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Abrakadabra

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01.01.2010
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Abrakadabra

In unserer Klasse gab es einen Geist.
Keinen, der uns Angst einjagte, keinen, dessen Name wir flüsterten. Während des Unterrichts kauerte er nicht hinter der Tafel oder scharrte unter unseren Tischen. Diese Art Geist war er nicht.
Magnus war ein Geist, weil er grau durchs Leben schlich. Auf Klassenfotos stand er stets am Rand, kniff die Lippen zusammen und sah aus wie eine Erscheinung, die uns alljährlich heimsuchte. Er war ein Geist, weil er weder He-Man kannte noch Fussball spielte.
Wir erinnern uns nicht, wie wir ihn die ersten Jahre nannten, wenn wir sein Mäppchen vom Tisch fegten oder sein Essen in den Dreck warfen. Wir standen um ihn herum und lachten, als Magnus sein Frühstück vom Boden klaubte, an der Hose abwischte und aß. Wir fragten, ob er arm sei, aber an seine Antwort erinnern wir uns nicht.
In der dritten Klasse tauften wir ihn. An jenem Tag durften wir Haustiere in die Schule mitbringen. Beinahe jeder hatte eins – nicht weil unsere Eltern ein schlechtes Gewissen gehabt hätten, nein, Besuchsrechte und Tagesmütter kannten wir nicht. Haustiere gehörten zum guten Ton, wie Geranien oder der Zweitwagen. So kam es, dass wir an jenem Tag unsere Lieblinge in Käfigen und Schuhkartons anschleppten und das Klassenzimmer in einen Zoo verwandelten. Überall fiepte, zwitscherte, scharrte und miaute es, dazwischen erklangen unsere Rufe und das Getrappel, wenn wir von Platz zu Platz rannten und die Tiere der anderen bestaunten. Jeder durfte seinen Hansi oder seine Trixi vor der Klasse vorführen, und natürlich wollte jeder die anderen mit einer tollen Geschichte übertreffen.
Wir streichelten Hamster, steckten unsere Finger in die Käfige von Wellensittichen und spielten mit Kaninchen. Elke zeigte ein junges Kätzchen und hätte damit vermutlich die meiste Aufmerksamkeit bekommen, doch sie weigerte sich, es aus der Box zu holen. In einem Schuhkarton hielt Thomas das exotischste Tier gefangen – eine Rotwangen-Schildkröte. Obwohl – oder gerade weil – sie ihren Kopf kaum hervorstreckte, standen wir um den Karton herum und stupsten den Panzer von allen Seiten an. Thomas wurde rot, als wir ihn auslachten, weil er die Schildkröte ebenfalls Thomas nannte.
Keiner von uns beachtete Magnus, vermutlich, weil er die ganze Zeit unsichtbar auf seinem Platz saß. Benjamins Mutter, die uns ein Jahr später ins Schullandheim begleitete, hat einmal gesagt, dass Magnus niemals auffällt – weil er der einzige Junge ist, der geräuschlos auf- und untertaucht, wie ein Fisch. Wir lachten, als sie das sagte, obwohl sie besorgt aussah.
Es war Kai, der an jenem Haustiertag den Zeigefinger ausstreckte. „Was hast du da drin?“, rief er quer durchs Klassenzimmer. Unsere Blicke folgten dem Finger und landeten bei Magnus. Auf dessen Tisch stand ein Gegenstand, der ihm bis zur Brust reichte und von einer Stofftasche umschlossen war.
„Ist da ein Tier drin?“, fragte jemand, und es wurde still. Magnus rutschte auf dem Stuhl herum, als müsse er auf die Toilette. Schließlich nahm er den Gegenstand aus der Tasche, ein Einmachglas, eines von den großen mit dickem Bauch, randvoll mit Wasser. Darin schwamm ein einzelner Goldfisch.
Begeistert stürzten wir auf Magnus, klopften gegen das Glas und bewunderten den Fisch, der schwerelos im Wasser trieb. Wir wissen nicht, woher diese Faszination kam – es war der einzige Fisch an dem Tag, vielleicht spielte das eine Rolle. Vielleicht waren wir auch überrascht, weil wir an Magnus plötzlich etwas Vertrautes entdeckten. Als er eine Dose Trockenfutter hervorholte, warf jeder etwas ins Glas, bis auf Magnus selbst. Stattdessen saß er mit verschränkten Armen da, schaute uns beim Füttern zu und lächelte. Zumindest glauben wir das heute.
Sein Gesicht bröckelte, als unsere Lehrerin an den Platz kam. „Kein Futter, das haben wir doch beschlossen. Hört auf, den Fisch zu füttern und schaut lieber, dass die Katze nicht in die Nähe kommt, sonst ist der Fisch weg.“
Alle lachten. Auf schummrige Art verstanden wir, dass sich der Fisch und Magnus ähnelten – beide standen am Beginn der Nahrungskette. Unsere Sympathie für sie verschwand, und mit verkniffenem Gesicht stülpte Magnus die Stofftasche über das Glas. Wir schwärmten in alle Richtungen davon, vergaßen den Fisch, vergaßen Magnus und hätten auch diesen Tag vergessen, wäre da nicht der Schrei gewesen.
Es geschah kurz vor Schluss. Der Schrei fuhr durch unsere Körper, klang wie der eines Tieres. Erst einen Augenblick später sahen wir, dass Magnus schrie. Er hielt das Einmachglas vor seinen Körper; die aufgewirbelten Futterreste verwandelten es in eine Schneekugel, in der es einsam schneite, denn der Goldfisch war verschwunden.
„Wo ist mein Fisch?“, brüllte Magnus mit zitternden Lippen. „Wo ist er?“ Er begann zu weinen. Es war das einzige Mal, dass wir Magnus weinen sahen. Selbst wenn wir ihn auf dem Nachhauseweg in ein Gebüsch schubsten, hielt er die Tränen zurück.
„Hat ihn die Katze gefressen?“, fragte jemand, und wir wandten uns an die einzige Person im Raum, der wir zutrauten, dieses Chaos zu lösen: unsere Lehrerin.
„Hast du die Tasche mit auf die Toilette genommen?“, fragte Frau Schrank.
Magnus nickte, weil er zwischen den Schluchzern kaum sprechen konnte. Schleim troff aus seiner Nase. „Aber – nur damit ihn die Katze nicht –“
„Hast du den Fisch in die Toilette geworfen?“
Jemand lachte. Ein anderer flüsterte: „Er hat den Fisch das Klo runtergespült.“ Dann lachten alle.
Magnus schüttelte den Kopf. „Nein. Da war er – da war er – noch da.“
„Bist du sicher?“, wollte Frau Schrank wissen. Ihr Tonfall nahm die Antwort vorweg und uns jeden Zweifel. Magnus hatte seinen eigenen Fisch entsorgt, und weil er noch minutenlang nach seinem Fisch schrie, gaben wir ihm an diesem Tag den Namen, der ihn die nächsten Jahre begleitete: Fisch.

Niemand weiß, wie er zur Zauberei kam.
Selbstverständlich kann man darin eine hochtrabende Symbolik sehen und behaupten, er sei aus der Traurigkeit in die Welt der Illusion geflüchtet. Oder man sagt, Harry Houdini sei deshalb sein Vorbild geworden, weil sich Magnus von den gesellschaftlichen Fesseln habe befreien wollen. Es gab Zeiten, da dachten wir so – vermutlich, um dem Geschehenen einen Schliff zu verpassen, den es in Wirklichkeit nicht besaß.
In der achten Klasse mussten wir Goethes Zauberlehrling auswendig lernen. Zu Beginn jeder Stunde rief Herr Haag drei Schüler auf, die einzeln an sein Pult treten und die Ballade vor der Klasse aufsagen mussten. An einem Wintermorgen, draußen war es noch dunkel, war Magnus an der Reihe.
Vor einer Gruppe konnte er nicht sprechen. Seine Nervosität rochen wir bis in die hintersten Plätze, sahen das Zucken der Oberschenkel und die zittrigen Hände. Wir liebten diesen Augenblick, weil Magnus ihn hasste.
„Fisch, Fisch“, flüsterten wir und „blubb, blubb“, so laut, dass jeder es hören konnte.
Der Haag räusperte sich, und Magnus begann. „Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben und nun -“
„Halt“, unterbrach ihn der Haag. „Wie beginnt eine Ballade?“
Überall sonst hätte Magnus die Antwort gewusst, doch vor der Klasse machte er den Mund auf und zu, ohne dass ein Ton entwich.
„Titel und Autor“, sagte der Haag. „Sprich langsamer. Und achte auf die Betonung.“
Magnus begann erneut. „Der Zauberlehrling, von Johann Wolfgang Goethe.“
Von Goethe.“
„Der Zauberlehrling, von Goethe.“
Johann Wolfgang von Goethe.“
Es war herrlich. Wir gaben uns keine Mühe, leise zu sein, und weil unser Lachen die Unsicherheit von Magnus steigerte, lachten wir lauter. Er wirkte verloren, als wolle er im Boden verschwinden.
Während Magnus die Ballade entlanghaspelte, machten wir Furzgeräusche. Es war üblich, dem Schüler am Ende zu applaudieren. Als Magnus durch war, klatschten nur ein paar Mädchen. Die anderen machten „blubb, blubb“, und der Haag tat nichts weiter, als den Kopf zu schütteln.
Wir dachten, der Auftritt sei vorbei, bis wir merkten, dass Magnus nicht auf seinen Platz zurückging. „Ich kann euch einen echten Zauber zeigen“, sagte er. „Wollt ihr ihn sehen? Es dauert nicht lang.“
Der Augenblick ähnelte jenem fünf Jahre zuvor, als wir die Stofftasche mit dem Goldfischglas auf seinem Tisch gesehen hatten: Magnus überraschte uns. Und wie damals kehrte angespannte Stille ein, als müssten wir innehalten und uns fragen, wer dieser Junge war.
„Dürfen wir den Trick sehen, Herr Haag?“, fragte eines der Mädchen, vielleicht Ulrike. Auch andere Mädchen quengelten, ebenso der eine oder andere Junge, und der Haag sagte: „In Ordnung. Drei Minuten.“
Magnus nickte. Nie zuvor hatten wir ihn zaubern gesehen, aber wir erkannten sofort, wie gut er war. Er verwandelte sich, tauchte in eine Rolle ein, stülpte sie über wie ein Kostüm. Die Nervosität verfloss, das Zittern erstarb. Der graue Junge verschwand vor unseren Augen und wurde durch einen routinierten Unterhalter ersetzt. Plötzlich strahlte er die Souveränität eines Menschen mit jahrelanger Erfahrung aus, obwohl das – wie uns Sabine später erzählte – sein erster Auftritt war.
„Das Ziel eines jeden Magiers ist“, begann er, „sein Publikum zu verblüffen.“ Er griff in die Hosentasche und zog einen 20-Mark-Schein hervor, strich ihn glatt, hielt ihn vor das Gesicht, drehte ihn. „Ein normaler Geldschein, wie ihn jeder kennt. Und jetzt seht genau hin.“
Er knüllte den Schein zu einem Papierball zusammen.
Einige lachten, andere murmelten. Selbst der Haag wirkte interessiert.
„Keine Sorge, den kann man noch verwenden“, sagte Magnus, als hätte sich einer von uns um sein Geld gesorgt. Wir waren zu überrascht für einen Kommentar; wäre es Magnus um unsere Verblüffung gegangen, hätte er die Vorstellung an dieser Stelle abbrechen können.
„Und jetzt –“, fuhr Magnus fort, doch anstatt den Satz zu beenden, nahm er die Hände von der zerknüllten Kugel – und ließ sie schweben. Seine Augen waren auf den Geldschein geheftet, als würde er ihn mit seinem Blick festhalten – wenn Magnus in diesem Moment in unsere Gesichter geschaut hätte, was hätte er gesehen? Erstaunen? Verwirrung? Bewunderung?
„Wie macht er das?“, flüsterten einige, während Magnus die Hände kugelförmig um den Geldschein bewegte. Der Schein drehte sich und blieb scheinbar schwerelos in der Luft hängen.
„Bis jetzt ist es ein einfacher Trick, der niemanden verblüfft“, sagte Magnus, ohne die Augen von dem Schein zu nehmen. „Aber jeder Zauber braucht ein Überraschungsmoment.“
Wir fanden unsere Sprache wieder, vielleicht, weil Magnus von einem Trick gesprochen hatte, und wir riefen: „Fisch, wir sehen die Schnur“, obwohl keiner von uns etwas sah.
„Ach ja?“ Magnus richtete den Blick direkt auf uns. „Was seht ihr denn?“
Was dann geschah, machte diese erste Vorstellung von Magnus unvergesslich: Er zog die Hände zurück und trat drei Schritte nach hinten. Der Geldschein schwebte weiterhin an derselben Stelle, und nicht nur das, er drehte sich noch. Magnus verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte.
In diesem Moment fiel der Schein zu Boden. In der Klasse war es so still, dass wir den Aufschlag hörten.
Was wir an diesem Tag sahen, war mehr als Zauberei, es war Magie. Obwohl wir uns seitdem viel mit den Illusionen der Großen beschäftigt haben, können wir sagen, dass wir einen der fantastischsten Zaubertricks unseres Lebens vorgeführt bekamen. Übertroffen nur von der Vorstellung fünf Jahre später, der Vorstellung am letzten Abend.

In den folgenden Wochen sahen wir eine Menge Hokuspokus.
Jeweils in den Pausen versammelte sich eine Gruppe von Schülern um Magnus und beobachtete, wie er Münzen verschwinden und auftauchen ließ, Karten erriet oder Ringe ineinander verhakelte und löste. Das waren keine besonderen Tricks, besonders war, dass Magnus sie aufführte – jener Junge, der in den Pausen stets allein über den Hof geschlurft war. Irgendwann kamen sogar Schüler aus den Parallelklassen vorbei.
Selbst wir standen manchmal um ihn herum, pöbelten dazwischen und versuchten, ihn aus dem Konzept zu bringen. Wir behaupteten, die Tricks zu kennen, aber wir durchschauten keinen einzigen. Und Magnus ließ sich nie beirren – wenn er zauberte, schien er zu reifen, aus dem Fisch wurde ein Mann mit fester Stimme und ruhigen Händen. Diese Verwandlung war erstaunlich, sie faszinierte auf eine Art, die schwer zu benennen war – es war sein größter Trick, und den zauberte Magnus an sich selbst. Wir glauben, viele rannten nur deshalb in jeder Pause an seinen Platz, auch wenn sie das womöglich nicht wussten. Oft riefen sie nach dem schwebenden Geldschein, aber Magnus schüttelte den Kopf und erklärte, ein guter Künstler wiederhole keinen Zauber.
Als der Winter in das Frühjahr überging, schrumpfte Magnus' Publikum wie die Schneehaufen im Schulhof. Das Interesse schwand, wie immer, wenn das Besondere gewöhnlich wird. Wir können bloß erahnen, wie das an Magnus genagt haben musste. Das Ausmaß seiner Verzweiflung wurde greifbar, als er sich zu einer Aktion hinreißen ließ, die in einem Debakel enden musste: Er lud die komplette Stufe zu seinem Geburtstag ein.
In der zweiten Klasse wurden wir zum ersten Mal von ihm eingeladen, zu einer Zeit, als man noch Reise nach Jerusalem und Hänschen piep einmal spielte und am Ende ein Päckchen Süßigkeiten mit nach Hause bekam. Normalerweise freuten sich unsere Mütter über Einladungen und gingen nachmittags mit uns Geschenke kaufen, doch als sie die Karte von Magnus sahen, runzelten sie die Stirn und begannen, miteinander zu telefonieren. Sie wollten wissen, wer der Junge war, wo er wohnte und was er für Eltern hatte, und jede musste ein Detail gewusst haben, denn am Ende ergab sich ein vollständiges Bild: Die Mutter von Magnus verließ selten die Wohnung, war aber schon beobachtet worden, wie sie im Morgenmantel den Müll rausbrachte. Der Vater kam oft spätabends nach Hause, entweder, weil er einer zwielichtigen Arbeit nachging oder gerne gurgelte – in dem Punkt waren unsere Mütter sich uneins und vermuteten am Ende beides. Wir verstanden das nicht. Es klang gruselig, und selbst wenn uns erlaubt worden wäre, zu dem Geburtstag zu gehen, hätten wir uns nicht getraut.
In den folgenden Jahren dachten wir nicht einmal an seinen Geburtstag, bis wir in der achten Klasse eines Morgens einen Zettel in die Hand gedrückt bekamen. Magnus feiert Geburtstag, stand darauf und bringt alle mit, die ihr kennt. Natürlich nicht zu ihm nach Hause, sondern in einen gemieteten Gemeinderaum. Spätestens der Zusatz inklusive Zaubervorstellung klang nach einem schlechten Scherz, nach Kindergeburtstag. Aber wir waren keine Kinder mehr, auf unseren Feiern gab es Bier anstelle von Mohrenköpfen, statt Topfschlagen wurde das Licht gedimmt und Stehblues getanzt. Und Magnus hatte ernsthaft vor, Kartentricks aufzuführen.
Er verteilte die Zettel in allen Parallelklassen, und nur wenige hatten den Anstand, ihm direkt ins Gesicht zu lachen. Viele nahmen die Einladung entgegen und warfen sie in den Müll, als Magnus nicht hinschaute. Und natürlich gab es die Gemeinen, zu denen wir zählten. Wir heuchelten Interesse und beschlossen, hinzugehen, aus Schadenfreude, aus demselben Grund, aus dem man stehenbleibt, wenn einer vom Dach eines Hochhauses springen will. Es gibt wenige Dinge, die faszinierender sind als der tiefe Fall eines anderen Menschen.
Wir fuhren mit den Rädern zum Gemeindehaus, das muss gegen einundzwanzig Uhr gewesen sein. Sogar an ein Geschenk hatten wir gedacht, in der Größe eines Schuhkartons, lieblos verpackt. Wir hatten damit gerechnet, auf ein Trauerspiel zu treffen, aber als wir in den Gemeinderaum trampelten, wurden unsere Erwartungen übertroffen: Magnus hatte etwa siebzig Jugendliche eingeladen, gekommen waren bis zu diesem Zeitpunkt zwei. Eine davon war seine Schwester, eine pummelige Fünfzehnjährige, die wir noch nie gesehen hatten, der andere Gast war Sabine.
Wir grölten, hauten Magnus kumpelhaft auf die Schulter und fragten, ob die große Show schon vorbei sei und er sein Publikum weggezaubert habe. Nein, er vermute, die meisten kommen später – er scheiterte beim Versuch, seine Enttäuschung zu verbergen, was uns belustigte. Wir drückten ihm unser Geschenk in die Hand. „Mach es schnell auf“, sagten wir, „und sei vorsichtig, hoffentlich lebt es noch.“
Er machte ein blödes Gesicht und fummelte an dem Papier herum. Als er es entfernt hatte, kam eine Schachtel zum Vorschein. Er öffnete sie.
„Vorsicht, Fisch, nicht fallen lassen.“
Er zog die Augenbrauen zusammen und nahm das mit Wasser gefüllte Einmachglas heraus. Wir spielten die Überraschten. „Mann, Fisch, wir schwören dir, da war ein Goldfisch drin. Ehrlich, Mann, der muss einfach verschwunden sein.“ Unser Lachen schallte durch den Saal.
Vielleicht war es dieser Hall, den es in einem gefüllten Raum nie gegeben hätte, vielleicht waren es die Getränkekisten, die an der Seite gestapelt waren und unberührt bleiben würden, vielleicht auch die glasigen Augen von Magnus, als er sich wegdrehte – wir spürten, wie der Spaß zurückwich und etwas wie Mitgefühl in uns dämmerte. Da stand er, ein naiver Junge, der wieder einmal auf die harte Tour lernen musste, wo sein Platz im sozialen Gefüge war. Der versucht hatte, sich zu erheben, und einmal mehr verloren hatte. Wir würgten dieses Gefühl ab, indem wir uns verabschiedeten.
Als wir gerade auf unsere Räder stiegen, kam Sabine angerannt, allein.
„Sagt mal, wie blöd seid ihr eigentlich? Könnt ihr Magnus nicht einfach in Ruhe lassen?“
„Er hat uns doch eingeladen“, antworteten wir. „Ist selber schuld, dass keiner kommt.“
„Die letzten Wochen ist er richtig aufgeblüht, habt ihr das nicht bemerkt? Er dachte, dass die Leute kommen, die seine Tricks mögen.“
Sabine kapierte es nicht, sie verwechselte Aufmerksamkeit mit Sympathie. Magnus war ein Äffchen, das Kunststücke machte, und ein paar Mitschüler – inzwischen verschwindend wenige – warfen ihm Erdnüsse in Form von Interesse vor die Füße. Solange es hampelt, lacht man über das Äffchen, aber sobald man sich wegdreht, vergisst man seinen Tanz, und spätestens dann will keiner mehr den Affen sehen. Wir erklärten ihr das, soweit wir es damals verstanden.
„Er arbeitet an neuen Tricks. Er wird besser. Er arbeitet an Tricks, die noch nie jemand aufgeführt hat.“
Wir verschwanden im Dunkel der Nacht, ohne auf ihre Worte zu hören. Von diesem Tag an zauberte Magnus nicht mehr. Erst fünf Jahre später, am Abend unseres Abiballs, bat er zum nächsten Tanz.

Um ein Haar hätte dieser Auftritt nie stattgefunden.
Wir haben das Abendprogramm aufgehoben, sauber gefaltet, mit einem Gruppenfoto aller Abiturienten vorne drauf, doch die Vorstellung von Magnus sucht man darin vergeblich. Bis zwei Stunden vor Beginn wusste nicht einmal Ulrike Bescheid. Sie erfuhr es in der Cafeteria direkt neben der Aula, wo der Abend stattfinden würde. Wir lungerten ebenfalls dort herum, einigermaßen nüchtern.
„Er will was?“, rief Ulrike. Sie liebte das Organisieren großer Anlässe, war Stufensprecherin und Vorsitzende der verantwortlichen Gruppe für den Abiball. Das alles schützte sie nicht vor der nervösen Hektik, die kurz vor Beginn jeden packt, der einen Anlass für über zweihundert Menschen geplant hat. Insbesondere, wenn jemand kommt und eine Programmänderung verlangt.
„Es wird nicht lange dauern“, sagte Sabine. „Eine Viertelstunde. Vielleicht weniger.“
„Unmöglich. Das Programm steht“, sagte Ulrike und fächerte sich mit ebendiesem Luft zu.
„Komm schon. Auf die paar Minuten kommts nicht an.“
„Warum hat er das nicht früher gesagt? Und wo ist er überhaupt?“ Magnus war nirgends zu sehen.
„Er übt den Trick. Es ist bloß einer. Aber der lohnt sich, versprochen. So etwas“ – hier zögerte Sabine einen Moment, ihr Blick geisterte durch den Raum – „bekommt man sonst nur in Las Vegas zu sehen.“
„Was ist das für ein Trick?“, fragte jemand.
„Wird nicht verraten. Lasst euch überraschen.“
„Und du machst da mit?“ Das kam von Ulrike, die inzwischen das Programm durchblätterte, auf der Suche nach einer Lücke, die es nicht gab.
„Ich assistiere ihm. Ihr werdet begeistert sein. Er wird den Saal rocken, das wird spektakulärer als der Geldschein. Die Leute werden sich noch jahrelang daran erinnern.“
„Es gibt keinen freien Platz“, sagte Ulrike und schüttelte den Kopf. „Der Abend ist voll.“
„Hey Sabine“, riefen wir. „Wer sagt, dass Magnus keine Pumpgun aus einem Hut zaubert und ins Publikum ballert? Das wäre spektakulär.“ Zwar hatten die Sticheleien gegen Magnus nachgelassen, aber jeder ignorierte ihn. Seine Noten waren in den letzten beiden Jahren in den Keller gerauscht, vielleicht, weil das Gefühl, nie beachtet zu werden, verletzender sein konnte als alles andere.
„Blödmänner“, antwortete Sabine, dann, zu Ulrike: „Da ist eine Pause von halb zehn bis viertel elf. Kein Mensch braucht eine Dreiviertelstunde, um ein Bier zu kaufen und aufs Klo zu gehen.“
„Also“, sagte Benjamin, ein Junge, der nicht zu unserer Clique gehörte, „vielleicht kommt er mit einer großen Guillotine und zerhackt eine Wassermelone. Als nächstes bittet er einen Freiwilligen aus dem Publikum, sich drunter zu legen. Natürlich ist es eine umgebaute Guillotine. Sie hat einen kleinen Schalter. Wenn man den betätigt, schadet einem das Beil nicht. Ich hab das neulich in einer Columbo-Folge gesehen. Wer weiß – vielleicht drückt Magnus den Schalter nicht? Wäre auch spektakulär, oder? Ich würd mich nicht drunter legen, wenn er eine Guillotine auf die Bühne rollt.“
Wir würden uns auch nicht drunter legen, soviel stand fest.
Ulrike war einverstanden. Magnus bekam einen Platz um halb zehn, vor der Pause, aber Sabine musste versprechen, dass es nicht länger als zehn Minuten dauern und der Saal toben würde. Und so kam es, dass die Vorstellung nirgends offiziell erwähnt wurde.
Um kurz vor halb zehn wurde ein Video gezeigt, in dem Lehrer veräppelt wurden, gefilmt mit versteckter Kamera. Die Gags waren mau, die Zuschauer euphorisch, wie immer, wenn sie sich selbst feiern – an diesem Abend für ihre klugen Sprösslinge. Im hitzigen Saal waberte die Luft und roch nach Alkohol, wir saßen zusammengedrängt auf Bierbänken. Magnus war nirgends zu sehen. Wir spekulierten, ob er Muffensausen gekriegt hatte und längst verschwunden war, weil sein Trick nicht hinhaute. Als das Video zu Ende war, erhoben sich einige Leute – offenbar jene, die das Programm gelesen hatten.
„Einen Augenblick bitte“, unterbrach Ulrike, die auf die Bühne geeilt war. „Wir wissen, dass der eine oder andere es kaum erwarten kann, eine zu rauchen.“ Zaghaftes Gelächter. „Aber wir haben spontan beschlossen, einen weiteren Punkt ins Programm aufzunehmen – und wir hätten das nicht gemacht, wenn es kein spektakulärer Auftritt wäre.“
Ein paar der Aufgestandenen setzten sich wieder.
„Einer unserer Mitschüler hat ein besonderes Talent. Er ist sozusagen der David Copperfield unserer Schule, ein begnadeter Künstler, ein großer Illusionist. Begrüßen Sie mit mir Magnus – den Magier.“
Das Licht wurde heruntergefahren, ein Meer aus Schwarz flutete die Bühne.
„Magnus der Magier. Sie hätte ihn einfach Magnier nennen sollen“, flüsterten wir und kicherten – nur kurz, denn es breitete sich Stille im Publikum aus, als würde in der Dunkelheit etwas lauern. Jeder starrte auf die Bühne, ein Schwarzes Loch, das alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Dann hörten wir die Stimme von Magnus aus den Lautsprechern.
„Was Sie jetzt sehen, werden Sie nie vergessen. Das verspreche ich.“
Etwas klackte, grelles Licht ergoss sich über die Bühne – und wir sahen Magnus, der einsam in der Mitte stand. Lautlos war er aufgetaucht.
„Guten Abend“, sagte er und deutete eine Verbeugung an.

Wir spürten sofort, dass etwas nicht stimmte – zumindest möchten wir das heute glauben. Wahrscheinlich ist es Wunschdenken. Wir sagen, das Gedächtnis täuscht uns, aber wir verschweigen, dass wir es so wollen.
„Ist das Magnus?“, fragte jemand. Schon früher war er bei seinen Auftritten kaum zu erkennen gewesen – ein Junge, der in das Kostüm eines Magiers geschlüpft war, ohne sich zu verkleiden. An diesem Abend wirkte es, als habe sich jemand Fremdes in ein Magnus-Kostüm gezwängt, allerdings ein schlechtes, weil es soviel besser war als das Original.
Sein schwarzes Haar war zurückgekämmt, Pomade ließ es glänzen. Er musste den Tag im Solarium verbracht oder Selbstbräuner aufgetragen haben. Im Scheinwerferlicht wirkte seine Haut glatt, ohne jeden Pickel. Nie zuvor hatte er sein Äußeres durch kosmetische Produkte aufgebessert, nie zuvor hatte er so gut ausgesehen. Er trug ein schwarzes Hemd, eine schwarze Stoffhose – keinen Umhang oder Zylinder.
„Was ich Ihnen jetzt zeige, haben Sie noch nie gesehen.“ Die Stimme klang fest, tiefer als sonst – in manchen Körpern musste sie Vibrationen auslösen, denn einige Leute rutschten auf ihren Sitzen herum. „Ich garantiere das, denn diese Vorstellung ist meine ganz persönliche. Es ist kein Zufall, dass ich sie heute uraufführe.“
Stille im Saal. Jeder blickte nach vorne. Jeder. Magnus hatte mehr Aufmerksamkeit als je zuvor.
„Heute feiern wir Abitur. Heute schauen wir zurück auf dreizehn Jahre Schule. Auch ich tue das. Ich möchte, dass Sie mit mir gemeinsam zurückschauen. Ich möchte, dass Sie sehen, was mir von den Jahren geblieben ist.“
Manchmal träumen wir von diesem Abend. Dann sind wir wieder jung, sitzen in der Aula und lauschen seinen Worten. Spätestens an dieser Stelle wollen wir schreien, wir wollen auf die Bühne stürmen und diesen ewig fremden Jungen schütteln. Aber wie in vielen Träumen – und manchmal auch im echten Leben – sind wir in den entscheidenden Momenten erstarrt.
„Meine Künste. Davon spreche ich. Meine Zauberkünste.“ Er verzog die Lippen zu einer Grimasse. Erst nach einem Augenblick erkannten wir, dass er zu lächeln versuchte. „Heute Abend zeige ich bloß einen Zauber. Bevor wir damit beginnen, begrüßen Sie mit mir meine Assistentin – Sabine.“
Er deutete auf einen Bereich im hinteren Teil der Bühne, der mit schwarzem Tuch abgedeckt war. Unter dem Applaus des Publikums trat Sabine hervor. Sie trug ein blaues Kleid, ihr Lächeln wirkte falsch. Die Sorge in ihren Augen hielten wir anfangs für Nervosität.
An das Publikum gerichtet, fuhr Magnus fort. „Wie jeder große Zauber hat auch dieser einen Namen. Ich nenne ihn Der stille Wanderer. Ich werde quer über diese Bühne gehen, von einem Ende zum anderen. Nur werden Sie das nicht sehen.“
Ein Geräusch brandete durch das Publikum – nicht ganz ein Raunen, aber mehr als ein Murmeln.
„Sabine, würdest du bitte alles Notwendige aufbauen?“
Wir bemerkten die Verzögerung, ihren Mund, der lautlos eine Frage formulierte – Magnus nickte, und Sabine verschwand hinter dem Tuch. Überall um uns herum saßen angespannte Körper.
Als Sabine hervortrat, begann das Publikum zu tuscheln. Sie schob etwas vor sich her, keine Guillotine, sondern ein Gestell, auf das eine Holzkiste geschraubt war. Die Kiste war etwa zwei Meter lang, geöffnet und schräg montiert, so dass wir direkt hineinsehen konnten. Sabine schob diese Apparatur an Magnus vorbei zum rechten Rand der Bühne. Dann verschwand sie erneut und holte ein zweites, identisches Gestell mit Kiste hervor, das sie auf der linken Seite abstellte.
Währenddessen stand Magnus regungslos auf der Bühne. Sein Blick ruhte in der Ferne. Obwohl die Bühne stark beleuchtet war, wirkte sein Gesicht entspannt. Wir blickten direkt hinein, aber den Jungen, den wir seit unserer Kindheit kannten, sahen wir nicht.
Als Sabine die zweite Kiste positioniert hatte, trat Magnus zu ihr. „Danke. Bitte überzeugen Sie sich, dass es sich bei diesen Kisten um massives Holz handelt.“ Die Kiste war offen, und Magnus klopfte gegen den Boden. „Kein doppelter Boden. Keine versteckte Klappen.“ Er nickte. „Ich werde mich nun in diese Kiste legen. Sabine wird sie verriegeln, ebenso die Kiste auf der anderen Seite.“ Er deutete hinüber. „Dann werde ich aus dieser Kiste steigen und mich in die andere legen. Dabei gehe ich quer über die Bühne. Und obwohl das direkt vor Ihren Augen geschieht, werden Sie mich nicht sehen.“
Ungläubiges Flüstern, Kopfschütteln im Dunkeln.
„Sabine, bist du bereit?“
Sie nickte. Irgendwann in den letzten Minuten musste das Lächeln aus ihrem Gesicht geflüchtet sein.
Magnus kletterte in die Kiste. Er passte bequem hinein. Als Sabine den Deckel schließen wollte, hielt er ihn zurück. „Eins noch.“ Er blickte ins Publikum. „Abrakadabra“, sagte er. Dann klappte er den Deckel zu, und Sabine verriegelte ihn mit einem Vorhängeschloss. Sie rüttelte daran, um zu beweisen, dass es zu war.
Während sie auf die andere Seite ging, blieb unser Blick auf der verschlossenen Kiste kleben. Jetzt, da alle Augen auf Sabine gerichtet waren, wäre der perfekte Moment, um zu entkommen, aber die Bühne war zu hell, die Sicht zu frei – Magnus konnte nicht aus der Kiste steigen, ohne gesehen zu werden.
Nachdem Sabine die zweite Kiste verriegelt hatte, trat sie in die Mitte der Bühne und sprach zum ersten Mal während der Vorstellung: „Magnus befreit sich genau in diesem Moment. Seht ihr ihn?“
Jeder starrte auf die Kiste. Die Stille im Saal fraß alles auf. Nichts bewegte sich.
„Er ist jetzt draußen. Seht ihr, wie er über die Bühne geht? Seht ihr ihn?“
Eine Gänsehaut überzog unsere Arme. Wir blickten von links nach rechts, als würden wir einem Tennisspiel zusehen, bei dem unsichtbare Spieler einen unsichtbaren Ball schlugen.
„Jetzt legt er sich in die zweite Kiste. Habt ihr ihn gesehen?“
Aufgeregtes Gemurmel setzte ein. „Er verarscht uns“, dachten wir, aber wir sagten es nicht, weil wir uns an den Geldschein erinnerten. Niemals würde Magnus es wagen, den ganzen Saal zum Narren zu halten.
Sabine trat an die Kiste auf der linken Seite, die, in die wir Magnus hatten steigen sehen. Sie entriegelte das Schloss und blickte ins Publikum. „Was habt ihr gesehen?“ Als keiner antwortete, wiederholte sie die Frage.
„Den Fisch“, rief jemand.
„Der liegt da noch drin“, ein anderer.
Sabine schlug den Deckel zurück. Einen Wimpernschlag, bevor wir die leere Kiste sahen, wussten wir es. Münder klappten auf, manche Leute sprangen hoch, einige kreischten. Die Anspannung trieb die Temperatur nach oben, Sabines Gesicht verformte sich, zäh wie das Wachs einer niederbrennenden Kerze. Sie ging zur anderen Kiste.
„Was habt ihr gesehen?“, fragte sie erneut, und das Publikum antwortete mit Tuscheln und Flüstern, mit Erregung und Erwartung. Sabine fingerte am Schloss herum, die Hände zitterten. Dann war es offen, und sie stellte die Frage wieder, aber keiner antwortete, und wenn doch, ging es im Rauschen der Anspannung unter.
Sie öffnete die Kiste, und die Zeit blieb stehen. Das Raunen erstarb mit einem kollektiven Krächzen, die Stille kehrte zurück wie eine Flutwelle und schwemmte jeden Laut davon. Jeder erstarrte, für einen Moment atmete nicht eine Person im Saal. Wir sahen das Gesicht von Sabine, wie es zerfiel, wie es zu einer Fratze wurde. Plötzlich wirkte sie verloren – wie einst ein kleiner Junge mit einem Einmachglas in den Händen.
Auch die zweite Kiste war leer.

Wie sich herausstellte, war Sabine die einzige, die an diesem Abend zum Narren gehalten worden war.
„So war es nicht abgesprochen“, sagte sie später, als der Abend längst zu Ende war. „Da sollten Tücher über den Gestellen hängen, und ich sollte die Kisten vertauschen, während er in einer liegt. Wenn beide nebeneinander stehen, wollte er unter den Tüchern durchkriechen und die Kiste wechseln.“
Elke saß neben ihr, das Gesicht weiß wie ihr Kleid. „Und wie wollte er aus den Kisten kommen?“
„Wir haben andere Kisten bei den Proben verwendet. Kleinere. Da konnte man den Boden aufklappen. Die Holzkisten hab ich heute zum ersten Mal gesehen. Er kam erst ein paar Minuten vor der Aufführung und hat gesagt, dass wir den Trick anders zeigen. Ich hab selbst nicht gewusst, wie. Aber ich hab ihm vertraut.“
Elke nickte und strich Sabine über den Rücken. „Mach dir keine Sorgen. Er taucht wieder auf. Sorgen musst du dich erst, wenn ihn Ulrike in die Finger kriegt.“
Die Pause nach Magnus' Vorstellung dauerte fast eine Stunde. Wir untersuchten die Kisten, schauten unter und hinter die Bühne. Das Publikum wurde fahrig, kaum jemand kaufte Getränke. Manche spekulierten, wie Magnus entkommen sein konnte, andere beteiligten sich an der Suche. Und es gab solche, die nichts weiter taten, als mit blassen Gesichtern nach vorne zu starren. In der Cafeteria ging Ulrike auf Sabine los und beschuldigte sie, Magnus zu decken.
Irgendwann wurde das Programm fortgesetzt, ohne dass Magnus aufgetaucht war. Die Zuschauer wirkten abwesend. Vermutlich sagten sie sich, dass es ein Trick war, dass es nur ein Trick sein konnte – aber die Finger des Zweifels strichen durch ihr Bewusstsein und trübten es.
Am Ende des Abends gingen alle Abiturienten auf die Bühne und sangen gemeinsam ein selbst getextetes Lied zur Melodie von Hölle Hölle – und obwohl sich nie jemand um Magnus geschert hatte, spürten wir, dass er fehlte. Die Lücke, die er hinterließ, erschien größer, als er je gewesen war.
„Er taucht nicht wieder auf“, sagte Sabine.
„Sag so was nicht. Das kannst du nicht wissen.“
„Doch. Ich weiß das.“
„Woher denn?“
Sabine antwortete erst nach einer Weile. „Er wollte, dass ich das Publikum immer wieder frage, was es gesehen hat. Stell ihnen die Frage, hat er gesagt. Was habt ihr gesehen? Was habt ihr gesehen?“

Der Abend liegt fast zwanzig Jahre zurück, und es gibt heute noch Tage, da denken wir an Magnus, wie er in die Kiste stieg und nie herauskam. Man kann so etwas nicht sehen und verdrängen. Der Junge, den wir am schnellsten vergessen hätten, hat sich am tiefsten in unser Bewusstsein gebrannt, indem er nichts weiter tat, als zu verschwinden. Das ist die große Ironie unseres Lebens.
Seine Familie war nicht anwesend an jenem Abend. Selbst wenn – wer von uns hätte den Mut gehabt, zu ihr zu gehen und sich zu entschuldigen? Wer hätte gestanden, dass Magnus nicht freiwillig verschwunden ist, sondern fortgejagt wurde? Dass in Wirklichkeit wir diesen Zauber vollbracht haben, dass es unser Trick war, der über ein Jahrzehnt gedauert hatte? Und mit wir meinen wir alle, jeden einzelnen von uns.
Am Ende war uns Magnus überlegen, und dafür bezahlen wir den Preis. Wir wissen nicht, was wir mehr fürchten – die andauernde Ungewissheit oder das Ende dieses längsten Zaubertricks aller Zeiten. Denn es ist erst vorbei, wenn Magnus wieder auftaucht.
Wenn wir im Kino hinter uns ein Lachen hören, wenn uns in der Dämmerung auf leerer Straße jemand entgegenkommt, wenn das Telefon klingelt und sich niemand meldet – dann denken wir an Magnus. Immer. Wir sehen ihn in spiegelnden Schaufenstern und in Restaurants am Nachbartisch. Er setzt sich in der S-Bahn auf den Platz gegenüber und steht im Supermarkt in der Schlange vor uns. In jedem fremden Gesicht erkennen wir einen Teil von ihm. Er ist der Schwarze Mann, der große Unbekannte, der Mann, den wir ständig sehen, obwohl er nie da ist.
In ein paar Monaten haben wir Klassentreffen. Viele der ehemaligen Kameraden kommen, aber keiner wird gegenwärtiger sein als Magnus. Über keinen werden wir häufiger sprechen. Er ist der Geist, der zwischen uns schwebt, unser Geist, den wir nicht mehr loswerden.
Auch ein stiller Wanderer erreicht eines Tages sein Ziel.
Wir fragen uns, ob wir erfahren, wenn es soweit ist. Ob er uns dann endlich in Ruhe lässt.

 

So, also zuerst mal, ich habe einige Überarbeitungen vorgenommen. Zunächst einmal sind viele der erklärenden / analysierenden Zusätze herausgefallen - auch wenn ein paar "Lieblinge" dabei waren, aber was das anging, waren eure Rückmeldungen eindeutig.

Zum anderen hab ich auch den Anfang nochmal zusammengestrichen. Ich hoffe, ich habe da jetzt einen Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Anfang gefunden und einem raschen Einstieg in die erste Szene.

Dann ist auch der Teil gekürzt, wo es um die Planung und die genaue Zeit von Magnus' Auftritt geht. Aktuell schwer tue ich mich noch mit der Einführung von Sabine - da hab ich noch kein klares Bild, wo, wie, wieviel? Mal schauen, was ich an der Ecke noch mache.

Jetzt aber weiter zu euren Rückmeldungen.


Hallo Fliege

Dieses kollektive Schuldgefühl als Thema hat mich an Köhlmeiers*Musterschüler*erinnert, weiß nicht ob Du das kennst, aber da wird das auch ganz stark herausgearbeitet.

Nein, das kenne ich nicht. Bin aber froh, dass du auch eine Befürwörterin der Perspektive bist.

Was deine Anmerkungen zum ersten Absatz angehen, generell zum erklärenden Ansatz - ich hab das eingesehen. Dachte, das kommt anders an, aber ich habe jetzt einen Grossteil davon gestrichen und hoffe, bei den wenigen Stellen, die noch drin sind, kommt es nicht so penetrant rüber.

Also ich hab alle deine Anmerkungen übernommen - bis auf das bröckelnde Gesicht. Mir gefällt das Bild, es drückt das aus, was ich an der Stelle sagen will.

Und was den Namen der Lehrerin angeht, finde ich deinen Vergleich mit dem Stück Holz sehr passend :D Den hatte ich beim Schreiben zwar nicht vor Augen, aber im Nachhinein ist diese Assoziation naheliegend.

Also Fliege - ich freue mich über das Lob, ganz klar. Und bin auch froh über die kritischen Hinweise zu dem ganzen Analysekram. Mir gefallen die Stellen zwar immer noch, aber ich sehe auch, dass zu vieles vorgekaut wird. Danke für diese Hinweise - und überhaupt für deine Rückmeldung :)

***

Hallo Anakreon

Abrakadabra, erst zweifelte ich, meinte meine Wahrnehmung täusche mich, dies könne nicht der Titel einer Geschichte von dir sein. Doch, auch ein erneutes Anklicken des Titels änderte nichts, dein Nick stand da.*

Ich fand den Titel dieses Mal gar nicht so schlecht, auch wenn ich mich da immer schwer tue. Es war die Überschrift, die ich ganz am Anfang über das Dokument gesetzt habe, ich dachte, hm, mal schauen, vielleicht fällt dir irgendwann was besseres ein … war aber nicht so. Daher hat der Titel bis zur veröffentlichten Fassung überlebt.

Zu Beginn kam mir das Gefühl auf, es würde thematisch ausgezeichnet in die Jugend-Rubrik passen.

Ja, bei der Rubrik hab ich auch hin- und herüberlegt. Für Spannung wars zu wenig Krimi, alltäglich genug auch nicht, das Thema Mobbing nicht zentral genug, dass es für Gesellschaft reicht, und aus deinen genannten Gründen passt er auch nicht in Jugend – daher ist der Text in Sonstige gelandet, und ich finde, da passt er auch gut hin.

Den Spannungsbogen fand ich durchgehend gegeben, obwohl mir zwischendurch der Wunsch aufkam, es möge etwas ungewöhnliches Geschehen, das sich hinziehende Mobbingverhalten in einer Explosion entladen.

Ich finde, durch den Wunsch und die gesetzten Erwartungen erreicht der Text schon viel, denn diese Art der Spannung ist es ja letzten Endes, die einen über den Text fliegen lässt - die eigentliche Unterhaltung. Wenn es dann am Ende keine grosse Explosion gibt – ja, dann ist man vielleicht ein wenig enttäuscht, aber oft ist ja die Vorfreude grösser als die tatsächliche Freude, wenn ein Ereignis dann eintritt. Ich hab das ein Stück weit schon absichtlich gemacht, so sollen gerade die Erwähnungen der Pumpgun und der Guillotine die Erwartungen beim Leser schüren.

Rückblickend fand ich dann jedoch, dass es diesen Aufbau und diese Ausdehnung brauchte, um diesen Ausgang effektiv spürbar werden zu lassen.

Damit bestätigst du auch meinen Eindruck. Inzwischen habe ich die Stelle zwar etwas gekürzt, aber nur um Nuancen.

Es war mir eine interessante und gut durchdachte Umsetzung des Themas, das mit seinem Höhepunkt auf originelle Art die Psychologie als rächende Waffe zu nutzen wusste.

Vielen Dank Anakreon, für deine Einschätzung und deine Ausführungen zum Text.


***

Hallo Helu

Vielen Dank für deine Rückmeldung und das Lob :). Wenn jemand sagt, meine Geschichten fesseln ihn, freut mich das immer besonders.

***

Hallo fiz

mich hat die Geschichte auch gepackt. Und sie hat mir auch weh getan. Ich kann sowas nicht ertragen, Kinder, die Einladungen austeilen, und dann kommt keiner. Das bricht mir mein schwarzes Herz! Und verschwundener Goldfisch ist auch schlimm

Ja, Kinder können so verdammt gemein sein.

Wenn man dann aber doch mal auf die Sprache guckt, sieht man, dass die echt schön ist, nur eben ganz unaufdringlich. Ich bewundere das sehr, weil ich das selbst so gar nicht kann, so ganz klassisch einfach mal erzählen und Spannung aufbauen und so.

Wow, das ist ein echt schönes Kompliment. Da freu ich mich richtig drüber :)

Das einzige, was mich jetzt noch davor zurückhält, in Begeisterungsstürme auszubrechen ist, dass ich mir über die Geschichte nicht so viele Gedanken machen kann, weil sie sich halt die meisten Gedanken selbst schon macht. das tut ihr während des Lesens keinen Abbruch, aber nach dem Lesen, zumal nach dem letzten Absatz, bleibt dann halt echt nichts mehr für mich zu tun. Aber gut, vielleicht sollte ich es auch einfach mal genießen, wenn mir jemand das Denken abnimmt.

Inzwischen ist einiges davon gestrichen. Das geht stark in die Richtung, was auch Fliege, randundband und andere anmerkten. Es wird zu viel vorgekaut. Da sind die Rückmeldungen sehr eindeutig.

Den einzigen konstruktiven Vorschlag, den ich hier anbringen könnte ist, die Figur von Sabine ein bisschen auszubauen.

War auch einer der Punkte, die ich vor dem ersten Posten eigentlich noch machen wollte. Aber wie gesagt, da hänge ich momentan noch. Zu viel kann ich über sie aber nicht erzählen, weil ja Magnus im Mittelpunkt stehen soll. Aber ich schau, dass ich sie anders eingeführt bekomme oder früher erwähne, dass man da als Leser nicht mehr so drüber stolpert, wenn sie dann auf einmal mit Magnus auf der Bühne steht.

Vielen Dank fiz über deine Rückmeldung – und vor allem über das Lob, was die Sprache angeht :)

So, das wars erstmal. maria, Unbeliever, ihr seid dann morgen dran :)

Grüsse,
Schwups

 

Hi Schwups,
ich hab die Geschichte gestern Abend gelesen, kann sein, dass ich jetzt Überarbeitungen verpasst habe. Also:
- mir hat die "Wir"-Perspektive keinen Spaß gemacht. Ich seh ganz genau, warum du die gewählt hast und so, aber es bleibt ein Kunstgriff, der sehr deutlich als solcher zu erkennen ist. Und diese Art von Kunstgriff find ich nie gut. Wo man dann immer sieht, hier war der Autor am Werk und hat die Schnörkel geschnitzt. An einigen Stellen liest sich der Text einfach künstlich für mich.
- die Reaktion der Lehrerin fand ich ganz eigenartig, wie kommt die auf die Idee, Magnus hätte seinen eigenen Fisch im Klo runtergespült?

Ansonsten: SEHR spannend und gern gelesen, nur den Schluss fand ich lahm. Ich hatte mir mehr davon versprochen, eine Rache von Magnus, die nicht so selbstzerstörerisch daherkommt. Und ein greifbareres Grauen für die Mitschüler darstellt.

Trotzdem acht von zehn Goldfischen ;)

 

Hallo Schwups,

ich bin beeindruckt. Eine verdammt, verdammt gute Geschichte, ich bin echt geplättet. Von vorne bis hinten durchgängig und ohne Hänger rockt die. Der Erzählton ist absolut perfekt, der hat ein wenig was von King, finde ich, also was ich so von ihm kenne. Unaufgeregt, aber da hinter lauert es ...

Ich kann da gar nicht viel Konstruktives sagen, weil ich wirklich sehr begeistert bin. Da könnte man jetzt so ewig viel reininterpretieren und debattieren, aber ich denke, ich will das jetzt nicht, ich lasse die noch auf mich wirken, ganz ehrlich.

Hat mir sehr gut gefallen,

Gruss Jimmy

 

Hallo maria

Mit so einer grauenhaften Erzählstimme mich dermaßen zu fesseln, dafür kriegst du Bonuspunkte bis zum Abwinken.

Ja, erstaunlich wenn dir die Stimme so gegen den Strich ging, dass du trotzdem durch die Geschichte gekommen bist, aber das:


Also, ich kenn mich damit aus und ich weiß, wie gemein verf*ckte Scheißkinder sein können, von daher habe ich eine gewisse Nähe zu Magnus gefühlt, was wohl auch dafür gesorgt hat, dass die Geschichte doppeltgut auf mich gewirkt hat.

könnte eine Erklärung dafür sein.

Bei manchen Erzählungen funktioniert das vielleicht, aber ich habe schon so viele Geschichten gelesen und noch mehr Filme gesehen, in der man einen Menschen immer tiefer herabzieht, dass das für mich nicht mehr funktioniert. Es hätte anders verlaufen sollen, oder zumindest bis zum finalen Zaubertrick nicht so viel Text geben. Keine Ahnung, ich weiß es wirklich nicht, doch andererseits ist das meine Meinung und ich bin mir sicher, ich stehe wieder einmal damit alleine da.

Ehrlich gesagt hab ich mir da gar nicht so die Gedanken gemacht – für mich war von Anfang an klar, Magnus muss der Aussenseiter sein. Es ging dann mehr darum, wie sie ihn fertig machen, nicht mehr um das ob ;).

Aber was das Mobbing angeht – Magnus kommt noch einigermassen glimpflich davon, finde ich. Heutzutage stelle ich mir das viel schlimmer vor, wenn alles gleich auf Facebook und YouTube landet. Früher liefen solche Sachen meist im kleineren Kreis ab – klar gabs immer schon Proleten und Mitläufer, aber heutzutage entwickelt sowas nochmal ne ganz andere Dynamik, wenn gleich die halbe Schule mitmacht und so Zeugs über Jahre hinweg im Internet zu finden ist. Vielleicht kennst du den Film Homevideo, der thematisiert das – den hab ich letztes Jahr im Fernsehen gesehen, und der hat mich echt fertig gemacht, da gings mir irgendwann wie dir bei der Geschichte hier – ich hab gedacht, meine Güte, jetzt lasst den armen Jungen doch in Ruhe.

Obgleich ich mir vielleicht teilweise gewünscht habe, dass er aus der zweite Kisten aussteigt, bewaffnet mit unzähligen Knarren mit einem roten Schweißband an der Stirn und langen welligen Haaren und mit fetten Muckis (like a Rambo) und endlich diese Scheißkinder wegballert.

Wäre ein alternatives Ende für die DVD dann … :D
Mir ist der allerletzte Absatz zwar etwas lang vorgekommen und irgendwie kam es mir wie in einem schlechten Film vor, aber es wirkt, es funktioniert also BÄÄÄÄM!*

Er ist inzwischen – leicht – gekürzt. Aber noch mehr will ich ihn nicht beschneiden, und wenn er funktioniert – umso besser.

Also insgesamt hat mir die Geschichte gefallen und dafür bin ich dir sehr dankbar.

Bin ich dir auch für deinen Kommentar.

***

Hallo Unbeliever

Dein Kommentar macht mich fast ein bisschen verlegen, auch wenns mich natürlich freut, wenn die Geschichte so gut bei dir wirkt.

Zum Lehrer: ich hab viel von seiner ursprünglichen Strenge weggenommen. Ich denke, der Trick funktioniert besser, wenn er vor versammelter Klasse durchgeführt wird – in der Pause würde da vermutlich nur ne kleine Gruppe um ihn herum stehen, dann wärs nicht still, jeder würde durch die Gegend rennen und so. Ausserdem kommt es so einem wirklichen Auftritt näher, der Rest ist ja mehr ne Art Hobby-Spielerei (und die Tricks deshalb auch weniger spektakulär).

Mir hat an dem Thema gefallen, dass alles auf den Höhepunkt am Ende hinausläuft und es dort den grossen „Knall“ gibt, solche Geschichten mag ich selbst auch. Und dann ist es natürlich doppelt gut, wenn man von vielen Seiten bestätigt bekommt, dass der Spannungsbogen funktioniert. Vielleicht deshalb auch die Ähnlichkeit zu King – viele seiner Geschichten sind ja ähnlich aufgebaut.

Prestige kenne ich – schon allein, weil ich sowohl Nolan als auch Bale genial finde. Stimmt, Lindqvist kam mir gar nicht in den Sinn - „So finster die Nacht“, da spielt der Aussenseiter auch eine wichtige Rolle. „Menschenhafen“ hab ich allerdings nicht gelesen.

Also, vielen Dank Unbeliever für das Lob – freut mich wirklich sehr.

***

Hallo Möchtegern

Ja – die Perspektive. Die Meinungen gingen da von Beginn an auseinander. Ich hab mich inzwischen entschlossen, die so zu lassen, aber in zukünftigen Geschichten werde ich erstmal wieder die Finger davon lassen. Hier aber passt sie rein.

die Reaktion der Lehrerin fand ich ganz eigenartig, wie kommt die auf die Idee, Magnus hätte seinen eigenen Fisch im Klo runtergespült?

Weil es die naheliegende Antwort ist: der Fisch ist weg, und – angeblich – hatte Magnus ihn ständig bei sich. Ausserdem ist Magnus sowieso ein komisches Kind, wer weiss schon, was dem alles in den Sinn kommt … ;)

Ansonsten: SEHR spannend und gern gelesen, nur den Schluss fand ich lahm. Ich hatte mir mehr davon versprochen, eine Rache von Magnus, die nicht so selbstzerstörerisch daherkommt. Und ein greifbareres Grauen für die Mitschüler darstellt.

Ja, ach Mensch, erst hatte ich die Idee mit der Guillotine, und er würde leibhaftig jemanden vor 200 Menschen köpfen. Das hätte vermutlich auch maria besser gefallen :). Aber dann wärs wieder ne Horror-Geschichte, und so offensichtlich und plakativ. Das leise Verschwinden passt besser zu Magnus, seine Rache ist subtiler. Und selbstzerstörerisch – eine Brutalo-Aktion wäre viel selbstzerstörerischer gewesen. So ist er verschwunden, aber vielleicht macht er sich ja irgendwo ein schönes Leben, besser als die Schulzeit wäre es allemal.

Trotzdem acht von zehn Goldfischen

Die nehm ich mit :).

***

Hey jimmy

Jetzt seh ich grad noch deinen Kommentar – wow, auch dir vielen Dank fürs Lob. Bin echt platt :).

Grüße,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Schwups,

ich versuche mal, möglichst wenig von dem, was schon gesagt wurde, wiederzukäuen.
Mir gefällt „Abrakadabra“ ausgesprochen gut. Das Schöne an deinen Geschichten – neben der beeindruckenden Professionalität -, ist in meinen Augen ihre Tiefe, die man entdeckt, wenn man genauer hinschaut. Also wenn man nach dem Lesen anfängt, das zu rekapitulieren und drüber nachzudenken, merkt man immer, wie gut und stimmig das alles zueinander inszeniert ist, man spürt die Mühe, die du dir beim Entwickeln gegeben hast. Geht zumindest mir so. Dafür echt special Respekt! Es hat echt Spaß gemacht, da im Nachhinein drüber nachzudenken und sich das eine oder andere davon oder dazu auszumalen.

Ich finde das Thema Mobbing sowieso sehr interessant, von daher hattest du mich da gleich am Haken, und wer mag keine Zaubereien? Hab da ein bisschen an Lindqvists Menschenhafen denken müssen. Und an Prestige. Und Carrie.
Was ich sehr schön fand, war, wie du den Leser bzgl. des Themas etwas aufs Glatteis geführt hast: Natürlich tut einem dieser Junge leid, und man ahnt, ok, am Ende dreht er durch und sie kriegen alle ihr Fett weg, eben à la Carrie oder, um ein reales Bsp. zu nennen, Columbine. Man erwartet eine simple gewalttätige Reaktion, eine Explosion. Du hast aber einen intellektuelleren Ansatz gewählt, den „Bösen“ wird ihre Schuld bewusst gemacht und dann werden sie damit allein gelassen.
Fand ich ausgesprochen gelungen, ich mag’s ja generell eher psychologisch.

Die Perspektive fand ich erst ein wenig seltsam, im Verlauf habe ich mich aber dran gewöhnt. Trotzdem dachte ich, dass das „wir“ am Ende stärker wäre, dass diesbzgl. noch was käme. So finde ich es etwas ungewöhnlich, aber durchaus in Ordnung.

Ich habe einen kleinen Kritikpunkt und der betrifft das Ende. Ich finde, die Dimension Magnus‘ Tat wird da nicht ganz aufgespannt. Also beim letzten Abschnitt dachte ich: gut, der ist weg, klar ist das krass und so, aber dass die da jetzt über Jahre die derben Schuldgefühle haben und so … Also der ganze Schrecken erschloss sich mir erst, als ich ein bisschen drüber nachgedacht habe. M.E. könntest du da noch was rausholen, dann wäre das Ende mehr mind-blowing. Z.B. indem du beschreibst, wie die Eltern reagiert haben, was sie vielleicht unternommen haben, wie sich vielleicht die Lehrer verhalten haben oder so. In diese Richtung, weißt du? Im Moment kommt’s ein bisschen so rüber, als würde das nur die Erzähler betreffen, als wäre das nur was zwischen ihnen und ihm, weißt du?

Ganz bisschen Textkram:

Magns war ein Geist, weil er grau durchs Leben schlich.
Magnus

wenn wir sein Mäppchen vom Tisch fegten
Das gefiel mir nicht so, weil es so ein bisschen auf die Tränendrüse drückt: das arme kleine Mäppchen dieses armen kleinen Jungen. Weißt du? Mappe fänd ich besser. Vielleicht ist Mäppchen aber auch ne regionale Sache, weiß nicht.

Unsere Augen folgten dem Finger und landeten bei Magnus.
Blicke (o.Ä.), sonst ist das ein skurriles Bild ;)

Wir dachten, der Auftritt sei vorbei, bis wir merkten, dass Magnus nicht auf seinen Platz zurückging. „Ich kann euch einen echten Zauber zeigen“, sagte er. „Wollt ihr ihn sehen? Es dauert nicht lang.“
Hier fände ich schön, wenn du kurz Überwindung schildern würdest - m.E. beißt sich das auch nicht mit der folgenden Professionalität (auch später).

und wir riefen: „Fisch, wir sehen die Schnur“, obwohl keiner von uns etwas sah.
„Ach ja?“ Magnus richtete den Blick direkt auf uns. „Was seht ihr denn?“
Finde ich etwas unglücklich, die Frage, denn sie haben doch gesagt, was sie sehen. Klar ist da ein Bogen zum Ende beim Abiball, aber so bin ich drüber gestolpert.

Das Interesse schwand, wie immer, wenn das Besondere gewöhnlich wird.
Sehr gut!

die in einem Debakel enden musste: er lud die komplette Stufe zu seinem Geburtstag ein.
Er (ist ja ganzer Satz)

am Ende ergab sich ein vollständiges Bild: die Mutter von Magnus verließ selten die Wohnung, war aber schon beobachtet worden, wie sie im Morgenmantel den Müll rausbrachte.
Die (s.o.)

Es gibt wenige Dinge, die faszinierender sind als der tiefe Fall eines anderen Menschen.
Sehr gut!

Kein Mensch braucht eine dreiviertel Stunde, um ein Bier zu kaufen und aufs Klo zu gehen.“
Dreiviertelstunde

Vielen Dank für die Story!
Beste Grüße,
Maeuser

 

Hallo Maeuser

Also wenn man nach dem Lesen anfängt, das zu rekapitulieren und drüber nachzudenken, merkt man immer, wie gut und stimmig das alles zueinander inszeniert ist, man spürt die Mühe, die du dir beim Entwickeln gegeben hast

Das freut mich sehr, weil ich immer lange an meinen Geschichten sitze. Ich will da die Stunden schon gar nicht mehr zählen, und nicht immer macht es Spass, manchmal ist es fast wie richtige Arbeit ;). Aber wenn beim Leser etwas davon ankommt, hat es sich auf jeden Fall gelohnt!

Ich finde das Thema Mobbing sowieso sehr interessant, von daher hattest du mich da gleich am Haken, und wer mag keine Zaubereien? Hab da ein bisschen an Lindqvists Menschenhafen denken müssen. Und an Prestige. Und Carrie.

Ja, die wurden immer wieder genannt. An Carrie hab ich gar nicht so denken müssen, obwohl es natürlich nahe liegt, aber das hatte ich nicht mehr so auf dem Radar. Prestige schon eher - und Menschenhafen sollte ich vielleicht wirklich mal lesen, hatte das schon ein paar Mal in der Hand, hat mich aber anhand der Beschreibung nicht so überzeugen können.

und man ahnt, ok, am Ende dreht er durch und sie kriegen alle ihr Fett weg, eben à la Carrie oder, um ein reales Bsp. zu nennen, Columbine.

Ich hatte zunächst sogar einen direkten Bezug zu Columbine drin. Die Geschichte selbst spielt so etwa zu "meiner" Zeit, dieses Attentat war wenige Wochen vor unserem eigenen Abiball. Ich erinnere mich da sehr gut dran. Ich hab das dann aber trotzdem wieder raus genommen, weil ich dachte, die Assoziationen drängen sich auch so auf, und na ja, der Satz mit der Pumpgun ist ja auch noch drin.

Ich habe einen kleinen Kritikpunkt und der betrifft das Ende.

Ich sehe den Kritikpunkt. Ich hab mich auch lange gefragt, ob man das so glauben kann, aber ich denke schon. Zum einen ist es grundsätzlich mal schlimm, wenn jemand aus heiterem Himmel einfach verschwindet, vor allem, wenn man den viele Jahre lang jeden Tag gesehen hat. Und die Jungs sind nicht so abgebrüht, da einfach zu sagen, na und, war ja eh nur der Klassentrottel. Sie sind zwar gemein, aber so böse sind sie dann doch nicht.

Zum anderen sind es auch die Umstände, wie Magnus verschwindet. Ein Trick, den sie sich nicht erklären können. Dann kommt die Ungewissheit dazu - ist er tot, hat er sich abgesetzt, lauert er irgendwo? Und man redet immer wieder drüber, und irgendwann wird das so ne Art Mythos. Ich hatte zunächst ein Ende geschrieben, in dem Sabine (oder auch die anderen) anonyme Nachrichten bekommen, die sie Magnus zuordnen. Dann wäre er vielleicht "präsenter" gewesen, aber das kam mir dann doof vor. Wie ich mal geschrieben habe, ich wollte da einfach viel im Dunkeln lassen - weil die Jungs das auch nicht wissen. Es ist gerade diese Ungewissheit, die einen immer wieder daran denken lässt.

Was Lehrer und Eltern angeht - ich denke, die würden da schon wieder ganz anders reagieren. Den Eltern wäre es glaub schlichtweg egal. Die kannten Magnus ja nicht. Und auch bei den Lehrern fehlt irgendwie der persönliche Bezug zu Magnus - sie haben ihn vielleicht drei oder vier Jahre gekannt, aber nicht so lang wie der Erzähler. Und selbst wenn dieser Bezug da wäre - es wäre schwer, den aus der gewählten Perspektive zu schildern.

Also wie gesagt, ich verstehe den Kritikpunkt, ich hab da auch während des Schreibens schon überlegt, aber keine zufriedenstellende Lösung gefunden. Ich möchte auch nicht, dass sich der Text nach dem Verschwinden noch zieht - das soll der Höhepunkt sein, danach soll nur noch so wenig wie nötig kommen. Manche haben ja auch geschrieben, dass sie den letzten Absatz jetzt schon zu lang finden.

Textkram ist übernommen ("Magns" bei der ersten Erwähnung des Namens - urgs!). Das Mäppchen ist dann wohl wirklich regional, bei uns hätte niemand von der "Mappe" geredet, das hätte altmodisch geklungen (auch damals schon, vermute ich).

Finde ich etwas unglücklich, die Frage, denn sie haben doch gesagt, was sie sehen. Klar ist da ein Bogen zum Ende beim Abiball, aber so bin ich drüber gestolpert.

Das "was" ist in der Frage betont. Ich werde das noch hervorheben.

Vielen Dank Maeuser für dein Lob und die Überlegungen, die du dir zum Text gemacht hast. Hat mich - wie jedes Mal - sehr gefreut :)

Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups,

das ist eine schöne Geschichte, eine poetische Geschichte. Wie Vernichtungsphantasien gehören Beschämungsphantasien auch dem Rachegenre an und bieten jede Menge Raum für Identifikation, weil jeder von uns entsprechende Situationen erlebt hat – einige aus der Perspektive des Opfers, die meisten aus der Sicht der Täter. In diesem Sinne hat mich auch die Wir-Erzählerstimme beschäftigt, die man durchaus als "Wir alle"-Stimme deuten kann. Es ist für den Leser sicher eine lohnenswerte Reflexion, sich in Erinnerung zu rufen, unter welchen Umständen man selbst am Fertigmachen eines Außenseiters beteiligt war, entweder aktiv oder durch Nicht-Einschreiten. Das soll ja gelegentlich auch in Foren vorkommen.

Das Schöne an dieser Geschichte ist in meinen Augen, dass sie etwas veranschaulicht, was im Alltag leicht übersehen werden kann, weil die Effekte im Verborgenen ablaufen – ein Mangel an Mitgefühl hat langfristig gesehen destruktive Konsequenzen, sowohl für die anderen, als auch für einen selbst.

Natürlich findet die Beschämung hier aufgrund eines übernatürlichen Ereignisses statt, eines Ereignisses, das im Alltag undenkbar scheint. Dennoch ist die Beschämung etwas, das viele Menschen erleiden, denn wie schnell man auch wegläuft, der Erinnerung kann man auf Dauer nicht entkommen. Deshalb liegt die Tragik hier auf beiden Seiten.

Mir gefällt Deine sachliche und präzise Sprache. Da es sich ja nicht um einen auktorialen Erzähler handelt, sondern um ehemalige Schüler ist es angemessen, dass die Erzählstimme manchmal umgangssprachliche Wendungen benutzt. Ich kam jedenfalls flüssig durch den Text.

Die Struktur der Geschichte scheint mir gut durchdacht, es läuft alles auf das große Finale hinaus, und das ist dann sowohl von der Chronologie der Ereignisse als auch von der Bedeutung des Ganzen her der wirklich große Knall. Gefällt mir sehr gut.

Vielen Dank für diese schöne Geschichte.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus

In diesem Sinne hat mich auch die Wir-Erzählerstimme beschäftigt, die man durchaus als "Wir alle"-Stimme deuten kann.

Genau - der einzelne, der in der Gruppe untertaucht. Das sind ja häufige Konstellationen, gerade unter Kindern / Jugendlichen. Man stachelt sich gegenseitig an, und am Ende ist gar nicht so klar, wer jetzt eigentlich "Verursacher" ist. Die (Haupt-)Verantwortung liegt sicher bei der Gruppe (wenn auch nicht immer gleich verteilt unter den Mitgliedern), aber es stimmt schon, was du schreibst, auch durch das Nicht-Einschreiten kann man sich schuldig machen. Das wird in der Geschichte weniger thematisiert, da die Wir-Sicht konsequent die Gruppe der Jugendlichen beschreibt, die Magnus gemobbt hat.

ein Mangel an Mitgefühl hat langfristig gesehen destruktive Konsequenzen, sowohl für die anderen, als auch für einen selbst.

Ja, das kann man so lesen, obwohl es mir gar nicht darum ging, hier den Zeigefinger zu heben und zu sagen: benehmt euch anständig, sonst leidet ihr später drunter. Ich denke auch nicht, dass die beschriebene Gruppe besonders gemein ist. Was sie tun, zeugt zwar von einem schwachen Charakter, wenn sie sich zu Lasten eines Schwächeren profilieren müssen - aber richtig bösartig sind sie nicht. Ich denke, dass sie in einem anderen Kontext auch durchaus das richtige Mass an Mitgefühl aufbringen, die beschriebenen Situationen entwickeln auch immer eine eigene Dynamik - wie ich es geschrieben habe, man stachelt sich gegenseitig an und hängt mit drin, obwohl man vielleicht gar nicht so weit gehen wollte.

Nichtsdestotrotz kann man natürlich auch Jahre später an solche Momente denken, und dann tun sie einem leid, und man fragt sich, warum man sich damals so verhalten hat. Aber wäre die abschliessende Vorstellung von Magnus nicht gewesen, hätte keiner aus der Gruppe so gedacht, und ich würde auch keinem einen Vorwurf deshalb machen.

Vielleicht wirkt die Gruppe etwas gemeiner, als ich beabsichtigt hatte, weil die erzählte Zeit doch relativ lang ist und ich nur solche Szenen zeige, in denen auf Magnus herumgehackt wird. Die Schlüsselszenen quasi, aus seiner Sicht. Es wird an einer Stelle erwähnt, dass er die letzten Jahre ignoriert wurde, das ist zwar auch eine Form des Mobbings, aber da kann man der Gruppe keinen Vorwurf machen, finde ich.

Dennoch ist die Beschämung etwas, das viele Menschen erleiden, denn wie schnell man auch wegläuft, der Erinnerung kann man auf Dauer nicht entkommen. Deshalb liegt die Tragik hier auf beiden Seiten.

Das ist gut beobachtet, genau darum geht es am Ende, wenn geschrieben wird, dass sie immer wieder an Magnus denken müssen. Aber das ist eben ein Prozess, der durch das Verschwinden von Magnus angestossen wurde, nicht durch die Protagonisten selbst.

Die Struktur der Geschichte scheint mir gut durchdacht, es läuft alles auf das große Finale hinaus, und das ist dann sowohl von der Chronologie der Ereignisse als auch von der Bedeutung des Ganzen her der wirklich große Knall. Gefällt mir sehr gut.

Das freut mich. Ich mag Geschichten, die sich am Ende zuspitzen, und schreibe so etwas auch gern, auch wenn ich weiss, dass es dann manchmal konstruiert wirkt, weil ich wirklich ein Freund von zusammenlaufenden Fäden und "runden" Enden bin. Schön, wenn das hier geklappt hat.

Vielen Dank für diese schöne Geschichte.

Und dir herzlichen Dank fürs Lesen und dein Feedback.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups!

Ich habe die Geschichte schon vor einigen Tagen gelesen, bin aber leider noch nicht dazu gekommen, sie zu kommentieren.
Hier wurde ja schon ganz, ganz viel gesagt, deshalb nur ein paar Worte meinerseits.

Ich halte mich für einen sehr sensiblen Menschen. Und ich habe einen hohen Gerechtigkeitssinn. Wenn jemandem Unrecht geschieht, so nimmt mich das zuweilen mit. Als ich gleich folgende Zitate las, standen mir die Tränen in den Augen, weil ich derart mitfühlte und weil ich das ungerecht finde, Menschen so zu behandeln. Auf den Gefühlen anderer herumzutrampeln, bis deren Seele daran zerbricht.

Vor einer Gruppe konnte er nicht sprechen. Seine Nervosität rochen wir bis in die hintersten Plätze, sahen das Zucken der Oberschenkel und die zittrigen Hände. Wir liebten diesen Augenblick, weil Magnus ihn hasste

Es war herrlich. Wir gaben uns keine Mühe, leise zu sein, und weil unser Lachen die Unsicherheit von Magnus steigerte, lachten wir lauter. Er wirkte verloren, als wolle er im Boden verschwinden.
Während Magnus die Ballade entlanghaspelte, machten wir Furzgeräusche. Es war üblich, dem Schüler am Ende zu applaudieren. Als Magnus durch war, klatschten nur ein paar Mädchen. Die anderen machten „blubb, blubb“, und der Haag tat nichts weiter, als den Kopf zu schütteln.

Das tut wirklich im Herzen weh. Also, ich konnte mich auf jeden Fall in Deinen Magnus hineinfühlen, auch wenn ich – Gott sei Dank! – persönlich von solch einer Situation verschont blieb und diese Erfahrung nicht selbst gemacht habe. Als Beobachter/ Außenstehender kenne ich jedoch ähnliche Momente. Das hast Du sehr schön geschildert.

Die Sache mit dem Fisch fand ich jetzt ein wenig merkwürdig, aber es nimmt der Geschichte nichts von ihrer Tiefe. Wobei ich mich gefragt habe, ob Du mit dieser Szene nur verdeutlichen wolltest, dass er nicht mal von den Lehrkräften Rückhalt bekam!? DAS wird ja in diesem Fall übermäßig deutlich, indem die Lehrerin ihm den Vorwurf des Hinunterspülens des eigenen Fisches macht.

Wir wissen nicht, was wir mehr fürchten – die andauernde Ungewissheit oder das Ende dieses längsten Zaubertricks aller Zeiten. Denn es ist erst vorbei, wenn Magnus wieder auftaucht.

Es ist vorbei, klingt komisch für mich. Hier würde ich persönlich den Konjunktiv bevorzugen. Aber der Experte auf diesem Gebiet ist ja der Friedel. ;)

So, Schwups, das waren jetzt ein paar Worte auch von mir. Eine schöne, berührende Geschichte über die „Geister unserer Gesellschaft“. Habe ich gern gelesen!

Lieber Gruß,
Meraviglia

 

Hallo Meraviglia

Als ich gleich folgende Zitate las, standen mir die Tränen in den Augen, weil ich derart mitfühlte und weil ich das ungerecht finde, Menschen so zu behandeln.

Das freut mich natürlich, wenn dich die Szene so berührt hat.

Das tut wirklich im Herzen weh. Also, ich konnte mich auf jeden Fall in Deinen Magnus hineinfühlen, auch wenn ich – Gott sei Dank! – persönlich von solch einer Situation verschont blieb und diese Erfahrung nicht selbst gemacht habe.

Es sind glaub auch Situationen, in die man sich leicht hineinversetzen kann, auch wenn man es nie selbst erlebt hat.

Wobei ich mich gefragt habe, ob Du mit dieser Szene nur verdeutlichen wolltest, dass er nicht mal von den Lehrkräften Rückhalt bekam!?

Ja, das ist ein wichtiger Punkt, der in der Szene verdeutlicht werden sollte, dass Magnus wirklich allein dasteht, das hast du richtig erkannt.

Die ganze Geschichte entstand eigentlich aus zwei unabhängigen Ideen. Eine Idee war die Szene mit den Haustieren und dem Verschwinden des Fisches. Die zweite Idee war eine Zaubervorstellung, in der ein (oft belächelter) Aussenseiter über sich hinauswächst und eine Vorstellung hinlegt, die seine Klassenkameraden und die Lehrer (ursprünglich sollte sie nur in einem Schullandheim spielen) aus den Socken haut (ohne dass ich konkret eine Idee hatte, was genau bei dieser Vorstellung passieren sollte). Ich hab beide Ideen sehr lange mit mir rumgetragen, bis ich erkannt hab, dass man beide zu einer Geschichte verknüpfen kann.

Die Szene mit dem Fisch ist in der jetzigen Form auch als ein Vorgriff auf die Zaubervorstellung viele Jahre später zu verstehen. Sie soll Magnus hier schon eine (leicht) geheimnisvolle Aura geben, da ja nicht geklärt wird, wie der Fisch letzten Endes verschwunden ist.

Es ist vorbei, klingt komisch für mich. Hier würde ich persönlich den Konjunktiv bevorzugen.

Ehrlich gesagt bin ich kein grosser Freund des Konjunktivs und versuche, ihn mit Bedacht einzusetzen. Selbst wenn er streng grammatikalisch die einzige korrekte Möglichkeit darstellt, nehm ich ihn nicht immer, weil er teilweise seltsam und ungewohnt (im Sinne von angestaubt) klingt.
Ich denke, im zitierten Fall kann man auf ihn verzichten, ohne die Grammatik zu verletzen.

Eine schöne, berührende Geschichte über die „Geister unserer Gesellschaft“. Habe ich gern gelesen!

Vielen Dank fürs Lesen, Meraviglia, und die netten Worte. Hat mich sehr gefreut.

Grüsse,
Schwups

 
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Hallo Schwups,


mir hat die Geschichte ziemlich gefallen. Ich weiß nicht warum, das liegt bestimmt an mir, aber der erste Absatz, als den vor Wochen gelesen, da bin ich nicht weiter, aber ab da, wo die Kinder ihre Tier alle mitbringen, und der eine heißt Thomas und nennt seine Schildkröte Thomas und wird rot, und überall wird miaut und gepiept, da war ich voll drin. Die Atmosphäre hat du stellenweise wirklich toll eingefangen. Überhaupt der Erzählton und die Stimme .. das "wir" kam mir voll natürlich vor, das fiel mir lange Zeit gar nicht auf ... ich mag auch so Geschichten, wo man dann auf einen Menschen blickt, der irgendwie "besonders" ist, aber geheimnisvoll, weil man nicht so recht an den rankommt, ich find das immer spannend und will weiterlesen, und wenn sich das dann auch in der Geschichte ausdrückt und so … die magischen Tricks, und der Fisch - das ist alles schön auch. Also die Geschichte hätte ich bestimmt auch empfohlen, (Gibt es keine Empfehlungen mehr?) Sprachlich ist das ein angenehmer und spannender Stil, mit dem ich viel anfangen kann, sehr brauchbar alles, also ich bin mag die Story, die entwickelt auch irgendwann einen Sog. Das Ende ist irgendwie antiklimatisch, was ja der eigentlich Gag ist ... ich fands gut, wo du zum Schluss gesagt hast, jetzt ist wieder Klassentreffen .. und dann denken wir alle dran ... das pinnt den Erzähler irgendwie fest, also warum er das erzählt auch und so ... Der Satz: Die große Ironie unseres Lebens … weiß nicht, ob der sein muss. Nur so als Überlegung. Vielleicht ist das auch so klar. Ist auch die Frage, ob das zu antiklimatisch ist zum Schluß ... es baut so sich ja voll auf, aber das ist ja gerade der Gag, das kann man zur Abwechslung sicher so machen oder auch gerade deswegen so machen .. also entweder muss man das Ende loben oder man muss es kriitsieren, hab ich das Gefühl. Also ich kann hier gar nichts so viel kritisieren, ohne das Gefühl zu haben, ich wäre kleinlich. Was ich mich noch gefragt hab: Hat der wirklich seinen Fisch das Klo runtergespült? Aus Versehen oder was? Und nicht gemerkt? Macht das Sinn? Sind Kinder, okay..

Sehr gerne gelesen.

MfG,

JuJu

 

Hallo JuJu

aber der erste Absatz, als den vor Wochen gelesen, da bin ich nicht weiter, aber ab da, wo die Kinder ihre Tier alle mitbringen, und der eine heißt Thomas und nennt seine Schildkröte Thomas und wird rot, und überall wird miaut und gepiept, da war ich voll drin.

Ja der erste Absatz kam allgemein nicht so gut an. In der allerersten Fassung war er auch länger als jetzt. Mir hat er eigentlich ziemlich gut gefallen, deshalb konnte ich mich auch nicht überwinden, ihn ganz zu streichen, aber in das eigentliche Geschehen steigt man jetzt schneller ein.

Sprachlich ist das ein angenehmer und spannender Stil, mit dem ich viel anfangen kann, sehr brauchbar alles, also ich bin mag die Story, die entwickelt auch irgendwann einen Sog.

Das freut mich, weil mir das inzwischen mehrere Leute bestätigt haben und ich es auch genauso haben wollte.

Das Ende ist irgendwie antiklimatisch, was ja der eigentlich Gag ist ... ich fands gut, wo du zum Schluss gesagt hast, jetzt ist wieder Klassentreffen .. und dann denken wir alle dran ... das pinnt den Erzähler irgendwie fest, also warum er das erzählt auch und so ...

Ja, ich brauch immer solche Enden. Irgendwie sowas halb-offenes, ich mag das einfach. Der Höhepunkt ist der Abschnitt des großen Auftritts, aber damit wollte ich die Geschichte nicht abschließen. Das wäre mir irgendwie unfertig vorgekommen.
Du hast recht, der letzte Abschnitt gibt dem Erzähler ein Motiv, alles zu erzählen. Weiß gar nicht mehr, ob das ein Grund war, warum ich mich für dieses Ende entschieden habe. Den Satz mit der Ironie - hm, ich denke, ich lasse ihn. Ich habe schon einiges an dem Text gestrichen, was in der ersten Fassung kritisiert wurde - zu offensichtlich, zu erklärend, wird auch so klar waren die Begründungen. Ich konnte das absolut nachvollziehen und hab mich trotzdem schwer getan, die Stellen zu streichen. Vielleicht unterschätze ich die Leser, oder vielleicht fällt mir das in eigenen Texten auch nicht auf. Bei anderen Texten denk ich auch öfter, das oder das kann raus, weil es ja klar ist. Aber die eigenen Texte sieht man irgendwie immer mit anderen Augen, da ist alles wichtig und alles hat irgendwie seine Berechtigung (sonst hätte man es ja nicht geschrieben) ;)

Ist auch die Frage, ob das zu antiklimatisch ist zum Schluß ... es baut so sich ja voll auf, aber das ist ja gerade der Gag, das kann man zur Abwechslung sicher so machen oder auch gerade deswegen so machen

Ich denke, es ist schwer, nach dem Auftritt von Magnus noch eins draufzusetzen. Man könnte jetzt natürlich noch in das Klassentreffen selbst einsteigen und Magnus den Trick abschließen lassen, das heißt, er könnte jetzt nach etlichen Jahren wieder auftauchen. Das wäre dann sicherlich der Höhepunkt, aber das Problem wäre dann halt auch, dass das Verschwinden in den Hintergrund rückt, und das will ich nicht. Wenn man sich mal entschieden hat, die und die Stelle muss der Höhepunkt der Geschichte sein, dann darf man sich das auch nicht durch andere Stellen wieder kaputt machen.

Was ich mich noch gefragt hab: Hat der wirklich seinen Fisch das Klo runtergespült? Aus Versehen oder was? Und nicht gemerkt? Macht das Sinn? Sind Kinder, okay..

Der Text lässt es offen. Die Gruppe um den Erzähler war es nicht, deshalb kann er keine Antwort darauf geben ... aber wenn ich einen Tipp abgeben müsste, ich denke nicht, dass Magnus den Fisch entsorgt hat. Schließlich stand er wegen dieses Fisches endlich mal im Mittelpunkt und bekam positive Aufmerksamkeit, ich denke, da hat ihm jemand einen bösen Streich gespielt.

Ich danke dir für deinen Kommentar, JuJu, deine Gedanken zum Text und natürlich auch für das Lob :)

Viele Grüsse,
Schwups

 
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Hallo Schwups,

ich habe gerade ein bisschen gekramt und bin auf diese Geschichte hier gestoßen.

Du erzählst hier die Geschichte eines Jungen, der schon seit seiner frühesten Kindheit ein Außenseiter war. Die Klasse ignoriert ihn, nimmt ihn gar nicht wahr - und wenn er es doch einmal schafft, sich einen Platz in ihrem Bewusstsein zu erkämpfen, dann ergeht es ihm danach noch schlechter.
Die Story besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil ist Magnus noch Grundschüler. Er bringt seinen Goldfisch mit, erlangt Aufmerksamkeit und wird danach wieder zurück gestoßen.
Im zweiten Teil beginnt er mit der Zauberei, wird von seinen Kameraden bewundert und anschließend wieder fallen gelassen.
Im dritten Teil dann das Finale. Magnus will auf der Abifeier einen Zaubertrick aufführen und verschwindet spurlos. Danach können ihn seine Kameraden nicht mehr "fallen lassen", denn er hat sich - für immer - tief in ihr Gedächtnis eingebrannt.

Die handelnden Personen - das sind natürlich Magnus und "die Gruppe". Es wird niemand direkt zu einem Einzeltäter. Alles, was ihm angetan wird, kommt aus der Gruppe.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Lehrer - zuerst die Lehrerin, die ihm unterstellt, seinen Fisch heruntergespült zu haben und anschließend der Lehrer, der ihn drangsaliert, während er sein Gedicht aufsagt. Diese Rolle ist, finde ich, nicht zu unterschätzen.
Ich denke, so läuft das in der Realität oft ab - dass die Lehrer sich auf die Seite der Starken stellen bzw. durch ihre Autorität deren Handlungen legitimiert.

Diese Geschichte wird aus der Wir-Perspektive erzählt, Magnus ist der Protagonist. Ist nichts neues, aber immerhin mal etwas anderes, als man es meistens liest.
So wie erzählt wird, kann ich mir gut vorstellen, dass jemand dieses zurückliegende Erlebnis aus seiner Schulzeit aufschreibt. Das fand ich soweit auch ganz gut. Ein Problem daran ist, dass dadurch ab und zu diese "allwissenden Kommentare" eingestreut werden. Also irgendwas, das der Erzähler natürlich im Nachhinein wusste/dachte, ihm zum Zeitpunkt des Geschehens jedoch unbekannt war. Ich muss sagen, dass ich da kein großer Freund von bin. Es erhöht an manchen Stellen die Spannung (z. B. beim Finale), aber manchmal nimmt es auch viel vorneweg bzw. nimmt dem Leser den Spielraum für eigene Interpretationen. Ich habe unten ein wenig "Textarbeit" betrieben und ein paar Beispiele herausgesucht.

Die Geschichte ist gut und flüssig erzählt. Ich habe beim Lesen keine Längen empfunden. Das Finale fand ich besonders spannend. Da habe ich wirklich mitgefiebert und mich gefragt, wo das endet. Ich muss zugeben, dass ich etwas total Krasses erwartet habe. Irgendwie dachte ich, dass er dann am Ende tot in dieser Kiste (Sarg) liegt oder so etwas. Dann war ich beinahe erleichtert, dass er nur verschwunden ist.

Eine Kleinigkeit ist mir noch aufgefallen: Ich finde es problematisch, dass die Geschichte so erzählt wird, als sei "die Gruppe" und Magnus 13 Jahre lang in einer Klasse gewesen. Normalerweise mischen sich ja die Klassen öfters neu, wenn weiterführende Schulen besucht werden. Vielleicht war das auch deine Absicht und du wolltest damit eben zum Ausdruck bringen, dass auch eine geänderte Gruppe Magnus immer als Magnus gesehen hat ... aber ich wollte es wenigstens mal erwähnt haben.

Mir hat das jedennfalls gut gefallen - diese Geschichte über den Außenseiter und diese Klasse, die erst viel später begriffen hat, was sie da angerichtet hat. In diesem Fall wurde ihnen, durch Magnus' Verschwinden, die Augen geöffnet, aber ich denke das viele Erwachsene im realen Leben erst viel zu spät begreifen, was sie ihren Mitschülern manchmal angetan haben.
Das du dieses ganze Thema in diese Zauberthematik eingebettet hast, fand ich wirklich interessant. Vor allem, weil ich Zauberergeschichten echt lieeeeeebe.

Keinen, der uns Angst einjagte, keinen, dessen Name wir flüsterten.

Nach dem zweiten Lesen möchte ich diese Behauptung anzweifeln. Der Typ ist einfach verschwunden und sie glauben immer wieder, ihn zu sehen. Macht ihnen das wirklich keine Angst.

In der Klasse war es so still, dass wir den Aufschlag hörten.

Aufschlag ist mir im Zusammenhang mit einem Geldschein fast zu hart.

Übertroffen nur von der Vorstellung fünf Jahre später, der Vorstellung am letzten Abend.

Das hier ist z. B. so eine allwissende Ankündigung. Ich finde, an dieser Stelle bringt die auch gar nicht so viel.

Das Ausmaß seiner Verzweiflung wurde greifbar, als er sich zu einer Aktion hinreißen ließ, die in einem Debakel enden musste: Er lud die komplette Stufe zu seinem Geburtstag ein.

Oder das hier. Klar, es weckt eine gewisse Neugierde, aber ich denke, das hast du an diesem Teil der Geschichte gar nicht mehr nötig. Daher könnte die Ankündigung des Debakels meiner Meinung nach wegbleiben.


Liebe Grüße
Bella

 

Hallo Bella

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Lehrer - zuerst die Lehrerin, die ihm unterstellt, seinen Fisch heruntergespült zu haben und anschließend der Lehrer, der ihn drangsaliert, während er sein Gedicht aufsagt. Diese Rolle ist, finde ich, nicht zu unterschätzen.

Ja, und auch die Rolle der Eltern, wenn Magnus seinen Kindergeburtstag feiern möchte. Ich denke auch, dass Erwachsene da stellenweise in dieselben Verhaltensmuster zurückfallen wie die Kinder. Da wird auch vorschnell und nach falschen Kriterien entschieden.

Ein Problem daran ist, dass dadurch ab und zu diese "allwissenden Kommentare" eingestreut werden.

Ja da kam viel Feedback, ist allgemein nicht gut angekommen. Ich hab das übrigens ziemlich entschärft gegenüber der ersten Version, aber das eine oder andere hab ich noch dringelassen. Ich kann natürlich schlecht eine Meinung zu meinem eigenen Text abgeben, aber ich mag solche Stellen auch in anderen Geschichten. Aber es war so der allgemeine Tenor, ich nehme Interpretationen und Deutungen vorweg.

Es erhöht an manchen Stellen die Spannung (z. B. beim Finale), aber manchmal nimmt es auch viel vorneweg bzw. nimmt dem Leser den Spielraum für eigene Interpretationen.

Ja genau :). Was die Spannung angeht, ich konzentriere mich da gerne drauf und überlege mir, wie muss eine Geschichte strukturiert sein, damit der Leser am Ball bleibt und nach dem Ende eines Abschnitts sofort den nächsten weiterlesen will? Vielleicht übertreib ich es manchmal auch damit. Wie gesagt, die eigenen Texte liest man oft mit ganz anderen Augen, aber ich hab mal einen Roman gelesen von Sebastian Fitzek, der war eigentlich gar nicht schlecht, spannend und gut unterhaltend, aber er hatte zum einen immer recht kurze Kapitel drin und hat wirklich jedes (!) Kapitel auch mit so nem Cliffhanger enden lassen. In vielen Fällen war da aber gar nichts dahinter, also so nach dem Motto:

Er betrat seine Wohnung, und in dem Moment, als er die Tür schloss, bemerkte er eine Gestalt, die im Dunkeln auf ihn lauerte.

=====

Es war seine Frau, die vergessen hatte, das Licht einzuschalten.

So in der Art. Das ging mir nach einer gewissen Zeit gehörig auf die Nerven, also selbst mir, wo ich vermutlich solche Stellen lieber habe als der Durchschnitts-Leser. Ich kann mir vorstellen, dass dir vielleicht beim Lesen dieser Geschichte ähnliches durch den Kopf gegangen ist.

Die Geschichte ist gut und flüssig erzählt. Ich habe beim Lesen keine Längen empfunden. Das Finale fand ich besonders spannend.

Ja das war natürlich auch die Idee. Das ist komplett auf das Finale ausgerichtet.

Ich muss zugeben, dass ich etwas total Krasses erwartet habe. Irgendwie dachte ich, dass er dann am Ende tot in dieser Kiste (Sarg) liegt oder so etwas. Dann war ich beinahe erleichtert, dass er nur verschwunden ist.

Erleichtert, echt? Ich habs glaub in einer Antwort schonmal erwähnt, mein erster Gedanke war, dass er sich auf der Bühne umbringt, mit einer "Zauber"-Guillotine oder sowas. Hab mich dann aber doch fürs Verschwinden entschieden, weil das in meinen Augen weniger nach Brechstange anmutet und vielleicht vom Leser auch weniger erwartet wird wie die "krasse" Lösung.

Eine Kleinigkeit ist mir noch aufgefallen: Ich finde es problematisch, dass die Geschichte so erzählt wird, als sei "die Gruppe" und Magnus 13 Jahre lang in einer Klasse gewesen

Ja, da hast du schon recht. Obwohl mir jetzt spontan sechs Personen einfallen, mit denen ich 13 Jahre lang zusammen in dieselbe Klasse (später Kurse) gegangen bin. Also das gibt es schon. Da jetzt noch einzelne Personen rauszunehmen oder hinzuzufügen würde erstens der Perspektive zuwider laufen und wäre zweitens auch nicht wichtig für den Leser.

Vielleicht war das auch deine Absicht und du wolltest damit eben zum Ausdruck bringen, dass auch eine geänderte Gruppe Magnus immer als Magnus gesehen hat

Wollte ich nicht, nein. Aber ich hab jetzt glaube ich auch keine Stelle drin, dass man das nicht so lesen kann (obwohl die Gruppe als ganzes nicht gewechselt hat natürlich, aber es kann mal jemand hinzugekommen oder weggegangen sein).

Mir hat das jedennfalls gut gefallen

Das freut mich :)

aber ich denke das viele Erwachsene im realen Leben erst viel zu spät begreifen, was sie ihren Mitschülern manchmal angetan haben.

Schon, aber ich denke, man sollte auch nicht allzu streng mit sich sein. Ich war jetzt nie der große Rabauke in der Schule, aber es gibt schon auch Szenen, da denke ich mir heute, hätte eigentlich nicht sein müssen. Aber als Kind hat man da einfach einen anderen Blickwinkel drauf. Ich wollte hier aber auch nicht den moralischen Zeigefinger heben oder so.

Vor allem, weil ich Zauberergeschichten echt lieeeeeebe.

Ja ich mag sie auch gern.

Nach dem zweiten Lesen möchte ich diese Behauptung anzweifeln. Der Typ ist einfach verschwunden und sie glauben immer wieder, ihn zu sehen. Macht ihnen das wirklich keine Angst.

Gemeint ist hier natürlich: der uns zu dieser Zeit keine Angst machte. Aber wenn ich das hinschreibe, dann nehm ich doch allzu viel vorweg, oder?

Aufschlag ist mir im Zusammenhang mit einem Geldschein fast zu hart.

Stimmt schon, aber er ist ja zu einer Kugel zerknüllt, da fällt er schon schneller. Aufprall wäre vermutlich noch schlimmer, "das Geräusch, mit dem er zu Boden fällt" klingt dann wieder umständlich.

Abschließend möchte ich mich bei dir bedanken Bella, für deinen interessanten Kommentar und die investierte Zeit, hat mich gefreut, dass du die Geschichte herausgekramt und gelesen hast.

Viele Grüsse,
Schwups

 

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