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Geteilte Weihnachtsbiere

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09.09.2012
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Geteilte Weihnachtsbiere

Ich sitze an der Bar und starre die rote Nase eines Clowns an.
„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag“, ruft er mir zu. „Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schiebt er nach und schlürft an seinem frisch gezapften Bier. „An Weihnachten drehen sie alle durch. Kaufen ein gutes Gewissen mit Geld. Und ich helfe ihnen dabei! Egal ob es pisst, schneit oder mein Arsch abfriert.“
Ich lasse ihn reden und nippe am abgestandenen Bier.
„Lade mich doch ein, es ist bald Weihnachten.“ Fordernd schaut er mich an.
Ich drücke ihm mein lauwarmes Bier in die Hand und zwänge mich schweigend durch die Menschenmasse zum Ausgang, zurück in die kalte Winternacht. Morgen platziere ich meinen Becher vor dem Kaufhaus. Die Fahrgäste an der U-Bahn Haltestelle schenken nichts. Vor allem an Weihnachten hetzen sie mit versteinerter Miene an mir vorbei.

Die Kälte frisst sich durch meinen abgewetzten Schlafsack. Aber ich bleibe. Vor dem Kaufhaus wälzt sich der Menschenstrom nahe an mir vorbei. Beschämt und heimlich mustern sie mich. Ich verfolge ihre Augen, und schon klimpern ihre Münzen im Becher. „Danke!“ Deine gute Tat, für heute. Die Bäckerin nebenan schenkt mir einen Kaffee. Aber ich bleibe sitzen.

„Ich war zuerst da, das ist mein Geld. Gib es sofort her!“ Er steht vor mir, der Clown. Sein verschmutztes Kostüm tropft vom Regen. Der alte Mann zittert am Leib.
„Verpiss dich!“, blaffe ich zurück.
„Gib mir das Geld! Du hast einen Schlafsack, du schläfst draußen. Ich brauche das Geld für die Schlafstelle!“ Die Menschenwalze stockt und drängt auf die Straße.
„Lass mich in Ruhe!“
„Gib mir das Geld!“ Er greift nach meinem Becher, ich schnappe sein dünnes Handgelenk.
„Du Dieb, bleib hier!“ Ziehe ihn an mich heran, trete mit den Beinen im Schlafsack nach ihm. Mit dem Kopf schlägt er auf. Blut tropft von seiner Stirn.
„Geil, Mann!“, höre ich jemanden schreien. Ein Jugendlicher filmt den Clown.
„Hau den Penner, du alter Sack!“, feuert er ihn an.
„Das ist Live, live! Und echt!“, brüllt er in die Kamera. Er rückt sich ins Bild, zeigt auf mich, auf den Clown und dann entdeckt er die Polizei: „Scheiße!“

Nach den Ereignissen der letzten Tage suche ich meine Kneipe auf. Zeit für Besinnung. Das Geld reicht aus für fünf warme Nächte auf der Schlafstelle, genügend für den milden Winter. Eine gute Adresse, das Kaufhaus. Ich setze mich an die Bar. Der Wirt toleriert mich, solange ich bezahle. Wärme gibt es gratis und manchmal ein paar Snacks. Die Kneipe hält die Wahrheit fern und suggeriert, dass ein Zuhause auf mich wartet. Ich danke dafür, besonders heute, am Weihnachtstag. Da tritt der Clown ein. Schminke und rote Nase gegen Platzwunde getauscht.

„Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“ Ich bleibe stumm.
„Sein nächstes Bier auf mich!“, ruft er.
„Haste Geld?“, hallt es zurück. Zittrig kramt er die Münzen zusammen und legt sie ihm hin.
„Mein letztes Geld.“ Ich zögere, doch dann reiche ich ihm das spendierte Bier zurück.
„Das Kaufhaus lief doch gut? Was ist mit dem Rest?“
„Nichts mehr da: Essen, Trinken, Schlafen und Geschenke.“
„Familie?“, frage ich überrascht.
„Zwei Söhne. Wir stehen aber nicht mehr in Kontakt. Zu Weihnachten schreibe ich ihnen immer eine Karte und für die Enkel packe ich kleine Geschenke dazu.“
„Was ist passiert?“, ich kralle ein paar salzige Nüsse aus der Schale.
Er zeigt mir ein Familienfoto: „Martin, Paul und meine Frau Anna. Vor ein paar Jahren fand ich ihre Adressen nicht mehr im Telefonbuch. Glaubst du, sie wohnen noch dort?“ Mein Kopf verneint. „Rücksendung gab es nie“, bemerkt er stoisch, „aber was bedeutet das schon. Ich weiß ja nicht mal, wie viele Enkel ich habe!“

Neue Gäste treffen ein. „Anna fand mal auf dem Flohmarkt eine gebrauchte Eisenbahn“, fährt er fort, „und ich musste im Wald einen Tannenbaum fällen! Sie bestand darauf! Als die Kinder das große Geschenk entdeckten, da schauten sie uns mit glänzenden Augen an. Wir sangen sogar ein Lied und lachten viel. Kannst du dir das vorstellen?“ Ein Bier zischt. Eine ältere Dame prostet uns zu. „Ich war kein guter Vater, ich konnte es einfach nicht. Wer weiß, ob meine Enkel mich überhaupt kennen.“ Er fasst sein Glas und starrt hinein. „Und bei dir?“

Stühle knarren. Ein junger Mann setzt sich an die Bar, Gin Tonic in der Hand.

„Hab den Job verloren. Frau weg, Wohnung weg, und kam nicht wieder raus. Ich dachte, alles wird gut. Schämte mich zuerst. Bat meine Freunde nicht um Hilfe. Hatte nur wenige.“ Sie nicken mir zu. „In der ersten Nacht draußen, da überfiel mich eine Jugendbande. Die kickten mich wie ein Fußball und grölten. Ein Helfer flickte mich nachher zusammen. Gab mir den Schlafsack. Gutes Teil, wärmt mich bis heute.“ In der Ecke flackert der kleine billige Plastikweihnachtsbaum. Ein alter Kauz daneben grüßt uns.

„Um Weihnachten zu erinnern“, er schaut mir in die Augen. Ich verstehe ihn nicht. „Deshalb mache ich den Clown", erklärt er. "Kinder verurteilen mich nicht. Sie kichern, winken und lachen. Und wenn sie mich voller Freude anschauen, erinnere ich mich. Damals, wie Paul und Martin strahlten, wie rührend Anna lachte und mich zärtlich umarmte und ich an dem Abend glaubte, als Familie und Mensch Teil der Gesellschaft zu werden.“ Jemand räuspert sich. „Weiße Weihnacht war gestern“, seufzt er.

Wir saßen an der Bar und lauschten unseren Schicksalen: Zwei Murauer Bier, Gin Tonic, irgendein roten Wein und Augustiner. Der Wirt trank Wasser.

 

Mahlzeit @Kroko,

weiß auch nicht, ob das Nächstenliebe ist. Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst, sagte Oma. Und ich antwortete: Ich lieb' mich aber nicht. Da gab's ne liebevolle Ohrfeige.

Du darfst mich schlagen, aber ich konnte in der Kürze keine Verbindung zu deinen beiden Jungs herstellen. Das liegt nicht daran, dass mir diese Schicksale nicht geläufig sind oder nicht interessieren oder ich darüber hinweggehen will. Ich denke eher, dass der Deckel nur ein wenig angehoben wurde. Die Szene in der Kneipe hätte eigentlich ausgereicht, die aber dafür ausgebaut. Einen Vormittag, Nachmittag, Abend, bis sie rausfliegen. Bei den Johannitern hatten wir viel mit den Menschen zu tun. Wenn die Streife uns gerufen hat. Frauen und Männer, ziemlich ausgewogen das Verhältnis. Die noch neu auf der Platte waren, sprachen eine andere Sprache, noch angelehnt an Gesellschaftsstandards. Von Monat zu Monat änderte sich das, wurde reduzierter, einsilbiger, die Erklärungen immer kürzer, irgendwann wollten sie dann nicht mehr erklären. Das ist dann der Moment, an dem es auch kein Zuhören mehr gibt. Stille Hilfe bis zum Wiedersehen, sozusagen. Also die Sprache. Eindeutig. Die Kürze. Auch ein Punkt.

Und vielleicht ist es ein Versuch wert, den Text in die Gegenwart zu heben, dadurch unmittelbarer zu werden.

Das sind mal meine Gedanken dazu.

Griasle
Morphin

 

Hallo @Kroko

Du beschreibst die Begegnung zweier Obdachloser, die ein trostloses Schicksal eint. Gefallen hat mir, dass die Handlung, die Gedanken des Ich-Erzählers und die Beschreibung der beiden Schicksale auf mich glaubwürdig wirken. Gerade zur Weihnachtszeit wird sich sicher so mancher, der auf der Straße lebt, fragen, ob es noch sowas wie Nächstenliebe gibt. Jedenfalls macht dein Text nachdenklich.
Nicht gefallen hat mir leider stellenweise die wörtliche Rede, vor allem, wenn sie von ihrem Leben erzählen. So redet doch keiner, schon gar nicht in der Kneipe. Kein Schriftdeutsch mit langen Sätzen. Vielleicht magst du daran noch feilen.

Hier noch ein paar Kleinigkeiten:

Der alte Mann zitterte am Leib, nur eine Lachnummer.
am ganzen Leib.
Nach den vergangenen Tagen suchte ich meine versiffte Kneipe auf.
Hier war ich verwirrt. Ist es ein paar Tage nach dem ersten Zusammentreffen?
Ein junger Mann gesellte sich an die Bar, Gin Tonic.
gesellte sich zu uns an die Bar.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Kroko,


eine mal nicht süssliche Obdachlosengeschichte ist dir da gelungen. Insoweit bin ich froh, dass du aus diesem Thema nicht das gemacht hast, was üblicherweise draus gemacht wird. Die Situation des auf der Straße dem strengen Winter ausgesetzten Menschen, der hoffnungslos ist und auf die Hilfe anderer angewiesen ist und das alles natürlich in die Weihnachtszeit versetzt, damit man auch ja als Christ und Gläubiger sich mit dem eigenen schlechten Gewissen rumplagen muss, dass man selbst fett und feist vor dem Gänsebraten hockt, der sich mit Tannenduft des hübsch geschmückten Tannenbaums vermischt. Genau das lese ich zu meinem (und deinem) Glück hier nicht und das ist gut so.
Trotzdem war ich schon wegen des Titels in Habachtstellung beim Lesen. Am Ende finde ich nicht so recht die Frage beantwortet, was es mit der Nächstenliebe so auf sich hat. Aber da das Wort nur im Titel vorkommt, stört es mich auch wiederum nicht.


platziere ich meinen Becher beim Kaufhaus.
Mein Sprachgefühl würde hier "vor" dem Kaufhaus wählen.
Die Bäckerin nebenan schenkte mir einen Kaffee.
Diesen und den nächsten Satz hab ich rauszitiert, weil du die Zeiten wechselst und ich das störend fand.
Aber ich blieb.

Die Menschenwalze stockte und drängte auf die Straße.
Ich fragte mich, warum?
Nach den vergangenen Tagen suchte ich meine versiffte Kneipe auf.
Nach den vergangenen Tagen ist nicht so glücklich formuliert, weil ich den Bezugspunkt nicht habe, den zeitlichen meine ich. Nach welchen vergangenen Tagen?
Ich zögerte, doch ich reichte ihm sein für mich bezahltes Bier weiter.
Finde diesen Satz unglücklich formuliert. Er ist inhaltlich korrekt, aber wie wäre es denn mit: Ich zögerte, doch dann reichte ich ihm das mir spendierte Bier zurück.
Die ältere Dame prostete uns zu.
Die? Du bringst sie hier zum ersten Mal in den Plot. Für mich ist sie eine totale Unbekannte. Also würde ich immer zunächst "Eine" wählen.
Wer weiß, ob meine Enkel mich überhaupt kennen.“
Wenn er zuvor nicht mal weiß, wieviele Enkel er hat, kann er ja kaum davon ausgehen, dass sie ihn kennen. Das ist also nicht die richtige Frage.

, und kam nicht mehr wieder raus.
mehr würde ich streichen
Der Wirt trank Wasser.
löblich
Wir saßen an der Bar und lauschten unseren Schicksalen:
Der Satz gefällt mir sehr gut.

Lieben Gruß

lakita

 

„Lade mich doch ein, es ist bald Weihnachten.“

Ich fang mal mit @Morphins Oma an und definier und formulier das Gebot, seinen „Nächsten zu lieben“, in die Aufforderung zur Solidarität um, durch die das Wort dieses seltsamen Wanderpredigers zur „Zeitenwende“ unserer Zeitrechnung in Palästina auch den „Fernsten“ näher bringt,

lieber Kroko,

und der einleitende Satz

„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag.“
spricht für manch „armen“ (in all seinen Bedeutungen) eine untergegangene Bedeutung von „Arbeit“ aus, wie sie die Einleitung des Nibelungenliedes noch formuliert, denn „arebeit“ bedeutet da nicht mehr oder weniger gut bezahlte Beschäftigung, sondern was wir heute als „Leid“ bezeichnen (, selbst wenn wir heute den als „glücklich“ einschätzen, der ein erfülltes Leben – also inclusive Berufsleben hat).

Kommen wir zur Flusenlese

„Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schob er nach und schlürfte an seinem frisch gezapftem Bier.
„gezapften“

Kaufen sich ein gutes Gewissen mit Geld.
Kaufen sie auch für andere?

Weg mit dem sich!

Ich schob ihm mein lauwarmes Bier rüber und zwängte mich schweigsam durch die Menschenmasse zum Ausgang, …
Einer kann (mehr oder weniger von Natur aus, also „ziemlich“ immer) schweigsam sein, aber der Icherzähler zwängte sich schlicht „schweigend“ durch die Menschen

„Du stiehlst mir mein Geld. Gib es sofort her!“
Warum gelingt hier, was beim nächsten Imperativ
„Gib mir das Geld.
verweigert wird!?

& gleich noch mal

„Lass mich in Ruhe.“

Ich danke dafür, besonders heute, am Weihnachtstag. Da trat der Clown ein. Schminke und rote Nase gegen Platzwunde getauscht.
Warum der Gezeitenwechsel?

„Zwei Söhne. Wir stehen aber nicht mehr im Kontakt. …
„in“

Einem "gern" gelesen verweigert sich mein bisschen Hirn, aber ein die Idylle störender Text gehört in die süßliche Zeit, wo ein alter ägyptischer Brauch um den Sonnengott (zur Wintersonnenwende), der mit römischen Kohorten über den Rhein kam, gefeiert wird und der Grundgedanke von Solidarität (nix anderes ist Nächstenliebe) minimalst in den Spendenaufrufen mitschwingt.

Friedel

 

Hallo @Kroko

Ich bin gut durch den Text gekommen und habe das soweit auch gerne gelesen. Den Bezug des Titels zum Text verstehe ich nicht wirklich, der hat für mich nicht viel mit der Geschichte zu tun, aber Du hast Dir bestimmt etwas dabei überlegt. Dann haderte ich auch ein wenig mit dem Setting: Also ich konnte mir das schon in etwa vorstellen, aber es gab da ein paar Stolpersteine: Als erstes die Kneipe, die sie da immer wieder aufsuchen. Das scheint mir nicht recht authentisch beschrieben (siehe Anmerkungen weiter unten). Dann, und ich glaube, das wurde bereits in anderen Kommentaren angemerkt, reden mir diese Leute auch irgendwo zu wenig dreckig, zu wenig abgehackt vielleicht, also da gibt es doch sicherlich Millieu-Sprache, ich denke nicht, dass die sich miteinander unterhalten wie Du und ich. Das hat mir ein wenig gefehlt, damit ich da richtig eintauchen konnte. Ansonsten habe ich es aber gerne gelesen. Was Du nochmal schauen müsstest, mMn, ist das mit den Zeiten, also Du wechselst da ab und zu ins Präsens, obwohl die Geschichte eigentlich in der Vergangenheitsform geschrieben ist. Das hat mich bisschen irritiert und immer mal wieder aus dem Text geworfen.

schob er nach und schlürfte an seinem frisch gezapftem Bier.
Falscher Fall: frisch gezapften Bier

Ich schob ihm mein lauwarmes Bier rüber und zwängte mich schweigsam durch die Menschenmasse zum Ausgang
Das mit der Menschenmasse hat mich ziemlich erstaunt, im Kontext der Geschichte und des Settings. Sind die beiden Obdachlosen nicht in einer Spelunke, in einer Alki-Kneipe vielleicht, also Millieu, hat es da wirklich so viele Leute, dass er sich zum Ausgang drängen muss? Scheint mir nicht glaubwürdig. Später schreibst Du ja auch:
Nach den vergangenen Tagen suchte ich meine versiffte Kneipe auf.

Hier, in der Nähe des Kaufhauses, wälzt sich der Menschenstrom nahe an mir vorbei.
Könntest Du ein wenig kürzen, ich finde es immer etwas unglücklich, wenn der Erzähler so Wörter wie 'Hier' oder 'Da drüben' etc. braucht, um eine Ortsangabe zu machen. Das brauchst Du doch gar nicht. In der Nähe des Kaufhauses wälzte sich der Menschenstrom an mir vorbei. Dann auch die Zeitform beachten, Du erzählst das ja in der Vergangenheitsform. Hier bist Du kurz rausgefallen. Auch 'Nähe' und 'nahe' versuchen zu meiden im selben Satz. Das wären meine Anmerkungen hierzu.

Die Bäckerin nebenan schenkte mir einen Kaffee. Aber ich blieb.
Das mit dem 'Aber ich blieb' habe ich nicht ganz verstanden. Wieso sollte er wegen eines Kaffees weggehen? Weil die ihm kein Geld gegeben hat, sondern nur dieser olle Kaffeebecher? Es macht für mich keinen rechten Sinn oder ich verstehe was falsch.

Der alte Mann zitterte am Leib, nur eine Lachnummer.
'nur eine Lachnummer' ist mir zu wertend vom Erzähler.

„Lass mich in Ruhe.“
Vielleicht bekräftigen mit Ausrufezeichen.

„Dieb, du Dieb, bleib hier!“
Klingt mir viel zu harmlos. Der Clown will ihm ja sein Geld stehlen! Der müsste ihm doch Zeter und Mordio an den Kopf werfen.

„Geil, Mann!“, hörte ich es schreien.
'hörte ich es schreien', wer ist denn 'es'? Schreib vielleicht besser: hörte ich jemanden schreien oder sowas. Das klingt sonst sehr seltsam.

Dann hier die Zeitformen, plötzlich ist das alles Präsens:

Das Geld reicht aus für fünf warme Nächte auf der Schlafstelle, genügend für den milden Winter.
Der Wirt toleriert mich, solange bezahlt wird.
Das ist zu weit entfernt vom Charakter: Der Wirt tolerierte mich, solange ich bezahlte.

Wärme gibt es gratis und manchmal ein paar Snacks. Die Kneipe hält die Wahrheit fern und suggeriert, dass ein Zuhause auf mich wartet. Ich danke dafür, besonders heute, am Weihnachtstag.
Schminke und rote Nase gegen Platzwunde getauscht.
Das untere Zitat gefällt mir gut! Beim oberen auch die Zeitform wieder beachten.

Ein junger Mann gesellte sich an die Bar, Gin Tonic.
Das ist ein wenig zu verkürzt, auch wenn ich es natürlich verstehe. Aber würde da vielleicht ein gesellte sich an die Bar, bestellte Gin Tonic draus machen, sonst liest es sich ein wenig so, als wäre der junge Mann selbst Gin Tonic :D

„Weiße Weihnacht war gestern“, seufzte er.
Dieser Challenge-Satz wirkt mir bisschen aufs Auge gedrückt, passt auch nicht so recht in den Kontext des vorher gesagten. Würde ich mir überlegen. Das für die Leute in dieser Absteige 'Weihnachten gestern' war, kommt für mich auch ohne diese Aussage gut zur Geltung.

Beste Grüsse und ein schönes WE,
d-m

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @Morphin, @Sturek @lakita @Friedrichard @deserted-monkey,

vielen Dank Euch allen! :thumbsup: Und falls jemand Ideen zum Titel hat, gerne her damit. Ich krieche da gerade auf dem Holzweg.

Moin @Morphin,

danke für Dein Engagement bei den Johannitern! Deinen Erfahrungsschatz und deine Erlebnisse besitze ich diesbezüglich definitiv nicht und kann auch nicht erfassen, was die Zeitgenossen täglich durchleben und fühlen. Schlussendlich wollte ich den Leser daran erinnern, dass neben der sehr wohl schönen Weihnachtszeit, die Menschen, deren Leben und Schicksale, große wie kleine, nicht vergessen werden sollten. Seien es nun Obdachlose, Alleinstehende, Gemobbte,... jeder Mensch trägt ein Schicksal. Und vielleicht bringt es den einen oder anderen Leser zum Nachdenken.

Das Obdachlosensetting wählte ich, weil ich wie auch vermutlich die meisten Leser damit in irgendeiner Form einen Bezug haben, den man nicht einfach verneinen kann (Bettler vor dem Supermarkt... ). Beim Schreiben entwickelte ich die zwei Figuren anhand meiner Beobachtungen, Erfahrungen und den Meldungen, rausposaunt von den verschiedenen grellen Online Medien. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Korrektheit aber soweit formuliert, dass man es sich vorstellen könnte. Ja, der Deckel wurde nur angehoben und ich befürchtete durch den kurzen Text, dass die beiden Jungs zu monoton und gleichartig empfunden werden.

Deine Gedanken und Zeilen nehme ich sehr gerne mit. Ironischerweise war der Erzähler in den ersten Versionen sehr wortkarg unterwegs. Empfand dann aber, dass es beim Leser nicht gut ankommen würde. Ein paar gute Gedanken für mich, danke!

Beste Grüße
Kroko


Moin @Sturek,

Gefallen hat mir, dass die Handlung, die Gedanken des Ich-Erzählers und die Beschreibung der beiden Schicksale auf mich glaubwürdig wirken. Gerade zur Weihnachtszeit wird sich sicher so mancher, der auf der Straße lebt, fragen, ob es noch sowas wie Nächstenliebe gibt. Jedenfalls macht dein Text nachdenklich.

Danke, ich freue mich, dass die Schicksale in dir ein glaubwürdiges Bild erzeugten. Und besonders auch, dass die Geschichte einen nachdenklich stimmt. Nicht gleich weitergewischt wird wie bei Tiktok.

Nicht gefallen hat mir leider stellenweise die wörtliche Rede, vor allem, wenn sie von ihrem Leben erzählen. So redet doch keiner, schon gar nicht in der Kneipe. Kein Schriftdeutsch mit langen Sätzen. Vielleicht magst du daran noch feilen.

In der Tat war ich mich da auch nicht sicher, wie diese "Monologe" wirken werden, besonders dem vom Erzähler. Danke für deine Kommentar dazu. Die Situation entspring aus folgender Erfahrung: Zu meiner Auslandszeit war ich an Weihnachten (25.12.) öfters in meiner Stammkneipe. Normallerweise war die Kneipe brechend voll mit allen Gesellschaftsschichten. Zu Weihnachten waren wir zu viert und wir haben uns stundenlang bis frühmorgens amüsiert. Kneipensprache hielt sich in der Situation im Hintergrund . Erlebte ich so aber auch nur an Weihnachten.

Gerade mit dem Kommentar von Morphin gehe ich die wörtliche Rede aber nochmals durch!

Der alte Mann zitterte am Leib, nur eine Lachnummer.
am ganzen Leib.

Der Leib bezeichnet ja ein ganzes. Daher würde ich es weglassen. Ganz sicher bin ich mir aber auch nicht.

Nach den vergangenen Tagen suchte ich meine versiffte Kneipe auf.
Hier war ich verwirrt. Ist es ein paar Tage nach dem ersten Zusammentreffen?

Korrekt. Den zeitlichen Bezugspunkt muss ich klarer aufzeigen.

Ein junger Mann gesellte sich an die Bar, Gin Tonic.
gesellte sich zu uns an die Bar.

Danke! In meinem Kopfkino setzte er sich an die Bar. Nicht zu nah an die Jungs, aber auch nicht zu weit weg. Setzen verwendete ich aber oft, daher schrieb ich gesellte. Aber man gesellt sich zu jemanden und die Vorstellung, dass er bisschen provokativ sich dazu gesellte gefällt mir. Er nickte ja auch gleich mit im nächsten Abschnitt.

Danke Dir!

Beste Grüße
Kroko

Moin @lakita,

eine mal nicht süssliche Obdachlosengeschichte ist dir da gelungen.
Vielen Dank :)!

Die Situation des auf der Straße dem strengen Winter ausgesetzten Menschen, der hoffnungslos ist und auf die Hilfe anderer angewiesen ist und das alles natürlich in die Weihnachtszeit versetzt, damit man auch ja als Christ und Gläubiger sich mit dem eigenen schlechten Gewissen rumplagen muss, dass man selbst fett und feist vor dem Gänsebraten hockt, der sich mit Tannenduft des hübsch geschmückten Tannenbaums vermischt. Genau das lese ich zu meinem (und deinem) Glück hier nicht und das ist gut so.
Klasse beschrieben!

Trotzdem war ich schon wegen des Titels in Habachtstellung beim Lesen. Am Ende finde ich nicht so recht die Frage beantwortet, was es mit der Nächstenliebe so auf sich hat. Aber da das Wort nur im Titel vorkommt, stört es mich auch wiederum nicht.

Ich hätte lieber nochmals eine Nacht drüber geschlafen. Die Nächstenliebe schwirrt überall mit, aber sie sollte nicht dominieren und sie ist auch nicht der Ausgangspunkt meiner Geschichte. Am Ende des Schreibens war sie aber in meinem Kopf stark präsent. In meinem Tunnelblick bog ich einen Titel hin (inspiriert durch ein herumliegendes Buch von Julia Engelmann) obwohl es mich selbst nicht ganz überzeugte. Der Titel prägt die Geschichte zu stark vor und suggeriert eine Frage. Durch eure Kommentare neige ich inzwischen zum Titel: Zwischentöne... aber auch da, ich muss drüber schlafen.

platziere ich meinen Becher beim Kaufhaus.
Mein Sprachgefühl würde hier "vor" dem Kaufhaus wählen.
Gute Frage, vor ist besser.

Die Bäckerin nebenan schenkte mir einen Kaffee.
Diesen und den nächsten Satz hab ich rauszitiert, weil du die Zeiten wechselst und ich das störend fand.
Aber ich blieb.
korrigiert. Der erste war ein Fehler, beim zweiten Folge ich dir und Morphin. Danke.

Die Menschenwalze stockte und drängte auf die Straße.
Ich fragte mich, warum?

Der Erzähler und der Clown versperren den Gehsteig. Die Fußgänger sehen den Streit und weichen aus. Und da viele unterwegs sind, müssen ein paar auf die Straße ausweichen. So war meine Überlegung.

Nach den vergangenen Tagen suchte ich meine versiffte Kneipe auf.
Nach den vergangenen Tagen ist nicht so glücklich formuliert, weil ich den Bezugspunkt nicht habe, den zeitlichen meine ich. Nach welchen vergangenen Tagen?

Seit dem Streit. Ich muss die Beschreibung klarer formulieren, danke.

Ich zögerte, doch ich reichte ihm sein für mich bezahltes Bier weiter.
Finde diesen Satz unglücklich formuliert. Er ist inhaltlich korrekt, aber wie wäre es denn mit: Ich zögerte, doch dann reichte ich ihm das mir spendierte Bier zurück.
Spendieren! Das Wort suchte ich. Danke für den Satz!

Die ältere Dame prostete uns zu.
Die? Du bringst sie hier zum ersten Mal in den Plot. Für mich ist sie eine totale Unbekannte. Also würde ich immer zunächst "Eine" wählen.
Du hast recht!

Wer weiß, ob meine Enkel mich überhaupt kennen.“
Wenn er zuvor nicht mal weiß, wieviele Enkel er hat, kann er ja kaum davon ausgehen, dass sie ihn kennen. Das ist also nicht die richtige Frage

Der Clown und seine Söhne haben den Kontakt miteinander abgebrochen. In meinem Kopfkino fragt sich der Clown, ob die Söhne ihren Kindern über ihn erzählen oder erwähnen, oder ob er ein Tabuthema ist und mit "lebt nicht mehr" das Thema beenden. Was allerdings nur in meinem Kopf drin war, ist, dass vor dem finalen Kontaktabbruch die Söhne schon Kinder hatten. Daher wusste er, dass er Enkel hat, aber ob im Verlauf der Zeit weitere dazukommen, wusste er nicht. Muss ich mir nochmals überlegen.

Wir saßen an der Bar und lauschten unseren Schicksalen:
Der Satz gefällt mir sehr gut.

Danke Dir 😄! Und auch vielen Dank für Deine Kommentare :).

Beste Grüße
Kroko

Moin @Friedrichard

bin immer wieder gespannt, was für ein interessantes Wissen du mit einbringst :). Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast. Ich habe all Deine Punkte eingearbeitet!

Beste Grüße
Kroko

Moin @deserted-monkey

Ich bin gut durch den Text gekommen und habe das soweit auch gerne gelesen.
Danke Dir :)!

Den Bezug des Titels zum Text verstehe ich nicht wirklich, der hat für mich nicht viel mit der Geschichte zu tun, aber Du hast Dir bestimmt etwas dabei überlegt.
Da war ich ein bisschen im Tunnelblick gefangen. Anbei meine Antwort an Lakita zu dem Titel.
Ich hätte lieber nochmals eine Nacht drüber geschlafen. Die Nächstenliebe schwirrt überall mit, aber sie sollte nicht dominieren und sie ist auch nicht der Ausgangspunkt meiner Geschichte. Am Ende des Schreibens war sie aber in meinem Kopf stark präsent. In meinem Tunnelblick bog ich einen Titel hin (inspiriert durch ein herumliegendes Buch von Julia Engelmann) obwohl es mich selbst nicht ganz überzeugte. Der Titel prägt die Geschichte zu stark vor und suggeriert eine Frage. Durch eure Kommentare neige ich inzwischen zum Titel: Zwischentöne... aber auch da, ich muss drüber schlafen.

Das Kneipensetting überarbeite ich nach Euren Kommentaren nochmals. Ursprünglich orientierte ich mich an eine meiner alten Stammkneipe aus vergangenen Tagen, wo sich viele Gesellschaftsschichten trafen und es öfters voll war. Es war aber keine Spelunke und versifft trifft es auch nur bedingt. Aber vielleicht sollte ich es zu einer Spelunke umschreiben und die Obdachlosen dann auch in der Sprache anpassen. Oder, ich wandle die Obdachlosen zu Menschen um, die noch zu einem gewissen Grad in der Gesellschaft verankert sind. Danke für deine Punkte!

Hier, in der Nähe des Kaufhauses, wälzt sich der Menschenstrom nahe an mir vorbei.
Könntest Du ein wenig kürzen, ich finde es immer etwas unglücklich, wenn der Erzähler so Wörter wie 'Hier' oder 'Da drüben' etc. braucht, um eine Ortsangabe zu machen. Das brauchst Du doch gar nicht. In der Nähe des Kaufhauses wälzte sich der Menschenstrom an mir vorbei. Dann auch die Zeitform beachten, Du erzählst das ja in der Vergangenheitsform. Hier bist Du kurz rausgefallen. Auch 'Nähe' und 'nahe' versuchen zu meiden im selben Satz. Das wären meine Anmerkungen hierzu.

Gut gesehen: hier, Nähe und nahe in einem Satz. Das hier sollte die Situation unterstreichen Es braucht aber nur eines.

Die Bäckerin nebenan schenkte mir einen Kaffee. Aber ich blieb.
Das mit dem 'Aber ich blieb' habe ich nicht ganz verstanden. Wieso sollte er wegen eines Kaffees weggehen? Weil die ihm kein Geld gegeben hat, sondern nur dieser olle Kaffeebecher? Es macht für mich keinen rechten Sinn oder ich verstehe was falsch.
Die Bäckerin wollte ihn wegen ihrer Kundschaft weghaben und bot ihm einen Kaffee an, das er weggeht. Den Kaffee nahm er dankend an, aber er blieb an seinem Ort.

„Dieb, du Dieb, bleib hier!“
Klingt mir viel zu harmlos. Der Clown will ihm ja sein Geld stehlen! Der müsste ihm doch Zeter und Mordio an den Kopf werfen.
Gute Frage, ich bin mir da uneins. Hat sich der Mensch aufgegeben, so verhalten sie sich eher passiv und lassen es geschehen. Die Frage wäre dann für mich, wo steht der Erzähler und wie ist sein Charakter. Daraus leitet sich seine Reaktion ab. Den Punkt nehme ich mit.

„Geil, Mann!“, hörte ich es schreien.
'hörte ich es schreien', wer ist denn 'es'? Schreib vielleicht besser: hörte ich jemanden schreien oder sowas. Das klingt sonst sehr seltsam.
passt!

Der Wirt toleriert mich, solange bezahlt wird.
Das ist zu weit entfernt vom Charakter: Der Wirt tolerierte mich, solange ich bezahlte.
passt, danke.

Schminke und rote Nase gegen Platzwunde getauscht.
Das untere Zitat gefällt mir gut!
danke :)!

Ein junger Mann gesellte sich an die Bar, Gin Tonic.
Das ist ein wenig zu verkürzt, auch wenn ich es natürlich verstehe. Aber würde da vielleicht ein gesellte sich an die Bar, bestellte Gin Tonic draus machen, sonst liest es sich ein wenig so, als wäre der junge Mann selbst Gin Tonic :D
Hmmmm einerseits mag ich es so, andererseits könnte ein weiteres Wort nicht schaden. Ich bastle daran herum.

„Weiße Weihnacht war gestern“, seufzte er.
Dieser Challenge-Satz wirkt mir bisschen aufs Auge gedrückt, passt auch nicht so recht in den Kontext des vorher gesagten. Würde ich mir überlegen. Das für die Leute in dieser Absteige 'Weihnachten gestern' war, kommt für mich auch ohne diese Aussage gut zur Geltung.

Ein guter Punkt. Ich fragte mich auch, ob dieses Unterstreichen zu viel ist, oder ob es für den Leser nochmals einen Mehrwert bringt. Der Satz kam auch erst in der finalen Version rein. Beim Durchlesen empfand ich die Geschichte damit bisschen runder. Allerdings ist ja man meistens im Tunnelblick gefangen. Vielleicht kann ein weiterer Leser seine Meinung dazu äußern. Würde mich interessieren.

Geschichte ist mit Deinen Vorschlägen aktualisiert!

Danke!

Beste Grüße und einen schönen Wochenstart
Kroko

 

Hey @Kroko

Ich sehe, dass man sich vor der Tür drängt.
Danke für Deine Geschichte, die ich mit einem Pluspunkt bewerte. Mit 900 Wörtern kurz. Ist sie kurz. Vielleicht sogar etwas zu kurz. Ich sehe deine beiden Figuren auf einer Theaterbühne, aber es fehlt das Bühnenbild.
Ein paar mehr Details über die Atmosphäre im Bistro wären meiner Meinung nach gut.
Ich muss zugeben, dass ich die Handlung nicht ganz verstanden habe. Als ich gelesen habe, dass sich Deine beiden Figuren streiten, dachte ich, jetzt geht die Geschichte los. Aber nein, nichts. Am Ende küssen sie sich (oder fast). Was passiert dazwischen?
Fazit: Ich finde Dein Thema wirklich interessant, Deine Schreibweise angenehm zu lesen, aber jetzt muss dein Text mMn noch gefüttert und mit Fleisch gefüllt werden. Wie wär's mit hundert Wörtern mehr?

Frohe Weihnachtszeit.

Liebe Grüße
Eraclito

 

Moin @Kroko ,

danke für Deine Geschichte.

Die Grundidee, die Weihnachtszeit aus der Perspektive zweier obdachloser Menschen zu schildern, finde ich sehr gut.

Die Situation des auf der Straße dem strengen Winter ausgesetzten Menschen, der hoffnungslos ist und auf die Hilfe anderer angewiesen ist und das alles natürlich in die Weihnachtszeit versetzt, damit man auch ja als Christ und Gläubiger sich mit dem eigenen schlechten Gewissen rumplagen muss, dass man selbst fett und feist vor dem Gänsebraten hockt, der sich mit Tannenduft des hübsch geschmückten Tannenbaums vermischt. Genau das lese ich zu meinem (und deinem) Glück hier nicht und das ist gut so.
Da gehe ich mit, das fand ich auch gut, dass Du uns hier nicht die „übliche“ Story zeigst.
Trotzdem, finde ich, kratzt Du bisher nur an der Oberfläche, anstatt richtig einzutauchen, in den Kosmos garantiert vieler kleiner bis hin zu riesigen Herausforderungen, die diese soziale Randgruppe gerade zur Weihnachtszeit meistern muss.

Über die unecht wirkende Ausdrucksweise des Milieus haben andere Wortkrieger Dir bereits Feedback gegeben, ich hab nur noch zwei Punkte auf dem Zettel:

Den Einstieg fand ich schwierig zu lesen, durch fehlenden Zeilenwechsel fehlte mir die klare Perspektive:

„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag.“ Ich sitze an der Bar und starre die rote Nase eines Clowns an. „Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schob er nach und schlürfte an seinem frisch gezapftem Bier. „An Weihnachten drehen sie alle durch. Kaufen sich ein gutes Gewissen mit Geld. Und ich helfe ihnen dabei! Egal ob es pisst, schneit oder mein Arsch abfriert.“ Ich ließ ihn reden und nippte am abgestandenen Bier. „Lade mich doch ein, es ist bald Weihnachten.“ Fordernd schaute er mich an. Ich schob ihm mein lauwarmes Bier rüber und zwängte mich schweigsam durch die Menschenmasse zum Ausgang, zurück in die kalte Winternacht. Morgen platziere ich meinen Becher vor Kaufhaus. Die Fahrgäste an der U-Bahn Haltestelle schenken nichts. Auch an Weihnachten hetzen sie mit versteinerter Miene an mir vorbei.
Ich hätte es so gestellt:

„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag.“
Ich sitze an der Bar und starre die rote Nase eines Clowns an.
„Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schob er nach und schlürfte an seinem frisch gezapftem Bier „An Weihnachten drehen sie alle durch. Kaufen sich ein gutes Gewissen mit Geld. Und ich helfe ihnen dabei! Egal ob es pisst, schneit oder mein Arsch abfriert.“
Ich ließ ihn reden und nippte am abgestandenen Bier.
„Lade mich doch ein, es ist bald Weihnachten.“ Fordernd schaute er mich an.
Ich schob ihm mein lauwarmes Bier rüber und zwängte mich schweigsam durch die Menschenmasse zum Ausgang, zurück in die kalte Winternacht. Morgen platziere ich meinen Becher vor Kaufhaus. Die Fahrgäste an der U-Bahn Haltestelle schenken nichts. Auch an Weihnachten hetzen sie mit versteinerter Miene an mir vorbei.

Und habe ich es richtig verstanden: Der Clown trägt deshalb ein Clownskostüm, damit er durch die Blicke und Mimik der Kinder, denen er begegnet, an frühere Zeiten erinnern kann, als er noch nicht auf der Straße lebte?
Ich kann mir sein Kostüm aufgrund fehlender Beschreibung noch nicht konkret vorstellen.
Gerade überlege ich, ob es nicht besser zum Challenge-Thema passen würde, wenn Du das Clownskostüm gegen ein Nikolaus- / Weihnachtsmann-Kostüm tauschen würdest. Die Blicke der Kinder als Beweggrund könnte man beibehalten, umso wichtiger wäre die Weihnachtszeit für diesen Mann.
Die Geschichte, wie ein Obdachloser an das Kostüm gekommen ist, könnte interessant sein. Aber das bin vielleicht nur ich.

Wenn Dir meine Anmerkungen weiterhelfen, freue ich mich
Beste Grüße
Seth

 

Hallo @Kroko ,

auf der Suche nach einem besseren Titel ist mir einer eingefallen:

Weihnachtsbier(e)

Er benennt ganz schlicht das Geschehen. Der Text fängt so an und er endet ja auch in einer Kneipe, insoweit liegt er zumindestens nicht neben der Spur und führt auch nicht in die Irre.

Ich weiß, er klingt dir bestimmt zu banal, aber man kann nicht immer bedeutungsschwangere Titel finden für die eigenen Geschichten.
Und auch wenn ich weiß, dass du ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wählen wirst, was ich völlig in Ordnung fände, so weiß ich doch, dass gerade auch die Verbesserungsvorschläge, die man ablehnt, einen weiterbringen. Denn man ist gezwungen, abzuwägen und zu vergleichen und genau das bringt manchmal dann als Ergebnis die perfektere Lösung hervor.
Daher hab ich mich getraut, dir diesen Denkanstoß zu senden.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @lakita,

ich finde Deinen Vorschlag & Denkanstoß klasse! Also vielen Dank 😄!!

Weihnachtsbiere trifft es! Ein wiederkehrendes, essentielles und die Geschichte umklammerndes Element, welcher nicht zu viel vorab verrät und keine Habachtstellung hervorruft. Sowas suchte ich :)! Nach ein paar für und wieder mit meiner besseren Hälfte fand ich mich bei: Weihnachtsbier trifft Straße!

Vielen Dank für Deinen Vorschlag und Denkanstoß, weiter so sage ich nur :)!

Wie hat für Dich eigentlich mein Satz " Weiße Weihnachten war gestern" in der Geschichte gewirkt? @deserted-monkey brachte es auf und ich war mir selber beim Schreiben auch nicht so sicher.

„Weiße Weihnacht war gestern“, seufzte er.
Dieser Challenge-Satz wirkt mir bisschen aufs Auge gedrückt, passt auch nicht so recht in den Kontext des vorher gesagten. Würde ich mir überlegen. Das für die Leute in dieser Absteige 'Weihnachten gestern' war, kommt für mich auch ohne diese Aussage gut zur Geltung.

Ein guter Punkt. Ich fragte mich auch, ob dieses Unterstreichen zu viel ist, oder ob es für den Leser nochmals einen Mehrwert bringt. Der Satz kam auch erst in der finalen Version rein. Beim Durchlesen empfand ich die Geschichte damit bisschen runder. Allerdings ist ja man meistens im Tunnelblick gefangen. Vielleicht kann ein weiterer Leser seine Meinung dazu äußern. Würde mich interessieren.

Danke Dir nochmals für Deine Zeit & Aufwand 😄😄👍! Das hat mir nun viel gebracht und mit dem Titel kann ich friedlich schlafen.

Ich wünsche Dir einen schönen Wochenstart!

Beste Grüße
Kroko

 

Hallo @Kroko,

das freut mich, dass du mit meinem Vorschlag etwas anfangen konntest.
Weihnachtsbier auf der Straße wäre eine Möglichkeit, finde ich aber nicht optimal.
Wie wäre es, wenn du unbedingt die Straße da mitreinbringen möchtest, mit: Straßenweihnachtsbier(e)? Aber so ganz glücklich klingt das auch nicht für mich.
Ich denke mal so in Kladde: Geteilte Weihnachtsbiere ?

Soso und dann gleich noch einen Job hinterher geschoben für mich? :D

Ich finde nicht, dass der Challenge-Spruch in deine Geschichte nicht reinpasst.
In diesem Satz sitzt ja so eine Wehmut nach damals, als man sehr wahrscheinlich auch nicht glücklicher war, aber es kommt einem so sehr danach vor. Und es steckt in diesem Resümee, dass man sich jetzt überhaupt nicht so recht wohl fühlt, aber versucht, damit zu arrangieren.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @lakita,

so macht es Spaß! Geteilte Weihnachtsbiere - noch besser 😄!

Ich realisierte gerade, dass ich in meinen elf Jahren Wortkrieger nur drei Geschichten eingestellt habe 🙈😅. Immerhin war ich bei den Kritiken fleißiger.

Soso und dann gleich noch einen Job hinterher geschoben für mich? :D

Deine Sicht überzeugt mich :). Danke für Deine Spätschicht :D!

Liebe Grüße
Kroko


Hallo @Morphin

Und vielleicht ist es ein Versuch wert, den Text in die Gegenwart zu heben, dadurch unmittelbarer zu werden.

Liest sich besser in der Gegenwart :), danke!

Beste Grüße
Kroko

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @Henry K.,

Die Geschichte hat ein spannendes Setting und ein gewichtiges Thema,
Danke!

Die Kneipenszene und der Rede werde ich nochmals nachschärfen. Ich lasse die Geschichte nun ein paar Tage ruhen und setze mich dann nochmals ran. Verschiedene Ideen geistern durch meinen Kopf, alle Anregungen gerne willkommen!

Vielleicht könntest du dem Problem so begegnen, dass die beiden erklärtermassen sehr gebildete Leute sind, von denen man nicht erwartet hätte, dass sie auf der Strasse landen. (Da kommt mir auch noch der Film "Der Solist" in den Sinn.) So könnten sie vielleicht sogar besonders elaboriert sprechen, was einen Kontrast zu den Umständen schaffen würde.
Ein interessanter Gedanke. Tatsächlich sah ich den Erzähler als gebildeter an. Aber war nur ein Hintergedanke, den ich in der Geschichte nicht weiterausbaute. @Morphin hat zum Thema Obdachlosigkeit auch ein paar gute Aspekte beleuchtet, die in mir rattern.

Morphin: Die noch neu auf der Platte waren, sprachen eine andere Sprache, noch angelehnt an Gesellschaftsstandards. Von Monat zu Monat änderte sich das, wurde reduzierter, einsilbiger, die Erklärungen immer kürzer, irgendwann wollten sie dann nicht mehr erklären. Das ist dann der Moment, an dem es auch kein Zuhören mehr gibt.

Und der Vollständigkeitshalber noch meine Antwort an Deserted-Monkey zum gleichen Thema.
Das Kneipensetting überarbeite ich nach Euren Kommentaren nochmals. Ursprünglich orientierte ich mich an eine meiner alten Stammkneipe aus vergangenen Tagen, wo sich viele Gesellschaftsschichten trafen und es öfters voll war. Es war aber keine Spelunke und versifft trifft es auch nur bedingt. Aber vielleicht sollte ich es zu einer Spelunke umschreiben und die Obdachlosen dann auch in der Sprache anpassen. Oder, ich wandle die Obdachlosen zu Personen um, die noch zu einem gewissen Grad in der Gesellschaft verankert sind. Danke für deine Punkte!

Danke für die Vorschläge & den Youtube Denkanstoß! Ein paar Titel sagen mir nichts. In letzter Zeit wanderten aber auch nur wenige Bücher über meine Hände :/. Zeit um Weihnachten zu nützen :D!

Beste Grüße
Kroko

Moin @Eraclito

Ich sehe, dass man sich vor der Tür drängt.
Platz gibt es immer und alle sind willkommen!

Danke für Deine Geschichte, die ich mit einem Pluspunkt bewerte.
Danke :)!

Ich sehe deine beiden Figuren auf einer Theaterbühne, aber es fehlt das Bühnenbild.
Wie wär's mit hundert Wörtern mehr?

100 Wörter werde ich der Geschichte noch gönnen und damit die Kneipenszene und die Figuren schärfer zeichnen. Zwar wollte ich eine minimalistische, auf das Wesentliche reduzierte Geschichte. Vermutlich knauserte ich zu viel. Im Kopfkino sollte schon ein Gesamtrahmen alias Bühnenbild entstehen.

Ich muss zugeben, dass ich die Handlung nicht ganz verstanden habe. Als ich gelesen habe, dass sich Deine beiden Figuren streiten, dachte ich, jetzt geht die Geschichte los. Aber nein, nichts. Am Ende küssen sie sich (oder fast). Was passiert dazwischen?

Der zeitliche Versatz des nächsten Absatzes war ein bisschen ungenau formuliert. Inzwischen habe ich es geändert. Vielleicht kam daher auch die Verwirrung.

Den Teil ließ ich aus, da er meiner Meinung nach nicht zum eigentlichen Thema beiträgt. Schlussendlich kam die Polizei, trennte die Streitenden, nahm ihre Personalien auf, sprach Ermahnungen aus, ließ den Clown verarzten... in einer längeren Fassung könnte man die Gefühle der beiden darstellen und einen Übergang zur Kneipenszene vorbereiten.

Ich verstehe aber Deinen Punkt, dass der Sinneswandel nicht sauber ausgearbeitet ist. Die Frage, warum bittet er Versöhnung an und schlägt ihm nicht gleich auf den Kopf ist in der Geschichte nicht beantwortet. Ich dachte an besinnliche Zeit und Menschen schlagen sich normalerweise nicht einfach. Aber zu der Frage kann ich ein paar mehr Wörter aufwenden ;).

Deine Schreibweise angenehm zu lesen
Freut mich :)!

Ich wünsche Dir auch eine frohe und besinnliche Weihnachtszeit.

Liebe Grüße
Kroko

Moin @Seth Gecko

danke für Deine Geschichte.

Das hört man gerne :), danke.

Den Einstieg fand ich schwierig zu lesen, durch fehlenden Zeilenwechsel fehlte mir die klare Perspektive:
Ok, das habe ich nicht erwartet. Den Zeilenwechsel baute ich beim Sprecherwechsel für Eindeutigkeit ein. Der ist im ersten Absatz bei nur einem Sprecher aber nicht vorhanden. Vielleicht kann ein anderer Leser seinen Eindruck dazu nennen. Für mich liest sich der Vorschlag mühsamer. Ist aber mein subjektives Gefühl. Kannst du mir deinen Punkt klare Perspektive genauer beschreiben? Ich kann es noch nicht genau fassen, was dich beim Lesen störte, danke.

Und habe ich es richtig verstanden: Der Clown trägt deshalb ein Clownskostüm, damit er durch die Blicke und Mimik der Kinder, denen er begegnet, an frühere Zeiten erinnern kann, als er noch nicht auf der Straße lebte?
Damit er sich an dieses eine glückliche Weihnachtsfest mit seiner Familie erinnert.

Die Geschichte, wie ein Obdachloser an das Kostüm gekommen ist, könnte interessant sein. Aber das bin vielleicht nur ich.

Ich finde es ein interessanter Aspekt :). Gerade wenn die Geschichte länger wäre und man die Veränderung seines Wesens aufzeigt. Wie kommt er auf diese Idee, was bewirkt es in ihm, wie holt er sich das Kostüm (im Sinne, was muss er dafür aufbringen, opfern), und dann, das erste Mal mit dem Kostüm unterwegs. Ich sehe schon, die Geschichte entwickelt sich :).

Ich kann mir sein Kostüm aufgrund fehlender Beschreibung noch nicht konkret vorstellen.
Das überließ ich bewusst der Fantasie des Lesers. Relevant war, dass er ein Kostüm trug, wie es aussieht, spielt für die Handlung und für die Kürze der Geschichte keine Rolle. Und da Clowns bekannt sind, sollte im Kopfkino ein Bild dazu auftauchen. Nahm ich jedenfalls an. @Eraclito hat das Thema "Bühnenbild" angesprochen und vielleicht wären da auch ein paar zusätzliche Beschreibungen förderlich gewesen. Daher finde ich es super, dass du das Thema auch ansprichst!

Gerade überlege ich, ob es nicht besser zum Challenge-Thema passen würde, wenn Du das Clownskostüm gegen ein Nikolaus- / Weihnachtsmann-Kostüm tauschen würdest. Die Blicke der Kinder als Beweggrund könnte man beibehalten, umso wichtiger wäre die Weihnachtszeit für diesen Mann.
Ein sehr guter Punkt! Definitiv! Die Geschichte basiert auf einem Gedanken, denn ich vor langer Zeit mal festhielt. Da spielte Weihnachten keine Rolle (und das eigentliche Thema war auch ein anderes) und deshalb war es ein Clown. Aber ein Nikolauskostüm passt besser! Die Tomaten fallen von meinen Augen ab ... 🙈. Danke Dir!

Wenn Dir meine Anmerkungen weiterhelfen, freue ich mich
Absolut :), ich danke Dir für Deine Zeit und Mühen!

Beste Grüße
Kroko

 

Hallo Kroko,

heute war ich in der Stadt und ich glaube, ich habe noch nie so viele Leute in der Fußgängerzone sitzen sehen. Insofern ein wichtiges Thema. Ich finde, es lohnt sich an der Geschichte zu basteln. Das schreit auch ein bisschen nach Recherche. Ich frage mich zum Beispiel, was man in dieser Szene zu der "Schlafstelle" sagt. Da gibt es bestimmt einen Slangausdruck oder man nimmt den Namen der Straße wo die ist, oder so.

„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag.“ Ich sitze an der Bar und starre die rote Nase eines Clowns an. „Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schiebt er nach und schlürft an seinem frisch gezapften Bier. „An Weihnachten drehen sie alle durch. Kaufen ein gutes Gewissen mit Geld. Und ich helfe ihnen dabei! Egal ob es pisst, schneit oder mein Arsch abfriert.“ Ich lasse ihn reden und nippe am abgestandenen Bier. „Lade mich doch ein, es ist bald Weihnachten.“ Fordernd schaut er mich an.
Das mit dem Zeilenwechsel wäre wichtig, weil man sonst gleich mit einer Irritation startet und denkt, der Erzähler spricht den ersten Satz. Auch im weiteren Verlauf würde das Klarheit schaffen. Ich nehme mal das erste Stück:

„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag.“
Ich sitze an der Bar und starre die rote Nase eines Clowns an.
„Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schiebt er nach und schlürft an seinem frisch gezapften Bier. „An Weihnachten drehen sie alle durch. Kaufen ein gutes Gewissen mit Geld. Und ich helfe ihnen dabei! Egal ob es pisst, schneit oder mein Arsch abfriert.“
Ich lasse ihn reden und nippe am abgestandenen Bier.
„Lade mich doch ein, es ist bald Weihnachten.“ Fordernd schaut er mich an.

Den letzten Satz, wie sich das aufbaut und er ihn so ankumpelt, finde ich übrigens gut gemacht.

Die Bäckerin nebenan schenkt mir einen Kaffee. Aber ich bleibe sitzen.
Warum "aber"? "Eigentlich ist mein Tagesziel erreicht, aber ich bleibe trotzdem sitzen?" So irgendwie?

Nach den Ereignissen der letzten Tagen suche ich meine Kneipe auf.
der letzten Tage
„Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“ Ich bleibe stumm.
Was dachte er denn, als er ihn da sitzen sah?
„Zwei Söhne. Wir stehen aber nicht mehr in Kontakt. Zu Weihnachten schreibe ich ihnen immer eine Karte und für die Enkel packe ich kleine Geschenke dazu.“
„Was ist passiert?“, ich kralle ein paar salzige Nüsse aus der Schale.
Er zeigt mir ein Familienfoto: „Martin, Paul und meine Frau Anna. Vor ein paar Jahren fand ich ihre Adressen nicht mehr im Telefonbuch. Glaubst du, sie wohnen noch dort?“ Mein Kopf verneint. „Rücksendung gab es nie“, bemerkt er stoisch, „aber was bedeutet das schon. Ich weiß ja nicht mal, wie viele Enkel ich habe!“
Ja, das ist jetzt doch recht brav runtererzählt und wenig überraschend, beide Lebensläufe. Ich glaube, von @Seth Gecko kam die Frage, wie er zu dem Kostüm gekommen ist und ich finde die Idee super, denn da hast du ja wirklich etwas Besonderes in der Geschichte mit diesem Clownskostüm. Also ich fände es interessanter, wenn der Erzähler fragt: Wo haste denn das Kostüm her?
Stühle knarren. Ein junger Mann gesellt sich zu uns an die Bar, Gin Tonic in der Hand.
Ab jetzt finde ich es ungewöhnlich, dass der Erzähler einfach so seine Geschichte erzählt. Zu dem Clown ist eine Verbindung entstanden. Aber, wenn jetzt ein Fremder dazukommt, würde man doch eigentlich erstmal schweigen, zögern, irgendwie fremdeln. Da müsste etwas passieren, damit der mit drin ist. Ich weiß auch nicht ganz, was der für eine Funktion hat, in der Geschichte. Ich glaube, der könnte auch weg.
Damals, wie Paul und Martin strahlten, wie rührend Anna lachte und mich zärtlich umarmte und ich an dem Abend glaubte, als Familie und Mensch Teil der Gesellschaft zu werden.
Das passt irgendwie nicht. Wer denkt unter dem Weihnachtsbaum: "Ich werde bestimmt als Familie und Mensch Teil der Gesellschaft." ?

Ich bin gespannt, was daraus noch wird.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Kroko,

jetzt komme ich auch endlich dazu, deine kleine Geschichte zu lesen, und da kommentiere ich natürlich auch gern. :D

Das ist ein Milieu für starke Geschichten, dieses Leben auf der Straße. Viel Elend, viel Leid, aber auch Kameradschaft. Und Schicksale, mit denen man viel machen kann, viel literarisch darstellen. Ich lese sowas immer gern. Zum Teil natürlich auch, weil es wie eine andere Welt wirkt. Dabei trennen mich nur wenige Hundert Meter Luftlinie vom nächsten Obdachlosen. Ist wie eine Parallelgesellschaft, die keiner sehen will, die im Schatten bleibt. Da kann man mit Literatur viel erzählen. Und wenn ich sowas lese, gucke ich auf der Straße einmal mehr hin, öffnen mich emotional mal mehr. Literatur soll an dieser Stelle natürlich nicht belehren, nicht sagen: „Guckt mal hier, wie schlecht es denen geht, wie die im Dreck hausen, gebt denen das nächste Mal einen Euro“. Hier muss man beim Schreiben dann auch aufpassen, dass der eigene Text nicht wirkt wie ein Fingerzeig. Ich finde, dein Text ist da so ein Zwischending. Die Schicksale der beiden sind traurig und du haust hier auch voll drauf, sodass ich mir als Leser denke, ich müsse mich jetzt schlecht fühlen. Fühle ich mich aber nicht. Das liegt vor allem daran, dass viel einfach behauptet wird, nicht aktiv gezeigt.

Die Dialoge zwischen Clown und Prota in der Bar sind sehr schablonenhaft, finde ich. "Mir ist das und das passiert." "Echt? Mir ist dagegen das und das passiert." Die beiden behaupten das so, es gibt aber keine Stellen im Text, die mich das glauben lassen, auf emotionaler Ebene passiert da nicht viel. Klar, was die mir da erzählen, ist scheiße und traurig, aber es sind halt doch nur Behauptungen, die mir nicht szenisch verdeutlich werden. Das könntest du auf jeden Fall noch ausbauen, sprachlich hättest du definitiv das Zeug dazu, aber so wie es jetzt ist, ist mir das zu knapp erzählt, zu oberflächlich. Aber das ist natürlich allein dir überlassen. Aus 1000 Wörtern werden dann schnell 6000 und das muss man natürlich selbst auch wollen.

Ein paar Anmerkungen:

Auch an Weihnachten hetzen sie mit versteinerter Miene an mir vorbei.
Vor allem an Weihnachten, habe ich immer öfter das Gefühl. Die Leute sind alle so gestresst, hetzen von Einkaufszentrum zu Einkaufszentrum, dann noch in Menschenmassen übern Weihnachtsmarkt. Ich habe da auch schnell keinen Bock mehr. :D

Ich verfolge ihre Augen. Ja, ich bin auch ein Mensch und schon klimpern ihre Münzen im Becher.
Das mit dem Mensch würde ich weglassen, dass wirkt zu plump, ein bisschen effekthascherisch.

Der alte Mann zittert am Leib, nur eine verpönte Lachnummer.
Diese Wertung würde ich dem Leser überlassen.

„Das ist Live, Live! Und echt!“, brüllt er in die Kamera
live

Nach den Ereignissen der letzten Tagen suche ich meine Kneipe auf.
der letzten Tage

„Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“ Ich bleibe stumm.
Das hat mich verwirrt. Hat der Clown nicht eingangs gesagt, der Prota hätte zumindest einen Schlafsack zum Pennen, während der Clown gar nichts habe? Warum sagt der Clown sowas, ohne bereits zu wissen, dass der Prota in dem Schlafsack lebt?
Da:
„Gib mir das Geld! Du hast einen Schlafsack, du schläfst draußen. Ich brauche das Geld für die Schlafstelle!“
Da sagt der Clown eindeutig, dass er weiß, dass der Prota auf der Straße schläft. :D

Wie gesagt, ich hätte mir inhaltlich etwas mehr Tiefgang gewünscht, nichtsdestotrotz habe ich deinen Text gerne gelesen. Eben auch, weil ich das Sujet stark finde, und es ist immer schwierig ist, darüber zu schreiben. Dafür Hut ab!

Einen schönen Start in die Woche und liebe Grüße
gibberish

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin @Chutney,

heute war ich in der Stadt und ich glaube, ich habe noch nie so viele Leute in der Fußgängerzone sitzen sehen. Insofern ein wichtiges Thema.
Die Weihnachtsbäume mit den Wunschzetteln von Kindern aus ärmeren Familien werden auch immer wie zahlreicher. Da merkt man erst, was zehn Euro für manche bedeuten.

Das mit dem Zeilenwechsel wäre wichtig, weil man sonst gleich mit einer Irritation startet und denkt, der Erzähler spricht den ersten Satz. Auch im weiteren Verlauf würde das Klarheit schaffen. Ich nehme mal das erste Stück:
Ein guter Punkt. Ursprünglich hatte ich den zweiten Satz als ersten Satz, da wäre es eindeutiger gewesen. Ok, ich sehe, ich muss was ändern. Danke, für deine Zweitmeinung dazu :). Edit: ich hab's umgestellt.

Den letzten Satz, wie sich das aufbaut und er ihn so ankumpelt, finde ich übrigens gut gemacht.
Danke :)!

Die Bäckerin nebenan schenkt mir einen Kaffee. Aber ich bleibe sitzen.
Warum "aber"? "Eigentlich ist mein Tagesziel erreicht, aber ich bleibe trotzdem sitzen?" So irgendwie?
Die Bäckerin wollte ihn mit einem Kaffee bestechen, so dass er seinen Platz wechselt und ihre Kundschaft nicht an ihm vorbeizwängen muss. Da war ich aber mit der Situationsbeschreibung zu knausrig und hatte dieses Bild nur in meinem Kopfkino drin.

„Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“ Ich bleibe stumm.
Was dachte er denn, als er ihn da sitzen sah?
Wenn der Clown im ersten Abschnitt gewusst hätte, dass der Erzähler auf der Straße lebt, dann hätte er ihn nicht wegen einem Bier angepumpt. Das was als Entschuldigung gedacht. So mein Gedankengang.

Ja, das ist jetzt doch recht brav runtererzählt und wenig überraschend, beide Lebensläufe.
Dem Eindruck kann man sich nicht verwehren 🙈. Zu schablonenhaft wie @gibberish es formuliert. Ich überarbeite dies nochmals. Auch deinen Punkt mit der Schlafstelle.

Ich glaube, von @Seth Gecko kam die Frage, wie er zu dem Kostüm gekommen ist und ich finde die Idee super, denn da hast du ja wirklich etwas Besonderes in der Geschichte mit diesem Clownskostüm. Also ich fände es interessanter, wenn der Erzähler fragt: Wo haste denn das Kostüm her?
Guter Punkt mit dieser Frage einzusteigen, danke :).

Stühle knarren. Ein junger Mann gesellt sich zu uns an die Bar, Gin Tonic in der Hand.
Ab jetzt finde ich es ungewöhnlich, dass der Erzähler einfach so seine Geschichte erzählt. Zu dem Clown ist eine Verbindung entstanden. Aber, wenn jetzt ein Fremder dazukommt, würde man doch eigentlich erstmal schweigen, zögern, irgendwie fremdeln. Da müsste etwas passieren, damit der mit drin ist. Ich weiß auch nicht ganz, was der für eine Funktion hat, in der Geschichte. Ich glaube, der könnte auch weg.
Ursprünglich setzte er sich nur an die Bar, nicht direkt dazu, aber auch nicht zu weit entfernt. Mit dem "zu uns" kommt nun aber der von dir beschriebene Punkt auf. Muss ich nochmals drüber. Er ist nur ein Statist mit der Funktion, Teil der sich findenden Gemeinschaft in der Bar zu sein.

Damals, wie Paul und Martin strahlten, wie rührend Anna lachte und mich zärtlich umarmte und ich an dem Abend glaubte, als Familie und Mensch Teil der Gesellschaft zu werden.
Das passt irgendwie nicht. Wer denkt unter dem Weihnachtsbaum: "Ich werde bestimmt als Familie und Mensch Teil der Gesellschaft." ?
Er formuliert einen Wunsch, dass er in die Mitte der Gesellschaft aufsteigt. Man nicht mehr auf ihn herunterschaut und denkt: ach die da. Das war meine Absicht.

Ich bin gespannt, was daraus noch wird.

Danke :). Durch Euch erhielt ich nun auch viele tolle und hilfreiche Anregungen und Kommentare :). Ich freue mich selber schon richtig darauf :D.

Beste Grüße
Kroko


Moin @gibberish,

jetzt komme ich auch endlich dazu, deine kleine Geschichte zu lesen, und da kommentiere ich natürlich auch gern. :D
:D :thumbsup:

Hier muss man beim Schreiben dann auch aufpassen, dass der eigene Text nicht wirkt wie ein Fingerzeig. Ich finde, dein Text ist da so ein Zwischending. Die Schicksale der beiden sind traurig und du haust hier auch voll drauf, sodass ich mir als Leser denke, ich müsse mich jetzt schlecht fühlen. Fühle ich mich aber nicht. Das liegt vor allem daran, dass viel einfach behauptet wird, nicht aktiv gezeigt.
Den Fingerzweig wollte ich eigentlich vermeiden. Nach deinem Hinweis kann ich mir aber vorstellen, dass die schablonenhafte Lebensläufe so wirken könnte.

Die beiden behaupten das so, es gibt aber keine Stellen im Text, die mich das glauben lassen, auf emotionaler Ebene passiert da nicht viel. Klar, was die mir da erzählen, ist scheiße und traurig, aber es sind halt doch nur Behauptungen, die mir nicht szenisch verdeutlich werden. Das könntest du auf jeden Fall noch ausbauen, sprachlich hättest du definitiv das Zeug dazu, aber so wie es jetzt ist, ist mir das zu knapp erzählt, zu oberflächlich. Aber das ist natürlich allein dir überlassen. Aus 1000 Wörtern werden dann schnell 6000 und das muss man natürlich selbst auch wollen.
Ja, da ist viel tell und wenig show drin. Mehr Tiefgang hätte der Geschichte gut getan. Umso mehr freue ich mich, dass es hier mehrfach erwähnt wird. Ich wollte ursprünglich unter 1000 Wörter bleiben. Aber die Geschichte lebt und soll nicht an der Wörterzahl festgemacht werden. Schauen wir, wo die Reise hingeht :).

Auch an Weihnachten hetzen sie mit versteinerter Miene an mir vorbei.
Vor allem an Weihnachten, habe ich immer öfter das Gefühl. Die Leute sind alle so gestresst, hetzen von Einkaufszentrum zu Einkaufszentrum, dann noch in Menschenmassen übern Weihnachtsmarkt. Ich habe da auch schnell keinen Bock mehr. :D
Eine schöne Finesse, mag ich! Danke.

Ich verfolge ihre Augen. Ja, ich bin auch ein Mensch und schon klimpern ihre Münzen im Becher.
Das mit dem Mensch würde ich weglassen, dass wirkt zu plump, ein bisschen effekthascherisch.
Ich wollte es hervorheben, aber ich verstehe Deinen Punkt. Gefällt mir besser, danke!

Der alte Mann zittert am Leib, nur eine verpönte Lachnummer.
Diese Wertung würde ich dem Leser überlassen.
Hier bin ich unschlüssig, ob der Leser aus den spärlichen Beschreibungen eine Wertung vornehmen würde. Vielleicht ein paar mehr Worte dazu und dann bin ich bei Dir. Jetzt wo ich das so lese, drängt sich in mir auf, dass die Wertung auch wie eine Meinung des Schreibers erscheinen könnte.

„Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“ Ich bleibe stumm.
Das hat mich verwirrt. Hat der Clown nicht eingangs gesagt, der Prota hätte zumindest einen Schlafsack zum Pennen, während der Clown gar nichts habe? Warum sagt der Clown sowas, ohne bereits zu wissen, dass der Prota in dem Schlafsack lebt?
Da:
„Gib mir das Geld! Du hast einen Schlafsack, du schläfst draußen. Ich brauche das Geld für die Schlafstelle!“
Da sagt der Clown eindeutig, dass er weiß, dass der Prota auf der Straße schläft. :D

Chutney hatte schon einen ähnlichen Punkt. Ich schaue mir den logischen Ablauf nochmals an. Sie treffen sich ja dreimal, im ersten Abschnitt an der Bar, dann vor dem Kaufhaus und zuletzt wieder an der Bar an Weihnachten. Im ersten Abschnitt, konnte der Clown noch nicht erkennen, dass er einen Obdachlosen vor sich hat. Darum bat er um ein Bier. Erst im zweiten Abschnitt erkennt er dies aufgrund des Schlafsacks (bzw. nimmt er an). Im dritten entschuldigt er sich bzgl. dem geforderten Bier, da er nicht der letzte "Arsch" ist und noch bisschen Anstand hat. Der Clown hat realisiert, um was er gebeten hat.

„Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“ Ich bleibe stumm.
Was dachte er denn, als er ihn da sitzen sah?
Wenn der Clown im ersten Abschnitt gewusst hätte, dass der Erzähler auf der Straße lebt, dann hätte er ihn nicht wegen einem Bier angepumpt. Das was als Entschuldigung gedacht. So mein Gedankengang.

Wie gesagt, ich hätte mir inhaltlich etwas mehr Tiefgang gewünscht, nichtsdestotrotz habe ich deinen Text gerne gelesen. Eben auch, weil ich das Sujet stark finde, und es ist immer schwierig ist, darüber zu schreiben. Dafür Hut ab!

Vielen lieben Dank :D!

liebe Grüße und einen schönen Wochenstart
Kroko

 

Hallo Kroko,

schön, jetzt auch eine Challenge-Geschichte von dir zu lesen. Ich finde es prinzipiell schwierig, sich in Menschen hineinzuversetzen, die eine Lebenswirklichkeit haben, die mir vollkommen fremd ist. Deshalb kann ich nicht wirklich beurteilen, wie gut du die Situation der beiden Protagonisten getroffen hast.

Abgesehen davon kann ich natürlich sagen, wie der Text auf mich gewirkt hat. Er ist flüssig geschrieben, auch so, dass man sich das Umfeld der Männer soweit vorstellen kann, wie es der Inhalt braucht.

Zum Inhalt: Die Konkurrenz-Situation zweier Obdachloser schlägt um in Verständnis für einander. Eigentlich nicht das Challenge-Thema. Aber letztlich genügt der Text doch noch den gestellten Anforderungen. In Bezug zur Familie und ihrer Lebenssituation findet halt doch kein überzuckertes Weihnachtsfest statt.
Hab das gerne gelesen, es ist zielstrebig erzählt, in einer angemessenen, nicht effekthaschenden Sprache.


„Beschämt und heimlich mustern sie mich“

Das ist gut beobachtet, ist halt ein wenig so, wie auf der Autobahn ‚Unfall-Gaffen‘.

„Ich verfolge ihre Augen, und schon klimpern ihre Münzen im Becher“

Ich bezweifle, dass dieser ‚Trick‘ wirkt, ist es wirklich so einfach?

„Dieb, du Dieb, bleib hier!“

Ist eine recht harmlose Reaktion im Verhältnis zum Geschehen.

Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“

Huch? Was hat er denn sonst gedacht?

Beste Grüße,

Woltochinon

 

Moin @Woltochinon

Er ist flüssig geschrieben, auch so, dass man sich das Umfeld der Männer soweit vorstellen kann, wie es der Inhalt braucht.
Hab das gerne gelesen, es ist zielstrebig erzählt, in einer angemessenen, nicht effekthaschenden Sprache.
Danke Dir 😄! Und ich auch vielen Dank an alle fleißigen Wortkrieger. Die Vorschläge und Korrekturen bringen die Geschichte vorwärts :thumbsup:.

„Beschämt und heimlich mustern sie mich“

Das ist gut beobachtet, ist halt ein wenig so, wie auf der Autobahn ‚Unfall-Gaffen‘.

Ich ertappe mich da manchmal auch...

„Ich verfolge ihre Augen, und schon klimpern ihre Münzen im Becher“

Ich bezweifle, dass dieser ‚Trick‘ wirkt, ist es wirklich so einfach?

Gute Frage. Der Erzähler appelliert damit stumm an das Mitleid der Fußgänger, nicht zu aufdringlich, aber auch nicht zu passiv. Ob man damit viel verdient? Ich las mal einen Zeitungsbericht, das Bettler bis zu 50€ pro Tag einsammeln, im Schnitt anscheinend um die 20€. Daher bezog sich mein "schon klimpern" jetzt nicht auf einen regen Geldstrom, sondern auf ein ab und zu. Aber ich überlege mir, ob ich das paar Wörter mehr hinzu nehme und dafür das schon raus nehme.

„Dieb, du Dieb, bleib hier!“

Ist eine recht harmlose Reaktion im Verhältnis zum Geschehen.

Das werde ich definitiv neu schreiben.

Sorry“, murmelt er, „ich dachte nicht, dass du auf der Straße lebst.“

Huch? Was hat er denn sonst gedacht?

Hmmm, das schon der dritte Kommentar zu dem Punkt. Für mich war es eigentlich eindeutig, aber da war ich wohl im Tunnelblick. Ich habe mir auch schon paar Gedanken gemacht, wie die Stelle eindeutig wird. Anbei die Antwort an Glibberish zu dem Punkt, wie ich mir das dachte.
Chutney hatte schon einen ähnlichen Punkt. Ich schaue mir den logischen Ablauf nochmals an. Sie treffen sich ja dreimal, im ersten Abschnitt an der Bar, dann vor dem Kaufhaus und zuletzt wieder an der Bar an Weihnachten. Im ersten Abschnitt, konnte der Clown noch nicht erkennen, dass er einen Obdachlosen vor sich hat. Darum bat er um ein Bier. Erst im zweiten Abschnitt erkennt er dies aufgrund des Schlafsacks (bzw. nimmt er an). Im dritten entschuldigt er sich bzgl. dem geforderten Bier, da er nicht der letzte "Arsch" ist und noch bisschen Anstand hat. Der Clown hat realisiert, um was er gebeten hat.

Danke Dir :)!

Beste Grüße
Kroko

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Kroko,
superschwer über ein Klientel oder Millieu zu schreiben, dass ... ja, keine Ahnung ... so am Rand ist. Superschwer weder von oben herab zu schreiben noch die Menschen in Geschichten nicht zu benutzen für eine Agenda, die man möglicherweise transportieren will. Superschwer ihnen wirklich eine Stimme zu geben, nicht nur ihr Elend zu zeigen, sondern ihr Sein und das lese ich schon bei dir heraus, also dass das dein Wunsch war. Für mich gibt es zwei zentrale Punkte, die es mir etwas schwer gemacht haben.

Ich sitze an der Bar und starre die rote Nase eines Clowns an.
„Für ein Bier arbeite ich einen halben Tag“, ruft er mir zu. „Vor dem Kaufhaus, auf der Straße“, schiebt er nach und schlürft an seinem frisch gezapften Bier.
Hier bin ich das erste mal gestolpert, weil der Clown "ruft", ohne dass ich Infos dazu bekomme von wo. Rufen impliziert, dass er weiter weg sitzt, nicht neben dem Ich. Da würde ich mir etwas mehr Setting wünschen, also insgesamt bin ich nicht gut räumlich orientiert in deiner Geschichte und das ist mein erster Punkt. Also: Das Ich sitzt an der Bar und wird dann nach vorne (Richtung Bar) oder seitlich schauen, d.h. er starrt die Nase an, die seitlich von ihm ebenfalls an der Bar sitzt? Aber ein paar Stühle weit weg, weil die Nase bzw der Clown ja ruft, wenn er neben ihm säße würde er ja nicht rufen. Das Ich lässt den Clown reden, dann drückt er ihm sein Bier in die Hand, dann wühlt das Ich sich durch die Menschenmassen, was für mich bedeuten würde, dass es auch an der Bar voll ist und der Clown über Menschen hinweg dem Ich zuruft, aber wäre dann die Nase nicht von anderen Menschen verstellt? Ich kriege das alles nicht richtig zusammen und damit komme ich auch nicht richtig in die Geschichte, weil mir die Örtlichkeiten nicht klar sind.
Auch nach dem Lesen bin ich nicht sicher: Die Bar ist die Bar in der Kneipe und die Kneipe liegt im Kaufhaus, richtig? Ich fände zB hilfreich schon hier zu wissen, dass es die Stammkneipe ist, ist es überhaupt eine Kneipe bzw. auch/oder dass es die Kneipe des Kaufhauses ist. Es ist sicher nicht ganz einfach, das alles unterzukriegen, aber bestimmt machbar. ZB: Ich sitze an der Bar der Kaufhauskneipe und starre ... oder so ähnlich, aber kann auch sein, dass ich es überhaupt falsch verstanden habe.
Dann finde ich merkwürdig, dass die sich quasi nicht kennen, die sind doch in einer ähnlichen Situation und halten sich an ähnlichen Orten auf, wenigstens gesehen haben die sich doch schon mal? Oder ist das Ich neu auf der Straße? Aber er ist ja öfter in der Kneipe und scheint öfter vorm Kaufhaus zu sitzen, der Clown und er kommen sich doch sicher nicht das erste Mal in die Quere?

Ich finde auch die Erzählposition schwierig oder den Erzähler nicht überzeugend bzw konsistent. Der erzählt seine Geschichte sehr strukturiert und teilweise mit gehobener Sprache: Morgen platziere ich meinen Becher vor dem Kaufhaus, nicht: morgen setze ich mich vors Kaufhaus.
Am meisten "stört" mich aber tatsächlich die Distanz, dadurch komm ich als Leser natürlich auch nicht ran, dass er seinen Becher platziert, statt sich irgendwohin zu setzen ist auch ein Beispiel für die Distanz. Ein anderes:

Vor dem Kaufhaus wälzt sich der Menschenstrom nahe an mir vorbei. Beschämt und heimlich mustern sie mich. Ich verfolge ihre Augen, und schon klimpern ihre Münzen im Becher.
Das fällt mir wirklich schwer zu kaufen. "Beschämt und heimlich mustern sie mich." Da ist kein Zorn, keine Scham, das ist irgendwie nur kalte Analyse. Später auch sagt das Ich irgendwo: Schämte mich zuerst. Kennst du jemanden, der sowas schon jemals in deinem Leben so gesagt hat? Die meisten würden sagen: War mir peinlich und auch das ja eher, wenn man jemanden gut kennt. Darum kauf ich das so nicht, auch nicht das Gespräch zwischen den beiden. Das ist grundsätzlich interessant, aber das entwickelt sich nicht und damit ich das kaufe, dass die so "intim" miteinander reden, müsste ich diese Entwicklung nachvollziehen können, das ist dann aber auch schon schwer, das glaubhaft darzustellen, aber Versuch macht kluch ...

Vielleicht lese ich ja auch total an deiner Intention vorbei, mir als Leserin den Ich-Erzähler und auch den obdachlosen Clown etwas näher zu bringen. Das Thema ist natürlich auf jeden Fall weihnachtlich - so von wegen: öffnet eure Herzen und Literatur ist eine tolle Übung in Mitgefühl, dafür braucht aber dein Ich-Erzähler erst einmal Gefühle oder weil er ja sicher welche hat, er muss diese auch zum Leser transportieren. Ich hoffe, ich war nicht zu hart zu deiner Geschichte und es ist etwas hilfreiches in meinem Kommentar dabei.

Viele Grüße
Katta

 

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