.
Wie wär's mit:
spüre ich zum ersten Mal, wie es ist, völlig unverschuldet am Rand des Abgrunds zu stehen.


Du wirst diese schon sehr gute Geschichte sicher noch besser machen, dot, bin ich mir sicher.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber dot,

Es klingelt, ich stelle die Bierflasche ab, drücke mit der Fernbedienung die Spätnachrichten auf Pause und schäle mich aus dem Fernsehsessel.

Das verstehe ich nicht. Streamt der die Nachrichten? Wie kann denn ein normales TV-Programm auf Pause gestellt werden? Oder meinst du, dass er den Ton ausgeschalten hat?


"Hallo?", frage ich in die Gegensprechanlage, merke jedoch, dass da bereits jemand vor meiner Tür steht.
Kratzt jemand auf dem Boden rum - oder sprechen sie - oder sieht er es durch den Spion?


Die Familie hinter Geissbühler wird unruhig, das Mädchen fängt leise an zu weinen, der Mann zischelt kehlige Laute, worauf das Mädchen verstummt und ihren Teddy Marke Steiff fest an sich drückt.
Ach komm, der Protagonist hat grade in der Situation wirklich den Nerv, den Teddy so genau anzusehen? Nee, sag ich mal.


Fassungslos schaue ich auf das Formular, fange an zu schwitzen, erinnere mich, Sie war hübsch, stand in der Einkaufsstrasse und hielt mir ihren Busen unter die Nase, "Ein Dach für Menschen" stand in knalligem Rot auf ihrem T-Shirt, erzählte mir etwas von den vielen Flüchtlingen, die alles verloren haben, die in Zügen mit nichts als ein paar Habseligkeiten ankommen werden, zu Tausenden, dringend auf Unterstützung und Soforthilfe angewiesen, und so weiter und so fort.

Spätestens nach diesem Absatz hätte ich eigentlich den Tag Satire erwartet.

Alles Nackedeis, 'Die Badenden' von Renoir. Der Vater stellt sich rasch dazwischen und schaut etwas bedrückt auf seine Frau. Schnell hänge ich das Bild ab und stelle es verkehrt herum an die Wand.
Wenn das keine Satire ist.


Fragende Gesichter stehen verloren zwischen Sofa und Fernseher, die Habseligkeiten fest im Griff. Fremde Menschen in einem fremden Land, in einer fremden Wohnung, bei einem fremden Mann. Ich bekomme einen Klos im Hals.

sehr schön.


"Oh, tres bien." Mein Französisch ist zwar holprig, aber besser als nur mit den Händen reden zu müssen. Und nun lerne ich die Geschichte der Familie Tamer kennen. Vater Yusuf, Mama Wafa und Tochter Ghada. Yusuf erzählt von der zerbombten Heimat, wie sie ihr letztes Geld für die Flucht aufbringen mussten, fast in einem Lastwagen erstickt wären, berichtet über die endlose Odyssee durch halb Europa. Yusuf hat Tränen in den Augen, als er sein schönes Haus beschreibt, dass nun in Schutt und Asche liegt, einst erbaut mit Hilfe von Bruder und Schwager, beide beim letzten Raketenangriff auf Allepo ums Leben gekommen.

très bien (gehört zum Holprigsein auch der fehlende accent?)
Und davon abgesehen, wenn das holprig ist, kann die Familie sicher nicht so langatmig und detailliert erzählen und der Protagonist versteht das dann auch noch. Er kann sich das zusammenreimen, aber auch nicht mehr.

Ich lege meine letzten frischen Handtücher, Seife und Waschlappen bereit, da legt Wafa die Hand auf ihren Bauch und schaut mich etwas betreten an. Ich verstehe, krame im Haushaltsvorrat und stosse auf Tinas Restbestand an Binden und Tampos, zum Glück habe ich die Sachen noch nicht weggeworfen.
Also wenn ich die Situation erlebt hätte, hätte ich einen Jägermeister oder Abführmittel hingestellt.
Bitte mach aus dem Bauch eine Stelle oberhalb ihres Schambereiches oder die Stelle, wo der Reißverschluss ihrer Jeans ist oder so.

Während in meiner Wohnung ein geschäftiges Treiben beginnt, gestrandete Flüchtlinge sich wieder in würdevolle Menschen verwandeln,
SATIRE!


"Das muss ein Missverständnis sein ...", das Déja-vu lässt mich kurz schwindlig werden.
Déjà-vu


"Machen Sie auf, wir müssen ihre Wohnung durchsuchen. Hier der Beschluss des Staatsanwalts." Der Ausweis macht einem zerknitterten A4-Blatt Platz. Ich nehme der Polizistin den Wisch aus der Hand.

Lies mal laut: zerknitterten A4-Blatt Platz (viel Spaß bei der ersten Lesung)

das ist ja fast Fischers Fritze :D

ich würde da schlicht schreiben: macht einem zerknitterten Papier Platz.

Mir dämmert es, soeben bin ich vom selbstlosen Helfer zum Fluchthelfer mutiert, womöglich hält die Polizei mich auch noch für den Kopf einer ganzen Bande.

Ich sags nochmal: Satire.

Sie haben mir sogar eine Fahrkarte ausgestellt, so fahre ich nun im Bus nach Hause, in der aufgeschlagenen Pendlerzeitung auf dem Nebensitz schreit mich ein Bild eines Leserreporters an, 10 Franken gibt's für abgedruckte Fotos. Ein Mann in T-Shirt und Unterhose wird durchs Treppenhaus abgeführt, das Gesicht nur schwach verpixelt, dahinter eine grinsende Siegenthaler. Das Bild wirkt verzerrt, wie durch einen Türspion geschossen. Was sind das für Menschen ...
Ich muss gestehen, ich verstehe die Intension dieses letzten Absatzes nicht. Wen klagst du an? Und wieso?
Die Nachbarn, weil sie sensationsgeil sind? Das hat dann aber nichts mehr mit der erzählten Geschichte zu tun. Von daher finde ich den Schluss schwach, wenn ich das richtig interpretiere.

Also wie du aus meinen Anmerkungen gesehen hast, siedle ich den Text vom Erzähltenor her eindeutig in Richtung Satire. Und dazu ist er aber nicht ausgeprägt genug. So ist mir die ganze Szenerie nicht Fisch, nicht Fleisch. Aber das ist noch zu retten. Bleib entweder realer oder mach tatsächlich eine Satire draus, das Gerüst steht fest und wackelt nicht, aber der Putz auf die Mauer ist noch nicht ausgesucht.

Liebe Grüße
Isa

 

Lieber dotslash,

ähnlich wie ernst offshore und bernadette tue ich mich mit deiner Geschichte etwas schwer. Mir gefällt das Gedankenexperiment, das ihr zugrunde liegt sehr gut. Ähnliche Gedanken habe ich in den letzten Tagen sehr oft. Aber ich finde, das Geschehen bleibt zu oberflächlich: Kann es daran liegen, dass du gleichzeitig zwei absurde Situationen beschreiben möchtest: 1. das Eindringen Fremder in die bürgerliche Häuslichkeit des Protagonisten und 2. sein Hineingeraten in eine wahnwitzige Katharina-Blum-Situation? Es erscheint mir schwer, beiden Situationen in einem so kurzen Text gerecht zu werden, er muss oberflächlich bleiben. Vielleicht wäre die alleinige und vertieftere Beschreibung der Konfrontation mit den Fremden eindringlicher gewesen. So packst du beide Aspekte zusammen, und keiner berührt mich als Leser wirklich.

Außerdem bin ich bernadetts Meinung: Dein Text enthält schon so viele satirische Elemente, dass es auf der Hand liegen würde, aus ihm eine Satire zu machen.
Inwiefern du mit ihr allerdings Betroffenheit oder Empathie erzeugen kannst, wage ich zu bezweifeln. Die der Geschichte zugrunde liegende Realität macht uns betroffen, wie auch schon offshore ausgeführt hat, nicht die geschilderten Situationen, dazu finde ich sie zu abstrus, zu konstruiert. Die Stärke deines Textes liegt darin, dass er uns dazu bringt, über unser schnelles Gutmenschentum nachzudenken und zu reflektieren, welche Konsequenzen es haben könnte.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hoi khnebel

khnebel schrieb:
Der Funktionär ist nun gerade der, den man auch so erkennt :D
Sind ja auch nur marginale Sätze, dann lass ich's doch so. Danke.

***

Salü offshore

Ich werd den Text auf jeden Fall überarbeiten.

ernst offshore schrieb:
Mir gefällt da das Perfekt nicht. Ich nehme mal an, du hast es gewählt, um ein zweifaches werde/werden (abgeführt werde, gestellt zu werden) zu vermeiden.
Wie wär's mit:
… spüre ich zum ersten Mal, wie es ist, völlig unverschuldet am Rand des Abgrunds zu stehen.
Jo, kaufe ich.

***

Hallo bernadette

Wow, was für eine Breitseite, eine Satire sollte es eigentlich nicht werden.
Andererseits sind unbewusst tatsächlich einige ironische Formulierungen eingeflossen, die du mit deiner Lesart auch prominent ins Licht stellst. So gesehen ein völlig korrekter Einwand.

Und das bringt mich jetzt in ein Dilemma, soll ich den satirischen Anstrich überpinseln, oder sogar noch kräftiger auftragen. Ich will es halt auch nicht ins Lächerliche ziehen, dazu wiegt mir das Thema viel zu schwer. Na, mal schauen, auf jeden Fall muss mit dem Text noch was passieren, so oder so.

bernadette schrieb:
Das verstehe ich nicht. Streamt der die Nachrichten? Wie kann denn ein normales TV-Programm auf Pause gestellt werden? Oder meinst du, dass er den Ton ausgeschalten hat?
Der Frutiger ist modern, hat swisscom TV oder von mir aus UPC Cablecom, jedenfalls kann man damit laufende Sendungen anhalten, Replay, usw.

Kratzt jemand auf dem Boden rum - oder sprechen sie - oder sieht er es durch den Spion?
Wird verdeutlicht.

..., worauf das Mädchen verstummt und ihren Teddy Marke Steiff fest an sich drückt.
Ach komm, der Protagonist hat grade in der Situation wirklich den Nerv, den Teddy so genau anzusehen? Nee, sag ich mal.
Wollte damit verdeutlichen, dass der Teddy ein "Willkommensgeschenk" ist. Konstruiert, geb ich zu. Kann weg, ein Symbol (brauche Geborgenheit) reicht ja.

Spätestens nach diesem Absatz hätte ich eigentlich den Tag Satire erwartet.
:
Wenn das keine Satire ist.
:
SATIRE!
:
Ich sags nochmal: Satire.
Ich habs ja begriffen ... herrje! :D


très bien (gehört zum Holprigsein auch der fehlende accent?)
Und davon abgesehen, wenn das holprig ist, kann die Familie sicher nicht so langatmig und detailliert erzählen und der Protagonist versteht das dann auch noch. Er kann sich das zusammenreimen, aber auch nicht mehr.
Nein, höchstens Fallfehler sind wohl erlaubt.
Und der Reisebericht ist tatsächlich sehr detailliert, da wollte der Autor die ganze Tragödie auf einen Stecknadelknopf verdichten, werde ich anpassen.

Also wenn ich die Situation erlebt hätte, hätte ich einen Jägermeister oder Abführmittel hingestellt.
Bitte mach aus dem Bauch eine Stelle oberhalb ihres Schambereiches oder die Stelle, wo der Reißverschluss ihrer Jeans ist oder so.
Jägermeister, der war gut!
Ok, werde ich noch besser darstellen.

Lies mal laut: zerknitterten A4-Blatt Platz (viel Spaß bei der ersten Lesung)
das ist ja fast Fischers Fritze
:lol:
1:0 für Wuppertal, sag ich da nur, oder: Der Beweis ist erbracht.
Ich werde mir ab sofort jeden meiner Texte vor dem Einstellen laut vorlesen.

ich würde da schlicht schreiben: macht einem zerknitterten Papier Platz.
Kauf ich.

Ich muss gestehen, ich verstehe die Intension dieses letzten Absatzes nicht. Wen klagst du an? Und wieso?
Die Nachbarn, weil sie sensationsgeil sind? Das hat dann aber nichts mehr mit der erzählten Geschichte zu tun. Von daher finde ich den Schluss schwach, wenn ich das richtig interpretiere.
im Nachhinein wäre wohl:
"Ob Tina auch die Pendlerzeitung liest?" der bessere Schluss, was für eine Satire sprechen würde.
Aber werde ich dann dem Thema wirklich gerecht? Und schon wirft's mich hin und her.

Aber das ist noch zu retten. Bleib entweder realer oder mach tatsächlich eine Satire draus, das Gerüst steht fest und wackelt nicht, aber der Putz auf die Mauer ist noch nicht ausgesucht.
Und damit ziehe ich mich dann Mal zurück ins Schreibstübli und brüte über entweder und oder.

***

Hallo barnhelm

Möglicherweise wollte ich tatsächlich zu viel in den Text packen, zuviele heisse EIsen anpacken, wie: Wo bringen wir nur die ganzen Leute unter? Was wäre, wenn ich bei mir Flüchtlinge aufnehmen müsste? Fluch der neuen Medien, überforderte Staatsstellen, ein überforderter Protagonist, überforderte Menschen ...

Wie auch immer, der Text hat scheinbar seine Bestimmung gefunden

ernst offshore schrieb:
Interessant wird es erst dann, wenn man als Einzelner plötzlich unmittelbar mit der Frage konfrontiert wird, wie weit man für seine (theoretische) Hilfsbereitschaft auch persönliche Opfer zu bringen bereit ist.
barnhelm schrieb:
Mir gefällt das Gedankenexperiment, das ihr zugrunde liegt sehr gut. Ähnliche Gedanken habe ich in den letzten Tagen sehr oft. [...]

Die Stärke deines Textes liegt darin, dass er uns dazu bringt, über unser schnelles Gutmenschentum nachzudenken und zu reflektieren, welche Konsequenzen es haben könnte.

Da muss ich ansetzten, glaube ich. Ob das mit einer Erweiterung zur Satire möglich ist, muss ich erst herausfinden, der andere Ansatz, näher an der Realität zu bleiben scheint mir im Moment die bessere Wahl, mal schauen.

***

Vielen Dank für eure kritischen und konstruktiven Kommentare. Ihr habt mir viele Denkanstösse gegeben.
Liebe Grüsse,
dot

 

Hi, dotslash,

für dich dürfte in diesem Zusammenhang interessant sein, dass heute beim MDR in den Nachrichten kam, dass in Dresden ein gefälschtes Schreiben die Runde macht, das die Einwohner auffordert, Angaben über freistehenden Wohnraum zu machen, um Flüchtlinge aufnehmen zu können. Die Stadtverwaltung hat sich distanziert. Passt doch total auf dein Thema.

khnebel

 

Hey dot

Finde ich mutig, dass du dich an diese Thematik heranwagst. Die Perspektive des überforderten Helfers darzustellen mag angesichts des Leids der Flüchtlinge auf den ersten Blick zynisch wirken. Aber ich denke, es ist wichtig, dass man sich auch dazu Gedanken macht: Was heisst es eigentlich, Mitleid zu haben, was heisst es, jemandem zu helfen? Das ist in den anderen Kommentaren bereits angesprochen worden und das war es, was mich bei der Lektüre deines Textes gefesselt hat.
Du schreibst, dass du eher die realistischen Elemente verstärken und die satirischen zurückdrängen möchtest, dich aber noch nicht entschieden hast. Ich möchte dich in diesem Vorhaben bestärken. Den Anfang der Geschichte fand ich klasse, auch die Beschreibung der konkreten Probleme, die sich stellen. Dass die Unterschrift eine Art Versehen war, empfand ich demgegenüber als einen Einfall, der die ganze Sache ins Kippen bringt. Vielleicht hat er ja im vollen Ernst unterschrieben, aber die Zuteilung erfolgt früher als geplant. Vielleicht spielt die Sache in naher Zukunft und es gibt Zwangszuteilungen. Nur so Ideen. In beiden Fällen würde auch die ganze Schlepperpointe wegfallen. So hättest du mehr Raum für die zentrale Thematik. Ich bin gespannt auf deine Entscheidungen.

Ich bringe ihre zugewiesenen Leute.
Die ihnen zugewiesenen Leute ist zwar umständlicher, scheint mir aber präziser zu sein.

Und Sie haben sich für eine vorübergehende Aufnahme bereit erklärt.

im Treppenhaus verstummt das abendländische Gemurmel
Nicht: morgenländische? Oder steh ich auf dem Schlauch?

welch Kontrast zu dem friedlichen Renoir.
Damit bin ich nicht ganz glücklich geworden. Einerseits, weil es ausgesprochen ist und sich nicht ergibt – der Abstand der beiden Passagen ist zu gross. Und zum anderen, weil der Renoir eine andere Funktion hatte, ja ein störendes Element war. Da kommt seine Friedlichkeit zu überraschend.

Die Dämmerung zwängt sich durch die halb geschlossene Jalousie.
Dieses Bild passt für mich nicht so ganz. Bei Dämmerung zieht sich das Licht zurück.

Ich mache ihnen verständlich, dass sie sich mein Schlafzimmer und das Büro teilen können, sie bestehen aber aufs Wohnzimmer, möchten zusammenbleiben, und so basteln wir zusammen eine Art Schlafnest. Die Couch kann ich ausziehen und die vom Sardinientrip mit Tina übrig gebliebene Luftmatratze gibt ein prima Kinderbett. Ich lege meine letzten frischen Handtücher, Seife und Waschlappen bereit, da legt Wafa die Hand über ihren Schritt und schaut mich etwas betreten an. Ich verstehe, krame im Haushaltsvorrat und stosse auf Tinas Restbestand an Binden und Tampos, zum Glück habe ich die Sachen noch nicht weggeworfen.
Fand ich klasse!

Ich habe deinen anregenden und guten Text gerne gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

khnebel schrieb:
... dass heute beim MDR in den Nachrichten kam, dass in Dresden ein gefälschtes Schreiben die Runde macht, das die Einwohner auffordert, Angaben über freistehenden Wohnraum zu machen, um Flüchtlinge aufnehmen zu können.
Schon etwas gruselig, in der Tat. Scheint mir wohl eine Protestaktion zu sein - aber eher gegen, als für die Flüchtlingshilfe.

***

Salü Peeperkorn

Peeperkorn schrieb:
Was heisst es eigentlich, Mitleid zu haben, was heisst es, jemandem zu helfen? Das ist in den anderen Kommentaren bereits angesprochen worden und das war es, was mich bei der Lektüre deines Textes gefesselt hat.
Stimmt, was heisst es, wenn man dann wirklich ein Stück seines Freiraums dafür aufgeben muss?
Schön, wenn diese Quintessenz bei dir auch so ankam.

Du schreibst, dass du eher die realistischen Elemente verstärken und die satirischen zurückdrängen möchtest, dich aber noch nicht entschieden hast. Ich möchte dich in diesem Vorhaben bestärken. Den Anfang der Geschichte fand ich klasse, auch die Beschreibung der konkreten Probleme, die sich stellen.
Prima, das macht Mut.

Vielleicht hat er ja im vollen Ernst unterschrieben, aber die Zuteilung erfolgt früher als geplant.
Jep, muss in diese Richtung laufen.

Die ihnen zugewiesenen Leute ist zwar umständlicher, scheint mir aber präziser zu sein.
Nehm ich, danke.

Nicht: morgenländische? Oder steh ich auf dem Schlauch?
Ha, ha, freudsche Verfehlung, es war tiefe Nacht und so wurde das Morgenland zum Abendland. Da der Satireanstrich sowieso geschliffen wird, ändere ich es in fremdländisches Gemurmel.

welch Kontrast zu dem friedlichen Renoir.
Damit bin ich nicht ganz glücklich geworden. Einerseits, weil es ausgesprochen ist und sich nicht ergibt – der Abstand der beiden Passagen ist zu gross. Und zum anderen, weil der Renoir eine andere Funktion hatte, ja ein störendes Element war. Da kommt seine Friedlichkeit zu überraschend.
Stimmt, mit etwas Abstand liest sich der Vergleich echt bemüht. Fällt raus, danke.

Die Dämmerung zwängt sich durch die halb geschlossene Jalousie.
Dieses Bild passt für mich nicht so ganz. Bei Dämmerung zieht sich das Licht zurück.
Das wäre bei Abenddämmerung, ich meinte aber die Morgendämmerung, schreibe das noch deutlicher hin.

Danke für die restlichen Typos und fürs Gernlesen.

Liebe Grüsse,
dot

 

So, den Satireanstrich habe ich entfernt, die Schlepperbande mutiert zur etwas naiv operierenden Hilfsorganisation und das Leserreporter-Thema ist raus. Dafür bekam die Aktivistin auch einen Auftritt am Ende.

Danke noch einmal euch allen für die guten Tipps.

 

Hi dot,

das ist besser. Das ganze wirkt authentischer.

Lediglich die Szenerie mit Geissbühler finde ich teilweise noch übertrieben. Ich mach einfach mal die Sätze fett, die mir nicht so gefallen im Gesamtkontext, weil sie der Situation gegenüber für mich zu klamaukig wirken:

Vor der Tür steht ein Mann um die vierzig, schlecht sitzender Anzug, verschwitztes Hemd, zerknitterte Krawatte. In den Händen hält er eine Mappe, aus der er ein A4-Blatt herauszieht und mir unter die Nase hält.
...
"Ja, tut mir leid, aber wir kommen nicht hinterher, es sind einfach zu viele. Und wir sind ja auch nur Menschen, oder? Wenn Sie dann mal bitte hier beim Kreuz bestätigen könnten?"

Der letzte Satz wirkt holprig durch:

Und dann suchen wir im Schrank nach einem etwas neutralerem T-Shirt für dich.
schreib doch einfach: nach einem anderen T-Shirt - der Leser weiß ja, wieso er das wechseln will.

Liebe Grüße
Isa

 

bernadette schrieb:
Lediglich die Szenerie mit Geissbühler finde ich teilweise noch übertrieben.
Tja, da heisst es wohl "Kill (more of) your darlings" :D
Hab deine fetten Teile entfernt, weniger ist mehr.

bernadette schrieb:
schreib doch einfach: nach einem anderen T-Shirt - der Leser weiß ja, wieso er das wechseln will.
Stimmt, liest sich viel besser.

Danke dir für deine Rückmeldung.
Schönes WE,
dot

 

Hallo Dotslash,

du hast dich an ein aktuelles Thema herangewagt.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.
Sie ist in einem klaren Stil geschrieben und lässt sich sehr flüssig lesen.
So etwas mag ich.
Roland ist überfordert, er ärgert sich über die Unterschrift die er geleistet hat,
aber er stellt sich der Situation auf empathische Art und Weise.
Es werden Dinge wie Angst, Vorurteile, Ablehnung, aber auch Mitmenschlichkeit
in die Geschichte mit eingebunden.
Alle Aspekte dieser aktuellen Thematik werden angesprochen und in einer
guten Story erzählt.
Und das in einer für eine Kurzgeschichte angemessenen Länge.
Daumen hoch!

Gruß

Raimond

 

Diese Geschichte wäre gut, wenn sie glaubwürdig wäre. Ist sie aber nicht. Weil beinahe alles in ihr zu dick aufgetragen wurde, so dass auch ich an eine Satire glaubte.

Da ist zum Beispiel die Stelle, wo sich der Prot daran erinnert, nur die Adresse und die Unterschrift hinterlassen zu haben, der freie Mitarbeiter des Projekts „Dach über dem Kopf“ aber weiß, dass der Prot eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung bewohnt und weder Haustiere noch Kinder hat. Woher weiß er das, wenn nicht vom Prot? Die Überraschung des Prots ist also nicht glaubwürdig.

Dann das weinende Kind, die Frau menstruiert gerade und zeigt das auch an, der Renoir an der Wand wirkt peinlich und natürlich stinken alle drei. Ausländer stinken grundsätzlich, nicht wahr? Und die Polizei hat nach wenigen Stunden gleich einen Durchsuchungsbefehl mitgebracht, bricht nach vielleicht 1 Minute Wartezeit die Tür auf und führt den Prot in der Unterhose ab wie einen Schwerkriminellen, um ihn gnädig nach 12 Stunden zu entlassen, obwohl sie über die Organisation „Dach über dem Kopf“ schon längst Bescheid weiß.

Die Thematik ist zwar hochaktuell, dotslash, und es ist dir hoch anzurechnen, dass du dich an sie gewagt hast, aber sie so auf die Schnelle zusammen zu schustern hat sie nicht verdient. Du hast zu viel gewollt und auf einmal reingepackt.

Ich würde an deiner Stelle erstmal versuchen, die Geschichte glaubwürdiger zu machen. Dazu müssten ev. die von mir und anderen monierten Stellen verschwinden oder zumindest gemildert werden – dass die Familie unangekündigt mitten in der Nacht kommt, ist Problem genug. Auch der Denunziant sollte bleiben. Ebenso die Polizei, die aber menschlicher, vielleicht auch betont bürokratischer agieren sollte.

Vielleicht habe ich noch was vergessen, aber ich will die Geschichte, so wie sie ist, nicht noch einmal lesen. Tut mir leid, dotslash, keinen besseren Kommentar abgeben zu können, aber du wirst diesen Verriss hoffentlich überleben, bist ja ein alter Hase. :)

 

Hallo Raimond,

du hast dich an ein aktuelles Thema herangewagt.
Richtig, es war ein Wagnis. Auch wenn ich dem Thema (noch) nicht ganz gerecht werde, freut es mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Du hast meine Intention schön zusammengefasst.
Danke dir fürs Lesen und die nette Rückmeldung.
Liebe Grüsse, dot

***

Hallo Dion

Diese Geschichte wäre gut, wenn sie glaubwürdig wäre. Ist sie aber nicht. Weil beinahe alles in ihr zu dick aufgetragen wurde, so dass auch ich an eine Satire glaubte.
Da muss ich durch, selber Schuld.
Denn ich hätte es mir einfacher machen können, in dem ich die erste Fassung weiter zur Satire hochstilisierte. Aber mir war's nicht drum, das ganze zu stark satirisch wirken zu lassen, und so habe ich versucht, mich mit der Überarbeitung mehr der Realität anzunähern, was mir offenbar nicht gelungen ist.

... dass der Prot eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung bewohnt und weder Haustiere noch Kinder hat. Woher weiß er das, wenn nicht vom Prot? Die Überraschung des Prots ist also nicht glaubwürdig.
Richtig, Satire-Überbleibsel, geb ich dir recht. Da müsste der Prot das schon aufs Klemmbrett gekritzelt haben, obwohl er wahrscheinlich stutzig geworden wäre, weshalb die Org für eine Geldspende Auskunft über seine Wohnverhältnisse bräuchte. Das muss ich ebenfalls umschreiben.

Dann das weinende Kind, die Frau menstruiert gerade und zeigt das auch an, der Renoir an der Wand wirkt peinlich und natürlich stinken alle drei. Ausländer stinken grundsätzlich, nicht wahr?
Da muss ich dagegenhalten.
Wenn ein Mensch tagelang unterwegs ist, ohne sich richtig waschen zu können, dann riecht er für mein Empfinden streng. Das hat nichts mit "Ausländer stinken grundsätzlich" zu tun, das erwarte ich auch bei einem weitgereisten Schweizer, der direkt vom Bahnhof abgeholt und mit Sack und Pack in eine fremde Wohnung gestellt wird. Oder so, wie wenn unser Sohn jeweils nach drei Tagen Gurtenfestival heimkam. Da riecht es in der Wohnung einfach "ungewohnt anders". -> Zeltlagerschlafsackmief.

Und die Polizei hat nach wenigen Stunden gleich einen Durchsuchungsbefehl mitgebracht, bricht nach vielleicht 1 Minute Wartezeit die Tür auf und führt den Prot in der Unterhose ab wie einen Schwerkriminellen, um ihn gnädig nach 12 Stunden zu entlassen, obwohl sie über die Organisation „Dach über dem Kopf“ schon längst Bescheid weiß.
Stimmt, auch ein Überbleibsel der Übertreibung, hach ist das schwer, loszulassen ...

Die Thematik ist zwar hochaktuell, dotslash, und es ist dir hoch anzurechnen, dass du dich an sie gewagt hast, aber sie so auf die Schnelle zusammen zu schustern hat sie nicht verdient. Du hast zu viel gewollt und auf einmal reingepackt.
Danke. Vielleicht kann ich innerhalb einer Kurzgeschichte dem Thema gar nicht richtig gerecht werden? Eventuell geht das doch nur auf satirische Art?

Ich würde an deiner Stelle erstmal versuchen, die Geschichte glaubwürdiger zu machen. Dazu müssten ev. die von mir und anderen monierten Stellen verschwinden oder zumindest gemildert werden – dass die Familie unangekündigt mitten in der Nacht kommt, ist Problem genug. Auch der Denunziant sollte bleiben. Ebenso die Polizei, die aber menschlicher, vielleicht auch betont bürokratischer agieren sollte.
Guter Ansatz, mal schauen ob ich es besser hinkriege.

Vielleicht habe ich noch was vergessen, aber ich will die Geschichte, so wie sie ist, nicht noch einmal lesen.
Na, immerhin hast du sie einmal durchgelesen und mir einen konstruktiven Kommentar dagelassen. Das ist doch schön, vielen Dank dafür.

Tut mir leid, dotslash, keinen besseren Kommentar abgeben zu können, aber du wirst diesen Verriss hoffentlich überleben, bist ja ein alter Hase.
Habs überlebt.;)
Nichts ist befruchtender als eine ehrliche Meinung, vor allem wenn es um die Geschichte geht, da bin ich hart im Nehmen.

Liebe Grüsse, dot

 

He Dot,

schön, dass sich jemand an das Thema ranwagt.
Also ich muss sagen, mir hat es größtenteils gefallen. Kenne die vorherigen Versionen nicht, aber ich lese hier schon noch den Schalk raus. Also, wenn du hier in erster Linie eine glaubwürdige Stimme rüberbringen wolltest, dann sitzt das für mich noch nicht so recht. Dafür ist dein Prot einfach zu lax.
Datenschutz und so, also der Ton insgesamt. Da müsste dann noch mehr Ernst rein in den Text, das ist alles noch so nett. Fokus vielleicht mehr auf die Flüchtlinge.
Ob es die Tina braucht? Dann die Szene mit den Binden, weiß nicht. Du hast die Getränke und die Binden drin, so als Aufzeig, dass es am Wesentlichen mangelt. Ohne das ich ein Beispiel hätte, fehlt mir da ein irgendwie krasseres Bedürfnis, etwas, dass noch stärker diese Kluft aufzeigt zwischen den Welten, die da aufeinanderprallen, oder eben ein Absurderes. Die Szene mit den Nackten im Flur, das finde ich originell und gut.

Ich bekomme einen Klos im Hals.
ich weiß ja, du hast kein ß auf deiner Tatstatur, aber du schreibst doch auch Schoss. Müsstest du dem Kloss nicht auch ein zweites s spendieren?

grüßlichst
weltenläufer

 

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