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Auf Reise

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04.09.2017
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Auf Reise

[Marek 17:34]: wer ist heute am start?
[Du 17:35]: ich
[Niklas 17:59]: hier
[Tim 18:14]: jop

Bereits Zeit investiert, Glückwunschkarte geschrieben, Sixpack gekauft. Craft-Beer, sollte passen. Bus, Bahn, Klingeln, da.

„Hi Fabian“, sagt Joel. „Cool, dass du kommst!“
Noch nicht viel los, 20 Uhr. Es gibt nichts zu essen, aber der Gastgeber nimmt das Sixpack mit strahlenden Augen an. Die Karte kommt zu den anderen.
„Prost“, ruft Joel und ich stoße mit ihm an. Sicher ein gutes Bier, er grinst. Es dreht auch nicht schlecht.

Ich setze mich zu Carla und Filli auf die Couch.
„Hi! Du siehst müde aus. Harte Woche?“
„Alles okay.“
Sie unterhalten sich über Windkraftanlagen und wie man aus dem Meer Energie gewinnen kann. Ich bin neugierig und hole mir bald das zweite Bier.

Marek, Niklas und Tim kommen um 23 Uhr. Joel ruft: „Tequila!“
Wir trinken und beißen in Zitronenscheiben. Viertes Bier leermachen, fünftes in die Hand kriegen. Lange, bestimmt gute Gespräche.

Joana kannte ich noch nicht. Wir reden über das Studium, beide Philosophie, in anderen Städten. Marek kommt vorbei: „Pass auf, dass er nicht spuckt!“ Er klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. Ich stoße mit ihm an.

Wir sitzen auf der Couch, ich kenne die Musik nicht. Joana schon. „Das ist was zum Tanzen!“, meint sie und wippt mit. Ich hole mir ein Bier, treffe in der Küche Joel. Wir trinken einen Jägermeister.

Ich schwanke, stolpere, stürze. Die Flasche schlägt auf den Glastisch auf, er bleibt ganz. Doch ich breche direkt auf Joels neues Sofa.

[Joel 11:32]: Hilft jemand beim aufräumen? Wäre nice
[Niklas 16:29]: jmd bock auf park? Chilln.
[Tim 16:37]: jo
[Marek 16:46]: ich schau vill auch ma vorbei

Ich klingle, Joel macht auf. „Alter, du lebst ja wieder.“
„Halb“, meine ich und grinse. Etwas rebelliert und ich atme tief ein. „Sorry wegen gestern.“
„Passiert.“
„Vielleicht ein bisschen zu oft.“
„Ach, wie war das: Man fällt, wie die Feste feiern?“
Joel lacht wieder. Dann drückt er mir einen Lappen, Eimer und Textilreiniger in die Hand.

Wieder daheim nehme ich Nietzsche vom Schreibtisch und blättere ein wenig, ohne zu lesen.

Vater Medizin, Mutter Jura. Ich Philosophie. Willst du denn nicht …? Oder … nein? Ach, toll, wir unterstützen dich. Seitdem kurze Gespräche, selten.
Semesterweise Überhang, das Geld fließt weiter. Wechsel? Neue Enttäuschung.

Josie. Sie nach Paris, ich: Bis bald.
Sie: Du bleibst?
Was soll ich in Frankreich?

Peter, Grundschulfreund, wird nach München ziehen. Schlägt eine WG dort vor. Was Neues.
Ich: All meine Freunde sind hier.
Freunde?

Ich werfe Nietzsche in eine Ecke und vergrabe mein Gesicht in einem Kissen.

Tasche gepackt, Taxi genommen. Flughafen. Wahrscheinlich bin ich noch betrunken. Renne aufs Klo, spüre einen Stich und ringe um Luft. Mein Herz pumpt kräftig.
„Geht es Ihnen gut?“
Ich schwitze, nicke aber. Boarding.​

Spanien, Sonne, Wärme. Immer noch betrunken? Es ist viel los am Flughafen und ich renne los, ohne meinen Koffer zu holen. Nur noch mit Rucksack.​

Ich halte den Daumen raus, das macht man doch so? Lange nichts, dann hält ein Trucker. Einer von hier, er spricht kaum Englisch. Aber er hält mir eine Flasche hin und ich trinke mit ihm. Es brennt in der aufgerauten Kehle und wir fahren los.
„Where you heading?“, fragt er mit dem, was er kann.
„South.“
„Why? Want to … the … Beneficio, si?“
„Maybe.“
„Si, si. What’s your name, buddy?
From Germany?
You study?
Chica home?“​

Es ist frühmorgens, als wir die Raststätte erreichen. Ich gehe zwischen die Büsche, laufe weiter und weiter. Dann stelle ich mein Zelt auf und lege mich hinein. Auf die Stille folgt das Lärmen der nahen Schnellstraße.​

Drei Tage nach Süden. Trampen und Gast sein, wandern und zelten. Bei einem Hostel Handy aufladen und duschen.
189 Nachrichten in 4 Chats. Drei Gruppen, einmal Mama: Denkst du an Omas Geburtstag?​

Ich lasse das Handy im Hostel und gehe weiter.​

Ausstieg in Andalusien. Zuflucht vor dem Sturm und dem Chaos in den Menschen.
Chaos und Menschen. Gespräche über Kapitalismus, Gott und die Welt. Ich rede mit den anderen über Ruhe und die Nächte werden kurz, die Tage lang.​

Ich will, dass die Welt aufhört zu rufen. Und um kein Echo mehr zu geben, gehe ich weiter, bis zu den Höhlen, wo sich das Wasser sammelt. Dort gibt es nur das Rauschen der Wellen.​


Eigentlich Geld abgehoben, das erste Mal zu Phil gefahren. Sinnsuche.
Aufs Klo, Einstich. Augen treten hervor. Mein Herz pumpt kräftig.
„Alles klar?“
Ich schwitze, nicke aber.

[Tim 18:53]: 90er Party im Splice heute. Marky und ich sind am start
[Joel 19:04]: Nice, komm auch
[Du 19:07]: ich auch!
[Tim 19:11]: Spucker am start!
[Du 19:14]: Immer doch! :D

Laut, lauter, Tonstörung. Stille Nacht und dröhnender Morgen.

Wieder am Abend im Park.
„Mann, bin ich durch“, meint Marek.
„Jo, war fett“, gibt Joel dazu. „Ey, Fabian! Wo bist du mit der Kleinen hin?“
„Ach, mal so aufs Klo“, sage ich und schiebe ein Grinsen hinterher.
„Scheint dich ganz schön fertig gemacht zu haben!“
Sie lachen und ich falle mit ein, kratze mir über den Arm.

Drei Tage bei Phil. Lade schließlich mein Handy wieder auf. 189 Nachrichten in 4 Chats. Drei Gruppen, einmal Mama: Denkst du an Omas Geburtstag?
„Alter, nimm nicht so viel!“, ruft mein Reisebegleiter, reißt mir den Kram aus der Hand. Ich packe meine Sachen und gehe. Habe daheim noch was.

Jetzt wird es still. Wäre da nicht das wilde Springen meines Herzens.

Schlag auf Schlag auf Schlag – Schlag.

Schlag.

Schlag.

.

 

Vater Medizin, Mutter Jura. Ich Philosophie. Willst du denn nicht …? Oder … nein? Ach, toll, wir unterstützen dich. Seitdem kurze Gespräche, selten.

Hallo @Vulkangestein

Hammer! Hat mir sehr viel Spaß gemacht, sehr nah dran, Stakkato als Stil, aber auch treffsichere Punches, ein sehr guter Humor, hier:

Die Flasche schlägt auf den Glastisch auf, er bleibt ganz. Doch ich breche direkt auf Joels neues Sofa.

habe ich meinen Kaffee auf die Unterlagen gespuckt. Das ist natürlich irgendwie oldschool, mich erinnert das auch ein wenig an amerikanische Filme, Frank the Tank und so, und das er sich da was ballert, das finde ich, ehrlich gesagt, schon fast zu heftig, das muss gar nicht sein, weil ich denke, hier geht es doch um Geschwindigkeit, also mir ging es beim Lesen so, alles ist fürchterlich schnell, die Leute denken auf die Schnelle, man ist überall schnell, man tut Dinge schnell, diese Droge, diese Abhängigkeit (wenn es eine ist) kommt mir fast wie eine Art red herring vor, der geschickt eine falsche Fährte legt. Ich glaube auch, wenn es sich um eine tatsächliche Abhängigkeit handen sollte, der Mensch vielleicht gar nicht mehr so aktiv ist, oder anders aktiv ist, mit einem eher eingeschränkten Radius, weil sich die Sucht und der Konsum sonst nicht mehr vereinbaren lassen.

Du hast das fein vorbereitet, der Part in Beneficio und Andalusien, das hat einen anderen Rhyhtmus, tiefer, tiefergehend, aber nicht so sehr, dass es einen aus dem Flow heraushaut, das bleibt so geschmeidig. Mich erinnert das durch die Komposition auch ein wenig an Beat, an Kerouac etc, die auch mit einer, ich will es mal Spontanität nennen, geschrieben haben, die natürlich auch redigiert und stringent komponiert wurden, aber vom reinen Drive her hat dieser Text etwas, das könntest du auch gut doppelt so lange schreiben, und ich würde es immer noch lesen und wahrscheinlich gut finden.

Wie gesagt, ein moderner Beat-Text vielleicht, und für mich persönlich muss es da diesen Drogenhintergrund gar nicht so sehr gehen, jedenfalls nicht als primäres Leitmotiv, was er erzählt in den knappen Absätzen, Mutter, Vater, Freunde?, das sind Faktoren, die sich ja amplifizieren, er ist ja nicht einfach nur auf Reise, sondern viel eher auf der Flucht, und die Droge sorgt dafür, dass sein Herzschlag sich nie verlangsamt, aber sie ist kein alleiniges Motiv.

Ja, beeindruckend, wie man auch Erzählen kann, das ist ja das Schöne an Literatur, sehr viele Zugänge und immer neue Lösungen.

Gruss, Jimmy

 

Moin @Vulkangestein ,

nun tigere ich seit dem Einstellen um die Geschichte herum, wir haben sie beim Stammtisch diskutiert und auch jetzt will ich unbedingt etwas dazu sagen - doch sorry, ich kriegs nicht auf die Reihe. Also nicht als konstruktiven Komm, daher lasse ich Dir nur einen Leseeindruck da.

Mir hat die Idee und noch mehr, die sich in den Bearbeitungschritten ja nur noch tiefer zeigende, völlig andere Struktur Deiner Geschichte super gefallen. Ich mag sie nur so nicht lesen!
Das ist Klasse gemacht, ich kann den meisten Szenen folgen, okay, für den Drogentripp brauchte ich die Hilfe anderer Kommentare, aber das geht in Ordnung. Nur fehlen mir für ein Geschichten- erleben-und-genießen (oder auch erschauern)-Erlebnis einfach die Worte dazwischen. Aber das ist eindeutig mein Problem, ich hänge anscheinend in der traditionellen Variante fest.

Aber das macht ja das Besondere dieses Textes aus, das er so anders ist. Ich hoffe, in dreißig Jahren lese ich etwas, und erinnere mich an meine erste Begegnung mit einer anderen "Beschreibungswelt" und vielleicht kann ich es ja dann genießen.

Also Danke für das interessante Leseerlebnis
witch

 

@Vulkangestein,

Drei Tage bei Phil. Lade schließlich mein Handy wieder auf. 189 Nachrichten in 4 Chats. Drei Gruppen, einmal Mama: Denkst du an Omas Geburtstag?
„Alter, nimm nicht so viel!“, ruft mein Reisebegleiter, reißt mir den Kram aus der Hand. Ich packe meine Sachen und gehe. Habe daheim noch was.
Geschickt, wie du kurz vor Schluss die Spanienreise als Trip outest. Bei dem hier:
Ich will, dass die Welt aufhört zu rufen. Und um kein Echo mehr zu geben, gehe ich weiter, bis zu den Höhlen, wo sich das Wasser sammelt. Dort gibt es nur das Rauschen der Wellen.
musste ich direkt an die Klo/Ozean-:DSzene in Trainspotting denken. Überhaupt war ich schnell bei dem Film, auch wenn deinem Prota nicht diese energetische Lebensfreude innewohnt wie Mark.
Das wäre auch mein Kritikpunkt: bei aller Hektik und Lautstärke bleibt dein Prota merkwürdig dumpf, sagt lieber nein als ja, lässt sich treiben, statt selbst zu rudern. Dabei hat er außer einer Sinnkrise (und einem exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum) keine wirklichen Probleme, ist finanziell auf der Sonnenseite, kommt aus solidem Elternhaus, studiert Philosophie. So what? Meine Fuß will ein schnelles Treffen mit seinem schlaffen Hintern.
Genau das Fehlen ernsthafter Probleme macht es mir schwer, mitzufühlen, denn die Frage: "Was mit dem Leben anfangen?" habe ich für mich schon ´ne Weile beantwortet und seine Lösung Dauerbetäubung sagt mir nix, hat es noch nie.
Formal kann ich deiner Geschichte einiges abgewinnen. Den "Live-Stream" versetzt mit WhatsApp-Nachrichten finde ich sehr gelungen. Ebenso den rechtsbündig abgesetzten (Spanien-:D) Trip. Alles ist atemlos, Schlag auf Schlag, der Fabian ein Stück Treibholz im Wildwasser - wenn er doch nur mal zucken würde ...

Peace, linktofink

 

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