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Nur fünf Stunden

Challenge 3. Platz
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11.05.2014
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Nur fünf Stunden

Erste Stunde​

Sie setzte sich auf die Rückbank und zog die Autotür zu. Im Wageninneren war es warm. Es roch nach Leder und einem Hauch von Wunderbaum, grüner Apfel. „Hallo“, sagte sie.
Der Fahrer schaute über die Schulter und lächelte. „Juten Tach. Einmal nach Prag?“
Sie erwiderte das Lächeln nicht. „So sieht’s aus. Hauptbahnhof.“
Der Fahrer sah jünger aus als auf seinem Profilbild bei blablacar. Mehr Haare, gepflegterer Bart. Er nahm sein Handy und tippte etwas ein. Grünes Menü, eine blau markierte Straße. „Guugel sacht, nur fünf Stunden. Jute Verkehrslaje.“
„Super“, sagte sie tonlos und sah dann aus dem Fenster. Regentropfen sammelten sich auf der Scheibe.
„Is selten so kurz vor Weihnachten.“
„Hm.“ Sie wollte nicht reden und hoffte, er würde einfach losfahren und schweigen und sie die fünf Stunden nicht nerven. Was machen Sie beruflich? Was wollen Sie in Prag? Haben Sie Familie da? Vielleicht könnte sie sogar schlafen. Wenn nicht fünf Stunden, dann vielleicht zwei. Im Schlaf würde sie nicht an Marisa denken. Und an die letzten WhatsApp-Nachrichten.
I’m so excited to finally see you.
Me too. Can’t wait.

Wieder dieses Ziehen in ihrem Magen. Als hätte sie was Schlechtes gegessen, das unbedingt rauswollte. Stressdurchfall, hätte ihre Mutter gesagt. Und das Gefühl würde bleiben, die ganze Fahrt über. Sie schnallte sich an und lehnte ihre Stirn an die kühle Fensterscheibe.

Der Fahrer startete den Wagen, fuhr los und die Straße zog vorbei. Laternen und Häuser und Autos, verschwommen hinter regennassem Glas. Passanten auf den Fußwegen bloß wandernde Wintermäntel, Schritte schnell, Köpfe eingezogen.
Sie schloss die Augen. Die sanfte Vibration des Wagens, die Wärme der Heizung, der weiche Sitz. Gedanken an Marisa kehrten zurück. Und dieses Ziehen. Sie wollte kotzen, bis dieses Gefühl ihren Körper verließ. Oder zumindest hier raus, aus dem fahrenden Auto springen, alles abblasen.
„Ihr erstet Mal?“
Sie öffnete die Augen und die Welt kehrte zurück. Das Innere schwarz mit einem Fremden am Steuer und draußen nur das Grau. „Was?“
„Ridesharing“, sagte er. „Machense dit zum ersten Mal?“
Ihre Blicke trafen sich im Rückspiegel. „Nein.“
„Jute Erfahrungen jehabt bisher?“
„Ja.“
„Nach Prag ooch?“
„Nein. War da noch nie.“
„Schöne Stadt.“
„Hm.“
„Und was machense da? Urlaub?“
Sie atmete tief durch die Nase ein. „Eine Freundin besuchen.“
„Verstehe. Weihnachten unter Freunden?“
„Nur wir zwei.“
Er sah in den Seitenspiegel, setzte den Blinker und bog ab. Die Welt außerhalb des Autos dreht sich um neunzig Grad nach rechts. „Wollense Musik hörn?“
„Nein“, sagte sie. „Ich mag die Stille. Und ich würde gerne schlafen, ja?“
„Stille Nacht“, sagte er und grinste. „Is jut.“

Sie fuhren eine Weile schweigend weiter. In der Ferne ein Hupen, Motorengeräusche überall, eine Straßenbahn überholte von links, quietschte über die Schienen. Sie wurde die Übelkeit nicht los. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie geglaubt, sie wäre schwanger. Hormone am Durchdrehen. Ihr Mund war trocken. Und die Stille wirkte bedrohlich, zwang sie tief hinein in ihre Gedanken, in die Angst.
Vom Rückspiegel baumelte ein Kruzifix. Es schwang sanft hin und her mit den Unebenheiten der Straße. „Sind Sie religiös?“, fragte sie, um sich von dem Ziehen im Magen abzulenken.
Er sah zum Kruzifix. „Manchmal.“
„Manchmal?“
„Kommt drauf an, wasse mit relijös meinen.“
„Glauben Sie an Gott?“
„Sie stellen ja gleich die heftgen Frajen, wa.“
„Warum auch nicht?“
„Na ja, die Leude streiten sich ständich drübber. Muss ick nich ham.“
„Ich will nicht streiten.“
„Sicher? Klingt aber so. Und dit versaut nur die Stimmung hier.“
„Sie könnten mich rausschmeißen.“
Er zögerte einen Moment, musterte sie im Rückspiegel und sagte: „Na dann. Aber ja … schwierich … Ick seh die Tiere und die Pflanzen und dit alles, und da weijere ick mich, dit als Zufall hinzunehmen, wissense?“
„Jemand hat sich also hingesetzt und das alles geplant? Wollen Sie das damit sagen?“
„Na ja, wennse planlos ein Haus baun, klappt vielleicht per Zufall mal wat. Wenn überhaupt, ja? Aber wennse alles durchplanen, ist dit große Janze ziemlich stark, wa. Also, im besten Fall. Wie unsa Planet mit den Vöjeln und Fischen unso weiter.“
„Evolution“, sagte sie.
„Mach sein, aber so perfekt? Ick gloob, dit da ein Plan hintersteht.“
„Ausgetüftelt von einem alten Mann auf einer Wolke?“
„Das sagense immer, wenn ich über so wat spreche. Aber Jott is keene Person. Find ick. Eher wie ein … Enerjiefeld, dit allet zusammenhält.“
„Ein spirituelles?"
„Dit bedeutet oft durchjeknallt, oder? Für mich ist’s eher so dit pure Leben. Mehr als essen und schlafen und nur atmen. Dit große Janze halt.“
„Also doch spirituell.“
„Wennse meinen.“
„Na ja … Kreation nach dem Bauplan einer … was jetzt eigentlich? Kosmischen Energie? Klingt doch eher nach Fantasy.“
Er schnaubte. „Sie streiten sich ja nu doch.“
„Fällt mir nur schwer, so was einfach hinzunehmen.“
„Sind dann wohl eher unrelijös?“ Sie hielten an einer Ampel. Das rote Licht verteilte sich über die Windschutzscheibe, sammelte sich in Wassertropfen wie leuchtendes Blut.
„Ich bin Erzieherin.“
„Is keene Antwort.“ Er musterte sie erneut im Rückspiegel und wartete.
Sie sagte: „Ich habe zu viel Scheiße gesehen, um an einen Gott zu glauben. Oder ein Kraftfeld, was auch immer. Ist ein bisschen schwierig, an Gottes Willen zu glauben, wenn Kinder mit blauen Flecken ankommen, weil Papa wieder gesoffen hat. Oder eine Mutter ihr krebskrankes Kind aus der Kita nehmen muss.“
Bei diesen Worten verzog er das Gesicht. Als hätte er plötzlich Seitenstechen. „Ditwegen bin ick nur manchmal relijös.“
Sie kratzte sich am Nacken. „Religiöse Leute sind mir auch zu … arrogant.“
„Arrogant?“
„Sie glauben, sie hätten auf alles eine Antwort. Den Tod und das alles. Und fühlen sich deshalb allen anderen überlegen. Als wären Atheisten Kinder, die immer wieder heiße Herdplatten anfassen, weil sie es nicht besser wissen.“
„Also ick seh dit nich so“, sagte er. „Ick fühle mich nich besser oder schlechter als Sie. Denk ich. Am Ende is es doch ooch nur meene Sache. Steht ja jedem frei.“
„Im Grunde ist‘s mir auch egal. Sie können glauben, woran Sie wollen. Solange wir heil ankommen.“
„Dit ist der Plan“, sagte er. „Und Sie haben damit anjefangen. Brauchen dann nich sauer werden, wenn Ihnen meene Antwort nich jefällt. Is halt ooch ein schwierijes Thema, ne.“ Die Ampel sprang auf Grün und sie fuhren weiter.
Sie lehnte ihre Stirn wieder gegen die Scheibe. Insgeheim hatte sie gehofft, einen Streit anfangen zu können, herausgeschmissen zu werden. Dann wäre ihr die Entscheidung abgenommen worden, und sie hätte Marisa geschrieben, dass sie an Weihnachten doch nicht in Prag sein könne.


Zweite Stunde​

Die Autobahn. Das graue Band der Leitplanke und dahinter Wälder und Dörfer und Regenwolken. Gelegentlich ein blaues Schild mit Orten und Zahlen. Beim Überholen von Lastern spritzten dicke Tropfen gegen die Fenster und die Frau konnte kaum noch etwas erkennen und was sie sah, war farblos. Als betrachte sie die Welt durch einen Fernseher, die Sättigung gen Null gestellt.
„Warum sindse Erzieherin jeworden?“, fragte er.
„Hat sich so ergeben“, sagte sie.
„Dit is allet?“
„Soll ich Ihnen jetzt meine Lebensgeschichte erzählen, oder was?“
„Warum nich? Wir ham Zeit. Und Musik hörn, wollense ja nicht.“
Sie schwieg einen Augenblick. Das Rollen der Reifen über Asphalt und das monotone Brummen des Motors und das gelegentliche Prasseln von Wasser beim Überholen und überholt werden. Er gähnte.
„Na gut, bevor Sie mich noch weiter nerven. Oder einpennen.“ Sie sah zu den Fichten in der Ferne. Weihnachtsbäume ungeschmückt und roh und wild. So eine hatte im Wohnzimmer ihrer Eltern gestanden. Viele Jahre war es her, dass sie dasaß, ihrem Vater gegenüber, und er hustete und da war ein Rasseln in der Brust und seine Stimme war ganz rau, als er sagte, er sei stolz auf sie. Auf ihr Einser-Abi und die besondere Ehrung auf der Abschlussfeier. Ein schlaues Buch und fünfzig Euro, überreicht von einem kahlköpfigen Mann in Anzug und Krawatte.
Was willst du nun machen? Studieren?, fragte ihr Vater.
Weiß ich noch nicht.
Bist schlau. Du kannst alles lernen.
Kann sein.
Jura vielleicht. Dein Onkel ist doch Anwalt, er kann dir Tipps geben.
Jura ist langweilig.
Hm. Dann vielleicht Psychologie oder so?
Das macht doch auch jeder. Der Markt ist voll mit solchen Studenten.
Aber was willst du denn machen?
Weiß ich noch nicht, okay?
Aber wenn nicht jetzt …
Lass uns einfach den Tag genießen.
Hauptsache, du machst ordentlich Schotter.
Der Vater grinste. Kannst dann ja was rüberwachsen lassen. Meine Rente aufbessern. Dann lachte er. Bis er wieder husten musste. Sein Oberkörper krümmte sich und als der Anfall vorüber war, entdeckte sie Tränen in seinen Augenwinkeln. Er wischte sie weg und atmete tief ein. Wieder dieses Rasseln. Die Mutter kam in das Zimmer, einen Karton in den Armen. Christbaumkugeln und Plastikkerzen und eine Baumkrone in Form eines Engels.
Hilfst du mir beim Schmücken?
Klar.
Ihr Blick verweilte noch bei ihrem Vater. Soll ich dir vorher einen Tee machen?
Passt schon. Der Husten ist immer so schlimm, wenn’s kälter wird.

Ein Jahr später. Weihnachtsfeier im Speisesaal der Uni. Überall lachende Studenten und Glühwein und Weihnachtsmusik. All I want for Christmas is you. Vor ihr der große Weihnachtsbaum, der mitten in der Mensa stand, im Mittelpunk des Geschehens wie die Achse eines Rades. Auf der Spitze thronte ein goldener Engel. Als sie diesen erblickte, erinnerte sie sich an den Baum zuhause und alles verschwamm hinter einem Schleier aus Tränen und die Geräusche wurden leiser. Als stünde sie allein vor diesem Baum, der einzige Mensch, der traurig sein konnte an so einem Abend. Niemand beachtete sie, wie sie dastand und geräuschlos weinte. Dann kam er. Er blieb vor ihr stehen in seinem karierten Hemd mit Rentieren darauf. In der Hand eine Tasse Glühwein, aus der Dampf aufstieg. Er legte die Stirn in Falten und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen.
Passt schon.
Sicher?
Ja. Es ist nur … mein erstes Weihnachten ohne Papa.

„So war das damals“, sagte sie und wandte den Blick vom Fichtenwald ab und zum Kruzifix, das silbern schimmerte. „Hab erst Medizin studiert. Wegen Papa. Ich dachte, wenn ich genug über Krankheiten und Behandlungen und all das lerne, könnte ich ihn retten. Aber es hat zu lange gedauert. Oder er ist zu schnell gestorben. Wie auch immer … Ist dann nichts geworden mit dem Studium und ich habe ne Ausbildung zur Erzieherin angefangen.“
Der Fahrer schwieg einen Moment und sagte dann: „Mit Ihrem Vadder … Ick weeß, wie sich dit anfühlt. Es tut mir sehr leid.“
„Schon okay. Ist lange her.“ Schweigend fuhren sie weiter.


Dritte Stunde​

Die Tachonadel verharrte bei 130. Sein Fuß ruhte auf dem Gaspedal, hielt die Geschwindigkeit. Der Verkehr hatte zugenommen. Er hoffte, dennoch ohne Verzögerungen anzukommen. Der Himmel wurde immer dunkler, ihm war, als würde er nach und nach erblinden. Er schaltete das Abblendlicht ein. Der Regen nahm zu und er drückte den Hebel rechts vom Lenkrad ganz nach oben. Die Scheibenwischer wurden schneller, begleitet von mechanischem Surren und dem leisen Quietschen des Gummis auf der Scheibe.
Die Frau auf der Rückbank starrte aus dem Fenster, blinzelte nicht, regte sich kaum. Als wäre sie tief in Gedanken. Er lauschte den Wischern, dem Motor, dem Trommeln des Regens auf dem Dach. Er spürte, wie sich sein Brustkorb hob und senkte, wie Atemluft durch seine Nase strömte. Er gähnte erneut.
„Was meinten Sie damit?“
Er erschrak und dachte, er wäre kurz eingenickt. Er hob den Blick, schaute in den Rückspiegel, und die Frau sah ihn an. So intensiv, als wollte sie ihn niederstarren. „Wegen meines Vaters. Sie sagten, Sie wissen, wie sich das anfühlt … Was meinten Sie damit?“
„Tja … also ick …“ Die Frau hörte nicht auf, ihn anzustarren. „Ick ...“
Sie sagte: „Fänd‘s jetzt nur fair. Habe Ihnen schließlich auch von Papa erzählt.“
„Nun …“ Er umklammerte das Lenkrad etwas fester. Das Kunstleder knirschte. „Okay … nun …“

Er saß auf seinem Sofa. Das Wohnzimmer verdunkelt, die Gardinen zugezogen. Nur ein schmaler Spalt Sonnenlicht fiel hinein. Staubkörner tanzten darin. Er beobachtete sie, um seine Frau nicht ansehen zu müssen, die mit verschränkten Armen in der Tür stand. Während sich die Partikel umkreisten wie Walzertanzende, sagte seine Frau: Ich gehe.
Hm.
Hm? Das ist alles?
Wat soll ick denn sajen? Hast dich doch schon entschieden.

Nun sah er sie doch an und da lag Trauer in ihrem Blick. Er wollte aufstehen, sie umarmen, ihr sagen, dass auf Regen Sonnenschein folge, doch das erschien ihm so leer und bedeutungslos und kindisch und er glaubte selbst nicht daran. Und selbst wenn er wollte, er konnte nicht aufstehen. Als wäre seine Hose an das Sofa geklebt.
Seine Frau lehnte sich gegen den Türrahmen und senkte den Blick. Sie sagte: Tut mir leid. Ick kann dit nicht mehr.
Ick ooch nich.
Diese Stille hier.
Ick weeß.
Ick habse ooch verlorn.
Ick weeß.

Sie räusperte sich, presste die Lippen zusammen, so als würden ihre nächsten Worte Überwindung kosten. Und du sitzt hier nur rum und trinkst Bier und frisst Pizza.
Vor ihm auf dem Tisch leere Pizzakartons und Bierdosen. Der Tisch voller Flecken und Staub, lange nicht geputzt. Ick weeß nich, wat sonst tun.
Keene Ahnung. Reden?
Dit bringtse nich zurück.
Aber saufen, oder wat?
Nein. Aber dann denk ick wenichstens nich dran. Kurz.
Du solltest vielleicht.
Ick … ick …
Nachts … wenn ick weene … dann ... Und du bist nich da. Sitzt hier besoffen rum oder liegst im Badezimmer auf den beschissenen Fliesen wie der letzte Alki.
Tut mir leid.
Wenn du’s nur auch so meenen würdest.

Schweigen. Vor ihm sein Spiegelbild im ausgeschalteten Fernseher. Verzerrt und fremd. Der Schädel fast kahlgeschoren, der Bart ungepflegt, der Bauch als hätte er ein Kissen unter das Hemd gestopft. Er spürte den Blick seiner Frau auf sich, doch rührte sich nicht, lauschte seinem Atem, starrte den Fremden im Fernseher nieder.
Ick jeh zu meiner Mutter. Falls wat is, die Nummer haste.
Ja.
Pass auf dich auf, ja?
Gleichfalls.
Ick … ick denke, ein bisschen Abstand tut uns jut.
Hast recht.
Auf annere Jedanken kommen. Tapetenwechsel.
Hm.

Sie zögerte noch einen Moment, drehte sich dann um. Er hörte ihren Koffer durch den Flur rollen, das Klimpern der Schlüssel, das Öffnen der Tür, wie sie ins Schloss fiel, dann Stille. Er nahm sich eine ungeöffnete Bierdose. Sie war noch kühl. Kondensierte Tropfen rannen über das Blech, über seine Finger, landeten auf seiner Jogginghose. Dunkle Kreise auf grauem Stoff.

Er öffnete die Dose, es zischte und knackte und der Geruch von Bier stieg auf. Doch er hielt inne. Er sah erneut sein Spiegelbild im Fernseher. Diesen fetten Mann, der älter wirkte als er tatsächlich war. An der Wand über dem Fernseher hingen Familienfotos. Am Strand, im Herbstwald, am Tisch bei seiner Mutter. Er und seine Frau und seine Tochter, lächelnd in der Zeit gefangen. Auf einem Bild feierten sie Weihnachten. Der Baum behangen mit weißem Lametta und pinken Kugeln und unter dem Baum Geschenke. Quadrate und Rechtecke mit rotem und grünem Papier umwickelt, darauf Schneemänner und Zuckerstangen und Rentiere. Seine Tochter saß vor den Geschenken auf dem Boden. Ihre Augen warfen das Licht der Kamera rot zurück und ihrem breiten Grinsen fehlten ein paar Zähne und ihr Kopf war kahler als seiner es war. Drei Monate später hatte die Leukämie gesiegt. Und es blieben nur die Bilder, auf denen seine Tochter auf ewig festgefroren ist in diesem Zustand, in diesem Alter, so unveränderlich wie der Lauf der Erde um die Sonne. Nur er wurde älter und fetter und blieb allein zurück mit den Spielsachen, die sie nie wieder anrühren, der Kleidung, die sie nie wieder tragen würde. Allein mit dem Echo ihres Lachens.

Er trank Bier und bestellte Pizza. Über eine App, um mit niemandem sprechen zu müssen. Und mit vollem Bauch trank er später mehr Bier, dann Wodka, immer weiter, bis er die Bilder an der Wand nicht mehr erkennen, das Spiegelbild im Fernseher nicht mehr zuordnen konnte.
„Scheiße“, sagte die Frau auf dem Rücksitz.
„War ne beschissene Zeit, ja.“
„Wie … wie haben Sie das überwunden?“
„Wat meinense?“
„Also … Sie sehen besser aus. Gesünder.“
„War nich leicht. Schritt für Schritt. Und ich hab mich jezwungen, unner Leude zu jehn.“
„Deswegen auch blablacar?“
Er nickte. „Unner andrem.“
Sie sagte: „Verdammt. Tut mir echt leid, das mit Ihrer Kleinen. Ich hätte nicht fragen sollen.“
„Schon okay. Ist lange her.“ Sie sahen sich im Rückspiegel erneut in die Augen und beide lächelten müde.


Vierte Stunde​

„Ach kacke“, sagte er.
Sie spähte zwischen den Sitzen auf die Straße. Ein Stauende. Bremslichter und Warnblinker brachen sich rot und gelb in den Regentropfen, die wie kleine Bäche über die Windschutzscheibe rannen. „Na toll.“
Er legte den Kopf in den Nacken und stöhnte gen Sonnenblende.
Sie rieb sich die Stirn. „Was sagt Google?“
Er nahm sein Handy. Die blaumarkierte Straße war dunkelrot geworden. „Jeht noch. Unjefähr eine Stunde extra.“

Stop and go, die Minuten vergingen in Stille. Links sammelten sich immer mehr Autos, rechts die LKW wie eine Wand. Die Mittelspur wirkte enger. Im Inneren des Wagens gab es nur das Armaturenbrett als Lichtquelle. Tacho und Tankanzeige warfen bläuliches Licht auf die Finger des Fahrers, aus denen dunkle Härchen wuchsen, die im Halbdunkel aussahen wie Bleistiftstriche. Der Fahrer fragte: „Sinse mit dem zusammenjekommen?“
„Wie bitte?“
„Mit dem Typen, derse da jetröstet hat inner Mensa. Sinse mit dem zusammen?“
„War ich. Ein paar Monate.“
„So?“
„Hat sich rausgestellt, er tröstet auch gern andere.“
„Watn Arsch.“
„Sie sagen es.“
„Is auch lange her, wa?“
„Schon, aber ich hatte daran zu knabbern.“
„Inwiefern?“
„Keine Ahnung. Da war so eine Leere danach. Ich schätze, ich war einfach sehr allein.“
„Dit gloob ick. Studieren inner annern Stadt und so.“
„Ja, und das Medizinstudium hat nicht viel Raum für Freundschaften gelassen. Also, so richtige.“
„Wat hamse dann jemacht? Neuen Freund jefunden?“
„Nicht direkt ... Ich ... na ja, das geht Sie eigentlich nichts an, oder?“
„Aber?“
„Aber was?“
„Ick hab dat Jefühl, Sie wollen trotzdem drüber reden.“
„Und wenn nicht?“
„Dann nich.“
„Mann, machen Sie das öfter? Leute so ausquetschen? Ist ja fast wie ein Beichtstuhl hier hinten.“
„Hilft manchmal, dit einfach rauszulassen, wat da so drückt.“
„Auch, wenn Sie mich gar nicht kennen?“
„Vor allem dann. Wat meenense, warum man beida Beechte den Pfarrer nich sieht.“
Sie starrte auf den Sitz vor sich und lächelte traurig. „Na ja ... wenn Sie meinen und es unbedingt wissen wollen. Also, nach der Trennung ... ich hatte danach viele Männerbekanntschaften. Nie was Festes. Reicht Ihnen das?“
Er hob beide Augenbrauen und seine Mundwinkel zuckten, als wollte er etwas sagen, doch er wartete.
Sie lauschte dem Regen und sagte nach einer Weile: „Ich habe schnell gemerkt, dass ich so nicht leben kann.“
„Wo hattense die Kerle denn her?“
„Tinder hauptsächlich.“
„Und davon taugte keener wat?“
„Ich wollte so was gar nicht. Beziehung und so.“
„Hm.“
„Und dann ein Jahr, nachdem wir uns getrennt hatten, wieder an Weihnachten, da war es am schlimmsten.“
„Wat warn los?“
„Ganz komisch. Wie so ein Jucken, das nur verschwand, wenn … Sie wissen schon …“
„Hm.“
„Aber na ja ... Wollte einfach nur für ein paar Minuten an nichts denken, wissen Sie? Da waren Männer ... na ja, es war halt einfach, von ihnen das zu bekommen, was ich wollte.“
Er räusperte sich. „Dit heeßt aber, Ihnen jeht’s jetze besser?“
„Schätze schon. Ich habe dann aber nichts mehr fürs Studium getan, bin kaum zur Uni gegangen und Kohle hatte ich auch keine mehr. Musste abbrechen.“
„Verstehe.“
„Kann man nicht mehr ändern. Ich hure jedenfalls nicht mehr rum, falls Sie das jetzt wissen wollten.“
„So war dit nich jemeint.“
„Das letzte Mal an Silvester. Vor vier Jahren, glaube ich. Ich lag danach nur da und habe an die Decke gestarrt und geweint. Tagelang. Da hab ich es dann gelassen. Seitdem hatte ich nichts mehr mit Männern.“
Er hob wieder die Augenbrauen, doch sagte nichts. Er sah sie bloß im Rückspiegel an, sein Gesicht von fahlem Blau im Licht der Armaturen. Wie ein Gespenst.

Sie wandte sich ab und musterte den LKW auf der linken Spur. Spedycja stand da, die anderen Buchstaben wie wahllos aneinandergereiht und unaussprechlich.
Er nahm sein Handy und scrollte einen Augenblick, sagte dann: „Nächste Abfahrt isn Burger King. Ick hab Kohldampf und dit dauert hier noch wat. Hamse Hunger?“
„Jetzt? Wir sind doch bald da.“
„Nur paar Minuten. Dit macht den Braten auch nich mehr fett. Ick bezahl ooch.“
„Na ja, ein paar Pommes könnte ich vertragen, denke ich.“
„Jut.“
„Okay.“


Fünfte Stunde​

Sie saßen an der Fensterfront und wenn sie rausschauen wollten, zu den geparkten Autos und der Autobahn dahinter, sahen sie nur ihre verwaschenen Spiegelbilder im Glas. Wenige Kunden waren da, unterhielten sich gedämpft, bissen zwischendurch von Burgern ab, saugten Cola und Sprite durch Strohhalme.
Sie aß eine Pommes. Ein bisschen zu weich, doch gut gesalzen.
Er kaute einen Chilli-Cheese-Burger und schluckte und fragte: „Darf ick frajen, wat mit Ihrer Mutter is?“
„Der geht’s gut. Sie verbringt Weihnachten mit meinen Tanten.“
„Und Sie ham da keen Bock druff?“
„Ach, die reden über Krankheiten und wer schon wieder alles gestorben ist. Muss ich nicht haben.“
„Aber is doch Heilichabend.“
„Die kommen ohne mich klar.“ Sie steckte sich drei Pommes gleichzeitig in den Mund, betrachtete dabei die Maserung des Fliesenbodens, sagte dann: „Und Sie reden früher oder später wieder über Papa. Die gute alte Zeit. Ich kann das nicht.“
Er nickte und tupfte sich mit der rauen Serviette über die Lippen. „Und Ihre Freundin, wer is dit?“
„Sie sind ganz schön neugierig.“
„So? Nachdem, watse mir schon allet erzählt ham, is dit doch recht harmlos.“
„Na ja, war schon peinlich, oder? So was erzähle ich nicht mal meiner Mutter. Das mit den Männern.“
„Manche Dinge sacht man lieber einem Fremden. Oder bereuense, datse mir dit erzählt ham?“
„Nicht wirklich, nein. Weiß auch nicht, das wollte halt raus. Irgendwie.“
„Tut jut, wa?“
„Schon.“
„Also? Ihre Freundin?“
„Na ja, die hab ich auch auf Tinder gefunden.“
„Seit der Sache mit den Männern stehnse also auf Frauen?“
„Weiß nicht genau, wie lange schon. Ein paar Jahre.“
„Und die wohnt in Prag?“
„Ja.“
„Wie meene Freundin.“
„Sie sind geschieden?“
„Jep, die Ehe hat die Leukämie ooch nich überstanden.“
„Das tut mir leid.“
„Is vielleicht besser so. Dat wäre nimmer wat jeworden. Zu viele Wunden. Zu tief ooch.“
„Dachte, die Scheidung ist verpönt unter Christen?“
„Mir ejal. Und ich bin noch nich lange dabei.“
„Und Ihre Freundin? Ist die auch religiös?“
„Manchmal.“
Sie schnaubte. „Und wo haben Sie die getroffen? In der Kirche?“
„Die hat mir Jott jeschickt. Im Internet.“ Beide lächelten.

Ein Paar betrat Burger King. Zwischen ihnen ein kleines Mädchen in lila Winterjacke. Auf dem Kopf eine Mütze, tief ins Gesicht gezogen, die Hände behandschuht. Sie sah dem Mädchen zu, wie es durch den Raum watschelte, sich mit großen Augen umsah, als wäre alles ganz neu. Wie ein Alien, das zum ersten Mal ein Restaurant betrat und Menschen essen sah.
Er folgte ihrem Blick. „Süß.“
„Hm?“
„Die Kleene.“
„Mag sein.“
„Sie mögen keene Kinner?“
„Sie … sie machen mir Angst.“
„Angst?“
„Man zieht sie auf und möchte ihnen alles mitgeben für’s Leben und am Ende fehlt doch immer was.“
„Na ja, man kann nich allet wissen, oder? Niemanden auf allet vorbereiten.“
„Das ist es ja. Was ist, wenn ich sterbe und mein Kind ist nicht bereit dafür? Und ich hinterlasse ein Loch, das nicht gefüllt werden kann? Ein weiteres versautes Leben. Wie bei mir.“
„Also, ick denke bestimmt nich, dass Ihr Leben versaut is.“
„Das ist lieb von Ihnen. Aber dennoch bin ich oft traurig. Auch in der Kita. Wenn ich die Kleinen sehe … so unberührt. Wie leere Gläser und unser Wissen und unsere Erfahrungen sind das Wasser, das wir da reinkippen. Und manchmal kommt da richtiger Dünnschiss zusammen.“
„Und doch jehört dit dazu.“
„Weiß nicht, ist doch recht grausam. Manchmal. Na ja, das ist ja alles auch egal. Kinder werde ich eh nie haben.“
„Weilse Fraun lieben?“
„Finden Sie das unnatürlich? Wegen der Religion und so?“
„Liebe is Liebe, vor allem an Weihnachten, wa. Und heutzutage is es nicht so einfach, wen zu finden hier draußen. Da is es doch ejal, wat zwischende Beene baumelt. Hauptsache, Sie sin glücklich.“
„Sie sind mir ein komischer Christ.“
„Ein moderner.“ Er grinste.
Das Mädchen blieb bei ihrem Tisch stehen und beäugte sie neugierig, ohne zu blinzeln. Als würde es ein Kunststück erwarten. Sie starrte zurück in diese hellblauen Augen. Dann lächelte sie und zwinkerte dem Mädchen zu und als Antwort steckte es sich einen Finger in den Mund und starrte weiter. Erst als der Vater rief, wandte sich die Kleine ab.
„Und Sie?“
„Mitte Kinners?“
„Ja.“
„Der Zuch is abjefahrn. Sin scho zu alt. Und … na ja.“
„Sie wollen Ihre Kleine nicht ersetzen?“
„Ick gloob nich, dass dit möglich is. Aber die Kraft, von vorn zu beginnen … gloob nich, dat ich die hab.“
„Hm.“
„Allet nich so einfach.“

Minuten später hatte er seine Burger aufgegessen und faltete die Hände auf dem Bauch und lehnte sich im Stuhl zurück, der dabei knarzte, und sah dann aus dem Fenster, wobei er nur sich selbst sehen konnte. Er und sie und eine dunklere, unschärfere Version des Lokals. Wie eine Schattenwelt. „Is meine letzte Tour.“
„Nach Prag?“
Er nickte langsam. „Ick werde meine Freundin fragen, obse mit mir zusammziehen möchte. Ob Prag oder Berlin oder wat ooch immer. Hauptsache zusamm. Dann muss ick an Wochenenden und Feiertagen nich mehr so ewig rumgurken. Und dit hat wat von Familie dann.“
„Und sie wird Ja sagen?“
„Ick denke. Sind nun scho drei Jahre zusamm und es läuft echt prima.“
„Wann haben Sie den Entschluss gefasst?“
„Mit ihr zusammenzuziehen?“
„Ja.“
„Vorhin.“
„Echt jetzt?“
„Jep, als ich dit Stauende sah. Da hab ick keen Bock mehr druff.“
„Das ist alles? Ich dachte, da kommt jetzt was Inspirierendes.“
„Sorry. Aber manchmal möcht man einfach ankommen, wissense? Ick find, es wird Zeit.“ Bei den Worten sah er ihr tief in die Augen und lächelte väterlich, und sie spürte Wärme in ihren Wangen aufsteigen und sah weg.
„Ja“, sagte sie. „Das … das wäre schön.“
„Nich wahr? Und Sie?“
„Ich?“
„Alswa losjefahren sind, warnse so … zornich.“
„Zornig? Na ja, nicht wirklich. Nervös eher. Tut mir leid, dass ich Sie so angemacht habe wegen der Religion und so.“
„Schon okay. Also?“
„Also was?“
„Warum warnse so nervös? Wegen Ihrer Freundin?“
„Marisa. Wir schreiben schon seit Monaten, aber heute sehen wir uns zum ersten Mal. An Weihnachten hat man halt mal frei, wissen Sie.“
„Und nun gloobense, dit wird’n Desaster?“
„Weiß nicht. Hatte noch nie was mit einer Frau. Nie was … Echtes. Mehr als Sex halt.“
„Gloob, im Kern ticken alle Menschn leich. Ejal, ob Mann oder Frau. So is dit inner Liebe. Kuscheln wollnse alle.“
„Kann sein. Trotzdem habe ich Angst. Was ist, wenn ich was Falsches sage? Oder ihr nicht gefalle? Oder stinke, oder so?“
„Stinken? Echt jetze? Sie machen sich ja Sorjen … wie ein Teenie. Ick schätzese da reifer ein. Ick gloob, der Grund is ein anderer.“
„So gut kennen Sie mich also schon? Na, da bin ich ja mal gespannt.“
„Es liegt dran, dat Weihnachten is.“
Sie sagte nichts.
Er lehnte sich vor. „Sie ham so viele schlechte Erfahrungen an Weihnachten jemacht, datse denken, an Weihnachten wird nu alles schiefjehn.“
Ihr Vater, die vielen Männer, die Tränen in der Mensa, ihre Mutter und die Tanten, die sich jedes Jahr selbst bemitleiden. Sie nickte langsam und sagte leise: „Weihnachten ist wie verflucht.“
Er lachte und sie zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist so witzig?“
„Die Leude faszinieren mich immer widda. Reden davon, dasse an nichts mehr glooben un dann imma so wat.“
„Was hat das damit zu tun?“
„Ick gloobe an göttliche Enerjie, und Sie glooben, Weihnachten is verflucht. Wo is da der Unterschied?“
„Was? Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.“
„So? Warum jehnse dann davon aus, dat jedes Weihnachten ein Reinfall wird?“
„Keine Ahnung. Trauma?“
„Und bevor ihr Vater jestorben is? Hattense da nie schöne Weihnachten?“
„Schon, aber …“
„Wie viele Jahre hattense denn beschissene Weihnachten?“
„Drei oder vier ...“ Sie senkte den Blick.
„Sehnse, dit dacht ick mir.“ Er schlug sich mit flachen Händen auf die Oberschenkel, dass es klatschte. „So, wollnwa?“
Sie dachte an Marisa. An ihr Lächeln in den Videocalls, an ihren tschechischen Akzent. You are amazing, I want you to be with me. On Christmas and beyond. Schelmisches Lachen und rote Wangen. „Ja, bringen wir’s hinter uns.“


Siebte Stunde​

Sie erreichten den Prager Hauptbahnhof und er machte den Motor aus und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. „Da simmer.“
„Vielen Dank für die Fahrt. Es … war mir eine Freude.“
„Gleichfalls.“
Sie griff nach dem Türöffner, doch zögerte. Sie wollte nicht gehen. Noch nicht. „Ich beneide Sie.“
„Mich? Warumn ditte?“
„Sie haben so viel verloren. Und doch sind Sie so … positiv.“
„Nich imma. Weiß Jott nich imma.“
„Was ist Ihr Geheimnis?“
„Einfach weitermachen. Und neidisch müssense nich sein. Is eine Todsünde.“
„Oh Mann, kommen Sie mir jetzt nicht mit so was.“
„Is ja nich bös jemeint. Todsünden sin überall. Jedem begenense täglich. Da brauch man keene zwei Aujen für, um die zu sehen. Und wo wären wir ohne?“
„Glücklicher?“
„Eher unmenschlicher. Wie hamse so schön jesacht? Dit mit dem Glas undem Wasser und so.“
„Hm.“
„Un wenn ich Sie so ansehe … Sie müssen keine Angst vor Ihrer Freundin haben. Ick gloob, Sie liejen noch heute Abend küssend unterm Weihnachtsbaum.“
Sie lächelte. „Den müssten wir erst noch aufstellen, aber ja, die Wahrscheinlichkeit ist nicht Null.“
„Eher verdammt hoch.“
„Sagt Ihnen das Ihr kosmisches Energiefeld?“
„Vielleicht. Aba spürnse dit nich, das Enerjiefeld?“
„Zwischen uns?“
„Zwischen uns. Woher wissen wir, wie wir zwee uns fühln?“
„Weil wir beide etwas Wichtiges verloren haben.“
„Oder jefunden. Wär dit nich passiert mit den vielen Männern da, hättense vielleicht die Marisa jetz nich.“
„Und hätten Sie Ihre Tochter nicht verloren, hätten sie jetzt keine neue Liebe?“
„Tja, auch aus Scheiße kann man wat formen. Man muss nur dran glooben jeden Tach. Und da liegt für mich dat Jöttliche.“
Sie nickte und öffnete die Tür. Kalte Luft strömte in das Wageninnere und es roch nach nassen Steinen. Sie setzte einen Fuß auf den Asphalt und Regentropfen benetzten ihre Hose, fühlten sich kalt an. Sie überlegte, ob sie nach seiner Handynummer fragen sollte, doch das erschien ihr unpassend, sie würde ihm sowieso nie wieder schreiben. Es war alles gesagt. Außer eines. Sie fasste an seine Schulter, drückte sie sacht und sagte: „Ich wünsche Ihnen und Ihrer Freundin fröhliche Weihnachten.“
Er tätschelte ihre Hand mit seiner, sie war ganz warm. „Dit wünsch ich Ihnen ooch. Fröhliche Weihnachten.“

Sie stieg aus und schloss die Tür. Der Fahrer winkte ein letztes Mal und sie winkte zurück. Der Motor sprang an und der Wagen setzte sich in Bewegung, rollte auf die Hauptstraße zu. Das Kennzeichen wurde kleiner und unleserlich und die Bremslichter schrumpften. Der Wagen bog rechts ab, schloss sich wieder dem Strom der anderen roten Lichter an. Auf der Straße, die durch die Stadt verlief wie ein einzelner Pinselstrich in einem Ölgemälde.

 

Hallo @gibberish

Das Setting erinnert mich an Kammerspiel-Filme: zwei Personen, meistens Frau und Mann, sind aus unterschiedlichen Gründen eine zeitlang in einem Raum, abgesperrt von der Umwelt. Manchmal kennen sie sich auch und daraus entwickelt sich der Konflikt.
Hier nutzen die beiden Protagonisten die lange Fahrt dazu, sich zunächst abzutasten und dann die Gelegenheit zu ergreifen, sich, als unterhielten sie sich mit ihrem Therapeuten, langsam zu öffnen, Dinge auszusprechen, die sie sonst niemanden oder nur wenige offenbaren.

Ich finde den Text besonders aufgrund dieser Grundanordnung richtig gut.

Auf Textarbeit habe ich verzichtet, weil vieles bereits gesagt wurde, weil ich wenig Zeit habe und deshalb beschlossen habe, nur die Text, die sich auch mit meinem beschäftigt haben, genauer zu kommentieren. Ich denke, das ist fair: geben und nehmen eben.

Würde ich Textstellen markieren, beträfen diese vor allem die Dialoge und den Dialekt. Die Dialoge funktionieren, das schon, aber Dialekt verursacht bei mir als Leser, stets eine gewisse Genervtheit. Das klingt dann zwar authentisch, verliert sich aber auf Strecke. Na ja, so geht's mir unabhängig davon, um welchen Dialekt es such handelt. Es sei denn, der Dialekt übernimmt irgendeine Funktion außer der Verortung. Das sehe ich in diesem Text nur teilweise.

Viele Grüße
Isegrims

 

Wat meenense, warum man beida Beechte den Pfarrer nich sieht.“

„Wenn jemand eine Reise tut / so kann er was erzählen“,
heißt es bei M. Claudius,

lieber Gibberish,

und Prag (war ich letztens noch, Jung68er, äh, als die „Wahrheit“, tsch. „Svoboda“ noch Regie führte … und der Zeigefinger von andern vor den gespitzten, verschlossenen Mund ging, wenn ich mich räusperte …) und sogar optisch find ich mich näherungsweise

Mehr Haare, gepflegterer Bart​
(wenn auch gerade erst aus gegebenem Anlass gestutzt) selbst wenn in meiner näheren Umgebung ein wenig mehr Beschneidung erwünscht sein wird (immerhin ist er ja mitsamt dem Haupthaar „gestutzt“ worden) – immerhin komm ich ohne „Handy“ aus … Bin eben für viele unerreichbar.
Dit joße Janze halt.“​
Dat ich dann im Idiom ne vagessene Fluse finde, grenzt an Komik
&

„Fällt mir nur schwer, sowas einfach hinzunehmen.“​
wird gewöhnlich als ein eigentliches „so etwas“ auseinandergeschrieben und hier

Bis er wieder husten musste. Sein Oberkörper krümmte sich und als der Anfall vorüber war, entdecke sie Tränen in seinen Augenwinkeln.
Naja, siehze selber ...


„Tja … also ick …“ Die Frau hörte nicht auf, ihn anzustarren. „Ick ..“
Du kannst doch bis drei zählen ...

Er nahm sich eine ungeöffnete Bierdose.
Wäre nicht erwähnenswerter, er nähme sich eine geöffnete, womöglich leere Dose?

Und es blieben nur die Bilder, auf denen seine Tochter auf ewig festgefroren ist in diesem Zustand, in diesem Alter, so unveränderlich wie der Lauf der Erde um die Sonne.
Na, ob dat ewich gilt für die Erde ...

„Scheiße“, sagte die Frau auf dem Rücksitz.
Ah – ich bin immer noch auf dem Kreuzzug „rettet das Ausrufezeichen!“

„Hilft manchmal, dit einfach rauszulassen. wat da so drückt.“
Zeichen („.“ ändern oder Groß Wat …)

„Ich wollte sowas gar nicht. Beziehung und so.“
so was, weil ein verkürztes „so etwas“ – weiter unten (immerhin konsequent durchgehalten, schafft nicht jeder!) nochmals
So[...]was erzähle ich nicht mal meiner Mutter. Das mit den Männern.“
(weiter unten ähnlich im Idiom:
... glooben un dann imma sowat.“

„Finden Sie das unnatürlich? Weger der Religion und so?“
da drängelt sich das r vor

Kein Grund

„Drei oder vier ..“ Sie senkte den Blick.
auf einen Auslassungspunkt zu verzichten ...

Wie dem auch wird -

sehr gern gelesen vom

Friedel,

der noch schöne Tage diese Tage wünscht!

 

Hallo @gibberish

Eine besinnliche Fahrt zur Weihnachtszeit, bei der ich gerne mitgefahren bin. Das Thema Verlust kommt sicher gerade zu Weihnachten bei vielen immer wieder hoch. Als sie sich über die Religion ausgetauscht haben, bin ich etwas eingenickt. Das alles habe ich schon so oder ähnlich gehört, aber da was Neues zu sagen, ist auch schier unmöglich.
Dass sie schlechte Erfahrungen zu Weihnachten gemacht hat und deshalb Angst vor dem Treffen mit ihrer Freundin hat, kommt mir wie an den Haaren herbeigezogen vor. Ihr Vater ist erst später gestorben und die Männerbekanntschaften waren doch auch nicht nur „Weihnachtsmänner“. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
Die Story ist gut geschrieben und mein Lesefluss geriet kaum ins Stocken.
Aber dit Berlinerische, dit mussste noch üben, wa?
Ick komm aus der Ecke. Wobei, bei uns sacht man „det“, aber „dit“ jeht och imma.

Hier noch Kleinigkeiten:

Auf der Spitzte thronte ein goldener Engel.
Spitze
„Weiß nicht, scheint mir doch recht grausam. Manchmal. Na ja, das ist ja alles auch müßig. Kinder werde ich eh nie haben.“
Manchmal redet sie mir zu gestelzt. "scheint mir", "müßig". Redet jemand so?
„Leichfalls.“
Nee, so nich.
doch das erschien ihr unpassend, würde ihm sowieso nie wieder schreiben.
Hier fehlt ein "sie" vor dem "würde".

Grüße
Sturek

 

Moin @gibberish,

tolle Geschichte. Ich las sie heute zum ersten Mal. Den Dialog von ihr kaufte ich anfangs nicht immer voll ab. Aber je weiter sich die Geschichte entwickelte, umso mehr fuhr ich mit nach Prag. Starke Bilder! Vieles wurde schon gesagt, will nicht doppeln.

Sie setzte sich auf die Rückbank und zog die Autotür zu.
Ein starker Einstieg, gefällt mir sehr gut (und hat glaub noch keiner meiner Vorredner erwähnt ;) ).

Klasse, sehr gerne gelesen.

Beste Grüße
Kroko

 

Hallo @Katta,

vielen lieben Dank für deinen Gegenbesuch bei mir, freut mich sehr. :)

Es ist ja, wie zu den meisten Texten - echt toll, wie viele Leute in der Challenge teilnehmen und auch kommentieren -, schon eine Menge geschrieben worden. Ich schaffs nicht alles durchzusehen, hab mal hier und da kurz reingelinst und seh ich das richtig, das der Text doch überwiegend gut angekommen ist? Da reihe ich mich ein.
Ja, das war eine ganz fantastische Challenge mit großartigen Texten, so vielfältig auch. Wirklich großes Kino, und das mein Text da bei dir auch gut angekommen ist, freut mich natürlich umso mehr. :bounce:

Vielmehr hast du ja bei diesem Setting (Kammerspiel) nicht, als das, was die Beiden reden und für ein bisschen Durchatmen dann wieder ins Setting zu gehen. Ich brauche das aber wirklich, diese kleinen Pausen zum Durchschnaufen von der Nähe und dem Gerede.
Es war mir beim Pacing auch sehr wichtig, dass ich ab und zu „rauszoome“ und Raum für das Setting lasse, es nicht nur ein ewiger Dialog ist. Ich denke, das wäre sonst auch wirklich ermüdend geworden, bzw. dann liest man schnell quer, und das wollte ich nun wirklich nicht. :D

Mit der Bekanntschaft in Prag hast du auch so ein gewisses Spannungsmoment in der Geschichte, das den Leser bei der Stange hält oder halten soll. Das kann auch nach hinten losgehen, wenn man da wer weiß was für ne Kulisse aufbaut und dann ... nichts als heiße Luft. Ein klein wenig ging mir das bei dir so. Die Info vom Anfang ...
Das war so eine Sache. Da der Text ja an sich sehr gemütlich daherkommt und Spannungsmomente rar sind, brauchte ich anfangs ein Spannungsmoment, das den Leser reinzieht. Und wenn der Leser dann im Text versunken ist, löst sich dieser anfängliche „Magnet“ auf. So der Plan. Kann natürlich sein, dass ich da etwas zu dramatisch geworden bin, da viel aufgebaut wird im Kopf der Leser, was am Ende halb so wild ist. Aber für die Protagonistin ist es dennoch eine Riesensache, die Gedanken an das erste Treffen mit Marisa belasten sie sehr, stressen sie so, dass sich das körperlich äußert.

Jedenfalls weiß ich als Leserin nicht, wer da in Prag auf sie wartet, ich weiß nur, dass ihr übel ist, sie eigentlich lieber aussteigen will, kurz: das sie wohl ganz furchtbar aufgeregt bis ängstlich ist, was sie erwartet.
Das war der angesprochene Magnet. :D War meine Absicht, hier Erwartungen zu wecken, Fragen aufzuwerfen, damit der Leser auch in den Text findet und weiterliest. Jetzt, wo du’s ansprichst vielleicht etwas zu dramatisch, aber grundlegend hat es ja funktioniert. :D

Da hab ich mich kurz gefragt, ob du ein Mann oder eine Frau bist und dazu tendiert, dass du ein Mann bist. Bist du?
Da tendierst du sehr richtig. :D

Die Körperlichkeit als Symptomatik der Angst vor dem Treffen war mir schon wichtig. Das kenne ich auch selbst von mir. Wenn ich gestresst bin, äußert sich das ganz schnell durch Ziehen im Magen, generelles Unwohlsein. Und die Gedanken rasen und tragen ihr Übriges zu der Situation bei. So ungefähr wollte ich das hier darstellen.

Das zb fand ich absolut glaubwürdig, aber wenn ihr wirklich übel ist, wie du sagst, also schwangerschaftsübel, dann will sie sich mehr von der Übelkeit ablenken, als von den Gedanken an Marisa.
Guter Punkt, ich hab das soeben ergänzt, vielen Dank.

Die Dialoge finde ich gelungen, das Berlinern hat mich auch ein wenig genervt und ich habe mich gefragt, ob der Dialog auch ohne das Berlinern funktionieren würde oder du das brauchtest, um die beiden klar voneinander abzugrenzen.
Ich bekenne mich schuldig, dass ich das Berlinern hier einfach mal ausprobieren wollte. :D Und es hat natürlich die Funktion, die beiden immer mehr sprechen zu lassen, ohne dass ich als Erzähler eingreifen muss mit er sagte, sie sagte. Ich konnte die beiden dank Dialekt einfach reden lassen und man wusste immer, wer da gerade spricht. Ich verstehe aber, dass der Dialekt nerven kann, vor allem, wenn man ihn nicht gewohnt ist.

Ich höre jobbedingt viele, viele sehr intime Geschichten jeden Tag, vielleicht fehlt mir darum ein bisschen der Clou in deinem Text. Ja, wenn ich mir etwas wünschen würde, dann ... irgendwas ... was diese Begegnung aus dem (oder meinem) Alltäglichen hinaushebt.
Das ist etwas schwierig in diesem Fall, da es mir vor allem darum ging, Empathie im Alltag, auch unter völlig Fremden, zu zeigen. Ja, die Situation ist in diesem Sinne nicht wirklich besonders, solche Gespräche kommen immer mal wieder zustande, auch mir ist das schon passiert, aber das Zwischenmenschliche hat dann doch auch etwas Besonderes, wenn es so losgelöst daherkommt als Verbindung zwischen zwei Fremden. Wir Menschen ähneln uns sehr in unseren Empfindungen und Erfahrungen und manchmal vergessen wir das. Und es ging mir darum, ebendies zu zeigen, dieses Verständnis, diese Verbindungen, die ganz unverhofft entstehen können. Ganz im Sinne der Weihnacht eben. :D

Vielen lieben Dank für deinen ausführlichen Kommentar, es hat mich sehr gefreut.

Ich wünsche dir schon mal einen tollen Rutsch in das neue Jahr.

Liebe Grüße
gibberish


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Hey @Isegrims,

schön, von dir zu lesen! :)

Das Setting erinnert mich an Kammerspiel-Filme: zwei Personen, meistens Frau und Mann, sind aus unterschiedlichen Gründen eine zeitlang in einem Raum, abgesperrt von der Umwelt. Manchmal kennen sie sich auch und daraus entwickelt sich der Konflikt.
Genau so wollte ich es auch. Ich finde, Kammerspiele sind eine super Sache und ich bin da immer voll drin. Leider habe ich selbst noch nie eines geschrieben, nicht mal annähernd, und da wollte ich das endlich mal ausprobieren. Daher auch das simple Setting. Draußen nur die Autobahn, im Auto spielt sich dann alles ab.

Ich finde den Text besonders aufgrund dieser Grundanordnung richtig gut.
Das freut mich sehr. :bounce:

Auf Textarbeit habe ich verzichtet, weil vieles bereits gesagt wurde, weil ich wenig Zeit habe und deshalb beschlossen habe, nur die Text, die sich auch mit meinem beschäftigt haben, genauer zu kommentieren. Ich denke, das ist fair: geben und nehmen eben.
Ja, das verstehe ich voll und ganz. Mir ist die Zeit auch völlig davongelaufen, dann war ich noch fast zwei Wochen krank, nichts ging mehr. Da bin ich leider nicht dazu gekommen, alle Texte zu kommentieren, so fest ich mir das auch vorgenommen hatte. Gerade deshalb danke ich dir sehr, dass du bei mir vorbeigeschaut und mir einen Kommentar dagelassen hast.

Würde ich Textstellen markieren, beträfen diese vor allem die Dialoge und den Dialekt. Die Dialoge funktionieren, das schon, aber Dialekt verursacht bei mir als Leser, stets eine gewisse Genervtheit. Das klingt dann zwar authentisch, verliert sich aber auf Strecke.
Das ging einigen so, und ich kann das voll verstehen. Der nächste Text kommt ohne Dialekt daher, versprochen! :D Die beabsichtigte Funktion war, einen Abgrenzungsfaktor zwischen den beiden Charakteren zu haben, damit ich sie am Ende einfach sprechen lassen kann, ohne jegliche Ergänzungen. Optimal wäre es natürlich, wenn der Leser anhand des Gesprochenen wüsste, wer da redet, und es den Dialekt hierzu gar nicht bräuchte. Aber das habe ich mir an dieser Stelle (noch) nicht zugetraut.

Vielen Dank nochmal für deinen Kommentar und ich wünsche dir schon mal einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Liebe Grüße
gibberish


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Lieber @Friedrichard,

vielen lieben Dank für die Zeit, die du in die Textarbeit und das Flusenlesen gesteckt hast. Du hast wahre Adleraugen. :)

wird gewöhnlich als ein eigentliches „so etwas“ auseinandergeschrieben und hier
Auweia, du hast natürlich recht. Ich habe es im gesamten Text korrigiert, vielen lieben Dank für den Hinweis.

Ah – ich bin immer noch auf dem Kreuzzug „rettet das Ausrufezeichen!“
Ich mag das Ausrufezeichen in meinen Texten dagegen gar nicht. :D Ich weiß, es hat seine Funktion, aber es stört mich doch irgendwie immer. Ich werde es aber mal einbauen, ganz spärlich, zum Eingewöhnen. :D

Ich habe deine Hinweise umgesetzt und danke dir erneut für deinen Kommentar.

Dir auch noch schöne Tage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Liebe Grüße
gibberish


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Hallo @Sturek,

Eine besinnliche Fahrt zur Weihnachtszeit, bei der ich gerne mitgefahren bin. Das Thema Verlust kommt sicher gerade zu Weihnachten bei vielen immer wieder hoch. Als sie sich über die Religion ausgetauscht haben, bin ich etwas eingenickt. Das alles habe ich schon so oder ähnlich gehört, aber da was Neues zu sagen, ist auch schier unmöglich.
Ja, das mit dem Verlust denke ich auch. Gibt auch viel Einsamkeit an Weihnachten, gepaart mit ebendiesen Verlusten von Eltern oder Kindern. Das ist die Seite an Weihnachten, die man nicht gerne sieht, doch es gibt sie, vermutlich viel verbreiteter als man denkt.

Die Religion an sich ist natürlich ein totgelatschtes Thema. Allein die russische Literatur hat darüber schon so viel gesagt, dass ich dem niemals etwas hinzufügen könnte. Dafür bräuchte es auch einen viel tieferen Einblick in die Nuancen von Religionen, den ich schlichtweg nicht habe. Ich wollte es mit der Religion hier auch nur anreißen, eben weil ich auch befürchtet hatte, die Leser springen mir sonst ab. :D

Dass sie schlechte Erfahrungen zu Weihnachten gemacht hat und deshalb Angst vor dem Treffen mit ihrer Freundin hat, kommt mir wie an den Haaren herbeigezogen vor.
Das ist im gewissen Sinne auch der Punkt. Sie steigert sich da so rein, ist so verbohrt in den Gedanken, Weihnachten passiert nur was Schlechtes, dass sie alles andere, das Schöne, was sie mit Marisa hat z. B., völlig ausblendet. Dass sich das gen Ende der Story hin dank des Gespräches mit dem Fahrer auflöst, ist quasi die Auflösung ihres Konfliktes mit sich selbst.

Aber dit Berlinerische, dit mussste noch üben, wa?
Ick komm aus der Ecke. Wobei, bei uns sacht man „det“, aber „dit“ jeht och imma.
Dit muss ick noch üben, ja. Is jetzte och dit erste Mal. Hat aba Spass jemacht. :D

Vielen lieben Dank auch für deine Hinweise zum Text an sich; ich habe alle umgesetzt.

Ich wünsche dir ein entspanntes Restjahr und einen guten Rutsch ins neue.

Liebe Grüße
gibberish


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Hey @Kroko,

freut mich sehr, dass du bei mir vorbeischaust. :)

Den Dialog von ihr kaufte ich anfangs nicht immer voll ab. Aber je weiter sich die Geschichte entwickelte, umso mehr fuhr ich mit nach Prag. Starke Bilder!
Ja, der Einstieg ist etwas träge, ich musste viel balancieren zwischen realistischem Gespräch und dem schnellen Ankommen in der Kernthematik. Schnell genug, damit mir der Leser nicht einschläft. :D Dass dir die Bilder sehr gefallen, freut mich. War nicht immer einfach, da was Interessantes zu schreiben. Ist ja im Grunde nur eine Autofahrt, mehr nicht. Interessante Bilder werden da schnell rar. :D

Ein starker Einstieg, gefällt mir sehr gut (und hat glaub noch keiner meiner Vorredner erwähnt
Nee, das hat noch niemand erwähnt und ich bin sehr glücklich über deine Anmerkung. Ein kurzer und prägnanter Einstiegssatz ist mir immer wichtig. :)

Klasse, sehr gerne gelesen.
:bounce:

Vielen Dank für deinen Kommentar und einen großartigen Rutsch ins neue Jahr wünsche ich dir.

Liebe Grüße
gibberish

 

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