Hallo @Katla und @Peeperkorn,
schön, mal wieder hier zu sein - und vielen Dank für Eure ausführlichen Kommentare - ich freue mich sehr darüber, es ist - ganz ernsthaft - ziemlich cool, wenn der eigene Text so auf Herz und Nieren geprüft wird. 
Und deshalb fange ich, bevor ich auf die Details eingehe, kurz mit dem "big picture" an - da hast du, @Peeperkorn, meine Intention herauslesen können. Die Idee, in aller Kürze, lautet:
Der oder die Protagonist:in lebt mit Martha, seiner:ihrer Partnerin zusammen, und Martha liegt im Sterben. Der:die Protagonist:in hat Martha über Monate hinweg begleitet - darauf deuten Arztbriefe etc. hin - und dabei auch selbst einiges verloren - mutmaßlich seinen:ihren Arbeitsplatz, deshalb Kündigung, Briefe von Anwälten usw. Letztlich ist Marthas Krankheit aber nicht aufzuhalten. Der:die Protagonist:in beschließt, dass sie zusammen sterben sollen, und bereitet einen erweiterten Suizid vor.
Das ist die mehr oder weniger sichere Ebene. Dann gibt's da aber noch den Teil mit der Anleitung zum Schreiben einer Schauergeschichte. Anleitung, das bedeutet ja: Ich zeige dir, Schritt für Schritt, wie man's macht. Das tut der:die Protagonist:in - von "Die Welt deiner Erzählung ist jetzt klar definiert. Innerhalb ihrer Grenzen gelten deine Gesetze" - bis zu den übernatürlichen Elementen am Ende, den Spiegelmenschen, lies: Geister im Haus verstorbener Menschen. Der:die Protagonist:in erzählt uns das und baut dabei eine Rationalisierung seines Handelns auf: Wenn's die Spiegelmenschen wirklich gibt, dann ist das hier eigentlich kein erweiterter Suizid, sondern so eine Art Evakuierung in letzter Sekunde.
Die Sache mit übernatürlichem Grusel ist bloß: In Wirklichkeit gibt's sowas nicht. D.h. die romantische, post-mortale Zusammenführung der Liebenden, die der:die Portagonist:in sich da herbeifantasiert, ist genau das - Fantasie. Eine Ausflucht. Rationalisierung. Darauf deutet der Teil hin, in dem der:die Protagonist:in die Realität buchstäblich umschreibt, als Martha sich ihm:ihr von hinten nähert. Der:die Protagonist:in ist der Realität so weit entrückt, dass er:sie das kann - und das deutet daraufhin, dass die Fantasie, man könne nach dem Tod im Spiegel weiterleben, vergebens ist.
Aber das bleibt offen. Das Ganze heißt "Anleitung zum Schreiben einer Schauergeschichte", und an dieser Stelle darf der:die Leser:in entscheiden: Ist der Text als Ganzes eine Schauergeschichte? Dann wären die Spiegelmenschen echt und der:die Protagonist:in würde mit Martha hinter die Spiegel ziehen. Oder ist "Anleitung" das, was der Protagonist mit uns macht - baut er nach und nach seinen Wahn vor uns auf, bis wir selbst an die Spiegelmenschen glauben? Anders ausgedrückt: Ist der:die namenlose Protagonist:in eine Figur in einer Schauergeschichte - oder ist er:sie Autor:in einer Schauergeschichte?
Puh, selbst die Zusammenfassung braucht drei Absätze! Das spricht vermutlich nicht für die Stringenz der Story.
@Peeperkorn kommt mit seinem Ansatz dem, was ich im Kopf hatte, nahe - aber ich kann dir, @Katla, keinen Vorwurf machen, wenn du etwas anderes in der Geschichte liest. Schließlich müssen Texte für sich selbst stehen. Wenn der Autor sie in drei langen Absätzen erklären muss, dann ist offensichtlich etwas schiefgegangen.
Nochmal - herzlichen Dank euch beiden für die substanziellen Beiträge - die Qualität der Kritiken auf dieser Seite ist phänomenal!
Jetzt noch ein paar Antworten auf eure Details:
wie schön, dass du wieder ins Forum gefunden hast! Ich freue mich schon sehr auf Kommentare von dir, die waren immer gut durchdacht.
Gleichfalls - ich freue mich sehr! Bin zwischendurch Vater geworden, das verkürzt die Tage und Nächte ziemlich heftig, aber mit ein bisschen Glück wird's jetzt etwas ruhiger - dann ist vielleicht mal ein halb-durchdachter Kommentar drin.
Schau doch noch mal über den Text, da haben sich unzählige überschüssige Leerzeilen und auch fehlerhafte Zeilenumbrüche eingeschlichen. Geschichten stehen im Fließtext. Ganz vor allem muss Redebegleitsatz und wörtliche Rede derselben Figur direkt hintereinander stehen.
Zeilenumbrüche werden gesetzt, wenn Sprecherwechsel stattfindet, bzw. in Dialogen auch, wenn eine Person etwas sagt und eine andere etwas tut. Oder, um lange Absätze an inhaltlich passenden Stellen aufzulockern.
Absätze werden nur gesetzt, wenn ein relevanter Settingwechsel stattfindet (also nicht von einem Zimmer ins andere gehen), eine längere Zeitspanne zwischen zwei Passagen vergangen ist, Perspektivwechseln etc..
Mache ich, vielen Dank!
Es tut mir wirklich leid, weil ich dich schätze, aber die Geschichte funktioniert für mich gar nicht. In den 2010ern gab es Massen solcher Texte hier und in anderen Foren, eigentlich immer von Anfängern und / oder Teenagern, und diese Welle war ganz offensichtlich inspiriert von
Silence of the Lambs und noch mehr von
American Psycho bzw. später auch den fiktionalen Bearbeitungen des Mordes an Sylvia Likens.
Kennzeichnend sind: ein zu simpler, vorhersehbarer Handlunsgbogen (würde es nicht mal Plot nennen); ein empathiegestörter Erzähler, der irgendwie sonstwie sophisticated tut, aber weder eine wirklich ungewöhnliche Haltung hat noch tatsächlich irgendwie intelligente Dinge sagt; Gewaltszenen stehen aus derHandlung heraus wie ein sore thumb, weil sie null eingebunden sind und durch die Schalblonenhaftigkeit aller Figuren keine Wirkung entfalten können. Das Ganze auf allersimpelstem Leichtprach-Niveau. Solche Texte wirken auf mich stark penälerhaft und ich denke, dass du es wirklich Tausend Mal besser kannst, als solche abgenudelten Szenarien runterzuschreiben.
Ich beschäftige mich seit sehr langer Zeit laienhaft, aber seriös mit Serienmördern und auch Mördern im Kindes-/Jugendalter. Und anders als Blockbuster den Eindruck erwecken könnten, reicht narzisstische, dumpfe, extreme Gewalt allein nicht aus, um einen (Serien)Täter zum Star werden zu lassen bzw. interessant zu machen (vllt. mit Ausnahme von Dahmer und Killer-Paaren, weil dort die Umstände / das Umfeld so ungewöhnlich sind). Heute gibt es ja bereits Kids, die morden, weil sie berühmt werden möchten. Ich könnte hier eine lange Liste mit Mörder*innen erstellen, von denen - glücklicherweise - kaum jemand je gehört hat, obwohl die Taten abartig grausam waren. Die Mörder von James Bulger werden keinen Starruhm erlangen, weil an der Tat - egal wie schockierend - kein interessanter Aspekt ist.
Hannibal Lecter oder Sevens John Doe funktionieren nicht in Isolation, sondern nur durch ihre Konflikte, das sorgsam aufgebaute motivische Umfeld, ggfs. ihre Gegenspieler (mit eigenen Konflikten), v. a. das gesamte Set-up der Plots. Das wird in Texten wie deinem immer missachtet, und dadurch funktionieren sie nicht. American Psycho ist eine ironische politisch-wirtschaftliche Parabel, die Taten sind eh nur Fantasien und dort geht es um die impliziten Motive (shark tank), der Prota wird als hohl entlarvt (abgesehen davon halte ich das Buch für völlig überbewertet).
Es gibt sicher mit einer Menge Umschreiben und Editing Möglichkeiten, aus diesem Prota / Text was zu machen. Z. B. ein Umfeld mit interessanten Konflikten schaffen, in dem seine platte, pedantische und fake-naive Art plötzlich ein spannender Gegenpart wird. Oder du gibst ihm Anteile, die seine momentan noch durch nix untermauerte Coolness tatsächlich objektiv auch für den Leser nachvollziehbar machen - also eine runde, komplexe Figur mit anderen Eigenschaften als nur stumpfe, dümmliche Empathielosigkeit.
Ja, wie gesagt - das war tatsächlich gar nicht meine Intention. Umso blöder für mich, wenn man es rauslesen kann ... Was hat dich denn auf die Spur eines Serienkillers, Patrick Bateman usw. gebracht?
Oder du lässt die Figur wie sie ist und gehst ins Surrealistisch-Weirde-Absurde mit verrückten, unvorhersehbaren Elementen und Twists - wie z. B. Carlton Mellick III es manchmal schafft. Halt so eine Achterbahnfahrt mit Alice im Wonderland.
Im Grunde ist das ja die Idee: Es soll die tragische Geschichte eines erweiterten Suizids sein, die gestört wird durch Hinweise auf einen unzuverlässigen Erzähler. Die Frage, die am Ende offenbleiben soll, lautet: Ist das hier nun eine Schauergeschichte mit übernatürlichen Elementen - wird der:die Protagonist:in seine:ihre Partnerin ins Jenseits hinter den Spiegeln "retten" können? Oder ist das die Wahnvorstellung eines:einer Verzweifelten, der:die keinen anderen Ausweg mehr sieht?
Tricky, das Ganze - aber deine Kommentare, liebe @Katla, sind wie immer treffend und präzise. Ich werde versuchen, meine ursprüngliche Intention besser herauszuarbeiten.
Lieber @Peeperkorn,
auch dir vielen Dank - und hello again!
Der Einbezug einer Metaebene wird dadurch auf einmal unangenehm unpassend, und das fand ich durchaus spannend.
Danke - das wäre meine Hoffnung. Die große Frage, die die Story offen lassen soll, lautet:
Wer konstruiert hier vor den Augen der Leser eine Schauergeschichte - der Autor oder der Protagonist?
Konsequenter hätte ich es insofern gefunden, wenn du auf das hier:
Wie die Schatten im Spiegel. Thomasina, die 1831 in diesem Haus an der Grippe starb. Oder der Junge, den eine Blutvergiftung tötete, nachdem er sich an einer Scherbe geschnitten hatte — gleich hier, ziemlich genau dort, wo jetzt die Küche ist. Oder Hermann, der sich in der Badewanne die Pulsadern geöffnet hat.
verzichtet hättest. Das stellt sich nämlich der Konzeption ein bisschen quer, den Leser hinterrücks in ein Szenario zu ziehen, das keinen typischen Horror, sondern eben den "realen Horror" (Krankheit im Endstadium, Schmerzpumpe, Windel, kahler Schädel.
Guter Punkt! Gleichzeitig ging es mir genau darum: je nachdem, wie man den Text liest, flüchtet sich der:die Protagonist:in in eine romantische Spuk-Fantasie, um den erweiterten Suizid zu rechtfertigen. Vor dem Hintergrund sind vielleicht sogar die Topoi - die junge, tote Frau usw. - okay?
Sie könnte sich nicht einmal anschleichen, wenn Sie es versuchte.
Hier würde ich den Namen "Martha" nennen, um den Lesern sogleich klar zu machen, dass seine todkranke Frau auftritt.
Danke - mache ich!
Der Text hat mich nicht so ganz aus den Socken gehauen, aber die Konzeption finde ich wie gesagt sehr interessant. Zumindest habe ich mich gefragt, ob man das darf: Eine solche Geschichte auf diese Weise erzählen. (Natürlich darf man, aber dennoch.)
Ja, er klemmt noch ... ich bastle. Darf man das? Da sind wir uns einig - klar darf man. Ich habe in den vergangenen Jahren mehrere Menschen verloren, u.a. durch Krebs, und vielleicht steckt in dem Ganze sogar ein Hauch Verarbeitung ...
Vielen Dank euch beiden!