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Copywrite Ich fliege in die Sonnennacht

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19.05.2015
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Ich fliege in die Sonnennacht

Obwohl er ein wankender, knorriger Ast mit Furchengesicht ist und nach vertrockneten Christbaumnadeln und Rasiercreme riecht, fühlt sich Pagel babyweich an, nicht überall, aber an der Stelle oberhalb der Achseln, am Ansatz der Arme. Wenn ich ihn dort, anfasse, sie bestreiche, als wolle ich ein Butterbrot schmieren, schwebe ich wie ein Luftkissen über einem wellenlosen See. Pagel sagt nichts und wartet, bis ich über den Hals gleite und er die Schleierwasseraugen verdreht. Seufzer kriechen in meine Ohren, als wolle er seine Seele zum Himmel schicken. Manchmal muss ich die Tränen zurückhalten, so viel Glück strömt dann zu mir.

Ich schließe die Augen und denke an die erste Begegnung mit Pagel, sehe ihn vor mir, wie er mir entgegenrollt, das elfenbeinerne Hemd leuchtet, das Zittern der Hände nicht verbergen kann. Er öffnet den Mund, als ob er etwas sagen wolle, fährt mit dem Rolli vor und zurück, bis es aus ihm herausquillt, Worte, die er sich lange zurechtgelegt haben muss. Ich besuche einen Heimbewohner, das wisse er, und ob ich meine Künste auch bei ihm anwenden könne, auch wenn er kein Ex-Minister sei, so wie der Herrndorf aus Zimmer 104. Dabei blickt er zur Seite, wieder zu mir, und setzt sein Sonntagslächeln auf, prüft meine Reaktion, entspannt die Gesichtsmuskeln, bis ich ihm die blassrosa Visitenkarte in die Hand drücke und er einen Luftzug des Fliederparfüms, das ihn umwölkt, zu mir herüberschickt. Ich drehe mich weg, steige ins Auto ein und spüre lange seinen Blick im Nacken. Zwei Wochen später besuche ich ihn, massiere seine schlaffen Muskeln. Pagel spricht praktisch nichts. Alles, was er sagen will, drücke er mit einem kaum erkennbaren Zucken der Lider aus. Er vertiefe sich, verwandelt sich in den Mann, der er vor langer Zeit war, den aufrechten, schönen Edelmann, und ich wünsche mir, ich könnte neben ihm einschlafen, wieder aufwachen und sähe genau diesen Ich-will-dir-die-Sterne-vom-Himmel-holen-Blick auf mich gerichtet, wenn ich die Augen öffne.

***

„Sie is wech, die Streichlerin!“, sagt der Hohenegger.
„Ne, ne, die kommt wieder“, antwortet Pagel.
„Woher weeste ded denn?“
„Die Vögelchen kommen im Frühjahr auch zurück.“
„Träumer!“
Pagel singt fröhlich: Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem grünen Walde. Fidirallala, fidirallala, fidirallalalala.


***​

Ich bin wie eine Hure, verkaufe mein Herz, versklave meine Seele stundenweise. Wenn ich den Pagel, den Ex-Minister, die anderen besuche, das Geld im Umschlag bereitliegt, stecke ich alles, was ich habe, meine ganze Energie, in meine Finger und Hände, vergesse die welken Körper, die sich vor mir ausstrecken, will aus den Hüllen das Schöne herauslocken, das verborgene Kind.

Ich träume vom Küssen, von einer Zitterzunge, die meinen Mund füllt, über meinen Hals streicht, mich aus der Schneckenhülle befreit, mich lockt, mich fordert. Wenn es dann so weit ist, wenn ich einen finde, krieche ich wieder zurück, traue mich nicht, auch wenn ich es immer wieder probiere. Stattdessen rieche ich an ihnen, stecke meine Nase in ihren speziellen Duft, um ihn für immer bei mir zu tragen und gebe ihnen nichts außer der klaffenden, pochenden Öffnung zwischen meinen Beinen. So war es auch mit Max. Er umschlich mich wie eine Katze, die darauf wartet, dass ein Mäuschen aus dem Bau huscht, trank Bier, spielte auf der Gitarre irgendwelches Flamenco-Zupf-Zeugs und roch nach Quitten, Seealgen und dem Moos des Waldes. Manchmal lächelte er mich an und ich wagte einen kurzen Blick in seine Augen.


***​

Der Max steht total auf die Nina. Und sie auf ihn, obwohl sie sich zurückhält, die Schüchterne gibt. Ihr Verhalten verrät sie. Da kann sie nichts gegen machen. Diese dahingeworfenen Blicke, die beiläufig und abschätzend wirken sollen und über seinen Hintern und die Muskeln geilen. Manchmal läuft sie an ihm vorbei, wirft den Kopf zurück, drückt das Kreuz durch, damit sie noch größer wirkt, tänzelt mit ihren langen Beinen, zeigt alles, was sie hat und genießt seine Blicke. Manchmal hat sie diesen Tunnelblick, wie eine Autistin, die sich für gar nichts interessiert, völlig in sich selbst gefangen ist. Besonders wenn sie schwimmen geht, das Wasser aufspritzen lässt, sich richtig verausgabt, aus dem Wasser steigt, ein verzücktes Lächeln aufzieht, sich klein macht, als sie zu ihrem Zimmer geht. Außerdem widerspricht sie sich dauernd.
„Rike, du bist dumm! Eine Beziehung ist komplett oldschool. Ich will feiern, frei sein und ficken, wen ich will“, sagt sie zu mir.
Wenn ich ihr dann erzähle, dass ich mir einen guten, treuen Mann, Familie, Kinder und ewiges Glück wünsche, fängt sie an zu träumen, komplett romantisch, so Romeo-und-Julia-mäßig.
„Man muss verschmelzen können mit dem Liebsten, alles andere ist sinnlos.“
Ich setze einen Käsekuchen plus eine Flasche Secco darauf, dass sie was mit Max anfängt. Sie schlägt ein.


***​

Tagelang streifen wir uns, füllen die Luft mit unseren Sehnsüchten. Ich zerfließe an den Glanzblicken seiner grüngesprenkelten Augen, stelle mir vor, wie Max auf dem Bauch liegt, die Beine eng beisammen, die Wadenmuskeln schimmern durch und der Hintern wölbt sich obszön, sodass ich reinbeißen und das Fleisch schmecken möchte. Ich lege mich auf ihn, reibe mich an ihm. Zwischen uns bloß ein zarter Schweißfilm.

Max drückt mir eine Bierflasche in die Hand. Die Flasche Wein, die ich mir für den Abend extra gekauft habe, vereinsamt in meinem Zimmer. Es läuft mit Max ganz anders, schlichter, realer, enttäuschender. Er riecht nach Nivea-Creme. Sein Körper fühlt sich haarlos, fein, ein wenig schwabbelig an. Ich entere seine Mundhöhle mit meiner Sehnsuchtszunge, pelle ihn aus den Kleidern, lasse mir Zeit, lege beide Hände auf den Rundhintern, spreize die Finger und freue mich über den Sekundenabdruck, der sich augenblicklich bildet. Danach berühre ich ihn nicht mehr. Sein Schwanz gleicht einem zu dick geratenen Bleistift, gerade an ihm abstehend, pulsiert und drückt sich an meinen Bauchnabel. Er gleitet in mich, keucht. Ich schreie, werfe mich ihm entgegen und komme, noch bevor er sein Lavazeug in den Gummi spritzt. Die aufgestaute Sehnsucht ergießt sich, ein Lustballon, aus dem die Luft entweicht. Ich unterdrücke die Tränen der Enttäuschung und beschließe, am Morgen längs durch den See zu schwimmen.

***​

Eine ganze Woche lang habe ich ein Bier nach dem anderen getrunken, auf der Gitarre geklimpert und wegen Nina darauf verzichtet, die Urlauberinnen anzugrinsen. Dann hält sie es selbst nicht mehr aus. Am letzten Abend, bevor wir alle weiterziehen, quatscht sie davon, dass sie lieber Wein trinkt, will das Bier nicht nehmen, das ich ihr reiche, bis ich beschließe, schlafen zu gehen. Keine zehn Minuten später öffnet sie meine Tür, lässt den Bademantel fallen und kommt mir entgegen, völlig nackt, sagt gar nichts, zieht mich aus, rollt sogar die Socken runter, berührt mich überhaupt nicht, steckt mir die Zunge bis zum Gaumen in den Mund, packt meinen Schwanz und versenkt ihn. Ich mach sie richtig fett weg, genieße es, weil sich ihre Muschi wie eine warme Höhle anfühlt, wie Heimat. Sie seufzt, schreit und murmelt ununterbrochen, streckt mir ihr Becken, ihren Hintern entgegen. Ich verstehe nicht, was sie flüstert. Fickausdrücke sind es nicht, klingt nach Namen, nach Orten. Dass ich in ihr bleibe, bis das schwarze Kondom knistert, verwirrt mich total, aber ich kann nicht anders, will mich gemütlich einrichten, bis ich wieder Lust bekomme. Ich nehme ihre Hand, streichle ihre dünnen Finger. Sie reagiert nicht, steckt die Nase in meine Achselhöhle, schaut aus dem Fenster und flüstert was von den Sternen. Nach einer Weile schiebt sie den Schwanz aus sich heraus, wischt ihn mit dem Bettlaken ab, ganz sorgfältig, zieht die Vorhaut zurück, tastet über das das rosa Fleisch, die Adern, die unter der Haut hervortreten. Sie hält ihn, spielt mit ihm, zögert, als wolle sie ihn doch noch in den Mund nehmen, und streift ein Kondom drüber. Dabei schaut sie mich unentwegt an, ohne etwas zu sagen, und setzt sich auf mich, bestimmt den Rhythmus. Danach schläft sie ein, kuschelt sich eng an mich und ich wünsche mir, dass wir morgen Hand in Hand am See spazieren gehen. Nina bleibt nicht bei mir. Als ich aufwache, ist sie verschwunden und mein Lieblingspullover fehlt, ein scheißteures Kaschmir-Ralph-Lauren-Teil. Keine Ahnung, was mit Nina los ist. Ich meine, die ist echt gestört.


***

Am Morgen gleite ich in den Nebelsee. Max schläft. Tau perlt auf den Gräsern. Ich schwimme langsam, belausche das Gurgeln, das ich erzeuge, und spüre mit jedem Armzug, mit jedem Beinschlag die Wellen, die sich bilden, weil ich das Wasser bedränge.
Ich fröstle, als ich zum Ufer zurückkehre und mich schüttle. Ein älteres Pärchen kommt mir Hand in Hand entgegen. Ein Ich-bin-ein stolzer-Bierbauchpapa tobt mit seinen Kindern auf einer Luftmatratze. Zwei Hängebusenfrauen sitzen auf dem Steg und schnattern über schwarze Kondome. Drei Jungs mit Taucherbrille und Schnorchel suchen Gold im wirbelnden Sandgrund. Ein Mann, der wie eine Insel im Wasser steht, glotzt mir nach. Ich denke an Ivo, schreibe ihm eine Nachricht.


***​

Sie hat sich gemeldet, nach ganzen zwei Jahren. Ich dachte, sie hat mich längst vergessen und den Jugo-Kroaten, den Halbkanaken Ivo, gegen was Besseres, eingetauscht, gegen einen Max oder Paul wahrscheinlich. Sie will mir den Pullover wiedergeben, den sie mir geklaut hat, der mich an Zagreb, an den Laden in der Nähe unserer Wohnung erinnert, an die Johannisbeeraugen meiner Mutter, die ihn mir schenkte, damit ich es im Westen warm habe. Wir könnten uns in Genf treffen, textet sie. Sie habe die Berge satt, den Jura, die Residenzen für alte Leute, die eiskalten Seen und müsse in die Stadt. Ich will sie wiedersehen, das steht fest. Allein, um zu erfahren, was das war zwischen uns. Dabei lässt sich Nina irgendwie mit einem Eisberg vergleichen, jahrtausendealtes gefrorenes Gletschereis, zum größten Teil unter der Oberfläche verborgen. Und das, was aus dem Wasser herausragt, zerschmilzt in der Sonne. Ein rätselhaftes Wesen, das sich von anderen ernährt, groß, skinny, ellenlange Beine, A-Cup, schimmernde Augen, die pausenlos umherirrten.
Wir kamen einander bei unserem ersten Treffen zaghaft, richtig behutsam näher. Während der Bergtour, eine Woche zwischen La Dole, Dent de Vauilon und Grand Colombie, spürte ich ihren Blick ständig, viel intensiver, als ein Teilnehmer normalerweise zum Bergführer schaut, so sehr, dass es die anderen bemerkten. Ein Deutscher, Klaus, sprach mich darauf an und ich nickte, lächelte und ging weiter. Wir hörten die Rufe der Eulen, Bussarde, Wölfe, trafen auf Gämsen und Böcke, rochen das Gebirgsgras, die Kräuter und Blumen, die dazwischen wuchsen. Am zweiten Tag der Tour liefen Nina und ich nebeneinander. Ich zeigte ihr die Vegetation und die Spuren der Tiere, die unseren Pfad kreuzten, erzählte ihr von den Schakalen in meiner steinigen Heimat, von den Römervillen und den alten Leuten in den Dörfern, die vor ihren Häusern saßen und darauf warteten, dass ein Auto vorbeifuhr oder ein Nachbar sie besuchte. Sie hörte zu, wedelte mit den Armen, streifte mich, bis sie selbst etwas sagte. Nina klang wie ein fröhlicher Bergbach. Sie sprach über Kinderferien am Meer, in den Bergen, über Skifahren und Reiten und eine unbeschwerte Kindheit im selben Ton wie über das Heim, in dem sie lebte, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Bären sahen wir nicht, obwohl Nina fest daran glaubte, dass sie einem begegnen würde. Ich sagte ihr, dass wir Schakale hören würden, sobald die Nachtstille sich über das Tal legt. Neben der Hütte, in der wir übernachteten, verlief ein Bergkamm. Wir beschlossen, um Mitternacht loszuziehen. Ich zog die Thermojacke an und lieh ihr meinen dicken Pullover. Wir setzten uns auf einen Felsbrocken und warteten, lauschten in die Dunkelheit, schwiegen, weil wir das Wild nicht vertreiben wollten. Irgendwann nahm sie meine Hand, drückte sie fest. Später flüsterten wir, erzählten uns Geschichten, alles, was uns gerade einfiel. Wir kicherten und tranken von dem Whiskey, den ich in den Flachmann gefüllt hatte. Wir haben die Bären und Schakale verpasst. Ich küsste sie, bevor sie zu ihrem Schlafsack trottete, der weit entfernt von meinem ausgebreitet war, und nahm ihre Lippen mit in den Schlaf. Die Spannung, die seit dieser Nacht zwischen uns knisterte, entlud sich erst, als wir wieder in Genf ankamen. Sie stieg zu mir ins Auto. Wir fuhren zu dem Mietshaus, in dem ich wohne, nahmen den Aufzug in den achten Stock, ohne uns anzusehen oder zu berühren. Die Tür schloss sich hinter uns. Wir schliefen keine einzige Minute in dieser Nacht. Sie schaute mich mit ihren riesendunkelblauen Augen an, küsste meine Ohren, hielt krampfhaft meine Hand, wollte mich nicht loslassen und konnte es kaum fassen, dass ich aufstehe, um ohne sie zur Toilette zu gehen. Dennoch war sie am nächsten Tag weg. Die Erinnerung an ihren Geschmack, ihren Geruch schlummert seither in mir, eintätowiert und verborgen.

***​
Ich fliege in den Wald, raus und weg von allem, knirsche barfuß über Äste und Laub. Die Erinnerungen wachen über das Mondgeheul meiner Gedanken. Ich schreite der Sonnennacht entgegen, beobachte die Eichhörnchen, wie sie sich in den Wipfeln einen Unterschlupf bauen, atme die Luft ein und werde zu Ivo fahren, auf dem kürzesten Weg. Pagel besuche ich im Frühjahr, wenn die Vögel fröhlich singen.

 

Huhu liebe Isegrims!

Holla, was für ein interessant zu lesender Stoff, den du uns hier präsentiertet! Ich muss sagen, dass ich anfangs ziemlich verwirrt war, bis ich den Einstieg in die Handlung gefunden hatte. Aber dann konnte ich die unterschiedlichen Figuren nicht nur gut auseinander halten, sondern auch deren einzelne Perspektiven und Erzählweisen nachvollziehen.

Gut gefallen hat mir Nina als komplexer, innerlich zerrissener Charakter. Ich habe zwar nicht so ganz verstanden, ob sie jetzt ne Nutte oder eine Physiotherapeutin war, aber die erotischen Beschreibungen waren sehr emotional und ambivalent dargestellt. Ich hatte beim Lesen nicht den Eindruck dass es ums „vögeln“ ging, sondern eher um Sehnsucht und die Suche nach Nähe und seelischer Verbundenheit. Vermutlich hat sich Nina deshalb auch den Pullover als ein lebendiges und „atmendes“ Andenken mitgenommen.

Interessant fand ich auch, wie die unterschiedlichen Männer sie gesehen und wahrgenommen haben. Angefangen von romantischer und schüchterner Verliebtheit bis hin zum respektlosen Bild einer sexuellen Trophäe. Sehr schön dann auch der Wandel hin zum Wunsch nach Nähe, Vertrautheit und Geborgenheit.

Ich muss sagen, ich habe deine Geschichte wirklich mit Interesse gelesen.

Viele Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Jimmy,
ich danke dir für deine Einschätzung, den differenzierten Kommentar und deine Zeit. Finde ich sehr hilfreich, besonders weil du den Text stilistisch beleuchtest und mögliche Wirkungen aufzeigst.

Ich lese das als sprachliches Experiment, also als Versuch in lyrisch-schwingender Sprache. Ich spüre beim Lesen deinen Willen zum Stil und auch zum Wagnis. Das finde ich gut. Manchmal, für meinen Geschmack, bist du aber drüber,
Experiment, mm, ja, aber auch der Versuch eine Sprache zu finden, die Schwingungen zulässt. Ich denke auch, dass ich mit diesem Stil das rechte Maß suchen muss, dass es an einzelnen Stellen vielleicht zu viel ist.

Ich schließe die Augen und denke an die erste Begegnung mit Pagel, sehe ihn vor mir, wie er mir entgegenrollte, das elfenbeinerne Hemd leuchtete, das Zittern der Hände nicht verbergen konnte

Im Grunde ist dieser erste Part ja Rollenprosa, da kannst du doch auch tatsächlich in die akute Zeit wechseln, ich würde diesen Absatz komplett im Präsens erzählen,

ändere ich ab, dankeschön

Ich bin wie eine Hure, verkaufe mein Herz, versklave meine Seele stundenweise.

Der Absatz danach erklärt das Gefühl, was du beim Leser erzeugen willst. Ich finde das Explizite hier nicht nötig.

erwischt, das ist eine Stelle, da war ich nicht mutig genug, eine Lücke zu lassen, muss ich drüber nachdenken, wie ich das besser gestalte, du bist ja ein Meister darin, Informationen zwischen den Zeilen zu platzieren, am bestens lese ich deinen neuen Text.

Manchmal lächelte er mich an und ich wagte einen kurzen Blick in seine Augen.
So was. Da spürt man die Gemachtheit des Textes, und das finde ich schade,
dasselbe Lückenproblem, mal sehen, ob ich darauf verzichten kann.

Kann man an Blicken zerfließen? Oder eher: durch Blicke zerfließen? IDK. Der ganze Absatz ist mir auch etwas zu heavy on the kitsch, um ehrlich zu sein. Lavazeug, grün gesprenkelte Augen, Glanzblicke, Lustballon ... puh, das ist alles schon sehr blumig-lieblich.
ohnehin schwierig erotische Szenen zu schreiben und ehlrich gesagt, ist mir Kitsch lieber als Porno.

Ich mach sie richtig fett weg, genieße es, weil sich ihre Muschi wie eine warme Höhle anfühlt, wie Heimat.

Sound auch hier drüber. Passt null zu dem Erzähler, es sticht aus dem Text sofort heraus. Das ist übrigens der Absatz, den ich am schwächsten finde, die Stimme klingt ziemlich unsicher gemacht, als ob du nicht hättest so richtig gewollt,

die Perspektive von Max, ja, die fand ich schwierig, seine Stimme musste sich unterscheiden, er fühlte sich nichtssagender an, guter Hinweis.

Ein rätselhaftes Wesen, das sich von anderen ernährt. Auch hier, der Absatz, der fällt insgesamt ab, da stimmt irgendetwas nicht, auch die Bilder gleichen sich, die Sprache ist an den entscheidenden Punkten zu ähnlich, beide lyrisch,
merke ich mir, auch wenn ich das nicht so empfinde und die anderen Kommentare das anders sehen.

Es ist natürlich sehr schwer, gerade auf diesem reduzierten Platz, den dir eine KG bietet, das zu bewerkstelligen.
mehr Platz, ausgebreitete Erzählstränge, dabei habe ich meine erste Fassung schon auf die Hälfte zusammengeschmolzen.

Toller Kommentar!:thumbsup:

Liebe Grüße
Isegrims

 

Liebe bernadette,

vielen Dank für deinen Kommentar. Obwohl er nachgetrudelt ist, als die anderen sich mit dem Text schon beschäftigt hatten, hast du ein paar Stellen markiert, die ich aufgrund deiner Vorschläge geändert habe. Super! Diese Art der Textarbeit liebe ich in unserem Forum!

Ich mag die KG sehr, weil das Lesen sehr viel Spaß macht, so wie du mit Worten umgehst. Manchmal sind die Satzkonstruktionen mit den vielen Kommata hintereinander gewöhnungsbedürftig, aber wenn der Satz am Ende rund ist, bringt das Dynamik und gleichzeitig einen eigenen Erzählsound rein.
das mit dem Sound freut mich sehr, weil ich mich genau darum bemühe.

Deine ersten zwei Absätze sind so kraftv- und liebevoll in dem Altenheimsetting, dass das für mich als Leser sehr enttäuschend ist, dass der Schwenk dann komplett in eine andere Handlungsebene geht und es einfach verdammt schade ist, dass Pagel nicht mehr Raum bekommt,
ja, das habe ich selbst auch empfunden, aber, wie soll ich sagen, das Erzählkonzept, das Umkreisen von Nina, andere Perspektiven, die einen erweiterten Blick ermöglichen, führten vom Altersheim weg.

Das wirkt für mich dann so ein wenig wie die Rosinen aus der Story rausgepickt, obwohl es des restlichen Kuchens würdig gewesen wäre, mehr darüber zu erzählen.
mm, vielleicht folgt ja ein Copywrite des Copywirtes.

Eine tolles Copywrite ist dir gelungen, Isegrims, die Empfehlung kann ich auch unterschreiben.
:Pfeif:

liebe Grüße und einen graulichschönen Start ins Wochenende
Isegrims

 

Hallo Isegrims

Man darf zwei Geschichten zu einer vermengen, das lassen die Spielregeln zu. Andererseits erhöht sich dabei auch die Ewartungshaltung, zumal ich Flieges Originale sehr gut leiden kann. Mal sehen, ob sie auch als Vorlage für eine Melange funktionieren.

Zart steigst du ein mit der Adaption zur Streichlerin, die Heimszene mit Pagel, dem Glücklichen, wir erfahren wie es dazu kam. Die Streichlerin - Kurzfassung. Schnitt. Der Stil wird rau, anklagend. Selbstreflexion auf die unerfüllte Sehnsucht, einseitige Hingabe. Rike betritt die Bühne, übernimmt das Zepter der Perspektive und erzählt uns von Nina und Max. Die sind total für einander bestimmt, nur der Leser weiss, so ist es nicht, da Ninas Träume sich nie in der Realität manifestieren. Nina träumt vom Glück, und kaum steht es auf der Schwelle, knallt sie ihm die Tür vor der Nase zu. "Danke fürs Muster, aber ich kauf doch lieber nix." Max erhält Redezeit, macht Nina den Hof, kommt zum Schuss - und dann ist Schluss. Ivo kriegt seinen Pullover wieder, erinnert sich an die Zeit mit Nina, die mal wieder vom Glück träumt, ohne es zu packen und dann schliest sich der endlose Kreis mit Aussicht auf Pagel im Frühling.

Wortgewaltig inszeniert, aber leider etwas unaustariert, erscheint mir die Geschichte der Nina, so als ob sie alle Stimmen synchronisieren würde, der Ton verändert sich kaum von Max, über Rike, zu Ivo. Irgendwer hat das glaub ich auch erwähnt, dass die Dialoge nicht so ganz gelungen seien, könnte noch vor der Überarbeitung stammen, ansonsten habe ich mich in deinem Erzählfluss treiben lassen und eine Achterbahnfahrt der Gefühle hinter mir.

Interessant wäre noch, wie die Geschichte ohne die Eindrücke der beiden Originale wirken würde, andererseits befinden wir uns hier bei Copyright und die Frage stellt sich womöglich gar nicht. Im übrigen ist es immer wieder schön zu sehen, wenn ein Autor angeregt durch die spannende Leserdiskussion an seinem Text arbeitet.

Wirklich gern gelesen,
Gruss dot

 

Lieber Eisenmann,

die Geschichte ist ja gar nicht so eisern und wenn du drunter schreibst

Ich muss sagen, ich habe deine Geschichte wirklich mit Interesse gelesen.
dann freut mich das deshalb umso mehr.
Vielen Dank für deinen Kommentar
Aber dann konnte ich die unterschiedlichen Figuren nicht nur gut auseinander halten, sondern auch deren einzelne Perspektiven und Erzählweisen nachvollziehen.
darin bestand tatsächlich eine der Aufgaben, die ich mir gestellt habe, und immerhin ist es einigermaßen gelungen. Ich konnte einiges an Schreib-Erfahrung gewinnen.

Gut gefallen hat mir Nina als komplexer, innerlich zerrissener Charakter.
mm, genau das ist mir wichtig an dem Text, eine Figur zeigen, die realistisch und komplex ist.

Vermutlich hat sich Nina deshalb auch den Pullover als ein lebendiges und „atmendes“ Andenken mitgenommen.
eine Art Fetisch, sicher.

Schöner, kompakter Kommentar
Viele Grüße und einen weichen Eisenstart in die trübe Woche
Isegrims

 

Hallo dotslash,

danke für deinen Kommentar, die Zusammenfassung des Inhalts mit Bezug zu den Ursprungsgeschichten. So kann ich viel besser abschätzen, wie der Text wirkt, welche Vorbehalte er hervorrufen kann, was den Leser mitzieht. Ich denke beim Schreiben vermutlich noch zu wenig über den Leser nach, die Erwartungen, wie ich mit ihnen umgehe und was ich damit anstellen kann.

Wortgewaltig inszeniert, aber leider etwas unaustariert, erscheint mir die Geschichte der Nina, so als ob sie alle Stimmen synchronisieren würde, der Ton verändert sich kaum von Max, über Rike, zu Ivo.
die Stimmen, ich hab die schon unterschiedlioch gestaltet, das haben auch manche kommentiert, vielleicht muss ich das beim nächsten Versuch, noch genauer markieren. Das war ein Teil des Experiments. Der Erzählton Ninas, das Rauschen, das sie erzeugt, ist so deutlich lesbar, dass die anderen Stimmen im Vergleich abfallen.
Interessant wäre noch, wie die Geschichte ohne die Eindrücke der beiden Originale wirken würde, andererseits befinden wir uns hier bei Copyright und die Frage stellt sich womöglich gar nicht.
ohne Flieges Geschichte gäbs die Nina nicht, klar, aber sie tritt in meinen Gedanken so deutlich hervor, dass es den Bezug nicht unbedingt braucht, glaube ich.

Lieben Gruß
Isegrims

 

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