Was ist neu

Thema des Monats Celebrate Yourself

Seniors
Beitritt
22.10.2011
Beiträge
2.953
Zuletzt bearbeitet:

Celebrate Yourself

Das Pflaster ist abgenutzt, brüchig. Doch es schimmert. Als hätten die Besucher nicht nur ihre Schuhe, sondern auch die Steine poliert. Mulden überziehen den Weg zum Kirchenportal, fügen sich zu einer narbigen Landschaft ölig glänzender Plättchen, die an den Panzer eines Reptils erinnern.
Über der Tür hängt eine Fahne. Goldene Schrift auf violettem Grund: Celebrate Yourself steht darauf. Und darunter Unity Healing Church of Arizona. Eine Ecke der Fahne weht hinein in den Eingang, so dass der Stoff den Kopf streift, wenn man sich beim Eintreten nicht beugen will. Rau verputzte Wände umgeben den Platz, wachsen hinein in den Himmel, beschneiden sein Blau zu einem winzigen Viereck.

*​

Wann hatte ich mich in Mady verliebt? Ich wusste es nicht mehr. Irgendwann in den letzten Monaten meines Austauschsemesters hier in Phoenix, als das Frühstück immer noch nach Heimweh schmeckte. Als ich keine Sonne mehr sehen wollte und sie doch jeden Morgen schien und Traurigkeit in mich hineinglühte. Mady. Hatte sie mich gefunden oder ich sie? Ich weiß nur noch, dass sie auf einer Party war, die meine Austauschfamilie mir zu Ehren gegeben hatte. Dass sie weinte, weil ein Typ mit ihr Schluss gemacht hatte. Irgendwann in der Nacht lehnte sie sich gegen mein Knie, und ich streichelte ihr über den Kopf. Winzig und zerbrechlich fühlte er sich an, wie der eines Vogels. Da hatte ich mich in sie verliebt.

„Du musst den Hut absetzen“, sagte Mady, als wir auf den Eingang zugingen.
„So was mach ich nur im Bett.“
„Spinner! Bitte tu‘s! Mir zuliebe.“
Ich hatte ihren verlegenen Blick gesehen. Immer reagierte sie so, wenn ich was Anzügliches sagte. Sie hätte mich mal daheim hören sollen, wenn ich mit meinen Handballkumpels unterwegs war, dagegen war das hier der reinste Betschwesterntalk. Und besonders weit gekommen war ich bei ihr auch noch nicht. Nach sechs Wochen! Hier und da mal ein bisschen Gefummel im Auto. Aber so richtig? Nee Kumpel, das war nicht. Okay, sie küsste tierisch gut. Aber was sollte ich den Jungs zuhause erzählen? Dass ich mich in ein Mädel verguckt hatte, das ich nur küssen durfte? Auch wenn die Küsse süß schmeckten wie Mango? Das konnte man einem Handballkumpel nicht erzählen? Klang verdammt schwul. Ich seufzte. Sie hatte halt noch nicht viel Erfahrung, und dann war da diese strenge Kirche, in die sie ging. Außerdem hatte ich mich in sie verliebt. Sie hatte mir den Ball echt ins Netz gesetzt. Das war einfach so.
Mady lächelte mir zu. Schön sah sie aus, sie hatte Lippenstift aufgelegt und das Haar zu einem Nackenknoten geschlungen. Eigentlich stand ich nicht auf so was, mochte weder angemalte Weiber noch auf altmodisch getrimmte. Aber zu ihr passte es.
Sie tippte gegen die Krempe meines Hutes. „Steht dir! Hab ich gut ausgesucht“, sagte sie. „Richtig cool, du American Idol“, dann kniff sie mich in den Oberarm und lachte. Das war ein Spiel zwischen uns, immer dem anderen sagen, wie gut man ihn fand, bis der verlegen wurde.
Ich nahm den Hut in die Hand und strich stolz über das weiche Stroh. Ein echter Stetson. Dann duckte ich mich. Eine Fahne, die schon Hunderte fettiger Köpfe berührt hatte, wollte ich von meinem Haar fernhalten. Ich war nicht gerade schön, aber auf meine roten Locken war ich stolz. Jedenfalls lobten die Mädels sie immer, wenn sie in mein Haar griffen, kleine Rollen um ihre Finger zwirbelten und damit spielten, bis man erst eine Hand und dann einen weichen Mund küssen konnte. Mady stolperte und griff nach meinem Arm. „Schon gut“, sagte ich, „ich laufe dir nicht weg.“ Ich neigte meinen Kopf zur Seite, um meinen steifen Nacken zu dehnen. Mein Blick streifte einen Vogel, der gerade auf eine Fensterbank im Inneren der Kirche geflogen war. „Siehst du die Krähen? Immer Krähen. Wie kommt das? Immer sind Krähen in den Kirchen. Werden die Menschen ihnen ähnlich oder ist es umgekehrt? Ich glaube, das kommt vom Kirchenlieder Singen, meine Oma hatte zuletzt genauso einen Schnabel, weil sie zu viele Kirchenlieder ...“
„Hör auf“, sagte Mady, „man kann dich hören.“
Ich verstummte. Wenn ich schon mitkam, dann wollte ich den Moment für sie nicht verderben. „Schon gut“, flüsterte ich, „ich meckere ja nicht mehr. Alles für meine kleine Vogellady.“
Mady griff fester nach meinem Arm. „Tut´s dir Leid?“ Ich schüttelte den Kopf, aber sprechen wollte ich trotzdem nicht. Aus Liebe in die Kirche gehen. Mann! Ich war froh, dass die Typen vom Handball das nicht wussten. Mady drückte einen Kuss auf meine Schulter. „Danke“, sagte sie. „Ich finde es schön, dass du mir den Gefallen tust und mitkommst, bevor du zurückfährst. Vielleicht habe ich heute Abend eine Überraschung für dich.“
„Yeah“, sagte ich, dachte kurz an Madys Eltern, die fortgefahren waren und an eine Nacht, die vor mir lag wie ein langes, spannendes Spiel, Angriff, Verteidigung, meine Hand am Ball und dann … Vielleicht würde ich heute Nacht zum Abschluss kommen. „Yeah“, sagte ich, spürte, wie sich mein Schwanz regte, und dachte an Madys kleine, spitze Brüste. „Yeah“, sagte ich noch einmal und fühlte mich sehr männlich und sehr amerikanisch. Dass ich für lange Zeit nicht zurückkehren würde, wenn ich erst nach Hause geflogen war, vielleicht nie mehr, das musste ich ja nicht heute sagen.

Das Innere der Kirche war wie ein Aquarium, eine tiefgrüne, kühle Welt. An einer Bankreihe wartete ein Mann und begrüßte die Eintretenden. Ein behäbiger Typ im Flatterhemd, der Bauch wölbte sich über den Jeans. „Das ist Pastor Cattlinger“, sagte Mady. „Komm schon, gib ihm deine Hand.“
Lachfältchen verneigten sich vor mir, eine verschwitzte Hand griff nach meiner. Am Ellenbogen spürte ich Madys sanften Zug. Sein Handdruck war weich, nur ganz am Ende hatten seine Finger etwas spitzig Zupackendes.
„Oh, Sie sind Lenny, wir haben in der Gemeinde schon viel von Ihnen gehört. Sie tun Mady ja so gut. Seit Sie da sind, ist sie ein ganz anderer Mensch.“ Ich lachte und schaute verlegen auf Madys rechten Arm, der noch immer an meinem lag. So dünn ist er, dachte ich und fühlte mich schuldig. Als ich hierhergekommen war, hatte sie auch so ausgemergelt ausgesehen, aber unsere Liebe hatte sie genährt und ein rundliches Vögelchen aus ihr gemacht. Jetzt war er wieder dünn.
„In einer Woche schon fahren Sie zurück nach Deutschland?“, fragte er. „Aber Sie werden unsere Mady doch nicht vergessen. Nicht wahr?“
Ich lachte verlegen und stammelte irgendetwas Belangloses. Wer will schon, dass der Pfarrer einem über die Schulter glotzt, wenn man einfach mal mit seinem Mädchen ficken will? Cattlinger sah mich an. Der kleine, dicke Pfarrer wirkte auf einmal nicht mehr behäbig, sondern erinnerte mich an einen spähenden Vogel. Für einen Moment spürte ich mich von seinem Blick gehalten, die Narbe an meinem rechten Mundwinkel pochte, so dass ich den Kopf senkte. Mein Blick fiel auf meine Schuhe, TV Großwallstadt stand darauf, und ein bisschen Sicherheit flutete zurück. Schlimmer als ein Spiel gegen Kiel konnte es bei den Betbrüdern hier auch nicht sein. Für einen Moment sah ich unseren Kreisläufer, wie er Cattlingers Kugelbauch aus dem Weg und mir den Weg zu Mady frei räumte. Ich grinste, dann drängte ich mich mit einer Entschuldigung an Cattlinger vorbei. Üble Auswirkungen hatte so ein Betpalast, dachte ich, da traute man sich noch nicht mal, an ein bisschen Liebe mit seiner Kleinen zu denken. Mady nahm meine Hand und drückte sie. Wahrscheinlich freute sie sich auch auf heute Abend. Wenn sie nur nicht so dünn geworden wäre. Und so traurig.
Die Kirche war halbvoll. „Lass uns hinten sitzen“, flüsterte ich, doch Mady wollte nach vorne. Na gut. Alles, was sie will, dachte ich, sie wird es schwer genug haben, wenn ich wieder nach Deutschland gehe. Ich hatte ihr versprechen müssen zurückzukommen. Ich wollte es ja auch, denn ich liebte sie. Aber diese Liebe zog mich manchmal unter Wasser. Und wenn ich sagte, dass wir noch verdammt jung waren, dann weinte sie. Welcher Kerl kann es denn ertragen, wenn sein Mädchen weint wie ein Kind? Wenn sie den ganzen Raum mit ihrer Liebe füllt und mit ihren Tränen, so dass für dich kein Platz mehr bleibt? Ach Mady. Ich griff nach ihrer Hand und küsste sie. Sie blickte mich erstaunt an.
Die Wand vor mir war mit violetten Stoffbahnen verhüllt. Davor wartete ein riesiges Schlagzeug, neben dem sich gerade der Chor aufstellte. Alle in schwarzweißer Kleidung. Ich musste grinsen, als mein Blick weiterwanderte zu den Bankreihen rechts von mir. Sie waren nicht leer, wie ich zuerst gedacht hatte, Stofftiere saßen dort. Stofftiere und Puppen. Als wenn sie an der Feier teilnehmen wollten. Ihre Glasaugen fixierten die gegenüberliegenden Wände, die Menschen, sie sahen aus, als warteten sie. Ich stieß Mady an. „Was ist das für eine Plüschbande?“, fragte ich. „Spielen die auch ein Instrument? Oder sind sie für den Spezialsound zuständig? Belly Cattle und die grölenden Teddys?“ Mady riss die Hand, mit der ich auf das Plüschheer gedeutet hatte, herunter. „Darüber lacht man nicht“, sagte sie. „Das sind die Geschenke der Leute, denen beim Healing geholfen wurde. Vor allem Kinder machen das und Jugendliche. Es ist Dankbarkeit. Wenn einem wirklich geholfen wird, schenkt man schon mal seinen Spielgefährten her.“ Ich stupste sie an: „Ist von dir auch einer dabei?“ Sie schüttelte meinen Arm ab. „Das ist was für Kinder“, sagte sie abweisend.
Ganz vorn saß eine Puppe, das lange, blonde Haar zu Zöpfen geflochten. Glänzende Augen starrten mich an. Neben ihr ein Teddy, das Fell abgeschabt und räudig wie bei einem uralten Hund. In der Luft lag ein erdiger Geruch. Ich schnupperte, bis ich es endlich hatte. So roch es, wenn man Marmelade zu lange hatte stehen lassen, und der Deckel sich vom grünen Gewölle des Schimmels nach außen wölbte. Eine Spielzeugarmee saß da, alte Teddys, ein paar neue, dann wieder eine verschrammte Puppe. Abgenutzt und zu Tode geliebt, alle in kunstvoll genähten, schwarzweißen Gewändern. Über der Bank mit den Stofftieren klaffte ein Fenster, es sah aus wie in die graue Wand geschnitten. Von draußen glaubte ich, das Schreien der Krähen zu hören.

Langsam füllte sich die Kirche. Die meisten standen, hatten die Mäntel ausgezogen, sie achtlos hinter sich auf die Holzbänke geworfen.
Ich atmete erleichtert auf, als ein Trommelwirbel einsetzte. Dann war es in einer Stunde hoffentlich vorbei, dachte ich und seufzte noch einmal. Eine Frau wandte sich mir zu: „Dein erstes Mal, Hun? Du wirst sehen, es ist wunderschön, mach einfach alles nach. Es ist gut, dass du da bist.“ Ich blickte die Bankreihen entlang. Ringsum freundliche Gesichter, die mir zunickten. Gesichter, die mich beobachteten. Voller Erwartung. Gesichter, die wussten, dass man nicht an Ficken denken durfte, wenn die Freundin traurig war. Augen, die mich fixierten. Ein Nicken. Überall. Freundlich und drängend. Ich drehte mich um, schaute nach hinten. Von allen Seiten wandten sich mir Köpfe zu, konnten gar nicht mehr damit aufhören, mich willkommen zu heißen, zu nicken und mich zu fixieren und noch einmal zu nicken. Ganz egal, wohin ich sah, ein Meer schaukelnder Köpfe. Ich wandte mich ab.
Endlich begann der Chor zu singen. Ein schnelles Lied, nicht so lahm, wie ich das von den Kirchenliedern zuhause kannte. Es groovte, ein rockiger Sound, mit Gospel gemischt. Außer mir standen jetzt alle, wiegten sich im Rhythmus der Musik und hoben die Arme. Einer nach oben, einer im rechten Winkel vor dem Körper. Wie begeisterte Schiedsrichter, die froh waren, einem eine Zeitstrafe aufzudrücken für ein Foul, das man nur gedacht hatte. Dann erhoben sie auch den anderen Arm und malten Kreise, ließen ihre Hände immer schneller rotieren, als wollten sie ein Loch aus der Luft herausschneiden. Mady zog mich hoch. Doch ich blieb steif. Cattlinger trat vor die wogende Menge und hob beide Arme. Der Oberschiedsrichter. Mein rechter Mundwinkel zuckte, Stiche pochten von den Zähnen bis in die Schläfen hinein. Verdammt. Nicht jetzt. Bloß keine Anwandlung. So hatte meine Oma die Schmerzattacken immer genannt. Das erste Mal hatte ich das, kurz bevor meine Tante und ich einen schweren Unfall hatten. Ein Wagen war wie aus dem Nichts in uns reingerauscht. Manchmal, wenn alles um mich herum schwieg, wusste ich, dass ich das Auto schon vorher gesehen hatte. Dass ich sie hätte warnen können. Nur meine Oma glaubte mir. Aber Mutter und Schwester erzählten was von Trauma und dass ich in eine Therapie müsste, aber da hatte ich schon mit dem Handball angefangen. Und im Verein lässt du schnell jede Psychomacke in den kleinen Zeh rutschen. Geblieben war mir von dem Unfall die Narbe am Mundwinkel. Und die Anwandlung.
Mir wurde schwindlig, die Luft fühlte sich kühler an, als sei die Temperatur um ein paar Grad gefallen. Die Stimmen des Chors tönten dumpf wie mit Plastikfolie umwickelt, die Bewegung der Tanzenden wurde träge. Die Konturen von Cattlingers Gesicht kräuselten sich, lösten sich auf und setzten sich wieder zusammen zu einer gezackten Raute.
Ich zwinkerte, schlug mit der Hand gegen meinen Kopf, setzte den Hut auf, ruckte ihn in drei verschiedene Richtungen, bis Cattlingers Gesicht in seine normalen Proportionen gerutscht war. Vielleicht sollte ich abhauen von hier, wenn ich schon Anwandlungen bekam von diesen frommen Luftbeschwörern. Wie von weitem hörte ich Madys Stimme. Sie riss mir den Hut vom Kopf und packte meinen Arm. Ich schnappte nach Luft. Mein schöner Stetson. Die Frau neben mir lachte. „Den kriegst du wieder, Schätzchen“, sagte sie und rückte dicht an mich heran. Sie hatte einen sehr tiefen Ausschnitt, wie kleine Pfropfen stachen die Nippel durch die dünne Bluse. Ein saurer Geruch wehte zu mir herüber. Ich ekelte mich, doch ich musste dauernd in ihr üppiges Dekolleté schielen. Von rechts spürte ich Madys Schenkel. Rieb sie ihr Bein gegen meines? „Sorry, das wollte ich nicht“, sagte sie und reichte mir den Hut.
Cattlinger breitete die Arme aus. Das schwarze Hemd blähte sich. Ich grinste, scheiß auf Anwandlungen, er sieht aus wie eine Wachtel, die mit den Flügelchen flattert, dachte ich und verdrängte die Erinnerung an seinen spähenden Blick. Der Chor schwieg, nur ein eintöniges Summen war zu hören. Die Menschen blieben stehen und ließen weiter die Hände in der Luft kreisen. Luftmassage, dachte ich, wie bescheuert, und, Muckibude für Baptisten, doch die Frau neben mir stand zu eng, als dass ich meinen Spott hätte genießen können.
„Freunde“, erhob Cattlinger seine Stimme, „wir wollen feiern. Uns. Heute und alle Tage. Nicht nur am Tag unserer Geburt. An jedem Tag. Es ist gut, wie wir sind. Es ist gut, was wir sind. Feiern wir uns und unsere Bedürftigkeit. Denn so heilen wir uns. Auf immer.“ Das Summen wurde lauter, schwebte im Raum wie eine einlullende Klangwolke, aus der die helleren Stimmen einiger Frauen herausstachen.
„Heilen wir uns, meine Brüder und Schwestern, indem wir uns lieben. Indem wir uns wollen, so wie wir sind. Nehmt eure Brüder und Schwestern an.“ Die Frau neben mir packte meine Hand und hob sie in die Höhe. „Lasst eure Brüder und Schwestern in eure Herzen.“ Die Frau zog meine Hand herunter, rückte dicht an mich heran, so dass ich ihre Brust spürte. Ich zog meinen Arm weg, wollte Abstand, ich schämte mich vor Mady, sie war doch neben mir, wie konnte ich mich da an fremden Titten aufgeilen, aber Mady lachte mir beruhigend zu und presste sich von der anderen Seite an mich, so dass ich auch ihre Brust spürte. Dann rieb sie wieder ihren Schenkel gegen meinen. So drängend hatte ich sie noch nie erlebt. Komisch war das. Vielleicht gehört das alles dazu, zu diesem Healing, beruhigte ich mich. Nicht schlecht, dachte ich gleichzeitig und musste grinsen, vielleicht konnte ich den Handballern zuhause ja doch davon erzählen. Langsam begann mein Körper sich mitzuwiegen im Rhythmus der Menge, begann Madys Bewegungen neben mir zu genießen.
Der Chor sang wieder. Eine Frau hatte sich aus der Menge gelöst und tanzte auf Cattlinger zu. Der Pastor legte ihr beide Arme auf den Kopf, als wollte er sie auf die Knie zwingen. Sie zuckte stärker und fing an zu schreien: „Vergib mir Herr, ich habe gesündigt, ich konnte mich selbst nicht lieben und wollte gehen. Hilf mir, dass ich zu dir finde und mich selbst liebe. Ich will geheilt werden.“ Cattlinger nahm die schluchzende Frau in die Arme, schob ihr etwas in den Mund, umarmte sie noch einmal und küsste sie, bis ihre Bewegungen weich wurden. Dann rief sie: „Ich danke dir, jetzt weiß ich, dass du mich liebst. Jetzt weiß ich, dass ich mich selbst liebe.“ Mir war heiß, meine Hände an den Brüsten der beiden Frauen schwitzten. Die Leute um mich herum rückten immer enger, traten nach vorne, zogen uns mit. Mady zuckte. Ein unheimliches Beben, das immer stärker wurde. Ich riss mich los, packte sie, schaute ihr ins Gesicht, sprach sie an. Mady sah aus, als wäre sie weit weg von mir. Ihre Arme wischten durch die Luft, zirkelten Spuren hinein, ihr Körper stampfte und drängte. Ich hatte Angst um sie, wollte sie halten, doch sie riss sich los und tanzte auf Cattlinger zu, wand sich, kreiste mit den Hüften. Wenn der Drecksack sie jetzt umarmte und küsste wie vorhin die andere Frau, dann würde ich ihn mit einem meiner besten Schlagwürfe beglücken, auch ohne Ball. Pfarrer hin oder her.
Mady tanzte mit weit erhobenen Armen vor Cattlinger, der sie an der Stirn hielt. „Sag es, Mady!“, schrie er. „Was ist es, das dich nicht lieben lässt?“ Hinter mir spürte ich Hände, die mich vorwärts schoben. Mady schrie, immer wieder, sie war in dem Gesang der Gemeinde kaum zu hören: „Ich habe Angst, dass er geht, Herr, hilf mir, mich selbst zu lieben. Hilf mir zu lernen, dass meine Wünsche zählen.“ Die Hände, die mich nach vorne zwangen, waren unerbittlich, Körper drängten nach, in der Luft lag ein betäubender Geruch. Wie Baldrian; aber gleichzeitig lag noch etwas anderes dahinter, etwas Schweres, wie verrottende Blumen. Ich war von Leibern eingeklemmt, direkt vor mir Mady. Mein Mundwinkel pochte. Ein Pulsen, das an Stärke zunahm, erfasste die Schläfe und ließ mich nur unscharf sehen. Wieder hörte ich die Stimme des Pastors, er sah groß aus, beugte sich über mich, als wollte er mich küssen. Der Gesang wurde dröhnend. „Oh Herr, hilf diesem armen Jungen sich zu lieben. Sich und seine Nächsten.“ Ein Stich, Blut lief über mein Gesicht, noch ein Stich, ein Messer wühlte über meinem Mund. Ich riss mich los, keilte mit dem Ellenbogen aus, Körpertäuschung und Durchbruch nach außen, das war´s, weg hier. Doch Mady drängte sich in mein Blickfeld, ich sah ihre Enttäuschung, ihren verletzten Blick, ich zögerte, dann spürte ich ihre Hüften an meinen, ihre Lippen auf meinem Gesicht. Arme griffen nach mir, Körper kesselten mich ein. Mady drängte sich noch dichter an mich, ich hörte ihr Flüstern: „Es wird schön, ich verspreche es, trink, das ist gegen die Schmerzen.“ Vor mir sah ich ihr Gesicht, hörte Cattlingers Stimme, spürte zwei Hände, die meinen Mund öffneten, etwas Scharfes floss hinein, Hände griffen nach meiner Nase, so dass ich schlucken musste. Wie in einer Großaufnahme sah ich Madys Mund, ihre Zunge wischte über die Zähne und ich hörte ihre Stimme: „Sag es, dass du bleiben willst, sag es!“ Mir wurde schwindlig, alles verschwamm und war heiß. Ich spürte ihren Körper, wie er sich an mich drängte, kreiste, forderte. Sie, die Schüchterne, forderte, wie noch nie eine Frau vor ihr. Ich war geil, schämte mich, hatte Schmerzen und drängte doch zu ihr hin. Ich schämte mich, hier vor allen Leuten, aber ich wollte sie. Jetzt und hier. Andere Frauenkörper drängten von hinten nach, griffen nach mir, Beine zwängten sich zwischen meine, rieben und pressten, über allem dröhnte Cattlingers Stimme: „Sag es, dass du willst, dass du sie willst.“ Ich spürte ihren zitternden Leib, ihre Hände auf meinen Oberschenkeln, wie sehr wünschte ich, dass sie weiterwanderten. „Ja, ich will, ich will“, krächzte ich und erkannte meine eigene Stimme nicht mehr. Noch einmal füllte etwas meine Kehle, süß schmeckte es und bitter. Ein glühendes Schneiden schälte meine Lippen, höhlte meinen Schädel und füllte ihn mit giftigen Dämpfen wie Quecksilber. Dann nur noch Hände, überall Hände. Das Brennen sank, als ob es meine Füße erreichen könnte, breitete sich aus und wurde kalt. Eiskalt. Ich wollte sprechen, doch alles war taub, von meinen Füßen her wuchs eine kalte Wand nach oben, ergriff meine Schenkel, meinen Bauch. Madys Gesicht verschwamm, bis ich nur noch ihre Lippen sah, ein Versprechen lag darin, dann fraß sich die Kälte in meine Brust, ließ sie erstarren. Ich wollte Mady küssen, wollte noch einmal ihre Augen sehen, doch dann war nur noch Eis.

*​

Über das Pflaster wirbeln Blätter. Die Fahne über dem Holztor ist neu, doch die Farben sind geblieben. Golden auf lila spannen sich die Buchstaben über den Eingang: Celebrate yourself. Das Innere der Kirche ist leer bis auf drei einsame Besucher. Durch ein Fenster fällt ein Lichtstrahl auf die Bänke neben dem Altar. Staub flimmert. Eine Gestalt tritt aus dem Schatten, eine junge Frau mit hochgestecktem Haar. Der Lichtstahl streift ihre Hand, die Blume darin, und tanzt weiter, bis er auf einer Puppe und einem uralten Teddy liegt. Daneben sitzt ein neues Tier. Ein Stoffbär. Dichtes Fell drängt aus der schwarzweißen Kleidung. Unter dem Strohhut quellen rotblonde Kringel hervor. Locken, mit denen Mädchenhände so gerne spielen, bis man erst eine Hand und dann weiche Lippen küssen konnte. Am rechten Mundwinkel des Bären, wie von der Hand eines unachtsamen Kindes geflickt, das Zickzack einer groben, weißen Naht.

 

Liebe Novak

Das Pflaster ist abgenutzt, brüchig. Doch es schimmert. Als hätten die Besucher nicht nur ihre Schuhe, sondern auch die Steine blank gerieben.

Die ersten Worte lassen mich bereits erahnen, dass du mit der dir gewohnten Akkuratesse diesen Stoff aufbereitet hast. Dennoch, beim dritten Satz wecktest du den advocatus diaboli in mir, den Widerspruchsgeist zur Infragestellung der Seligsprechung. Es muss schon bei der Via Appia so gewesen sein, dass nicht nur die Ledersandalen sich am Boden abwetzten, sondern desgleichen die Pflastersteine, über die sie schritten, dem Naturgesetz von Reibung entsprechend. Folglich stimmt das als Überraschungsmoment eingebrachte, dieses zweifellos nett formulierten Satzes, so nicht, da es ein voraussehbarer Sachverhalt ist.

Nee Kumpel, das war nicht.

Ist dies ein gewollter Ausdruck der Sprache Jugendlicher? Sonst, denke ich zumindest, würde nichts die Sache präziser benennen.

Sie tippte gegen den Schirm meines Hutes.

Es ist keineswegs falsch, aber wäre Krempe nicht der gängigere Ausdruck für einen Hutrand? So überlegte ich erst zögerlich, ob eine Schirmmütze gemeint ist, bis der Stetson auftrat.

Die Schau, welche in der Kirche abgezogen wurde, hast du für mein Empfinden vortrefflich umgesetzt. Als Leser geriet ich in einen ekstatischen Fluss, Inhalte und Satzlängen erzeugten einen Rhythmus, dem ich willkürlich unterworfen wurde. Beinah etwas beängstigend, dass Worte es so umsetzen können, als ob man in der wogenden Menge steht.

Der Schluss nahm mir dann ein überraschend schlichtes Ende, nicht etwas das mit gewaltigem Knall über die Bühne ging. Doch ich mag Geschichten dieses Genres, die nicht auf das Erstarren des Blutes ausgerichtet sind, sondern subtil ein nachhaltiges Unbehagen freisetzen. Insofern wurden meine Vorstellungen wie es ausgehen könnte völlig ausgehebelt und ein Schlussakt der besonderen Art gezeigt.

Da bleibt mir nur noch anzumerken, sehr gern gelesen, es war mir ein Vergnügen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi,

Das war, wie wenn man in eine reife, süße Frucht biss.
Das müsste man mal ergründen, ob das wirklich so sein kann. Also ich bin kein großer Knutsch-Fan und wenn ich das hier lese, stelle ich mir so riesige Lippen vor, wie diese Lippen von den Charity-Frauen. Wenn man einen Kuss hat, als würde man in eine reife Frucht beißen, dann müssen das doch voluminöse Lippen sein, das hat doch mit der Technik nichts zu tun, sondern man muss richtig „Fleisch“ spüren, oder? Das sind halt so Sätze, die man sagt und die man liest, aber wenn man so einem Gedanken mal nachgeht – also was für Lippen muss eine Frau heben, damit ein Kuss mit ihr, sich anfühlt als würde man in eine Mango beißen? Also es gibt andere Teile einer Frau, bei denen Fruchtmetaphern durchaus angebracht sind, aber Kuss – ich weiß nicht. Vielleicht bin ich da einfach eine Anomalie. Oder hat die Lippenstift mit Geschmack die Frau? :)

Aber was sollte ich den Jungs zuhause erzählen? Dass ich mich in ein Mädel verguckt hatte, das ich nur küssen durfte? Auch wenn die Küsse süß schmeckten wie Mango? Konnte man das einem Handballkumpel erzählen? Klang verdammt schwul.
Männer lügen. Männer lügen nirgendswo so gerne, wie bei ihren sexuellen Erlebnissen. Mit Handballkumpels hat man genau diese Beziehung, in denen man ihnen einen vom Pferd erzählt ,vor allem, wenn die das nie nachprüfen können, weil die alte in den USA ist .Er hatte sie natürlich und ihre kleine Schwester gleich mit. Der hat die kleinen Betschwestern unter dem Kreuz bekehrt.
Und er war fantastisch und sie hat geschrien wie am Spieß, was er aber erst zugibt, als er von seinen Handballkumpels hart bedrängt wird.

„Yeah“, sagte ich, dachte kurz an Madys Eltern, die fortgefahren waren und an eine Nacht, die vor mir lag wie ein langes, spannendes Handballspiel, Angriff, Verteidigung, meine Hand am Ball und dann … Vielleicht würde ich heute Nacht zum Abschluss kommen.
Ich finde wenig so unerotisch wie Handball. Das ist ja wirklich ein fieser, gemeiner Sport, der Ball fühlt sich schon so komisch an, und ständig gibt’s in die Rippen und es geht auf die Knöchel. Und man hat auch eine Art von Kontakt zu anderen Männern, die man nicht wirklich haben will.
Also der Text ist ja wirklich gut, deshalb mecker ich da auf Zoom-Niveau, aber das sind so Versatzstücke, die man kennt, und die benutzt werden, und wenn man näher hinguckt, find ich’s echt schräg eigentlich. Denken Frauen so? Poppen ist wie Tennisspielen. Meine Hand um den Schläger? Also ich weiß nicht. Hast du mal einen Handball in der Hand gehabt? Das hat für mich gar keine Assoziation zu einer Brust.
Was den hier kicken würde, glaube ich, ist einfach: Sie hat sich so geziert und JETZT! Und das strenge ,und der Nackenknoten und dass er gleich in der Kirche sitzt und einen auf anständig macht und dann geht er nach Hause mit ihr und macht was unanständiges.
Deshalb wird unter anderem nach diesem Abschlussball so klassisch gevögelt. Da sind alle hübsch angezogen und benehmen sich anständig und sind in formalem Rahmen – und den ganzen Abend hat man aber im Kopf, was man für unanständige Sachen machen wird.

„Yeah“, sagte ich, spürte ein Ziehen im Unterleib
Finde ich, je öfter ich es lese, eine seltsame Formulierung für „Ich krieg einen Ständer“, „da regt sich was“. Weiß nicht. Ich denke da immer an „Ziehen im Oberschenkel“, wenn ich das lese. Ich glaube, Männer denken von der Region auch nicht als „Unterleib“, oder?

Ein behäbiger Typ im Flatterhemd, über seine Jeans wölbte sich ein Bauch.
„über seine Jeans wölbte sich ein Bauch“ -> „Über die Jeans wölbte sich der Bauch“ oder „über eine Jeans wölbte sich der Bauch“, „der Bauch wölbte sich über den Jeans“. Irgendwas ist da schräg … „wölbte sich“, man kann ihn halt sehen, er spannt, er quetscht raus, er sieht lugt drüber. Mit den beiden Artikeln … komischer Halbsatz.

So dünn ist er, dachte ich und fühlte mich schuldig. Als ich hierhergekommen war, hatte sie auch so ausgemergelt ausgesehen, aber unsere Liebe hatte sie genährt und ein rundliches Vögelchen aus ihr gemacht. Jetzt war er wieder dünn.
Das ist echt gut. Gruselig. Diese Vogelmetapher – die ist gut, das wird gut eingeführt und gut eingezogen. Und diese Idee, dass die Frau so dünn ist oder dick, je nachdem wie nahe er ihr ist, und dass die so eine Metamorphose mit macht und dass es seine Wahrnehmung sein könnte – das finde ich echt gut. Also das finde ich auch, wie man Menschen sieht, in die man verliebt ist, unter welchem Winkel, unter welchem Eindruck, da ist man ja gar nicht zurechnungsfähig. Das finde ich ein tolles Thema, also ich könnte schwören wenn Menschen andere Menschen wiedersehen, die sie mal geliebt haben, und dann nicht mehr, dann sehen die einen ganz anderen Menschen, das ist dieses Bild mit dem Schleier, der von den Augen gerissen ist.

Dein erstes Mal, Honey?
Die sagen glaub ich nur „hon“, das ist ganz furchtbar, weil es sich wie „hun“ anhört, und man als Deutscher denkt, man wird da halb verarscht noch. Juju weiß sowas besser als ich.

Und im Verein lässt du schnell jede Psychomacke in den kleinen Zeh rutschen, hübsch verborgen von einem riesigen Schuh.
Das ist echt gut, aber nach „rutschen“ Schluss. Toller Satz ist das dann.

und küsste sie, bis ihre Bewegungen weich wurden.
Wie soll ich mir das vorstellen? Küsst er sie auf den Mund? Leidenschaftlich? Wie lange dauert das? Das klingt irgendwie ziemlich skandalös für so einen Halbsatz.

Das Teddybär-Ende … also … nee. :) Es war sonst so geil, aber das Teddy-Bär-Ende hätte es jetzt für mich nicht gebraucht, die Idee: Sie will nie verlassen werden und sie begehrt ihn als Mann - und jetzt kriegt sie einen Teedy (Das Medusa-Motiv), nee. Das geht nicht auf, das ist auch so unlogisch: Werden die nicht vermisst, wie will man das erklären? Und es ist auch so ein klassisches Ende, das nicht zu dieser sonst – wirklich – coolen Geschichte passt. Also ich dachte, echt: Gott, die Novak hat echt Talent, als du dieses Chaos beschrieben hast, dass er nach vorne gedrängt wird, mit der dicken Frau und was ihm da durch den Kopf geht, das fand ich richtig gut, da war ich richtig in der Geschichte. Diese Atmosphäre, die du da hast, dass er merkt, er gehört nicht da hin ,und dass er gar nicht weiß, wer diese Frau eigentlich ist. Das sind Gefühle, die tief in unserem Alltagsleben verwurzelt sind, glaube ich. „Kennt man andere Menschen jemals wirklich? Was machen die denn, wenn man nicht in ihrer Nähe ist? Was haben sie vorher gemacht? Warum begeistern sich Leute für Religion? Warum geben die sich so hin? Warum kann ich das nicht?“ Das sind tolle Themen.
Also wenn ich das Ende mal ignorier, ist das eine richtig, richtig gute Geschichte.

Du könntest dir Ärger sparen – oder anders – du könntest leicht stärker schreiben, wenn du eine Frau als Protagonistin nimmst. Das ist dann natürlich jedes Mal die Diskussion: Würde er mir das empfehlen, wenn er nicht wüsste, dass ich eine Frau wäre und aus welchen Gründen empfiehlt er mir das. Will er sich an der Figur aufgeilen, weil er denkt, ich wäre das usw. Das sind Gespräche, die man dann immer führt. Ich denke einfach, der Text würde gewinnen, wenn du ein sexuell aufgeladenes Szenario wie das hier, aus der Perspektive einer Figur schreibst, über deren Innenleben du vielleicht ein bisschen besser Bescheid weißt, als über einen Handballer.
Ich fänd’s stärker, ich würd auch lieber über eine Frau hier lesen, weil das noch mal einen anderen Aspekt hätte, es wäre noch mal an der Perspektive gedreht. Männer, die in irgendeinem Eifer heiß auf keusche Frauen werden – kennt man. Umgekehrt eine Frau, die heiß auf einen christlichen Mann wird liest man so gut wie nie. Fände ich interessanter. Wäre für mich was Neues.
Müsste man an dem Text eigentlich kaum was ändern, Handball-Frauen gibt’s ja viele.
Ich willl aber die Debatte nicht unbedingt führen, ich weiß, das ist jedes Mal ein emotionales Feld ob man als weibliche Autorin männliche Protagonisten haben kann; das ist ja auch oft ein „psychologischer“ Schutz, wenn Frauen über Sexualität schreiben oder über sexuell aufgeladene Situationen, dass dann richtig Filter dazwischen kommen, wenn man das öfter liest, dann merkt man das mit der Zeit (bei deiner letzten Geschichte mit dem Gnom, die gar keinen richtigen Erzähler hatte, war das übrigens kein Thema).
Ich will die Debatte wirklich nicht führen, ich will nur sagen: Der Text wäre, für mich, 40% besser mit einem anderen Ende und, vielleicht, noch mal 40% besser, wenn der Handballer eine Frau wäre.

Davon ab: Das ist wirklich ein Text, der Passagen hat, an denen man erkenenn kann, dass du schreiben kannst und dass du Talent dafür hast, zu erzählen, und Gedanken zu beschreiben. Du hast da diese Meta-Ebene drin, wenn du die übernatürlichen Gefühle und Emotionen in der Geschichte hier im Kleinen mit Alltagsideen und Alltagsproblemen verbindest, das ist sehr gut und wichtig. Also wenn man dich nur von deinen super-freundlichen Kommentaren kennt, würde man diese Geschichten nicht erwarten, die haben ja durchaus auch eine bittere Note. Das find ich gut.

Gruß
Quinn

P:S.: Ich will keinen Ärger wegen der „Frau verwendet männlichen Erzähler-„Sache! Da wurde mir gestern im Chat wieder mal einer reingewürgt. :) Jede Autorin, der ich das je gesagt hätte, hat darauf ungehalten reagiert.
Nur drüber nachdenken, dass es mal im Kopf ist.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Novak,

die Geschichte ist gut geschrieben, das erzählerische Talent sehe ich auch; dein Stil ist locker und kommt in einem Ton, den ich mag. Hatte leichte Probleme mit dem Schluss: Habe ich die Auflösung 'in deinem Sinne' kapiert? Vielleicht denke ich auch zu kompliziert und es passiert genau das, was du erzählst. :) (Unter Umständen nützt dir diese Rückmeldung mehr, als wenn ich die Geschichte ein drittes Mal lese ...)
Alles in allem bin ich beeindruckt von dem Niveau, auf dem du schreibst. Gestört haben mich höchstens hier und da einzelne Worte, die ich persönlich gestrichen hätte. Und wenn ich unbedingt mäkeln müsste: Mir kommt die Geschichte ein wenig zu langsam, zu schwerfällig in die Gänge. Und manches ist redundant; nach zwei Fünfteln des Textes dürfte jeder begriffen haben, was es mit Mady und dem Ich-Erzähler auf sich hat, du machst das für meinen Geschmack etwas zu ausführlich …:) Und dein Ich-Erzähler ist eher kein Sympath, finde ich.

Ach ja: Hätte ich das Ende in deinem Sinne verstanden, wäre die Ich-Perspektive im Präteritum unlogisch. Überhaupt - das fällt mir jetzt erst auf - fängst du die Ich-Perspektive erst spät an, nämlich nach dem Einstieg ohne konkrete Perspektiv-Zuweisung.

Gerade kam mir der Gedanke, dir vorzuschlagen, den Plot dieser Geschichte in zwei, drei Sätzen zusammenzufassen und zu fragen, ob du das Handlungsgerüst solide findest. (Erledigt. :D)


Und dem Text täten mehr Absätze für eine bessere Lesbarkeit gut, gerade im letzten Teil der Geschichte, wenn diese 'narrative Ekstase' (:D)einsetzt.:)

Alles in allem gerne gelesen!:)

Funde:

Essigsaure Angst trocknete meinen Mund
Das Adjektiv hat mich aus dem Lesefluss gerissen, vielleicht ein kleiner Stilbruch ...

Pfarrer hin oder her.
Der Satz hat mir nicht gefallen.

Sein Handdruck war weich, nur ganz am Ende hatten seine Finger etwas spitzig Zupackendes.
Klingt etwas schief. Und ich kenne das Wort 'spitzig' nicht. :)

Die Stimmen des Chors tönten dumpf wie mit Plastikfolie umwickelt
Schöner Vergleich.

Luftmassage, dachte ich, wie bescheuert, und Muckibude für Baptisten, doch die Frau neben mir stand zu eng, als dass ich meinen Spott hätte genießen können.*
In dem Satz könnte eine andere Interpunktion für mehr Verständlichkeit sorgen. Ich habe den Satz beim ersten Lesen nicht verstanden ...

Tschüss,
Sam:)

 

Nun, wie kann sich ein Mensch, der selbst ETA Hoffmann nur in seinen satirischen Ausflügen mitnähme in den Horror sich verirren, es ist,

liebe Novak,

das zwote Wort (nicht mal der erste Satz!), das ich in seiner anderen Bedeutung lese, als es hier gemeint ist.

Das Pflaster …
als Einleitung ist so bedeutungsschwanger wie nur etwas sein kann: das Wund-pflaster wie der Zement/Asphalt auf Mutter Erde. Und hier scheint’s mir dem ursprünglichen Sinn zu treffen:
[em]plássein, mit dem aus weicher Masse Formen gebildet werden: die Plastik, die heute eher für den umgangssprachlichen Kunsststoff denn für feste Stoffe (von Holz bis Stein) gilt, wie auch für diverses Webmaterial - ausgesprochen [ve:b], nicht kurz wie das weltweite Web.

Nun ja, als erstes fallen mir die Krähen auf.

Immer sind Krähen in den Kirchen.
Das ist das wirklich Neue, nachdem ich schon mal Tauben erlebt hab, bis ein Turmfalke das Problem der angeblich friedlichen Schmarotzer löste und seinerseits den Glockenturm wohnlich herrichtete.

Über Rabenvögel/Krähen hab ich schon einiges an anderen Stellen gesagt, was nicht unbedingt wiederholt werden muss. Dennoch: Krähen sind allemal Rabenvögel, nicht aber jeder Rabe wird als Krähe bezeichnet. Größtes Tier mit 65 cm und mehr ist der glänzend schwarze Kolkrabe, der seinen Namen von seinem Ruf (er krächzst nicht!) hat und der im Gegensatz zum (Klein)Bürger in strenger (!) Monogamie lebt und 70 Jahre alt werden kann und somit ein herrliches Kontrastbild zu jedem alt- wie neuweltlichen Krähwinkel gäbe.

Ich bezweifle aber, dass da ein solches Kaliber von Ratgeber des rasenden & wütenden Gottes („Uuotan“, man beachte das dabbelju!) kreist.

Zweitgrößte Exemplare geben die (ebenfalls) schwarze Rabenkrähe und deren gräuliche Base Nebelkrähe, die aber fast 20 cm kleiner sind als der vorher genannte Klugscheißer unter all diesen Schlaumeiern.

Alle andern Krähen müssen ausgeschlossen werden, sie hätten nicht nur die Kirche aufgrund ihrer Geselligkeit in Beschlag genommen, sondern den Garten kolonisiert (stell Dir Dohlen vor, schlimmer als die Spatzzen!).

Raben-/Nebelkrähe werden auch als Aaskrähen bezeichnet, was auf ihr Neigung zu Kadavern hinweist und die eigene Verdauung durch sich selbst vorverdauendes Fleisch zu verbessern. Dem entspricht dann auch die Form des kräftigen Schnabels, auch das ein schönes Bild zu den Ereignissen, und ich entsinne mich der US-amerikanischen Sekte, von der sich weiland 900 und mehr Mitglieder im schuldlosen Südamerika selbst richteten. Horror pur für die Einheimischen!

Auch das ein schönes Bild zu den Ereignissen, die mit Kirchen- und Farbsymbolik beginnen und darum falsche Erwartungen weckt:

Goldene Schrift auf lila Grund: …
Die Farbsymbolik der Kirchen ist da messerscharf und hält nix vom umgangssprachlichen lila, das „an sich“ ein Fliederblau bezeichnet und aus dem arabischen Raum (lilak = Flieder) kommt. Stünde „blau“ dann für den Himmel (schlechthin), Treue und Reinheit (vor allem der hl. Jungfer), so die fliederfarbene "Grundierung" für Zeiten, in denen man innehalten solle (wie Advents- und Fastenzeit), was durch die Aufschrift
Unity Healing Church of Arizona -
verstärkt wird. "Verein(ig)te heilende Kirche Arizonas", die wahrscheinlich faith jealing – Wunderheilung – treibt, die nicht einmal Wunden heilt ...

Da ist die Ableitung des Viehs (cattle) für den Pastor schon hübsch hässlich, der sky pilot der himmlischen Heerscharen (will mal so umschreiben: ho[r]st of heaven) wird zum slaugther seiner Schäfchen. Nunja, zum Schlachthaus wird die Wohnung Gottes nicht, obwohl wir ja auch Massenselbstmorde von anderen Sektierern kennen.

Bissken Futter für die Kleinkrämerseele:

Es ist schwierig, sich ins andere Geschlecht hineinzuversetzen, und ich weiß, dass selbst ich armes Würstchen Kumpel und Junge im Plural nicht mit s bilden werde, mag the American way of Life mit seiner Plastikwelt (s. o.) noch so sehr durchsetzen. Es sei denn, ich parodierte eine Sprachhaltung, d. h. allein in wörtlicher Rede. Zudem ist der Plural des Kumpels einfacher zu bilden als sein Genitiv und ich bin mir sicher, dass ein Pommes mit einem Bitter das durchaus auch auf'm Spielfeld so hinbekommt …

Nach 6 Wochen!
Üblicherweise werdn die Zahlen bis zwölf ausgeschrieben.

Ok, …
[ɔuk]?, dann doch lieber O. k. oder okay [ɔu’kɛi]!

…, doch sie riss sich los und tanzte auf Cattlinger zu, wand sich, …
Oder doch
…, wand[t] sich, …
Windet oder wendet sie sich?

Gern gelesen vom Friedel.
der noch schöne Resttage wünscht!
Sag es[,] dass du bleiben willst, sag es!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lieber Anakreon,

schön, dass du meine Geschichte gelesen hast und dann auch noch gerne.
Aber jetzt mal zu deinen Anmerkungen.

Es muss schon bei der Via Appia so gewesen sein, dass nicht nur die Ledersandalen sich am Boden abwetzten, sondern desgleichen die Pflastersteine, über die sie schritten, dem Naturgesetz von Reibung entsprechend.
Du beziehst dich ja auf das" blank gerieben". Blank kann aber zweierlei Bedeutung haben. Durchscheinend und glänzend. Gemeint war hier, dass die Besucher der Kirche nicht nur ihre Schuhe polieren, sondern vor lauter Ehrfüchtigkeit im übertragenen Sinne auch gleich die Pflastersteine mit, so dass die glänzen.

"Nee Kumpel, das war nicht."
Ist dies ein gewollter Ausdruck der Sprache Jugendlicher?
War jedenfalls so gemeint, aber ich überlege trotzdem noch mal. Bei uns hier in Frankfurt redet man jedenfalls so. Es ist nicht unbedingt Jugendsprache, aber es ist sehr umgangssprachlich.


Sie tippte gegen den Schirm meines Hutes.
Mit deinem Hinweis, dass es Krempe heißen müsste, hast du völlig Recht. Ich hatte im Text zuerst eine Mütze und wollte dann ieber einen Hut. Ich habe überall die Mütze durch den Hut esetzt und der Mistschirm ist mir leider entkommen.
Danke dafür.

Die Schau, welche in der Kirche abgezogen wurde, hast du für mein Empfinden vortrefflich umgesetzt. Als Leser geriet ich in einen ekstatischen Fluss, Inhalte und Satzlängen erzeugten einen Rhythmus, dem ich willkürlich unterworfen wurde. Beinah etwas beängstigend, dass Worte es so umsetzen können, als ob man in der wogenden Menge steht.
Als ich das las, bin ich fast vom Sofa gesunken, das ist eines der schönsten Komplimente, die man einem Schreiberchen machen kann. Ich wollte auch so einen Tumult erreichen und daher freue ich mich tierisch, dass das geklappt hat.

Der Schluss nahm mir dann ein überraschend schlichtes Ende, nicht etwas das mit gewaltigem Knall über die Bühne ging. Doch ich mag Geschichten dieses Genres, die nicht auf das Erstarren des Blutes ausgerichtet sind, sondern subtil ein nachhaltiges Unbehagen freisetzen. Insofern wurden meine Vorstellungen wie es ausgehen könnte völlig ausgehebelt und ein Schlussakt der besonderen Art gezeigt.
Ja das Ende, die finde ich oft richtig schwer. Ich schreibe jetzt demnächst doch noch mal ein Alternativende, denn Quinns Kritik am Teddyende überschneidet sich mit einem Unbehagen, das ich schon immer hatte. Diese Teddyverwandlung kam mir immer so ein bisschen kindlich vor. Wenn du Zeit hast, ich würd mich freuen, dann guck dir bittebitte das neue Ende an, sobald ich es habe, ich schreib dir eine kurze PM, damit du nicht zu früh nachlesen musst, sonst muss ich schon wieder ein Cyberweinchen für dich ausgeben.

Nochmals tausend Dank fürs Lesen und Kommentieren, was wäre das Forum nur ohne dich, und natürlich auch für das Gutfinden.
Noch ein ganz sonniges Restpfingsten wünscht dir die Novak


Und hallo Quinn,

ich habe total lachen müssen, als ich deinen Kommentar las. Und zwar deswegen

P:S.: Ich will keinen Ärger wegen der „Frau verwendet männlichen Erzähler-„Sache! Da wurde mir gestern im Chat wieder mal einer reingewürgt. Jede Autorin, der ich das je gesagt hätte, hat darauf ungehalten reagiert.
Nur drüber nachdenken, dass es mal im Kopf ist.

Ich verspreche es dir. Von mir kriegst du keinen Ärger deswegen. Aber nicht, weil ich so verständnisvoll wäre, sondern weil mein Freund den schon abgekriegt hat. Just dieselbe Debatte wie bei dir im Chat hat sich einen Abend vorher bei mir zuhause auf der Wohnzimmercouch abgespielt, nachdem ich meinem Freund die Geschichte vorgelesen und er sie mit den Worten kommentiert hat: "Ich fänds besser, wenn du aus der Sicht einer Frau schreibst."
Ich hab mich natürlich total drüber aufgeregt und geschimpft, dass mir am Schreiben gerade gefällt, in eine andere Rolle zu schlüpfen usw. Sich immer auf das eigene Geschlecht beschränken zu müssen, das sei ein Armutszeugnis. Und das würde er nur sagen, weil er weiß, dass ich kein Kerl bin. Und was weiß ich, Ich hab ganz schön rumgewettert. Und dann schreibst du genau dasselbe! Mann! Du siehst, du bist nicht allein.

Gegenargumente gegen deinen Hinweis gibts sicherlich eine Menge. Und ich kann mir vorstellen, dass man durch entsprechende Recherche (Mann, wie das klingt) einiges sicherlich besser machen kann.Trotzdem finde ich deinen Hinweis interessant.
Das hier finde ich auf alle Fälle bemerkenswert:

Ich fänd’s stärker, ich würd auch lieber über eine Frau hier lesen, weil das noch mal einen anderen Aspekt hätte, es wäre noch mal an der Perspektive gedreht. Männer, die in irgendeinem Eifer heiß auf keusche Frauen werden – kennt man. Umgekehrt eine Frau, die heiß auf einen christlichen Mann wird liest man so gut wie nie. Fände ich interessanter. Wäre für mich was Neues.
Müsste man an dem Text eigentlich kaum was ändern, Handball-Frauen gibt’s ja viele.

Aber rantrauen mag ich mich da noch nicht. Ist ulkigerweise eine sehr fremde Vorstellung für mich. Also das mit dem "psychologischen Schutz", was du da schreibst, da ist vielleicht auch was dran.
Ich behalt mir den Aspekt also auf jeden Fall im Hinterkopf. Fürs Schreiben überhaupt und möglicherweise sogar für eine zweite Version dieser Geschichte. Aber letzteres braucht, wenn überhaupt seine Zeit.


also was für Lippen muss eine Frau heben, damit ein Kuss mit ihr, sich anfühlt als würde man in eine Mango beißen? Also es gibt andere Teile einer Frau, bei denen Fruchtmetaphern durchaus angebracht sind, aber Kuss – ich weiß nicht. Vielleicht bin ich da einfach eine Anomalie. Oder hat die Lippenstift mit Geschmack die Frau?

:D
Ich merk schon, jedes Wort der Erklärung bringt mich da in Teufels Küche. Entweder mir fällt was Neues ein. Oder es bleibt Ich wollte weg von den ewigen süßen Küssen. Aber vielleicht hast du ja auch ganz anders noch Recht. Ein Kerl würd glaub auch nicht so vom Küssen reden. Also ich überleg.


Männer lügen. Männer lügen nirgendswo so gerne, wie bei ihren sexuellen Erlebnissen. Mit Handballkumpels hat man genau diese Beziehung, in denen man ihnen einen vom Pferd erzählt ,vor allem, wenn die das nie nachprüfen können, weil die alte in den USA ist .Er hatte sie natürlich und ihre kleine Schwester gleich mit. Der hat die kleinen Betschwestern unter dem Kreuz bekehrt.Und er war fantastisch und sie hat geschrien wie am Spieß, was er aber erst zugibt, als er von seinen Handballkumpels hart bedrängt wird.

:lol:
Ich mach mal ne Umfrage. Wehe du hast Recht. Aber irgendwie werde ich
das vielleicht hindrehen können.

Denken Frauen so? Poppen ist wie Tennisspielen. Meine Hand um den Schläger? Also ich weiß nicht. Hast du mal einen Handball in der Hand gehabt? Das hat für mich gar keine Assoziation zu einer Brust.

Ich merk schon, deine Weiterdenkerei ist nicht nur lehrreich, sondern sehr ämusant. Und nein, Frauen denken nicht ans Tennisspielen ... :lol: Mit dem Bild sollte auf keinen Fall das Bild hochbeschworen werden, dass Ball und Brust gleichzusetzen sind. War mehr eine Metapher auf die geile Nacht, die vor ihm liegt. Der Junge ist halt auch nicht so superreflektiert, sondern für ihn ist Handball das Höchste. Aber wenn das solche Assoziationen hervorruft, ist das natürlich auch doof. Da hast du schon Recht. Irgendwie häng ich noch an dem Bild, aber das was du schreibst, das hat schon was. Überleg ich mir also noch.

Auch die anderen Hinweise vom Ziehen im Unterlaub über den Bauch usw überarbeite ich:
"Das Ziehen im Unterleib" kommt auf jeden Fall weg, es ist so eine Formel geworden, die sich drückt. Zu stereotyp, zu vornehm, zu weicheierig.
Und das ist so ein klassische Beispiel dafür, warum du auf die Sache mit dem Schuster kommst, der bei seinen Leisten bleiben sollte. Genau da war ich auch die ganze Zeit sehr unsicher und hab gedacht: Mei oh Mei, so denkt doch kein Kerl nicht!!

„Über die Jeans wölbte sich der Bauch“ oder „über eine Jeans wölbte sich der Bauch“, „der Bauch wölbte sich über den Jeans“. Irgendwas ist da schräg … „wölbte sich“, man kann ihn halt sehen, er spannt, er quetscht raus, er sieht lugt drüber. Mit den beiden Artikeln … komischer Halbsatz.
Ändere ich, ist gebongt.

Das Honey wird geprüft!
Den "Schuh" überleg ich.


Diese Vogelmetapher – die ist gut, das wird gut eingeführt und gut eingezogen. Und diese Idee, dass die Frau so dünn ist oder dick, je nachdem wie nahe er ihr ist, und dass die so eine Metamorphose mit macht und dass es seine Wahrnehmung sein könnte – das finde ich echt gut. Also das finde ich auch, wie man Menschen sieht, in die man verliebt ist, unter welchem Winkel, unter welchem Eindruck, da ist man ja gar nicht zurechnungsfähig. Das finde ich ein tolles Thema, also ich könnte schwören wenn Menschen andere Menschen wiedersehen, die sie mal geliebt haben, und dann nicht mehr, dann sehen die einen ganz anderen Menschen, das ist dieses Bild mit dem Schleier, der von den Augen gerissen ist.
Ja, das wollte ich erreichen, schön, dass es geglückt ist. Ich bin selbst immer wieder verdutzt darüber, wie sehr die Schleier da fallen. Und wie sehr scih das daran festmacht, wie man das Aussehen eines anderen Menschen interpretiert und auch welche Gefühle das auslöst.

und küsste sie, bis ihre Bewegungen weich wurden.
Wie soll ich mir das vorstellen? Küsst er sie auf den Mund? Leidenschaftlich? Wie lange dauert das? Das klingt irgendwie ziemlich skandalös für so einen Halbsatz.
Na wenn das skandalös klingt, dann macht der Pastor seinen Job doch ganz gut! :)

Und oh weh, das Ende:
Du triffst echt in einen wunden Punkt. Ich hab die ganze Zeit damit gehadert, dass es so ein bisschen kindisch ist. Aber dann glaubte ich, für eie Horrorgeschichte müsste ich ein schauriges Ende wählen (also ein klassisches Motiv nicht einfach nur die psychologische und gewaltmäßige Zurichtung und Herstellung eines neuen Gemeindemitglieds). Vielleicht bin ich da aber auch einfach zu engstirnig. Dann wieder glaubte ich, es sei vielleicht doch eine gute Idee, weil sie ist ja selbst so gestört, dass sie zwar Wünsche an ihn hat, aber letztendlich hat dieser ganze Sektenkram und Erfahrungen, die in ihrer Verganheit liegen mögen, sie so verdorben, dass sie den Mann ja nicht als wirklichen, sexuellen Mann, als einen der stinkt und sie will und sich selbst befriedigt und einen fahren lässt, sondern sie will etwas, jemanden, der sie nie verlässt. Das ist aber kein Mensch. Einen Kuschler und Tröster will sie. Irgendwie sowas. Aber so richtig widellich, wie ich das von meinem Wunsch her haben will, hab ich das auch nicht hingekriegt. Da sitzt halt ein Teddy. Naja. Und Sam war sich ja noch nicht mal sicher, ob er das Ende richtig verstanden hatte.
Ich hab mir gedacht, ich probiere mal ein Alternativende aus und hänge es an.


Also ich dachte, echt: Gott, die Novak hat echt Talent, als du dieses Chaos beschrieben hast, dass er nach vorne gedrängt wird, mit der dicken Frau und was ihm da durch den Kopf geht, das fand ich richtig gut, da war ich richtig in der Geschichte. Diese Atmosphäre, die du da hast, dass er merkt, er gehört nicht da hin ,und dass er gar nicht weiß, wer diese Frau eigentlich ist. Das sind Gefühle, die tief in unserem Alltagsleben verwurzelt sind, glaube ich. „Kennt man andere Menschen jemals wirklich? Was machen die denn, wenn man nicht in ihrer Nähe ist? Was haben sie vorher gemacht? Warum begeistern sich Leute für Religion? Warum geben die sich so hin? Warum kann ich das nicht?“ Das sind tolle Themen.
Also wenn ich das Ende mal ignorier, ist das eine richtig, richtig gute Geschichte.
Ich hab mich total gefreit, als ich das las. Ich habs auch Anakreon schon geschrieben. Ich wollte genau das hinkriegen, dass ihm das alles durch den Kopf zwirbelt und so ein Durcheinander enststeht und dass man da als Leser richtig mitgeht. Ich freu mich wirklich sehr.

Also wenn man dich nur von deinen super-freundlichen Kommentaren kennt, würde man diese Geschichten nicht erwarten, die haben ja durchaus auch eine bittere Note. Das find ich gut.
Ich sags doch ... sei besser froh, dass du mich nur aus dem Forum kennst, denn ... zwei Seelen usw ...
:kuss: :baddevil:

Vielen Dank für deine intensive, kluge und konstruktive Auseinandersetzung mit der Geschichte. Ich glaube ich kenne kaum jemanden, der sich so genau überlegt, wie eine Formulierung, ein Sprachbld wirkt, das ist verdammt hilfreich.
Ciao und dir noch ein schönes Pfingsten.

Lieber Sam und lieber Friedel, euch schreib ich morgen, jetzt drängt die Zeit.
Ich grüß euch alle.
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Novak,

Coole Story. Was Quinn sagt, über die Männersicht als psychologischer Schutz, das ist interessant. Ob das sich interessanter liest aus der Sicht einer Frau? Kann schon sein. Aber du hast es nicht schlecht gelöst, finde ich, also ich hab da schon ganz andere Sachen gelesen.

„Yeah“, sagte ich, spürte ein Ziehen im Unterleib und dachte an Madys kleine, spitze Brüste.

Unterleib ist ein komisches Wort. Total nebulös. Höre ich immer wieder: "Schmerzen im Unterleib." Das gibts wirklich nur bei Frauen. Ist damit jetzt der Unterbauch gemeint oder die Blase oder die Gebärmutter oder die Geschlechtsorgane? Weiß man es nicht? Oder weiß man es vielleicht auch ganz genau, aber man sagt halt Unterleib dazu? Was meint ihr eigentlich damit? :)
Also ich für mein Empfinden besitze gar keinen Unterleib, bei mir ist es entweder der Bauch oder dann gleich die Eier oder so.

Also der Typ hat kein Ziehen im Unterleib, da bin ich mir ziemlich sicher.

Und Männer lügen über so was, das stimmt. Aber dass er sich in voraus Gedanken macht, was er erzählen wird … das ist nicht schlecht.

Du schreibst atmosphärich sehr dicht, und trotzdem kommt Fahrt auf, das ist gut. Ich mag auch deine Musikbescheibungen. Das war auch in Fucking Special so. Ich find die Stelle nicht mehr, aber diese rockige Christenjam fand ich gut, kann ich mir gut was drunter vorstellen.

Zur Sache mit "Honey": Ich denke, "Honey" würde sie eher zu einer jungen Frau/Mädchen sagen, oder auch zu einem kleinen Jungen. "Hun" passt für mich besser zu einem jungen Mann. Ist so die Frage, wie weit man verniedlichen will/kann ...


Ich mag auch Absätze. Wenn's geht, würde ich welche reinmachen. Aber vielleicht .. ich weiß nicht.

„Heilen wir uns, meine Brüder und Schwestern, indem wir uns lieben. Indem wir uns wollen, so wie wir sind. Nehmt eure Brüder und Schwestern an.“ Die Frau neben mir packte meine Hand und hob sie in die Höhe. „Lasst eure Brüder und Schwestern in eure Herzen.“ Die Frau zog meine Hand herunter, rückte dicht an mich heran, so dass ich ihre Brust spürte. Ich zog meinen Arm weg, wollte Abstand, ich schämte mich vor Mady, sie war doch neben mir, wie konnte ich mich da an fremden Titten aufgeilen, aber Mady lachte mir beruhigend zu und presste sich von der anderen Seite an mich, so dass ich auch ihre Brust spürte. Dann rieb sie wieder ihren Schenkel gegen meinen. So drängend hatte ich sie noch nie erlebt. Komisch war das. Vielleicht gehört das alles dazu, zu diesem Healing, beruhigte ich mich. Nicht schlecht, dachte ich gleichzeitig und musste grinsen, vielleicht konnte ich den Handballern zuhause ja doch davon erzählen. Langsam begann mein Körper sich mitzuwiegen im Rhythmus der Menge, begann Madys Bewegungen neben mir zu genießen. Der Chor sang wieder. Eine Frau hatte sich aus der Menge gelöst und tanzte zuckend auf Cattlinger zu. Der Pastor legte ihr beide Arme auf den Kopf, als wollte er sie auf die Knie zwingen. Sie zuckte stärker und fing an zu schreien: „Vergib mir Herr, ich habe gesündigt, ich konnte mich selbst nicht lieben und wollte gehen. Hilf mir, dass ich zu dir finde und mich selbst liebe. Ich will geheilt werden.“ Cattlinger nahm die schluchzende Frau in die Arme, schob ihr etwas in den Mund, umarmte sie noch einmal und küsste sie, bis ihre Bewegungen weich wurden. Dann rief sie: „Ich danke dir, jetzt weiß ich, dass du mich liebst. Jetzt weiß ich, dass ich mich selbst liebe.“ Mir war heiß, meine Hände an den Brüsten der beiden Frauen schwitzten. Die Leute um mich herum rückten immer enger, traten nach vorne, zogen uns mit. Mady zuckte. Ein unheimliches Beben, das immer stärker wurde. Ich riss mich los, packte sie, schaute ihr ins Gesicht, sprach sie an. Mady sah aus, als wäre sie weit weg von mir. Ihre Arme wischten durch die Luft, zirkelten Spuren hinein, ihr Körper stampfte und drängte. Ich hatte Angst um sie, wollte sie halten, doch sie riss sich los und tanzte auf Cattlinger zu, wand sich, kreiste mit den Hüften. Wenn der Drecksack sie jetzt umarmte und küsste wie vorhin die andere Frau, dann würde ich ihn mit einem meiner besten Schlagwürfe beglücken, auch ohne Ball. Pfarrer hin oder her.
Mady tanzte mit weit erhobenen Armen vor Cattlinge

Das kann auch ein Effekt sein, wenn du keine Absätze hast … so erschlägst du den Leser irgendwie, du gönnst ihm keine Pause, und es geht weiter und weiter und weiter ... und das ist ja auch die Stärke hier. Das wirkt auf jeden Fall. Da ist richtig sexuelle Spannung drin, und dann die Masse und die Körper, und die Gedanken und und und – das ist gut gemacht.

„Steht dir! Hab ich gut ausgesucht“, sagte sie. „Richtig cool, du American Idol“, dann kniff sie mich in den Oberarm und lachte. Das war so ein Spiel zwischen uns, immer dem anderen sagen, wie gut man ihn fand, bis der verlegen wurde.

Das ist ja mal ein lustiges Spiel. Funktioniert das, ja? Muss ich mal ausprobieren. Und dann soll mich eine so lange loben, bis ich verlegen werde … :)

Das Ende hat mich nicht umgehauen, aber auch nicht wirklich gestört. Hab das jetzt einfach als irgendwie horrortypisch empfunden.


Hat mir gefallen!


MfG,

JuJu

 

Antworten zweiter Teil:

Also zunächst mal habe ich ein Alternativende an die Story drangeklebt. Wer mag, kann auch das lesen und mir eine Rückmeldung dazu geben.

Lieber Sam,
vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Und natürlich für das Lob.

Hatte leichte Probleme mit dem Schluss: Habe ich die Auflösung 'in deinem Sinne' kapiert? Vielleicht denke ich auch zu kompliziert und es passiert genau das, was du erzählst. (Unter Umständen nützt dir diese Rückmeldung mehr, als wenn ich die Geschichte ein drittes Mal lese ...)

Der Pfarrer verwandelt den Lenny in ein Spielzeug, das nun auf ewig auf den Kirchenbänken sitzen muss. So war Ende Eins gemeint. Blöd, dass das nicht eindeutug und deutlich für dich rauskam. Ich habe jetzt noch ein Alternativende geschrieben.

Mir kommt die Geschichte ein wenig zu langsam, zu schwerfällig in die Gänge. Und manches ist redundant; nach zwei Fünfteln des Textes dürfte jeder begriffen haben, was es mit Mady und dem Ich-Erzähler auf sich hat, du machst das für meinen Geschmack etwas zu ausführlich … Und dein Ich-Erzähler ist eher kein Sympath, finde ich.

Was ich erreichen wollte, war, die ganze Atmosphäre zu schildern, das Sitzen in eienr Kirche, das merkwürdige Gefühl, das man hat, wenn jemand, den man mag/liebt, sich so in einen für einen selbst fremden Gedanken verliert. Darum, wie man sich in einer solchen Situation (fremde Kirche) fühlt. Es ging nicht nur um die Beziehung zwischen Junge und Mädchen. Es ging auch darum, den Jungen so rüberkommen zu lassen, dass er nicht nur an seine Verantwortung Mady gegenüber denkt, sondern auch an sich selbst und deswegen auch was verschweigt. Dass er nicht sonderlich reflektiert ist, sondern von seinem Sport, seiner kleinen Lebenswelt aus urteilt. Solche Sachen.
Ich glaubte, dass ich den Platz dafür brauche. Da müsste man jetzt sicherlich ins Einzelne gehen und gucken, wo noch was redundant ist. Man merkt das ja oft selbst nicht. Aber was das Überarbeiten nach dem Ersten Schreiben einer Geschichte betrifft, ich mache immer furchtbar viele Korrekturdurchgänge danach. Ednlos viel, mit etwas Abstand gehe ich vielleicht noch mal drüber und schau. Im Moment finde ich einfach ncits mehr. Einiges ist auch mit Absicht so geschrieben
Dass der Lenny als Unsympath bei dir ankommt, das finde ich witzig. Oder besser geagt sehr spannend. An was machst du das fest? Er ist nicht durchgehend ein guter Mensch, aber wer ist das schon. Die meisten anderen Männer (Leute aus meinemFreundeskreis) , fanden ihn zu gutherzig, zu weibisch, zu weicheierig.

Ach ja: Hätte ich das Ende in deinem Sinne verstanden, wäre die Ich-Perspektive im Präteritum unlogisch. Überhaupt - das fällt mir jetzt erst auf - fängst du die Ich-Perspektive erst spät an, nämlich nach dem Einstieg ohne konkrete Perspektiv-Zuweisung.

Was das Finden der richtigen Perspektive betrifft, bin ich noch am Lernen. Und glaub nicht, ich hätte mir das nicht ewig überlegt.
Irgendjemand (zu einer anderen Geschichte) schrieb, man solle Ich-Erzähler nicht verwenden. Und Präsen nur im äußersten Notfall verwenden. Mir kommt/kam diese Sichtweise immer etwas prinzipiell vor. Ich habe bisher Perspektiven immer so eingesetzt, wie es mir für die Geschichte funktional erschien.
Hier habe ich (bis dann das Sternchen kommt) eine reine Außensicht gewählt und im Präsens geschrieben. Genaus das Ende.
Nur das eigentlich Ereignis, der konkrete Fall, der ist aus der Innensicht des Jungen in der Vergangenheit geschrieben. Dieses Ereignis ist angeschlossen. Es wird sich mit diesem einen Menschen nicht mehr wiederholen. Aber die Kirche als solhe mit ihrem Pflaster und den Fahnen und dem Zurichten der Leute, das besteht und wird weiter bestehen, daher das Präsens und die Außenperspektive.
Dass man die Ich-Erzählung nicht nach dem Tod des Ich-Erzählers forstsetzen sollte , das finde ich eine rein logische Sache. Beim Präteritum sehe ich das nicht so. Im Deutschen ist es die Geschichtenschreibweise geworden und daher fand ich es geeignet, in dieser Zeit auch das zum Tod des Prot führende Ereignis zu schildern. So hab ich mir das halt gedacht.
Aber ich wünschte mir, darüber Genaueres zu erfahren. Vlleicht so ein paar allgemeine Ratschläge, wann man welche Perspektive einsetzen sollte. Welche Gefahren oder häufige Fehler es dabei gibt. Welche man unbedingt vermeien sollte, welcher "Bruch" aber, eine durchaus legitime Methode ist, im Sinne der Geschichte legitim ist.

Und dem Text täten mehr Absätze für eine bessere Lesbarkeit gut, gerade im letzten Teil der Geschichte, wenn diese 'narrative Ekstase' einsetzt.
narrative Ekstase - cool:cool:
Ich war schon am Absätze einfügen, da kam JuJu mit seiner Antwort und hat mich grad wieder rauskatapultiert. Ich glaub, einer mehr ist jetzt drin. Als Kompromiss, dir zuliebe. Nee, ich kann das natürlich nachvollziehen, dass das zu Lasten der Lesbarkeit geht, hab einen Absatz an einer Stelle, wo ich ihn sinnvoll fand.
Hab auch aran gemerkt, dass selbst das Machen oder Nichtmachen von Absätzen ein Stilmittel ist. (vgl. auch die Antwort an JuJu)

Gerade kam mir der Gedanke, dir vorzuschlagen, den Plot dieser Geschichte in zwei, drei Sätzen zusammenzufassen und zu fragen, ob du das Handlungsgerüst solide findest.
Hihi, wolltest du das machen oder sollte ich? Ähh? Also ich finds schon solide. :schiel: Ne, jetzt im Ernst, ich hab die Frage wohl einfach nicht verstanden.

Wie gesagt, ich habe mich sehr gefreut über deine Anmerkungen, du hast da Punkte angesprochen, die mich während des Schreibens sehr beschäftigt haben. Vielleicht kann man ja daran weiter rumdenken.

Ciao
Novak


Und Hallo lieber Friedel,
wie immer hab ich mich über deinen Kommentar sehr gefreut. Besonders darüber, dass du den Cattlinger gemerkt hast. Ich hab nämlich ganz schön lange nach einem Namen gesucht und den fand ich so schön doppeldeutig.
Komma und den sonstigen Krämerkram habe ich natürlich verbessert. Bis auf wand, das ist nämlich hier als Präteritum von sich winden gemeint. Nicht als Vergangenheit von sich wenden.
Hab auch das lila durch violett ersetzt, ich weiß zwar gar nicht, ob das jetzt unbedingt in deinem Sinne war, aber es erschien mir passender nach deinen Ausführungen. Klingt ja auch besser.
Noch schöne Sonnentage für dich und wie immer, vielen Dank für deine Hilfe
Liebe Grüße Novak

Hallo JuJu,
dass ausgerechnet dir, dem Meister der 100%igen diese Geschichte gefällt, das hat mich total gefreut. Das ist wie ein Lob mit Qualitätssiegel.

Aber nun im Einzelnen:

Die Diskussion, die das Ziehen im Unterleib hervorruft, die gefällt mir ausgezeichnet. Die Kommentare dazu finde ich tausen mal besser als den ursprünglichen Satz. Müsste man echt mal alles untereinanderschreiben.

Unterleib ist ein komisches Wort. Total nebulös. Höre ich immer wieder: "Schmerzen im Unterleib." Das gibts wirklich nur bei Frauen. Ist damit jetzt der Unterbauch gemeint oder die Blase oder die Gebärmutter oder die Geschlechtsorgane? Weiß man es nicht? Oder weiß man es vielleicht auch ganz genau, aber man sagt halt Unterleib dazu? Was meint ihr eigentlich damit?
Also ich für mein Empfinden besitze gar keinen Unterleib, bei mir ist es entweder der Bauch oder dann gleich die Eier oder so.
:D
Aber du hast ja Recht, und ich habe es auch so schnell wie möglich verbessert. Das klingt, ich habs ja schon in der Antwort an Quinn geschrieben, so, wie wenn man nicht wüsste, ob man Männchen oder Weibchen oder ein Nachtschränkchen ist.

Honey habe ich zu Hun verbessert. Toll dass du mir das geschrieben hast, ich wollte schon eine Freundin anrufen, die mit einem Amerikaner zusammen ist, muss ich jetzt nicht mehr machen. Zu mir haben die immer Honey gesagt, wenn ich in den USA war, ich dachte, das wäre übertragbar.

Das ist ja mal ein lustiges Spiel. Funktioniert das, ja? Muss ich mal ausprobieren. Und dann soll mich eine so lange loben, bis ich verlegen werde …
Funktioniert, ich garantiere es dir, man muss nur am richgen Hebel ansetzen. Irgendwann wird jeder rot.

Was du über das Machen von Absätzen geschrieben hast, das fand ich ausgesprochen interessant. Sam hatte ja das Fehlen von Absätzen moniert. Und normalerweise bin ich eigentlich auch jemand, die ganz gerne Absätze macht. Manchmal fast zu viele. Aber hier fand ich immer, dass es inhaltlich so stark zusammenhängt, dass ich einfach keinen Absatz machen wollte. Hab irgendwo mal gelesen, dass auch Absätze ein Stilmittel sind, bzw. das Nichtmachen von Absätzen. Es unterstreicht das Treibende.
Ich habe jetzt so einen Kompromissabsatz eingefügt. Ein Kompromiss ist es natürlich nicht, sondern ich meine, dass es so besser ist.

Das kann auch ein Effekt sein, wenn du keine Absätze hast … so erschlägst du den Leser irgendwie, du gönnst ihm keine Pause, und es geht weiter und weiter und weiter ... und das ist ja auch die Stärke hier. Das wirkt auf jeden Fall. Da ist richtig sexuelle Spannung drin, und dann die Masse und die Körper, und die Gedanken und und und – das ist gut gemacht.
Wenn ich das erreichen konnte, dann freu ich mich riesig.
Danke fürs Lesen, fürs Kommentieren, für das Lob. Und nicht zuletzt für die Absatzüberlegungen.
Liebe Grüße Novak

 

Hallo Novak

Da ich schon deine beiden ersten Geschichten in dieser Rubrik sehr gerne gelesen habe, habe ich mich auch auf diese gefreut - und wurde, wie zu erwarten, auch nicht enttäuscht.

Du kannst schreiben, das haben dir inzwischen so viele Leute hier bestätigt, dass ich es nicht nochmal wiederholen muss. Deine Geschichten machen Spass, und deine Stärke liegt darin, eine Situation einzufangen, die zunächst gar nicht so bedrohlich daherkommt - und sie dann langsam ins Unheimliche abdriften zu lassen.

Der erste Absatz gefällt mir gut, würde man die Geschichte verfilmen, wäre dies wohl das passende Hintergrundbild für den Vorspann. Da weiss man als Leser gleich, in dieser Kirche spielt - sprichwörtlich - die Musik. In einem Film wäre das ganze wohl mit einer unheimlichen Musik hinterlegt, in einer Geschichte hast du die Möglichkeit natürlich nicht - dennoch, ich würde versuchen, die Kirche bedrohlicher zu beschreiben. Ein wenig nur. Im letzten Absatz, der ein schönes Gegengewicht zum Beginn bildet, hast du das Bild mit den Blättern, die über den leeren Weg wehen - irgendwie sowas.

Irgendwann in den letzten Monaten meines Austauschsemesters hier in Phoenix, als das Frühstück immer noch nach Heimweh schmeckte.

Gefällt mir nicht so gut. Wonach schmeckt Heimweh? Als Gefühl ist es mMn viel stärker als ein Geschmack, und wenn das Frühstück längst gegessen ist, ist das Heimweh ja immer noch da. Bin kein grosser Freund von solchen Konstrukten, das wirkt ein wenig zu gekünstelt und passt nicht so recht zur restlichen Sprache deines Prot.

Den nächsten Absatz finde ich sehr realistisch beschrieben - der Teenager, dem während des aufgezwungenen Kirchenbesuchs nur die Freundin, seine Pläne mit ihr und was er daheim den Kumpels erzählen kann durch den Kopf gehen. Geschickt unterbrichst du seine Gedanken mit drei Elementen, die etwas Befremdliches, wage Unheimliches in die Situation bringen, und das ist ein schöner Kniff deinerseits, denn es erzeugt Spannung: Da haben wir die Krähen, den Pfarrer und die Puppen.
Die Krähen finde ich gut, die Puppen spitze - Puppen sind eh ein schönes Element in einer Horrorgeschichte; Gegenstände, die etwas Lebendigem nachgebildet sind - selten fliessen angenehme Gefühle wie Erinnerungen an die Kindheit, Geborgenheit und Schutz so nah zusammen mit Grusel und Furcht. Da muss man noch nicht mal an Voodoo-Puppen oder Chucky denken, da reicht es schon, wenn eine Puppe auf einem staubigen Dachboden oder - wie bei dir - in einer Kirche auftaucht. Hier erzeugst du mit treffenden Beschreibungen - glänzende Augen, abgeschabtes Fell, dazu der Geruch - eine schön unheimliche Stimmung.

Was mir leider gar nicht zusagt, ist der erste Auftritt des Pfarrers und die Sache mit der Narbe. Ich würde gar so weit gehen, das den schwächsten Teil der Geschichte zu nennen. Die Narbe an sich ist ja noch OK, du brauchst sie u.a. später zur Identifizierung (auch wenn die roten Haare eigentlich reichen), aber das mit der Vorgeschichte, der Oma, dem Unfall, der Vorahnung ... also nee. Passt da überhaupt nicht rein finde ich. Ich geh nicht so weit zu sagen, dass es einen aus der Haupthandlung rauskickt (was bei Rückblenden ja immer die Gefahr ist), aber die Geschichte gewinnt auch nicht dadurch. Und dann die Schmerzen in der Narbe, als er dem Pfarrer die Hand reicht - das ist mir zu offensichtlich und passt auch nicht zu der subtilen Spannung, die so nebenher erzeugt wird. Eine solche Szene hat die Geschichte doch gar nicht nötig, dein Stil ist gut genug, dass die Bedrohung auch ohne dieses plakative Element rüberkommt. Hier, so etwas:

Der kleine, dicke Pfarrer wirkte auf einmal nicht mehr behäbig, sondern erinnerte mich an einen spähenden Vogel.

Das ist doch gut, da hast du schön das wiederkehrende Vogel-Motiv in Szene gesetzt. Auch machst du dir so ein bisschen die Spannungskurve kaputt: Krähen --> Pfarrer / Narbe --> Puppen. Das Schöne am ersten und letzten ist ja gerade, dass es nicht wirklich bedrohlich ist, aber durch deine Beschreibung so wirkt - das trifft auf das zweite nicht zu, denn der "scharfe" Schmerz, die "durchtrennte" Verbindung - hm, weiss nicht, das hat einen übernatürlichen Hauch der Art, von der ich finde, dass er nicht in die Geschichte passt.

Den Hauptteil der Geschichte dann, die Feier, finde ich wieder sehr gelungen. Das ist so eine Szene, die einen als Leser in den Bann zieht, in der die Alltagssituation langsam kippt, mit einem sexuellen Aspekt und dann dem Ausbruch an Gewalt - schön für eine Horrorgeschichte. Gerade in einer Geschichte dieser Art, die hauptsächlich von der Stimmung lebt (ich weiss nicht, wie ich es anders ausdrücken soll, aber es gibt ja hier keine komplexen Handlungsstränge, Charakterisierungen, verschiedene Personen oder Dialoge) ist es wichtig, dass diese eine Szene dann sitzt. Und das tut sie. Wie der Prot. erst die andere Frau anfassen muss und sich dann Gedanken macht, der Pastor könne Mady küssen - und wie dann die rhythmische Gemeinschaft immer näher kommt, ihn einkesselt und auf den Pfarrer zutreibt - das hast du sehr gut beschrieben, gefällt mir. Das ist ja auch immer so ein Aspekt in Horrorgeschichten - dass man gegen seinen Willen auf etwas Bedrohliches trifft, es zwar erkennt, aber nicht fliehen kann - wie in dem bekannten Alptraum, in dem man verfolgt wird und dabei immer langsamer wird, bis man schliesslich stehenbleibt. Dieses Motiv hast du hier sehr gut verarbeitet.

Diesen Satz hier finde ich ein bisschen zu umständlich:

Vor mir sah ich ihr Gesicht, hörte Cattlingers Stimme, spürte zwei Hände, die meinen Mund öffneten, etwas Scharfes floss hinein, Hände griffen nach meiner Nase, so dass ich schlucken musste, sah Madys Mund.

Wenn man das Fette rausnimmt, klingt es ganz gut, aber durch den langen Einschub nach den Händen wirkt der letzte Teil nach dem Komma seltsam, passt irgendwie nicht rein. Würde ich nach vorne ziehen, hinter "hörte C.s Stimme", so dass der Satz mit "musste" endet.

Das Ende, hm. Er ist jetzt als Teddybär verdammt, ewig in der Kirche auszuharren. Ich weiss nicht, so ganz geht es für mich nicht auf. Denn was hat Mady jetzt noch von ihm? Und was heisst das in Bezug auf all die anderen Puppen und Teddys, die da so rumstehen? Waren das alles mal Menschen, die nicht mehr weg wollten? Also ich hab ja oben geschrieben, dass ich das für ein schönes Element für Horrorgeschichten halte, aber hier passts für mich nicht ganz. Es ist sicher nicht schlecht, aber irgendwie fehlt was, mir fällt auf die Schnelle aber jetzt auch nichts ein.
Auch dein alternatives Ende lässt mich nicht ganz glücklich zurück. Daran gefällt mir zwar besser, dass die Kuscheltiere besser erklärt werden in dem Sinne, dass nicht jedes einen ehemaligen Menschen darstellt - aber hm, wozu sollen sie jetzt gut sein, als "Opfer" an einen Gott? Müsste nicht Mady zum Dank etwas opfern, denn schliesslich wurde ihr Wunsch erfüllt, nicht der des Erzählers? Auch der Lichtpunkt, das ist wieder sowas, wo man sich als Leser so gewollt draufgestossen fühlt - ok, er lebt noch, ist aber eigentlich willenlos.

Unterm Strich gefällt mir das erste Ende besser.

Weiss nicht, falls du willst kannst du ja mal so in die Richtung überlegen, was es in einer Kirche noch geben kann - bspw. Statuen aus Holz oder Marmor, vielleicht Katakomben - keine Ahnung ob auch in solchen amerikanischen Kirchen, das wäre zu recherchieren, aber evtl. könnte man sich in der Richtung was überlegen, dass der Erzähler in der Form irgendwie gefangen ist - so als Holzstatue am Rand, das kommt den Puppen nahe, erklärt dann aber, warum er in der Kirche bleiben muss - in der letzten Szene könnte ja Mady in die leere Kirche kommen, sich daneben setzen und den Kopf dagegen lehnen oder so ... weiss auch nicht, nur mal so ein paar Gedanken, was man sich noch durch den Kopf gehen lassen kann.

Also Novak, insgesamt wieder eine sehr schöne Geschichte von dir. Ein paar kleinere Kritikpunkte hatte ich, die tun dem Gesamtbild aber keinen Abbruch. Hab das sehr gern gelesen und finde es einen schönen Beitrag zum TdS.

Viele Grüsse & bis zum nächsten Mal.

 

Der Pfarrer verwandelt den Lenny in ein Spielzeug, das nun auf ewig auf den Kirchenbänken sitzen muss. So war Ende Eins gemeint. Blöd, dass das nicht eindeutug und deutlich für dich rauskam. Ich habe jetzt noch ein Alternativende geschrieben.
So ist das auch bei mir angekommen. Aber ich dachte: 'Das ist Horror, keine Muppetshow' - du verstehst ...;) (-> Ich bin kein Fan des Endes, sorry. Zu kuschelig.^^)

. Ednlos viel, mit etwas Abstand gehe ich vielleicht noch mal drüber und schau. Im Moment finde ich einfach ncits mehr. Einiges ist auch mit Absicht so geschrieben
Ist schon okay.:) Der Kritikpunkt ist marginal ...

Dass der Lenny als Unsympath bei dir ankommt, das finde ich witzig. Oder besser geagt sehr spannend. An was machst du das fest? Er ist nicht durchgehend ein guter Mensch, aber wer ist das schon. Die meisten anderen Männer (Leute aus meinemFreundeskreis) , fanden ihn zu gutherzig, zu weibisch, zu weicheierig.
Rückblickend meine ich nichts gefunden zu haben, was meine Sympathie für ihn hätte wecken können - brillante Antwort auf deine Frage, nicht wahr? :D Konkreter: Sympathie hat für mich mit 'geteiltem Leid' zu tun - auch wenn dieser wörtliche Sinn den Begriff nicht ganz erfasst -, ich will eine Figur, der's an den Kragen geht und mich hoffen lässt, komm, Kumpel, das packst du. Exakt wie in Schreibratgebern beschrieben. Verletzungen, Narben, Tiefpunkte, innere Konflikte und so weiter.^^

Irgendjemand (zu einer anderen Geschichte) schrieb, man solle Ich-Erzähler nicht verwenden. Und Präsen nur im äußersten Notfall verwenden. Mir kommt/kam diese Sichtweise immer etwas prinzipiell vor. Ich habe bisher Perspektiven immer so eingesetzt, wie es mir für die Geschichte funktional erschien.
Ich-Perspektive ist doch prima. Und Präsens finde ich auch Klasse. Ich hatte früher Probleme mit der Kombination von Präsens und personalem Erzähler, aber das ist mir in meiner letzten Story gelungen. In deiner Geschichte funktioniert es für mich nicht so richtig, weil für mich die Logik über Bord geht: Was, da hat mir jemand rückblickend (!) die Geschichte seiner Auslöschung erzählt? Von Wolke Sieben? Untermalt mit Harfenklängen? Dann muss ich voraussetzen, dass dein 'Horror-Teddy' die Seele des armen Jungen nicht in Mitleidenschaft gezogen hat. Ne, ich finde, die Perspektive ist in diesem Text kritisch. Wundert mich, dass ich der einzige bin, den das stört. :)

Ich war schon am Absätze einfügen, da kam JuJu mit seiner Antwort und hat mich grad wieder rauskatapultiert. Ich glaub, einer mehr ist jetzt drin. Als Kompromiss, dir zuliebe. Nee, ich kann das natürlich nachvollziehen, dass das zu Lasten der Lesbarkeit geht, hab einen Absatz an einer Stelle, wo ich ihn sinnvoll fand.
Hab auch aran gemerkt, dass selbst das Machen oder Nichtmachen von Absätzen ein Stilmittel ist. (vgl. auch die Antwort an JuJu)
Das stimmt schon. In klassicher Unterhaltungsliteratur wird zu vielen Absätzen geraten (suggeriert schnellere Konsumierbarkeit), in Büchern von Thomas Pynchon zum Beispiel oder Thomas Bernhard ist die Absatzlosigkeit ein Qualitätsmerkmal. Wahrscheinlich, um dem Bohème das Gefühl zu geben, sich durch höchsten Anspruch gedacht zu haben, was weiß ich. :)

Hihi, wolltest du das machen oder sollte ich? Ähh? Also ich finds schon solide. Ne, jetzt im Ernst, ich hab die Frage wohl einfach nicht verstanden.
Ich wollte dir dazu raten, den Plot deiner Geschichte in wenigen Sätzen auf den Punkt zu bringen. Was passiert eigentlich in dieser Geschichte? ABER: Die Geschichte funktioniert ja auch so. Wahrscheinlich projiziere ich meine Plotprobleme auf die arme Novak. :)

Tschüss.:)

 

Liebe Novak

Ich mochte nicht missen, die ganze Geschichte nochmals zu lesen, um den revidierten Schluss in direktem Kontext zu sehen.

Dies bescherte mir allerdings, dass ich in der ersten Passage auf dem glatten Pflaster nochmals ausrutschte, obwohl mir dies vorab vertraut war. Das hab ich nun davon, dass ich so feingearbeitete Schuhe trage. :D
Doch, warum ich es überhaupt nochmals erwähne, ist, das blank gerieben hat schon seine Richtigkeit, und die Doppeldeutigkeit, die du erläuternd im Kommentar zum Ausdruck brachtest, erzeugte mir ein Schmunzeln. Es ist das „als“, welches mir diesen Widerpart beschert. Doch wurde mir zugleich auch klar, es steht in Beziehung zum ersten Satz. So hat es durchaus seine Berechtigung, ohne wäre es eine andere Deutung und nüchterner: Die Besucher hatten nicht nur ihre Schuhe, sondern auch die Steine blank gerieben.

Goldene Schrift auf violettem Grund:

Das Violett passt hervorragend, ist es doch eine Farbe, die auch in der hierarchischen Symbolik des Vatikans kennzeichnend auftritt, auch wenn die Sekte mit diesen nichts direkt am Hut hat.

Die Wand vor mir war mit lilafarbenen Stoffbahnen verhüllt.

Vielleicht könnte Violett hier auch die Farbe ihrer Wahl sein, analog der Fahne?

Das im Spoiler aufgezeigte Ende harmoniert für mein Empfinden nun mit der Szene, als Lenny von der Kälte ergriffen wurde. Er weilt noch da, wie ein Untoter neben den Plüschtieren.
Zur ersten Version erwähnte ich, dass es mir dann ein überraschend schlichtes Ende nahm. Hier ist es auch kein Spektakel – hätte ein solches überhaupt hineingepasst? – aber es festigt die Geschichte in sich eher. Ich denke, es ist immer die Frage, welche Intention ein Autor in sich trägt, und diese sollte sich bestmöglich durchsetzen.
Als Leser könnte ich mir in diesen Abschnitt dennoch ein wenig mehr Griffigkeit vorstellen. Ich war verunsichert, ob ich da nicht eine eigene Interpretation hinein fantasierte. Trat er dem Betrachter nun als Geist oder als Untoter auf, oder war er real zugegen, doch vom Geist dieser Kirche vereinnahmt? Etwas Unbeantwortetes kann durchaus bleiben, aber die tendenzielle Ausrichtung könnte noch etwas schärfere Konturen vertragen.

Nachträglich habe ich nun noch den Kommentar von Schwups gelesen, dessen Kritiken stets sehr feinsinnige Beobachtungen begleiten, und finde seine Idee einer Statue genial passend in diesem Rahmen. Dass Mady in die leere Kirche kommt, an ihn anlehnt und seine Gegenwart liebevoll geniesst, gäbe dem schon einen beinah spektakulären Schliff.

Es ist und blieb mir ein Lesevergnügen. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Novak

Eine der besseren Storys, die ich hier in letzter Zeit gelesen habe.
Allerdings - und da bin ich als alter Handballer möglicherweise etwas vorbelastet - haben mich die Bezüge zu dieser (unserer?) Sportart immer wieder aus der Geschichte gerissen, da ich am Handball, ähnlich wie Quinn, nichts erotisches, sondern einfach nur Spass am Kräftemessen und der Bewegung empfinde.
Auch wirkte mir mancher Bezug eher bemüht, als zum Beispiel dein Prot einen Schlagwurf ohne Ball anbringen wollte. Ich versuchte mir das vorzustellen, wollte aber nicht gelingen, und so hielt ich mich unötig lange damit auf.
Wirklich groteskt war das hier:

Für einen Moment sah ich unseren Kreisläufer, wie er Cattlingers Kugelbauch aus dem Weg und mir den Weg zu Mady frei räumte.
Weisst du wie gross ein Handball ist? Und ein Kreisläufer räumt nicht die Bälle weg, sondern reisst eine Lücke auf für einen prima Schlagwurf. :D
Auch die Körpertäuschung mit Durchbruch nach aussen, wirkte komisch, aber vielleicht auch nur, weil's normalerweise Richtung Tor geht, also eher zur Mitte als nach aussen, arrgh, was weiss ich. Ist halt mein Empfinden, und vielleicht hilft's ja.

Hier noch ein kleiner Logikbruch:

Davor wartete ein riesiges Schlagzeug, neben dem sich gerade der Chor aufstellte.
und etwas später hatte ich dann ein Déjà-vu
Ich atmete erleichtert auf, als ein Trommelwirbel einsetzte, und der Chor sich aufstellte

Zum Alternativschluss:
Von beiden Enden gefiel mir eigentlich das erste besser, würde aber deinen Prot (wie Schwups bereits anmerkte) zum "festen Inventar" der Kirche machen, den Talismann kann Mady ja zu den anderen Stofftieren setzen, hehe.

Sehr gerne gelesen,
ist mMn ein heisser Anwärter auf den TdS-Titel.
;)

Viele Grüsse,
dot

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich noch mal: Das Problem mit dem Ende ist einfach, dass ein Ende auch zu der Geschichte passen muss.
So wie du es gedacht hast: "Sie will sich nie von ihm trennen, sie will ihn in ihrem Leben haben."
Das ist eine echt clevere Idee, dass du sagst: Okay, der Mann hier will mit der Frau schlafen, denkt aber kein Stück daran, wie es danach mit ihnen weitergehen soll. Er schläft mit ihr und dann ist er weg, und sie sind getrennt.
Die Frau aber will sich nur emotional mit ihm binden und das körperliche spielt für sie keine Rolle.
Das ist doch ziemlich clever, ihn dann zu so einem asexuellen Teddybär zu machen, das müsste aber noch weiter ausgeführt werden, damit der Leser es mitkriegt, denke ich.
Und das Problem ist, dadurch dass du diese vielen Teddybären zeigst, entsteht der Eindruck, das passiere dort ständig. Also ständig kämen Männer nach Phoenix, die von niemandem vermisst werden, verlieben sich da in keusche Frauen und werden zu Teddybären gemacht - und dann ist halt die Frage: Bitte? Vermisst die keiner. Was passiert dann.

Die in der Geschichte angelegte Idee, dieses Dilemma (Wie sieht der Junge die Beziehung? Wie sieht das Mädchen die Beziehung?) - das müsste in einem diesen Konflikt widerspiegelnden Moment aufgehen. Dass es beim Leser dann klickt, ich hab das nicht gesehen. Ich weiß auch nicht, ob dir das beim Schreiben selbst so klar war.
Das sind ja auch mythologische Motive. Das ist Odysseus und Circe, wenn sich die Männer auf der paradiesischen Insel in Schweine verwandeln.
Da braucht man eine Idee, irgendetwas kreatives, das würde die Geschichte richtig noch mal durchstarten lassen. Wenn man das Grundproblem ganz abstrahiert vor sich seiht. Was gibt es da für Möglichkeiten? Können die in irgendeiner Form "verschmelzen", können die in diesem Akt auf ewig aneinander gebunden werden z.B.? Dass das Mädchen von Vereinigung spricht und dass der Junge - und der Leser - denken: Alles klar, wenn ich eins will, dann die vereinigung mit der Braut. Dann könnte das Mädchen fragen: Willst du das wirklich? Bust bereit dafür? Und dann als Pointe wird es irgendeine schräge siamesische Zwillings-Geschichte; oder er stirbt und in ihrem Kopf weiterlebt oder irgendwas in dieser Richtung eben. Ich weiß es nicht, das wären für mich gute Sachen. Das wär ein sehr schöner, starker Gag. Das Spiel mit dieser "Vereinigung", mit den unterschiedlichen Bedürfnissen in der Situation, dass der Junge natürlich alles verspricht, weil er denkt: in 1 Woche, bin ich eh wieder weg.
Philemon und Baucis werden zu einem Paar Bäume nach der ersten Flut bei den Griechen; vielleicht verwandeln sie sich in Tiere, vielleicht verwandeln sich beide in Teddybären, vielleicht - was weiß ich. Es gibt so viele Ideen, die hier passen könnten. Und egal, für welche man sich entscheidet, dann geht man noch mal durch den Text durch und stellt ein paar Weichen anders und lässt ein paar Hinweise fallen: Vielleicht verwandeln sie sich in Vögel, die Idee dafür ist schon da. Ich weiß es nicht, das macht schreiben eben auch aus, dass man Fährten legt, Hinweise sät, Motive einführt und am Ende dann den Gewinn einstreicht.

Diese Teddybären:Metamorphose, die hab ich ehrlich gesagt nicht so verstanden, bis du es erklärt hast, und bei näherem Hinsehen finde ich sie nicht so gut, weil sie nicht das widerspiegelt, was in der Geschichte als Konflikt verankert ist. Denn die Logik mit dem Teddybär ist ja nur: Er ist jetzt tot und ich hab was, das mich an ihn erinnert. Oder: Er wird jetzt keine andere mehr lieben können. Das ist, finde ich, in der Geschichte nicht so verankert, diese Idee dazu. Das ist so eher ein Motiv aus der "Sexueller Jäger sammelt Trophäen"-Kiste. "Jede dieser Puppen steht für eine Frau, die ich beschlafen, getötet und verspeist habe oder so."

Ich hab die Erfahrung gemacht: Eine solide Geschichte mit einem tollen Ende wird dir wirklich vergoldet. Da stehen die Leute ohne Ende drauf. Die vergeben so viel davor, wenn das Ende nur richtig knallt. Das ist echt wichtig, grad bei Horror-Stories. Und der Leser muss das Ende vollends verstehen.

Ach ja ... diese "Der Prot lebt in ihr weiter"-Lösung behebt auch das Problem mit dem toten Ich-Erzähler, das Kollege "Ich bin zum dritten Mal im Forum und diesmal mach ich auf voll nett angesprochen" hat.

 

Ach ja ... diese "Der Prot lebt in ihr weiter"-Lösung behebt auch das Problem mit dem toten Ich-Erzähler, das Kollege "Ich bin zum dritten Mal im Forum und diesmal mach ich auf voll nett angesprochen" hat.
Dass der Protagonist in dem Teddy weiterlebt, behebt das Problem in meinen Augen nicht. Für mich geht durch diesen 'Perspektivtrick' die Glaubwürdigkeit des Erzählers verloren, gerade weil die Geschichte im Präteritum geschrieben ist und der Ich-Erzähler deshalb seine Lage reflektieren müsste, wenn es logisch betrachtet wird. Hallo Quinn, freut mich, dir auch 2012 und zwei Jahre später die Laune zu versauen. :)

 

Das war so ein Spiel zwischen uns, immer dem anderen sagen, wie gut man ihn fand, bis der verlegen wurde,

liebe Novak,

und dieser Kirchhof – oder doch mehr die Kirchbank? - der Kuscheltiere lässt sich auch noch einmal lesen, wobei die Änderungen schon in Ordnung gehen (wobei ich’s für weniger bedeutsam halte, ob’s ein Kerl nun im Unterleib oder am steifen Glied spürt, einzig bei der Frau ohne Unterleib wüsste ich, dass es auch ohne ginge – irgendwo – außer bei der besagten Dame – muss ja Wesentliches [und nicht nur zur Verdauung] untergebracht werden), aber „Schwanz“ gesellt sich dann doch kongenial zum „ficken“.

Aber zwo im ersten Durchgang übersehene Probleme springen mich jetzt heftig an! Da wäre dann zunächst eine Fang-, pardon, Fallfrage, die mir auch bisher durchgegangen ist:

Richtig cool, du American Idol“, dann kniff sie mich in den Oberarm und lachte.
Fragen wir nicht, wen kniff sie, hingegen aber wem sie in den Oberarm geniffen habe?
Sie kniff ihn / mich, ...
- korrekt, aber:
sie kniff ihm / mir in den Oberarm.
Hier also besser Dativ (obwohl ich dem Genitivmörder dergleichen gönnte!).

…, und dachte an Madys kleine, spitze Brüste.
Hier ist m. E. noch Komma und Pluralendung zu überdenken.
K 101 (will ich auch ma’ zitier’n) Duden Bd. 1 sagt: „Zwischen nicht gleichrangigen Adjektiven (von denen das erste die folgende Fügung näher bestimmt) steht kein Komma“,
und macht dann die Gleichrangigkeit vom Sinn des Satzes abhängig, von dem also, was „gesagt“ werden soll.
Beim zwoten erinner ich mich, dass es zwar die „kleine“ Brust, aber die „kleinen“ Brüste heiße … Is’ so lange her für so’n ollen Hund wie mich …

Aber, wie gesagt, das tut der Geschichte keinen Abbruch. Wobei mir erst jetzt das zweimalige (vermeintliche?) „shining“ unseres Helden aufgefallen ist – sowohl im Auto der Mutter als auch während des devine service mit der amerikanischen Freundin (um neben dem von mir eher niedrig eingeschätzten King of Horror auch die von mir geschätzte Queen of whodunit [schön schräg] zu nennen). Es gilt vielleicht tatsächlich

Wenn einem wirklich geholfen wird, schenkt man schon mal seinen Spielgefährten her,
und damit für heute genug!

Gruß

Friedel

 

Hallöchen,

wenn ich schon wieder lese, was Ihr Euch hier um die Ohren haut ;) krieg ich komplexe :D

Ich wollt eigentlich nur kurz sagen, dass
- ''hun'' richtig ist. es wird häufig genau so genutzt, wie du es getan hast. das ist halt ähnlich wie luv für love.
- ich den Anfang etwas schwerfällig finde und ehrlicherweise schon überlegt habe, nicht zuende zu lesen. Zum Glück hab ichs doch gemacht. Die Geschichte ist nämlich toll.
- über diese Mango-Geschichte bin ich auch gestolpert und hab mir ähnliche fragen wie Quinn gestellt.
- mit Essigsauerer Angst kann ich so richtig nichts anfangen, ehrlich gesagt. Du schreibst sonst ganz wunderbar anschaulich, bei einigen Adjektiven hab ich gedacht: WOW, das müsste dir mal so einfallen :) Aber essigsaure Angst?
- ich finde das Teddy-Ende eigentlich sehr viel besser als das Andere. Aber irgendwer schrieb, dass es keinen Sinn macht, wenn Mady ihn doch für sich behalten will. Stimmt leider, schade eigentlich.

So, das solls auch gewesen sein. Alles in Allem eine tolle Geschichte, die ich gern gelesen habe

Grüße
Nina

 

Hallo Novak,

Herausragende, sehr atmosphärische Geschichte, eine der besten, die ich jemals hier gelesen habe. Zu den Enden: Auf jeden Fall favorisiere ich die Teddy-Variante. Das Alternativende gefällt mir hingegen überhaupt nicht.

Sprachlich finde ich deinen Text überaus gelungen, sehr magisch, suggestiv. Auch die Personen finde ich differenziert und psychologisch feinfühlig erfasst.

Allerdings finde ich, dass die ersten 2/3 der Geschichte und der Schluss nicht harmonisch zusammenpassen. Vielleicht könnte Mady sich ev. etwas mehr mit den Stofftieren befassen. Vordergründig, empfindet sie die Tierparade als Kinderei. Aber vielleicht fasst sie dabei eins der Tiere auf eine bestimmte Weise an, die deinem Icherzähler besonders auffällt, ihn vielleicht sogar skeptisch macht. Vielleicht ist sie besonders zärtlich oder sonstwie aufgewühlt. (> Etablierung eines Subtexts; z.B. Andeutung eines weiteren "Mady-Opfers").

ansonsten Top-Geschichte. Sicherlich hast du schon eine Empfehlung.

schöne Grüße petdays

 

Vielleicht könnte Mady sich ev. etwas mehr mit den Stofftieren befassen. Vordergründig, empfindet sie die Tierparade als Kinderei. Aber vielleicht fasst sie dabei eins der Tiere auf eine bestimmte Weise an, die deinem Icherzähler besonders auffällt, ihn vielleicht sogar skeptisch macht. Vielleicht ist sie besonders zärtlich oder sonstwie aufgewühlt. (> Etablierung eines Subtexts; z.B. Andeutung eines weiteren "Mady-Opfers").

Ja findest du? Ich finds eigentlich genau richtig, dass möglichst wenig davon preisgegeben wird, gerade wegen der Ich-Erzähler-Sache. Mady lenkt ja recht schnell davon ab, und das aus gutem Grund. Je weniger sie erzählt, desto weniger wird der Prot (ich hab doch tatsächlich seinen Namen vergessen *schäm*) hinterfragen. Eine Lüge würde höchstwahrscheinlich neue Fragen aufwerfen. Und da das ja nicht sein soll, find ichs eigentlich nur logisch, dass Mady fast nichts darüber erzählt und es als Kinderei abtut.
Und der Ich-Erzähler kann damit auch nicht mehr wissen.

Grüße
Nina

 

Hallo ihr alle: Schwups, Sam, Anakreon, dotslash, Quinn, Friedel, Nina77 und petdays,
nicht ärgern, dass ich bisher noch nicht geantwortet habe, ich werde es noch umfänglich und gründlich tun, aber jetzt gibt es erst einmal eine Sammelantwort.
Im Vordergrund stand ja das Ende der Geschichte. Ich habe mich über die vielen Rückmeldungen sehr sehr gefreut, das war total klasse und hilfreich.
Gleichzeitig habe ich aber auch sehr deutlich gemerkt, dass eine Änderung des Endes ziemliche Konsequenzen hat. Man müsste sie anpassen, bestimmte Stellen unterstreichen. Undsoweiter.
Ich habe mich nun nach langem Hin und Her entschlossen, erst mal bei dem alten Ende (Teddybär) zu bleiben.
Irgendwie muss man sich ja für eines entscheiden und das Alternativende war keine wirkliche Verbesserung. Im Moment schaffe ich es nicht, genügend Ideen und Zeit aufzubringen um mir ein gescheites neues Ende zu überlegen, so einen richtigen Wummer, vielleicht kommt das ja noch. Anregungen habe ich ja von einigen hier erhalten (Schwups Statuen oder Quinns mythologische Ideen) aber das Problem ist, wie oben geschildert, dass man dann auch immer die Handlung ein wenig anpassen muss und so was kostet (mich jedenfalls) eine Menge Zeit und Geduld, die ich momentan einfach nicht habe.
Also ganz pragmatisch erst mal diese Lösung. Die Kleinigkeiten werden noch rausgesummmst, wie der Logikfehler, den du dot, zum Glück gefunden hast.
Wenn das Tds abgeschlossen ist, sieht man weiter.
Bis die Tage
Novak

 

hallo novak,

bitte lass das teddy-ende drin *bettel* . Du kannst ja die passagen vorher harmonischer anpassen. ;)

schöne grüße p.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom