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Friedliche Weihnacht

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18.04.2002
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Friedliche Weihnacht

Die Sonne war so hoch gestiegen, dass sich ihre Strahlen durch den Spalt zwischen Fensterbrett und Gardine durchmogeln konnten. Sie durchquerten das kleine Zimmer, ihrer Wärme gelang es, Staubteilchen dazu zu bewegen, einen vorsichtigen Tanz zu beginnen. Dieser führte bis zur – zugegebenermaßen nicht kleinen – Nase eines rhythmisch schnarchenden alten Mannes. Es war Carl-Ove Gustavson, der eben noch sanft vor sich hin schlafend im Bett gelegen hatte, diesen Zustand aber jetzt unterbrechen musste, denn ein Niesreiz ist eben ein Niesreiz.

Carl-Ove wollte sich eigentlich zur Seite drehen, doch dann entschloss er sich, diesen unerwarteten äußeren Impuls zum Anlass zu nehmen, aufzustehen.

Sein Blick fiel auf den Kalender. Heute war tatsächlich schon Weihnachten! Er erinnerte sich gerne daran, wie man das Fest der Lichter in seiner Jugend erlebt hatte: Diese ungeduldige Vorfreude auf die Bescherung in der von Kerzen erleuchteten Stube, das Singen auf dem Dorfplatz, der Pastor, der mit krächzender Stimme sagte „wenn ihr besser leben wollt, seid nett zueinander“, und dann, ganz selbstgefällig, „seid nett zueinander, wenn ihr besser leben wollt.“ So wie jedes Jahr.

Damals war ihm nicht sofort klar: Dies ist alles nur eine Illusion, bestehend aus Harmonie, aber auch unschuldiger kindlicher Weihnachtsfreude - eine dünne Schicht von Selbstverständlichkeiten unter den verfrorenen Füßen der anwesenden Menschen, die dann so unerwartet zerbrach.

„Alles hat zwei Seiten“ so lautete der Lieblingsspruch seines Klassenlehrers, worauf sein Bruder geantwortet hatte „… sagte der Würfel zur Kugel“, was ihm einen Verweis wegen ‚Ungehörigkeit‘ einbrachte.

Eine zweite Seite der Wirklichkeit hatte sich an diesem lange zurückliegenden Abend offenbart, die im krassen Gegensatz zu der behaglichen Weihnachtsstimmungswelt stand. Er hatte es genossen, der Taktgeber dieses gewaltigen, funkelnden Geschehens zu sein.

Das war jetzt Vergangenheit, aber immer noch Realität, die beharrlich weiterhin ihre Macht ausübte, ihn im Würgegriff des Vergangenen festhielt. ‚Die Rache ist mein‘, spricht der HERR, immerhin war Carl Ove Gustavson für kurze Zeit der HERR gewesen, der HERR des Lichts und Feuers in kalter Nacht, seit langem der ewig für seine Taten Verdammte.

Würden sie sich wieder vor seiner Blockhütte zusammenrotten, wie schon so oft zu Weihnachten, um ihn zu schmähen, wegen seiner grausamen Taten vor über sechzig Jahren zu bedrohen? Wie viele Leute waren damals verbrannt? Er wusste es nicht mehr. Damals wollte er sich nur gegen die Monster wehren, die für ihn so spürbar von allen Dorfbewohnern Besitz ergriffen hatten, ihn quälten! Wie verlogen sie waren, wenn sie einmal im Jahr so taten, als seien sie liebenswert. Es war ihm klar gewesen, dass heute der Tag ist, an dem sie das bekommen sollten, was sie wirklich verdient hatten! Diese Leute hatten sich schließlich ein Fest der Wärme und des Lichts gewünscht! Er würde schon für gewaltiges Licht aus Feuer und Funken sorgen! Hätte es diese Menschen nicht gegeben, wären seine Taten nie geschehen, außerdem hatte er ‚die Anderen‘ nie leiden können. Warum auch?

Carl Ove Gustavson wurde schlecht von seinen Erinnerungen, wie sollte man diese Konfrontation denn wieder ertragen? Panik breitete sich in ihm aus, er schwitzte, schnappte nach Luft. Dieser große Mann mit zerzausten Augenbrauen, spärlichem Haar, vor Schmerz hämmerndem Kopf, zitterte erbärmlich. Der Geplagte stapfte zum Fenster und öffnete es hastig, um frische Luft herein zu lassen. Zum Glück geschah das eigentlich Beunruhigende, für ihn jedoch Erlösende: Es waren keine immerfort krächzenden Krähen zu hören, es gab kein Rauschen des Windes, keine anklagenden Rufe. Nicht wieder dieses erbärmliche Jammern! Er war erleichtert, wie tiefgreifend sich der heutige Morgen von anderen unterschied: Es gab nicht nur nichts zu hören, es gab auch nichts zu sehen. Nicht einmal das Nichts, nun, das ist ja klar, wenn es doch nichts zu sehen gab. Selbst der vertraute Geruch der sumpfigen Wiese fehlte. Carl Ove Gustavson war erleichtert, plötzlich befreit, an Weihnachten geschahen eben Wunder!

Er hielt sich nicht für vom Schicksal geadelt genug, um über so etwas überhaupt nachzudenken: Wenn es da draußen nichts gab – gut, dann war es halt so. Ist ihm nicht schon öfters der Gedanke gekommen, dass das Fehlen von allem, da, außerhalb, nicht das Schlechteste sein würde? Schließlich hatte er sein Zimmer, eine Flasche Punsch mit leckerem Zimt, als kleinen Trost in harten Zeiten. Es gab verschiedene Vorräte, außerdem musste jeder einmal sterben, dann wäre sowieso alles vorbei. Wie bedeutungslos wäre das Leben ohne Tod? Oder gar der Tod ohne das Leben? Der Mann kam zur Ruhe: Niemand vor der Hütte, nur Nichts – etwas Besseres hätte nicht passieren können.

Er schloss das Fenster, begann sein spätes Frühstück.

Das hatte wieder einmal geschmeckt! Carl Ove Gustavson räumte ein wenig auf, alles hatte seinen Platz. Jetzt ein wenig lesen oder weiter an seiner selbst erfundenen Sprache arbeiten? Sie basierte auf Zufallszahlen. Carl Ove war sich sicher, dass diese Sprache für andere vollkommen unverständlich sein würde. Dann gäbe es wenigstens einen Grund, warum niemand ihn verstand. Nun – er nahm lieber ein Buch zur Hand, fläzte sich, Füße auf dem Tisch, in seinen Lesesessel. Der Alte las eine Seite und riss sie anschließend aus dem Buch. Niemals hatte eine andere Person etwas lesen wollen, was er gelesen hatte. Nach einer Weile stutzte der Mann – war da ein Geräusch gewesen? Ja, wirklich, aus Richtung der Tür waren Schreie zu hören, oder waren da Stimmen in seinem Kopf? „Ach, was solls“, murmelte Carl Ove, „da draußen ist nichts, da bin ich ganz sicher, um was soll ich mich also kümmern! Irgendwelche Aktivitäten kann es schließlich im Nichts nicht geben.

Ich weiß gar nicht, was die immer von mir wollen: Wenn der Sinn des Lebens nicht aus dem vergänglichen, inhaltslosen Erfolgsstreben besteht, dem so viele Menschen hinterherjagen – woraus besteht dieser Sinn dann? Aus Hilfsbereitschaft? Ist es denn für die Leute nicht ein unerträglicher Gedanke, dass man das Leid anderer brauchen sollte, damit edle Handlungen möglich sind? Ohne Menschen wie ihn hätte doch niemand Trauer, Zuwendung und Nächstenliebe in so einzigartiger Form ausüben können!“

Diese Gedanken verschafften Carl Ove Gustavson zusätzliche Zufriedenheit, er seufzte, vertiefte sich wieder in sein Buch, war mit sich und der Welt in Einklang, ihm schmeckte wieder mal der duftende Weihnachtspunsch.

 

Hallo Isegrims,

es ist jedes Mal aufs Neue interessant, welche Gedanken die Geschichte bei den Lesern hervorruft.

„Da musste ich dreimal lesen und konnte die Selbstgefälligkeit außer aufgrund der Wiederholung nicht erkennen.“

Reicht es nicht, wenn der Carl das einfach so empfindet? Es muss gar nicht sein, dass der Pastor selbstgefällig ist.

Woltochinon schrieb:

eine dünne Schicht von Selbstverständlichkeiten unter den verfrorenen Füßen der anwesenden Menschen, die dann so unerwartet zerbrach.

Isegrims:

gefrorenen? oder gleich kalten Herzen

Wenn die Füße gefroren wären, würde kaum einer draußen bleiben. Das mit dem Herz verstehe ich nicht.

Isegrims:

„stark, wie der Wendepunkt, den Durchbruch aus dem Nichts heraus, gezeigt wird.“

Vielen Dank dafür!

Woltochinon schrieb:

Wie bedeutungslos wäre das Leben ohne Tod? Oder gar der Tod ohne das Leben?

Isegrims:

ist zwar eine Binse, aber so dargeboten, dass ich sie nicht also solche wahrnehme

Da habe ich ja nochmal Glück gehabt! Wobei der Unterschied zwischen den beiden Aussagen schon interessant ist.

Woltochinon schrieb:

Diese Gedanken verschafften Carl Ove Gustavson zusätzliche Zufriedenheit, er seufzte, vertiefte sich wieder in sein Buch, war mit sich und der Welt in Einklang, ihm schmeckte erst mal der duftende Weihnachtspunsch.

Isegrims:

zum ersten Mal? duftend könnte weg, auch zusätzlich, weil ich glaube, es ist besser am Ende etwas Luft zu lassen.

„Zum ersten Mal“ – das ist ein guter Gedanke, der zu einer ganz anderen Aussage führt, als „erst mal“. Werde ich wohl übernehmen.

‚Duften‘ möchte ich lassen, da es die Gemütlichkeit, das Wohlbefinden in der Situation mit ausdrückt.

Isegrims:

„eine stärker subjektive Perspektive, etwas mehr an Information, auch mehr von den Bildern seiner Tat, die ihn verfolgen, dem Text noch mehr an Tiefe geben könnten. Ein guter Text, der sicher noch ausbaufähig, sprachlich und stilistisch fein formuliert.“

Ausbaufähig wäre das sicher. Aber reduzieren detaillierte Beschreibungen, Innenansichten, nicht den Leser auf einen bloßen Rezipienten? Das verdichtete Schreiben (auch wenn es manchmal kompliziert ist) macht mir viel mehr Spaß als endlose Beschreibungen.

Ich danke dir für deine Zeit und deine Eindrücke!

Beste Grüße,

Woltochinon

 

Hallo liebe Fliege,

freut mich sehr, dass du noch vorbei geflogen kommst!

Ernsthaft? Der genannte Mann? Mehr Distanz geht wohl nicht mehr zwischen Autor und Protagonist. Aber gut, wer will einem wie Carl Ove schon gern nahe sein. Es fällt nur irgendwie aus dem Rahmen der Erzählstimme davor und danach, finde ich.
Da hast du einen Punkt! Werde ich ändern, auch wenn sich dadurch wahrscheinlich eine Wortwiederholung ergiebt.

Aber! Aber! Lucia ist doch genau heute! Am 13.12. und nicht am 24.12. Und da Du doch auch einen skandinavischen Namen gewählt hast ... Aber schon klar, worauf Du hinaus wolltest.
Jetzt wird es ernst! In einer Frühfassung trafen sich die Leute tatsächlich auch zum Singen. Ich wusste halt nicht, ob das dann noch zur Challenge gehört. Also: Wenn du mir eine entsprechende justiziable Abmachung zusendest, die Challenge-Konformität bestätigt ...

Ein Amoklauf! Einer mit Feuer. Krass. Das Dorf hat ihn also schon vorher wie einen Aussätzigen behandelt.
Wobei man nicht weiß, ob er wirklich so gelitten hat. Natürlich ist sein Verhalten eine Überreaktion, aber wenn man sich mal so in der Welt umschaut - leider sind solche Verhaltensweisen nicht so selten, wie sie dem Anspruch des Homo sapiens sapiens angemessen wären. Im Gegensatz dazu steht die Aussage des Pastors "Wenn ihr besser leben wollt ...". Leider ist die Tragweite dieses Satzes etwas untergegangen: Für ein besseres Leben brauchen wir nicht auf Regierungen warten, wir können selbst etwas tun, ganz schnell und direkt (und 'die da Oben' sollen auch nett zu den Bürgern sein).


Ich verstehe ja, dass deine Gewichtung des Textes eine andre ist und es daher egal ist, was genau damals passierte und ihn zu seiner Tat motivierte, aber spannend wäre das schon, wenn es auch ein ganz klein wenig den Rahmen sprengen würde. Ach! Kein Wunder, dass Romane mehr im Trend liegen :D
In der Erstfassung gab es einen Absatz, der Hintergründe beschrieb. Da bemerkte ich, dass man dann nur wieder auf die 'handelsüblichen' Trigger verfällt. Klar, hier hätte ich eine Menge Emotionen in den Text bringen können (leidende Kinder, sexueller Mißbrauch beim Protagonisten usw.), aber es gibt auch einfach das Böse, die Verhaltensstörung. Vielleicht ist das so eine unbequeme Wahrheit, man möchte, um das zu kompensieren einen Grund für das Verhalten wissen. Als ob das den Opfern helfen würde!
Warum ist er da geblieben? Noch so eine spannende Frage, die als solche ganz einsam und unbeachtet ihr Dasein fristen muss. Und wenn er schon dableibt, so könnte er doch über Weihnachten fortfahren. Will er sich selbst strafen, indem er es Jahr für Jahr erträgt?
Ein guter Gedanke! Das habe ich mir so vorgestellt: Er hat seine Strafe verbüst (Jugendknast, wahrscheinlich anschließend noch eine Betreuung), dann - wo soll er hin - zieht er halt in "seine Hütte", die er geerbt hat. Geld zum fortfahren hat er sicher nicht. Ich denke, er will sich nicht strafen, sondern hat einfach diesen Ignoranz-Mechanismus, seine Selbstgerechtigkeit.

Ich freue mich natürlich besonders, dass du - trotz einem gewissen Bedarf an mehr Ausführungen - den Text dann doch so genommen hast, wie er sein will, nicht wie er sein soll!
Der Typ ist schon, wie du sagst, sehr krass. Um so wichtiger ist mir aber, sich als Autor nicht lustvoll mit diesem Schmutz zu spielen, sondern einfach einige übergeordnete Gedanken anzustoßen (z.B. inwieweit Carl-Oves Ignoranz-Mechanismus, weniger extrem - ein gesellschaftliches Phänomen ist).

Vielen Dank für deine Zeit,
mögen wir verschont bleiben von den Carl-Oves! Wünsche dir ebenso nette Menschen in deiner Nähe, nicht nur zu Weihnachten!
Wie sagte der Pastor: Wenn ihr besser leben wollt ...

Liebe Grüße,

Woltochinon


Hallo lintofink,

du hast das mehrmals gelesen? Ich danke für dein Interesse!

Für mich persönlich ist das ein interessanter Beginn einer Geschichte, viele Andeutungen, viele Rückblenden, Betrachtungen der Vergangenheit, Gedankengänge und Innenleben.
Immerhin hat dir der Anfang gefallen ...

Es scheint zwei Gruppen von Lesern zu geben: Die einen möchten viel mehr Hintergrundinformationen erfahren, den anderen reicht schon das, was ihnen über den Carl-Ove erzählt wird, es ist schlimm genug. Nun, abgesehen davon, dass ich gerne verdichtet schreibe, ist die Geschichte mit 'Philosophisches' markiert, nicht mit 'Psychoanalytisches' oder 'Sozialpädagogisches' (davon gibts an anderen Stellen genug).

Mein persönlicher Geschmack liegt eher darin, in Geschichten abzutauchen, mich von ihnen tragen zu lassen. Mit den philosophischen Gedankengängen konnte ich persönlich leider nicht so viel anfangen. Sorry.

Da bist du mit deinem Geschmack nicht alleine! In letzter Zeit geht der Trend dahin, was du forderst. Mir ist das immer zu ausschweifend, ich muss nicht wissen, ob der Vater eines Protagonisten als Kind geschlagen wurde oder jemand seinen Kaffee in klitzekleinen Schlückchen mit abgespreizten kleinen Finger trinkt. Es muss schon sehr gut abgestimmt auf die Personen und originell sein, wenn mich das ansprechen soll.

Schade, wenn ich sozusagen 'an dir vorbei geschrieben habe'.

Und eine offene Kritik hat schließlich auch einen Informationswert, dafür ist das Forum auch da.

Liebe Grüße,

Woltochinon

 
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Hallo @Woltochinon,

Die Sonne war so hoch gestiegen, dass sich ihre Strahlen durch den Spalt zwischen Fensterbrett und Gardine durchmogeln konnten.
... durchmogeln ... wie schön! Und schon haste mich ...

Sie durchquerten das kleine Zimmer, ihrer Wärme gelang es, Staubteilchen dazu zu bewegen, einen vorsichtigen Tanz zu beginnen.
Das finde ich dagegen nicht so schön ... könntest du das nicht abkürzen, zb ihre Wärme ließ Staubteilchen tanzen oder einen Tanz beginnen ... oder so? Oder soll das so komplziert ... gelang es, dazu zu bewegen ...?

Er erinnerte sich gerne daran, wie man das Fest der Lichter in seiner Jugend erlebt hatte:
Wenn es einen Grund für das "man" gibt, versteh ich den nicht. Es geht doch darum: wie CO das Fest erlebt hat?

der Pastor, der mit krächzender Stimme sagte „wenn ihr besser leben wollt, seid nett zueinander“, und dann, ganz selbstgefällig, „seid nett zueinander, wenn ihr besser leben wollt.“
hier kann ich das "ganz selbtsgefällig" nicht einordnen. Was soll mir das als Leserin sagen, etwas über den Pfarrer oder über CO? Beim zweiten Lesen, denke ich, es soll wohl etwas über CO sagen, aber so richtig erschließt sich mir der Sinn noch nicht ...

Damals war ihm nicht sofort klar: Dies ist alles nur eine Illusion, bestehend aus Harmonie, aber auch unschuldiger kindlicher Weihnachtsfreude, etwas Unnatürliches, eine dünne Schicht von Selbstverständlichkeiten unter den verfrorenen Füßen der anwesenden Menschen, die dann so unerwartet zerbrach.
Dass "damals" bezieht sich für mich auf den oben genannten eher unbestimmten Zeitraum der Jugend, aber das "sofort" bedeutet ja einen ganz spezfiischen Moment ... das kriege ich nicht zusammen. Also, wenn der irgendwie schizphren ist oder so, dann müssen vielleicht nicht alle Sätze Sinn machen, was ich hier verstehe: Alles ist eine Illusion. Die Illusion besteht aus Harmonie (statt wie zu erwarten, dass die Harmonie eine Illusion sei) und Weihnachtsfreude, man nehme also Harmonie und rühre und kindliche Weihnachtsfreude mit hinein und fertig ist die Illusion und damit auch das Alles. Dann: Alles ist etwas Unnatürliches, Alles ist eine dünne Schicht von Selbstverständlichenkeiten die sich offenbar über den Boden verteilt. Alles zerbrach dann. Also, noch mal von vorne: Das Alles ist eine dünne Schicht aus Selbstverständlichkeiten verteilt über dem Boden und gleichzeitig eine Illusion aus Harmonie und kindlicher Weihnachtsfreude. Also mit klarem Verstand ist das nicht so richtig aufzudröseln, darum sag ich: CO ist schizophren und der obige Satz ein Beispiel für schizophrene Denkstörungen.

„Alles hat zwei Seiten“ so lautete der Lieblingsspruch seines Klassenlehrers, worauf sein Bruder geantwortet hatte „… sagte der Würfel zur Kugel“, was ihm einen Verweis wegen ‚Ungehörigkeit‘ einbrachte.
Yep, ich bleibe bei Denkstörung. Gedankensprung von Illusion und der dünnen Schicht hin zum Bruder und zu dem Satz: Alles hat zwei Seiten, sagte der Würfel zur Kugel. Ja, witzig und wenn man will, findet man bestimmt auch einen Zusammenhang zwischen diesem Satz und der Illusion. Musste an die Geschichte aus "Das ist Wasser" denken: Trifft ein älterer Fisch auf zwei junge Fische und fragt: Na Jungs, wie ist das Wasser? Und die beiden jungen Fische so: Was ist Wasser?

Eine zweite Seite der Wirklichkeit hatte sich an diesem Abend offenbart, die im krassen Gegensatz zu der behaglichen Weihnachtsstimmungswelt stand. Er hatte es genossen, der Taktgeber dieses gewaltigen, funkelnden Geschehens zu sein.
Wir können schon einmal festhalten: Die Wirklichkeit ist keine Kugel ... Also ich bin immer noch bei Denkstörung, wenn CO meint, Taktgeber eines funkelnden Geschehens zu sein (ich denke an sowas wie einen Brand) sei eine andere Seite der Wirklichkeit ... nur in deinem Kopf CO!

Das war jetzt Vergangenheit, aber immer noch Realität, die beharrlich weiterhin ihre Macht ausübte, ihn im Würgegriff des Vergangenen festhielt. ‚Die Rache ist mein‘, spricht der HERR, immerhin war Carl Ove Gustavson für kurze Zeit der HERR gewesen, der HERR des Lichts und Feuers in kalter Nacht, seit langem der ewig für seine Taten Verdammte.
Das Fette ist ja fast schon lapidar und zu gut verständlich für den Rest. Passt gar nicht richtig rein, ist ja fast eine Binse, dass Vergangenheit auch Teil der Realität ist bzw diese schafft ... der Rest klingt wahnhaft ...
Würden sie sich wieder vor seiner Hütte zusammenrotten, wie schon so oft zu Weihnachten, um ihn zu schmähen, wegen seiner grausamen Taten vor über sechzig Jahren zu ächten? Wie viele Leute waren damals verbrannt? Er wusste es nicht mehr. Damals wollte er sich nur gegen die Monster wehren, die für ihn so spürbar von allen Dorfbewohnern Besitz ergriffen hatten, ihn quälten!
Hütte? Wann spielt die Geschichte? Vor über sechzig Jahren ist es passiert? Wow! Also doch ein Feuer und da ist wohl auch die Psychose (Monster hatten Besitz von Dorfbewohnern ergriffen) ausgebrochen. Ich schätze, er wird sowas um die 16 bis 20 Jahre alt gewesen sein, d.h. er ist echt alt mittlerweile. Jetzt tut er mir leid, wurde sicher als Aussätziger behandelt mit seiner psychiatrischen Erkrankung. Im zweiten Teil des Absatzes wird dann generell seine Abneigung gegenüber Menschen deutlich ...

Hastig öffnete der Alte das Fenster, zum Glück geschah das eigentlich Beunruhigende, für ihn jedoch Erlösende:
jedoch? Nicht eher: und? Wie schön für ihn, dass sich alles in Nichts auflöst. Ja, gönn ich ihm, wenngleich ich glaube, das du es ihm als Autor auch gönnst. Denn wahrscheinlicher wäre doch, dass die Dämonen kommen und sich dort in das Zimmer hineinmogeln, wos zuerst die Sonnenstrahlen taten ...

Ich weiß gar nicht, was die immer von mir wollen: Wenn der Sinn des Lebens nicht aus dem vergänglichen, inhaltslosen Erfolgsstreben besteht, dem so viele Menschen hinterherjagen – woraus besteht dieser Sinn dann? Aus Hilfsbereitschaft? Ist es denn für die Leute nicht ein unerträglicher Gedanke, dass man das Leid anderer brauchen sollte, damit edle Handlungen möglich sind? Ohne Menschen wie ihn hätte doch niemand Trauer, Zuwendung und Nächstenliebe in so einzigartiger Form ausüben können!“
Der Tag "Philosophie", ja vielleicht. Aber im Grunde sind es ja Gedankengänge die einer gewissen Klarheit entbehren und für mich ist Philosophie schon Klarheit und Stringenz, nicht immer leicht zu verstehen, aber am Ende eben doch etwas anderes als Gedankengänge eines Kranken. Wer will denn überhaupt etwas von ihm? Da fängt ja die verzerrte Wahrnehmung schon an. Es ist leicht, sich über andere zu erheben, ihr Erfolgsstreben als vergänglich und inhaltslos zu bewerten. Andere zu verurteilen war schon immer leicht und genau da bleibt er hängen, weswegen keine Entwicklung stattfindet (nicht stattfinden kann, wenn das Hirn einem Streiche spielt), stattdessen kreiiert er das große Nichts, weil das Alles nicht zu ertragen ist. Traurig!

Viele Grüße
Katta
PS meine Leseweise ... muss nicht deiner Intention entsprechen.

 

Hallo Katta,

es ist interessant, unter welch verschiedenen Gesichtspunkten diese Geschichte gelesen wird. Aber das ist natürlich auch das Reizvolle an so einem 'offen' geschriebenen Text.
Ich danke dir sehr, dass du dir die Zeit genommen und so ausführlich über deine Eindrücke berichtet hast.

Hoffentlich kann ich manches erklären, z.B. wenn du fragst:

Er erinnerte sich gerne daran, wie man das Fest der Lichter in seiner Jugend erlebt hatte:
Wenn es einen Grund für das "man" gibt, versteh ich den nicht. Es geht doch darum: wie CO das Fest erlebt hat?

- Das "man" soll ausdrücken, dass es um das gemeintschaftliche Erleben geht. Ich hätte auch schreiben können: '... wie die Dorfbewohner und er das Fest der Lichter...'


Sie durchquerten das kleine Zimmer, ihrer Wärme gelang es, Staubteilchen dazu zu bewegen, einen vorsichtigen Tanz zu beginnen.
Das finde ich dagegen nicht so schön ... könntest du das nicht abkürzen, zb ihre Wärme ließ Staubteilchen tanzen oder einen Tanz beginnen ... oder so? Oder soll das so komplziert ... gelang es, dazu zu bewegen ...?

- Das stimmt: Es ist nicht gradlinig beschrieben. Die beschriebene Situation so verlangsamt werden, etwas zur behäbigen Stimmung beitragen. Außerdem gibt es dann das Bild der bewegten Staubteilchen und später den bewegten Mann (er ist auch nur ein kleines Teilchen). Da muss ich mich mal mit mir beraten ...

der Pastor, der mit krächzender Stimme sagte „wenn ihr besser leben wollt, seid nett zueinander“, und dann, ganz selbstgefällig, „seid nett zueinander, wenn ihr besser leben wollt.“
hier kann ich das "ganz selbtsgefällig" nicht einordnen. Was soll mir das als Leserin sagen, etwas über den Pfarrer oder über CO? Beim zweiten Lesen, denke ich, es soll wohl etwas über CO sagen, aber so richtig erschließt sich mir der Sinn noch nicht ...

- Genau, das ist doch richtig gelesen: Der CO wertet den Pastor einfach ab, indem er ihm unterstellt, nur selbstgefällig daher zu reden. Dabei ist des Geistlichen Aussage durchaus inhaltsvoll genug - man kann es den Leuten eigentlich nicht oft genug sagen. (Übrigens: Deine Abkürzung CO läßt mich doch immer wieder an Kohlenstoffmonoxid denken - im gewissen Sinn ist der Carl auch toxisch).

Dass "damals" bezieht sich für mich auf den oben genannten eher unbestimmten Zeitraum der Jugend, aber das "sofort" bedeutet ja einen ganz spezfiischen Moment ... das kriege ich nicht zusammen.
- Das geht schon. Man kann doch sagen: Als ich gestern in dieser Situation war, habe ich nicht gleich kapiert, in welch gefährlicher Lage ich mich befand (das impliziert: Aufgrund der gemachten Erfahrung würde man es heute gleich begreifen. Ihm ist halt nicht sofort deutlich geworden: Die Harmonie ist nur eine Illusion.

Also, wenn der irgendwie schizphren ist oder so, dann müssen vielleicht nicht alle Sätze Sinn machen,
- Mit psychiatrischen Diagnosen bin ich vorsichtig, er ist meiner Meinung nach Soziopath. Die Sätze sollen schon Sinn machen, schließlich sagt der CO nur, welche Illusion damals 'geplatzt' ist.
Alles ist eine Illusion. Die Illusion besteht aus Harmonie (statt wie zu erwarten, dass die Harmonie eine Illusion sei) und Weihnachtsfreude, man nehme also Harmonie und rühre und kindliche Weihnachtsfreude mit hinein und fertig ist die Illusion und damit auch das Alles. Dann: Alles ist etwas Unnatürliches, Alles ist eine dünne Schicht von Selbstverständlichenkeiten die sich offenbar über den Boden verteilt.
- Wenn er sagt "dies ist alles nur eine Illusion", dann bezieht sich das "alles" auf das zuvor Genannte (die "Vorfreude", das "gemeinsame Singen" - was Harmonie ausdrückt).
Dann wird das Zerbrechen der Illusion mit dem Zerbrechen einer dünnen Schicht unter den Füßen der Menschen verglichen: Keine Eisschicht wird zerstört, sondern "eine dünne Schicht von Selbstverständlichkeiten." Das zerbrechliche Gebilde wird eigentlich von den Leuten zertrampelt.
Yep, ich bleibe bei Denkstörung. Gedankensprung von Illusion und der dünnen Schicht hin zum Bruder und zu dem Satz: Alles hat zwei Seiten, sagte der Würfel zur Kugel. Ja, witzig und wenn man will, findet man bestimmt auch einen Zusammenhang zwischen diesem Satz und der Illusion.
- Das ist amüsant ausgedrückt - "Yep, ich bleibe ..." :cool:
Aber natürlich findet man einen Zusammenhang, bin ich dem Leser schon schuldig :huldig:
Es gab zwei Seiten: Die (illusionäre) Harmonie und die Erkenntnis 'alles war nur Illusion'. Der Spruch zeigt aber, dass diese duale Sichtweise sehr kurzsichtig ist. Im Folgenden zeigt sich: Es gibt nicht nur zwei Aspekte, sondern noch Gewalt, Verdrängung, Selbstgerechtigkeit, Egozentrismus ...

Taktgeber eines funkelnden Geschehens zu sein (ich denke an sowas wie einen Brand) sei eine andere Seite der Wirklichkeit
- Genau - nachdem die Illusion zerbröselt ist (was Unsicherheit beinhaltet), nimmt er die Sache in die Hand, wird aktiver Taktgeber einer weiteren Situation über die er die Kontrolle hat (es gibt halt nicht nur zwei Seiten) und läßt durch Feuer die Leute leiden, die ihn seiner Illusion beraubt haben (und wer weiß, was sonst noch gemacht haben).
Das war jetzt Vergangenheit, aber immer noch Realität, die beharrlich weiterhin ihre Macht ausübte, ihn im Würgegriff des Vergangenen festhielt. ‚Die Rache ist mein‘, spricht der HERR, immerhin war Carl Ove Gustavson für kurze Zeit der HERR gewesen, der HERR des Lichts und Feuers in kalter Nacht, seit langem der ewig für seine Taten Verdammte.
Das Fette ist ja fast schon lapidar und zu gut verständlich für den Rest. Passt gar nicht richtig rein, ist ja fast eine Binse, dass Vergangenheit auch Teil der Realität ist bzw diese schafft ... der Rest klingt wahnhaft ...

- Das Fette sagt halt: Die Vergangenheit wirkt sich immer noch auf sein jetziges Dasein aus (das müsste nicht so sein, manchmal ist vergangenes auch abgeschlossen).
Yep! Der Rest ist wahnhaft!

Hütte? Wann spielt die Geschichte? Vor über sechzig Jahren ist es passiert? Wow! Also doch ein Feuer und da ist wohl auch die Psychose (Monster hatten Besitz von Dorfbewohnern ergriffen) ausgebrochen. Ich schätze, er wird sowas um die 16 bis 20 Jahre alt gewesen sein, d.h. er ist echt alt mittlerweile. Jetzt tut er mir leid, wurde sicher als Aussätziger behandelt mit seiner psychiatrischen Erkrankung. Im zweiten Teil des Absatzes wird dann generell seine Abneigung gegenüber Menschen deutlich ...
- Das Ganze spielt z.B. in Schweden, CO hat nach seiner Tat sicher nicht so richtig die Kurve gekriegt. Er lebt halt in einer Hütte, gerade, was er sich so leisten kann - werde da noch etwas ändern. Ja, das Alter hatte ich mir ähnlich vorgestellt. Spricht für dich, wenn er dir an diesem Punkt der Geschichte Leid tut, ich versuch immer mal solche Einschätzungswechsel beim Leser zu erzeugen (der Anfang des Textes läßt auch nicht auf die Gesamthematik schließen, du schreibt auch nett:
durchmogeln ... wie schön! Und schon haste mich ...
- Ein Kritiker hat sich an "durchmogeln" gestört, freut mich, wenn es dir gefällt.
Hastig öffnete der Alte das Fenster, zum Glück geschah das eigentlich Beunruhigende, für ihn jedoch Erlösende:
jedoch? Nicht eher: und? Wie schön für ihn, dass sich alles in Nichts auflöst. Ja, gönn ich ihm, wenngleich ich glaube, das du es ihm als Autor auch gönnst. Denn wahrscheinlicher wäre doch, dass die Dämonen kommen und sich dort in das Zimmer hineinmogeln, wos zuerst die Sonnenstrahlen taten ...

- Ist "jedoch" nicht richtig? "Jedoch" drückt (doch) einen Gegensatz aus. Im Gegensatz dazu, dass eigentlich etwas Beunruhigendes geschieht, empfindet er (in seiner Situation) die Sache als etwas Erlösendes.

Wer will denn überhaupt etwas von ihm?
- Es heißt: "Würden sie sich wieder vor seiner Hütte zusammenrotten, wie schon so oft zu Weihnachten, um ihn zu schmähen, wegen seiner grausamen Taten vor über sechzig Jahren zu ächten?"
Aber im Grunde sind es ja Gedankengänge die einer gewissen Klarheit entbehren und für mich ist Philosophie schon Klarheit und Stringenz, nicht immer leicht zu verstehen,
- Es gibt zwei Ebenen: Die psychische und die philosophische. Psychisch leidet er so unter seiner Schuld, er kann nur wenn er alles um sich herum ausblendet, also vollkommen Verdrängt, zurecht kommen. Wenn es draußen nichts gibt, gibt es auch keine Menschen, die ihn ächten. (Das ist ein extremes Beispiel einer Verdrängung, einer Abnabelung. In weniger starker Form gar nicht so selten in unserer Gesellschaft).
Das reicht aber für ihn nicht, um zu seiner "Fiedlichen Weihnacht" zu kommen. Er schiebt den Dorfbewohnern die Schuld an seiner Tat unter: "Hätte es diese Menschen nicht gegeben, wären seine Taten nie geschehen", hier geht das Psychologische schon ins Philosophische über. Ab wann trägt man (oder eine gesellschaft) Mitschuld, ist jeder für sein Handeln alleine verantwortlich?
Später wird sein Verlangen die Tat in selbstgerechter Weise schön zu philosophieren ziemlich pervers, aber philosophisch schon stringent:

"Wenn der Sinn des Lebens nicht aus dem vergänglichen, inhaltslosen Erfolgsstreben besteht, dem so viele Menschen hinterherjagen – woraus besteht dieser Sinn dann? Aus Hilfsbereitschaft? Ist es denn für die Leute nicht ein unerträglicher Gedanke, dass man das Leid anderer brauchen sollte, damit edle Handlungen möglich sind? Ohne Menschen wie ihn hätte doch niemand Trauer, Zuwendung und Nächstenliebe in so einzigartiger Form ausüben können!“

Man kann sagen, dass der Sinn des Lebens nicht aus inhaltslosem Erfolgsstreben bestehen sollte, was auch heißt: Es gibt auch erfüllendes Erfolgsstreben. Worin könnte dies bestehen? Zum Beispiel in Hilfsbereitschaft, man denkt nicht nur an das eigene Glück, sondern auch an das anderer Menschen. Stringent gesprochen - man kann eigentlich nicht glücklich sein, wenn andere es nicht sind, aus Gründen menschlicher Empathie oder auch um gefährliche soziale Spannungen zu vermeiden. (Inwieweit gibt es also individuelles Glück, welche Verantwort hat man gegenüber anderen?).
Und jetzt pervertiert CO diesen Ansatz, indem er sagt: Ich habe doch durch meine Untat den Dorfbewohnern erst die Möglichkeit gegeben "Zuwendung und Nächstenliebe" zu praktizieren! Braucht es das Böse, für das Gute?

Man kann auch hinterfragen, ob es moralisch in Ordnung ist, wenn sich die Dorfbewohner nach so langer Zeit noch vor seiner Hütte versammeln.

Andere zu verurteilen war schon immer leicht und genau da bleibt er hängen, weswegen keine Entwicklung stattfindet (nicht stattfinden kann, wenn das Hirn einem Streiche spielt)
- Ja, "genau da bleibt er hängen", an der Stelle an der er seine Tat verklärt.

Danke für die Darstellung deiner "Leseweise", deine Ideen - der 'Kohlenstoffmonoxid' :lol:
ist schon ziemlich grass, aber das war letztlich auch das Spannende beim Schreiben. Hoffentlich auch für dich ein wenig beim Lesen ...

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Lieber @Woltochinon
Erstmal freut es mich, dass die Challenge offensichtlich auch "alte" Hasen aus ihrem Bau gelockt hat. ;)

Die Bandbreite der eingereichten Geschichten ist beachtlich und zeigt, das Thema bietet verschiedene Möglichkeiten, sich an einer Geschichte rund um Weihnachten herum zu versuchen.

Ich las deinen Text kurz nach Einstellen, komme aber erst jetzt dazu, einen Leseeindruck abzugeben. Dein philosophischer Einblick in die Seele eines Gewaltverbrechers erinnert mich an SKs Carrie und Falcos Song Jeanny. Okay, etwas abgedreht, aber, nun ja Carrie wurde ebenfalls als junges Mädchen gedemütigt und rächte sich mithilfe ihrer Gabe auf grausame Weise an der Gesellschaft. In Falcos Song wird uns die Sicht des Täters, sein krankhaftes Verlangen und Besitzanspruch nach jungen Frauen (v)erklärt. Er sei nicht das Opfer, sondern die Gesellschaft verkennt und verurteilt ihre Liebe zueinander.

Ich weiss, dein Text erzählt eher was anderes, bleibt bezüglich Hintergrund aber vage. Trotzdem sind mir die beiden Werke beim Lesen in den Sinn gekommen.
Könnte wie bei Carrie eine extreme Demütigung in jungen Jahren der Auslöser für seine schreckliche Tat (z.B. Türen verrammeln, anschl. Gemeinschaftsraum, aka. Kirche anzünden) sein, so erzählt die Geschichte weiter die verquere Wahrnehmung Gustavsons, der Gesellschaft doch eigentlich etwas Edles und Gutes angetan zu haben: "Ohne Menschen wie ihn hätte doch niemand Trauer, Zuwendung und Nächstenliebe in so einzigartiger Form ausüben können!“
Bäh, wie selbstgefällig und unmenschlich. Nein, der Ole hat so gar kein natürliches Rechtsempfinden, wollte ja nur die Dämonen austreiben – wie Carries Mutter. :Pfeif:

So, der Rest – die physischen, wie philosophischen Aspekte – wurden bereits ausführlich besprochen, bleibt mir noch mein persönliches Fazit:
Höchst irritierende Geschichte, nix Wohlfühlmässiges, regt zum Nachdenken über Schuld und (ausbleibende) Sühne nach. Hat immerhin was ausgelöst und somit gern gelesen, wenn ich auch nicht alles verstanden zu haben glaube.

Liebgruss, dot

 

Hey @Woltochinon,
danke für deine Antwort und deine Gedanken zum Text. Antisoziale/dissoziale Persönlichkeitsstörung? Ja, vielleicht ... ich empfinde den aber auch in seinem Denken so verzerrt und verzogen, dass es darüber hinausgeht ... am Ende ist die Diagnose ja für den Text auch nicht wichtig. Für mich bietet sie eine Erklärung (keine Entschuldigung!), sie hilft mir zu verstehen, dass sich kaum jemand für so ein Leben entscheidet, weil er ja ganz offensichtlich leidet und wer will schon leiden? Aber du hast Recht, da sind wir dann schon doch in der Philosophie und den Implikationen in der Rechtssprechung: Wer ist wann und wie für sein Handeln verantwortlich? Wann kommt jemand in den Knast und wann in die Forensik? Für mich ist CO mehr ein Fall für die Forensik, aber letztlich lässt sich das an dem Text selbst noch nicht entscheiden ...

Eigentlich bin ich darum hier:

- Ist "jedoch" nicht richtig? "Jedoch" drückt (doch) einen Gegensatz aus. Im Gegensatz dazu, dass eigentlich etwas Beunruhigendes geschieht, empfindet er (in seiner Situation) die Sache als etwas Erlösendes.
Mein Fehler. Ich habe "Beruhigendes" gelesen, statt Beunruhigendes ...

Viele Grüße
Katta

 

Hallo Katta,

hey, nett, dass du dich noch einmal meldest!

am Ende ist die Diagnose ja für den Text auch nicht wichtig.
Ja, das lenkt nur vom Wesentlichen ab.
Für mich bietet sie eine Erklärung (keine Entschuldigung!), sie hilft mir zu verstehen, dass sich kaum jemand für so ein Leben entscheidet, weil er ja ganz offensichtlich leidet und wer will schon leiden?
Wer will schon leiden - das würde ich noch erweitern: Eigentlich will niemand (bei einigermaßen normaler Veranlagung) auch mit-leiden.
Der Unterschied zwischen Erklärung und daraus nicht resultierender Entschuldigung wäre schon ein Thema für eine ganz andere Geschichte ...

Beste Grüße,

Woltochinon

 

Hallo dotslash,

freut mich sehr, die Meinung von einem 'alten Hasen-Kollegen' zu meinem Text zu lesen!
Ich bin froh, nach der Challenge geschaut zu haben, endlich wieder mal eine Motivation ernsthaft etwas zu schreiben. Vielen Dank dem Challenge-Team dafür.

Dein philosophischer Einblick in die Seele eines Gewaltverbrechers erinnert mich an SKs Carrie und Falcos Song Jeanny
Da muss ich leider total passen: Das Einzige, was ich von Falco kenne ist irgendetwas mit ‚Amadeus‘, vielleicht habe mit ‚Jeanny‘ etwas verpasst? Werde mich drum kümmern – immerhin hattest du diese Assoziation.
Könnte wie bei Carrie eine extreme Demütigung in jungen Jahren der Auslöser für seine schreckliche Tat (z.B. Türen verrammeln, anschl. Gemeinschaftsraum, aka. Kirche anzünden) sein,
Eigentlich wollte ich von diesem Schema 'das Böse hat einen Grund' weg (in einer frühen Version des Textes gab es direkte Bezüge zu Demütigungen in seinem Leben). Er ist einfach im Wahn, deshalb die undefinierte Erwähnung von "Monstern". Vielleicht ist es schwer auszuhalten, dieses 'Böse ohne den Grund der Umstände', weil es sich Einordnungen verweigert, einen weiteren Unsicherheitsfaktor ins Leben bringt. (Wobei es wohl kein wirklich grundloses Böse gibt - fehlen z.B. soziale Auslöser kann man es auf entsprechende Gehirnphysiolgie zurück führen).
Höchst irritierende Geschichte, nix Wohlfühlmässiges, regt zum Nachdenken über Schuld und (ausbleibende) Sühne nach. Hat immerhin was ausgelöst und somit gern gelesen, wenn ich auch nicht alles verstanden zu haben glaube.
Puh - bin erleichtert! Wenn es zu solch tiefgreifenden Nachdenken geführt hat, bin ich zufrieden!

Letztlich kann man nicht verstehen, was in solch einem Menschen vor sich geht, ich weiß nur, dass es solche Leute gibt. Zum Glück war ich selbst noch nie auch nur in der Nähe so eines Gedankenguts (was die Frage aufwirft, die von Henry K bei Isegrimms Weihnachtsgeschichte ins Spiel gebracht wurde: Über was kann man schreiben?).

Dotslash - ich danke dir für deine Anregungen!

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Hi @Woltochinon! Eben habe ich den Weihnachtsbaum, nun ja, zusammengesteckt, da ist das wohl der perfekte Moment für eine ganz dunkle Weihnachtsgeschichte. Musste ein bisschen vor- und zurückhüpfen, bis ich beieinander hatte, was wann passiert. Da kannst du dir für meinen Geschmack (oder für meine Denkgeschwindigkeit) gerne mehr Zeit lassen. Aber der Typ kommt sehr klar zum Vorschein. Was mir am besten gefallen hat: einer, der Bücher vernichtet, während er sie liest. Irgendwie fast das Gruseligste an der ganzen Angelegenheit.

Er erinnerte sich gerne daran, wie man das Fest der Lichter in seiner Jugend erlebt hatte:
er erinnert sich daran, wie er Weihnachten erlebt hatte, oder?
Damals war ihm nicht sofort klar: Dies ist alles nur eine Illusion, b
Ja, hier kam ich in den Zeitenstrudel: ERST war ihm nicht klar, dass alles Illusion ist.
Eine zweite Seite der Wirklichkeit hatte sich an diesem Abend offenbart,
Dann kam ein besonderer (Weihnachts)Abend (wo war er? wie alt? Was waren die Umstände?) an dem er merkt: alles Schwindel. An der Zeitform merkt man ja nicht, ob wir an dem Abend zu dem Tag sind, an dem er eben aufgewacht ist, oder an einem Abend in der Vergangenheit.
Das war jetzt Vergangenheit,
Jetzt machst du es klar, ein bisschen spät für mich.
wegen seiner grausamen Taten vor über sechzig Jahren zu ächten?
ächten heißt doch eigentlich (aus der Gemeinschaft) ausschließen. Sich irgendwo zusammenzurotten, um jemanden wieder und wieder auszustoßen, da habe ich kein richtiges Bild.
Hastig öffnete der Alte das Fenster, zum Glück geschah das eigentlich Beunruhigende, für ihn jedoch Erlösende:
Auch da gern einen Moment mehr Zeit: Hastig, zum Glück, Beunruhigend, Erlösend - mein Atmozeichner kommt da nicht mit. Fenster hast du auch doppelt, er stapft zum Fenster, er könnte es (stapfen ist ja nicht so flott) auch vorsichtig öffnen.
er nahm lieber ein Buch zur Hand, fläzte sich, Füße auf dem Tisch in seinen Lesesessel.
Komma nach Tisch? Schöne Leseszene!

Gern gelesen, herzliche Grüße und einen schönen Weihnachtsabend auf dem Dorfplatz!
Placidus

 

Hallo Placidus,

super - danke für die wertvollen Hinweise, wie viel man doch immer wieder bedenken kann!

Er erinnerte sich gerne daran, wie man das Fest der Lichter in seiner Jugend erlebt hatte:
er erinnert sich daran, wie er Weihnachten erlebt hatte, oder?

- Eigentlich will ich ausdrücken, dass wirklich "man" das Fest so erlebt hat, nicht nur er. Alle (auch er) verspürten die Vorfreude, wussten schon, was der Pastor wieder sagen wird. 'Alle' würde ihn ausschließen.

Ja, hier kam ich in den Zeitenstrudel: ERST war ihm nicht klar, dass alles Illusion ist.

Dann kam ein besonderer (Weihnachts)Abend (wo war er? wie alt? Was waren die Umstände?) an dem er merkt: alles Schwindel. An der Zeitform merkt man ja nicht, ob wir an dem Abend zu dem Tag sind, an dem er eben aufgewacht ist, oder an einem Abend in der Vergangenheit.
Da hast du ein Argument! Danke für deinen scharfen Blick. Das werde ich verdeutlichen.

ächten heißt doch eigentlich (aus der Gemeinschaft) ausschließen. Sich irgendwo zusammenzurotten, um jemanden wieder und wieder auszustoßen, da habe ich kein richtiges Bild
Stimmt, "ächten" ist eher etwas Anhaltendes, auch hier wird geändert.

Auch da gern einen Moment mehr Zeit: Hastig, zum Glück, Beunruhigend, Erlösend - mein Atmozeichner kommt da nicht mit. Fenster hast du auch doppelt, er stapft zum Fenster, er könnte es (stapfen ist ja nicht so flott) auch vorsichtig öffnen.
Das Fenster wird entdoppelt! Ich möchte die Szene schon schnell schreiben. Auch wenn er körperlich langsam ist, rotieren die Empfindungen doch wild in seinem Kopf. Er kommt nicht so flott zum Fenster, wie er möchte, um so hastiger öffnet er es (schließlich braucht er dringend frische Luft). Dann geht es Schlag auf Schlag mit seinen Gefühlen und Beobachtungen los.
(Das Komma wird gesetzt!).

Was mir am besten gefallen hat: einer, der Bücher vernichtet, während er sie liest. Irgendwie fast das Gruseligste an der ganzen Angelegenheit.
Dann hast du aber starke Nerven ;)

Manchmal denke ich, er ist gerade dabei, sich selbst zu vernichten. In der nächsten Folge wird auch er verschwinden (darüber kann man aber nicht schreiben, weil dann alles weg ist).

Hat mir Spaß gemacht, über deine Hinweise nachzudenken,

wünsche dir eine genußvolle Weihnachtszeit - nein, den Dorfplatz werde ich meiden ...

... liebe Grüße,

Woltochinon

 

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