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Verstehst du es jetzt?

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21.04.2015
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Verstehst du es jetzt?

Sarah seufzte, als es an der Haustür klingelte, und legte das Buch ins Gras. Sie streckte ihre Arme aus und erhob sich von dem Liegestuhl, den sie vor ein paar Minuten in den Garten gestellt hatte, anstatt ihre Hausaufgaben zu machen. Langsam schlenderte sie durch das Wohnzimmer und öffnete die Tür. Vor ihr lag der leere gepflasterte Weg, der auf die Straße führte. Sie sah sich um, konnte aber niemanden sehen. Gerade wollte sie wieder hineingehen, als ihr der Zettel auffiel, der mit Tesafilm am Holz befestigt worden war.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Zuckerstück! Dein Geschenk wartet schon auf dich. Zuerst musst du aber ein paar Hinweisen folgen. Erinnerungen an unsere lange Freundschaft werden dir dabei helfen.
Nummer eins: Wo hast du mir gebeichtet, dass du Fettes Brot in Wahrheit nicht ausstehen kannst und nur meinetwegen mit auf das Konzert gekommen bist?

Keine Unterschrift. Aber Sarah wusste auch so, dass Lisa diese Nachricht geschrieben hatte. Zuckerstück.
Sarah zerknüllte den Zettel, zog die Haustür hinter sich zu und setzte sich aufs Rad. Vorbei an Ein- und Mehrfamilienheimen radelte sie die Sperlingstraße entlang und bog an der nächsten Kreuzung links ab. Sie stellte ihr Fahrrad vor der in die Jahre gekommenen Turnhalle ab, in deren Keller sich das Jugendzentrum befand, und ging die Stufen hinunter.
Hier hatte sie ein paar Tage nach dem Konzert mit Lisa gesessen. Sie tranken Puschkin Blutorange, den ihnen Thomas aus der Elften besorgt hatte, und Sarahs Kopf fühlte sich schon ganz weich an.
Die Worte purzelten einfach aus ihrem Mund. „Das hab’ ich nur dir zuliebe gemacht. Ich kann die drei Typen nicht ausstehen. Und die Mucke ist auch scheiße!“
Lisa hatte sie angestarrt, ganz steif war ihre Haltung geworden. Sie trank einen Schluck, stierte vor sich hin und sagte dann achselzuckend: „Halb so wild. Lieb, dass du trotzdem mitgekommen bist.“
An der Eingangstür zum Aufenthaltsraum hing ein weiterer Zettel.

Du hast dich also erinnert, bravo! Ich weiß noch genau, wie enttäuscht ich im ersten Moment von dir war. Ich kann Lügen nicht ausstehen! Andererseits war es ein toller Freundschaftsbeweis, dass du etwas getan hast, worauf du eigentlich keine Lust hattest. Mir zuliebe.
Nummer zwei: Hier habe ich vergebens auf dich gewartet.

Sarah sah auf und stieß die Luft aus. Ich kann Lügen nicht ausstehen! Das gefiel ihr nicht. Sie rutschte auf der Bank hin und her und rieb ihre feuchten Handflächen an der Hose trocken. Das hier fühlte sich seltsam an. So wie ihre Freundschaft.
Als sie noch klein waren, hatten sie jeden Tag miteinander gespielt, hatten die umliegenden Felder erkundet, sich geheime Plätze auf den Ästen großer Bäume gesucht und zusammen gehalten, Ausreden erfunden, wenn sie zu spät nach Hause kamen. Lisa brachte Sarah zum Lachen, sie verteidigte sie vor jedem, der es wagte, schlecht über sie zu sprechen oder es auch nur anzudeuten. Das imponierte Sarah, es gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Doch seit sie zusammen aufs Gymnasium gingen, wurde Lisas Beschützerinstinkt erdrückend, Sarah hatte das Gefühl, sich dafür rechtfertigen zu müssen, was sie tat oder mit wem sie sich traf, und das machte sie wütend.
Hier habe ich vergebens auf dich gewartet. Sarah verzog das Gesicht. Das war fast ein halbes Jahr her. Sie hatten sich an ihrem Geheimplatz verabredet, oben auf dem Flachdach ihrer Schule. Über die Äste eines Baumes konnte man hinter dem Gebäude hinaufklettern und heimlich Zigaretten rauchen. Doch dann hatte Valerie angerufen und gefragt, ob Sarah nicht Lust hätte, mit zum Rodeln zu kommen. Sie mochte Valerie, sie war lustig. Entspannt. So wie Lisa früher gewesen war. Sarah hatte sofort zugesagt und eilig ihre Sachen gepackt. Lisa hatte sie vollkommen vergessen.
Am nächsten Schultag bekam sie dafür die Rechnung serviert. Alle kriegten mit, wie Lisa ihr mitten auf dem Hof eine Szene machte. Es war peinlich, einfach nur peinlich. Sie entschuldigte sich, doch innerlich war sie stinksauer. Danach meldete sie sich kaum noch bei Lisa, aber die schien das nur anzuspornen, bei jeder Gelegenheit zu betonen, wie besonders ihre Freundschaft sei.
Sarah stand auf und stieg auf ihr Fahrrad. Sie wollte das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Schwer atmend kletterte sie auf den nächsten Ast. Von hier aus konnte sie die Kante des Schuldachs greifen und sich hinaufziehen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und verfluchte diese verdammte Schnitzeljagd. Das war so typisch für Lisa. Von allem zu viel. Seit Valerie und Sarah sich öfter trafen, war es noch schlimmer geworden. Sarah hatte manchmal das Gefühl, Lisa wäre immer bei ihr, klammerte sich von hinten fest an sie und sah ihr bei allem über die Schulter.
Vor ihr führte das mit Steinen aufgefüllte Dach zur Turnhalle am Ende des Gebäudekomplexes. Rechts und links gingen Seitenarme ab, alle paar Meter ragten Erhebungen empor, in denen die Deckenfenster der einzelnen Schulzimmer verankert waren. Sarah lief los und bog auf den ersten Seitenarm nach rechts ab. Hier musste es sein, das war ihr Stammplatz. Sie ging um den Betonklotz herum und suchte die Wände mit den Augen ab. Nichts. Ihr Blick fiel auf die Steine unter ihren Füßen. Sie ging in die Hocke und schob die Steine rund herum zur Seite. Nach ein paar Minuten raschelte es zwischen ihren Fingern. Sarah ließ sich fallen und lehnte sich an die Wand. Noch ein Zettel.

Deine Entschuldigung damals war gelogen. Ich habe es dir angesehen, du hattest gar keinen Bock mit mir zu reden. Geschämt hast du dich für mich. Für uns. Ganz rot warst du im Gesicht und hast ständig nach links und nach rechts geschaut, anstatt dich auf MICH zu konzentrieren.
Aber ich schätze, eine tiefe Freundschaft muss auch Streit aushalten können, richtig?
Nummer drei: Du bist oft dort, obwohl du mir nichts davon sagst. Mit Flo, Dennis, Basti und all den anderen. Mich fragst du nie, ob ich mitkommen will.

Sarah spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Was wollte Lisa von ihr? Wozu das Ganze? Sie wollte nicht weitermachen. Früher hatte sie Schnitzeljagden gemocht. Aber diese hier nicht.
Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und wählte Lisas Nummer.
„Hängst du fest?“, antwortete diese fröhlich nach dem zweiten Klingeln.
„Was soll das?“ Sarah umklammerte das Telefon.
„Was meinst du denn, Zuckerstück?“
„Hör auf, mich so zu nennen! Ich hab’ keinen Bock mehr! Was willst du?“
„Fühlt sich blöd an, was?“ Lisa klang noch immer bestens gelaunt. „Komm schon. Wo bist du?“
„Auf dem Dach“, zischte Sarah.
„Dann hast du es bald geschafft.“
„Ist mir egal, ich fahre jetzt nach Hause.“
„Das tust du nicht.“ Lisa lachte, aber da lag etwas in ihrer Stimme, das Sarah erstarren ließ. „Du wirst weitermachen.“
„Was soll der Scheiß?“
„Spiel – mit! Ich weiß nicht, was ich sonst tun werde.“ Lisa legte auf.

Sarah fuhr so schnell sie konnte. Ein Gedanke trieb sie an, der sich immer tiefer in sie hineinfraß. Vor ein paar Wochen hatte Lisa einen Satz gesagt, der nun vor ihr schwebte in dicken roten Buchstaben. Ohne dich bin ich verloren!
Sarah hatte nicht gewusst, wie sie darauf reagieren sollte und hatte Lisa unbeholfen in den Arm genommen. Aber nun schlug ihr Herz hart gegen die Brust, sie musste sich beeilen und diese absurde Schnitzeljagd zu Ende bringen, bevor … Sarah schüttelte den Kopf. Das war verrückt. Würde Lisa sich wirklich etwas antun? Sie kannte sie schon ihr halbes Leben lang, aber Sarah fiel es in letzter Zeit schwer, ihre Freundin zu greifen. Diese Andeutung, sie war nicht die erste gewesen. Sarah hatte es nicht ernst genommen. Bis jetzt. Da gab es etwas in Lisa, das ihr kalte Schauer über den Rücken jagte, in diesem Moment auf dem Fahrrad fühlte sie es ganz deutlich.
Sie bog nach links in den Park ab. Hinter dem Spielplatz standen drei Tischtennisplatten, bei denen sie sich seit ein paar Wochen abends mit den anderen traf. Ohne Lisa. Flo war ein smarter Typ aus der Oberstufe, er hatte einen Dreitagebart, ein breites Kreuz und dunkle warme Augen. Wie sollte sie eine Chance haben, an ihn heranzukommen, wenn Lisa ständig an ihr hing? Valerie war anders. Sie verstand die unsichtbaren Zeichen, Sarahs Blicke, wenn sie mit ihm allein sein wollte. Lisa würde das vollkommen ignorieren. Dennoch nagte das schlechte Gewissen an Sarah. Sie hätte von Anfang an ehrlich sein sollen. Sich nicht darauf verlassen, dass diese Freundschaft mit der Zeit einfach einschlafen würde.
Sie sprang vom Fahrrad, ließ es in die Hecke fallen, lief zu den Tischtennisplatten und umrundete sie. Nirgendwo war ein Zettel angebracht. Ihr Blick huschte über die Bänke, das Gras, die Büsche, die um den kleinen Platz herum gepflanzt worden waren. Sie begann, auf ihrer Unterlippe zu kauen. Wo konnte er sein? Sie bückte sich und inspizierte die Unterseiten der Steinplatten. Ihr Herz machte einen Satz. Dort, unter der mittleren war ein Stück Papier zwischen Platte und Tischbein eingeklemmt worden.

Sitzt du hier mit ihnen und redest schlecht über mich? Wir sind uns so nah, wir kennen uns schon so lange, alle meine Geheimnisse habe ich dir erzählt. Doch mitnehmen willst du mich nie. Valerie schon. Die schöne, lustige Valerie. Sie ist dir lieber. Stimmt’s? Sie wird dich mir wegnehmen, ich spüre es.
Nummer vier: Letzte Woche wollte ich mit dir ins Kino. In diesen Film mit Tom Hanks. Aber du warst plötzlich KRANK. Fahre dorthin, wo du an dem Abend WIRKLICH warst. Dein Geschenk wartet auf dich.

Sarahs Hände zitterten. Wie war Lisa dahinter gekommen? Es war falsch gewesen, zu behaupten, sie sei krank. Mies von ihr, dass sie heimlich zu Valerie gefahren war, aber sie hatte keine Lust gehabt auf Diskussionen. Sarah zerriss den Zettel – es reichte jetzt, endgültig. Was bildete sich Lisa eigentlich ein? Energisch riss sie ihr Fahrrad aus der Hecke. Lisa wollte die Wahrheit? Die sollte sie bekommen.

Vor dem Mehrfamilienhaus, in dem Valerie wohnte, standen dunkelgraue Mülltonnen auf dem Gehweg. Sarah stand mit aufgerissenen Augen davor, immer wieder glitt ihr Blick über die Buchstaben, die mit weißer Kreide auf die Vorderseiten geschrieben worden waren.
Hier entlang, ZUCKERSTÜCK!
Sarah sah hinauf zu den Fenstern des dritten Stocks. Hinter dem zweiten von links bewegte sich der Vorhang, ganz leicht nur, aber es reichte aus, damit Sarah aus ihrer Starre erwachte. Mit festem Schritt ging sie auf das Haus zu und klingelte bei Valerie. Der Türsummer ertönte sofort. Sie nahm jeweils zwei Treppenstufen auf einmal. Als sie im dritten Stockwerk ankam, sah sie, dass die Tür zu Valeries Wohnung offen stand. Sie atmete tief durch und ging hinein.
Im Flur herrschte Stille, Valeries Eltern arbeiteten oft bis spät in den Abend und ihr kleiner Bruder schien bei Freunden zu sein. Sarah schloss die Tür hinter sich und lauschte. Valeries Zimmer lag am Ende des Flurs auf der linken Seite. „Valerie?“, rief sie und ging langsam darauf zu. Aus dem Raum drang ein gehässiges Lachen.
„War ja klar, dass du zuerst nach ihr fragst.“ Lisas Stimme klang kalt.
Sarahs Wut verflog, ein anderes Gefühl legte sich auf ihre Schultern. Etwas Kaltes, Schweres, das ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie zwang sich, weiter durch den Flur zu gehen. Vor Valeries Zimmer blieb sie stehen und hielt die Luft an. Vorsichtig schob sie die Tür auf und erstarrte. Bunte Luftballons schwebten an der Decke. Von der Lampe hingen Luftschlangen herunter. Lisa saß auf dem Bett und grinste. Sie trug Valeries Lieblings-T-Shirt und eine ihrer Hosen. „Happy Birthday!“, rief sie und breitete die Arme aus.
„Was soll das? Wo ist Valerie?“
„Valerie, Valerie, ich kann diesen scheiß Namen nicht mehr hören.“ Lisa schwang die Beine vom Bett und stand auf. Sarah wich einen Schritt zurück.
„Was denn, hast du Angst vor mir?“ Lisa lachte. „Ich wollte dir doch nur eine Freude machen. Dir etwas schenken, das du nie vergessen wirst.“
„Was willst du?“
Lisa funkelte sie an. „Wir waren unzertrennlich, wir zwei. Ich hab’ alles für dich gemacht. Du bist einfach …“, sie sah verträumt an die Decke, „… mein Gegenstück. Ich darf nicht zulassen, dass uns das jemand kaputt macht.“
Sarah stand wie festgenagelt vor ihr. Ihr Blick huschte durch das Zimmer. Außer ihnen war niemand da. Sie schluckte. Ihre Kehle fühlte sich enger an als sonst, sie spürte Schweißtropfen an ihrem Nacken herunterlaufen.
„Wo ist sie?“, fragt sie noch einmal. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
„Verdammt, Sarah!“ Lisa stampfte mit dem Fuß auf und schüttelte den Kopf. „Hast du überhaupt gehört, was ich gesagt habe? Du bist mein –“
„Halt den Mund!“ Sarahs Stimme überschlug sich. „Du hast sie doch nicht mehr alle. Was soll dieser ganze Mist hier? Willst du eine Entschuldigung von mir? Die wirst du nicht bekommen. Es reicht. Wo – ist – sie?“
Lisas Gesicht zuckte und plötzlich lächelte sie wieder. „Beruhige dich, das ist doch dein Geburtstag. Valerie ist Sekt besorgen, wir wollten mit dir anstoßen."
Sarah musterte sie misstrauisch. „Wieso sollte sie ... Ihr mögt euch doch gar nicht."
„Wir haben uns ausgesprochen." Lisa trat vor den Spiegel, drehte sich herum und warf die Haare hinter die Schultern. „Die hübsche, tolle Valerie und ich. Sie wird sich in Zukunft ein bisschen mehr zurücknehmen. Vor allem, wo sie jetzt doch weiß, was für eine kleine Lügnerin du bist." Lisa drehte den Kopf und sah Sarah fest in die Augen.
„Was hast du ihr erzählt?" Sarah ging einen Schritt auf sie zu und spürte, wie ihre Fingernägel sich in die Handflächen bohrten.
„Süß", lachte Lisa und strich gedankenverloren über die Luftschlangen, die in Wellen vom Schrank herunter hingen. „Hat da jemand Angst um die frisch gewonnene Freundin?"
„Blödsinn!" Sarah riss die Papierschlange von der Lampe. „Valerie glaubt dir sowieso kein Wort, sie kann dich nicht ausstehen."
„Ach, ist das so? Mir hat sie erzählt, dass sie ganz scharf auf deinen Florian ist und froh wäre, wenn du endlich die Finger von ihm lässt."
Entgeistert starrte Sarah sie an.
Lisa schloss die Augen und nickte, ganz langsam bewegte sich ihr Kopf auf und ab. „Ja, Zuckerstück, ich weiß von Flo. Auch wenn du mir nie von ihm erzählt hast. Ich kenne dich nun mal, ich kenne dich besser, als alle anderen. Begreif das doch endlich." Sie ging auf Sarah zu und streckte ihr die Hände entgegen.
Angewidert schlug Sarah sie weg. „Fass mich nicht an!"
Lisa schnappte nach Luft. Plötzlich verzog sich ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze, die Wangen liefen rot an und ihre Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. „Behandel mich nicht wie ein Stück Dreck!"
Sie griff nach ihr und erwischte ihr Handgelenk. Sarah schrie auf und schlug um sich. Sie traf Lisa am Hinterkopf, taumelte kurz, fing sich wieder und stieß sie aufs Bett. Ein tiefes Brüllen entfuhr Lisas Kehle, sie sprang auf und stürzte sich auf Sarah. Die beiden Mädchen fielen zu Boden, wälzten sich umher und stießen an den Schreibtisch, von dem eine Vase herunterfiel und zerschellte. Lisa griff nach einer Scherbe, riss Sarahs Kopf an den Haaren zurück und holte aus. Im letzten Moment drehte Sarah sich zur Seite und trat Lisa in den Bauch. Sie jaulte und krümmte sich auf dem Teppich zusammen. Sarah rappelte sich auf und rannte in den Flur. Vorbei am Zimmer der Eltern, der Küche, dem Bad -
Sie schrie auf. Stand vor dem Badezimmer und starrte hinein. Alles war voller Blut. Das Waschbecken, die Fliesen, selbst der Spiegel. Der Badewannenvorhang war zugezogen. Sarah schnappte nach Luft. „Was hast du getan?“, flüsterte sie und hielt sich eine Hand vor den Mund. Mit der anderen griff sie nach dem Vorhang, zählte bis drei und riss ihn zur Seite.
Valerie hatte die Augen geschlossen. Sie trug ihr gelbes Sommerkleid, das Sarah so mochte. Doch es sah anders aus als sonst, es war übersät mit dunkelroten Flecken. Die Hände lagen auf ihrem Bauch, die Beine waren angezogen, als hätte sie Schmerzen. Sarah fing an zu weinen. Durch Valeries Hände sickerte dickes, hellrotes Blut.
Panisch wühlte Sarah in ihrer Tasche und zog das Handy heraus. Es fiel ihr aus der Hand, sie heulte auf, bückte sich und hob es wieder auf. Sie drückte drei Nummern, doch bevor sie bei dem grünen Hörer ankam, hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie fuhr herum und starrte in Lisas Gesicht. Lässig lehnte sie am Türrahmen und sah auf sie herunter.
„Verstehst du es jetzt?“

 
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Liebe RinaWu,

ich fang gleich mal mit meinem grundsätzlichen Einwand an.

Mir ist es nicht ganz klar, worauf der Fokus deiner Geschichte liegen soll. Auf der Spannung? Dem Horror? Der Fantasie, was am Ende einer Mädchenfreundschaft so alles an Schrecklichem, an Durchgeknalltem möglich ist? Das ist dir gelungen, denn du schreibst spannend, die Schnitzeljagd ist toll. Und dass du die Atmosphäre der Orte beschrieben hast (da gab es irgendwo mal einen Einwand, Genaueres habe ich vergessen) das verbuche ich persönlich unter Geschmack, mich hat das jedenfalls gar nicht gestört, im Gegenteil. Das fand ich auch schön.

Wenn du es so jedenfalls meinst, hast du eine spannende, stimmungsvolle, aber leider auch (zumindest für Horrorfans) absehbare Horrorgeschichte geschrieben, die ihren Schwerpunkt in der Handlung besitzt und in der Steigerung der Spannung. Gut fand ich in dem Zusammenhang, dass du den Irrweg mit dem drohenden Selbstmord gelegt hast, sonst hätte man sich gleich gefragt, warum Sarah nicht einfach die Zettel wegschmeißt und aus dem Kackspiel aussteigt. Was hat die denn davon weiterzumachen? Was ist ihr innerer Antrieb? Von daher, das hast du gut getrickst, dass Sarah da an ihrer Freundinnensorge gepackt wird und weitermacht.
Aus der Horrorsicht, will man dann vielleicht sogar das Splatterende oder akzeptiert es zumindest.
Wobei mir persönlich das einfach zu viel war. Für dieses Ende ist mir die Geschichte in ihren Bausteinen zu nah am Realismus. Da wären mir Andeutungen vielleicht lieber gewesen, sonst fang ich an zu überlegen, wie das junge Mädchen das denn hingekriegt haben will, ohne dass ein Schwein die hört, wieso lässt Valerie Lisa überhaupt rein. Wieso ist Lisa so derartig durchgeknallt.


Liegt dein Fokus aber auch oder sogar mehr auf der Brüchigkeit der Freundschaft zw. den beiden Mädchen? Auf ihrem Verhältnis und dessen Entwicklung? Soll dieses Verhältnis und sein Ende Teil des Horrors sein? So habe ich deine Antworten jedenfalls verstanden. Dann jedenfalls finde ich nicht, dass das so gut geklappt hat. Spannend ist es immer noch, aber dann fehlt mir vollständig das, was den Zauber dieser Freundschaft ursprünglich mal ausgemacht hat. Dann sehe ich keine Lisa vor mir, die wohl mal sehr viel für Sarah bedeutet hat, mit ihren zarten oder liebenswürdigen Seiten, dann sehe ich nur ein von vornherein ziemlich durchgeknalltes, besitzergreifendes Wesen, dessen Beweggründe halt nun ja, sehr plakativ sind. Die stehen ja alle unmittelbar aufgeschreiben da auf den Zetteln. Da schwingt nichts dahinter. Ich muss nichts "entschlüsseln" als Leser.

Für mich persönlich ist Horror immer dann noch mehr als eine pur spannende Handlung, wenn er sich mit einer hmm, wie soll ich das sagen, Reise in sich selbst oder Reise in jemand anderen verbindet. Dafür aber fehlt mir hier das Positive an Lisa. Und mir fehlt der Reiz, den diese Freundschaft zu speziell diesem Mädchen einmal ausgemacht hat. Das würde für mich persönlich einen noch stärkeren Punkt der Verstörung ausmachen, wenn aus dem alltäglichen liebevollen Umgang und vielleicht auch Gezicke zweier Mädchen Abgründe entstehen und sich dann in einer schrecklichen Handlung entladen.

Wie auch immer, liebe RinaWu, wenn man so ein bisschen in die Komms reinschnuppert, hab ich jetzt noch nachträglich gemacht, da merkt man, dass du schon wahnsinnig viel am Text gemacht hast. Also der liest sich entsprechend auch sehr sehr rund.
Ja, trotz meines grundsätzlichen Einwand - das ist sehr spannend aufgezogen.
Bis die Tage, liebe RinaWu.

 

Liebe Novak,

schön von dir zu lesen, vielen Dank!

Mir ist es nicht ganz klar, worauf der Fokus deiner Geschichte liegen soll. Auf der Spannung? Dem Horror? Der Fantasie, was am Ende einer Mädchenfreundschaft so alles an Schrecklichem, an Durchgeknalltem möglich ist?

Liegt dein Fokus aber auch oder sogar mehr auf der Brüchigkeit der Freundschaft zw. den beiden Mädchen? Auf ihrem Verhältnis und dessen Entwicklung? Soll dieses Verhältnis und sein Ende Teil des Horrors sein?

Dazu kann ich sagen: Ein bisschen etwas von allem. Hauptsächlich ging es mir aber tatsächlich um ersteres. Darum, wie eine "einfache" Mädchenfreundschaft plötzlich kippen kann, um das Grauen so einer Tat, die mehr oder weniger aus dem Nichts kommt. Und tatsächlich auf der Schnitzeljagd, auf dem Unbehagen, das bei Sarah Stück für Stück wächst. Ich fand den Gedanken interessant, so eine Schnitzeljagd auf Fehlern des anderen zu gründen, ihm damit seine Lügen vorzuführen.

Aber ich gebe dir recht, die Brüchigkeit der Freundschaft und deren Entwicklung voneinander weg, spielt natürlich auch eine Rolle, der ich zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet habe. Es stimmt, es müsste deutlicher werden, weshalb Sarah und Lisa überhaupt so eng befreundet waren, bevor sich Sarah von ihr entfernt. Ich muss mal überlegen, wie ich das machen könnte, ohne zu "erzählend" zu werden. Danke für diese Anmerkung.

Liebe Grüße auch an dich,
RinaWu

 

Hallo @RinaWu,

ich habe deine Geschichte schon vor ein paar Tagen gelesen und konnte das Handy nicht aus der Hand legen, wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Die Änderungen, die du inzwischen am Anfang vorgenommen hast, finde ich gut. Wollte schon anmerken, dass ich das untypisch finde, einfach aus dem Haus zu gehen ohne den Eltern ein "Tschüss" o.Ä. zuzurufen.

Ich war aufgeregt wie Sarah, bin mit ihr von Ort zu Ort geradelt, habe Zettel gelesen und irgendwann Furcht um Valerie empfunden.
Was für ein krankes Mädchen, diese Lisa doch ist. Betreibt großen Aufwand mit der Schnitzeljagd für ihre Rache und schreckt auch vor einem Mord nicht zurück.

Und damit komme ich zu dem, was mir weniger gefallen hat. Ich habe mir Lisa als krankhaft eifersüchtigen Teenager vorgestellt, der Sarah die "Kränkungen" mal so richtig heimzahlen will. Ich hätte eher erwartet, dass sie Valerie vor Sarahs Augen bedroht oder demütigt. Aber nicht, dass sie sie ins Badezimmer und die Badewanne zwingt/legt und ihr die Handgelenke aufschneidet oder sie nötigt, es selbst zu tun. Ich kann mir das auch gar nicht vorstellen, wie das hätte ablaufen sollen. Ist Valerie Lisa körperlich so unterlegen?
Für mich hat sich die Geschichte auch nicht in diese Richtung entwickelt. Sarah hatte eher befürchtet, Lisa könne Selbstmord begehen.
Das war zwar ein überraschendes Ende für mich, doch leider ein nicht sehr glaubwürdiges, weil mir, wie gesagt, eine Entwicklung dazu gefehlt hat.
Oder habe ich die Zeichen dazu übersehen?

Ansonsten finde ich die Geschichte wirklich gut. Das mit dem Spannungsbogen hast du echt drauf, RinaWu. Bisschen mehr und er wäre gerissen.
Auch das Ende ist überarbeitet. Finde ich jetzt auch besser, wenn der Leser weiß, dass Valerie alleine in der Wohnung ist.

Aus dem Text:

„Valerie, Valerie, ich kann diesen scheiß Namen nicht mehr hören.“

lt Duden: Scheißnamen

Du bist einfach …“, sie sah verträumt an die Decke, „mein Gegenstück. Ich darf nicht zulassen, dass uns das jemand kaputt macht.“
Das ist jetzt nur eine Frage: wenn der Satzanfang mit den Auslassungspunkten endet, muss er dann nicht wieder mit denen weitergehen?


Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hallo RinaWu!
Ich äußere mich einmal ganz behutsam, weil mir deine Kurzgeschichte doch sehr wenig erwachsen vorkommt. Das meine ich in keiner Weise negativ, sondern nur als Feststellung. Das Badezimmer, den Badewannenvorhang und das viele Blut muss ich mir nicht geben. Das ist aber Geschmackssache. Überlege einmal, ob das nicht alles einfach auch nur in Sarahs Kopf hätte passieren können, diese Geschichte mit der bösen oder auch verrückten Lisa. Schreib bitte weiter, aber das muss ich dir nicht sagen, glaube ich.
Gruß,
Bjoern

 

Hallo Tintenfass,

lieben Dank für deine Worte, es freut mich, dass du das Handy nicht aus der Hand legen konntest, das ist toll!

Ich weiß, das Ende ist manchen zu krass, anderen wiederum hat es gefallen. Mir persönlich gefällt es so und ich muss und will es an dieser Stelle verteidigen. Es steht ja nirgendwo, dass Lisa Valerie in die Badewanne zwingt, sondern dass das ganze Badezimmer voller Blut ist und Valerie in der Badewanne liegt. Meine Vorstellung im Hintergrund war, dass Lisa ausflippt, auf Valerie losgeht und ihr etwas in den Bauch rammt. Valerie bricht zusammen und wird von Lisa in der Badewanne versteckt. Völlig absurd, aber in der Eile vielleicht in ihrem Kopf eine sinnvolle Aktion. Ob sie wirklich stirbt, lasse ich ja offen, das habe ich weiter unten erklärt. Meiner Meinung nach wäre es eben nicht logisch, wenn Lisa sich selbst oder Sarah etwas antut. Ihre Eifersucht richtet sich gegen den Eindringling, sie reflektiert nicht ihr eigenes Verhalten, sondern gibt Valerie die Schuld daran, dass Sarah sich von ihr entfernt hat. Ergo richtet sie ihre Aggressionen gegen Valerie. Ich verstehe aber, wenn die Meinungen zu diesem Ende, das ich geschrieben habe, auseinander gehen.

Das Thema "Scheißname" oder "scheiß Name" hatte ich schon einmal hier in der Romanrubrik. Dort waren wir zu dem Schluss gekommen, dass beides geht.

Mit den drei Auslassungspunkten hast du natürlich recht, dass korrigiere ich, vielen Dank!

Einen schönen Abend dir noch,
liebe Grüße
RinaWu


Hallo Bjoern Klaras,

Ich äußere mich einmal ganz behutsam, weil mir deine Kurzgeschichte doch sehr wenig erwachsen vorkommt.

Nimm mir das bitte nicht übel, aber ich kann mit deinem Kommentar recht wenig anfangen. Einfach, weil ich ihn nicht verstehe. Aber danke, weiterschreiben werde ich sowieso :D

Bis dann,
RinaWu

 

Hi RinaWu!

Coole Story - hat mir sehr gefallen. Klar, ist ja auch Horror, es gibt Blut und Nervenkitzel. Mehr braucht's nicht, den Eisenmann ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern! Anfangs hat mich diese Idee mit der Schltzeljagd ziemlich neugierig gemacht, weil ich wissen wollte, was Sarah da so alles entdecken wird.

Die stückchenweise dargestellte Charaketrisierung von ihrer Stalker-Freundin Lisa war zwar hier und da ein bisschen "telling", aber trotzdem nicht störend. Außerdem konnte der Leser dadurch die Schnitzeljagd besser einordnen, besonders, was die bedrohliche Entwicklung angeht.
Ich persönlich hatte ja angenommen, Lisa hätte sich Flo vorgenommen, aber das mit Valerie war auch amüsant genug!:D
Insgesamt hat mich deine Geschichte gut unterhalten und ich hatte meinen Spaß beim Lesen. Besonders, wenn man sich Lisa vorstellt, wie sie Valeries Sachen trägt, das ist so schön Psychothriller-mäßig!;)

Grüße vom EISENMANN

P.S. Ach so - ein kleiner Verbesserungsvorschlag:
Bei der Stelle mit dem "Rodeln in den Bergen" würde ich die "Berge" streichen - das klingt so, als würden sie in die Schweiz fahren oder so was. "Zum Rodeln" reicht völlig.:)

 

Servus Eisenmann,

ach, das ist schön, ein Grinsen ins Gesicht zaubern mache ich doch gerne =)
Ja, es kann durchaus sein, dass die Charakterisierung von Lisa ab und zu erzählend ist, aber ich habe das ja schon öfter gesagt: Ich persönlich habe dagegen nichts, wenn es sich in Grenzen hält. Ihre Persönlichkeit hier komplett anhand von Handlungen aufzuzeigen, die ja auch Handlungen in der Vergangenheit szenisch darstellen müssten, hätte mir das Hauptaugenmerkt der Geschichte zu sehr zerpflückt. Daher bin ich froh, dass du das Erzählende nicht als störend empfunden hast.

Die Idee, dass Lisa sich Valeries Sachen anzieht, kam mir erst ganz zum Schluss, denn ich dachte mir, ihre Sachen sind bestimmt voller Blut. Dass dann da noch diese psychologisch gruselige Nuance durchschimmert, fiel mir erst hinterher auf :D

Deinen Verbesserungsvorschlag habe ich dankend angenommen, vielen Dank.

Liebe Grüße
RinaWu

 
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Liebe RinaWu,

eine flüssig und packend geschriebene Geschichte hast du hier eingestellt. Das liest sich in einem runter und es gibt keine Stellen, die mich aus dem Verlauf des Dargestellten rausgeworfen haben.

Aber es gibt zwei Punkte, die mir nicht ganz so gefallen haben: Da ist als erstes so etwas wie eine Vorhersagbarkeit des Ganzen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, so einen Ablauf schon hin und wieder gesehen oder gelesen zu haben. Natürlich, wir können das Rad nicht in jeder Geschichte neu erfinden. Aber die gesamte Konstellation und auch der Ablauf waren mir ein wenig zu glatt. Da ist die enttäuschte Freundin, die sich klammert, und da ist die Prota, die mir fast ein wenig zu naiv den Aufforderungen der Schnitzeljagd folgt.
Sicher, mit

„Spiel – mit! Ich weiß nicht, was ich sonst tun werde.“

begründest du das weitere Verhalten Sarahs. Aber bis zu diesem Moment begegnet mir Lisa zwar als extrem anhänglich und beleidigt,

Lisa machte ihr eine peinliche Szene vor der Schule, mit verheulten Augen, tropfender Nase – das volle Programm.

aber nicht als suizidgefährdet oder brutal. Denn so etwas muss Sarah befürchtet haben, weil sie jetzt ohne zu zögern, den Anweisungen Lisas folgt.

Und damit bin ich bei meinem zweiten Punkt: Das ist der Schluss. Wenn in einer Geschichte jemand ein solches Blutbad anrichtet, muss da mMn schon vorher etwas auf diese Möglichkeit hinweisen: eine krankhafte Phantasie, ein Ausrasten in einer anderen Situation oder etwas Ähnliches. Eine peinliche Szene mit verheulten Augen ist mir da zu wenig.

Liebe RinaWu, deine Geschichte ist von allen, die ich bisher gelesen habe, eine der für mein Gefühl am besten geschriebenen, aber das Verhalten Lisas am Schluss nehme ich ihr so nicht ab. Ich meine, da muss sich schon vorher etwas extrem Krankhaftes bemerkbar machen (vielleicht auch nur unterschwellig), wenn die Rache an einer untreuen Freundin den Tod eines Menschen in Kauf nimmt:

Durch Valeries Hände sickerte dickes, hellrotes Blut.

Wie immer habe ich deine Geschichte gerne gelesen. Deine Art zu schreiben hat inzwischen etwas echt Professionelles.

Liebe Grüße
barnhelm

Noch etwas:

Schwer atmend kletterte sie auf den nächsten Ast. Von hier aus konnte sie die Kante des Schuldachs greifen und sich hinauf ziehen.
hinaufziehen (glaub ich zumindest)

 

Liebe RinaWu,

wer kennt das nicht. Da ist man während der Schulzeit lange befreundet, unternimmt viel miteinander, spricht über fast alles; und dann wird man älter und erwachsener und merkt, dass man sich zu verschiedenen Personen entwickelt. Die Freundschaft verebbt. Das fällt dem einen vielleicht einfacher, aber der andere ...

Ich finde deine Geschichte wirklich gut. Sie fängt so unschuldig an, mit einer Nachricht zum Geburtstag. Aber dann der Hinweis, dass Lisa sich in den letzten Monaten verändert hat. Das erzeugt Spannung. Und die steigert sich zusehend, das mulmige Gefühl im Bauch wird immer stärker. Was hat Lisa vor? Wie wird es enden? Heult sie Sarah bloß die Ohren voll? Oder bringt sich Lisa gar um? Diese graduelle Steigerung der Spannung, das hast du echt gut hinbekommen.

Dann das Ende, das ich so nicht erwartet habe. Klar, irgendeinen Scheiß würde Lisa schon abziehen, aber dass sie gleich so durchgeknallt ist? Das hat mich schon überrascht, aber auf durchweg positive Weise. Was soll's, ich steh einfach auf eine gesunde Portion Splatter. ;)

Manchmal hast du so Standard-Sätze drin, die wohl in jeder Horror-Geschichte vorkommen. Zum Beispiel:

Es fühlte sich an, als lege sich eine kalte Hand um ihren Magen.

Sie kochte vor Wut.

Ihr Herz machte einen Satz.

Da gab es etwas in Lisa, das ihr kalte Schauer über den Rücken jagte, in diesem Moment auf dem Fahrrad fühlte sie es ganz deutlich.

Ist zwar nicht schlimm, ich ertappe mich selbst auch immer wieder, wie ich solche Sätze verwende, aber vielleicht fällt dir da ja noch was Schöneres ein. ;)

Letzten Sommer waren sie auf dem Konzert gewesen, Sarahs Mutter hatte sie hingefahren und direkt danach wieder abgeholt. Sie hatte keine Lust darauf gehabt, aber nicht Nein sagen können, als Lisa sie mit großen Augen darum bat, mitzukommen.

Braucht es diese Passage? Der Leser weiß doch schon, dass die beiden zusammen auf einem Konzert waren und dass Sarah nur mitgegangen ist, um Lisa einen Gefallen zu tun.

Die Sperlingstraße zog sich am südlichen Ortsrand entlang, vorbei an Ein- und Mehrfamilienheimen mit ordentlichen Vorgärten und weißen Gartenzäunen. An der nächsten Kreuzung bog sie links ab. Der Weg führte direkt ins Feld, kurz davor stand jedoch eine in die Jahre gekommene Turnhalle auf der rechten Seite, in deren Keller sich das Jugendzentrum befand.

Ist mir hier an der Stelle ein bisschen zu detailliert, da gerate ich dann doch recht schnell ins Überfliegen. Ist aber nur eine kurze Passage, nicht so wild, aber meiner Meinung nach könnte das ein oder andere Detail raus.

So, wie ihre Freundschaft.

Kein Komma.

Von hier aus konnte sie die Kante des Schuldachs greifen und sich hinauf ziehen.

hinaufziehen

„Hör auf, mich so zu nennen“, rief Sarah,Punkt „Ich habe keine Lust mehr auf dein dämliches Spiel.“

Sie kannte sie schon ihr halbes Leben lang, aber Sarah fiel es in letzter Zeit schwer, ihre Freundin zu greifen.

begreifen?

Ein gut geschriebener Text, der relativ harmlos anfängt, dann immer schauriger wird und schließlich blutig endet. Hat mir sehr gefallen.

Liebe Grüße
gibberish

 

Liebe barnhelm,

schön, von dir zu lesen, danke für deinen Kommentar.

Zu deinen Kritikpunkten: Da habe ich - wie auch zu dem Ende - unterschiedliche Meinungen herausgelesen. Manche konnte ich ein wenig austricksen, manche haben den Verlauf vorausgesehen. Ich gebe dir recht, ich sollte wohl Lisa noch ein bisschen extremer zeichnen. Nicht nur anhänglich und beleidigt, sondern Anflüge von etwas Unheimlichen einbauen. Das betrifft sowohl ihre Suizid-Drohung, als auch das Ende. Mal sehen, was mir dazu einfällt.

Das Ende: Auch hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Den einen ist es zu extrem, den anderen gefällt es. Ich denke, ich werde bei diesem Ausgang bleiben, denn er fühlt sich für mich richtiger an, als etwas Harmloseres. Meine Idee war ja, dass dieser Ausraster aus dem Nichts kommt. Ich denke auch, dass das durchaus im wahren Leben passiert. Und meine Überlegung war auch, dass, wenn ich Lisa zuvor zu extrem, zu unheimlich und brutal beschreibe, würde Sarah dann bei dieser Schnitzeljagd überhaupt mitmachen? Würde sie dann nicht viel eher abbrechen, weil sie Angst bekommt? Ich weiß es nicht, aber ich werde mir nochmal genau ansehen, wie ich da mit Andeutungen arbeiten könnte.

Wie immer habe ich deine Geschichte gerne gelesen. Deine Art zu schreiben hat inzwischen etwas echt Professionelles.
Danke, liebe barnhelm, das freut mich sehr.

Das "hinaufziehen" habe ich geändert, du hast recht, das wird zusammengeschrieben.

Danke dir und liebe Grüße
RinaWu


Hallo gibberish,

auch dir vielen Dank für deine Überlegungen zu meinem Text.

Die Freundschaft verebbt. Das fällt dem einen vielleicht einfacher, aber der andere ...
Ja, so ist es. Als dieses "Verebben" bei mir anfing bei alten Freunden aus der Schule, habe ich mich schlecht gefühlt. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, dass das manchmal einfach dazugehört, nicht jede Freundschaft währt ewig und so etwas zu erzwingen, finde ich sinnlos.

Dann das Ende, das ich so nicht erwartet habe.
Das freut mich. Auch dass es dir gefallen hat. Ich verstehe total, wenn das einigen zu viel ist, umso mehr freue ich mich aber dann auch, wenn es anderen gefällt.

Oh je, ja, die Standardsätze. Ist total schwierig, da nicht manchmal drauf zurückzugreifen. Ich sehe mir das noch mal an.

Braucht es diese Passage? Der Leser weiß doch schon, dass die beiden zusammen auf einem Konzert waren und dass Sarah nur mitgegangen ist, um Lisa einen Gefallen zu tun.
Du hast recht, habe ich gelöscht.

Die Ortsbeschreibungen habe ich im Laufe der Kommentare schon über die Hälfte gekürzt, mehr schaffe ich nicht :shy: Die Rechtschreibfehler habe ich ausgebessert, vielen Dank.

begreifen?
Nein, ich habe da schon bewusst "greifen" gewählt. Ich dachte, diese Formulierung gibt es: "jemanden nicht richtig greifen können". Hm, muss ich noch mal nachforschen ...

gibberish, vielen Dank, freut mich sehr, dass der Text dir gefallen hat.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe Bea Milana,

das war Gold wert! Anders kann ich es nicht sagen. Aber eins nach dem anderen. Deine Kürzungs-, bzw. Änderungsvorschläge habe ich dankend übernommen.

Nun zu dem Gold. Vielen Dank für deine Idee, wie man das Ende noch mehr aufpeppen könnte. Klingt vielleicht blöd, aber die Idee, die Entdeckung Valeries in der Dusche noch hinauszuzögern, war mir noch gar nicht gekommen. Bei den vielen Geschichten hier verstehe ich, wenn die Zeit nicht ausreicht, aber wenn du magst, kannst du dir diese Szene nun noch einmal ansehen. Ich habe deinen Vorschlag mit dem "Valerie ist kurz Sekt besorgen" gerne aufgenommen und daraus eine neue Szene gebastelt, in der die beiden kämpfen und Sarah fast schon auf der Flucht das blutige Badezimmer entdeckt. Du hast recht, im Finale einer solchen Geschichte muss es krachen. Das zwirbelt sich nun noch mehr hoch und vielleicht hat dadurch auch Lisa ein bisschen mehr Farbe, Kraft und Aggressivität gewonnen, damit das Finale plausibler erscheint.

Danke dir für diese Inspiration und viele Grüße
RinaWu

 

Bea Milana, gar kein Problem, wann immer du Zeit findest.
Deine Geschichte habe ich schon gelesen und kommentiert, aber ich fürchte fast, das ist bei den vielen Kommentaren untergegangen. :shy:
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo RinaWu

Habe deine Geschichte schon vor einigen Tagen gelesen, bin aber nicht zum Kommentieren gekommen, und wie das so ist haben sich jetzt massenhaft Kommentare angesammelt. Viel Neues wirst du also von mir vermutlich nicht hören (ich habe nur die ersten Kommentare gelesen), aber meinen Eindruck möchte ich dir trotzdem mitteilen.

Ja, die Geschichte ist vorhersehbar. Das sind ganz ausgetretene Pfade, auf denen du dich hier bewegst; gern wird auch ein Liebespärchen genommen oder ein One Night Stand oder ähnliches, und auf einmal hat man einen Stalker am Hals, der einem das Leben zur Hölle macht.

Das ist für mich aber gar nicht so wesentlich, ich hab schon etliche Filme mit diesem Thema gesehen und schaue sie trotzdem noch gern, weil sie mich unterhalten. Und das hat deine Geschichte auch geschafft. Ich hab mich gut unterhalten gefühlt, das ist flüssig geschrieben, und ich glaube, die Geschichte weiß auch, was sie ist - und was sie nicht ist.

Trotzdem - an einigen Stellen wirkt das konstruiert. Warum macht Sarah bei dem Spiel mit, und warum lotst Lisa sie erstmal durch die halbe Stadt, anstatt sie gleich zu Valeries Haus zu locken? Was hat Lisa davon, was ist ihre Motivation? Und warum ruft Sarah nicht erstmal bei Valerie an, als sie erfährt, dass ihre Wohnung die letzte Station ist? Warum fährt sie da so unbedarft hin? Das sind Schwächen in der Geschichte, über die ich hier zwar ein Stück weit hinwegsehen kann - dennoch möchte ich dich ermuntern, da in Zukunft mehr ein Auge drauf zu haben, auch bei einem solchen Thema. Ich glaube, die ließen sich alle umschiffen und würden das Niveau nochmal ordentlich steigern.

Das Ende fand ich auch nicht so toll, das hast du mittlerweile ja ausgebaut, aber mir gefällt es immer noch nicht. Es ist einfach zu offensichtlich, was da passieren wird, da finde ich es schade, dass du nicht mit einer Überraschung kommst - das würde die Geschichte glaube ich ordentlich aufwerten und sie von anderen in diesem Bereich auch abgrenzen.

Eine Stelle möchte ich noch explizit erwähnen:

Da gab es etwas in Lisa, das ihr kalte Schauer über den Rücken jagte, in diesem Moment auf dem Fahrrad fühlte sie es ganz deutlich.

Das muss sich hier mehr auf den Leser übertragen. Ich muss hier das viel zitierte show don't tell anbringen, das ist hier ganz wichtig. Und das kommt in der Geschichte zu kurz, das blitzt erst am Ende auf, wenn es zur Konfrontation kommt und du Lisa bspw. auch mal "verträumt zur Decke" blicken lässt. Da kommt der Wahnsinn dann rüber. Sonst ist die Geschichte sehr fokussiert auf die Handlung und das Tempo, da hetzt Sarah von einem Ort zum anderen, immer wieder unterbrochen von kurzen Episoden.
Vorteil: Es wirkt kurzweilig und spannend.
Nachteil: Es wirkt auch abgehackt, die Mädchen sind vom Leser weiter entfernt, weil man gar keine Zeit hat, sich intensiv mit ihnen zu beschäftigen. Sie wirken dann oberflächlicher und es ist schwieriger, ihre Motivation zu erkennen.
Aber das sind verschiedene Möglichkeiten, wie man die Geschichte erzählen kann. Vielleicht hätte mir ein ruhigerer Aufbau besser gefallen, längere Episoden zwischen Sarah und Lisa, die sich mehr auf die Psyche der Mädchen konzentrieren - und am Ende eine vielleicht subtilere Rache-Aktion, die dann wohl auch glaubhafter gewesen wäre.
Bei dir gehts ja schon ordentlich zur Sache :)

Aber du hast dich für diesen Aufbau entschieden, und das ist auch absolut ok. Wie gesagt, unterhalten hat mich der Text, aber ich bin natürlich auch ein Freund des Genres, da hast du es nicht so schwer :), solange das handwerklich gut gemacht ist - und das ist es auf jeden Fall.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups,

Viel Neues wirst du also von mir vermutlich nicht hören (ich habe nur die ersten Kommentare gelesen), aber meinen Eindruck möchte ich dir trotzdem mitteilen.
Na klar, immer her damit!

Ich hab mich gut unterhalten gefühlt, das ist flüssig geschrieben, und ich glaube, die Geschichte weiß auch, was sie ist - und was sie nicht ist.
Das freut mich. Und ja, ich weiß, was diese Geschichte ist oder auch nicht. Dennoch ist es interessant, wie unterschiedlich sie gelesen wurde, da gibt es ja durchaus verschiedene Ansichten. Da habe ich mir gedacht, so einfach in eine Schublade stecken lässt sie sich für manche vielleicht doch nicht.

Zu deinen Fragen:

Warum macht Sarah bei dem Spiel mit, und warum lotst Lisa sie erstmal durch die halbe Stadt, anstatt sie gleich zu Valeries Haus zu locken?
Warum spielt die Katze mit der Maus? Das ist die erste Gegenfrage, die mir hierzu einfällt :shy: Sarah wird getrieben von einer Mischung aus Neugier und schlechtem Gewissen. Sie hat eigentlich keine Lust auf dieses Spiel (das deute ich ja auch mehrfach an), jedoch weiß sie, dass sie sich Lisa gegenüber nicht immer fair verhalten hat und will ihr dieses Geschenk nicht vermiesen. Als sie dann aufhören will und Lisa anruft, schlägt ihre Neugier in Besorgnis und Wut um, sie will zum Ende kommen und final mit Lisa klären, dass es so nicht weitergeht.
Lisa hingegen genießt natürlich die Macht, die sie plötzlich über ihre langjährige Freundin hat, die sie zuletzt immer wieder im Stich ließ. Sie gleich zu Valerie zu lotsen, würde das Unbehagen nicht in dem Maße steigern, wie Lisa sich das wünscht. Sie will Sarah an kleinen Beispielen, die sich immer mehr steigern, ihre Fehler vor Augen führen, sie quälen, wenn du so willst. So waren meine Überlegungen zu dieser Schnitzeljagd.

Und warum ruft Sarah nicht erstmal bei Valerie an, als sie erfährt, dass ihre Wohnung die letzte Station ist? Warum fährt sie da so unbedarft hin?
Da gebe ich dir recht! Das ist eine Logiklücke! Ich überlege da mal, wie ich das lösen könnte.

Vielleicht hätte mir ein ruhigerer Aufbau besser gefallen, längere Episoden zwischen Sarah und Lisa, die sich mehr auf die Psyche der Mädchen konzentrieren - und am Ende eine vielleicht subtilere Rache-Aktion, die dann wohl auch glaubhafter gewesen wäre.
Du schreibst weiter oben, es gibt mehrere Wege, diese Geschichte zu erzählen. Ich habe mich für den entschieden, der kurzweiliger ist, das stimmt. Ich versuche gerade bei meinen Kurzgeschichten daran zu arbeiten, wie man gut Spannung aufbauen kann. Das mache ich deshalb, weil ich nebenher meinen Romanversuch komplett überarbeite und nun viel tiefer in die zwischenmenschlichen Beziehungen eintauche, versuche, das ganze psychologisch vielschichtiger zu machen und eine spannende Atmosphäre zu kreieren. Was mir dabei immer am schwersten fällt, sind die Passagen, in denen das Tempo schnell sein muss. Deshalb waren meine letzten drei Geschichten so sehr auf diesen Spannungsaufbau fokussiert. Dies für dich nur als kleine Erklärung. Ich finde die Idee nämlich sehr interessant, aus dieser Kurzgeschichte ein Psychogramm der beiden Mädchen und ihrer Freundschaft zu machen, den Ton ruhiger zu gestalten und das Ende subtiler. Irgendwann schreibe ich das vielleicht mal um und lade es hoch. Danke für den Denkanstoß.

Vielen Dank für deine Überlegungen und Anmerkungen,
liebe Grüße
RinaWu

 

Liebe RinaWu,

Mädchenfreundschaften! Huh, da kann man ganze Bücher schreiben! Und fast jede Frau hat eine Geschichte zu diesem Thema zu erzählen. Aktuell lese ich (berufsbedingt) gerade ein Buch, das sich mit dem Thema Mobbing unter Mädchen beschäftigt und danach ist es fast immer die 'beste Freundin', von der die (zumeist gut versteckten) Aggressionen ausgehen.

Lisa brachte Sarah zum Lachen, sie verteidigte sie vor jedem, der es wagte, schlechte Worte auch nur anzudeuten. Das imponierte Sarah, es gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Doch seit sie zusammen aufs Gymnasium gingen, wurde Lisas Beschützerinstinkt erdrückend

Das scheint ein durchaus üblicher Verlauf zu sein. Und auch wenn das Ende in der Regel nicht so dramatisch ist wie in deiner Geschichte, so ist es doch Ziel und Höchststrafe, ein Mädchen von ihren sozialen Kontakten vollständig zu isolieren. Das hast du für mich super 'rübergebracht.

Ein bisschen unscharf blieb für mich, warum sich deine Prot auf das Spiel eingelassen hat.

Schwer atmend kletterte sie auf den nächsten Ast. Von hier aus konnte sie die Kante des Schuldachs greifen und sich hinaufziehen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und verfluchte diese verdammte Schnitzeljagd.

Das signalisiert doch eine ziemliche Anstrengungsbereitschaft für so eine sterbende Freundschaft.

Vor ein paar Wochen hatte Lisa einen Satz gesagt, der nun vor ihr schwebte in dicken roten Buchstaben. Ohne dich bin ich verloren!

Erklärt es ein wenig, kommt aber erst nach der Stelle mit dem Dach.

Die Idee mit der Schnitzeljagd finde ich auch klasse, würde die Geschichte ab Midpoint mehr Fahrt aufnehmen lassen und erklärende Nebensätze wie

Valeries Eltern arbeiteten oft bis spät in den Abend und ihr kleiner Bruder schien bei Freunden zu sein.

streichen, um die Spannungsdichte über kürzere Sätze zu erhöhen. (Hoffentlich verständlich ausgedrückt, manchmal schwaller ich ziemlich herum).

Ansonsten eine tolle Geschichte, die mich schaudern lässt - Mädchenfreundschaften eben.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

danke dir erst einmal für deinen Kommentar.

Und auch wenn das Ende in der Regel nicht so dramatisch ist wie in deiner Geschichte, so ist es doch Ziel und Höchststrafe, ein Mädchen von ihren sozialen Kontakten vollständig zu isolieren. Das hast du für mich super 'rübergebracht.
Den Absatz, den du da zitierst, habe ich ergänzt, nachdem Novak richtigerweise geschrieben hat, dass nicht klar ist, weshalb Sarah in Lisa überhaupt mal eine gute Freundin gesehen hat. Ich wollte damit ausdrücken, das Lisa damals durchaus Seiten hatte, die Sarah imponiert oder gefallen haben. Schön, dass das bei dir so funktioniert hat.

Ich glaube, ich muss mir überlegen, wie ich einfließen lassen könnte, weshalb Sarah sich auf die Schnitzeljagd einlässt. Meine Idee war ja, dass sie getrieben wird von einer Mischung aus Neugier und schlechtem Gewissen. Sie hat eigentlich keine Lust auf dieses Spiel, jedoch weiß sie, dass sie sich Lisa gegenüber nicht immer fair verhalten hat und will ihr dieses Geschenk nicht vermiesen. Als sie dann aufhören will und Lisa anruft, schlägt ihre Neugier in Besorgnis und Wut um, sie will zum Ende kommen und final mit Lisa klären, dass es so nicht weitergeht.

Die Idee mit der Schnitzeljagd finde ich auch klasse, würde die Geschichte ab Midpoint mehr Fahrt aufnehmen lassen und erklärende Nebensätze wie Valeries Eltern arbeiteten oft bis spät in den Abend und ihr kleiner Bruder schien bei Freunden zu sein.
streichen, um die Spannungsdichte über kürzere Sätze zu erhöhen.
Ich habe tatsächlich schon einiges weggestrichen, um das Tempo zu erhöhen. Den Nebensatz, den du hier erwähnst, habe ich nachträglich eingefügt, weil nicht klar war, warum Valeries Wohnung eigentlich leer ist. Daher würde ich genau diesen Satz gerne stehen lassen ;)

Ansonsten eine tolle Geschichte, die mich schaudern lässt - Mädchenfreundschaften eben.
:lol: So unheimlich sind wir gar nicht. Nach ein paar prägenden Erfahrungen in meiner Jugend habe ich nun äußerst gesunde und entspannte Frauenfreundschaften ;)

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo RinaWu

Ich habe gerade noch deine Antwort auf Schwups' Kommentar gelesen. So kann ich sowohl das Lob, das ich vorbereitet hatte, verstärken und die Kritik, die ich gehabt hätte, relativieren. Die Kritik wäre gewesen, dass ich von jemandem mit deinen erzählerischen Fähigkeiten noch etwas mehr an Plot(twist), an emotionaler Verstrickung, an Komplexität erwartet hätte, obwohl auch ich finde, dass man eine solche Geschichte sehr gut so erzählen kann, wie du es getan hast.

Dann habe ich gelesen, dass du mit diesem Text gezielt bestimmte Aspekte deines Schreibens verbessern willst, Spannungsaufbau, Dynamik etc. und das relativiert, was ich oben geschrieben habe, nein, macht es eigentlich obsolet. Du weisst ja, was der Text will und was nicht. Also zum Lob.

Ich habe an deinen Texten immer ein wenig rumgemäkelt, wie ich finde. Diesmal will ich eher so was wie eine kleine Bilanz ziehen. Erstens ist es toll, zu beobachten, wie gezielt du dein Repertoire zu erweitern, dich erzählerisch zu entwickeln versuchst. Und zweitens, noch besser, ist es schön zu sehen, wie das fruchtet. Ich finde, deine Text sind im letzten Jahr sprachlich und vor allem erzähltechnisch kontinuierlich besser geworden, wobei ja schon das Ausgangsniveau nicht gerade tief war. In einem Kommentar stand etwas von professioneller Schreibe und dem schliesse ich mich an.

Also, wenn man mal das Setting akzeptiert, diese Schnitzeljagd (und das habe ich), dann führst du den Leser gekonnt bis zum Schluss. Wenn man also auf das fokussiert, was dir wichtig war, der Aufbau von Spannung, dann ist dir das sehr gut gelungen. Und dies, obwohl ja das Ende etwas absehbar ist. Ich auf jeden Fall wollte nach jedem Zettel wissen, wie es weitergeht.

Details:

Sarah rannte die Treppe hinunter und öffnete die Tür, doch sie starrte nur auf den leeren gepflasterten Weg, der auf die Straße führte.

Das gefällt mir nicht so ganz. Es klingelt, ich sehe nach. Da sehe ich mich doch um, wechsle die Blickrichtung. Starren hingegen dauert. Ich bin da ein wenig drüber gestolpert.

Der Weg führte direkt ins Feld, kurz davor stand jedoch eine in die Jahre gekommene Turnhalle auf der rechten Seite, in deren Keller sich das Jugendzentrum befand.

Würde ich streichen. Das entsteht im Kopf des Lesers.

Sie trank einen Schluck, stierte in die Ferne und sagte dann achselzuckend:

Etwas pingelig, aber in einem Keller in die Ferne stieren? :Pfeif:

Danach hatte sie wieder gelächelt, aber Sarah konnte sich noch gut an diesen Blick erinnern. Enttäuschung war darin aufgeblitzt. Enttäuschung und ein Funken Wut.

Ich weiss nicht, ich fand Lisas Reaktion schon genug ambivalent (in die Ferne stieren). Und im Kontext dieses seltsamen Zettels macht man sich als Leser eh schon Gedanken. Wenn du das weglässt, hast du einen etwas sanfteren Einstieg. Mir war hier schon ziemlich unzweifelhaft klar, dass das nicht gut kommt. :D

Das war so typisch für Lisa. Von allem zu viel. Zu viel Aufmerksamkeit, zu viel Nähe, zu viel Eifersucht. Seit Valerie und Sarah sich öfter trafen, war es noch schlimmer geworden. Sarah hatte manchmal das Gefühl, Lisa wäre immer bei ihr, klammerte sich von hinten fest an sie und sah ihr bei allem über die Schulter.

Die Passage empfand ich als Wiederholung. Das war mir da schon völlig klar, du schreibst das im Abschnitt vorher schon ziemlich deutlich hin.

Ein Gedanke trieb sie an, der sich immer tiefer in sie hineinfraß. Vor ein paar Wochen hatte Lisa einen Satz gesagt, der nun vor ihr schwebte in dicken roten Buchstaben. Ohne dich bin ich verloren!

Fand ich gut. Führt den Leser auf eine zusätzliche und falsche Fährte.

Sarah schrie auf. Sie stand vor dem Badezimmer und starrte hinein. Alles war voller Blut. Das Waschbecken, die Fliesen, selbst der Spiegel. Der Badewannenvorhang war zugezogen. Sarah schnappte nach Luft. „Was hast du getan?“, flüsterte sie und hielt sich eine Hand vor den Mund. Mit der anderen griff sie nach dem Vorhang, zählte bis drei und riss ihn zur Seite.
Valerie hatte die Augen geschlossen. Sie trug ihr gelbes Sommerkleid, das Sarah so mochte.

Hast du das überarbeitet? Ich kann mich erinnern, das ich die Entdeckung bei der ersten Lektüre erzählerisch nicht so überzeugend fand. (Ich glaube, irgendwo stand noch ein "plötzlich"). Jetzt aber ist das sehr souverän präsentiert.

Cool! Gern gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,

wow, danke für deinen Kommentar. Ich empfand deine Vorschläge, Kritikpunkte und Anmerkungen eigentlich nie als "mäkeln", sondern eher als konstruktive Denkanstöße. Seit ich hier bin, habe ich sowieso gelernt, viel besser mit Kritik umzugehen, mich von meinen Texten ein Stück weit zu distanzieren und zuzulassen, dass ihn jemand angreift. Aber immer vor dem Hintergrund, dass ich dadurch nur lernen kann. Dein Lob an dieser Stelle freut mich aber ungemein. Vielen Dank! Es ist toll zu lesen, dass dir auffällt, was ich mit den unterschiedlichen Geschichten ausprobiere und dass es teilweise auch funktioniert. Danke!

Es klingelt, ich sehe nach. Da sehe ich mich doch um, wechsle die Blickrichtung. Starren hingegen dauert. Ich bin da ein wenig drüber gestolpert.
Stimmt! Habe ich geändert.

Etwas pingelig, aber in einem Keller in die Ferne stieren?
Stimmt auch! Habe ich leicht geändert.

Ich weiss nicht, ich fand Lisas Reaktion schon genug ambivalent (in die Ferne stieren). Und im Kontext dieses seltsamen Zettels macht man sich als Leser eh schon Gedanken. Wenn du das weglässt, hast du einen etwas sanfteren Einstieg.
Du hast recht, ohne diesen Zusatz ist der Einstieg subtiler. Habe ich gestrichen.

Hast du das überarbeitet? Ich kann mich erinnern, das ich die Entdeckung bei der ersten Lektüre erzählerisch nicht so überzeugend fand.
Ja, habe ich. Bea Milana hat mich dazu inspiriert, das Ende noch ein wenig auszubauen und somit die Entdeckung Valeries noch weiter hinauszuzögern. Es freut mich, dass dir das nun besser gefällt.

Peeperkorn, du hast mir heute ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert!
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo RinaWu,

nun auch kleiner, kurzer Kommentar von mir. Ich habe versucht herauszufinden, warum sooft die Kritik der Vorhersagbarkeit Deiner Geschichte kommt.

Bei der Kurzanalyse Deiner Geschichte ist mir aufgefallen, dass der Erzähler, der eigentlich aus Sarahs Perspektive erzählt, an einigen Stellen Vorahnungen einbaut, die Sarah an der zugehörigen Stelle nicht haben kann und die eine "alarmistische Stimmung" erzeugen.

So zum Beispiel in den ersten zwei Sätzen:

Schrilles Klingeln hallte durchs Haus. Sarah rannte die Treppe hinunter und öffnete die Tür, doch sie starrte nur auf den leeren gepflasterten Weg, der auf die Straße führte.

Warum ist das Klingeln "schrill"? Ich nehme nicht an, dass Lisa den Klingelton verändert hat. Aus Sarahs Sicht müsste sie doch eigentlich wie immer klingeln. Daher verwundert es auch, dass sie die Treppe hinunterrennt. Vielleicht macht sie das immer so, aber eigentlich ist es unmotiviert und der Leser denkt sofort: da stimmt was nicht. Sarah kann aber zu diesem Zeitpunkt der Geschichte nicht wissen, dass etwas nicht stimmt.

Ähnliches trifft auf den Absatz zu, der gleich nach dem ersten Zettel folgt:

Das war’s, mehr stand nicht darauf. Keine Unterschrift. Sarah wusste auch so, dass Lisa diese Nachricht geschrieben hatte. Zuckerstück. Ein dumpfes Gefühl machte sich in ihr breit. Wie Schmetterlinge im Bauch, nur ohne die Vorfreude. Lisa war so seltsam seit ein paar Monaten.

Warum macht sich gleich ein dumpfes Gefühl breit? Eigentlich wäre doch die normale Reaktion, dass sich Sarah vielleicht auf die Überraschung freut, die ihre "beste" Freundin Lisa bereiten möchte. Vielleicht denkt Sarah ein wenig über den Treffpunkt nach, der mit einem unangenehmen Gefühl verknüpft ist.

Ähnliche Vorahnungen, die nicht zu Sarahs Perspektive passen, finden sich später auch wieder. Ganz besonders stark ist mir das in dieser Passage aufgefallen:

„Halt den Mund!“, schrie Sarah sie an. „Du hast sie doch nicht mehr alle. Was soll dieser ganze Mist hier? Willst du eine Entschuldigung von mir? Die wirst du nicht bekommen. Das, was du hier machst, ist viel schlimmer, als das, was ich getan habe. Es reicht. Wo – ist – sie?“

"Das, was du hier machst, ist viel schlimmer, als das, was ich getan habe." Das trieft vor Vorahnung. Aber wenn ich mich in Sarah hineinversetze, dann ist sie doch in dem Moment in erster Linie wütend, vielleicht ein wenig froh, dass Lisa sich nichts angetan hat, und sehr verwundert, in welcher Situation sie steckt und wie sich Lisa verhält. Vor allem passt für mich das Wort "schlimmer" nicht, denn das was Lisa macht, ist einfach nicht normal, sondern verstörend und auch völlig anders, als Sarahs Handlungen. Wenn ich versuche mich in Sarah heinzudenken, würde ich das Wort "schlimmer" nicht verwenden, da ich meine Handlungen nicht mit denen Lisas in Verbindungen bringen könnte und sie daher auch nicht als eine Art Steigerung meiner eigenen Handlungen empfinden würde. Deswegen passt das Wort "schlimmer" meines Erachten nicht zu den Emotionen von Sarah und erhält dadurch diesen Vorahnungscharakter, der wiederum die Geschichte vorhersagbar macht.

Aus meiner Sicht hat Deine Geschichte durch die Schnitzeljagd schon ausreichend "drive", sodass diese Vorahnungen nicht nötig sind, um den Leser bei der Stange zu halten. Ganz im Gegenteil kann Ich mir vorstellen, dass die Vorhersagbarkeit stark abnimmt, wenn man solche "Vorahnungen", die nicht zum aktuellen Kenntnis- und Gemütszustand von Sarah passen, herausnimmt oder abschwächt.

Soviel zu meinen Gedanken als Schreibanfänger.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

danke dir für deine Überlegungen.

Was du als "Vorahnungen" siehst, waren für mich zum Teil einfache Beschreibungen der Umgebung oder Sarahs Gefühlswelt. Aber du hast recht, vor allem bei dem Wort "schlimmer", das trifft es tatsächlich nicht, das ist die falsche Wortwahl.

Ich werde den Text nochmal auf diese Andeutungen abklopfen und das ausbessern. Danke dir für diesen wertvollen Hinweis.

Aus meiner Sicht hat Deine Geschichte durch die Schnitzeljagd schon ausreichend "drive", sodass diese Vorahnungen nicht nötig sind, um den Leser bei der Stange zu halten. Ganz im Gegenteil kann Ich mir vorstellen, dass die Vorhersagbarkeit stark abnimmt, wenn man solche "Vorahnungen", die nicht zum aktuellen Kenntnis- und Gemütszustand von Sarah passen, herausnimmt oder abschwächt.
Da ist was dran!

Liebe Grüße
RinaWu

 

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