Was ist neu

Dein Platz ist genau hier

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07.12.2023
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Anmerkungen zum Text

Im Text kommen einige Begriffe vor, die schweizerisch geprägt und ggf. nicht weitläufig bekannt sind:

Stumpen
Kurze Zigarre

Pöstler
Postbote

Betreibungsamt
Inkassodienst, in der Schweiz jedoch auf kantonaler oder kommunaler Ebene

Couvert
Briefumschlag

Sechseläutenumzug
Jährlich stattfindendes Frühlingsfest in Zürich

Ammann
Verwaltungsbeamter, Vorsteher eines Kantons, einer Gemeinde, eines Bezirks o. Ä. (Quelle: dwds.de)

Strahlstock
Werkzeug eines Strahlers bzw. Mineraliensuchers aus Metall; von der Form her ähnlich wie ein Brecheisen

Stufe (z.B. von Quarz)
Als Stufen bezeichnet man Verwachsungen gut ausgebildeter Kristalle bzw. mehrere einzelne freie Kristalle, welche sich an den Wänden von Hohlräumen oder Druse/Geoden gebildet haben. (Quelle: mineralienatlas.de)

Billett
Ticket/Fahrkarte

Spital
Krankenhaus

Dein Platz ist genau hier

I

Gian kam vom Dorf und stapfte über das Grab der Mutter. An der Grabkerze zündete er den Stumpen an, den er tags zuvor aus dem Aschenbecher in der Werkstatt des Vaters gefischt hatte, und der Rauch stieg in dünnen Fäden zum Wipfel der alten Eiche. Es war ein grauer Donnerstag im Dezember und kurz nach Mittag, die Luft stand still. Aus der Ferne hörte Gian das Läuten der Kirchenglocke. Er rotzte einen Batzen Schleim neben die dunkle Erde, wandte sich ab und ging über den Kiesplatz; vor der Veranda lehnte er sich mit dem Rücken gegen den Opel Kadett des Vaters. Dann paffte er und sah hoch zu den Bergen, die das Dorf umschlossen und mit einer kalkweißen Schicht Schnee überzogen waren. Gian sah hoch und paffte und als er sich gerade auf den Boden hocken wollte, kam der alte Weidmann den Weg zum Haus herauf gehetzt.
«Herrje!», sagte der alte Weidmann. «Lass den Mist doch endlich sein, Junge.»
Gian blies eine Rauchwolke aus dem Mund; er hustete und wedelte den Qualm vor seinem Gesicht weg. Er sagte: «Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram, ja?»
«Herrje!», sagte der alte Weidmann. «Du weißt ja gar nicht, was du dir antust.»
Gian kniff die Augen zusammen. Er sah auf die von Äderchen durchzogene Nase des Pöstlers und verzog die Lippen. Mit den Fingern strich sich der alte Weidmann durch den Bart, und die Finger waren knochig und blass; der Bart des alten Mannes aber hing wuchtig und weiß über dem dunkelroten Gesicht. Gian schnaubte und winkte ab und sagte: «Jetzt geben Sie schon her, ja?»
«Herrje!», sagte der alte Weidmann. Er rückte die Mütze mit den roten Litzen auf dem Kopf zurecht, zog die Ledertasche über den Bauch und kramte ein Bündel Briefe aus der Ledertasche. Er streckte Gian das Bündel entgegen und Gian riss es ihm aus der Hand. Der alte Weidmann zupfte den grauen Filzkittel zurecht. Er tippte sich an die Mütze und sagte: «Bestell dem Vater und der Schwester meine Grüße zum Fest.» Dann machte er kehrt, warf immer wieder die knochigen Hände in die Luft, ging vorbei an der alten Eiche und schlurfte den Weg zum Dorf hinab.
Der Stumpen war fast erloschen. Gian zog hastig daran, bis die Glut wieder leise knisterte und flammendrot aufleuchtete. Als der Stumpen bis zum Mundstück abgebrannt war, kratzte Gian eine Kuhle in den Boden, legte den Stummel hinein und begrub ihn unter dem Kies. Er sah das Bündel durch: zuoberst ein Schreiben des Elektrizitätswerks, darunter drei Mitteilungen vom Betreibungsamt und ganz unten ein handschriftlich an die Schwester adressierter Brief. Gian wendete das Couvert und las die Absenderadresse auf der Lasche. «Hol mich der Teufel», sagte er.

II

Im Haus war die Luft stickig und roch nach altem Lauch. Alina saß am Esstisch und rieb die Hände über den Kerzen eines Adventskranzes. Neben ihr lag ein Stapel ungeöffneter Briefe; der Stapel wellte die Tischdecke und war hoch wie die Faust eines Bauern.
Alina schaute auf. Sie verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln und sagte: «Oh!» Dann stand sie auf und schob Gian einen Teller mit Lebkuchen entgegen. Sie trug den Wollmantel, den ihr die Mutter hinterlassen hatte, und sie trug den mit Blumenmotiven bestickten Rock und Schuhe mit hohen Absätzen; die Hände vergrub sie in den Seitentaschen des Mantels.
Gian sagte: «Du holst dir noch den Tod, ja?» Gerade wollte er das Briefbündel aus der Gesäßtasche ziehen, als sein Blick wieder auf den Stapel auf dem Tisch fiel: Unter dem Stapel lugte die Ecke eines Fotos hervor. Gian erkannte das Foto sofort, denn er selbst hatte es gemacht, im Frühling, als er und Alina nach dem Tod der Mutter für einige Zeit bei Tante Ladina und Onkel Curdin in Zürich gewohnt hatten. Auf dem Foto posierte Alina vor der Sankt-Peter-Kirche; sie strahlte in der Frühlingssonne und sie trug den gleichen Rock mit den Blumenmotiven. Alina stand dort vor der Kirche und neben ihr stand Dario, der Sohn eines Anwalts aus dem Unterland, den Alina am Sechseläutenumzug kennengelernt hatte und der nie müde geworden war, Alina Komplimente über ihre Waden zu machen. Vor den Augen sah Gian Darios Gesicht, mit dem er in die Kamera gegrinst hatte, und das Bündel in seiner Gesäßtasche wog plötzlich schwer. Gian schnaubte und setzte sich an den Esstisch. Dann zog er den Teller mit dem Lebkuchen zu sich heran und sagte: «Du bist blass, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Die Nacht war eben kurz.»
Gian sagte: «Du solltest nicht länger im Wirtshaus arbeiten, ja?»
Alina setzte sich zu Gian an den Esstisch. «Aber die Arbeit ist gut», sagte sie. «Man ist dort gut zu mir.»
«Gut?» Gian brach den Lebkuchen in zwei Hälften und sagte: «Er ist hart wie ein Quarz, ja?»
«Man hat mir auch Gemüse mitgegeben», sagte Alina. Mit dem Zeigefinger deutete sie zur Küche. Gian warf einen Blick über die Schulter: Vor dem Herd stand ein Korb und in dem Korb lagen Kartoffeln, Rüben, Zwiebeln und ein Bund Lauch. «Ich kann uns morgen eine Suppe kochen», sagte Alina. «Es ist Heiligabend und wir haben noch Brot.»
Gian sagte: «Herrgott, Alina!», und dann: «Sicher ist’s vom Ammann, das Gemüse, ja?»
Alina schwieg; sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.
«Ich kann auf dem Hof vom alten Bonifaz arbeiten», sagte Gian. «Gleich morgen gehe ich runter ins Dorf und sag’s ihm, ja? Er bezahlt die Knechte gut.»
Alina sagte: «Und die Berufsschule?» Sie langte über den Tisch und brach ein Stück Lebkuchen ab; sie klopfte die Krümel von dem Stück und die Krümel fielen auf den Teller. «Wir werden den Winter schon überstehen», sagte sie. Dann schob sie sich das Lebkuchenstück in den Mund.
«Du wirst den nächsten Frühling nicht erleben, wenn du weiter rumrennst, als wär’s noch August!», sagte Gian, und während er das sagte, blitzte Darios Grinsegesicht erneut vor seinen Augen auf. Ihm wurde mit einem Schlag so warm unter der Jacke wie damals im Frühling, wenn Alina in den lauen Nächten aus der Wohnung von Tante Ladina und Onkel Curdin geschlichen war. Gian schnaubte und sagte: «Herrgott!», und dann: «Hast du dem Vater das Holz rübergebracht, ja?»
«Oh!», sagte Alina und hob die Hände vor den Mund. «Ob ihm wohl warm ist?»
«Herrgott, Alina!», sagte Gian. Er fuhr vom Tisch hoch, stampfte hinüber zur Feuerstelle und packte die restlichen Holzscheite auf den Arm. Dann rauschte er mit dem Holz durch den Flur; er öffnete die Tür und trat hinaus auf die Veranda. Ein kalter Wind blies ihm entgegen. Die Wolken hingen jetzt tiefer und ein Regen mit dünnen, lautlosen Tropfen hatte eingesetzt.
«Gian!», rief ihm Alina hinterher.
Gian drehte sich um; er drehte sich so schnell um, dass ihm fast ein Holzscheit aus dem Arm gerutscht wäre. Er sagte: «Was?»
Alina stand im Türrahmen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: «Hast du auf dem Heimweg vielleicht den Pöstler getroffen?»
Er sagte: «Nein!»
«Oh!», sagte sie.
Er sagte: «Wartest du auf etwas Bestimmtes, ja?»
«Nein», sagte sie.
Er sagte: «Dann ist’s ja gut.»

III

Der Wind wehte aus dem Tal herauf und das blecherne Reklameschild über dem Eingang zur Werkstatt schepperte an der Wand. Der Ton beruhigte Gian. Er nahm sich vor, das Schild über die Festtage abzunehmen, die Farbe abzukratzen und das Blech in der Stadt zu verkaufen; bestimmt würde ihm ein Schlosser oder die Metallstanzerei ein paar Franken dafür geben. Für einen Moment beobachtete er die Regentropfen, die auf das Schild fielen und über die Illustration eines Bergkristalls und den Namen des Vaters rannen. Dann öffnete er die Tür und ging in die Werkstatt. Die Tür quietschte, als er sie hinter sich ins Schloss zog.
Drinnen war es dunkel und warm und Gian schlug der gewohnte Geruch von zerriebenem Fels, abgestandenem Rauch und Schweiß entgegen. Er legte die Holzscheite auf den Boden und tastete nach dem Lichtschalter; er tastete und fand den Schalter und die Deckenlampe flackerte auf wie ein lautloses Gewitter. «Ich bin’s», sagte Gian.
Doch der Vater rührte sich nicht. Er saß in dem mit Brandlöchern übersäten Sessel und schnarchte; ein Hosenträger hing lose über der Schulter. Seinen Strahlstock hielt der Vater mit beiden Händen umklammert. Gian strich ihm die Haarsträhnen aus dem Gesicht; sie verdeckten ihm die Augen. Gian packte den Vater an den Schultern und schüttelte ihn und mit einem Mal schreckte der Vater auf. Der Strahlstock schmetterte zu Boden und das schwere Metall klirrte. Mit glasigen Augen sah der Vater zu Gian hoch. «Bub», stammelte er, und dann: «Teufel noch eins!» Seine Lippen klebten aneinander und der halb eingetrocknete Speichel zog weiße Fäden, wenn er sprach. «Weiß denn die Mutter, dass du hier bist, Bub?»
Gian sagte: «Die sind für dich, ja?» Er packte die Holzscheite und legte sie auf den Werkzeugkoffer neben dem Sessel; eine Staubschicht bedeckte den Koffer und in Gian kam das Bild hoch, wie er und der Vater am Kadett rumschrauben.
Der Vater starrte auf die Holzscheite hinab. «Teufel noch eins!», sagte er dann und krallte die gelben Fingernägel in die Armlehnen. Er bückte sich nach vorn, hob den Strahlstock vom Boden und umklammerte ihn. Auf dem Hocker zur Rechten des Vaters lagen der Aschenbecher, ein Briefchen Zündhölzer und eine leere Stumpenschachtel; daneben stand das gerahmte Foto der Mutter. Das Schutzglas war mit Fingerabdrücken zugeschmiert. Der Vater sagte: «Was die Mutter wohl zum Fest kocht?», und dann: «Willst du es mir verraten, Bub?»
Gian schnaubte. «Nein», sagte er, «die Mutter wird zum Fest nicht da sein, ja?»
Der Vater murmelte etwas; Gian verstand es nicht. Dann fielen die Augen des Vaters zu und er sank nach hinten in den Sessel wie ein Baum, der gefällt wird.
Gian schnappte sich zwei halb aufgerauchte Stumpen aus dem Aschenbecher. Er klopfte die Asche von ihnen ab und steckte sie in die Jackentasche. Das Feuer im Ofen knisterte. Gian öffnete die Klappe des Ofens und schob ein Holzscheit nach. Dann ging er hinüber zum Spülbecken; er füllte Wasser in den Teekessel, stellte ihn auf den Ofen und setzte sich auf die Arbeitsplatte in der Mitte der Werkstatt.
Die Quarze, die Gian und der Vater im Jahr zuvor gefunden und vom Berg gebracht hatten, lagen trüb und verstaubt da. Gian zog eine Stufe von Rauchquarz zu sich heran; das Mineral knirschte auf der Arbeitsplatte. Im Hintergrund hörte er das Schnarchen des Vaters. Mit einem Pinsel bürstete Gian den Staub von den Kristallen. Er saß auf der Arbeitsplatte und bürstete den Quarz und wie aus dem Nichts schnellte zwischen den fingerdicken Kristallen eine Spinne hervor. Gian schreckte hoch. Die Spinne saß dort auf dem Rauchquarz mit ihren langen, haarigen Beinen. Ihm war, als starrte sie ihn an, und dann reckte sie das vordere Beinpaar in die Luft. Gian pustete die Spinne an; blitzartig verkrampfte sie sich zu einer braunen Kugel. Nach einer Weile und behutsam wie eine Blume, die ihre Blüte beim ersten Sonnenstrahl öffnet, streckte die Spinne die Beine wieder aus. Gian pustete kräftiger. Er pustete noch einmal und die Spinne krabbelte über den Tisch und verkroch sich in einer Stufe von Blutstein. «Was für ein Monster!», sagte Gian.
Der Vater schmatzte auf. Gian drehte sich zu ihm hin und er sah, dass die Augen des Vaters verschlossen waren, und er sah auch, wie der Unterkiefer langsam wieder nach unten fiel.
Gian bürstete noch immer den Staub vom Rauchquarz, als das Wasser zu blubbern begann. Dampf zischte aus der Kesseltülle. Er legte den Pinsel auf die Arbeitsplatte, kniete sich vor den Ofen und zückte das Briefbündel aus der Gesäßtasche. Dann dampfte er das an Alina adressierte Couvert auf.

IV

Zürich, den 21. Dezember 1964

Meine liebe Alina,

ich danke dir herzlich für deinen Brief, er erreichte mich bei bester Gesundheit.

Ich weiß offen gesagt nicht, wo ich anfangen soll, denn es macht mich unendlich traurig, wenn ich lese, wie die Dinge bei euch im Dorf stehen. Aber um deine Frage gleich vorab zu beantworten: Selbstverständlich werde ich dir helfen, meine liebe Alina, denn ich ertrage den Gedanken nicht, dass du auch nur einen weiteren Tag unter diesen Umständen leidest.

Komm zu mir nach Zürich! Komm so schnell, wie du nur kannst, und dann besprechen wir alles Weitere. Du kannst so lange bleiben, wie du willst, meine liebe Alina, denn du weißt ja, dass bei mir immer genügend Platz für dich ist.

Ich schicke dir anbei fünfzig Franken. Benutze sie für Benzin oder für das Billett, falls du mit dem Zug nach Zürich reisen wirst.

Komm so schnell, wie du nur kannst, meine liebe Alina, denn ich wünsche mir sehr, dass wir das Weihnachtsfest zusammen feiern.

Ich warte auf dich.

Dario

Gian faltete den Brief und steckte ihn zusammen mit der Fünfzig-Franken-Note ins Couvert zurück. Seine Ohren glühten; er hörte das Blut darin rauschen. Er atmete schwer und ihm war, als hätte man ihm einen Stein gegen die Brust geschmettert. Und erst als er die Leimtube aus dem Werkzeugkoffer holen wollte, um das Couvert wieder zu verschließen, bemerkte Gian, dass der Vater nicht mehr im Sessel saß. «Herrgott!», sagte er. Die Eingangstür stand einen Spalt weit offen. Gian trat hinaus aus der Werkstatt. Er trat hinaus und sah, wie der Vater tropfnass vor dem Grab der Mutter kniete und weinte.

V

Alina saß wieder am Esstisch. Sie hatte die Hände aufeinandergelegt und den Kopf darauf gebettet. Die Kerzen auf dem Adventskranz flackerten, als Gian an den Tisch kam. Sein Haar war durchnässt und von den Jackenärmeln tropfte Wasser auf das Parkett; ihm war kalt. Dann sah er auf die Ecke des Fotos unter dem Briefstapel. Er sagte: «Alina!»
Und Alina schreckte hoch. «Oh!», sagte sie. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und die Lider hingen dunkel und schlaff über ihren Augen. Sie sagte: «Ist ihm wieder warm?»
«Ja», sagte Gian, «er hat’s warm.» Gleich darauf langte er in die Gesäßtasche, holte das Briefbündel hervor und ließ es neben dem Adventskranz auf den Tisch fallen. Er setzte sich an den Esstisch und sagte: «Der alte Weidmann hat doch noch den Weg zu uns gefunden.»
«Oh!» Alina schob das Bündel zu sich heran und sagte: «Was hat er denn gebracht?»
«Wohl das Übliche, ja? Ich hab’s mir nicht angesehen», sagte Gian und wischte sich das Regenwasser aus dem Gesicht. «Erst will ich wieder trocken werden, ja?»
Alina sagte: «Meine Güte.» Sie legte den Brief des Elektrizitätswerks auf den Stapel und ihr Rücken krümmte sich, als sie die Mitteilungen des Betreibungsamts überflog. Dann lag nur noch das handschriftlich adressierte Couvert vor ihr auf dem Tisch. Das Couvert lag dort und Alina hob den Blick und mit einem Mal blitzte ein Leuchten in ihren Augen auf.
Gian lehnte sich nach vorn und sagte: «Ist das die Sankt-Peter-Kirche auf der Briefmarke, ja?»
«Oh!», sagte Alina, und dann: «Ja, das ist sie doch.»
Gian sagte: «Dann ist der Brief wohl aus Zürich, ja?»
Alina drehte das Couvert um. «Ja», sagte sie, «von Tante Ladina und Onkel Curdin ist er. Bestimmt schicken sie uns Grüße zum Fest.»
«Wie schön», sagte Gian. «Schließlich ist’s eine Weile her, seit wir das letzte Mal von ihnen gehört haben, ja?»
Alina sagte: «Man hat eben viel zu tun in der Stadt.»
«Das ist wohl wahr», sagte Gian. Er steckte die Hände in die Jackentaschen und ballte sie zu Fäusten. Er sagte: «Lies doch mal vor, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Jetzt gleich?»
Gian nickte und sagte: «Aber ja doch.»
Alina schob einen Finger unter die Lasche des Couverts. Sie riss die Lasche ab, knüllte sie zusammen und steckte sie in die Manteltasche. Dann faltete sie den Brief auf und die Fünfzig-Franken-Note landete auf dem Tisch wie ein welkes Blatt auf dem Herbstboden. «Oh!», sagte Alina. «Sie schicken uns Geld.»
Gian sagte: «Wie lieb von ihnen. Das können wir gut brauchen, ja?» Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: «Wer hätte gedacht, dass uns der alte Weidmann jemals Geschenke nach Hause trägt?»
Alina schwieg und las und beim Lesen bewegte sie die Lippen. Gian beobachtete sie und er sah, wie das Wasser in ihre Augen trat. Sie hielt den Brief mit beiden Händen fest; das Papier zitterte. «Meine Güte!», sagte sie plötzlich.
Gian sagte: «Sind’s gute Neuigkeiten, ja?»
«Oh!», sagte Alina, und dann: «Nein! Der Onkel Curdin liegt wohl im Spital.»
«Herrgott!», sagte Gian und fuhr vom Stuhl hoch. «Ist’s denn was Schlimmes, ja?»
Alina sagte: «Man weiß es nicht!» Sie stand auf und stopfte den Brief, das Couvert und die Fünfzig-Franken-Note in die Manteltasche. «Die Tante will, dass ich zu ihr nach Zürich fahre. Sie braucht wohl dringend Beistand.» Alina sah hoch zur Uhr über dem Kücheneingang. «Wirst du mich gleich zum Bahnhof fahren?», sagte sie.
Gian sagte: «Den Zug wirst du nicht mehr erwischen, ja? Der fährt in einer halben Stunde.»
«Oh!», sagte Alina. «Dann fahre ich mit dem Auto, wenn es dir recht ist?»
Gian sagte: «Ich kann dich begleiten, ja? Wir fahren zusammen nach Zürich.»
«Und wer passt auf den Vater auf?» Alina legte die Hände auf Gians Schultern und sagte: «Man muss doch schauen, dass ihm warm ist und dass er zu essen hat.» Dann eilte Alina aus dem Esszimmer und durch den Flur und Gian hörte, wie sie die Treppe zum oberen Stock hochstieg.
Gian schnaubte und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Alina eben gesessen hatte; das Polster war noch warm. An der Stelle, wo sie ihn berührt hatte, lastete das Gewicht eines ganzen Bergs auf ihm. Sein Blick wanderte zum Adventskranz und weiter zum Foto unter dem Briefstapel. Er zog das Foto hervor und er sah die lachenden Gesichter und die Mauer der Sankt-Peter-Kirche. Für einen Moment mimte er Darios Grinsen nach, er zog die Mundwinkel so weit nach oben, wie er nur konnte, und gleich darauf ging Darios Grinsen in Flammen auf. Schwarzer Rauch stieg zur Decke. Für einen Moment war das Esszimmer hell erleuchtet. Der Geruch von verbranntem Kunststoff ätzte in Gians Nase und aus dem oberen Stock drang das Klackern von Alinas Absätzen zu ihm herab. Gian blies die Kerzen aus. Er stand auf, ging durch den Flur und fischte den Autoschlüssel von der Kommode. Mit dem Schlüssel in der Hand trabte er zum Kadett des Vaters. Gian legte den Kopf in den Nacken; Regentropfen prasselten auf sein Gesicht und er hörte das Scheppern des Reklameschilds im Wind. Dann klappte er die Motorhaube des Kadetts hoch, zog die Zündkerzenstecker ab und ließ die Motorhaube mit einem metallischen Knall zurück ins Schloss fallen.

VI

Gian stand im Flur und um ihn herum hatte sich eine Pfütze gebildet. An seinen Fingern klebten Tabakstücke. Die Stumpenstummel lagen wie ein Brei in der Jackentasche; sie hatten den Stoff dunkelbraun verfärbt. Gian zog eine Ladung Rotz hoch und im gleichen Moment, als er den Autoschlüssel zurück auf die Kommode legte, kam Alina die Treppe herunter gehetzt. In den Händen hielt sie zwei Lederkoffer.
«Es ist wirklich gut, dass die Tante Geld geschickt hat», sagte Alina. «Ich kann damit Benzin kaufen.»
Gian sah auf die Lederkoffer. Er sah die Koffer an und sagte: «Du bleibst wohl länger weg, ja?»
«Um den Onkel steht es gar nicht gut», sagte Alina, «aber ich will sehen, dass ich vor Silvester zurück bin.» Ihr Atem ging schwer. Sie stellte die Lederkoffer auf die Veranda und sagte: «Besser, man nimmt ein wenig mehr mit.»
Gian drehte sich von Alina weg. Er stützte die Arme auf der Kommode ab und sein Blick blieb auf dem gerahmten Foto hängen, das auf der Kommode stand und das sie alle zusammen vor einem schwer beladenen Weihnachtsbaum zeigte. «Alina», sagte er, «ich weiß, dass du nicht zu Tante Ladina fährst, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Was meinst du damit?»
«Herrgott!» Gian drehte sich zu Alina hin und sagte: «Schluss jetzt mit dem Theater, ja? Ich weiß ganz genau, was in dem Brief steht!» Er schnaubte und hielt den Zeigefinger auf Alinas Manteltasche gerichtet.
In Alinas Augen lag plötzlich ein Ausdruck, der sie um Jahre älter wirken ließ. Sie stand zwischen den Lederkoffern; die Arme hingen schlapp von den Schultern. Alina stand dort und der Wind heulte durch den Flur. Mit leiser Stimme sagte sie: «Du hast den Brief gelesen?»
«Wir brauchen ihn nicht!», sagte Gian. «Du brauchst ihn nicht, ja?»
Alina zog Darios Brief aus der Manteltasche. Sie zog ihn aus der Tasche, knüllte ihn zusammen und dann warf sie den Brief gegen Gians Brust. Sie sagte: «Wie kannst du es wagen?»
«Die Hure eines Unterländers!», sagte Gian. «Das ist es also, was du sein willst, ja?»
Alina kam angerauscht wie die Sturzflut nach einem Gewitter. Mit beiden Händen umfasste sie Gians Gesicht; ihre Finger waren warm, der Blick eisig. «Zum Teufel mit dir!», sagte sie. Gian sah, wie das Blut in Alinas Schläfen pochte und als sie von ihm ließ, strich die Luft kühl über seine Wangen. Alina schnappte sich die Autoschlüssel. Der Wind hatte weiter aufgefrischt, ihr Rock flatterte jetzt, und als sie vor Gian stand, peitschte der mit Blumen bestickte Stoff wieder und wieder gegen seine Beine. Sie sagte: «Versprich mir, dass du dich um ihn kümmerst!» Das sagte sie, und sie sagte es noch einmal, doch Gian wich ihrem Blick aus, starrte auf seine nassen Stiefel, die Hände in den Jackentaschen vergraben.
Alina wendete sich von ihm ab. Und erst als er das Knarren der Türschwelle hörte, blickte Gian auf. «Alina!», sagte er. «Mach dir doch nichts vor, ja? Dein Platz ist genau hier.»
Sie hielt inne. Sie drehte sich um. Sie seufzte. Ohne ein weiteres Wort oder eine letzte Berührung stürmte sie hinaus auf die Veranda, ergriff die beiden Lederkoffer und eilte die Stufen der Holztreppe hinab. Sie warf das Gepäck in den Kofferraum des Kadetts, knallte die Heckklappe zu, hastete zur Fahrertür, schwang sich hinter das Lenkrad und steckte den Schlüssel ins Zündschloss.

VII

Die Wolken hatten die Farbe von beschlagenem Blech. Gian hörte die Regentropfen und die Kirchenglocke und Alinas Schreie aus dem Inneren des Kadetts. «Dario!», rief sie, und dann: «Dario!» Sie kletterte auf die Rückbank; mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Gian durch die Heckscheibe an.
Gian stand im Türrahmen. Er stand dort und strich mit dem Zeigefinger über den Stahl der Türkette. Immer wieder zuckte Alina zusammen und sie weinte und sie vergrub das Gesicht in den Händen. Gian ging über die nassen Planken der Veranda und die Stufen der Holztreppe hinab. Kurz vor dem Kadett des Vaters machte er einen Bogen; der Kies knirschte unter den Stiefeln und er stampfte am Kadett vorbei und weiter zum Grab der Mutter. Einen Moment lang stand er regungslos unter der alten Eiche. Gian las die Inschrift auf dem Grabstein; er atmete tief. Schon wollte er umkehren, doch dann zog ihn etwas zu sich hinab, und Gian gab nach und er kniete sich hin. Er kniete vor dem Grab der Mutter und wie ein Zaunpfahl, der in den Boden getrieben wird, rammte Gian plötzlich eine Hand in die dunkle Erde. Er krallte die Finger zusammen; vom Regen war die Erde weich und feucht. Mit der anderen Hand packte er die Grabkerze. Dann stand er auf und preschte zurück zum Kadett.
Aus Alinas Gesicht war sämtliche Farbe gewichen. Gian baute sich vor dem Kofferraum auf. Er sah in Alinas Augen und die Augen waren trüb und wässrig und die Ränder waren gerötet. Wie die alten Frauen am Sonntag in der Kirche faltete Alina die Hände; sie drückte sie an die Brust. Grau schimmernde Tränen rannen über ihre Wangen, tropften auf den Mantel und auf den Rücksitz. Mit den Lippen flüsterte Alina ein lautloses «Bitte».
Gian presste die Erde in seiner Hand zusammen. Er presste und er spürte das Wasser in der Erde und mit all seiner Kraft klatschte er das dunkle Gemisch auf die Heckscheibe. Alina schrie auf. Die Erde glitt nach unten an den Rand der Heckscheibe; sie hinterließ einen schmierigen Film über Alinas Gesicht. Spuckfäden spannten sich zwischen ihren Lippen. Dann schob Gian die Erde zu einem Haufen zusammen.
«Nein!», sagte Alina, und gleich darauf: «Nein!»
Gian drehte die Grabkerze in seiner Hand. Er drehte die Kerze und während er sie von allen Seiten besah, ertönte jäh ein Knall. Gian schreckte zusammen. Er sah hinüber zur Werkstatt: Vor der Eingangstür stand der Vater. Wie ein Gespenst stand er dort im Regen, die Haarsträhnen klebten im blutleeren Gesicht und in der Hand hielt der Vater den Strahlstock. Die Eingangstür quietschte im Wind. Auf dem Boden lag das verbeulte Reklameschild. «Schluss!», sagte der Vater.
Gian drehte sich weg. Er schnaubte und sah zu Alina hinab und ohne den Blick von ihr abzuwenden, bohrte er die Grabkerze in den Erdhaufen auf der Heckscheibe.
Dann rannte der Vater los. Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft und in den Zweigen der alten Eiche rauschte der Wind; Gian sah hoch zu den Bergen, die sie umschlossen, und er sah, wie der Regen erstarb und wie leuchtend weiße Schneeflocken vom Himmel auf sie herabfielen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Wortkrieger,

nach längerer Abwesenheit vom Forum – den gleichnamigen Account/Nick habe ich damals löschen lassen – und vom KG-Schreiben generell, hat es mich beim Lesen eurer Challenge-Beiträge wieder gepackt. Ich falle also quasi mit der Tür ins Haus, stelle direkt einen Challenge-Text ein und hoffe, dass ihr mir das nachseht. Euren Beiträgen werde ich mich in den kommenden Tagen möglichst ausführlich widmen.

Grüße
sevas

 

Moin @sevas ,

danke für Deine Geschichte.

Ich hab zwei Anläufe gebraucht, erst beim zweiten konnte ich mich auf den Stil einlassen und sie zu Ende lesen. Hat mir gut gefallen, auch wenn einige der Vergleiche Stolperfallen darstellten.

Es liest sich wie ein Theaterstück, sowohl die Dialoge, als auch der Text zwischen den Zeilen. Manchmal glaubte ich, beinahe die Regieanweisungen herauslesen zu können. Wenn diese Stimmung beabsichtigt war, dann ist Dir das mMn sehr gut gelungen.
Ebenfalls toll funktioniert hat der sprachliche Duktus, jedes einzelnen Charakters. Er, der nahezu jeden Satz in eine Frage wandelt und ihr wandelbares »Oh«. Mir gefällt das.

Das Ende habe ich – so glaube ich – nicht verstanden. Warum bohrt Gian die Grabkerze in die Heckscheibe des Wagens? Und der Vater rennt dann einfach weg ... :read::confused:
Der Weihnachtsbezug ist hie und da verflochten wie unscheinbare Flachsfasern in einem Leinentuch, was mir gefällt und was mich zu den teils seltsamen Vergleichen bringt.
Über folgende Bilder bin ich gestolpert:

Neben ihr lag ein Stapel ungeöffneter Briefe, und der Stapel wellte die Tischdecke und war hoch wie die Faust eines Bauern, der am Stammtisch poltert und die Ernte beklagt.
der polternde Stammtisch und das Beklagen der Ernte waren zu viel des Guten

Langsam wie ein rostiger Güterzug, der vom Bahnhof ausfährt, setzte sich Alina zu Gian an den Esstisch.
Hier kollidierte das Bild eines rostigen Zuges mit dem der jüngeren Schwester

Dann legte Gian die Holzscheite in eine Kiste, die vor der Eingangstür der Werkstatt stand, und die Tür quietschte wie eine rollige Katze, als er sie hinter sich ins Schloss zog.
Ich hab keine Katze, aber das wirkte auf mich unfreiwillig komisch

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und die Lider hingen dunkel und schlaff über ihren Augen; die Pupillen waren wie verstaubte Christbaumkugeln.
Auf der Leinwand meines Kopfkinos war sie hier für einen Moment blind

Es war, als wäre die Hoffnung zu Alina zurückgekehrt wie ein Wolfswelpe, der vom Rudel abkommt und wieder zum Lager findet.
Das passte irgendwie gar nicht. Kann gerade nicht sagen, wieso, weshalb, warum

Ruhig wie ein Adler, der über den Gipfeln seine Kreise zieht, bohrte er die Grabkerze in den Erdhaufen auf der Heckscheibe.
Der Kontrast zwischen dramatischem Erde pressen, theatralischen Kerze in die Erde bohren und dem dann ruhigen, Adlergleichen bohren hat mich herausgehauen.


Am Ende ein gefühlt ziemlicher langer Text, für das, was insgesamt an Handlung passiert. Bin ein wenig zwiegespalten. Auf der einen Seite fasziniert mich diese Deine Art zu schreiben, andererseits ist das eigentlich so gar nicht mein Cup of Tea.
Vielleicht sollte ich ihn einfach nochmal lesen? ;)

Wenn Dir meine Anmerkungen helfen konnten, freue ich mich.
Gerne gelesen
beste Grüße
Seth

 

Hallo @sevas,

ich möchte Dir gerne während des Lesens meinen Eindruck mitteilen.
Was mir im ersten Abschnitt auffällt, sind Deine häufigen „und“.

Unter der alten Eiche neben dem Haus lag das Grab der Mutter, seit dem Frühling hatte es dort gelegen, und Gian kam vom Dorf und stampfte über die dunkle Erde. Es war ein grauer Donnerstag im Dezember und kurz nach Mittag, die Luft stand still.
Unter der alten Eiche neben dem Haus lag seit dem Frühling das Grab der Mutter. Gian kam vom Dorf und stampfte über die dunkle Erde. Es war ein grauer Donnerstag im Dezember, kurz nach Mittag, die Luft stand still. So würde es für mich besser klingen.
An der Grabkerze zündete er den Stumpen an, den er tags zuvor aus dem Aschenbecher in der Werkstatt des Vaters gefischt hatte, (und) der Rauch stieg in dünnen Fäden nach oben, (und) vermischte sich mit der Farbe des Himmels.)

Dann paffte er und sah hoch zu den Bergen, die das Dorf umschlossen und mit einer kalkweißen Schneeschicht überzogen waren

(Gian sagte: )«Müssen Sie sich so anschleichen, ja?»
Würde ich weglassen, es ist klar das Gian
das sagt.
Ohne den stechenden Blick von Gian abzuwenden, kramte er ein Bündel Briefe aus der Ledertasche hervor; er streckte es Gian entgegen und Gian riss es ihm aus der Hand.
Kürzer: Ohne den stechenden Blick von ihm abzuwenden, kramte er Briefe aus der Ledertasche; er streckte ihm das Bündel entgegen, Gian riss es ihm aus der Hand.

Gian kniff die Augen zusammen. Er sah hoch zum alten Weidmann, der sich mit den Fingern durch den Bart strich, und die Finger waren knochig und blass und wirkten zerbrechlich wie Glas; der Bart des alten Mannes aber hing wuchtig und weiß über dem dunkelroten Gesicht wie frischer Schnee über der Dachkante einer Berghütte. Gian winkte ab und sagte: «Jetzt geben Sie schon her, ja?»
Entschieden zu viele „und“. Gehe doch bitte Deinen Text noch einmal durch und lösche diese Epidemie.
(Er sagte:)«Bestell dem Vater und der Schwester meine Grüße zum Fest.»
Ist klar, dass er das sagt.
(Dann)machte er kehrt, warf immer wieder die knochigen Hände in die Luft und verschwand mit schlurfenden Schritten hinter der alten Eiche.
Auch so ein Füllwort, das es nicht braucht. Er machte kehrt …
Als der Stumpen bis zum Mundstück abgebrannt war, kratzte Gian eine Kuhle in den kalten Boden, legte den Stummel hinein und begrub ihn unter dem Kies
Schön, sagt ja einiges über ihn aus …
Neben ihr lag ein Stapel ungeöffneter Briefe, und der Stapel (wellte die Tischdecke)und war hoch wie die Faust eines Bauern.
Ich weiß nicht wie ich mir das vorstellen soll. Würde ich weglassen.
Auch das mit dem Ernte beklagen.
Dann stand sie auf und schob Gian einen Teller mit Lebkuchen entgegen.
Sie stand auf … Schau doch mal ob Du dieses „Dann“ noch öfters findest.
Gerade wollte er das Briefbündel aus der Gesäßtasche ziehen, als sein Blick wieder auf den Stapel auf dem Tisch fiel:
Vielleicht knackiger: Gerade wollte es das Briefbündel aus der Tasche ziehen, als sein Blick auf den Stapel fiel. (Der Leser weiß wo er liegt.)
Gian erkannte das Foto sofort, denn er selbst hatte es gemacht, im Frühling, als er und Alina nach dem Tod der Mutter für einige Zeit bei Tante Ladina und Onkel Curdin in Zürich gewohnt hatten
Auch so eine unschöne Doppelung.
den Augen sah Gian Darios dümmliches Gesicht, mit dem er in die Kamera gegrinst hatte, und das Bündel in seiner Gesäßtasche wiegte plötzlich schwer.
Müsste es nicht wog heißen?
«Oh!», sagte Alina, und dann: «Die Nacht war eben kurz.»
Gian sagte: «Du solltest nicht länger im Wirtshaus arbeiten, ja?»
„Die Nacht war kurz“, Alina blickte ihren Bruder mit gerunzelter Stirn- oder mit einem Lächeln an. Du schreibst ständig er, sie sagt. Bringe doch mal etwas Abwchslung in den Text.
Alina zu Gian an den Esstisch. «Aber die Arbeit ist gut», sagte sie. «Man ist dort gut zu mir
Vorschlag: Aber die Arbeit ist leicht.
Gian sagte: «Herrgott, Alina!», und dann: «Jeden Abend schuftest du bis spät im Wirtshaus, und für was?
Es ist klar das er es dann sagt. Vorschlag: und lauter
Sicher ist’s vom ihm, das Gemüse, ja?»
von
Ihm wurde mit einem Schlag so warm unter der Jacke wie damals im Frühling, wenn Alina nachts aus der Wohnung von Tante Ladina und Onkel Curdin geschlichen war
als?
Die Wolken hingen jetzt tiefer und ein Regen mit dünnen, lautlosen Tropfen hatte eingesetzt.
«Gian!», rief ihm Alina hinterher.
Schön.
Dann legte Gian die Holzscheite in eine Kiste, die vor der Eingangstür der Werkstatt stand, und die Tür quietschte wie eine rollige Katze, als er sie hinter sich ins Schloss zog.
Wirklich? Für mich hört sich das wie Babygeschrei an.
stellte die Kiste auf den Boden und tastete nach dem Lichtschalter; (er tastete) und fand den Schalter und die Deckenlampe flackerte auf wie ein lautloses Gewitter
Redundant. Zu viele und.
Wie ein räudiger Hund, der seinen Fressnapf umgeworfen hat, starrte der Vater auf die Holzscheite hinab
Auch diesen Vergleich finde ich unpassend.
Nach einer Weile und behutsam wie eine Blume, die ihre Blüte beim ersten Sonnenstrahl öffnet, streckte die Spinne die Beine wieder aus.
Schöner Vergleich. Frage mich nur warum du anschließend die Spinne als
Monster betitelst.
Dampf waberte aus der Öffnung des Teekessels wie Rauch aus einem brennenden Stall. Gian legte den Pinsel auf die Arbeitsplatte, kniete sich vor den Ofen und zückte
Für mich zu viele Vergleiche! Und wabernder Rauch?
Und Alina schreckte hoch.
Weglassen und Text nach den restlichen Überflüssigen durchsehen.
Alina sagte: «Oh!»
Kannste auch weglassen und mMn diese ständigen Oh überdenken.
(Habe eben gelesen @Seth gefällt es) .
ein Schütze, der stolz und mit breiter Brust auf die Treffer in der Schießkarte zeigt.
Schöne Metapher.

Diese tragischen Beziehungen, die sich entwickeln, wenn der andere zum alleinigen Bezugspunkt wird. Krankhaft, böse, will er seine Schwester zum Bleiben nötig. Der kranke Vater, die tote Mutter und Geschwister die leiden.
Ich habe diesen Einblick in diese tragische Familiengeschichte gerne gelesen.
Hätte Alina noch gerne abfahren sehen.
Vielleicht kannst Du mit meinem Leseeindruck etwas anfangen.
Lieber Grüße CoK

 

Hallo @Seth Gecko,

und vielen Dank für deinen Kommentar und deine Zeit. Ich steige direkt ein:

Ich hab zwei Anläufe gebraucht, erst beim zweiten konnte ich mich auf den Stil einlassen und sie zu Ende lesen. Hat mir gut gefallen, auch wenn einige der Vergleiche Stolperfallen darstellten.
Ich denke ich weiß genau, was du meinst, und ich freue mich umso mehr, dass du dem Text eine zweite Chance gegeben hast. Dass noch nicht alle Vergleiche sattelfest sind, ja, das sehe ich jetzt, mit ein wenig Abstand zum Text, durchaus ein. Zum Stil schreibe ich im nächsten Abschnitt etwas.

Es liest sich wie ein Theaterstück, sowohl die Dialoge, als auch der Text zwischen den Zeilen. Manchmal glaubte ich, beinahe die Regieanweisungen herauslesen zu können. Wenn diese Stimmung beabsichtigt war, dann ist Dir das mMn sehr gut gelungen.
Ebenfalls toll funktioniert hat der sprachliche Duktus, jedes einzelnen Charakters. Er, der nahezu jeden Satz in eine Frage wandelt und ihr wandelbares »Oh«. Mir gefällt das.
Ich habe mich tatsächlich bewusst für diesen Stil entschieden. Viele Wiederholungen, (penetrant) viele Inquits, viele Vergleiche und sprachliche Marotten, die vielleicht schon fast grenzwertig sind. Ich wollte damit eine gewisse Stimmung erzeugen und war/bin darum sehr gespannt, ob und wie das ankommen wird.

Das Ende habe ich – so glaube ich – nicht verstanden. Warum bohrt Gian die Grabkerze in die Heckscheibe des Wagens? Und der Vater rennt dann einfach weg ... :read::confused:
Der Weihnachtsbezug ist hie und da verflochten wie unscheinbare Flachsfasern in einem Leinentuch, was mir gefällt und was mich zu den teils seltsamen Vergleichen bringt.
Was das Ende angeht, so schreibe ich dir im Anschluss eine PN, denn ich möchte hier (noch) nicht zu viel verraten bzw. keine Interpretation seitens des Autors abgeben. Auf jeden Fall hast du mich gerade sehr zum Schmunzeln gebracht mit dem Leinentuch 🤣 Well played, sir!

der polternde Stammtisch und das Beklagen der Ernte waren zu viel des Guten
Ich habe generell versucht, Vergleiche zu verwenden, die im Umfeld der Geschichte anzusiedeln sind, also sprich Bergwelt, Landwirtschaft, Dorfleben etc. Gut möglich, dass ich da immer wieder mal über das Ziel hinausgeschossen bin, deine Rückmeldung ist in dieser Hinsicht sehr wertvoll für mich.

Hier kollidierte das Bild eines rostigen Zuges mit dem der jüngeren Schwester
Die Schwester ist zwar jung, aber sie wird ja als ziemlich müde und abgekämpft beschrieben, darum der Rost. Ich werde aber darüber nachdenken.

Ich hab keine Katze, aber das wirkte auf mich unfreiwillig komisch
Ja, das sehe ich jetzt ebenfalls. Die rollige Katze ist weg 😉

Auf der Leinwand meines Kopfkinos war sie hier für einen Moment blind
Guter Hinweis. Ich mag das Bild sehr, aber ja, es ist nicht ganz passend, da hast du recht. Ich werde schauen, was ich da tun kann.

Das passte irgendwie gar nicht. Kann gerade nicht sagen, wieso, weshalb, warum
Manchmal reicht ein Bauchgefühl 😉 Ich warte aber mal ab, wie diese Stelle von anderen Lesern aufgefasst wird.

Der Kontrast zwischen dramatischem Erde pressen, theatralischen Kerze in die Erde bohren und dem dann ruhigen, Adlergleichen bohren hat mich herausgehauen.
Der Vergleich sollte sich eigentlich nur auf das Wort Ruhig beziehen, nicht auf die Aktion des Bohrens an sich.

Am Ende ein gefühlt ziemlicher langer Text, für das, was insgesamt an Handlung passiert. Bin ein wenig zwiegespalten. Auf der einen Seite fasziniert mich diese Deine Art zu schreiben, andererseits ist das eigentlich so gar nicht mein Cup of Tea.
Vielleicht sollte ich ihn einfach nochmal lesen? ;)
Ja, unter anderem durch die vielen "Regieanweisungen" erhält der Text eine gewisse Länge, das stimmt. Den Effekt auf dich (das Zwiegespaltensein) finde ich jedoch sehr interessant. Ob du der Geschichte auch noch eine dritte Chance gibst, nun ja, die Entscheidung muss ich natürlich dir überlassen 😄 Ich würde mich natürlich sehr darüber freuen!

Wenn Dir meine Anmerkungen helfen konnten, freue ich mich.
Das konnten sie auf jeden Fall und ich bedanke mich ganz herzlich dafür.

Hab einen schönen Abend!

Grüße
sevas

Wird fortgesetzt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @CoK,

und vielen Dank für deinen Kommentar und die Beschäftigung mit dem Text.

Was mir im ersten Abschnitt auffällt, sind Deine häufigen „und“.
Die vielen "und" habe ich tatsächlich bewusst verwendet. Auch später im Text hat's eine ganze Menge davon. Meine Intention war es, damit eine bestimmte Atmosphäre und auch einen gewissen Klang oder Rhythmus zu erzeugen. Ich verstehe jedoch, dass dieser Stil, der zu gewissen Teilen auch eine Art Experiment darstellt, etwas sperrig wirken kann.

Kürzer: Ohne den stechenden Blick von ihm abzuwenden, kramte er Briefe aus der Ledertasche; er streckte ihm das Bündel entgegen, Gian riss es ihm aus der Hand.
Ich werde mir überlagen, das zweite Gian allenfalls durch ein der zu ersetzen, dann liest sich diese Stelle unter Umständen etwas runder.

Entschieden zu viele „und“. Gehe doch bitte Deinen Text noch einmal durch und lösche diese Epidemie.
Da muss ich ganz höflich aber dennoch entschieden sagen: Nein 😉 Wie gesagt, ich habe das hier bewusst gemacht und nehme selbstverständlich auch in Kauf, dass dieser Stil da und dort aneckt. Wie in meiner Antwort an Seth Gecko bereits erwähnt, verwende ich viele Wiederholungen, viele Inquits, immer wieder die gleichen Wörter und Sprechweisen etc. Deine Rückmeldung hilft mir jedoch sehr, bitte versteh es darum nicht falsch, wenn ich (auch nachfolgend) deine Vorschläge ablehne.

Auch so ein Füllwort, das es nicht braucht. Er machte kehrt …
Siehe oben.

Ich weiß nicht wie ich mir das vorstellen soll. Würde ich weglassen.
Auch das mit dem Ernte beklagen.
Stell dir eine glattgestrichene Tischdecke vor, doch um den Stapel herum ist der Stoff des Tischtuchs leicht gewellt. Damit möchte ich andeuten, dass Bewegung auf dem Stapel lag (es lugt ja die Fotoecke unter dem Stapel hervor).

Sie stand auf … Schau doch mal ob Du dieses „Dann“ noch öfters findest.
Das kommt an einigen Stellen vor und ich habe es ebenfalls bewusst verwendet.

Vielleicht knackiger: Gerade wollte es das Briefbündel aus der Tasche ziehen, als sein Blick auf den Stapel fiel. (Der Leser weiß wo er liegt.)
Danke für den Hinweis, ich werde mir diese Stelle genauer anschauen.

Müsste es nicht wog heißen?
Das stimmt, vielen Dank! Ist angepasst.

„Die Nacht war kurz“, Alina blickte ihren Bruder mit gerunzelter Stirn- oder mit einem Lächeln an. Du schreibst ständig er, sie sagt. Bringe doch mal etwas Abwchslung in den Text.
Das eben, das du weglassen würdest, gehört zu Alinas Sprachduktus, weswegen ich es drinlassen werde. Die vielen Inquits habe ich – du ahnst es bestimmt – ebenfalls bewusst verwendet.

Vorschlag: Aber die Arbeit ist leicht.
Das wäre jedoch nicht korrekt, denn Alina ist sehr abgekämpft, was nicht zur leichten Arbeit passen würde.

Ist angepasst, vielen Dank!

Ihm wurde mit einem Schlag so warm unter der Jacke wie damals im Frühling, wenn Alina nachts aus der Wohnung von Tante Ladina und Onkel Curdin geschlichen war
als?
Mit als würde es bedeuten, dass sich Alina nur ein Mal davongeschlichen hat, durch das wenn wird aber angedeutet, dass sie das wiederholt gemacht hat. So hoffe ich, zumindest …

Wirklich? Für mich hört sich das wie Babygeschrei an.
Ja, dieser Vergleich ist bereits weg, ich danke dir für den Hinweis.

Wie ein räudiger Hund, der seinen Fressnapf umgeworfen hat, starrte der Vater auf die Holzscheite hinab
Auch diesen Vergleich finde ich unpassend.
Ich mag ihn, werde aber dennoch einmal darüber nachdenken.

Schöner Vergleich. Frage mich nur warum du anschließend die Spinne als
Monster betitelst.
Der Vergleich bezieht sich nicht auf die Spinne an sich, sondern nur auf die Bewegung bzw. das Öffnen/Asstrecken der Beine.

Für mich zu viele Vergleiche! Und wabernder Rauch?
Ich muss mal nachschauen. ob es hier ein treffenderes Wort als wabern gibt.

Kannste auch weglassen und mMn diese ständigen Oh überdenken.
Ich weiss, was du meinst, jedoch gehört dieses Oh! zum Alina-Sprech, weswegen ich sie drinlassen werde.

Diese tragischen Beziehungen, die sich entwickeln, wenn der andere zum alleinigen Bezugspunkt wird. Krankhaft, böse, will er seine Schwester zum Bleiben nötig. Der kranke Vater, die tote Mutter und Geschwister die leiden.
Ich habe diesen Einblick in diese tragische Familiengeschichte gerne gelesen.
Hätte Alina noch gerne abfahren sehen.
Ich freue mich, dass die Geschichte diesbezüglich für dich funktioniert hat. Und Alina hätte es verdient, mit dem Auto loszubrausen, das stimmt.

Vielleicht kannst Du mit meinem Leseeindruck etwas anfangen.
Auf jeden Fall, und ich bedanke mich ganz herzlich dafür bei dir! Wie gesagt, nimm es mir bitte nicht krumm, wenn ich auf den ganzen Wiederholungen etc. beharre, aber sie sind in dieser Geschichte – zumindest für mein Empfinden und in meiner Intention – wichtig.

Hab einen wunderbaren Tag und eine schöne Adventszeit!

Grüße
sevas

 

Hallo @sevas,

mein großes Kompliment gilt der sehr authentisch wirkenden Stimmung, die du in dieser Geschichte erzeugst. Ich habe schon so einige Filme, die sich meist Heimatfilme nennen, gesehen und frag mich nicht wieso, aber ich hatte einen Schwarz-Weiß-Film vor Augen, in dem dies alles passierte. Ich konnte mir die Gegend und die vier Personen sehr gut vorstellen und hatte das Gefühl mittendrin im Geschehen zu sein. Das ist dir alles sehr gut gelungen, wozu auch der gut passende Dialog gehört. Mit diesem "ja", das du deinem Protagonisten ganz oft am Ende des Satzes anfügst, entsteht seltsamerweise so ein ganz typischer Sound und die Figur gewinnt damit an Tiefe. Seltsam, das habe ich deswegen geschrieben, weil ich selbst nie gewagt hätte, mit nur einem Wort jemanden zu charakterisieren. Bei dir gelingt es hervorragend und ich lerne daraus sehr viel .
Die Figuren wirken in ihrem Verhalten auf mich wirklichkeitsnah und realistisch. Gut gemacht!

Zum Titel und auch dem Satz innerhalb der Geschichte gehe ich ,weil ich es eher durch Zufall entdeckt habe, mit einem der Kritiker konforn und finde auch, dass das Wort "genug" durchaus gestrichen werden könnte. Aber natürlich ist das nur ein Vorschlag, der Chef der Geschichte bist du. Und dir kommt es mit dem "genug" offensichtlich stärker vor.

Im Text habe ich so manche Stelle gefunden, wo ich den Vergleich nicht treffend empfand, die zeige ich dir nachfolgend dann auf.
Und leider fehlt mir auch das weihnachtliche Thema, es spielt alles im Dezember und Dario schreibt, er will Alina gerne zu Weihnachten bei sich haben, aber das ist es auch schon. Da hätte ich mir irgendwie mehr weihnachtliches Setting gewünscht, aber eigentlich nur, weil dies das Challenge-Thema ist. Aber bitte nicht missverstehen, es ist eine Challenge-Geschichte, gar keine Frage.

Unter der alten Eiche neben dem Haus lag das Grab der Mutter, seit dem Frühling hatte es dort gelegen,
Das hat mich auch beim zweiten Mal lesen stutzig gemacht, dass dieser Frülingssatz so hintendran hängt. Wie wäre es mit: Unter der alten Eiche neben dem Haus lag seit dem Frühling das Grab der Mutter.
«Herrje!», sagte der alte Weidmann, «wenn deine liebe Mutter sehen könnte, was du da treibst.»
Der ist aber seltsam drauf, dass er kritisiert, dass Gian raucht. Da hätte ich irgendwie noch gern mehr von seiner Einstellung erfahren. Das Rauchen, ist das ein Signal für Faulheit? Für Müßiggang? Weshalb stellt er sich so dagegen? Übrigens wunderbar eingefangen die Situation überhaupt. Es fehlt Geld und die Rangfolge, erst der Vater, dann der Sohn bleibt gewahrt. Gian raucht die abgelegten Stummel des Vaters. Toll indirekt sozusagen beschrieben.
Dann machte er kehrt, warf immer wieder die knochigen Hände in die Luft und verschwand mit schlurfenden Schritten hinter der alten Eiche.
Das mit dem Hände in die Luft werfen, das kann ich mir leider nicht so richtig vorstellen. Da entsteht bei mir kein Bild.
. Gian wendete das Couvert und las die Absenderadresse auf der Lasche.
Nur hier ganz kurz erwähnt: in der deutschen Sprache würde es ja Kuvert heißen, aber ich glaube, es ist eh beides möglich und von daher ist dies keine Kritik, sondern nur die Frage, ob es wirklich so korrekt verwendet wird.
über den Kerzen eines Adventskranzes; sie hatte ihn als Kind in der Schule gebastelt.
Dieses Basteln in der Schule als Kind hat mich irritiert, weil Alina ist ja schon erwachsen, hier dachte ich am Anfang, sie ist ein Kind. Und dann ist da noch etwas, was mich irritiert hatte. Bei uns ist ein Adventskranz fast immer aus Tanne. Der wäre, wenn sie ihn als Kind schon gebastelt hätte, schön längst nicht mehr vorhanden. Da fehlt entweder also noch ein bisschen Info über den Kranz oder diesen Halbsatz vielleicht ganz streichen?
Unter ihren Augen lagen Furchen, die tief waren wie Spalten im Gletschereis.
Nee, dieser Vergleich geht für mich nicht.
Wie ein räudiger Hund, der seinen Fressnapf umgeworfen hat,
Auch dieser Vergleich funktioniert leider nicht. Überhaupt wie sieht ein räudiger Hund aus? Wie er den Napf umwirft, ja das kann ich mir vorstellen, aber nicht das Räudige.

Es war, als wäre die Hoffnung zu Alina zurückgekehrt wie ein Wolfswelpe, der vom Rudel abkommt und wieder zum Lager findet.
Auch hier finde ich den Vergleich viel zu sehr neben der Spur. Es ist zwar ein wirklich schönes und eingängiges Bild, aber hier passt es haarscharf nicht.
Die Wolken hatten die Farbe von beschlagenem Blech.
Wie sieht beschlagenes Blech aus? Ich kann leider auch mit diesem Vergleich nichts in meiner Vorstellung aktivieren.
Wie ein Karussell drehte er sie,
Auch hier würde mir reichen, wenn er die Kerze in seiner Hand dreht, aber wie es aussieht, wenn er sie wie ein Karussell dreht, kann ich mir nicht vorstellen.
Ruhig wie ein Adler, der über den Gipfeln seine Kreise zieht, bohrte er die Grabkerze in den Erdhaufen auf der Heckscheibe.
Auch hier passt für mein Gefühl das Ruhige nicht zum Bohren, ich ahne, was du aussagen willst. Der Adler, der ruhig am Himmel schwebt und lauert und dann plötzlich hinabstößt.
So, wie du es beschrieben hast, kommt es aber bei mir nicht als Bild an.

Ich habe deine Geschichte gern gelesen und mich an der verdichteten Atmosphäre, die du erschaffen hast, sehr erfreut. Tragische Figuren in einer bergigen Landschaft im Winter. Passt alles gut zusammen.


Lieben Gruß

lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @sevas,
ein sehr atmosphärischer Text, den ich gerne gelesen hab, einfach weil ich dem Rhythmus deiner Sprache sehr gerne gefolgt bin. Wie meine Vorkommentator:innen, in deren Komms ich reingeschnuppert hab, waren es mir ein paar Vergleiche zu viel. Grundsätzlich mag ich Vergleiche, aber zum einen müssen die wirklich sitzen und zum Zweiten macht da, wie so oft, die Dosis das Gift. Auch Adjektive könnten sicherlich noch ausgedünnt werden, die sind mir aber weniger quergeschlagen als einige der Vergleiche.

Ich fand @Henry K. s Vorschlag gut, die wörtliche Rede zumindest ansatzweise in Mundart zu setzen, vielleicht einfach einige Wörter oder so. Ich finde durch das, ja? von Gian geht das für mich schon in die Richtung, für mich gibt das seiner wörtlichen Rede einen Klang oder Rhythmus, den ich hier in Norddeutschland (wo ich herkomme) nicht finden würde, für mich war das so was wie das schwäbische "gell?" Aber vielleicht hat das tatsächlich auch gar nichts mit der Region zu tun, sondern nur mit der Figur?

Der Brief ist ja eine Art McGuffin und ich finde die Geschichte auch vom Tempo darum herum gut komponiert. Ab dem Lesen des Briefes legt der Text an Tempo zu. Er gibt den Brief der Schwester, ich glaube, weil er hofft, dass sie das "richtige" tut, aber sie sieht nur die Möglichkeit zur Flucht, vermute ich. Er spielt ihr vor nicht zu wissen, aber als er sieht, sie wird nicht zögern ihn mit dem kranken Vater zurückzulassen, muss er ihr sagen, dass er weiß, was drin steht. Vielleicht in der Hoffnung, dass sie so dermaßen "erwischt", vor Scham und Schuld doch bleibt. Doch sie ist entschlossen, ihn und den Vater zurückzulassen. Und wer kenn es ihr verdenken? Und doch, einfach so verschwinden ist halt auch nicht die feine englische Art. Was es mit der Grabkerze auf sich hat, habe ich nicht so ganz verstanden, meine Gedanken gingen in Richtung: Wenn du fährst, bist du für mich tot. Aber sie kann ja gar nicht fahren, er hat ja die Zündkerzen rausgenommen. Ich mochte aber das Bild, als er die Scheibe mit Erde beschmiert, das wirkt so krass irrational, auch wenn ich das nur so halb versteh, konnte ich das emotional irgenwie mitgehen. Bei der Grabkerze ging mir das nicht so. Und dann mochte ich, dass der Vater rauskommt und sagt: Schluss. Ich finde, da scheint so die Vergangenheit durch, die Geschwister kabbeln sich, der Vater macht der Sache ein Ende, wie früher. Es wirkt auch, als wäre der Vater in dieser Situation klar und ich finde das auf eine gute Art deutungsoffen.

Viele Grüße
Katta

PS Das Challenge Thema finde ich nicht wirklich erfüllt. Der Bezug ist: Morgen ist Heiligabend - ich musste aber noch mal zurückgehen, um das herauszufinden, weil es in deiner Geschichte - für mich - so unwichtig war, dass ich diese Info glatt überlesen hatte. Aber sei's drum, gerne gelesen hab ich sie allemal.

 

Guten Abend @Henry K.,

und hab vielen Dank für deinen Gegenbesuch und die Beschäftigung mit der Geschichte.

deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie hat mich in Duktus und Kolorit sehr stark an das Buch "Der Trafikant" von Robert Seethaler erinnert, auch wenn das viel früher spielt. Ich finde, du fängst die ländliche Szenerie, aber auch die Zeit – 60er Jahre "auf dem Dorf" in Süddeutschland/(Vor)Alpenraum – sehr gut ein. Meine Mutter ist nur ein wenig jünger als die beiden in deiner Story und kommt aus einem Zwanzigseelenkaff in Bayern. Ihre Erzählungen von früher finde ich in deinem Text wieder – inklusive dem Opel.
Das Buch wie auch den Autor kenne ich tatsächlich (noch) nicht, ich habe mir den Titel aber in der Zwischenzeit auf den Kindle geladen und ich freue mich bereits auf die Lektüre. Vielen Dank für den Tipp!

Dass das Setting der Geschichte für dich funktioniert hat, freut mich ganz besonders, denn in der Vergangenheit habe ich oft Settings gewählt, die mir viel zu wenig bekannt waren. Und das merkte man dann auch. Meine Geschichte spielt zwar in den Schweizer Alpen, aber bestimmt ist dieser Ort mit dem süddeutschen Alpenraum zu vergleichen.

Der Plot ist zwar nicht besonders ausgeklügelt, aber in sich schlüssig und auch nicht unrealistisch, finde ich, und er hatte einen schönen Spannungsbogen durch den Brief, der zunächst ungeöffnet geblieben ist.
Da hast du recht, plottechnisch ist die Geschichte sehr simpel aufgebaut. Ich fand das in diesem Fall aber irgendwie richtig, denn ich wollte nur wenige Figuren haben und eine (hoffentlich) gut nachvollziehbare, chronologische Story schreiben. Außerdem war die Zeit ein bisschen knapp 😉 Dass durch den Brief ein Spannungsbogen vorhanden ist, ja, das freut mich sehr!

Trotz allem glaube ich, dass du noch ein paar Dinge an dem Text optimieren könntest. Insgesamt ist er mir etwas zu blumig bzw. metaphern- und adjektivreich. Das trägt zwar entscheidend zur Atmosphäre bei, ist aber etwas too much so im Grossen und Ganzen für meinen Geschmack. Ich würde den Text einmal komplett durchgehen und jedes einzelne Adjektiv und Sprachbild auf die Goldwaage legen. Im Zweifel weg.
Das Feedback sämtlicher Kommentatoren ist diesbezüglich ziemlich eindeutig und auch ich muss – mit ein wenig Abstand zum Text – jetzt einsehen, dass ich da über das Ziel hinausgeschossen bin. Ich habe bereits einige Vergleiche und Adjektive gekillt, wobei ich den Text noch einige Male durchgehen werde. Für die Goldwaage hat's noch nicht gereicht, aber sie liegt bereit. Ich danke dir, wie auch den Vorkommentatoren, für das Aufzeigen.

Mein zweiter Hauptkritikpunkt ist das Schlusskapitel. Das hat mich nicht überzeugt. Ich glaube, ich würde den Text hier enden lassen:
Alina wendete sich von ihm ab. Und erst als er das Knarren der Türschwelle hörte, blickte Gian auf. «Alina!», sagte er. «Mach dir doch nichts vor, ja? Dein Platz ist genau hier.»
Hier gibst du mir einiges, worüber ich nachdenken kann. Ein Cut an dieser Stelle hätte ja auch Auswirkungen auf den Text davor (z.B. müsste Gian dann gar nicht erst die Zündkerzenstecker abziehen etc.). Ich hänge noch sehr am letzten Teil, werde mir aber die Gedanken machen, zu denen du hier anregst.

Das "genau" würde ich wie im Titel streichen. So würde sich mit dem Schluss ein Kreis schliessen. Die Aussage des Textes hätte dadurch viel mehr von der Brutalität, die das Leben damals hatte, und der man nicht entkam: Gian liebt seine Schwester und sorgt für sie, aber die Umstände erlauben eben keine Sentimentalitäten. Sie machen die Menschen hart. "Dein Platz ist hier" - Basta!
Auch hier hadere ich derzeit noch. Ich finde, dass das genau die Aussage eher verstärkt. @lakita sieht das ja gleich wie du, aber eine Entscheidung kann/will ich derzeit noch nicht treffen. Ich verstehe deinen Ansatz, was die Löschung des letzten Teils betrifft, aber die Ereignisse in diesem Teil finde ich doch elementar, auch wenn sie vorwiegend symbolisch sind.

Mein dritter Punkt ist die wörtliche Rede. Der Text wäre natürlich sprachlich am stärksten, wenn er komplett in Mundart verfasst wäre, aber ich sehe ein, dass man das dem hochdeutschen Publikum nicht zumuten kann. Aber die wörtliche Rede, da hätte ich mir Mundart gewünscht, vielleicht eine leicht abgemilderte Version, aber doch so deutlich, dass man im Kopf "übersetzen" muss.
Die Geschichte spielt ja in der Schweiz, und da wäre Mundart wohl schlicht unlesbar für die Leser dieses Forums. Ich habe versucht, mit einigen Begriffen zu hantieren, die einen entsprechenden Bezug herstellen (Pöstler, Couvert etc.), aber bestimmt gibt's da noch Optimierungspotenzial und ich werde mir entsprechende Gedanken machen. Mundart schließe ich aus den eingangs erwähnten Gründen aber eher aus …

Soweit mal. Vielleicht lese ich den Text demnächst noch ein zweites Mal und schreibe dann noch mehr. Wie gesagt, hat mir insgesamt sehr gut gefallen.
Vielen herzlichen Dank, lieber @Henry K., du hast mir viele wertvolle Inputs und Anregungen geben können und ich bin sicher, dass der Text dadurch noch profitieren wird.

Grüße
sevas



Guten Abend @lakita,

und auch ein großes Dankeschön an dich für den Kommentar und die zahlreichen Inputs.

mein großes Kompliment gilt der sehr authentisch wirkenden Stimmung, die du in dieser Geschichte erzeugst. Ich habe schon so einige Filme, die sich meist Heimatfilme nennen, gesehen und frag mich nicht wieso, aber ich hatte einen Schwarz-Weiß-Film vor Augen, in dem dies alles passierte. Ich konnte mir die Gegend und die vier Personen sehr gut vorstellen und hatte das Gefühl mittendrin im Geschehen zu sein. Das ist dir alles sehr gut gelungen, wozu auch der gut passende Dialog gehört. Mit diesem "ja", das du deinem Protagonisten ganz oft am Ende des Satzes anfügst, entsteht seltsamerweise so ein ganz typischer Sound und die Figur gewinnt damit an Tiefe. Seltsam, das habe ich deswegen geschrieben, weil ich selbst nie gewagt hätte, mit nur einem Wort jemanden zu charakterisieren. Bei dir gelingt es hervorragend und ich lerne daraus sehr viel .
Die Figuren wirken in ihrem Verhalten auf mich wirklichkeitsnah und realistisch. Gut gemacht!
Wow, diese Rückmeldung geht natürlich runter wie Öl, vielen herzlichen Dank. Ich freue mich sehr, dass du so gut in das Setting und die Atmosphäre der Geschichte eintauchen konntest. Das (schon fast penetrant verwendete) ja? der Hauptfigur habe ich vor allem deshalb gewählt, weil ich deren tiefe Unsicherheit unterstreichen wollte, es gleichzeitig aber auch einen Befehlston haben kann, je nach Kontext. Ich freue mich, dass das anscheinend geklappt hat und deine Rückmeldung (zusammen mit den anderen Kommentaren, natürlich) gibt mir den nötigen Aufschwung, mich an weitere Texte zu wagen. Danke!

Zum Titel und auch dem Satz innerhalb der Geschichte gehe ich ,weil ich es eher durch Zufall entdeckt habe, mit einem der Kritiker konforn und finde auch, dass das Wort "genug" durchaus gestrichen werden könnte. Aber natürlich ist das nur ein Vorschlag, der Chef der Geschichte bist du. Und dir kommt es mit dem "genug" offensichtlich stärker vor.
Ja, hier hadere ich derzeit noch (siehe mein Kommentar an @Henry K. weiter oben). Vielleicht bin da noch zu betriebsblind, aber ich finde, dass das genau die Aussage eher verstärkt, nicht schwächt.

Im Text habe ich so manche Stelle gefunden, wo ich den Vergleich nicht treffend empfand, die zeige ich dir nachfolgend dann auf.
Ja, die Sache mit den Vergleichen habe ich mittlerweile eingesehen und bereits einige davon aus dem Text entfernt. Das Feedback hierzu ist ja mehr als eindeutig.

Und leider fehlt mir auch das weihnachtliche Thema, es spielt alles im Dezember und Dario schreibt, er will Alina gerne zu Weihnachten bei sich haben, aber das ist es auch schon. Da hätte ich mir irgendwie mehr weihnachtliches Setting gewünscht, aber eigentlich nur, weil dies das Challenge-Thema ist. Aber bitte nicht missverstehen, es ist eine Challenge-Geschichte, gar keine Frage.
Auch @Katta hat das in ihrem Kommentar erwähnt, und es stimmt schon, theoretisch könnte die Geschichte irgendwann im Winter spielen, Weihnachten ist zu wenig präsent. Auf die Schnelle finde ich da gerade keine Lösung, aber ich werde mir entsprechende Gedanken machen, klar.

Unter der alten Eiche neben dem Haus lag das Grab der Mutter, seit dem Frühling hatte es dort gelegen,
Das hat mich auch beim zweiten Mal lesen stutzig gemacht, dass dieser Frülingssatz so hintendran hängt. Wie wäre es mit: Unter der alten Eiche neben dem Haus lag seit dem Frühling das Grab der Mutter.
Das verstehe ich, aber ich finde den Rhythmus, wenn ich den Satz laut lese, sehr rund, gerade im Zusammenspiel mit dem nachfolgenden Teil des Satzes. Aber vielleicht gilt das auch nur für mich. Für den Moment werde ich das wohl noch so belassen …

«Herrje!», sagte der alte Weidmann, «wenn deine liebe Mutter sehen könnte, was du da treibst.»
Der ist aber seltsam drauf, dass er kritisiert, dass Gian raucht. Da hätte ich irgendwie noch gern mehr von seiner Einstellung erfahren. Das Rauchen, ist das ein Signal für Faulheit? Für Müßiggang? Weshalb stellt er sich so dagegen? Übrigens wunderbar eingefangen die Situation überhaupt. Es fehlt Geld und die Rangfolge, erst der Vater, dann der Sohn bleibt gewahrt. Gian raucht die abgelegten Stummel des Vaters. Toll indirekt sozusagen beschrieben.
Hiermit wollte ich andeuten, dass Gian noch ziemlich jung ist (ganz besonders für Stumpen/Zigarren). Und es sollte auch ein bisschen die "Enge" des Dorflebens aufgezeigt werden, wenn der Postbote eben nicht eifach irgendwer ist, sondern eine "feste Größe", die die Leute des Dorfes kennt und – in Anbetracht des Zeitgeistes – auch angesehener war als heute.

Dann machte er kehrt, warf immer wieder die knochigen Hände in die Luft und verschwand mit schlurfenden Schritten hinter der alten Eiche.
Das mit dem Hände in die Luft werfen, das kann ich mir leider nicht so richtig vorstellen. Da entsteht bei mir kein Bild.
Hmm, mir ist das Bild des "Hände-in-die-Luft-Werfens" geläufig, aber vielleicht ist das ein Schweizer Ding, da muss ich mal recherchieren.

. Gian wendete das Couvert und las die Absenderadresse auf der Lasche.
Nur hier ganz kurz erwähnt: in der deutschen Sprache würde es ja Kuvert heißen, aber ich glaube, es ist eh beides möglich und von daher ist dies keine Kritik, sondern nur die Frage, ob es wirklich so korrekt verwendet wird.
Ich habe mich für Couvert entschieden, um die Geschichte stärker in der Schweiz zu verorten, denn hier verwenden wir die "ursprüngliche" Schreibweise aus dem Französischen.

über den Kerzen eines Adventskranzes; sie hatte ihn als Kind in der Schule gebastelt.
Dieses Basteln in der Schule als Kind hat mich irritiert, weil Alina ist ja schon erwachsen, hier dachte ich am Anfang, sie ist ein Kind. Und dann ist da noch etwas, was mich irritiert hatte. Bei uns ist ein Adventskranz fast immer aus Tanne. Der wäre, wenn sie ihn als Kind schon gebastelt hätte, schön längst nicht mehr vorhanden. Da fehlt entweder also noch ein bisschen Info über den Kranz oder diesen Halbsatz vielleicht ganz streichen?
Da habe ich ehrlich gesagt gar nie drüber nachgedacht 😄 Ein guter Hinweis, vielen Dank! Und in den Sechziger Jahren haben die Kinder bestimmt noch keine Adventskränze aus Plastiknadeln gebastelt. Vielleicht fällt mir da noch etwas ein, und ansonsten kommt dieser Teil dann einfach weg.

Unter ihren Augen lagen Furchen, die tief waren wie Spalten im Gletschereis.
Nee, dieser Vergleich geht für mich nicht.
Ist auch sehr drüber und somit gestrichen.

Wie ein räudiger Hund, der seinen Fressnapf umgeworfen hat,
Auch dieser Vergleich funktioniert leider nicht. Überhaupt wie sieht ein räudiger Hund aus? Wie er den Napf umwirft, ja das kann ich mir vorstellen, aber nicht das Räudige.
Dieser Vergleich wurde ebenfalls gekillt.

Es war, als wäre die Hoffnung zu Alina zurückgekehrt wie ein Wolfswelpe, der vom Rudel abkommt und wieder zum Lager findet.
Auch hier finde ich den Vergleich viel zu sehr neben der Spur. Es ist zwar ein wirklich schönes und eingängiges Bild, aber hier passt es haarscharf nicht.
Ich habe jeweils versucht, Vergleiche zu verwenden, die zur Umgebung bzw. zum Setting passen, aber ja, auch der ist drüber und darum habe ich ihn ersatzlos gestrichen.

Die Wolken hatten die Farbe von beschlagenem Blech.
Wie sieht beschlagenes Blech aus? Ich kann leider auch mit diesem Vergleich nichts in meiner Vorstellung aktivieren.
In meiner Vorstellung wäre das eine etwas mattere, nicht mehr glänzende Metallfarbe, also sprich Grau. Ich verstehe aber, dass das ein Stolperstein sein kann, und überlege mir mal, wie ich das passender ausdrücken könnte.

Wie ein Karussell drehte er sie,
Auch hier würde mir reichen, wenn er die Kerze in seiner Hand dreht, aber wie es aussieht, wenn er sie wie ein Karussell dreht, kann ich mir nicht vorstellen.
Da hast du völlig recht, es wäre ja auch rein anatomisch gar nicht möglich 😄 Ist gestrichen.

Ruhig wie ein Adler, der über den Gipfeln seine Kreise zieht, bohrte er die Grabkerze in den Erdhaufen auf der Heckscheibe.
Auch hier passt für mein Gefühl das Ruhige nicht zum Bohren, ich ahne, was du aussagen willst. Der Adler, der ruhig am Himmel schwebt und lauert und dann plötzlich hinabstößt.
So, wie du es beschrieben hast, kommt es aber bei mir nicht als Bild an.
Der Vergleich sollte sich eigentlich auf das Ruhig beziehen, nicht auf das Bohren selbst. Aber so oder so braucht es diesen Vergleich nicht, auch der ist ersatzlos aus dem Text verschwunden.

Ich habe deine Geschichte gern gelesen und mich an der verdichteten Atmosphäre, die du erschaffen hast, sehr erfreut. Tragische Figuren in einer bergigen Landschaft im Winter. Passt alles gut zusammen.
Hab vielen Dank, liebe @lakita, ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut und sehr viel daraus mitgenommen (und gleichzeitig Text weggenommen 😄).

Grüße
sevas



Hallo @Katta,

und vielen lieben Dank, dass du dich mit dem Text beschäftigt und mir einen Kommentar dagelassen hast. Der Gegenbesuch steht noch an und ich bin schon gespannt auf deine Geschichte!

ein sehr atmosphärischer Text, den ich gerne gelesen hab, einfach weil ich dem Rhythmus deiner Sprache sehr gerne gefolgt bin. Wie meine Vorkommentator:innen, in deren Komms ich reingeschnuppert hab, waren es mir ein paar Vergleiche zu viel. Grundsätzlich mag ich Vergleiche, aber zum einen müssen die wirklich sitzen und zum Zweiten macht da, wie so oft, die Dosis das Gift. Auch Adjektive könnten sicherlich noch ausgedünnt werden, die sind mir aber weniger quergeschlagen als einige der Vergleiche.
Da hast du absolut recht, und wie in den Antworten zuvor bereits erwähnt, habe ich bereits erste Vergleiche gestrichen, denn gesessen habe viele davon tatsächlich nicht. Auch bei den Adjektiven habe ich eine erste Streichrunde schon durch und werde schauen, ob da noch weitere wegkönnen. Vielen Dank für den Hinweis!

Ich fand @Henry K. s Vorschlag gut, die wörtliche Rede zumindest ansatzweise in Mundart zu setzen, vielleicht einfach einige Wörter oder so. Ich finde durch das, ja? von Gian geht das für mich schon in die Richtung, für mich gibt das seiner wörtlichen Rede einen Klang oder Rhythmus, den ich hier in Norddeutschland (wo ich herkomme) nicht finden würde, für mich war das so was wie das schwäbische "gell?" Aber vielleicht hat das tatsächlich auch gar nichts mit der Region zu tun, sondern nur mit der Figur?
Mundart stelle ich mir hier sehr schwierig vor, denn die Geschichte spielt ja in der Schweiz. Wie in den Antworten an @Henry K. und @lakita bereits angetönt, habe ich jedoch versucht, mit einigen schweizerisch geprägten Begriffen zu arbeiten. Ich werde mir überlegen, ob da allenfalls noch mehr geht, gerade in der direkten Rede. Das ja? der Hauptfigur übernimmt zweierlei Aufgaben: Verdeutlichung der Unsicherheit des Protas und – wenn der Kontext gegeben ist – als Art Befehlston.

Der Brief ist ja eine Art McGuffin und ich finde die Geschichte auch vom Tempo darum herum gut komponiert.
Den Begriff kannte ich noch gar nicht 😄 Der Wikipedia-Artikel dazu ist aber sehr aufschlussreich, und ja, der Brief gehört natürlich in diese Kategorie. Wobei, der Inhalt des Briefs ist ja doch von gewisser Relevanz, vielleicht also ein halber MacGuffin? 😉

Er gibt den Brief der Schwester, ich glaube, weil er hofft, dass sie das "richtige" tut, aber sie sieht nur die Möglichkeit zur Flucht, vermute ich. Er spielt ihr vor nicht zu wissen, aber als er sieht, sie wird nicht zögern ihn mit dem kranken Vater zurückzulassen, muss er ihr sagen, dass er weiß, was drin steht. Vielleicht in der Hoffnung, dass sie so dermaßen "erwischt", vor Scham und Schuld doch bleibt. Doch sie ist entschlossen, ihn und den Vater zurückzulassen. Und wer kenn es ihr verdenken? Und doch, einfach so verschwinden ist halt auch nicht die feine englische Art.
Das ist genau die Lesart, wie ich sie selbst im Kopf hatte. Er versucht quasi, das Unvermeidliche hinauszuzögern, und er hofft, dass die Schwester doch noch einlenkt und sich für ihn und die Familie entscheidet. Er gibt ihr so gesehen immer wieder "Chancen" dazu, das für sein Empfinden Richtige zu tun. Oder er will es schlicht und einfach nicht wahrhaben …

Was es mit der Grabkerze auf sich hat, habe ich nicht so ganz verstanden, meine Gedanken gingen in Richtung: Wenn du fährst, bist du für mich tot. Aber sie kann ja gar nicht fahren, er hat ja die Zündkerzen rausgenommen. Ich mochte aber das Bild, als er die Scheibe mit Erde beschmiert, das wirkt so krass irrational, auch wenn ich das nur so halb versteh, konnte ich das emotional irgenwie mitgehen. Bei der Grabkerze ging mir das nicht so.
In meiner Vorstellung habe ich es mir in etwa so gedacht: Das Abziehen der Zündkerzenstecker ist ein weiterer verzweifelter Versuch, die Schwester am Gehen zu hindern. Alina hat sich aber bereits entschieden, und früher oder später wird Alina die Flucht auch gelingen, das weiß Gian. Da Alina sich gegen ihn und für Dario entschieden hat, stirbt sie jedoch für Gian, und die Szene mit dem Auto, der Erde und der Grabkerze stellt die Bestattung dar. Alina ist im Auto (Sarg) und darauf packt Gian dann die Erde und die Grabkerze.

Und dann mochte ich, dass der Vater rauskommt und sagt: Schluss. Ich finde, da scheint so die Vergangenheit durch, die Geschwister kabbeln sich, der Vater macht der Sache ein Ende, wie früher. Es wirkt auch, als wäre der Vater in dieser Situation klar und ich finde das auf eine gute Art deutungsoffen.
Genau, das "Schluss!" des Vaters kann ja – in meiner Vorstellung – auf mehrere Weisen gedeutet werden: Schluss zum Streit, Schluss zum Familienleben, Schluss zur Vergangenheit überhaupt (denn er schlägt ja auch das Reklameschild seiner Firma von der Wand), Schluss zur Unterdrückung der Tochter durch den Sohn … Das wollte ich aber explizit offen lassen.

PS Das Challenge Thema finde ich nicht wirklich erfüllt. Der Bezug ist: Morgen ist Heiligabend - ich musste aber noch mal zurückgehen, um das herauszufinden, weil es in deiner Geschichte - für mich - so unwichtig war, dass ich diese Info glatt überlesen hatte. Aber sei's drum, gerne gelesen hab ich sie allemal.
Ja, wie in meiner Antwort an @lakita bereits erwähnt, würde der Text theoretisch bzw. mit wenigen Anpassungen auch ohne Weihnachten auskommen, das stimmt. Ich weiß aber nicht, ob ich da auf die Schnelle noch mehr Weihnachten reinbringen kann …

Vielen Dank @Katta für deine Gedanken und Inputs zum Text! Ich freue mich schon auf den Gegenbesuch und wünsche dir einen super Abend/Tag.

Grüße
sevas

 

Noch schnell zu nächtlicher Stunde @sevas,

das freut mich sehr, dass du mit meinem Feedback etwas anfangen konntest.

Das (schon fast penetrant verwendete) ja? der Hauptfigur habe ich vor allem deshalb gewählt, weil ich deren tiefe Unsicherheit unterstreichen wollte, es gleichzeitig aber auch einen Befehlston haben kann, je nach Kontext. Ich freue mich, dass das anscheinend geklappt hat und deine Rückmeldung (zusammen mit den anderen Kommentaren, natürlich) gibt mir den nötigen Aufschwung, mich an weitere Texte zu wagen. Danke!
Stimmt, du verwendest es für ganz verschiedene Situationen und Gefühle und genau das fasziniert mich aber daran auch so sehr. Es passt immer, man liest das "ja" so wie es gedacht ist. Ich lerne daraus viel.
Ja, die Sache mit den Vergleichen habe ich mittlerweile eingesehen und bereits einige davon aus dem Text entfernt. Das Feedback hierzu ist ja mehr als eindeutig.
Aber diese Vergleiche sind auch wiederum eine Art besonderer Stil in genau dieser Geschichte und ich habe sie gern gelesen. Es geht nur darum, treffendere zu finden. Wenn ich da von mir auf andere schließe, dann weiß ich, dass man solche Vergleiche nicht auf Bestellung ersinnen kann, die fliegen einem zu und an einem Tag ist diese Tür irgendwie zu , an einem anderen ist sie wieder auf.
Auch @Katta hat das in ihrem Kommentar erwähnt, und es stimmt schon, theoretisch könnte die Geschichte irgendwann im Winter spielen, Weihnachten ist zu wenig präsent. Auf die Schnelle finde ich da gerade keine Lösung, aber ich werde mir entsprechende Gedanken machen, klar.
Wie wäre es, wenn Gian als quasi kleine Versöhnungsszene einen Tannenbaum schlägt und ihn ins Haus trägt und Alina natürlich nach wie vor verärgert ist auf ihn und zeigt, dass sie sich gar nicht drüber freut. Wenn du es besonders gefühlig machen willst, könnte sie am Ende der Geschichte diesen Baum etwas schmücken, halt ganz einfache Teile natürlich, aus der Gegend und selbstgemachte, wie Strohsterne und man sieht dann als Leser, dass sie sich mit ihm und der Situation versöhnt hat. Aber während ich grad das hier schreibe, denke ich, es ist doch ein zu süssliches Ende. Ok, habe jetzt einfach nur in Kladde quasi geschrieben.
Das verstehe ich, aber ich finde den Rhythmus, wenn ich den Satz laut lese, sehr rund, gerade im Zusammenspiel mit dem nachfolgenden Teil des Satzes. Aber vielleicht gilt das auch nur für mich. Für den Moment werde ich das wohl noch so belassen …
Ja, und ich versteh den Rhythmus ja, den hab ich auch gehört und trotzdem löste diese Anordnung bei mir eine leichte Irritation aus. Belass den Satz unbedingt noch so, es ist ja eine Abwägung.
Hiermit wollte ich andeuten, dass Gian noch ziemlich jung ist (ganz besonders für Stumpen/Zigarren). Und es sollte auch ein bisschen die "Enge" des Dorflebens aufgezeigt werden, wenn der Postbote eben nicht eifach irgendwer ist, sondern eine "feste Größe", die die Leute des Dorfes kennt und – in Anbetracht des Zeitgeistes – auch angesehener war als heute.
Ah, so hab ich ihn nicht gesehen, für mich ist er weit über 20.
Ich habe mich für Couvert entschieden, um die Geschichte stärker in der Schweiz zu verorten, denn hier verwenden wir die "ursprüngliche" Schreibweise aus dem Französischen.
Dachte ich mir schon. Alles gut.
Ich habe jeweils versucht, Vergleiche zu verwenden, die zur Umgebung bzw. zum Setting passen, aber ja, auch der ist drüber und darum habe ich ihn ersatzlos gestrichen.
Die Vergleiche müssen zur Umgebung und zum schlichten Leben passen, gar keine Frage und das ist dir auch immer gelungen, aber sie müssen zudem auch zum Kern der Situation passen. Ist nicht einfach Punktlandungen zu ersinnen. Aber dass du es kannst, hast du ja schon in dieser Geschichte bewiesen.
In meiner Vorstellung wäre das eine etwas mattere, nicht mehr glänzende Metallfarbe, also sprich Grau. Ich verstehe aber, dass das ein Stolperstein sein kann, und überlege mir mal, wie ich das passender ausdrücken könnte.
Verstehe, also so etwas wie aluminumgrau, dieses stumpfe fleckige.
Der Vergleich sollte sich eigentlich auf das Ruhig beziehen, nicht auf das Bohren selbst. Aber so oder so braucht es diesen Vergleich nicht, auch der ist ersatzlos aus dem Text verschwunden.
Oder du findest noch etwas, was idealer klingt.
ab vielen Dank, liebe @lakita, ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut und sehr viel daraus mitgenommen (und gleichzeitig Text weggenommen 😄).
Sehr gern geschehen.

Lieben Gruß


lakita

 

Hallo @lakita

Noch schnell zu nächtlicher Stunde @sevas,
… und vielen Dank für deinen Besuch zu so später Stunde (auch so eine Nachteule?).

Stimmt, du verwendest es für ganz verschiedene Situationen und Gefühle und genau das fasziniert mich aber daran auch so sehr. Es passt immer, man liest das "ja" so wie es gedacht ist. Ich lerne daraus viel.
Das Problem daran ist nur: Man kann den (genau gleichen) Trick in der eigenen Schreibe nur ein einziges Mal verwenden 😄 Oder erst nach längerer Zeit wieder, vielleicht.

Aber diese Vergleiche sind auch wiederum eine Art besonderer Stil in genau dieser Geschichte und ich habe sie gern gelesen. Es geht nur darum, treffendere zu finden. Wenn ich da von mir auf andere schließe, dann weiß ich, dass man solche Vergleiche nicht auf Bestellung ersinnen kann, die fliegen einem zu und an einem Tag ist diese Tür irgendwie zu , an einem anderen ist sie wieder auf.
Da hast du absolut recht, aber ich denke tatsächlich, dass der Text durch die Entschlackung profitiert hat und besser geworden ist. Gute Vergleiche zu schreiben ist echt schwierig, das nehme ich aus dem Ganzen ganz sicher mit.

Wie wäre es, wenn Gian als quasi kleine Versöhnungsszene einen Tannenbaum schlägt und ihn ins Haus trägt und Alina natürlich nach wie vor verärgert ist auf ihn und zeigt, dass sie sich gar nicht drüber freut. Wenn du es besonders gefühlig machen willst, könnte sie am Ende der Geschichte diesen Baum etwas schmücken, halt ganz einfache Teile natürlich, aus der Gegend und selbstgemachte, wie Strohsterne und man sieht dann als Leser, dass sie sich mit ihm und der Situation versöhnt hat. Aber während ich grad das hier schreibe, denke ich, es ist doch ein zu süssliches Ende. Ok, habe jetzt einfach nur in Kladde quasi geschrieben.
Ja, das wäre tatsächlich zu süßlich und würde auch nicht wirklich zu den Figuren passen, irgendwie. Ich denke, dass der Text so bleiben wird, jetzt im Nachhinein noch auf Teufel komm raus eine Weihnachtsgeschichte daraus zu machen … Das wäre wohl kontraproduktiv. Für mich wäre es auch überhaupt kein Problem, die Geschichte aus der Challenge zu nehmen und als alleinstehenden Text zu behandeln. Die Entscheidung überlasse ich aber den Mods.

Ah, so hab ich ihn nicht gesehen, für mich ist er weit über 20.
Ah, okay, das ist sehr interessant und gut zu wissen. Über den Gian verrate ich ja nicht allzu viel, lediglich die Bezeichnung "Junge" (vom Postboten) und der Hinweis auf die Berufsschule (von Alina) deuten auf sein Alter hin. Vielleicht kann ich da noch etwas machen …

Die Vergleiche müssen zur Umgebung und zum schlichten Leben passen, gar keine Frage und das ist dir auch immer gelungen, aber sie müssen zudem auch zum Kern der Situation passen. Ist nicht einfach Punktlandungen zu ersinnen. Aber dass du es kannst, hast du ja schon in dieser Geschichte bewiesen.
Ich danke dir für die aufbauenden Worte 🤗 Lesson learned, auf jeden Fall, und derzeit fühle ich mich tatsächlich wohler mit der Reduzierung.

Verstehe, also so etwas wie aluminumgrau, dieses stumpfe fleckige.
Ja genau, etwas in der Art. Gebürstetes Blech spukte auch lange in meinem Kopf herum, aber das impliziert dann wiederum Wolken mit viel Struktur, und ich wollte eigentlich viel mehr sagen, dass die Wolken eintönig und trostlos sind, wie eine Wand oder besser Decke, über der Szenerie hängen und erdrückend wirken.

Oder du findest noch etwas, was idealer klingt.
Falls mir noch etwas einfallen sollte, dann baue ich das allenfalls wieder ein, aber wie gesagt, ich fühl mich mit den Streichungen momentan absolut wohl.

Nochmals vielen herzlichen Dank, liebe @lakita, ich nehme wirklich viel aus unserem Austausch mit und wünsche dir einen ganz wunderbaren Restnachmittag.

Grüße
sevas

 

Unter der alten Eiche neben dem Haus lag das Grab der Mutter, seit dem Frühling hatte es dort gelegen, und Gian kam vom Dorf und stampfte über die dunkle Erde.

Hallo,

jedes Wort zählt, gerade in den ersten Absätzen. Dein Erzähler verwendet das Wort: stampfen. Stampfen tue ich meine Kartoffeln, oder? Stapfen, schreiten, marschieren? Vielleicht die bessere Wahl. Auch das Grab - das liegt ja nicht seit Frühling da, sondern die Mutter liegt IN dem Grab, oder? Das klingt irgendwie surreal unpersönlich, als ob es vorher irgendwoanders gelegen hätte oder aber die Mutter da noch nicht drin liegt.

An der Grabkerze zündete er den Stumpen an, den er tags zuvor aus dem Aschenbecher in der Werkstatt des Vaters gefischt hatte, und der Rauch stieg in dünnen Fäden nach oben und vermischte sich mit der Farbe des Himmels.
Vermischt sich wirklich der Zigarrettenrauch mit der Farbe des Himmels? Das klingt so schön poetisch, aber man darf das nicht zweimal lesen, oder? Der Rauch löst sich doch einfach auf. Das klingt schon recht geschwollen, eine sehr ausgestellte, konstruierte, gesuchte Sprache.
Er sah hoch und wünschte sich, dass der Schnee auch die Kirche, die Eiche, den Kadett und die dunkle Erde bedeckte.
Hier verrätst du schon alles. Egal, was genau passiert, das hier ist das Unbewusste deines Charakters, das du aber schon direkt im ersten Absatz hinschreibst. Damit wäre ich vorsichtig, denn es liegt eine gewisse Erwartbarkeit im restlichen Text.

«Herrje!», riss ihn eine Stimme aus den Gedanken. «Wann lässt du den Mist endlich sein, Junge?»
Es ist ein Waidmann. Das Waidwerk, etc. Waidmanns Heil! Neiiin! Er heißt Weidmann und ist Pöstler - my bad. Ich las wie: der Waidmann. Ist etwas verwirrend. Aber sagt er das so? Sagt er nicht eher: Lass doch den Scheiß sein, Jung? Er ist ja der Ältere, er weiß um die Schäden des Rauchens, das Alter bzw die Diskrepanz im Wissen, das müsste innerhalb des Dialogs nachvollziehbar sein.
«Herrje!», sagte der alte Weidmann, «wenn deine liebe Mutter sehen könnte, was du da treibst.»
Hier auch: Holzhammer. Zu schnell, zu viel. Die Atmo müsste untergründiger sein, es muss klar werden, Mutter, Konflikt, aber eben nicht ausgesprochen.

Er sah hoch zum alten Weidmann, der sich mit den Fingern durch den Bart strich, und die Finger waren knochig und blass und wirkten zerbrechlich wie Glas; der Bart des alten Mannes aber hing wuchtig und weiß über dem Gesicht wie frischer Schnee über der Dachkante einer Berghütte.
Zerbrechlich wie Glas. Wie wirken denn Finger, die aussehen wie zerbrechliches Glas? Das sind so Bilder, da wäre ich vorsichtig. Und das mit dem Bart: schon auch eine Wiederholung des Motivs, es wirkt auch sehr ausgestellt, hier, bitte, jetzt Achtung: wir sind hier weit ab vom Schuß, ländlich, urwüchsig, so sehen die aus, die Naturburschen.
Gian sagte: «Herrgott, Alina!», und dann: «Jeden Abend schuftest du bis spät im Wirtshaus, und für was? Um an Heiligabend Gemüsesuppe und Brot zu essen, ja?» Er schnaubte und sagte: «Und mir gefällt’s auch nicht, wie dich der Ammann begafft, wenn du ihm das Bier und das Fleisch an den Tisch bringst. Sicher ist’s von ihm, das Gemüse, ja?»
Dialog sehr erklärend. "Ist das Gemüse vom Amman?" - so in diese Richtung, kürzer, mehr mit Andeutung, vager, und sie guckt dann so betreten zu Boden, und der Leser weiß: Aha! Nicht alles erklären, dem Leser mehr vertrauen.

Zuende gelesen. Ist gut. Ich kriege allerdings wenig Gefühl für das Dorf, bzw die Situation. Warum, wieso, weshalb? Ausweglosigkeit und Tristesse ja, aber ich begreife den status uo nicht. Das macht den Text leer, da ist eine Leerstelle, die ich nicht erfassen kann, die ich nicht glaube. Das muss nicht viel sein, ein paar Sätze, eine Anmerkung, vielleicht habe ich es auch überlesen, aber dann war es für mich nicht deutlich genug.

Meine 5 Cents.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman,

und hab vielen Dank für deinen Kommentar und deine Zeit. Ich habe deine Geschichte schon einige Zeit auf dem Radar und komme baldmöglichst zum Gegenbesuch vorbei.

jedes Wort zählt, gerade in den ersten Absätzen. Dein Erzähler verwendet das Wort: stampfen. Stampfen tue ich meine Kartoffeln, oder? Stapfen, schreiten, marschieren? Vielleicht die bessere Wahl. Auch das Grab - das liegt ja nicht seit Frühling da, sondern die Mutter liegt IN dem Grab, oder? Das klingt irgendwie surreal unpersönlich, als ob es vorher irgendwoanders gelegen hätte oder aber die Mutter da noch nicht drin liegt.
Ich war mir da zuerst auch nicht sicher, nach einer kurzen Recherche habe ich mich dann aber doch für stampfen entschieden, siehe hier: https://www.dwds.de/wb/stampfen Aber du hast recht, stapfen ist besser, da dieses Wort besser zum weichen Untergrund passt. Wird geändert und ich danke dir für den Hinweis! Wegen des Grabes … Ich denke ich weiß, was du meinst, aber ich lese die Stelle derzeit noch ganz anders (wohl Betriebsblindheit). Ich lasse den Text jetzt ein paar Tage liegen und dann nehme ich mir diese Stelle nochmals vor, vielleicht sehe ich dann alles klarer.

Vermischt sich wirklich der Zigarrettenrauch mit der Farbe des Himmels? Das klingt so schön poetisch, aber man darf das nicht zweimal lesen, oder? Der Rauch löst sich doch einfach auf. Das klingt schon recht geschwollen, eine sehr ausgestellte, konstruierte, gesuchte Sprache.
Ich konnte/kann mir das schon gut vorstellen, wenn der Rauch und der Himmel die gleiche Farbe haben. Aber klar, vermischen tut sich da nichts, da hast du schon recht und ich werde mal schauen, wie ich das anders formulieren kann (oder ob ich's ganz streiche).

Hier verrätst du schon alles. Egal, was genau passiert, das hier ist das Unbewusste deines Charakters, das du aber schon direkt im ersten Absatz hinschreibst. Damit wäre ich vorsichtig, denn es liegt eine gewisse Erwartbarkeit im restlichen Text.
Puh, ein sehr guter Hinweis, dessen war ich mir überhaupt nicht bewusst. Es stimmt schon, damit verrate ich bereits zu früh zu viel, jetzt sehe ich das sehr klar und werde es anpassen. Danke dir!

Es ist ein Waidmann. Das Waidwerk, etc. Waidmanns Heil! Neiiin! Er heißt Weidmann und ist Pöstler - my bad. Ich las wie: der Waidmann. Ist etwas verwirrend. Aber sagt er das so? Sagt er nicht eher: Lass doch den Scheiß sein, Jung? Er ist ja der Ältere, er weiß um die Schäden des Rauchens, das Alter bzw die Diskrepanz im Wissen, das müsste innerhalb des Dialogs nachvollziehbar sein.
Weidmann ist in der Schweiz tatsächlich ein sehr verbreiteter Name, an den Waidmann bzw. den Jäger habe ich da gar nicht gedacht. Warum die Figur diesen Namen trägt und was ich mit ihr bezwecken wollte, schreibe ich im nächsten Abschnitt, da geht's ja nochmals um den alten Weidmann.

Zerbrechlich wie Glas. Wie wirken denn Finger, die aussehen wie zerbrechliches Glas? Das sind so Bilder, da wäre ich vorsichtig. Und das mit dem Bart: schon auch eine Wiederholung des Motivs, es wirkt auch sehr ausgestellt, hier, bitte, jetzt Achtung: wir sind hier weit ab vom Schuß, ländlich, urwüchsig, so sehen die aus, die Naturburschen.
Hier ging es mir nicht darum, die Dorfbewohner bzw. die Leute vom Land in ein schlechtes Licht zu rücken, so nach dem Motto: So sehen die Naturburschen vom Land eben aus. Gar nicht. Die Figur des Pöstlers sollte quasi den Weihnachtsmann verkörpern, darum der Name Weidmann, der Bart, die Mütze, die Tasche etc. Da der alte Weidmann aber schlechte Post ("Geschenke") bringt, wollte ich ihn entsprechend gegenteilig zeichnen, also nicht als fröhlichen alten Mann. Darum die eher negativen Merkmale. Und so kam's dann auch zu den Glasfingern, quasi als Gegenpol zum vitalen, kräftigen Weihnachtsmann.

Dialog sehr erklärend. "Ist das Gemüse vom Amman?" - so in diese Richtung, kürzer, mehr mit Andeutung, vager, und sie guckt dann so betreten zu Boden, und der Leser weiß: Aha! Nicht alles erklären, dem Leser mehr vertrauen.
Auch das ein sehr wertvoller Hinweis und es stimmt schon, gerade die beiden Sätze davor (jeden Abend bis spät im Wirtshaus ackern, das Begaffen durch den Ammann) sind sehr erklärend. War mir bis jetzt nicht klar, vielen Dank!

Zuende gelesen. Ist gut. Ich kriege allerdings wenig Gefühl für das Dorf, bzw die Situation. Warum, wieso, weshalb? Ausweglosigkeit und Tristesse ja, aber ich begreife den status uo nicht. Das macht den Text leer, da ist eine Leerstelle, die ich nicht erfassen kann, die ich nicht glaube. Das muss nicht viel sein, ein paar Sätze, eine Anmerkung, vielleicht habe ich es auch überlesen, aber dann war es für mich nicht deutlich genug.
Hier verstehe ich dich noch nicht so ganz. Klar, das Dorf bleibt sehr im Hintergrund, das verstehe ich, aber das mit dem Status Quo erschließt sich mir noch nicht bzw. wüsste ich gerade nicht, was ich da noch hinzufügen sollte oder was ich noch stärker in den Vordergrund rücken könnte. Ich werde da mal in Ruhe darüber nachdenken und den Text wie gesagt ein paar Tage liegen lassen, vielleicht fällt es mir dann direkt selbst auf.

Nochmals ein dickes Dankeschön an dich, lieber Jimmy, ich nehme viel aus dem Kommentar mit und gerade der Hinweis von wegen "dem Leser mehr vertrauen" war besonders wertvoll für mich.

Ich wünsche dir einen wunderbaren Restnachmittag.

Grüße
sevas

 

Hey ho @sevas

... nach längerer Abwesenheit vom Forum – den gleichnamigen Account/Nick habe ich damals löschen lassen – und vom KG-Schreiben generell, hat es mich beim Lesen eurer Challenge-Beiträge wieder gepackt.
Ja, großartig! Herzlich Willkommen zurück! Hoffe, Du fühlst dich weihnachtlich wohl in der Challengeecke und hast es nicht bereut. Aber, ich glaub, war gut so, denn der Text zeigt ja, was da lange in dir geschlummert hat und endlich raus wollte :D Ich mag die Geschichte richtig gern.

... und setzte sich auf den Kiesplatz vor der Veranda; mit dem Rücken lehnte er sich gegen den Opel Kadett des Vaters.
kaaaaaaallllt! Das ist sooo kalt auf dem Boden.

Gian sagte: «Du holst dir noch den Tod, ja?»
Sagt ja der Richtige :)

Alina sagte: «Und die Berufsschule?»
Okay, ich sag ganz ehrlich, ich krieg die Geschichte zeitlich nicht verortet. Mag an mir liegen, die Hinweise nicht deuten zu können - aber wo sind wir? In den 50zigern? 60zigern? gefühlt bin ich aufgrund der krassen Armut irgendwo in den 30zigern, aber das psst vorn und hinten nicht.

«Oh!», sagte Alina. Wie ein Lausbub, der dem Mitschüler ein verbotenes Wort ins Ohr flüstert, hob sie die Hände vor den Mund. Sie sagte: «Ob ihm wohl warm ist?»
Zu den vielen Bildern wurde schon einiges gesagt. Und ich finde, dieses "Oh!" steht hier ganz prima für sich, zumal der Lausbub in der Schule jetzt auch nicht wirklich ins Setting passt. Ich bin an vielen Stellen drüber gestolpert, du scheinst das sehr zu mögen, aber ehrlich, manchmal ist weniger mehr.

«Herrgott, Alina!», sagte Gian. Er fuhr vom Tisch hoch, stampfte hinüber zur Feuerstelle und packte die übrigen Holzscheite auf den Arm.
Der wirkt auch so erwachsen, der Junge. So extrem reif für sein Alter.

«Bub», stammelte er, und dann: «Teufel noch eins!» Seine Lippen klebten aneinander und der halb eingetrocknete Speichel zog weiße Fäden, wenn er sprach. «Weiß denn die Mutter, dass du hier bist, Bub?»
Beim Vater weiß ich auch nicht, ob der jetzt eine beginnende Demenz oder Alzheimer hat, oder ob der Tod seiner Frau ihn völlig aus dem Leben geworfen hat.

Gian sagte: «Dann ist der Brief sicher aus Zürich, ja?»
Alina drehte das Couvert um. «Ja», sagte sie, «von Tante Ladina und Onkel Curdin ist er. Bestimmt schicken sie uns Grüße zum Fest.»
Ich sag es mal mit Alinas Worten: Oh! Schöner Twist!

Er sagte: «Lies doch mal vor, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Jetzt gleich?»
Er ist schon ein Fuchs, der Jung ;).

«Oh!», sagte Alina, und dann: «Nein! Der Onkel Curdin liegt wohl im Spital.»
Aber sie weiß sich auch zu helfen.

«Wirst du mich gleich zum Bahnhof fahren?», sagte sie.
Und sie will weg! Sie will da ganz schnell raus! Ob aus Liebe oder wegen der Umstände, da bin ich mir bis zum Ende hin unsicher.

Gian sagte: «Ich kann dich begleiten, ja? Wir fahren zusammen da hin.»
:)

«Man muss doch schauen, dass ihm warm ist und dass er zu essen hat.»
Und wer soll es bezahlen? Woher das Geld nehmen, wenn seine Ausbildung ihr doch wichtig ist?

Reglos wie ein Findling, den der Gletscher auf einer Hochebene zurücklässt, saß er dort.
Die Bilder hauen mich echt raus.

Dann klappte Gian die Motorhaube des Kadetts hoch, zog die Zündkerzenstecker ab und ließ die Motorhaube mit einem metallischen Knall zurück ins Schloss fallen.
Schlau, schlau. Immer wieder. Ich mag ihn. Er will die Familie zusammenhalten und ganz ehrlich, ich habe ihn mein Herz geschlossen. Oder tut er das, weil er es Alina nicht gönnt? Möchte ich fast nicht glauben.

Gian drehte sich von Alina weg. Er stützte die Arme auf der Kommode ab und sein Blick blieb auf dem gerahmten Foto hängen, das auf der Kommode stand und das sie alle zusammen vor einem schwer beladenen Weihnachtsbaum zeigte.
Ja, und so wird Weihnachten nie wieder sein. Für mich eine gelungene Challengeschichte.

«Alina», sagte er, «ich weiß, dass du nicht zu Tante Ladina fährst, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Was meinst du?»
Dieses «Oh!» immer. Großartig!

«Wir brauchen ihn nicht!», sagte Gian. «Du brauchst ihn nicht, ja?»
So wie er über ihn denkt, eher keine Liebe, sondern eine rettende Insel für die Schwester.
Ach Mensch. Erst die Mutter, der Vater im Niemalsland, als letzte die Schwester. Alle gehen sie fort von ihm und er ist doch erst viel zu jung für das ganze Elend da. Das kann er gar nicht allein stemmen. Mein Herz schon wieder. So groß, dass Gian da komplett reinpasst. Ich sag dir.

«Schluss!», sagte der Vater.
Ein lichter Moment?

Dann rannte der Vater los. Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft ...
und dann? Was tut er dann? Will er dass die beiden aufhören zu streiten? Will auch er verhindern, dass Alina fährt? Ist der gar nicht klar, sondern in irgendeinem Film? Ich weiß nicht, was ich mit diesem Bild anfangen soll. Er muss doch irgendwo hinrennen mit seinem Stock? Wenn Du es gern offen lassen möchtest, dann reicht doch, dass er erscheint und Schluss! brüllt. Wen und was er auch immer damit meint, aber so im Bild abzubrechen ... wenn ich mir das als Film vorstelle, ist es komplett schräg, dass die Kamera in diesem Moment Richtung Himmerl schwenkt.

Schöne Geschichte, auch wenn ich hier und da so Fragen hatte. Egal. Traurig das. Sehr, sehr traurig. Aber auch schön!

Ich wünsche Dir eine zauberhafte Weihnacht mit Gemüse und Brot und noch ganz viel mehr dazu!
Liebe Grüße, Fliege

 

Hallo @sevas

Eine gut geschriebene Momentaufnahme mit langer Belichtungszeit der Lebensumstände dreier Menschen. Der Tod der Mutter hat sie in einer katastrophalen Situation zurückgelassen.

Die unfassbare Armut, der demente Vater, als Alina daraus ausbrechen will, wer wollte ihr das verdenken außer Gian? Die Ereignisse eskalieren. Die Verzweiflung Gians kommt eindrucksvoll durch seine Handlungen zum Ausdruck.

Das Bild der Grabkerze auf der Heckscheibe ist eindrücklich aber für mich schon einen Tick zu symbolträchtig. Die Erde hätte es auch getan. Mit dem Schluss habe ich ohnehin ein Problem, weil ich mir ganz prosaische Fragen stelle. Warum steigt Alina nicht aus und stellt Gian zur Rede? Hat Gian sie eingeschlossen? So kommt es mir jedenfalls vor. Das wäre aber technisch kaum möglich. Und was ist ein Strahlstock?

Hier noch Kleinigkeiten:

Schon wollte er umkehren, doch dann zog ihn etwas zu sich hinab,
zu ihr hinab
Er kniete vor dem Grab der Mutter und wie ein Zaunpfahl, der in den Boden getrieben wird, rammte Gian plötzlich eine Hand in die dunkle Erde.
wie einen Zaunpfahl
Dann stand er auf und preschte mit stechenden Schritten zurück zum Kadett.
Im Stechschritt kann man leider nur noch paradieren.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Fliege,

und vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe!

... nach längerer Abwesenheit vom Forum – den gleichnamigen Account/Nick habe ich damals löschen lassen – und vom KG-Schreiben generell, hat es mich beim Lesen eurer Challenge-Beiträge wieder gepackt.
Ja, großartig! Herzlich Willkommen zurück! Hoffe, Du fühlst dich weihnachtlich wohl in der Challengeecke und hast es nicht bereut. Aber, ich glaub, war gut so, denn der Text zeigt ja, was da lange in dir geschlummert hat und endlich raus wollte :D Ich mag die Geschichte richtig gern.
Vielen lieben Dank! Ja, die Rückkehr fühlt sich ganz wunderbar an und ich bin echt froh darüber. Ihr macht's einem aber auch ziemlich leicht 😉 Und ich freue mich natürlich sehr darüber, dass du die Geschichte magst.

... und setzte sich auf den Kiesplatz vor der Veranda; mit dem Rücken lehnte er sich gegen den Opel Kadett des Vaters.
kaaaaaaallllt! Das ist sooo kalt auf dem Boden.
Noch liegt ja kein Schnee, und auf dem Kies ist es bestimmt ein bisschen weniger kalt, das hält er bestimmt aus 😉

Gian sagte: «Du holst dir noch den Tod, ja?»
Sagt ja der Richtige :)
Vor allem wenn er wüsste, wie kalt ihm noch werden wird …

Alina sagte: «Und die Berufsschule?»
Okay, ich sag ganz ehrlich, ich krieg die Geschichte zeitlich nicht verortet. Mag an mir liegen, die Hinweise nicht deuten zu können - aber wo sind wir? In den 50zigern? 60zigern? gefühlt bin ich aufgrund der krassen Armut irgendwo in den 30zigern, aber das psst vorn und hinten nicht.
Die Geschichte spielt im Jahr 1964 (in Darios Brief steht ganz oben ein Datum). Genau, die 30er-Jahre wären zu früh gewesen (Auto etc.), aber ja, auch in den 60er-Jahren gab's in den Bergregionen durchaus noch entsprechende Zustände. Wobei die Armut der Familie ja nicht immer präsent war, die kam dann erst mit dem Tod der Mutter bzw. mit dem Untergang des Vaters und dessen Geschäft.

«Oh!», sagte Alina. Wie ein Lausbub, der dem Mitschüler ein verbotenes Wort ins Ohr flüstert, hob sie die Hände vor den Mund. Sie sagte: «Ob ihm wohl warm ist?»
Zu den vielen Bildern wurde schon einiges gesagt. Und ich finde, dieses "Oh!" steht hier ganz prima für sich, zumal der Lausbub in der Schule jetzt auch nicht wirklich ins Setting passt. Ich bin an vielen Stellen drüber gestolpert, du scheinst das sehr zu mögen, aber ehrlich, manchmal ist weniger mehr.
Ja, ich mag die Bilder, vor allem diejenigen, die die ländliche Umgebung einfangen. Ich werde in den kommenden Tagen mal eine Version ganz ohne Vergleiche erstellen und schauen, wie diese auf mich wirkt.

«Herrgott, Alina!», sagte Gian. Er fuhr vom Tisch hoch, stampfte hinüber zur Feuerstelle und packte die übrigen Holzscheite auf den Arm.
Der wirkt auch so erwachsen, der Junge. So extrem reif für sein Alter.
In meiner Vorstellung ist Gian so siebzehn, achtzehn Jahre alt. Er steckt noch in der Ausbildung, darum auch die Erwähnung der Berufsschule, und daraus ergibt sich ja auch ein Stück weit seine finanzielle Ohnmacht (er will helfen, kann das aber nicht so, wie er gern möchte).

«Bub», stammelte er, und dann: «Teufel noch eins!» Seine Lippen klebten aneinander und der halb eingetrocknete Speichel zog weiße Fäden, wenn er sprach. «Weiß denn die Mutter, dass du hier bist, Bub?»
Beim Vater weiß ich auch nicht, ob der jetzt eine beginnende Demenz oder Alzheimer hat, oder ob der Tod seiner Frau ihn völlig aus dem Leben geworfen hat.
In meiner Vorstellung und somit auch meiner Lesart, ist es Letzteres.

Er sagte: «Lies doch mal vor, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Jetzt gleich?»
Er ist schon ein Fuchs, der Jung ;).
Hehe, ja, wie gesagt, ich habe ihn mir plus/minus siebzehn, achtzehn Jahre alt vorgestellt, da dürfte schon eine gewisse Gewieftheit vorhanden sein.

«Oh!», sagte Alina, und dann: «Nein! Der Onkel Curdin liegt wohl im Spital.»
Aber sie weiß sich auch zu helfen.
Ich denke sie legte sich bereits einige Ausreden zurecht, nachdem sie den ursprünglichen Brief an Dario abgeschickt hatte, aber ja, mir gefiel es, dass sie auch so schnell umschaltet und eine Lösung findet.

«Wirst du mich gleich zum Bahnhof fahren?», sagte sie.
Und sie will weg! Sie will da ganz schnell raus! Ob aus Liebe oder wegen der Umstände, da bin ich mir bis zum Ende hin unsicher.
Es dürfte eine Mischung aus beidem sein … So habe ich es mir zumindest vorgestellt.

«Man muss doch schauen, dass ihm warm ist und dass er zu essen hat.»
Und wer soll es bezahlen? Woher das Geld nehmen, wenn seine Ausbildung ihr doch wichtig ist?
Ich denke da ist sie jetzt schon einen Schritt weiter, sie will einfach nur weg …

Reglos wie ein Findling, den der Gletscher auf einer Hochebene zurücklässt, saß er dort.
Die Bilder hauen mich echt raus.
Oh je 🙈 Wie gesagt, ich versuch's die Tage mal mit einer abgespeckten Version …

Dann klappte Gian die Motorhaube des Kadetts hoch, zog die Zündkerzenstecker ab und ließ die Motorhaube mit einem metallischen Knall zurück ins Schloss fallen.
Schlau, schlau. Immer wieder. Ich mag ihn. Er will die Familie zusammenhalten und ganz ehrlich, ich habe ihn mein Herz geschlossen. Oder tut er das, weil er es Alina nicht gönnt? Möchte ich fast nicht glauben.
In meiner Vorstellung geht es ihm vor allem um das Zusammenhalten. Alina ist sein letzter Ankerpunkt. Eine Portion Missgunst kann da natürlich ebenfalls mitschwingen, wer könnte es ihm verübeln, aber wie gesagt, das Zusammenhalten ist hier im Vordergrund.

Gian drehte sich von Alina weg. Er stützte die Arme auf der Kommode ab und sein Blick blieb auf dem gerahmten Foto hängen, das auf der Kommode stand und das sie alle zusammen vor einem schwer beladenen Weihnachtsbaum zeigte.
Ja, und so wird Weihnachten nie wieder sein. Für mich eine gelungene Challengeschichte.
Ich sag's auch mal mit Alinas Worten: Oh! Das freut mich!

«Alina», sagte er, «ich weiß, dass du nicht zu Tante Ladina fährst, ja?»
«Oh!», sagte Alina. «Was meinst du?»
Dieses «Oh!» immer. Großartig!
Sehr schön, ich freue mich, dass das geklappt hat.

«Wir brauchen ihn nicht!», sagte Gian. «Du brauchst ihn nicht, ja?»
So wie er über ihn denkt, eher keine Liebe, sondern eine rettende Insel für die Schwester.
Ach Mensch. Erst die Mutter, der Vater im Niemalsland, als letzte die Schwester. Alle gehen sie fort von ihm und er ist doch erst viel zu jung für das ganze Elend da. Das kann er gar nicht allein stemmen. Mein Herz schon wieder. So groß, dass Gian da komplett reinpasst. Ich sag dir.
Ja, bestimmt sieht Gian in Dario vor allem eine Rettungsinsel, das sehe ich ebenfalls so. Darum dann auch die etwas gar unschöne Beleidigung (Hure) im nachfolgenden Abschnitt. Hätte er doch bloß jemandem um sich, der ein ähnlich großes Herz für ihn hat wie du …

«Schluss!», sagte der Vater.
Ein lichter Moment?
Genau. In meiner Vorstellung geht der Vater am Tod der Frau zugrunde, eine Demenz wollte ich nicht implizieren, obwohl man es natürlich durchaus so lesen kann.

Dann rannte der Vater los. Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft ...
und dann? Was tut er dann? Will er dass die beiden aufhören zu streiten? Will auch er verhindern, dass Alina fährt? Ist der gar nicht klar, sondern in irgendeinem Film? Ich weiß nicht, was ich mit diesem Bild anfangen soll. Er muss doch irgendwo hinrennen mit seinem Stock? Wenn Du es gern offen lassen möchtest, dann reicht doch, dass er erscheint und Schluss! brüllt. Wen und was er auch immer damit meint, aber so im Bild abzubrechen ... wenn ich mir das als Film vorstelle, ist es komplett schräg, dass die Kamera in diesem Moment Richtung Himmerl schwenkt.
Ich weiß, was du meinst … Aber ich finde das Ende dadurch eben noch einen Tick offener. Wenn er einfach nur «Schluss!» brüllt, dann können sich die Kinder entweder daran halten oder eben nicht. Aber durch das Losrennen des Vaters entstehen (zumindest bei mir) viele weitere Fragen und ich meine, dass das dann eher nachhallt … Aber das geht vielleicht nur mir so, und ich bin ja alles andere als objektiv. Der Schwenk zum Himmel am Schluss … Hmm, ja, im Film wäre das tatsächlich schräg, das stimmt schon. Ich wollte damit einfach einerseits das Schneethema erneut aufgreifen und andererseits mit den Bergen, die sie umschließen, nochmals ein Gefühl der Enge erzeugen, niemand kommt da weg, sie sind alle (vier) an diesem Platz, aber jeder für sich, nicht als Einheit und schon gar nicht mehr als Familie.

Schöne Geschichte, auch wenn ich hier und da so Fragen hatte. Egal. Traurig das. Sehr, sehr traurig. Aber auch schön!
Ich hoffe, dass ich dir zumindest einige der Fragen beantworten konnte, und ich freue mich wirklich sehr, dass die Geschichte dennoch funktioniert hat für dich.

Ich wünsche Dir eine zauberhafte Weihnacht mit Gemüse und Brot und noch ganz viel mehr dazu!
Tausend Dank, liebe @Fliege, für deine Zeit, deinen Kommentar und die lieben Wünsche zum Fest! Ich wünsche dir ebenfalls ganz wunderbare Tage im Kreise deiner Liebsten und ich drücke die Daumen, dass es auch mit dem Schnee klappen wird.

Grüße
sevas



Hallo @Sturek,

und hab vielen Dank für deinen Kommentar! Ich steige direkt ein:

Eine gut geschriebene Momentaufnahme mit langer Belichtungszeit der Lebensumstände dreier Menschen. Der Tod der Mutter hat sie in einer katastrophalen Situation zurückgelassen.
Die unfassbare Armut, der demente Vater, als Alina daraus ausbrechen will, wer wollte ihr das verdenken außer Gian? Die Ereignisse eskalieren. Die Verzweiflung Gians kommt eindrucksvoll durch seine Handlungen zum Ausdruck.
Danke, ich freue mich, dass die Geschichte für dich funktioniert hat. Es stimmt schon, der Text ist ziemlich lang geworden, und ich bin sehr froh, dass die Länge offenbar nicht störend wirkt.

Das Bild der Grabkerze auf der Heckscheibe ist eindrücklich aber für mich schon einen Tick zu symbolträchtig. Die Erde hätte es auch getan. Mit dem Schluss habe ich ohnehin ein Problem, weil ich mir ganz prosaische Fragen stelle. Warum steigt Alina nicht aus und stellt Gian zur Rede? Hat Gian sie eingeschlossen? So kommt es mir jedenfalls vor. Das wäre aber technisch kaum möglich. Und was ist ein Strahlstock?
Ich war nicht sicher, ob die Erde allein das gewünschte Resultat erzielt hätte, drum habe ich den Gian auch noch die Grabkerze draufpacken lassen. Ich finde, dass es dadurch auch zu einer Art Abschluss kommt. Was Alina im Auto betrifft, klar, sie hätte da auch einfach aussteigen können, aber in meiner Vorstellung ist da eben auch eine gewisse Ohnmacht vorhanden, wenn sie merkt, dass das Auto nicht anspringt und wohl manipuliert wurde, und bestimmt ist da dann auch ein wenig Angst dabei. Ein Einsperren im Auto seitens Gian wäre im wahrsten Sinne des Wortes zu sperrig geworden … Ein Strahlstock ist das Hauptwerkzeug eines Strahlers bzw. Mineraliensuchers aus Metall. Von der Form her ist es sehr ähnlich wie ein Brecheisen. In den Anmerkungen zum Text (blaues Info-Icon über dem Text) habe ich ein paar Begriffe etwas genauer erklärt, da diese teilweise schweizerisch geprägt sind.

Schon wollte er umkehren, doch dann zog ihn etwas zu sich hinab,
zu ihr hinab
Das wäre mir etwas zu direkt … Ich will offen lassen, was das etwas genau ist.

Er kniete vor dem Grab der Mutter und wie ein Zaunpfahl, der in den Boden getrieben wird, rammte Gian plötzlich eine Hand in die dunkle Erde.
wie einen Zaunpfahl
Ich bin ziemlich sicher, dass der Zaunpfahl hier im Nominativ stehen muss …

Dann stand er auf und preschte mit stechenden Schritten zurück zum Kadett.
Im Stechschritt kann man leider nur noch paradieren.
Da hast du völlig recht, ich werde die entsprechende Stelle anpassen, vielen Dank!

Ich bedanke mich erneut für deinen Kommentar und deine Zeit, liebe/r @Sturek, und ich werde zusehen, dass ich bald zum Gegenbesuch vorbeikommen kann.

Grüße
sevas

 

Salü @sevas

Truurig, aber sehr idrücklech, gfaut mer!

Am liebsten würd ich einfach @Flieges Kommentar zitieren. Ich mag die Geschichte und ihren Lokalkolorit, denn hatte ich mich erst einmal auf deinen Stil, die vielen unds und Wiederholungen, eingelassen, so geriet ich in einen Sog und war mitten drin in der Bündner Dorfchronik, in dem Gian, ein Junge die Hauptrolle spielt, dem alles genommen wird und der verzweifelt versucht, das bitzeli Rest an Heimat zu bewahren. Vater geschockt, Schwester in Aufbruchstimmung, Zukunft unsicher.

Ich mag solche Land- und Hofgeschichten, habe mich mit 'Fleischvögel und gebrannte Creme' ja selbst schon daran versucht. Allerdings, und da male ich das Schweizerkreuz weiss an, missfällt mir der all zu offenen Schluss. Auch ich wünschte mir ein "runderes" Ende, darf ja ruhig offen bleiben. Dazu weiter unten noch was.

Unter der alten Eiche neben dem Haus lag das Grab der Mutter, seit dem Frühling hatte es dort gelegen, und Gian kam vom Dorf und stapfte über die dunkle Erde.
Wurde schon erwähnt. Das Grab befand sich da, die Mutter liegt darin.
Und, Gian läuft über's Grab?

Er rotzte einen Batzen Schleim neben den Grabstein und setzte sich auf den Kiesplatz vor der Veranda;
Hat er wirklich so wenig Respekt vor der Mutter seelig? Schon das Anzünden des Stumpens an der Grabkerze irritierte mich. Und vom Grab neben dem Haus hat er dann einen rechten Satz auf den Kiesplatz genommen. :D

Gian sagte: «Müssen Sie sich so anschleichen, ja?»
Der Pöstler kommt über den Kiesplatz (vielleicht sogar mit dem Velo), da ist Gian aber ganz schön in Gedanken, dass er das Knirschen nicht hört.

Er sah hoch zum alten Weidmann, der sich mit den Fingern durch den Bart strich, und die Finger waren knochig und blass und wirkten zerbrechlich wie Glas;
der Bart des alten Mannes aber hing wuchtig und weiß über dem Gesicht wie frischer Schnee über der Dachkante einer Berghütte.
Auf schräge Bezüge wurde schon eingegangen, möchte dies mit diesen Zitaten nur noch einmal unterstreichen.

Ohne den Blick von Gian abzuwenden, kramte er ein Bündel Briefe aus der Ledertasche hervor;
Ertastet er die Briefe oder ist es einfach das letzte Bündel für das hinterste Haus im Dorf? :D
Als der Stumpen bis zum Mundstück abgebrannt war,
Ja, ja, die gute alte Villiger.
Er fuhr vom Tisch hoch, stampfte hinüber zur Feuerstelle und packte die übrigen Holzscheite auf den Arm.
Meinst du hier mit übrige die restlichen paar Holzscheite?

Dann legte Gian die Holzscheite in eine Kiste, die vor der Eingangstür der Werkstatt stand, und die Tür quietschte, als er sie hinter sich ins Schloss zog.
Das liest sich holprig, da kam mein Kopfkino nicht mit. Er war ja erst draussen, legte die Holzscheite in die stehende Kiste und in t=0 zieht er die Tür hinter sich zu und hat dabei die Kiste in den Händen. Da passt was nicht vom Ablauf her.

Der Strahlstock schmetterte auf den Boden und das schwere Metall klirrte.
auf dem Boden auf / zu Boden

Er pustete noch einmal und die Spinne krabbelte über den Tisch und verkroch sich in einer Stufe von Blutstein. «Was für ein Monster!», sagte Gian.
Was hat die Spinne hier für eine Bedeutung, dass du ihr so viel Raum gibst?

Dann dampfte er das an Alina adressierte Couvert auf und las.
Ohne den Brief herauszuziehen?
Alina drehte das Couvert um. «Ja», sagte sie, «von Tante Ladina und Onkel Curdin ist er. Bestimmt schicken sie uns Grüße zum Fest.»
Oh, oh, und das nimmt seinen Lauf. Fand ich sehr schön gemacht, wie sich Alina ins Lügen verstrickt und damit "dr gross Chlapf" vorprogrammiert ist.

Der Geruch von verbranntem Kunststoff ätzte ins Gians Nase und
typo, in

Alina kam angerauscht wie die Sturzflut nach einem Gewitter. Mit beiden Händen umfasste sie Gians Gesicht; ihre Finger waren warm, der Blick eisig. «Zum Teufel mit dir!», sagte sie.
Fein gezeichnet. Hier legt Alina gleichzeitig Restliebe und Überdruss zum Bruder in eine einzige Geste.

Womit wir beim Showdown währen

Sie kletterte auf die Rückbank; mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Gian durch die Heckscheibe an.
Reine Geschmackssache, aber hier hätte ich Alina aussteigen lassen. So entschlossen, wie sie bisher agierte, würde sie doch nicht auf die Rückbank klettern und durch die Heckscheibe ihren Bruder anflehen. Zumal der Anlasser ja noch röcheln musste, nur die Zündkerzen waren nutzlos gemacht worden. Der Rest darf bleiben, wie Gian als Symbol des Verrats der Heimat auf dem Kadettheck ein (zweites) Grab errichtet.

Dann rannte der Vater los. Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft und in den Zweigen der alten Eiche rauschte der Wind; Gian sah hoch zu den Bergen, die sie umschlossen, und er sah, wie der Regen erstarb und wie leuchtend weiße Schneeflocken vom Himmel auf sie herabfielen.
Eben, das ist mir persönlich zu offen, wie er da losrennt mit erhobenem Strahlstock. Du könntest ihn zumindest entschlossen ins Dorf marschieren/stapfen lassen. So als persönlichen Aufbruch nach der Lethargie.

Sehr gerne gelesen, die subtilen Andeutungen zu Weihnachten beim ersten Mal leider überlesen, aber sie sind da, keine Frage.

Somit danke fürs Mitmachen und frohe Weihnachten,
Liebgruss dotslash

 

Hallo @sevas

Obwohl die Geschichte im Vergleich zum Thema und zu den verhandelten Zeitläufen relativ kurz ist, hat sie etwas von einem Epos. Das mochte ich sehr, ließ einen ganz einfach einkleiden und trug durch den Text, der letztlich von Sehnsucht und Erinnerungen handelt, das nötige Maß an Rührseligkeit bewirkt, das mich beim Lesen befällt. Ich hätte weiter gelesen, weiter und weiter.

Sehr souverän ist der Text denn auch geschrieben und der darin verschränkte Brief eröffnet eine weitere Ebene.

Danke für die schöne Geschichte.

s war ein grauer Donnerstag im Dezember und kurz nach Mittag, die Luft stand still.
ist halt ein oft so oder so ähnlich gelesener Satz am Anfang einer Geschichte...

Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft und in den Zweigen der alten Eiche rauschte der Wind; Gian sah hoch zu den Bergen, die sie umschlossen, und er sah, wie der Regen erstarb und wie leuchtend weiße Schneeflocken vom Himmel auf sie herabfielen.
stimmungsvoller, melancholischer Schluss, fein!

Ach, wenn es Schnee gäbe, richtig kalt wäre, die Sonne strahlte, könnte man über Dörfer wandern, solche Geschichten im Gepäck.

Viele Grüße
Isegrims

 

Hallo @dotslash,

Truurig, aber sehr idrücklech, gfaut mer!
und tuusig Dank für dis umfang- und vor allem hilfriiche Feedback zu de Gschicht!

Am liebsten würd ich einfach @Flieges Kommentar zitieren.
Ich freue mich jedoch sehr, dass du dich dagegen entschieden hast, denn auch aus deinem Kommentar konnte ich sehr viel mitnehmen :thumbsup: Ich habe, wie du gleich sehen wirst, so ziemlich alle Punkte direkt umgesetzt.

Ich mag die Geschichte und ihren Lokalkolorit, denn hatte ich mich erst einmal auf deinen Stil, die vielen unds und Wiederholungen, eingelassen, so geriet ich in einen Sog und war mitten drin in der Bündner Dorfchronik
Diese Rückmeldung freut mich ganz besonders, denn ich war echt nicht sicher, ob sich der Stil auch für einen Text dieser Länge eignet. Sehr wertvoll also, dein Hinweis, vielen Dank!

Ich mag solche Land- und Hofgeschichten, habe mich mit 'Fleischvögel und gebrannte Creme' ja selbst schon daran versucht.
Die kenne ich (noch) nicht, habe sie mir aber gleich als Lesezeichen gespeichert :read:

Unter der alten Eiche neben dem Haus lag das Grab der Mutter, seit dem Frühling hatte es dort gelegen, und Gian kam vom Dorf und stapfte über die dunkle Erde.
Wurde schon erwähnt. Das Grab befand sich da, die Mutter liegt darin.
Und, Gian läuft über's Grab?
Genau, an diesem ersten Satz (und auch den nachfolgenden) bastle ich derzeit intensiv rum, komme bislang aber zu keinem befriedigenden Ergebnis … Ich bin da aber dran :thumbsup: Und ja, der Gian läuft tatsächlich über das Grab, doch dazu gleich mehr im nächsten Abschnitt.

Er rotzte einen Batzen Schleim neben den Grabstein und setzte sich auf den Kiesplatz vor der Veranda;
Hat er wirklich so wenig Respekt vor der Mutter seelig? Schon das Anzünden des Stumpens an der Grabkerze irritierte mich. Und vom Grab neben dem Haus hat er dann einen rechten Satz auf den Kiesplatz genommen. :D
In Gians Augen trägt die Mutter (durch ihren Tod) die Schuld an der ganzen Situation bzw. Misere, weswegen er ihr auch keinerlei Respekt zollt (erst ganz am Schluss knickt er ja dann sprichwörtlich kurz ein). Ich habe mir das sogar als kleines Ritual vorgestellt, so als wäre es für Gian ganz normal bzw. alltäglich, über das Grab zu stapfen und sich dort die Stumpen anzuzünden, die er dem Vater jeweils stibitzt.

Gian sagte: «Müssen Sie sich so anschleichen, ja?»
Der Pöstler kommt über den Kiesplatz (vielleicht sogar mit dem Velo), da ist Gian aber ganz schön in Gedanken, dass er das Knirschen nicht hört.
Stimmt, das war nicht schlüssig und habe ich entsprechend angepasst. Danke!

Er sah hoch zum alten Weidmann, der sich mit den Fingern durch den Bart strich, und die Finger waren knochig und blass und wirkten zerbrechlich wie Glas;
der Bart des alten Mannes aber hing wuchtig und weiß über dem Gesicht wie frischer Schnee über der Dachkante einer Berghütte.
Auf schräge Bezüge wurde schon eingegangen, möchte dies mit diesen Zitaten nur noch einmal unterstreichen.
Die Vergleiche habe ich jetzt erneut ausgedünnt. Mit ein wenig Abstand zum Text ging das sogar einfacher von der Hand, als gedacht. Danke für den zusätzlichen Fingerzeig!

Ohne den Blick von Gian abzuwenden, kramte er ein Bündel Briefe aus der Ledertasche hervor;
Ertastet er die Briefe oder ist es einfach das letzte Bündel für das hinterste Haus im Dorf? :D
Eigentlich Zweiteres, das Haus liegt ja etwas außerhalb, aber das wird – wenn ich es recht im Kopf habe – nur ein einziges Mal im Text impliziert, und das erst noch subtil, was natürlich nicht ausreicht. Ich habe die Stelle darum entsprechend angepasst.

Als der Stumpen bis zum Mundstück abgebrannt war,
Ja, ja, die gute alte Villiger.
Genau die :D

Er fuhr vom Tisch hoch, stampfte hinüber zur Feuerstelle und packte die übrigen Holzscheite auf den Arm.
Meinst du hier mit übrige die restlichen paar Holzscheite?
Ja genau, habe ich entsprechend überarbeitet, danke!

Dann legte Gian die Holzscheite in eine Kiste, die vor der Eingangstür der Werkstatt stand, und die Tür quietschte, als er sie hinter sich ins Schloss zog.
Das liest sich holprig, da kam mein Kopfkino nicht mit. Er war ja erst draussen, legte die Holzscheite in die stehende Kiste und in t=0 zieht er die Tür hinter sich zu und hat dabei die Kiste in den Händen. Da passt was nicht vom Ablauf her.
Auch hier hast du völlig recht und die Stelle ist angepasst.

Der Strahlstock schmetterte auf den Boden und das schwere Metall klirrte.
auf dem Boden auf / zu Boden
Ist ebenfalls korrigiert.

Er pustete noch einmal und die Spinne krabbelte über den Tisch und verkroch sich in einer Stufe von Blutstein. «Was für ein Monster!», sagte Gian.
Was hat die Spinne hier für eine Bedeutung, dass du ihr so viel Raum gibst?
Ich habe das Putzen der Kristalle vor allem deswegen eingebaut, um ein wenig Backstory zum Vater reinzubekommen, und außerdem braucht Gian etwas zu tun, während sich das Wasser auf dem Ofen erhitzt :D Die Spinne wiederum sollte als zusätzlicher Bote schlechter Nachrichten fungieren, als böses Omen, wenn man so will. Und gleichzeitig wollte ich zeigen, dass Gian auch noch ein Junge bzw. junger Mann innewohnt, der neugierig ist, als Kontrast quasi zu den ansonsten ausschließlich tristen Ereignissen und Umständen in der Geschichte.

Dann dampfte er das an Alina adressierte Couvert auf und las.
Ohne den Brief herauszuziehen?
Stimmt :lol: Guter Hinweis, vielen Dank! Ich hab's mir bzw. dem Gian jetzt ein bisschen einfacher gemacht …

Alina drehte das Couvert um. «Ja», sagte sie, «von Tante Ladina und Onkel Curdin ist er. Bestimmt schicken sie uns Grüße zum Fest.»
Oh, oh, und das nimmt seinen Lauf. Fand ich sehr schön gemacht, wie sich Alina ins Lügen verstrickt und damit "dr gross Chlapf" vorprogrammiert ist.
Sehr schön, das freut mich!

Der Geruch von verbranntem Kunststoff ätzte ins Gians Nase und
typo, in
Korrigiert :thumbsup:

Alina kam angerauscht wie die Sturzflut nach einem Gewitter. Mit beiden Händen umfasste sie Gians Gesicht; ihre Finger waren warm, der Blick eisig. «Zum Teufel mit dir!», sagte sie.
Fein gezeichnet. Hier legt Alina gleichzeitig Restliebe und Überdruss zum Bruder in eine einzige Geste.
Ich freue mich, dass du die Stelle genau so gelesen hast.

Sie kletterte auf die Rückbank; mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Gian durch die Heckscheibe an.
Reine Geschmackssache, aber hier hätte ich Alina aussteigen lassen. So entschlossen, wie sie bisher agierte, würde sie doch nicht auf die Rückbank klettern und durch die Heckscheibe ihren Bruder anflehen. Zumal der Anlasser ja noch röcheln musste, nur die Zündkerzen waren nutzlos gemacht worden. Der Rest darf bleiben, wie Gian als Symbol des Verrats der Heimat auf dem Kadettheck ein (zweites) Grab errichtet.
Hmm … Alina reagiert ja erst ab dem Zeitpunkt wirklich entschlossen, wo sie weiß, dass sie wird weggehen können. Und wenn ihr Plan dann plötzlich fehlschlägt und sie versteht, dass dahinter der Bruder steckt, dass sie nicht weg kann … Ich kann mir schon vorstellen, dass sie es da mit der Angst zu tun bekommt, dass eine kleine Welt für sie zusammenbricht, dass da sie da erst mal im Auto bleibt (außerdem regnet es ja noch :lol:). Und ich fände die Szene schon schwächer, wenn Alina nicht im Auto sitzt, wenn Gian das Grab darauf errichtet. Aber klar, ich verstehe natürlich auch deinen Ansatz … Schwierig! Aber ich lasse es erst einmal so, wie es ist.

Dann rannte der Vater los. Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft und in den Zweigen der alten Eiche rauschte der Wind; Gian sah hoch zu den Bergen, die sie umschlossen, und er sah, wie der Regen erstarb und wie leuchtend weiße Schneeflocken vom Himmel auf sie herabfielen.
Eben, das ist mir persönlich zu offen, wie er da losrennt mit erhobenem Strahlstock. Du könntest ihn zumindest entschlossen ins Dorf marschieren/stapfen lassen. So als persönlichen Aufbruch nach der Lethargie.
Auch hier verstehe ich dich, aber was wüsste man denn wirklich mehr, wenn der Vater in Richtung Dorf marschiert? Und das ist ja auch nicht die einzige Möglichkeit, denn vielleicht rennt der Vater ja auch auf den Gian bzw. die Kinder zu … Und diese Möglichkeiten will ich bewusst offen lassen. Ich verstehe jedoch bestens, dass dieses Ende für den manche Leser nicht funktioniert.

Sehr gerne gelesen, die subtilen Andeutungen zu Weihnachten beim ersten Mal leider überlesen, aber sie sind da, keine Frage.
Das freut mich wirklich sehr :thumbsup:

An dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön für deine Zeit und deine Hilfe, lieber @dotslash, deine Anmerkungen waren sehr wertvoll für mich und haben den Text an vielen Stellen verbessert.

Ich wünsche dir wunderschöne Festtage im Kreise deiner Liebsten.

Liebi Grüess
sevas

 

Hallo @Isegrims,

und hab vielen Dank für deine Zeit und deinen Kommentar, zu dessen Beantwortung ich jetzt – pünktlich zum Fest – endlich komme.

Obwohl die Geschichte im Vergleich zum Thema und zu den verhandelten Zeitläufen relativ kurz ist, hat sie etwas von einem Epos. Das mochte ich sehr, ließ einen ganz einfach einkleiden und trug durch den Text, der letztlich von Sehnsucht und Erinnerungen handelt, das nötige Maß an Rührseligkeit bewirkt, das mich beim Lesen befällt. Ich hätte weiter gelesen, weiter und weiter.
Wow, ein schöneres Feedback hätte ich mir gar nicht wünschen können. Gerade die Tatsache, dass du weiter und weiter gelesen hättest, freut mich ungemein. Vielen herzlichen Dank hierfür! Ich habe tatsächlich versucht, dem Text eine gewisse Melodie bzw. einen gewissen Rhythmus zu geben, und bin superfroh, dass das offenbar geklappt hat.

Sehr souverän ist der Text denn auch geschrieben und der darin verschränkte Brief eröffnet eine weitere Ebene.
Tja, was soll ich sagen, auch dieses Lob fühlt sich an wie frisch gekochter Glühwein im Magen :xmas:

Danke für die schöne Geschichte.
Und ich danke dir fürs Lesen :thumbsup:

s war ein grauer Donnerstag im Dezember und kurz nach Mittag, die Luft stand still.
ist halt ein oft so oder so ähnlich gelesener Satz am Anfang einer Geschichte...
Ja, da hast du schon recht … Der Satz könnte so in fast jeder beliebigen Story auftauchen, aber für die (zeitliche) Verortung finde ich ihn eben ziemlich passend. Ich habe den Anfang jetzt leicht überarbeitet, der Satz ist zwar geblieben, aber ein wenig nach hinten gerutscht. Vielleicht passt das jetzt besser, und wer weiß, vielleicht fällt mir ja mal noch eine Alternative dazu ein.

Er rannte los und reckte den Strahlstock in die Luft und in den Zweigen der alten Eiche rauschte der Wind; Gian sah hoch zu den Bergen, die sie umschlossen, und er sah, wie der Regen erstarb und wie leuchtend weiße Schneeflocken vom Himmel auf sie herabfielen.
stimmungsvoller, melancholischer Schluss, fein!
Danke, das freut mich! Das Ende der Geschichte ist ja nicht ganz unumstritten, da tut dein Feedback natürlich gleich doppelt gut :D

Ach, wenn es Schnee gäbe, richtig kalt wäre, die Sonne strahlte, könnte man über Dörfer wandern, solche Geschichten im Gepäck.
Lieber @Isegrims, ich hoffe, dass es bald Schnee gibt, dass es richtig kalt wird, dass die Sonne strahlt, dass du über Dörfer wandern kannst und viele, viele Geschichten im Gepäck haben wirst!

Nochmals vielen Dank und ich wünsche dir schöne Festtage im Kreise deiner Liebsten.

Grüße
sevas

 

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