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Zwischen Növenich und Jülich

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16.08.2003
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Zwischen Növenich und Jülich

Zwanzig Luftkilometer bis Növenich, ebenso viele bis Jülich. Dort saß er. Im Zug, Zweite-Klasse-Abteil. Er führte seine Hand zu seinen Lippen, öffnete leicht seinen trockenen Mund und schob die Zigarette ein wenig hinein. Das Ende glühte, er schloss die Augen, atmete aus. Rauch, im Sonnenstrahl glitzerte er.
Eine Idylle war es hier nicht, zwischen Növenich und Jülich, auf keinen Fall, niemals war es eine gewesen. Aber warm war es, bewölkt, schwül. Und gemütlich, gepolstert waren die Sitze.
Klägliche Sonnenstrahlen durchdrangen hin und wieder die Decke aus unbeweglichem Grau.
Der Mann war still. Kein Wort, kein Geräusch. Durch das geöffnete Fenster drang der Gestank von Industrie, ließ ihn den Kopf schütteln. Doch kurz wurde es laut. Die Schiebetür bewegte sich knarrend und wimmernd. Zwei Frauen traten hinein. Sie waren alt, lachten, kicherten.
Der Mann tat einen Zug, einen langen Zug, lange glühte das Ende auf, er schloss seine Augen. Die alten Jungfern lachten. Über wen? Über ihn? Wohlmöglich. Stille.
Beide kramten in ihren Taschen. Bonbons fielen auf den Boden, Erdbeer- und Himbeergeschmack. Es raschelte, das Papier ließen sie liegen. Auf dem Boden.
Er tat einen langen Zug. Dann schnippte er den Stummel aus dem geöffneten Fenster. Er flog hinaus in die öde Welt zwischen Növenich und Jülich, fast bei Jülich, allein. Seine Finger glitten in seine Tasche. Ein Zettel. Weiß. Er öffnete ihn, die Frauen hörten auf zu rascheln, zu lachen. Er las. Lange. Tränen tropften auf das Papier, der Weg der Liebe ist unberechenbar, dachte er. Warum, warum trifft es mich, warum musste sie gehen? Für immer?
Dann stand er auf und ging, denn der Zug hielt. In Jülich.

 

Mahlzeit!

Bin ein bisserl verkatert, deshalb nur eine Kurzkritik... :D

Atmosphärisch gar nicht schlecht eingefangen, die Trostlosigkeit der Landschaft, das geistlos langweilige Grundambiente des ÖPNV usw. So gesehen eine akzeptable Szenerie.

Nur leider kommt der Text m.E. nicht sonderlich darüber hinaus, Szenerie zu sein. Soll heißen: Die Inhalte, so es denn welche gibt, erschließen sich mir nicht. Worum geht es? Was liest der Mann? Warum weint er? usw. So ist es ein kurzer Text, der im Ansatz stecken bleibt - umso ärgerlicher, als er unter "Philosophisches" steht, was hehre Ziele vermuten lässt.

Mein Tipp: Überlege dir gründlich, was du wirklich aussagen willst und gib dann dem Text unter dieser Prämisse mehr Fleisch und eine entsprechende Handlung. Nur Situationsbeschreibung ist mir zu wenig. ;)

Gruß,
Horni
(ein paar Meilen westlich von Jülich :D )

PS:

Ein paar Detail-Nörgel:

und schob das glühende Etwas ein wenig hinein.
Finde ich unnötig kryptisch und zudem sprachlich nicht so schön. Warum nicht einfach "Zigarette"?
Rauch, im Sonnenstrahl glitzerte er.
Hier würde ich aus mehreren Gründen nach Rauch einen Punkt setzen. ;)
Und gemütlich, gepolstert waren die Sitze.
Das Komma ist zuviel.
Draußen stieg aus einem tristen Schlot schwarzer Qualm auf. Ab und zu durchdrang ein kläglicher Sonnenstrahl die finsternde Decke aus kaum beweglichen grauen Wolken. Einer, ein einziger, erreichte den blauen Dunst, er glitzerte. Immer noch.
Wirkt auf mich reichlich verbaut und unverständlich. Evtl. ein bisserl bereinigen? Beispiel:
Klägliche Sonnenstrahlen durchdrangen hin und wieder die Decke aus unbeweglichem Grau.
Den Rest würde ich weglassen, da sich das Bild lediglich wiederholt und der Satz dadurch unnötig sperrig wird und nichts zusätzliches zur Atmo beiträgt.
Die Schiebetür bewegte sich knarrend und wimmernd von der einen Seite zur anderen.
Wie sollte sie sich auch sonst bewegen? ;) Ich würde alles nach "wimmernd" weglassen.
Zwei Frauen traten hinein. Sie waren alt. Sie lachten, kicherten.
Einmal Sie genügt, danach Komma. Sie waren alt, lachten und kicherten.
Wohlmöglich.
Fiel ich auch lange drauf rein. Entweder "wohl möglich" oder "womöglich".
Er tat eine langen Zug.
Einen
Dann schnippte er den Stummel aus dem Fenster.
Is das eine S-Bahn? Da geht das nämlich nicht. :D Ansonsten (z.B. Schnellzug oder so) solltest du den Luftzug des offenen Fensters evtl. vorher schonmal erwähnen, da man im Zug i.d.R. mit geschlossenen Fenstern rechnet.
denn der Zug, er hielt in Jülich.
Finde ich etwas unglücklich, diese Konstruktion. "Der Zug hielt. In Jülich." wäre mein Vorschlag.

 

Vielen Dank für deine Kritik! Für eine verkaterte wirklich gut :D. Stimmt, als Nichtverfasser kann man den Sinn nicht recht entnehmen, das habe ich verbessert. Wie viele andere Dinge auch. Einge nicht, das waren aber stilistische Dinge, die ich persönlich für richtig halte. Jedem seine Ansicht :D. Falls meine Beschreibung des Briefes dir nicht ausreicht: Die Atmosphäre ist deshalb so drückend beschrieben worden, weil er von seiner großen Liebe verlassen worden ist (und nicht weil Jülich &Co. so schrecklich sind, glaube ich zumindest, weil ich noch nicht da war).

Marco14

 

Hey, find ich gut, dass meine Worte auf solch fruchtbaren Boden fielen! :)

Für eine verkaterte wirklich gut
Ich geb mein bestes. :D

Nun, zumindest bekommt der Text jetzt ansatzweise einen Sinn. Ich würde allerdings vorschlagen: So, wie er ist, passt er sehr viel besser nach Alltag. Denn er ist ja nach wie vor eher eine Art Prosa-Skizze, die mir allerdings sprachlich (jetzt erst recht) gut gefällt. ;) Unter Philosophisches finde ich ihn allerdings etwas deplaziert.

Ach ja: Jetzt, wo man einen kleinen Einblick in die Gründe für die Traurigkeit des Prot hat, ist die düstere Stimmung umso sinniger. Wozu man sagen muß: Die entsprechende Gegend (so entlang der S8) ist auch ohne entschwundene große Lieben nicht unbedingt ein atemberaubender Anblick! :D

Weiterhin frohes Schaffen,
Horni

 

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