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Aiken

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24.08.2024
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Aiken

Aiken sitzt am Steg. Im Wasser schwimmen oliv schimmernde Kapelane. Ein Eimer mit gefangenen Fischen steht neben dem Jungen, dahinter liegen die Holzhäuser des Dorfes in ihrer Gebirgsmulde.
Ich werde Aiken zum Anleger schicken, hatte Großmutter Mühme in ihrem letzten Brief an Moose geschrieben. Er wird auf dich warten.

Moose steuert mit der „Ammassat“ den Hafen an. Die Gewässer der Insel sind ihm nicht mehr vertraut. Er sieht die kleine Gestalt dort sitzen, der er seit vier Jahren nicht mehr begegnet ist. Schaltet den Motor ab und verlässt den Kutter. Am Steg bleibt er stehen, legt den Kopf schief und sieht Aiken an. Der hält dem einen Augenblick lang stand, springt dann auf und ruft:
„Du brauchst überhaupt nicht mehr zu kommen!“

Und er läuft davon. Fische und Wasser schwappen aus seinem Eimer, bilden eine zappelnde Spur. Moose folgt ihm, sammelt die Kapelane auf, legt sie in seine Mütze und kurz darauf zu den anderen, die das Kind auf der Veranda hat stehen lassen. Seine Aufgabe ist klar. Jetzt, da Mühme in Rente ist, ist sie dankbar für die Unterstützung, die Moose ihr und Aiken zukommen lässt. Um Wintervorräte anzulegen, wird sie diesen Sommer auch ihn beherbergen. Er stellt das Gepäck ab. Nach seiner ersten Begegnung mit dem Jungen bleibt er eine Weile vor der Tür stehen. Dann atmet er aus und klopft an.

*​

An einem frühen Morgen zog Marius Aiken an, nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zum Kai. In Anorak und Stiefeln trippelte der Junge neben seinem Vater her. Schiffskräne verluden mannshohe Rohre, die zur Sanierung der Entsalzungsanlage geliefert worden waren.
Marius brachte das Kind an den Rand der Landzunge und bedeutete ihm, da zu bleiben. Lächelnd und mit ausgebreiteten Armen beobachtete der Junge die durch die Luft schwebenden Bauteile, bis sie gebündelt auf Gestellen abgelegt worden waren. Es roch nach Eis und Öl. Marius, der beauftragt war, die Löschung der Ladung zu koordinieren, lief am Anleger mal hierhin, mal dorthin. Mit behandschuhter Hand gab er den Arbeitern auf den Gestellen Richtungsanweisungen, blinzelte in die aufgehende Sonne.
Plötzlich riss krachend die Begurtung eines Bündels, ließ die Rohre ohrenbetäubend über den Anleger donnern. Sie kreuzten Marius’ Blick und begruben ihn unter sich.
Beim Aufprall, den Schreien, den verzweifelten Rufen verlor Aiken beinahe die Besinnung, war rückwärts stolpernd ins Straucheln geraten und dem Ufer entglitten. Er tauchte ein, tauchte unter und verlor in der träge schwappenden See jede Orientierung.
Der Junge riss die Augen auf. Die Luft seiner Lungen war fast verbraucht. Aiken strampelte, gab jedoch rasch nach und trieb mit ausgebreiteten Armen unterhalb der Wasseroberfläche. Eine Stake erschien ihm vor Augen, als sein Bewusstsein schon zu schwinden begann. In einer letzten Anstrengung entwand er sich dem eisigen Griff des Wassers, klammerte und wurde emporgezogen. Emporgezogen in eine milde Windstille, in der er zu liegen kam, bis Moose ihn aufhob und nach Hause trug.

Kristian nutzte das Boot für den Eigenbedarf, indem er dann Angeln fuhr, wenn er der ewig gleichen Konserven überdrüssig geworden war. Vertäut in der Nähe des Stegs war es im Morgengrauen kaum zu erkennen. Erst, als die ersten Wellen Tageslicht hereinschwappten, erschien seine Schatten. Manchmal ließ sich der Pastor von einem Schlepper ein Stück fjordeinwärts ziehen, angelte und ruderte ausdauernd zurück.
Dieser Morgen war ein anderer, und er hatte dem Ganzen kaum Aufmerksamkeit geschenkt, bis der entsetzliche Lärm, Schreie und das Quietschen, das Rattern der Maschinen die Stille sprengten. Als er das Boot fast erreicht hatte, löste sich an der Anlegestelle ein kleiner Schemen, versank lautlos und beinahe augenblicklich. Im nächsten Moment hatte Kristian die Stake ergriffen, mit der er sich sonst von der Felsküste abstieß, und sie in die finstere See gehalten. Aiken krampfte und kniff die Augen zu, nachdem er sicher abgelegt worden war.
Mit der Stake in der Hand betrachtete Kristian den Anleger, denn dort stand Moose, wandte den Kopf von links nach rechts, von rechts nach links, nicht in der Lage, sich zu bewegen.

Als es Abend wurde, entzündete Kristian eine Kerze und an ihr seine Zigarette. Er hatte sich vorgenommen, weniger zu rauchen, brauchte es nach dem Unfallmorgen aber. Versunken schaute er in die tänzelnde Flamme auf dem kleinen Tisch, spielte mit einem Kronkorken. Gerade wollte er das Licht löschen, als ein Schrei erklang. Kristian öffnete die Tür und sah hinaus. Der Schrei stammte von Moose, der auf dem zerklüfteten Untergrund gestürzt war und nun versuchte, sich wieder aufzurichten. Als es misslang, eilte Kristian zu ihm und ließ ihn sich hochziehen. Dabei bemerkte der Pastor Mooses glasigen Blick und den alkoholschweren Atem. Der Betrunkene seufzte, drehte eine einsame Pirouette und sackte wieder in sich zusammen. Kristian hievte ihn auf einen Stein.
„S’ all’s verlor’n“, schnaufte Moose.
„Aber das Kind lebt“, erwiderte Kristian und zwängte sich neben ihn.
„‘nd? Mari’s s’ mein Bruder g’wesen.“ Der Pastor ließ ihn weinen.
„Ich weiß. Wir haben ihn heute verloren. Zumindest das, was nur der Welt gehörte.“
„Wenn i’s s’neller g’wesen wär’.“
„Die Verletzungen waren schwer.“
Schluchzen und Schweigen setzten ein. Moose ließ die Schultern hängen und wiegte sich in einem unhörbaren Takt. Kristian wartete eine Weile, fasste ihn dann unter den Achseln, stemmte ihn hoch und ließ ihn sich einhaken. So kamen sie langsam voran.
„Was wird jetzt aus dem Jungen?“, fragte er nach einer Weile.
Moose machte eine ausladende Bewegung mit dem freien Arm und blickte in den Himmel. Für einen Moment verharrte er so und richtete dann einen leeren Blick auf Kristian.

Mühmes starker Kaffee ließ ihn klarer werden. In der vergangenen Nacht hatte er tastend das Haus durchquert, bis er mit Kristians Hilfe das Kajütenzimmer erreichte.
„Es tut mir sehr leid“, sagte Mühme sanft.
„Er war der Einzige, der noch übrig war. Von unserer Familie, meine ich“, sagte Moose. „Jetzt bin ich ganz allein.“
„Es muss besonders weh tun“, erwog Mühme. Reden war für Moose noch nicht das Wichtigste.
„Wirst du dich um Aiken kümmern?“, fragte sie stattdessen. Moose blickte überrascht auf.
„Ich?“
„Wer denn sonst? Er hat jetzt nur noch dich und mich.“
„Es geht ihm hier doch gut, oder nicht?“ Moose runzelte die Stirn. Das Stechen und Brummen in seinem Kopf schwoll wieder an.
„Ja. Aber ich bin achtundsechzig. Mehr Gleichaltrige als im Dorf täten ihm bestimmt sehr gut.“
„Du hast Erfahrung.“
„Erfahrung ersetzt keine Lebendigkeit“, sagte Mühme milde.
„Was hat das denn mit mir zu tun? Die paar Besuche.“
„Du bist immer noch sein Onkel.“
Ein Lächeln zeigte sich auf Mooses Gesicht.
„Ja. Aber was ist ein Onkel, den du nicht richtig kennen gelernt hast?“
Mühme hatte die Hände gefaltet und in den Schoß gelegt. Einen Moment lang sah sie aus dem Fenster, dann sagte sie langsam:
„‘Jetzt’ ist manchmal ein sehr passender Zeitpunkt.“
Moose rührte in seiner Tasse. Das dünne Porzellan klingelte unter dem Kaffeelöffel. Nach einer Weile räusperte er sich und sagte:
„Irgendetwas kann ich bestimmt für euch tun.“
Mühme verstand.
Die Türangeln quietschten und Aiken erschien im Pyjama. Benommen blickte er an den beiden vorbei, bis Mühme ihn aufhob und an seinen Platz setzte. Er machte keine Anstalten, etwas zu essen oder zu trinken. Abwesend duldete er den Löffel, den Mühme ihm von Zeit zu Zeit in den Mund schob. Die kleinen, zu Fäusten geballten Hände öffnete er nicht.
Moose starrte auf das Wachstuch auf dem Tisch.
Am darauffolgenden Morgen startete er seinen Kutter in Richtung Neufundland und Labrador. In aller Frühe hatte er seine Sachen gepackt, Kaffee für Mühme aufgesetzt und war verschwunden.

„Es kann nicht sein, dass du nicht Schwimmen kannst“, hatte Mühme energisch befunden, als Aiken fünf Jahre alt war. Auf dem Festland gab es einige Seen, die sich zwar kaum erwärmten, dafür aber Niedrigwasser boten. Mit der Fähre setzten sie über und wanderten, bis das Wasser vor ihnen lag wie ein Spiegel. Die Großmutter blies ein paar Schwimmflügel auf, während Aiken skeptisch um sich blickte. In Shorts und Schwimmhilfen machte er ein paar Schritte an Mühmes Hand, blieb aber im knöcheltiefen Wasser stehen. Die Fläche glänzte blau und war bis an den Rand mit Wolken gefüllt.
„Sieh, ist das nicht schön? Es ist nicht gefährlich.“
Aiken zögerte. Zu seinen Füßen konnte er den Grund des Sees erkennen, ein
Wolkenloch, in dem er mit beiden Beinen steckte. Seine Haut brannte und kribbelte, ihm wurde schwindelig. Das Wasser um seine Knöchel schien ihn in die Tiefe zu ziehen, und Aiken wand seine Hand ihn Mühmes, um sich daraus zu befreien. Sie gab nicht nach, drängte ihn jedoch auch nicht, weiterzugehen.
Die Sommer über versuchten sie es. Einmal in der Woche standen sie am Badesee und froren, das Kind wie ein Stock auf dem kargen Untergrund. Manchmal schwamm Mühme hinaus, um ihm die Scheu zu nehmen.
„Wovor hast du Angst?“
Aiken konnte es nicht sagen. Sie füllte ihn bis über den Rand.

Mühme erinnerte sich daran, wie Aiken versucht hatte die Angst zu überwinden. Der Bauch der alten Frau war ein mit niedrigen Bäumen bestandenes Gebiet unweit von Nuuk, in das sie ihn mitgenommen hatte, als sie mit Lehraufgaben an der Uni betraut gewesen war. Mit nackten Füßen hatte Aiken zugelassen, abzusinken in ein noch immer kaltes Wasser, sich mit dem Grund zu verbinden und wieder daraus empor zu stemmen. Ein von Flechten überkrustetes Walskelett war sein Versteck dieser Tage gewesen, obwohl er sichtbar in dem Rippenkäfig gesessen hatte, mit blauschwarzem Schopf und aufgeschürften Knien.
Dahinter erstreckte sich das Moor, in dem die Permafrostböden tauten und absanken, Mulden und kleinere Seen aus stehendem Wasser bildeten, in denen außer einem gelegentlichen Sonnentau keine Vegetation entstand. Es faszinierte ihn, was sein Vater ihm erklärt hatte: Setzte man einen Fisch aus dem Meer in eines dieser Wasserlöcher, musste er sterben. Dass das Eintauchen in sein Element ihn, den Fisch, auch töten konnte, war ihm nicht bewusst gewesen.
Außerhalb der Torfmoore wucherten aus Steinbrech, Hahnenfuß und Weidenröschen gesprenkelte Teppiche in die Niederungen des Sommers, aber der Junge zog die Landschaft aus Tümpeln und trockenen Kuppen vor, in der das Wasser keinerlei Regung bereithielt. Die Birken, die sich in die Kuppen krallten, wuchsen als Strauß mit jeweils mehreren krummen Stämmen, glatter Rinde und zerzaustem Grün. Es waren die ersten Bäume, die Aiken je sah.

„Kletter rein!“, sagte Kristian. Seit Marius’ Beerdigung hatte er ein Auge auf den Jungen. Nun biss dieser sich auf die Zunge und wagte nicht zu widersprechen. Das Ruderboot war schmal. Zitternd streckte Aiken ein Bein nach dem Bootsinneren aus, stieg rücklings ein und setzte sich. Er roch feuchtes Holz und säuerlichen Fisch. Kristian legte sich in die Riemen. Er wird warten, bis Aiken sich irgendwann traute, die Augen aufzumachen.
„Warum willst du, dass ich mitfahre?“, fragte Aiken.
„Wir können reden. Und ich kann dir zeigen, wie man fischt.“
„Warum soll ich das lernen?“
„Weil alle hier Fischen können“, lächelte Kristian und breitete die Arme aus. Die Ruderpinnen knarzten. „Außerdem bist du Insulaner. Und musst was essen“, fügte er scherzhaft hinzu.
Es würde Wochen dauern, bis Aiken die Augen öffnete. Dann saß er steif im Boot, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Kristian ließ ihn eine Angelrute halten, doch sobald ein Fisch biss und zog, begann Aiken zu schreien, schrie und ließ die Rute los, die der Pastor dann von der Wasseroberfläche fischte.

„… aber mit der Zeit verfilzte und verschmutzte ihr prächtiges Haar von all dem Dreck, den die Leute ins Wasser warfen.“
Aiken lag im Bett. Im Schein der kleinen Lampe hatte Mühme ein Buch aufgeschlagen und las daraus vor.
Da wurde Sedna, die Göttin des Meeres, wütend. Sie fing mit ihren langen, schwarzen Haaren alle Tiere des Meeres ein und hielt sie darin fest.“
„Sind die Tiere in einem Nest aus Filz gewesen?“, fragte Aiken.
„Nun, vielleicht“, antwortete Mühme. „Ich kann es mir gut vorstellen.“
Es gab nichts mehr zu fangen. Die Inuit hungerten. Da riefen sie in ihrer Not Angakkoq, den Schamanen. Und Angakkoq reiste auf den Grund des Meeres, wo Sedna wohnte, beschwichtigte sie und kämmte ihr Haar.“
„Das hat bestimmt ganz lange gedauert“, sagte Aiken.
„Bestimmt. Aber die Leute hatten großen Hunger, da war es Angakkoq egal, wie lange es dauerte.“
Er entfernte den Schmutz und warf ihn fort. Da ließ die Göttin des Meeres alle Beutetiere wieder frei, nicht aber ohne das Versprechen, dass die Inuit nicht gierig, verschwenderisch und in Gleichgültigkeit leben und jagen sollen. Der Schamane nahm die Botschaft mit zu den Leuten, und sie versprachen es und bemühen sich seither, ihr Versprechen zu halten.“
„Sedna war bestimmt glücklich, als die Haare wieder sauber waren.“ Nachdenklich sah Aiken Mühme an.
„Ja“, erwiderte sie. „Sie ist die Göttin des Meeres, aber weil sie keine Finger mehr hat, braucht sie Anggakoq.“

*​

Vier Jahre nach dem Unglück hat Mühme bereits Kaffee vorbereitet, um ihren Gast willkommen zu heißen. Sie sitzen in der kleinen Küche und trinken zunächst, bevor Moose zu reden beginnt.
„Hat sich ja nicht viel verändert“, murmelt er verlegen.
„Aiken und ich, wir haben uns verändert“, meint Mühme mit leuchtenden Augen.
„Natürlich“, beeilt sich Moose zu sagen und blickt kurz unter sich. „Seid ihr zurechtgekommen?“
„Großteils ja. Er musste immer überall hin mit, auch ins Klassenzimmer, jeden Tag. Anfangs in einem Laufstall.“
„Das klingt nach einer Herausforderung.“
„Es war eine. Wir sind ganz gut damit umgegangen.“
„‘Du brauchst gar nicht mehr zu kommen’, hat er gesagt“, erwähnt Moose.
„Aiken ist ein Kind. Du kannst ihm nicht übel nehmen, dass er sich damals alleingelassen fühlte.“
„Denkst du etwa, mein Junggesellenleben in Rigolet wäre etwas für ihn gewesen?“, fragt Moose halb scherzhaft. Mühme bleibt ernst.
„Denkst du etwa, es wäre das Gleiche geblieben?“
„Oh, ähm … nein“, sagt Moose langsam.
Für einen Augenblick ist es still. Nur die Uhr auf der Anrichte tickt.
„Und denkst du“, fährt Mühme fort, „es wäre schlimm gewesen?“
Moose sagt eine Weile nichts. Die Fischerei und der Fernseher machen das Leben in Rigolet aus. Ein verlässliches, abgestandenes Zuhause. Er steht er auf und klopft leise an die Tür des Kinderzimmers.
„Aiken? Ich bin’s, Moose.“
Als keine Antwort kommt, öffnet er die Tür einen Spaltbreit. Aiken sitzt an einem kleinen Tisch, vor sich die Abbildung eines Kapelans, die er in verschiedenen Farben ausmalt. Feindselig sieht er dem Onkel entgegen.
„Was machst du?“, bringt dieser hervor.
„Ich kann selber Fische fangen“, sagt Aiken ohne Umschweife.
Moose starrt einen Moment lang auf das Papier. Eine Ahnung keimt in ihm.
„Aber du musst das nicht. Gehst du etwa jeden Tag Kapelane fangen? Wo hast du sie?“
Moose hat sich gefangen, aber Aiken schweigt. Während der Sommermonate treibt es die Fische in großen Schwärmen in Untiefen. Manchmal branden sie in dichten Wellen an die Küste, was etliche an Land spült.
„Ich bin hierher gekommen, um euch zu helfen.“
Aiken beißt die Kiefer zusammen.

Der Eimer mit den Kapelanen steht noch immer auf der Veranda. Am nächsten Tag lehnt das Gestänge für ein Trockengestell daneben. Moose hat es einem Einheimischen abgekauft und durch den Ort befördert. Das Gebrauchtholz ist dunkel und voller Riefen, aber es gibt einen passablen Eindruck ab.
Zwei Stangen mit überkreuzten oberen Enden sind auf den Boden gestellt und müssen stabilisiert werden, damit Moose sie binden kann. „Hier, halt mal“, sagt er. Aiken kommt zögerlich näher und legt die Hände unterhalb von Mooses’ an den Aufbau. Dieser fixiert die Kreuzung und sie wiederholen das Ganze, bis zwei zeltähnliche Gestänge bereit sind, sprossenartig mit Leisten benagelt und dadurch verbunden zu werden. Als das Gestell fertig ist, zeigt Moose auf den kleinen Eimer. „Holst du sie mal? Die brauchen wir jetzt.“
Die Kapelane glänzen in ihrem Behälter.
Neben dem großen Fischermesser fördert Moose ein Kleineres zutage und gibt es Aiken in die Hand. Der sieht den Onkel überrascht an. „Pass gut auf damit“, sagt Moose. „Es ist nicht ungefährlich.“
Vorsichtig nimmt er einen Fisch in die Hand und beugt sich zu dem Kind. Als er den Kopf des ersten Kapelans abtrennt, japst Aiken.
„Der blutet ja gar nicht!“ entfährt es ihm. Gleich darauf verschließt sich seine Miene.
„Mhm, ja“, versucht es Moose, „es ist nicht wie bei anderen Tieren.“
Etwas verlegen wendet er den Fisch in seiner großen Hand, setzt erneut das Messer an und öffnet die Seiten des Tieres bis zur Schwanzflosse. Sorgsam entfernt er die Innereien und setzt den kleinen Leib wie eine Wäscheklammer auf das Gestell. „Gleich binden wir einen Zweiten dran“, sagt er. „Jetzt du!“
Zitternd führt Aiken das Messer. Als er den Kopf fast abgetrennt hat, rutscht er ab und die Klinge fährt durch die Luft. Scharf zischt der Junge durch die Zähne und sieht Moose schuldbewusst an.
Der bemüht sich um Ruhe.
„Sieh, wenn du es so am Heft fasst, geht es besser.“
Langsam schneidet Aiken den Fisch, drückt ihn mit der flachen Hand platt und öffnet ihn wieder, um die Innereien zu entnehmen. Dann binden sie Beide an den Schwanzflossen zusammen und hängen sie auf das Gestell.
„Die Bedingungen sind nicht optimal“, murmelt Moose. „Ein bisschen kühler könnte es sein.“
Aiken schaut ihn fragend an.
„Wir tragen es ein wenig mehr in den Wind“, sagt Moose und packt an.

Die Mitternachtssonne war am Abend zuvor in tiefen Gelb- und Rottönen bis an den Horizont gesunken und ließ die Farben nun im erneuten Aufgehen wieder verblassen. Neben den Kapelanen kann man zu dieser Jahreszeit Saiblinge vom Ufer aus fangen. Im seichten Wasser wenige Meter vom Festland entfernt, waberte ein leuchtend orangefarbener Köder unter den Spiegelungen. Die Stelle in der Mündung ist mit Bedacht gewählt, ohne Wathose erreichbar und am frühen Morgen beinahe ein Garant für Fang. Moose trägt die Wathose, Aiken hat sich geweigert. Mürrisch kauert das Kind am Ufer, die Arme um die Knie geschlungen, und sieht zu, wie Moose Streamer präpariert. Eine Kunstfliege imitiert einen kleinen Fisch, eine andere ist bunt und fedrig.
„Gib mir bitte mal die Zehner!“, wendet sich Moose an Aiken und schaut ihn überrascht an, als dieser ihm die richtige Schnur herüberreicht.
„Hast du denn schon mal geangelt?“
Aiken wendet ihm den Kopf zu, meidet aber seinen Blick.
„Mit wem, mit Mühme?“,fragt Moose etwas ungläubig.
„Oma angelt nicht“, erwidert das Kind leise.
„Und es nimmt dich einfach jemand mit?“
„Ja“, flüstert Aiken, dann schweigt er.
Moose blickt Aiken nachdenklich an und reicht ihm dann eine präparierte Rute, mit der er ihm zeigt, wie man die Schnur wirft und danach den Köder richtig führt. Man darf mit dem Wurf nicht gleich ins tiefere Wasser vordringen, um die Fische nicht zu vertreiben. In den Sommermonaten gibt es diese Fanggründe, in denen die Saiblinge nach Insekten an der Wasseroberfläche schnappen, bevor sie im Herbst flussaufwärts ziehen.
„Wie findest du’s?“ versucht es Moose nach einiger Zeit noch einmal und knufft Aiken in die Seite. Der versteift sich. „Ganz okay.“
„Nicht mal am Ufer richtig toll?“, neckt er.
„Nein“, antwortet Aiken und zuckt mit den Schultern.
„Vielleicht beim nächsten Mal.“
„Ja, vielleicht.“
Moose weiß, dass Aiken Wasser meidet. Der Junge hält aus, bis sie dreizehn Saiblinge gefangen haben.
Es ist nicht seine Aufgabe, denkt er, als sie ins Dorf zurückkehren, aber er weiß, dass es nicht nur um Fisch geht.

Als sie die alte Kirche passieren, die als Jugendraum eingerichtet ist, öffnet sich deren Tür und Kristian erscheint. Die beiden Männer stehen sich schweigend eine Weile gegenüber, die Eimer mit Saiblingen zwischen ihnen.
„Du bist wieder hier“, lässt Kristian schließlich die Stille enden. „Damit haben wir wirklich nicht gerechnet.“
„Ich werde mich beim nächsten Mal bei dir anmelden“, lässt Moose ihn zähneknirschend wissen.
„Das wäre gar nicht so verkehrt“, lächelt Kristian und streicht Aiken über den Kopf.
Moose strafft sich und sieht Kristian ins Gesicht. „Die Dinge haben sich geändert.“
„Ach? Willst du eine Weile bleiben?“, wendet sich Kristian wieder an Moose.
„Für den Sommer. Wir legen Vorräte an. Bald geht es nach Sisimiut. Und wir fangen Fische.“ Er zeigt auf die Eimer. Kristian macht ein überraschtes Gesicht.
„Fangt Fische? Ich dachte, auf dem offenen Meer wäre nichts zu machen?“
„Es sind Saiblinge vom Ufer. Hat eine gute Weile gedauert, bis wir sie gefangen hatten“, gibt Moose freimütig zu.
Von den Versuchen des Kindes, allein vorzusorgen erzählte er nichts.

Sie sind auf dem Weg nach Sisimiut, um Vorräte einzukaufen. Mit dem selbst gefangenen Fisch kommt man nicht sehr weit.
Ruhig gleiten sie durch das Eismeer, als plötzlich in unmittelbarer Nähe ein Narwal die Wasseroberfläche durchstößt. Es ist ein Bulle, dessen Zahn sich schäumend in den Himmel schraubt. Wenn das Tier auch nicht sonderlich mächtig ist, weiß Moose um die Gefahr, dass es im Schleppnetz verfangen ernsten Schaden anrichten kann.
„Runter“, schreit Moose. „Aiken, runter! Und bleib liegen!“
Aiken stürzt an die Reling, umklammert sie, bis seine Fingerknöchel taub sind, nicht in der Lage, sich zu bewegen. Entsetzt über den jähen Seegang und das sich Neigen des Kutters. Eimer und Taue rutschen über Deck. Nur wenige Meter trennen die „Ammassat“ von dem sich aufbäumenden Leib, so dass der Junge den knotigen Rückenkamm erkennen kann. Ein Geflecht aus Narben überzieht die glänzende Haut des Tieres.
Es sinkt so schnell, wie es aufgestiegen ist, um wenig später seinen Bauch zu präsentieren. Eine speckige, einsame Küste. Das Tier scheint gegen die Gewohnheiten seiner Art allein zu sein.
Aiken rührt sich immer noch nicht. Finger für Finger entklaubt Moose der Reling, setzt das Kind in eine Taurolle. Packt es bei den Schultern.
„Es ist wichtig, dass du an Bord das tust, was ich dir sage!“
„Ich hab es nicht mit Absicht gemacht!“
„Ich weiß. Es ist trotzdem gefährlich, einfach stehen zu bleiben.“
Aiken zittert und keucht, streicht sich nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht und ballt die Hände.
„Und was machen wir jetzt?“, fragt er.
„Wir werden ihn nicht erlegen“, antwortetet Moose.
Eine Weile bleibt er bei Aiken sitzen, hält seine Hände. Der Junge lässt es geschehen.

Aiken ist noch nicht oft in Sisimiut gewesen. Der Großmarkt trägt seinen Namen zu Recht. Nie zuvor hat Aiken höher gestapelte Waren, größere Mengen gleicher Etiketten auf Konservendosen und Kartons, mehr Gabelstapler gesehen. Türme bereits vorbereiteter Lebensmittel werden in Säcken und Packen verräumt. Mit großen Augen wandert er durch die Warenschluchten, bis er bemerkt, dass Moose stehen geblieben ist und sich mit einem Mann in Arbeitsoverall unterhält.
„Wie gesagt, wir können das jetzt machen“, hörte er ihn zu Moose sagen, „es ist nicht der einzige Fall dieser Tage. Aus den angebrochenen Packen können wir Sachen nehmen, Neue öffnen wir aber nicht.“
Aiken verstand, dass der Markt nicht einfach ein großer Laden war, in dem jeder einkaufen konnte. Zusammen mit Moose begutachtete er Säcke mit Reis, Nudeln, haltbar gemachtes Obst und Gemüse vom Kontinent, Fischkonserven mit Heilbutt, Seewolf, Kabeljau sowie Mehl, Gewürze und Saucen. Eingedostes Fleisch, Schokolade und Salzgebäck. Als die fertige Ladung mit Hilfe einiger Männer im Kutter verstaut ist, staunt Aiken, dass Moose das alles bezahlen kann.

„Warum hast du ihn damals eigentlich nicht gleich mitgenommen?“, fragt Kristian.
„Machst du Witze? Weil ich Vollzeit arbeiten musste?“
„Mühme auch.“
„Das ist doch was anderes!“, schnaubt Moose.
„So?“
Sie sind einander im Dorf begegnet, auf einer Aschebahn nahe der Kirche. Moose ist auf dem Weg zu einem Fußballspiel, zu dem ihn die Einheimischen eingeladen haben. Es ist eine Abwechslung, auf die er sich sehr freut.
„Wenn man keine Kinder hat, ist das nicht so einfach. Das müsstest du eigentlich wissen.“
„Das weiß ich.“ Kristian seufzt. „Aber er ist mit mir Angeln gewesen. Viele Male. Kommt in den Jugendraum, spielt Fußball. Er redet mit mir.“
Das ist es also, denkt Moose.

Im Laden am Fußballfeld gibt es Mattak. Moose hat lange keinen mehr gegessen und reiht sich in die Schlange ein. Das Wasser läuft ihm im Mund zusammen als er sieht, wie der Speck mit Haut und Knorpel zu Quadern geschnitten und in Wachspapier eingewickelt wird.
Zu Hause legt er die Portion auf die Küchenanrichte und zerteilt den grau-rosa Block in Würfel. Mühme und Aiken sehen vom Tisch aus zu.
„Seinem ersten Wal standgehalten hat er“, schmunzelt Moose und hält Aiken feierlich den Teller mit dem Walspeck hin. Der nimmt ein Stück, steckt es in den Mund und spürt dem nach. Die Haut ist gummiartig, schwer zu kauen, der Knorpel auf der Zunge glatt wie ein ausgefallener Zahn. Weich sieht das Fett aus und beißt sich kernig, schmeckt nussig und ölig.
Schweigend essen alle drei für eine Weile, reichen das Aromat herum und kauen gedankenversunken.
„War es ein Narwal?“, fragt Mühme schließlich.
Aiken nickt.
„Die Biester können einen ganz schön erschrecken“, meint Moose.
„Hattest du keine Angst?“, traut Aiken sich zu fragen.
„Nein. Das heißt, ein bisschen. Man gewöhnt sich an sie.“
„Wirklich?“
„Ja. Nach einiger Zeit.“

Der Bauch der alten Frau liegt verlassen wie einst. Moose blickt sich um und kann nichts finden, was seinem Blick Halt bietet, bis er schließlich das Walskelett entdeckt. Noch dichter wuchern jetzt die Flechten und lassen es blühend erscheinen. Aiken kriecht hinein und sieht sich um. Moospolster bedecken den Grund, durchweichen Knie und Schienbeine seiner Jeans. Er umfasst zwei Rippenbögen und sieht hinaus.
Draußen stampft Moose hier und da auf, stochert mit der Fußspitze im Grund und betrachtet die Gegend. Dann lehnt er sich an das Skelett und sieht zu Aiken hinab.
„Was machen wir hier?“, will er wissen.
„Poolspringen.“ Der Junge grinst.
„Und wie geht das?“
„Ich weiß es nicht. Zu zweit habe ich es ja noch nie gespielt.“
Moose kratzt sich am Kinn. „Verstehe.“
„Es gibt mehr Pools als früher.“
In den Mulden zwischen moosbewachsenen Höckern steht schwarz das Wasser. Aiken tritt prüfend heran und taucht einen Finger hinein.
„Okay“, sagt er. „Wie früher. Ein bisschen wärmer.“
Er zieht Schuhe und Strümpfe aus und bedeutet Moose, das Gleiche zu tun.
„Du musst aus einem Pool so nah wie möglich an den nächsten heran springen. Jeder Fuß Abstand bringt fünf Miese.“ Aiken kneift die Lippen zusammen und visiert einen naheliegenden Pool an.
„Warte!“, sagt Moose, „meine Beine sind viel länger als deine.“
„So ist es also“, erwidert Aiken. „Spielen wir.“

Am Ende des Sommers geht Aiken in der Wathose bis zu den Knien ins Wasser. Mühme betrachtet es mit Befriedigung. Die Kammer in ihrem Haus ist mit Lebensmitteln gefüllt. Sie haben Fisch getrocknet, gesalzen, geräuchert, eingefroren.
Am Morgen seines Aufbruchs setzt sich Moose ein wenig nervös zu Aiken auf die Veranda.
„Hat ja ganz gut geklappt“, sagt er und lächelt. „Jetzt weißt du, wie man Kapelane trocknet.“
Aiken drückt kurz Mooses Hand. „Kommst du mal wieder?“
„Wenn die Polarnacht am schlimmsten ist“, sagt Moose.

 
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Hallo @jimmysalaryman ,


erstmal das, was am kürzesten erklärt werden kann:

Sagt sie das so? "Er wird dort auf die warten"
Nein. Das ist ein (mir überaus peinlicher) Fehler. An so einer prominenten Stelle und ich habe ihn die ganze Zeit nicht gesehen.

Vielen, vielen Dank für deinen Beitrag zum Text! Ich gehe mal im einzelnen darauf ein.

der Einstieg ist sperrig und holprig und auch unpräzise, nach meinem Empfinden. Im Wasser flitzen die Kapelane. Flitzen finde ich klingt nach Kindersprache.
Ja, es klingt bestimmt recht kindlich. Es steht da, weil es erstmal das Passendste war, was mir zu meiner Vorstellung der Szene einfiel. Manche Fische machen im Wasser kurze Zischer, wo sie plötzlich wie ein Pfeil ein Stück nach vorne schießen, das sollte es abbilden und schnelles, unkoordiniertes Durcheinanderschwimmen.
In der Bibel flitzt Moses auch nicht auf den Berg.
Wenn ich jetzt Pech habe, werde ich mir das bei nächster Gelegenheit so vorstellen.
Da sollte man vorsichtig mit sein, finde ich, sonst wirkt das schnell unfreiwillig komisch.
Danke für die Erläuterung.
Das muss man schnell lesen, um sich keine Fragen zu stellen. Was ist eine sonnenbeschienene Tiefe? Wie stelle ich die mir vor? Ich stelle mir vor, du meinst den Bereich, in dem das Wasser noch klarsichtig ist und dann allmählicher dunkler wird, uneinsehbar.
Gemeint ist, was du beschreibst. Die Sonnenstahlen erhellen eine gewisse Tiefe, danach wird es trübe und dunkler. Ich denke, dass der Effekt in jedem Gewässer entstehen kann, das direkt mir Sonnenstrahlen beschienen wird und genug Wasser führt. Vielleicht funktioniert es aber am Meer nicht?
Ist ein Physiker anwesend? Jemand soll einen Physiker rufen!
Ein Eimer mit einigen Fischen - das klingt in meinen Ohren auch irgendwie seltsam. Einige Fische, wie viele sind das? Drei, vier?
Da habe ich mal die Vorversion wieder hergestellt in der klar war, dass es welche von den Kapelanen sind.
Wie sieht der Eimer aus? Ist der aus Blech, hat der Grünspan angesetzt, ist der alt, neu, mit Löchern?
Er ist übrigens rot und aus Kunststoff. Wahrscheinlich habe ich die Info für eher unwichtig gehalten und deshalb nicht direkt eingesetzt.
Wie sieht der Eimer aus? Ist der aus Blech, hat der Grünspan angesetzt, ist der alt, neu, mit Löchern? Was sind das für Fische? Wie sehen die aus? Schwimmen die ruhig in dem Wasser oder schlagen die um sich?
Ich sehe, dass du für einen personalen Erzähler bist. Ob ich den "herstellen" könnte für diese Geschichte, kann ich noch gar nicht sagen. Aber in jeden Fall ist es interessant, unter Berücksichtigung deiner Beobachtungen an den Text heranzugehen und zu sehen, was geschieht. Zumindest bin ich gespannt.
Bei den Fischen habe ich es beim Schreiben dieser Version bisher bei der zappelnden Spur belassen.
Dann: das kantige Konfetti. Das sind Häuer, massive Häuser die die Jahre überdauern, vielleicht schon Dekaden in dieser unwirtlichen Gegend stehen, und dann ist der Vergleich mit dem kantigen Konfetti doch obsolet, oder?
Hm, aus meiner Sicht nicht. Es wäre schön, wenn das massive, überdauernde Bauten wären, aber es sind Holzhäuser aus buntem Holz. Nicht mal aus dicken Holzbalken, sondern mehr zierlich und bretthaft. Tatsächlich gefärbt wie Konfetti stehen sie da in dieser wirklich kargen und urwüchsigen Landschaft. Der Ort hat ein reales Vorbild, bei dem das genau so ist, daher wusste ich, dass es für die beschriebene Region passt.
Es soll nicht heißen, dass es einem Leser nicht sauer aufstoßen kann, weil es ja real ist. Ob ich das ändere mit dem Bild, weiß ich noch nicht. Es sieht wirklich aus wie Konfetti und eher gebrechlicher, wie Papierschnipsel gemessen an der rauen Landschaft.
Auch insgesamt der Inhalt des Vergleiches: ich sehe diese Atmosphäre, ich sehe diese urwüchsige Landschaft, und dann taucht da plötzlich Konfetti au. Da denke ich als Rheinländer spontan an Karneval. Da bröselt alles andere auseinander, weil ich unweigerlich denke, der Autor nimmt sein Sujet selbst nicht ganz so ernst.
Das kann ich nachempfinden, vor allem die Konnotation zu Karneval. Aber die Leute in Grönland, wo es spielt, etwa 45 km südlich von Sisimiut, scheinen Lust drauf gehabt zu haben und ich fand es ganz passend.
Das ist nicht persönlich gemeint, aber der Text wirkt nicht schwer, nicht gravitätisch, obwohl er das einlösen könnte durch Verknappung, Verdichtung.
Das habe ich auch nicht persönlich genommen. Ich verstehe deinen Kritikpunkt durchaus und finde ihn auch in Teilen nachvollziehbar. Vielleich wäre der schwerere Blickwinkel das Passendere.
In einem Brief? Das ist ja so ein Diskursiv, ein Wissenszusammenhang, den der Leser nicht kennt, oder noch nicht kennt. Welche Zeit ist das, wann spielt das? Was für eine Rolle spielt Technologie? Wie schreibt sie ihm, welches Format, einen Brief, ein Telegramm, ein Fax?
Einen Brief kurz vor seiner Ankunft. Ich sehe, zu sehr an Details zu sparen, die ich für verzichtbar halte, kann nach hinten losgehen.
Im ersten Absatz drei (!) Namen, zu denen ich kaum eine Info bekomme, wo nicht viel passiert, danach direkt einen zeitlichen Sprung, der nicht gekennzeichnet ist. Gewagt.
Das mit dem Sprung ist erst in der neuen Version entstanden, in der alten waren aber auch Sprünge, die anscheinend noch gewagter waren. Vielleicht kriege ich da noch eine smoothe Lösung hin.
Ich nehme den ersten Absatz mal heraus, als Stilkritik. Für mehr fehlt mir gerade die Zeit, ich lese den Text aber ganz und schreibe nochmals ausführlicher.
Würde mich freuen.


Viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Helenesthe,

weil man bei Texten, die man hier liest, automatisch in den Kritikermodus geht, hat der Anfang für mich immer einen besonders hohen Stellenwert. Deshalb habe ich auch ein paar mal begonnen, deine Geschichte zu lesen, bin dabei aber nicht über den ersten Absatz hinausgekommen.

Für mich persönlich passiert da zu viel - obwohl Aiken ja nur am Steg sitzt :shy: -, vor allem auf sprachlicher Ebene.

Und ich glaube, mein größter Stolpersteine ist der hier:

oliv schimmernd über einer sonnenbeschienenen Tiefe

Ein tolles Bild, sprachlich schön, oliv schimernd, hmm, das muss einem doch gefallen ... Aber es ist so ... geballt. Dieses tolle, weil ungewöhnliche Bild hat für mein Empfinden gar keine Chance, seine Wirkung zu entfalten, weil dann schon das nächste folgt, die sonnenbeschienene Tiefe.

Dann stolpere ich kurz auf klanglicher Ebene:

Ein Eimer mit einigen der Fische steht zu seinen Füßen und hinter ihm liegen die Holzhäuser des Dorfes

Eieieiei - vier mal auf so engem Raum liest sich das für mich wie ein Zungenbrecher. Da könntest du easy "einigen" streichen, schon weil es so ein unpräzises Wort ist. Im Verlaufe der Geschichte bin ich sicher weniger kritisch, aber hier, am Anfang, will ich im best case messerscharfe Präzision.

Dann quasi der genau selbe Fall wie im zweiten Satz:

kantiges Konfetti zerstreut in einer felsigen Gebirgsmulde

kantiges Konfetti, toll, aber kaum im Kopf angekommen, stelle ich mir schon die felsige Gebirgsmulde vor ...

Also, das nur zum ersten Absatz und ja, gut möglich, dass ich das in einem gedruckten Text, den ich einfach nur zum Vergnügen lese, niemals beanstandet hätte. Vielleicht hilft es dir trotzdem.

Jetzt, nachdem ich mir selbst erklärt habe, warum der Funke (noch) nicht überspringen wollte, schüttel ich mich kurz und schaue endlich mal, was folgt.

...

Okay, ein mal noch der (vielleicht zu) kleinkarierte Kritiker:

Moose sind die Gewässer der Insel nicht mehr allzu vertraut,

nicht mehr allzu vertraut - ich würde das allzu streichen, Stichwort Präzision. Mit allzu: Joa, okay, aber ein bisschen kennt er sie ja noch, alles in Ordnung. Ohne allzu: Oh, okay, dann hat sich wohl einiges getan in der Zwischenzeit, wie Aiken und Moose mittlerweile wohl zueinander stehen? Ein Mittelweg wäre vielleicht kaum noch, fände ich weniger schwammig als nicht mehr allzu.

...

Er läuft davon, nicht ohne dass Fische und Wasser aus seinem Eimer schwappen und eine zappelnde Spur bilden.

Fände es ohne das "nicht ohne" besser, das wirkt so ein wenig wie, ja, eigentlich keiner Erwähnung wert, das gibt dem Nebensatz so was angehängtes. Warum nicht: "Er läuft davon, Fische und Wasser schwappen aus seinem Eimer und bilden eine zappelnde Spur" oder so.

Moose folgt ihm in einigem Abstand, sammelt die Kapelane auf, legt sie in seine Mütze und ein wenig später wieder zu den anderen,

Gut möglich, dass ich mich jetzt festgefahren habe in meiner Präzisionskritik, falls ja, tut es mir leid, auch kritisieren will gelernt sein. Aber: Warum in einigem Abstand, warum ein wenig später? Warum nicht "Moose folgt ihm, sammelt die Kapelane auf, legt sie in seine Mütze und kurz darauf zurück zu den anderen"? Durch diese "Halbwörter" entsteht bei mir der Eindruck, die Autorin tastet sich selbst voran. Als würde sie einen Vortrag halten und immer mal wieder sagen: Ja, also, das ist halt vermutlich quasi so und so ... Statt: Genau so ist es. Und natürlich bin ich gefesselter, wenn sie genau weiß, wovon sie redet.

Beim Aufprall, den Schreien, den verzweifelten Rufen verlor Aiken beinahe die Besinnung, achtete in der jäh entstehenden Dynamik niemand mehr auf ihn,

Da stolpere ich über den vermutlich bewusst gesetzten "Perspektivwechel" ab "achtete", den ich eigentlich gut finden will, weil jetzt Panik herrscht und in der Panik auch mal Sätze panisch durcheinandergeraten dürfen, aber weil es ja eben noch heißt "verlor Aiken", achtete - und ich denke, klar, achtete Aiken, würde ja nur Sinn machen, dann achtete aber niemand mehr auf Aiken, und ich muss noch mal neu ansetzen, um den Satz zu verstehen.

Seine Luft in den Lungen war fast verbraucht.

Vielleicht: Die Luft in seiner Lunge?

Eine Stake erschien vor seinen Augen, als sein Bewusstsein schon zu schwinden begann.

Vielleicht: Eine Stake erschein ihm vor Augen, als sein Bewusstsein ... oder: Eine Stake erschein vor seinen Augen, als das Bewusstsein ..., Hauptsache ein "sein" weniger.

Als er das Boot fast erreicht hatte, löste sich an der Anlegestelle ein kleiner Schatten,

Das Schattenbild hast du in anderem Zusammenhang kurz davor schon mal verwendet, finde ich nicht ganz ideal.

Als es Abend wurde, entzündete Kristian eine Kerze und an ihr eine Zigarette. Eine Zeit lang

Aber ich bin 68

Buchstabenmenschen hassen Zahlen - achtundsechzig :shy:

Abwesend duldete er den Löffel, den Mühme ihm von Zeit zu Zeit in den Mund schob. Die kleinen, zu Fäusten geballten Hände öffnete er nicht.

Toll!

Aiken konnte es nicht sagen. Angst füllte ihn bis über den Rand.

Auch toll!

Plötzlich warst du weg. Nicht mal die Beerdigung hast du abgewartet.

Wir Leser wissen ja schon, dass er plötzlich weg war, dass er die Beerdigung nicht abgewartet hat, ist keine superwichtige Information für mein Empfinden. Vor allem weiß Moose das selbst - und so wirkt das weniger wie ein natürliches Gespräch als wie eine Gedächtnisstütze für den Leser, falls der schon wieder vergessen haben sollte, dass Moose plötzlich weg war.

alter - Junggesellenleben

Sieht komisch und falsch aus, wohl eher Alter-Junggesellenleben, was aber immer noch komisch aussieht.

einen Spalt breit

geht vermutlich beides, geläufiger ist meines Erachtens aber "einen Spaltbreit"

...

Auch, wenn mein Kommentar anders wirken mag, aber irgenwann habe ich es geschafft, den inneren Kritiker auszuschalten. Und habe die Geschichte dann auch noch mal gelesen, einfach, um sie zu genießen, und das hat gut funktioniert :) Ich mag deine unaufgeregte Schreibe und ich mag, dass die Geschichte sich Zeit nimmt - wobei, eigentlich ist das ja mein größter Kritikpunkt, denn eigentlich nimmt sie sich viel zu wenig Zeit. Eigentlich habe ich den Eindruck, dass es da noch sehr viel mehr zu erzählen gibt, dass Aikens und besonders auch Mooses Enwicklung viel mehr Platz bedarf. Ich hatte nicht das Gefühl, eine Kurzgeschichte zu lesen, sondern den Anfang eines Romans. Deshalb hätte ich auf Kurzgeschichtenebene auch noch Kritikpunkte, so was wie: Die Gewichtung, die scheint mir nicht ganz aufzugehen, nach dem ereignisreichen Beginn plätschert (auf eine gute Weise!) es so dahin und dann geht es am Ende zu schnell, als das, was für mich den Kern der Geschichte ausmacht, die Distanz und die Wiederannäherung zwischen Aiken und Moose, Fahrt aufnimmt.

Aber ich bin trotzdem weit davon entfernt, zu meckern, im Gegenteil, ich bin hooked (wie Kapelane in Grönland :cool:) und hätte gerne noch viel mehr Landschafts- und Lebensbeschreibung von dort oben zu lesen bekommen. Was ein Glück, dass ich mir gerade die Tage "Ewigkeitsfjord" von Kim Leine mit nach Hause genommen habe, das wird mich hoffentlich bis zu deiner nächsten Geschichte bei der Stange halten.

Vielen Dank fürs Teilen, bitte unbedingt weitermachen!

Bas

 

Hallo @Bas ,

vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Kommentar und die Ideen. :)

Deshalb habe ich auch ein paar mal begonnen, deine Geschichte zu lesen, bin dabei aber nicht über den ersten Absatz hinausgekommen.
Oh je, das klingt in der Tat sehr mühselig. :shy: Danke, dass du der Geschichte trotzdem eine Chance gegeben hast.
Für mich persönlich passiert da zu viel - obwohl Aiken ja nur am Steg sitzt :shy: -, vor allem auf sprachlicher Ebene.
Das kann ich nachvollziehen und es war am Anfang auch ein Ziel bei mir, viel im ersten Absatz unterzubringen. Natürlich hätte ich nicht gedacht, dass es so sehr als Sperrgut wirken wird.
Und ich glaube, mein größter Stolpersteine ist der hier:
oliv schimmernd über einer sonnenbeschienenen Tiefe
Ein tolles Bild, sprachlich schön, oliv schimernd, hmm, das muss einem doch gefallen ... Aber es ist so ... geballt. Dieses tolle, weil ungewöhnliche Bild hat für mein Empfinden gar keine Chance, seine Wirkung zu entfalten, weil dann schon das nächste folgt, die sonnenbeschienene Tiefe.
Okay. Ich wollte Dichte hinkriegen und habe mit keinem Deut damit gerechnet, dass es zu viel sein könnte. Auch andere haben den Einstieg als sperrig und holprig gesehen, jetzt merkst du es auch an, da habe ich mal ein wenig entschlackt. Meint, ein paar Adjektive gestrichen. Und die "sonnenbeschienene Tiefe" ist derweil fort. Mal sehen, wie es sich macht.
Eieieiei - vier mal auf so engem Raum liest sich das für mich wie ein Zungenbrecher. Da könntest du easy "einigen" streichen, schon weil es so ein unpräzises Wort ist. Im Verlaufe der Geschichte bin ich sicher weniger kritisch, aber hier, am Anfang, will ich im best case messerscharfe Präzision.
Hier habe ich jetzt ein wenig mehr Abwechslung reingebracht, mir gefällt es recht gut! Ich finde aufschlussreich, dass dir die Anfänge der Geschichten wichtig sind und auch verständlich. Vielleicht wie eine Visitenkarte oder so.
Also, das nur zum ersten Absatz und ja, gut möglich, dass ich das in einem gedruckten Text, den ich einfach nur zum Vergnügen lese, niemals beanstandet hätte. Vielleicht hilft es dir trotzdem. Jetzt, nachdem ich mir selbst erklärt habe, warum der Funke (noch) nicht überspringen wollte, schüttel ich mich kurz und schaue endlich mal, was folgt.
Ja, es hilft, es hilft zum weiteren unter-die-Lupe-nehmen und Ausprobieren im Text. Du hast noch viele neue Aspekte angebracht in einer schon sehr veränderten Geschichte, die aber so auch noch nicht fertig ist.
Ich finde es spannend, diese Entwicklungen mitzuverfolgen, also jetzt bei dir als Leser, dass du dir selbst erklärst, aber auch schriftlich an mich und an alle, warum der Funke noch nicht übergesprungen ist. Es sich selbst im Jetztzeit-Prozess zu erklären und nahezu gleichzeitig zu teilen hat manchmal viel Charme und aufschlussreiche Anteile.
Okay, ein mal noch der (vielleicht zu) kleinkarierte Kritiker:
Moose sind die Gewässer der Insel nicht mehr allzu vertraut,
nicht mehr allzu vertraut - ich würde das allzu streichen, Stichwort Präzision. Mit allzu: Joa, okay, aber ein bisschen kennt er sie ja noch, alles in Ordnung. Ohne allzu: Oh, okay, dann hat sich wohl einiges getan in der Zwischenzeit, wie Aiken und Moose mittlerweile wohl zueinander stehen? Ein Mittelweg wäre vielleicht kaum noch, fände ich weniger schwammig als nicht mehr allzu.
So sehr kleinkariert finde ich es gar nicht, ich habe auch viele deiner Anmerkungen eingearbeitet. Diese Erklärung oben, wie es mit "allzu" wirkt und wie ohne, finde ich zum Beispiel sehr hilfreich! Im hiesigen Fall hat mich das überzeugt.
Das mit dem "Kritikermodus" kenne ich! Und manchmal ist es eben die kleinteilige Arbeit, das knirscht dann gerne mal im Getriebe, aber man lernt den Text auch nochmal anders kennen. Ich bin manchmal auch überrascht, wie anders ein losgelöstes Zitat wirkt, wenn es jemand unter dem Text herausgreift.
Danke in jedem Fall für deine Erläuterungen. :)
Fände es ohne das "nicht ohne" besser, das wirkt so ein wenig wie, ja, eigentlich keiner Erwähnung wert, das gibt dem Nebensatz so was angehängtes. Warum nicht: "Er läuft davon, Fische und Wasser schwappen aus seinem Eimer und bilden eine zappelnde Spur" oder so.
Das meine ich. Als ich es als Zitat sah, dachte ich auch, "Ja, ist etwas ungeschichtig mit dem "nicht ohne", doch nicht so toll."
Gut möglich, dass ich mich jetzt festgefahren habe in meiner Präzisionskritik, falls ja, tut es mir leid, auch kritisieren will gelernt sein. Aber: Warum in einigem Abstand, warum ein wenig später?
Also: das habe ich geschrieben, weil Moose unsicher ist. Er hat mit dem kleinen Zusammenstoß ja gar nicht gerechnet und möchte nicht noch einen provozieren, deswegen hält er etwas Abstand. Da er auch die Kaplane aufsammeln will, die Aiken gefangen hat, ist er umso zögerlicher, weil er nicht suggerieren will, dass das Kind es nicht alleine kann. Das ist zwar wahr, aber zeigen will er es Aiken nicht.
Durch diese "Halbwörter" entsteht bei mir der Eindruck, die Autorin tastet sich selbst voran. Als würde sie einen Vortrag halten und immer mal wieder sagen: Ja, also, das ist halt vermutlich quasi so und so ... Statt: Genau so ist es. Und natürlich bin ich gefesselter, wenn sie genau weiß, wovon sie redet.
Das ist natürlich ungünstig. Dann habe ich es wahrscheinlich nicht hingekriegt, dass es im Bezug auf Moose interpretiert wird.
Da stolpere ich über den vermutlich bewusst gesetzten "Perspektivwechel" ab "achtete", den ich eigentlich gut finden will, weil jetzt Panik herrscht und in der Panik auch mal Sätze panisch durcheinandergeraten dürfen, aber weil es ja eben noch heißt "verlor Aiken", achtete - und ich denke, klar, achtete Aiken, würde ja nur Sinn machen, dann achtete aber niemand mehr auf Aiken, und ich muss noch mal neu ansetzen, um den Satz zu verstehen.
Ja, deshalb ist dieser Satz so gebaut, weil er in den Knochen haben soll, wie die Situation ist. Trotzdem finde ich es ungünstig, wenn der Perspektivbruch den Leser aus dem Satz schmeißt, deswegen habe ich es erstmal ersatzlos gestrichen.
Das Schattenbild hast du in anderem Zusammenhang kurz davor schon mal verwendet, finde ich nicht ganz ideal.
Ich mochte beide, habe aber den Schatten des Bootes jetzt abgewandelt.
Wir Leser wissen ja schon, dass er plötzlich weg war, dass er die Beerdigung nicht abgewartet hat, ist keine superwichtige Information für mein Empfinden. Vor allem weiß Moose das selbst - und so wirkt das weniger wie ein natürliches Gespräch als wie eine Gedächtnisstütze für den Leser, falls der schon wieder vergessen haben sollte, dass Moose plötzlich weg war.
Es sollte darstellen, dass Mühme davon ausgeht, dass Moose die Tragweite gar nicht bewusst ist, die er damals ausgelöst hat. Aber wenn es verzichtbar ist, muss es nicht weiter drinstehen.
Sieht komisch und falsch aus, wohl eher Alter-Junggesellenleben, was aber immer noch komisch aussieht.
Ja, es sieht wirklich sehr komisch aus, er hat jetzt einfach ein Junggesellenleben.
Auch, wenn mein Kommentar anders wirken mag, aber irgenwann habe ich es geschafft, den inneren Kritiker auszuschalten. Und habe die Geschichte dann auch noch mal gelesen, einfach, um sie zu genießen, und das hat gut funktioniert :)
Es freut mich wirklich sehr, dass sie auch genießbar ist, sozusagen.
Eigentlich habe ich den Eindruck, dass es da noch sehr viel mehr zu erzählen gibt, dass Aikens und besonders auch Mooses Enwicklung viel mehr Platz bedarf. Ich hatte nicht das Gefühl, eine Kurzgeschichte zu lesen, sondern den Anfang eines Romans.
Danke für deine Einschätzung. Es ist tatsächlich so, dass auch bei mir Aiken immer wieder auf den Dock gehievt wird, nach der letzten Überarbeitung ist dennoch nicht ausgeschlossen, dass noch eine kommt. Es ist ja nicht so einfach, eine Geschichte komplett von innen nach außen zu kehren, anders wieder zusammenzusetzen und neu zu schreiben. Aber ich habe öfter auch den Eindruck, dass Aiken so noch nicht fertig ist. Bei der letzten Überarbeitung war zu dem Zeitpunkt aber der Zenit erreicht. Vielleicht wird es noch einen geben.
Deshalb hätte ich auf Kurzgeschichtenebene auch noch Kritikpunkte, so was wie: Die Gewichtung, die scheint mir nicht ganz aufzugehen, nach dem ereignisreichen Beginn plätschert (auf eine gute Weise!) es so dahin und dann geht es am Ende zu schnell
Ich weiß genau, was du meinst! Das ist bestimmt auch gerechtfertigt. Bei der letzten Version war ich am Anschlag, als ich die neue Version gepostet habe, aber es ist ja nicht aller Tage Abend.

Vielen Dank auch für das Lob, es ist natürlich schön, das auch zu lesen!

Viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Helenesthe

Ich bin etwas spät dran, aber wie sagt man so schön: Besser spät, denn nie! Wenn ich das richtig gesehen habe, hast Du die Geschichte bereits mehrmals überarbeitet. Habe die Geschichte zu lesen begonnen, als sie gerade frisch war, musste dann aber aus Zeitgründen verschieben. Die bisherigen Kommentare habe ich nicht gelesen. Mir gefällt die Story in der jetzigen Version ziemlich gut. Öfters hast Du nicht alltägliche, eigenständige Beschreibungen in dem Text, das möchte ich hier gerne löblich hervorheben. Teilweise bist Du meiner Meinung nach aber auch etwas übers Ziel hinausgeschossen, unten mehr dazu. Inhaltlich hat mir der Text gut gefallen, die Handlung, das unverbrauchte Setting, die Charaktere. Ich schreib jetzt hauptsächlich was zu den Details auf, die mir während des Lesens ins Auge gesprungen sind. Verzeih, ich steigere mich da manchmal bisschen rein und mach das sehr kleinteilig. Es sind meine 'ungefilterten' Gedanken direkt beim Erstlesen. Schaust Du mal, ob was für Dich dabei ist.

Ein Eimer mit gefangenen Fischen steht auf dem Boden und hinter dem Jungen liegen die Holzhäuser des Dorfes, kantiges Konfetti in einer Gebirgsmulde.
Nun ja, dass der Eimer auf dem Boden steht, ist so nichtssagend bzw. eigentlich überflüssig, ich würde das konkretisieren. Bspw.: Ein Eimer mit gefangenen Fischen steht auf dem Steg [...]

Moose sind die Gewässer der Insel nicht mehr vertraut, als er mit der „Ammassaat“ den Hafen ansteuert.
Ich verstehe, was gemeint ist, aber für mich liest es sich so, als wäre die Aussage: Moose hat in just dem Moment, als er die Gewässer vor der Insel ansteuert, vergessen, wie er diese mit seinem Boot befahren muss. Aber eigentlich hat er es schon vorher vergessen, weil er so lange nicht mehr da war, oder? Vielleicht einfach zwei Sätze draus machen: Moose steuert mit der "Ammassaat" den Hafen an. Die Gewässer der Insel sind ihm nicht mehr vertraut. So wäre es für mich klar(er).

An einem frühen Morgen zog Marius Aiken an, nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zum Kai, der einer Baustelle glich.
Entweder würde ich da die ein oder andere Beschreibung bringen, wie diese Baustelle aussieht bzw. das ich selbst darauf komme, dass der Kai einer Art Baustelle gleicht, oder noch besser, alles nach 'Kai' direkt streichen, weil das Baustellenfeeling danach -- mit den Kränen und den Rohren etc. -- ja eigentlich schön und anschaulich beschrieben wird und gut rüberkommt.

Schiffskräne verluden mannshohe Rohre, die zur Sanierung der Meerwasser-Entsalzungsanlage geliefert worden waren.
Meerwasser-Entsalzungsanlage. Ein Wortungetüm, klingt sehr technisch auch. Ich würde 'Meerwasser' streichen, weil -- zumindest für mich -- es das überhaupt nicht braucht.

Es roch nach Eis und Öl.
Ich habe bis eben nicht gewusst, dass Eis einen Geruch haben kann. Dachte immer, Eis sei neutral im Geruch. Hat es vielleicht die Gerüche der Umgebung aufgenommen? Na ja, ist jetzt Korinthenkackerei, sorry :D (aber würde mich echt interessieren, ob Eis allein einen Geruch haben kann!)

Sie schnitten Marius’ Blick und begruben ihn unter sich.
Ich glaube, den Anfang des Satzes verstehe ich nicht ... Die (fallenden) Rohre schnitten seinen Blick? Was ist damit gemeint? Dass er nur noch die Rohre sieht und sonst nix mehr?

ein eingerollter Ball mit zugekniffenen Augen.
Das wirkt drüber und eher lustig, für mich der geschilderten Situation unangemessen. Hat einen comic-haften Touch, finde ich.

Vertäut in der Nähe des Stegs war es im Morgengrauen kaum zu erkennen. Erst, als die ersten Wellen Tageslicht hereinschwappten, erschien seine Kontur.
Formulierungstechnisch gefällt mir das hier sehr gut. Allerdings passt es für mich auf der Logikebene nicht ganz: Morgengrauen impliziert doch bereits das erste Hereinschwappen des Tageslichts, ausserdem habe ich mich gefragt, wie stockdunkel muss es da während des Morgengrauens sein, dass man nicht einmal die Konturen eines Bootes erkennt ... Kann aber auch an meinem diesbezüglich einschränkten Erfahrungshorizont liegen, dass ich den Satz hier als etwas unpräzise wahrnehme. Die Geschichte spielt ja im hohen Norden, nehme ich an, wegen Fjord etc. (OK, Grönland, wie ich beim Weiterlesen erfahren habe :-))

Im nächsten Moment hatte Kristian die Stake ergriffen, mit der er sich sonst von der Felsküste abstieß, und sie in die finstere See gehalten. Zunächst war sie leicht, doch dann meldete ein kaum merkliches Gewicht, dass sie Glück hatten. Aiken krampfte und kniff die Augen wieder zu, nachdem er sicher abgelegt worden war.
Ich würde den Satz streichen (oder zumindest stark kürzen), denn der Leser weiss bereits, wie sich dieser Aspekt der Rettung Aikens zugetragen hat. Die Sicht vorher, die des Jungens im Wasser, ist viel spannender und intensiver geschildert, als das hier.

Er schaute auf die tänzelnde Flamme auf dem Tisch, seine linke Hand spielte mit einem Kronkorken.
Ist es wichtig, dass er mit der linken Hand mit dem Kronkorken spielt? Ausserdem: Klar benutzt er die Hand (hab noch keinen mit den Füssen mit einem Kronkorken spielen gesehen ;-)), also vielleicht kürzer und bündiger: Er schaute auf die tänzelnde Flamme, spielte mit einem Kronkorken.

Selbst im Dämmer bemerkte der Pastor Mooses glasigen Blick, den alkoholschweren Atem und die Flasche in seiner Hand.
Das mit dem glasigen Blick: OK. Den alkoholschweren Atem würde er aber wohl auch in pechschwarzer Finsternis bemerken. Auch das mit der Flasche: Im Dämmerlicht ist doch vieles noch gut erkennbar, gerade auch sowas wie eine Flasche, nicht? Oder dann wäre der Pastor vielleicht schon alt, sein Augenlicht nicht mehr sehr gut (was sich dann eventuell mit dem Bemerken der glasigen Augen beissen würde).

Seit seinem Dienstantritt vor mehr als zehn Jahren war er mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Der Beschäftigungsmangel auf der Insel trieb bisweilen wilde Blüten aus der Sehnsucht ihrer Bewohner. Für einige war Alkohol die Ursache. Lautes Gelächter und Schlägereien. Immer dann, wenn die Verquickungen der Beteiligten untereinander allzu brutal offen gelegt waren.
Das liest sich für mich etwas verquer und ist nicht wirklich präzise ausgedrückt. Für mich die Hauptaussage dieses Abschnitts: Der Beschäftigungsmangel treibt einen Teil der Inselbewohner in den Alkoholismus. Ich habe mal gelesen, auch die Polarnächte können dazu beitragen. Lautes Gelächter und Schlägereien: Das finde ich präzise. Aber kümmert sich ein Pastor darum? Nicht eher die Polizei? Gibt es in Grönland Polizisten? Keine Ahnung, denke schon. Beschäftigungsmangel treibt wilde Blüten aus der Sehnsucht der Bewohner: Da kann ich mir nur wenig drunter vorstellen. Was für wilde Blüten? Ebenso unter den Verquickungen der Beteiligten, die teilweise allzu brutal offen gelegt werden. Was ist damit gemeint? Anstatt das so behauptungsmässig runterzurattern, nimm Dir doch etwas Zeit und bring besser Beispiele dafür. Würde -- zumindest nach meiner Lesart -- viel interessanter rüberkommen.

„Ich weiß. Wie haben ihn heute verloren.“
Wir?

„Er war der Einzige, der noch übrig war. Von unserer Familie, meine ich.“[KOMMA] sagte Moose.
Komma fehlt und kein Punkt nach 'ich' (der Punkt steht ja am Satzende, nach 'Moose').

„Ja. Aber ich bin achtundsechzig. Ein paar mehr Gleichaltrige täten ihm bestimmt sehr gut.“
Mmmh, Moose ist sein Onkel, wieso sagt Mühme das hier so, als wäre Moose ungefähr gleich alt wie Aiken?

Das dünnschalige Porzellan klingelte unter dem Kaffeelöffel.
'Dünnschalig' klingt für mich seltsam, vielleicht einfach 'das dünne Porzellan' o.ä. Oder das Adjektiv direkt weglassen.

Am darauf folgenden Morgen
'darauffolgenden' zusammenschreiben, denke ich.

Auf dem Festland gab es einige Seen , die sich zwar kaum erwärmten, dafür aber Niedrigwasser boten.
Kein Leerschlag vor dem ersten Komma.

Die Fläche glänzte blau und war bis an den Rand mit Wolken gefüllt.
Gefällt mir sehr.

Das Wasser um seine Knöchel schien ihn weiter in die Tiefe zu ziehen, und Aiken wand seine Hand ihn Mühmes, um sich daraus zu befreien.
Überflüssiges Wort.

Sie gab nicht nach, drängte ihn jedoch auch nicht, weiter zu gehen.
'weiterzugehen' zusammenschreiben?

Der Bauch der alten Frau war ein ein mit niedrigen Bäumen bestandenes Gebiet unweit von Nuuk
Da ist ein 'ein' zuviel.

Ein von Flechten überkrustetes Walskelett war sein Versteck dieser Tage gewesen, obwohl er sichtbar in dem Rippenkäfig gesessen hatte, mit blauschwarzem Schopf und aufgeschürften Knien. Ein lebendiges Herz.
Ja, sehr schön beschrieben, aber das mit dem lebendigen Herz: Ich weiss nicht. Wirkt auf mich auch wieder etwas drüber/zu sehr blumig (im Kontext der Geschichte und sonstigen Wortwahl/Ausdrucksweise). Ich finde die Stelle stark genug bzw. stärker, ohne den zweiten Satz.

Außerhalb der Torfmoore wucherten Steinbrech, Hahnenfuß und Weidenröschen gesprenkelte Teppiche in die Niederungen des Sommers, aber der Junge zog die Landschaft aus Tümpeln und trockenen Kuppen vor, in der das Wasser keinerlei Regung bereithielt.
Da fehlt für mein Empfinden etwas. Zwei Vorschläge/Alternativen:

1.) Außerhalb der Torfmoore wucherten [mit] Steinbrech, Hahnenfuß und Weidenröschen gesprenkelte Teppiche in die Niederungen des Sommers
2.) Außerhalb der Torfmoore wucherten Steinbrech, Hahnenfuß und Weidenröschen [wie] gesprenkelte Teppiche in die Niederungen des Sommers

Denke zweiteres würde am ehesten passen.

„Weil alle hier Fischen können“, lächelte Kristian und breitete die Arme aus.
Er ist mit Rudern beschäftigt. Lässt er hier folglich beide Ruder einfach los?

Als keine Antwort kommt, öffnet er die Türe einen Spaltbreit.
'Türe' liest sich so altmodisch für mich, besser einfach 'Tür', aber vielleicht wolltest Du es ja genau so ausdrücken.

„Aber nein, das musst du nicht!“[KOMMA] entfährt es Moose erschrocken.
'entfährt es Moose erschrocken' gefällt mir nicht recht. Man könnte es hier auch kombinieren, einfach schreiben: „Aber nein, das musst du nicht! Gehst du jeden Tag Kapelane fischen? Wo hast du sie?“ So kann man als Leser selbst interpretieren, ob er das erschrocken oder wie auch immer sagt.

Neben den Kapelanen ist das Fischen der Wandersaiblinge zu dieser Zeit des Jahres eine Möglichkeit, vom Ufer aus vereinzelt Beute zu machen.
Umständlich. Ginge bestimmt auch kürzer, bspw. so: Zu dieser Zeit des Jahres lassen sich Wandersaiblinge vom Ufer aus fangen. Ist natürlich nur ein dilettantischer Vorschlag, aber ich denke, dass wäre so die Essenz dieses (an der Aussage gemessenen) überlangen Satzes.

Im seichten Wasser wenige Meter vom Festland entfernt waberte ein leuchtend orangefarbener Köder unter den Spiegelungen.
Da fehlt für mein Empfinden mindestens ein Komma, wenn nicht gar zwei: Im seichten Wasser wenige Meter vom Festland entfernt, waberte ein leuchtend orangefarbener Köder unter den Spiegelungen. oder Im seichten Wasser, wenige Meter vom Festland entfernt, waberte ein leuchtend orangefarbener Köder unter den Spiegelungen. Wobei ich -- falls Du eine Änderung in Betracht ziehst -- die erste Variante bevorzugen würde.

In den Sommermonaten gibt es diese Fanggründe, in denen die Saiblinge nach Insekten an der Wasseroberfläche schnappen und jagen, bevor sie im Herbst flussaufwärts ziehen.
Da würde ich paar überflüssige Dinge streichen, bspw. ist doch 'schnappen' und 'jagen' ein und dasselbe, oder verstehe ich was nicht? :-)

Es ist nicht seine Aufgabe“, denkt er, als sie ins Dorf zurückkehren, aber er weiß, dass es nicht nur um Fisch geht.
Die Anführungs- und Schlusszeichen würde ich weglassen, wenn ein Charakter etwas denkt, und es nur kursiv schreiben. So habe ich mich an der Stelle beim ersten Lesen gefragt, wieso jetzt die direkte Rede plötzlich kursiv ist.

Wenn das Tier auch nicht sonderlich mächtig ist, weiß Moose, dass es, wenn es sich im Schleppnetz verfängt, ernsten Schaden anrichten kann.
Etwas zu viele Kommata für meinen Geschmack. Vielleicht als Alternative (was immerhin eines einspart): Wenn das Tier auch nicht sonderlich mächtig ist, weiß Moose, wenn es sich im Schleppnetz verfängt, kann es ernsten Schaden anrichten.

Ein Geflecht aus Narben durchzieht das glänzende Tier.
Mmmh, ein Geflecht ist meiner Meinung nach etwas Oberflächliches bzw. etwas, was sich über eine Oberfläche zieht. Der Ausdruck 'durchziehen' liest sich jedoch so, als wären die Narben noch frisch, also als wäre die Haut noch offen, verletzt. Deshalb: Ein Geflecht aus Narben überzieht das glänzende Tier. Fände ich runder. Oder schlichter: Das glänzende Tier ist gezeichnet von Narben. Wobei auch nicht das Tier glänzt, sondern dessen Haut, oder? Will sagen: Vielleicht könnte man das präzisieren ;-)

Es sinkt so schnell, wie es aufgestiegen ist, um wenig später seinen Bauch wie eine Insel zu präsentieren, die scheinbar friedlich neben dem Kutter treibt. Eine speckige, einsame Küste.
Mit einer 'treibenden Insel' habe ich etwas Mühe. Eine Insel ist ja eigentlich fest mit dem Untergrund verankert. Ich fände es stärker ohne die Insel: Es sinkt so schnell, wie es aufgestiegen ist, um wenig später seinen Bauch zu präsentieren. Eine speckige, einsame Küste. Die 'speckige, einsame Küste' gefällt mir hingegen sehr.

Das Tier scheint gegen die Gewohnheiten seiner Art allein zu sein.
Das verstehe ich wiederum nicht recht. Kenne mich allerdings mit Walen und im speziellen mit Narwalen so überhaupt nicht aus :D [EDIT]: Ah, jetzt verstehe ich es doch! Normalerweise sind Narwale keine Einzelgänger. Alles klar.

Packt es bei den Schultern.“
Schlusszeichen zu viel. Streichen.

„Es ist wichtig, dass du an Bord das tust, was ich dir sagt“, sagt er fest.
Schreibfehler: „Es ist wichtig, dass du an Bord das tust, was ich dir sage“, sagt er fest. Den Anhängsel 'sagt er fest' würde ich killen, weil sagt - sage sonst gedoppelt ist, bzw. direkt nacheinander und sich das nicht so schön liest.

Nie zuvor hat Aiken höher gestapelte Waren, größere Mengen gleicher Etiketten auf Konservendosen und Kartons, mehr Gabelstapler gesehen, die Türme bereits vorbereiteter Lebensmittel in Säcken und Packen verräumen.
Den Satz musste ich mehrmals lesen, um ihn zu verstehen. Vor allem hatte ich Mühe mit dem letzten Teil [...] die Türme bereits vorbereiteter Lebensmittel in Säcken und Packen verräumen weil für mein Empfinden da immer irgendwas gefehlt hat, bis ich checkte, dass sich das auf die Gabelstapler bezieht. Vielleicht ginge es ein wenig einfacher.

Zusammen mit Moose begutachtete er, was es gab. Säcke mit Reis, Nudeln und Kartoffeln, haltbar gemachtes Obst und Gemüse vom Kontinent, Fischkonserven mit Heilbutt, Seewolf, Kabeljau sowie Mehl, Gewürze und Saucen. Eingedostes Fleisch, Schokolade und Salzgebäck.
'was es gab' erachte ich als überflüssig.

Das ist es also“, denkt Moose.
Auch hier, wenn er das denkt, würde ich die Anführungs- und Schlusszeichen streichen.

Sie haben Fische getrocknet, gesalzen, geräuchert, eingefroren.
Ich dachte immer, das Räuchern allein würde den Fisch für ziemlich lange haltbar machen. Das man den geräucherten Fisch auch noch einfriert, da habe ich wieder was gelernt!

Danke für die Geschichte. Ich habe sie gerne gelesen.

Beste Grüsse,
d-m

 

„Ich kann selber Fische fangen.“,

und hier ist einer …

liebe @Helenesthe ...

mit nur ein paar bescheidenen Anmerkungen.

Aiken sitzt am Steg. Vor ihm im Wasser schwimmen Kapelane. Ein Eimer mit gefangenen Fischen steht auf dem Boden und hinter dem Jungen liegen die Holzhäuser des Dorfes, kantiges Konfetti in einer Gebirgsmulde.
Ein sehr gewagter Vergleich – wie ich finde - mit einer „Konfektion“, von dem „Konfetti“ abgeleitet ist … keineswegs dem „Konfekt“, wie man meinen kann. Aber -
umgekehrt wissen wir ja auch wie hierzulande Siedlungen wie mit dem Förmchen gestaltet wachsen.

Plötzlich riss krachend die Begurtung eines Bündels, ließ die Rohre ohrenbetäubend über den Anleger donnern. Sie schnitten Marius’ Blick und begruben ihn unter sich.
Nix falsch, so sagt man eben im übertragenen Sinn, ohne dass sich wer auch immer schneiden muss.
Aber wäre nicht „kreuzen“ ein guter Konkurrent zum Schnitt im übertragenen Sinn?

„Wovor hast du Angst?“
Aiken konnte es nicht sagen. Angst füllte ihn bis über den Rand.

Mühme erinnerte sich daran, wie Aiken versucht hatte, die Angst zu überwinden.
a) Komma weg, es zerschlägt das Prädikat die Angst „zu überwinden versuchen“

b) Die Wort-Herkunft der „Angst“ kommt im zwoten Satz gut durch und selbst grammatisch lässt sie sich im Gleichklang aus dem Plural der Angst, Ängste, und dem Superlativ der Enge, am engsten herleiten.
So hat Angst seine natürliche Funktion, die mit der Furcht vor wem oder was auch immer konkret wird. Stell Dear vor, was etwa los wäre im Straßenverkehr ...

„Kletter rein[!]“, sagte Kristian.
Hab jetzt gar nicht drauf geachtet, aber hier fällt’s mir auf und ich erinner mich, dass ich auf dem Kreuzzug „rettet das Ausrufezeichen“ bin ...

Er würde warten, bis Aiken sich irgendwann traute, die Augen aufzumachen.
Warum der Konjunktiv II – oder bestehen Zweifel, dass er „irgendwann“ nicht mehr wartete?
Kristian ist eine treue Seele und „er wird warten …“, bin ich mir sicher.

„Aber nein, das musst du nicht!“KOMMA entfährt es Moose erschrocken.

„Gib mir bitte mal die Zehner[!]“, wendet sich Moose an Aiken und …

„Wie findest du’s?“ versucht es Moose nach einiger Zeit nochmal und knufft Aiken in die Seite.
„noch mal“, eigentlich ein verkürztes „noch einmal“ – und nochens
„Sieh’ an, dass du nochmal kommst“, lässt Kristian die Stille schließlich platzen.

„Damit hat ja keiner hier gerechnet.“
„Das nächste Mal melde ich mich bei dir an“, erwidert Moose zähneknirschend.
„Das wäre gar nicht so verkehrt gewesen“, entgegnet Kristian und lächelt Aiken dabei zu.
Warum das Gewese?

„Wenn man keine Kinder hat, ist das nicht so einfach. Das müsstest du doch eigentlich wissen.“
Wenn mich ein Beamter fragt, ob ich „Kinder“ habe, kann ich aus einer Ein-Kind-Familie heraus (keine Bange, ich bin kein Rotchinese) getrost und ehrlicherweise nur mit nein antworten ...

und jdamit herzlich willkommen hierorts!

Friedel

 

Hallo @deserted-monkey ,

Allmächtiger, was eine Arbeit. :eek: Vielen lieben Dank dafür.

Ich bin etwas spät dran, aber wie sagt man so schön: Besser spät, denn nie! Wenn ich das richtig gesehen habe, hast Du die Geschichte bereits mehrmals überarbeitet.
Das habe ich. Aber auch deswegen freue ich mich nicht weniger, als über die frühen Posts.
Inhcltlich hat mir der Text gut gefallen, die Handlung, das unverbrauchte Setting, die Charaktere.
Das freut mich wirklich!
Ich schreib jetzt hauptsächlich was zu den Details auf, die mir während des Lesens ins Auge gesprungen sind. Verzeih, ich steigere mich da manchmal bisschen rein und mach das sehr kleinteilig.
Das kann von Vorteil sein! Auch die kleinsten Teile müssen zueinander passen, sonst wird das Ganze nicht oder schief größer.
Nun ja, dass der Eimer auf dem Boden steht, ist so nichtssagend bzw. eigentlich überflüssig, ich würde das konkretisieren. Bspw.: Ein Eimer mit gefangenen Fischen steht auf dem Steg [...]
Die Stelle ist geändert und ich denke, es diesmal besser erwischt zu haben.
Ich verstehe, was gemeint ist, aber für mich liest es sich so, als wäre die Aussage: Moose hat in just dem Moment, als er die Gewässer vor der Insel ansteuert, vergessen, wie er diese mit seinem Boot befahren muss.
Das wäre mir gar nie aufgefallen, wenn du es nicht herausgegriffen hättest. Jetzt kann ich es nachvollziehen.
Meerwasser-Entsalzungsanlage. Ein Wortungetüm, klingt sehr technisch auch. Ich würde 'Meerwasser' streichen, weil -- zumindest für mich -- es das überhaupt nicht braucht.
Ich habe es mal gestrichen, bin aber nach wie vor unsicher darüber, ob die Info verzichtbar ist. Ich bin nicht sicher, ob ich es einfach kapiert hätte, hätte ich es "ohne" gelesen.
Na ja, ist jetzt Korinthenkackerei, sorry :D (aber würde mich echt interessieren, ob Eis allein einen Geruch haben kann!)
Naja, es ist ja schon gerechtfertigt, dass man fragt. Ich habe abgespeichert in meinem Sinnen-Gedächtnis, dass Eis auf eine Weise riechen kann, wie auch Schnee riecht, wenn er sich ankündigt, der ja eigentlich auch nach absolut nichts riecht. Gehört aber eher in den "blumigen" Bereich im Ausdruck, zugegegen.
Ich glaube, den Anfang des Satzes verstehe ich nicht ... Die (fallenden) Rohre schnitten seinen Blick? Was ist damit gemeint? Dass er nur noch die Rohre sieht und sonst nix mehr?
Das ist jetzt mehrfach erwähnt worden. Ich weiß, warum ich "schnitten" gewählt habe, aber es scheint nicht ganz so zu funktionieren. Habe mal den Vorschlag von Friedrichard eingearbeitet.
Das wirkt drüber und eher lustig, für mich der geschilderten Situation unangemessen. Hat einen comic-haften Touch, finde ich.
Der eingerollte Ball ist raus, etwas comichaftes soll im Text nicht sein.
Morgengrauen impliziert doch bereits das erste Hereinschwappen des Tageslichts, ausserdem habe ich mich gefragt, wie stockdunkel muss es da während des Morgengrauens sein, dass man nicht einmal die Konturen eines Bootes erkennt
Nein, es liegt, denke ich, nicht an mangelnder Erfahrung. Es ist schon sinnvoll, zu überlegen, ob es auch ohne Lichtverschmutzung wirklich SO dunkel ist. Die "Kontur" stand da noch gar nicht lange, aber ich habe es jetzt mit einem anderen Begriff, der kurz darauf folgt, geändert und es gefällt mir jetzt besser und ist genauer. Dafür durfte auch der "Schatten" wieder einziehen.
Ich würde den Satz streichen (oder zumindest stark kürzen), denn der Leser weiss bereits, wie sich dieser Aspekt der Rettung Aikens zugetragen hat. Die Sicht vorher, die des Jungens im Wasser, ist viel spannender und intensiver geschildert, als das hier.
Danke für die Einschätzung und Gewichtung, mir war gar nicht so bewusst, dass ich das zweimal erzähle!
Das mit dem glasigen Blick: OK. Den alkoholschweren Atem würde er aber wohl auch in pechschwarzer Finsternis bemerken. Auch das mit der Flasche: Im Dämmerlicht ist doch vieles noch gut erkennbar, gerade auch sowas wie eine Flasche, nicht? Oder dann wäre der Pastor vielleicht schon alt, sein Augenlicht nicht mehr sehr gut (was sich dann eventuell mit dem Bemerken der glasigen Augen beissen würde).
Nein, so alt ist Kristian noch nicht, ich habe das ein wenig korrigiert.
Der Beschäftigungsmangel treibt einen Teil der Inselbewohner in den Alkoholismus. Ich habe mal gelesen, auch die Polarnächte können dazu beitragen. Lautes Gelächter und Schlägereien: Das finde ich präzise. Aber kümmert sich ein Pastor darum? Nicht eher die Polizei?
Ja, auch die Polarnacht. Die stand bis vor einiger Zeit auch noch hier im Text, sogar im Zusammenhang!
Kristian kümmert sich insofern darum, wenn er auch nicht in Schlägereien eingreift, weil er der Seelsorger der Gemeinde ist und die Bewohner in ihren Geschichten anhören und unterstützen will. Die "Nachlese" und das damit Umgehen, auch untereinander, sozusagen.
Was für wilde Blüten? Ebenso unter den Verquickungen der Beteiligten, die teilweise allzu brutal offen gelegt werden. Was ist damit gemeint?
Gemeint sind Geschichten, die ich für recht universell gehalten habe: Untreue, Ehebruch, Buhlereien, Affären, ausgeplauderte Geheimnisse, Aggressionen undsoweiter, die unter Alkoholeinfluss manchmal leichter entstehen und um deren entstehende Verquickungen sich Kristian hinterher kümmern muss, wenn alle mit ihrer Geschichte kommen und da sind.
Darüber denke ich nach, das wäre aber was, um das ich mich in einer größeren Bearbeitung kümmern kann. Auf die Schnelle geht es nicht.
Mmmh, Moose ist sein Onkel, wieso sagt Mühme das hier so, als wäre Moose ungefähr gleich alt wie Aiken?
Ich verstehe das Missverständnis, habe etwas Notwendiges ergänzt. Sollte jetzt besser zu verstehen sein.

Die darauffolgenden kleinen Stellen sind auch alle angeglichen worden. Es ist echt der Kracher, wie viele Fehler in einem Text noch auftauchen, wo "hundert Mal Korrektur gelesen" gar keine Übertreibung mehr ist. :drool:

Ja, sehr schön beschrieben, aber das mit dem lebendigen Herz: Ich weiss nicht. Wirkt auf mich auch wieder etwas drüber/zu sehr blumig (im Kontext der Geschichte und sonstigen Wortwahl/Ausdrucksweise). Ich finde die Stelle stark genug bzw. stärker, ohne den zweiten Satz.
Wie auch manche besondere Bilder aus dem ersten Absatz habe ich den Satz derweil gestrichen. Mal sehen, was es aus dem Text macht. Woltochinon hatte die Stelle auch mal angemerkt. Du hast geschrieben, dass ich manchmal übers Ziel hinausschieße, das ist bei solchen Bildern natürlich ein Drahtseilakt und ist manchmal "drüber".
Da fehlt für mein Empfinden etwas. Zwei Vorschläge/Alternativen: 1.) Außerhalb der Torfmoore wucherten [mit] Steinbrech, Hahnenfuß und Weidenröschen gesprenkelte Teppiche in die Niederungen des Sommers
2.) Außerhalb der Torfmoore wucherten Steinbrech, Hahnenfuß und Weidenröschen [wie] gesprenkelte Teppiche in die Niederungen des Sommers
In meinem Verständnis ist das Bild zwar nicht fehlerhaft, aber ich habe eine kleine Änderung vorgenommen, die es hoffentlich bekömmlicher macht. Es ist eine Konstruktion mit "aus" geworden.
Er ist mit Rudern beschäftigt. Lässt er hier folglich beide Ruder einfach los?
Ja, für einen Augenblick lässt er sie einfach los.
'entfährt es Moose erschrocken' gefällt mir nicht recht. Man könnte es hier auch kombinieren, einfach schreiben: „Aber nein, das musst du nicht! Gehst du jeden Tag Kapelane fischen? Wo hast du sie?“ So kann man als Leser selbst interpretieren, ob er das erschrocken oder wie auch immer sagt.
Wenn es konkret genug ist, aber dem Leser mehr Freiraum lässt, will ich es gerne ändern.
Umständlich. Ginge bestimmt auch kürzer, bspw. so: Zu dieser Zeit des Jahres lassen sich Wandersaiblinge vom Ufer aus fangen.
Ich verstehe was du meinst und habe es entsprechend gekürzt.
Da würde ich paar überflüssige Dinge streichen, bspw. ist doch 'schnappen' und 'jagen' ein und dasselbe, oder verstehe ich was nicht? :-)
Es ist schon ein Unterschied, denn die Insekten an der Wasseroberfläche werden geschnappt, die Fische jagen aber in Grundnähe zwischen Steinen z.B. kleinere Beutefische, das ist schon was anderes. Die Frage, die interessanter ist, ist aber, ob es die Info braucht, dass die Fische beides tun. Wahrscheinlich nicht.
Etwas zu viele Kommata für meinen Geschmack. Vielleicht als Alternative (was immerhin eines einspart): Wenn das Tier auch nicht sonderlich mächtig ist, weiß Moose, wenn es sich im Schleppnetz verfängt, kann es ernsten Schaden anrichten.
Ja, es sind hart viele Kommata, das stört mich zwar nicht sehr, aber ich habe es mal anders gestaltet.
Mmmh, ein Geflecht ist meiner Meinung nach etwas Oberflächliches bzw. etwas, was sich über eine Oberfläche zieht. Der Ausdruck 'durchziehen' liest sich jedoch so, als wären die Narben noch frisch, also als wäre die Haut noch offen, verletzt. Deshalb: Ein Geflecht aus Narben überzieht das glänzende Tier. Fände ich runder. Oder schlichter: Das glänzende Tier ist gezeichnet von Narben. Wobei auch nicht das Tier glänzt, sondern dessen Haut, oder? Will sagen: Vielleicht könnte man das präzisieren ;-)
Das ist auch ein Stelle, wo mir erst klar geworden ist, was die Formulierung in meinem Ausgangstext eigentlich buchstäblich heißt, das ist ein ganz interessanter Vorgang. Damit es sagt, was es sagen soll, durchzieht das Narbengeflecht natürlich nicht das Tier, sondern nur die Haut.
Mit einer 'treibenden Insel' habe ich etwas Mühe. Eine Insel ist ja eigentlich fest mit dem Untergrund verankert. Ich fände es stärker ohne die Insel: Es sinkt so schnell, wie es aufgestiegen ist, um wenig später seinen Bauch zu präsentieren. Eine speckige, einsame Küste. Die 'speckige, einsame Küste' gefällt mir hingegen sehr.
Das gefällt mir auf den ersten und zweiten Blick ganz gut, danke! :)
Den Satz musste ich mehrmals lesen, um ihn zu verstehen. Vor allem hatte ich Mühe mit dem letzten Teil [...] die Türme bereits vorbereiteter Lebensmittel in Säcken und Packen verräumen weil für mein Empfinden da immer irgendwas gefehlt hat, bis ich checkte, dass sich das auf die Gabelstapler bezieht. Vielleicht ginge es ein wenig einfacher.
Ich konnte nachvollziehen, welches Teilchen dafür verantwortlich war und habe da mal zwei Sätze draus gemacht und das Teilchen getilgt.
Ich dachte immer, das Räuchern allein würde den Fisch für ziemlich lange haltbar machen. Das man den geräucherten Fisch auch noch einfriert, da habe ich wieder was gelernt!
Zu guter Letzt: es sollen unterschiedliche Vorgänge sein, im Sinne von: alle haltbar machenden Techniken einmal angewendet, nicht notwendigerweise alle bei nur einem Fisch. Vielleicht sollte ich da auch nochmal überlegen.

Ich finde deine Kritik in allen Teilen nachvollziehbar und danke dir!

Hallo @Friedrichard ,

auch an dich herzlichen Dank! Auch wenn man Fische fangen kann, gelingt einem nicht zwangsläufig die gesamte Vorratshaltung alleine. :)

Ein sehr gewagter Vergleich – wie ich finde - mit einer „Konfektion“, von dem „Konfetti“ abgeleitet ist … keineswegs dem „Konfekt“, wie man meinen kann. Aber -
umgekehrt wissen wir ja auch wie hierzulande Siedlungen wie mit dem Förmchen gestaltet wachsen.
Deine etymologischen Hinweise finde ich interessant. Wenn auch das Dorf so aussieht wie verstreutes Konfetti, habe ich jetzt nach etlichen Anmerkungen den Text dahingehend geändert, dass es nicht mehr darin auftaucht.
Nix falsch, so sagt man eben im übertragenen Sinn, ohne dass sich wer auch immer schneiden muss.
Aber wäre nicht „kreuzen“ ein guter Konkurrent zum Schnitt im übertragenen Sinn?
Ja, vielen Dank für diese Idee! Ich hatte sie nicht.
a) Komma weg, es zerschlägt das Prädikat die Angst „zu überwinden versuchen“
Ist gemacht und eine "Angst" ist ersetzt.
So hat Angst seine natürliche Funktion, die mit der Furcht vor wem oder was auch immer konkret wird. Stell Dear vor, was etwa los wäre im Straßenverkehr ...
Das stimmt, er ist ja nicht ohne Grund verängstigt und seine Angst schützt ihn, aber wie gesehen in einem Maß, das ihn behindert.
Hab jetzt gar nicht drauf geachtet, aber hier fällt’s mir auf und ich erinner mich, dass ich auf dem Kreuzzug „rettet das Ausrufezeichen“ bin ...
Ich bin sehr gerne bereit, vielleicht nicht den Kreuzzug, aber die Initiative "Rettet das Ausrufezeichen!" zu unterstützen und habe zwei Stellen im Text angepasst.
Warum das Gewese?
Das ist wirklich interessant. Mir ist dadurch erst aufgefallen, dass sich das "gewesen" auf den jetzigen Besuch bezieht, alle übrigen Worte aber auf Besuche generell. Und das das nicht so richtig funktioniert.

Wenn mich ein Beamter fragt, ob ich „Kinder“ habe, kann ich aus einer Ein-Kind-Familie heraus (keine Bange, ich bin kein Rotchinese) getrost und ehrlicherweise nur mit nein antworten ...
Da hatte ich zunächst eine Änderung vorgenommen und geschrieben, "Wenn man kinderlos ist", es eine Weile stehen lassen, es dann aber wieder zurück verwandelt, weil Moose nicht so spricht. Vielleicht finde ich noch was Besseres.

Ich danke dir,

viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Helenesthe!

Du hast ja schon eine Menge Hinweise und Vorschläge bekommen, wie du deinen Text üerarbeiten könntest. Nun weiß ich nicht, ob du noch weitere hören möchtest, oder genug davon hast? Ich kommentiere mal ein Stück weit und warte dann ab, ob du auf eine weitere Meinung wert legst, oder mit dem Text abschließen möchtest. Wer kennt es nicht? Irgendwann ist genug :)

Aiken sitzt am Steg. Vor ihm im Wasser schwimmen Kapelane. Ein Eimer mit gefangenen Fischen steht neben dem Jungen und hinter ihm liegen die Holzhäuser des Dorfes in ihrer Gebirgsmulde.
„Ich werde Aiken zum Anleger schicken“, hatte Großmutter Mühme in ihrem Brief an Moose geschrieben. „Er wird dort auf dich warten.“
Würde den zweiten Satz umstellen. Weiß nicht warum, für meine Ohren klingt ein Satz fast immer harmonischer, steht die Person nicht am Anfang. Im Wasser vor ihm schwimmen Kapelane. Finde zudem dass es sich anbietet, die Sätze zusammenzufassen. Aiken sitzt am Steg, im Wasser vor ihm schwimmen Kapelane.
Beim nächsten Satz ganz ähnlich. Ein Eimer mit Fischen steht neben dem Jungen, in der Gebirgsmulde hinter ihm liegen die Holzhäuser des Dorfes. Zudem könnte man gefangenen streichen, das ergibt sich von selbst, und ihrer Gebirgsmulde finde ich seltsam, gehört die den Häusern?

Die Anführungszeichen um die beiden Sätze aus dem Brief finde ich irritierend. Stehen für mich für eine wörtliche Rede. Würde ich kursiv formatieren.

Moose steuert mit der „Ammassaat“ den Hafen an. Die Gewässer der Insel sind ihm nicht mehr vertraut. Er sieht die kleine Gestalt dort sitzen. Vier Jahre ist es her, seit sie einander das letzte Mal begegnet sind. Moose schaltet den Motor ab und verlässt den Kutter. Am Steg bleibt er stehen, legt den Kopf schief und sieht Aiken an. Der hält dem einen Augenblick lang stand, springt auf, greift nach dem Henkel seines Eimers und ruft:
„Du brauchst überhaupt nicht mehr zu kommen!“
Finde, man könnte auch hier zusammenfassen und mit einem kleinen Zusatz den zweiten Satz einleiten. Behutsam steuert Moose die „Ammassaat“ in den Hafen, die Gewässer der Insel sind ihm nicht mehr vertraut.
Ich finde, man verlässt eine Haus, aber steigt von einem Boot.

Der hält dem einen Augenblick lang stand, springt auf, ... Hier wolltest du vielleicht der Dopplung Blick ausweichen. Finde jedoch, das liest sich seltsam. Vielleicht: Der hält seinem Blick einen (kurzen) Moment lang stand, springt auf, ...

Er läuft davon. Wasser und Fische schwappen aus seinem Eimer und bilden eine zappelnde Spur. Moose folgt ihm, sammelt die Kapelane auf, legt sie in seine Mütze und ein wenig später wieder zu den anderen, die Aiken auf der Veranda hat stehen lassen. Seine Aufgabe ist klar. Mühme ist in Rente. Die Familien ihrer Schüler hatten sie mit zusätzlichen Lebensmitteln bedacht, in der neuen Lebenslage aber ist sie dankbar für die Unterstützung, die Moose ihr zukommen lässt. Ihr Haus würde diesen Sommer auch ihn beherbergen, um Wintervorräte anzulegen. Er stellt sein Gepäck ab. Nach dieser ersten Begegnung mit dem Kind bleibt er eine Weile unschlüssig auf der Veranda stehen. Er atmet aus und klopft an.
Er läuft davon. Wasser und Fische schwappen aus seinem Eimer, bilden eine zappelnde Spur.
Sehr gut! Würde lediglich das zweite und durch ein Komma ersetzen.

Den nächsten Satz würde ich aufteilen. Der ist schon lang. Moose folgt ihm, sammelt die Kapelane auf und legt sie in seine Mütze. Bei der Veranda angekommen, gibt er sie in den Eimer zurück, den Aiken dort hat stehen lassen. Etwas in der Art.

Die nächsten beiden wieder zusammenfassen: Seine Aufgabe ist klar, jetzt, da Mühme im Ruhestand ist. Zudem fände ich Ruhestand passender.

Die neu Lebenslage kann mMn weg, steht ja unmittelbar im Satz davor. Und dennoch fände ich treffender als aber.

Auch hier könnte man umstellen, damit das am Ende nicht so drangepappt erscheint: Um Wintervorräte anzulegen, wird ihr Haus diesen Sommer auch ihn beherbergen.
Am Ende des Absatzes könnte man versuchen, dies unschlüssig zu beschreiben. Moose stellt sein Gepäck ab, bleibt auf der Veranda stehen. Er atmet tief ein und aus, (denkt an den Jungen,) erst dann klopft er an die Tür. Etwas in der Art.

An einem frühen Morgen zog Marius Aiken an, nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zum Kai. In Anorak und Stiefeln trippelte der Junge neben seinem Vater her. Schiffskräne verluden mannshohe Rohre, die zur Sanierung der Entsalzungsanlage geliefert worden waren.
Marius brachte das Kind an den Rand der Landzunge und bedeutete ihm, da zu bleiben.
Hier funktioniert das für meine Ohren richtig gut. Die Sätze haben eine gute Länge, die richtige Dichte an Informationen und einen guten Singsang. Lediglich da würde ich durch dort ersetzen.

Lächelnd und mit ausgebreiteten Armen beobachtete der Junge die durch die Luft schwebenden Bauteile, bis sie gebündelt auf Gestellen abgelegt worden waren. Es roch nach Eis und Öl. Marius, der beauftragt war, die Löschung der Ladung zu koordinieren, lief am Anleger mal hierhin, mal dorthin, rief und gab mit behandschuhter Hand Richtungsanweisungen an die Arbeiter auf den Gestellen. Er blinzelte in die aufgehende Sonne.
Da würde ich einen drauflegen und bestaunte der Jung draus machen.
Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, hier müsste beauftragt worden war stehen.
Zudem würde ich versuchen, das Blinzeln in den Satz zuvor zu integrieren. Nicht einfach, der Satz ist bereits ein Ungetüm, nu so wirkt es drangehängt. Marius, der die Löschung der Ladung koordinierte, lief am Anleger mal hierhin, mal dorthin, gab in die Sonne blinzelnd mit behandschuhter Hand Richtungsanweisungen an die Arbeiter hoch oben auf den Gestellen.
Beim Aufprall, den Schreien, den verzweifelten Rufen verlor Aiken beinahe die Besinnung, war rückwärts stolpernd ins Straucheln geraten und dem Ufer entglitten. Er tauchte ein, tauchte unter und verlor in der träge schwappenden See jede Orientierung.
Gibt es mehr als eine Orientierung? Oder andersherum: Sünde hier, er verlor die Orientierung, käme jemand auf die Idee zu sagen: Nicht so schlimm, er hat ja noch eine andere? Lange Rede – würde die Orientierung schreiben.

Die Luft seiner Lungen war fast verbraucht. Der Junge strampelte, gab jedoch rasch nach und schwebte mit ausgebreiteten Armen unterhalb der Wasseroberfläche. Eine Stake erschien ihm vor Augen, als sein Bewusstsein schon zu schwinden begann. Reflexartig durchstieß er in einer letzten Anstrengung den eisigen Griff des Wassers, klammerte und wurde emporgezogen. Emporgezogen in eine milde Windstille, in der er zu liegen kam, bis Moose ihn aufhob und nach Hause brachte.
Anstatt Luft könnte man über Sauerstoff nachdenken.
Schweben ist zwar schön, würde dennoch trieb schreiben.
Einen Griff durchstoßen passt nicht gut, auch dies reflexartig liest sich selten schön. Vielleicht: Mit einer letzten Anstrengung entwand er sich dem eisigen Griff des Wassers, klammerte und wurde emporgezogen.
Und am Ende würde ich nach Hause trug schreiben.

So, das soll es fürs Erste gewesen sein.

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis ,


danke für die Gedanken bisher! "Aiken" ist noch nicht abgeschlossen. Ich werde erstmal auf die Punkte antworten, die du angemerkt hast. Vieles hat Eingang in das Basteln an einer weiteren Überarbeitung gefunden. Ja, "irgendwann ist genug", aber es rumort noch.

Im Wasser vor ihm schwimmen Kapelane. Finde zudem dass es sich anbietet, die Sätze zusammenzufassen. Aiken sitzt am Steg, im Wasser vor ihm schwimmen Kapelane.
Da habe ich den Satzanfang entsprechend abgeändert. Es sind immer noch zwei Sätze. Ich glaube, ich habe Schiss, an Klarheit und Struktur abzugeben, ohne Teile derer hat es ja nicht so gut funktioniert.
Beim nächsten Satz ganz ähnlich. Ein Eimer mit Fischen steht neben dem Jungen, in der Gebirgsmulde hinter ihm liegen die Holzhäuser des Dorfes. Zudem könnte man gefangenen streichen, das ergibt sich von selbst, und ihrer Gebirgsmulde finde ich seltsam, gehört die den Häusern?
Das war anfangs auch ein einziger Satz, das habe ich gemacht. Das "gefangenen" werde ich erstmal drin behalten, weil wichtig ist, dass er sie eben gefangen hat und auch, dass es Kapelane sind. Es wurde auch schon angemerkt, manches etwas detaillierter anzugeben, die Fische waren ein Teil dessen.
Nein, sie gehört freilich nicht den Häusern, die Gebirgsmulde, aber es hat für mich etwas von "angestammtem Platz", etwas, das trotz der Widrig- und Unwirtlichkeiten des Landes zusammen gehört.
Die Anführungszeichen um die beiden Sätze aus dem Brief finde ich irritierend. Stehen für mich für eine wörtliche Rede. Würde ich kursiv formatieren.
Das ist mir überhaupt nie eingefallen, ist aber eine Möglichkeit. Mal sehen, ob es besser funktioniert, ich habe es mal angepasst.
Ich finde, man verlässt eine Haus, aber steigt von einem Boot.
Darüber werde ichnochmsl nachdenken. Die "Ammaasat" ist 7 1/2 Meter lang, da ginge dank Leiter vielleicht auch "steigen".
Der hält dem einen Augenblick lang stand, springt auf, ... Hier wolltest du vielleicht der Dopplung Blick ausweichen. Finde jedoch, das liest sich seltsam. Vielleicht: Der hält seinem Blick einen (kurzen) Moment lang stand, springt auf, ...
Ja, ich wollte der Dopplung ausweichen, habe es jetzt aber etwas angepasst, ohne doppeln zu müssen.
Er läuft davon. Wasser und Fische schwappen aus seinem Eimer, bilden eine zappelnde Spur.
Sehr gut! Würde lediglich das zweite und durch ein Komma ersetzen.
Da ist auch was geändert.
Den nächsten Satz würde ich aufteilen. Der ist schon lang. Moose folgt ihm, sammelt die Kapelane auf und legt sie in seine Mütze. Bei der Veranda angekommen, gibt er sie in den Eimer zurück, den Aiken dort hat stehen lassen. Etwas in der Art.
Hier bin ich noch nicht ganz sicher. Ich denke, ein paar längere Sätze verkraftet der Text. Vielleicht fällt mir noch was Elegantes ein.
Die nächsten beiden wieder zusammenfassen: Seine Aufgabe ist klar, jetzt, da Mühme im Ruhestand ist. Zudem fände ich Ruhestand passender.
Das ist eine Möglichkeit, darüber denke ich auch noch nach.
Auch hier könnte man umstellen, damit das am Ende nicht so drangepappt erscheint: Um Wintervorräte anzulegen, wird ihr Haus diesen Sommer auch ihn beherbergen.
Am Ende des Absatzes könnte man versuchen, dies unschlüssig zu beschreiben. Moose stellt sein Gepäck ab, bleibt auf der Veranda stehen. Er atmet tief ein und aus, (denkt an den Jungen,) erst dann klopft er an die Tür. Etwas in der Art.
Den ersten Satz habe ich testweise mal eingearbeitet, mal sehen, wie er sich macht. Stimmt, dieses "unschlüssig" ist nicht ganz so toll. Eigentlich ist die Möglichkeit der Unschlüssigkeit schon dadurch abgebildet, dass er länger stehen bleibt. Da ich noch keine ausladendere Beschreibung der Situation gefunden habe, habe ich das unschlüssig" erstmal gestrichen.
Da würde ich einen drauflegen und bestaunte der Jung draus machen.
Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, hier müsste beauftragt worden war stehen.
Zudem würde ich versuchen, das Blinzeln in den Satz zuvor zu integrieren. Nicht einfach, der Satz ist bereits ein Ungetüm, nu so wirkt es drangehängt. Marius, der die Löschung der Ladung koordinierte, lief am Anleger mal hierhin, mal dorthin, gab in die Sonne blinzelnd mit behandschuhter Hand Richtungsanweisungen an die Arbeiter hoch oben auf den Gestellen.
Ich werde es bei "beobachtete" lassen, glaube ich, ohne die Schippe drauf. :)
"beauftragt war" geht meines Wissens genauso gut wie "beauftragt worden war" an der Stelle.
Mit dem Satz hast du Recht, ich war auch etwas unzufrieden mit dem einzelnen Satz zum Blinzeln. In der Ursprungsversion war es ein Satz, jetzt habe ich etwas getrennt aber dafür das Blinzeln wieder integriert. Ist bestimmt besser.
Gibt es mehr als eine Orientierung? Oder andersherum: Sünde hier, er verlor die Orientierung, käme jemand auf die Idee zu sagen: Nicht so schlimm, er hat ja noch eine andere? Lange Rede – würde die Orientierung schreiben.
Gemeint ist "oben, unten, links, rechts", auch nicht örtliche, wie z.B. Zeitempfinden, deswegen habe ich einen Plural genommen. Mal sehen, was ich daraus mache.
Anstatt Luft könnte man über Sauerstoff nachdenken.
Schweben ist zwar schön, würde dennoch trieb schreiben.
Einen Griff durchstoßen passt nicht gut, auch dies reflexartig liest sich selten schön. Vielleicht: Mit einer letzten Anstrengung entwand er sich dem eisigen Griff des Wassers, klammerte und wurde emporgezogen.
Und am Ende würde ich nach Hause trug schreiben.
Bei der Luft denke ich über "Atem" nach, obwohl mir die Stelle auch so schon recht zusagt. Die anderen Vorschläge habe ich gern genommen, danke dafür und auch für die Arbeit am Text! :)

Viele Grüße,
Helen

 

Hallo.
Aiken hat sich verändert und ist um gut 1000 Wörter gewachsen. Danke an alle, die sich bisher mit der Geschichte beschäftigt und mir geholfen haben, sie auf breitere Füße zu stellen.
:)

 

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