Mitglied
- Beitritt
- 06.10.2002
- Beiträge
- 80
Zwei Haufen Mensch
Nacht.
Regen pladdert auf raues staubiges Kopfsteinpflaster. Da stehen zwei Menschen. Streiten. Man sieht wie Regentropfen um die erhitzen Gesichter wirbeln. Die Stimmen werden verschluckt im dröhnenden Getöse herabfallenden Wassers. Donner brüllt. Der Himmel ist erschreckend grau. Gegen die bedrohliche Masse heben sich schemenhaft braune Blätter herbstlich müder Bäume ab.
Wind trägt schwarz scheinendes Wasser aus den Wolken in alle Richtungen und Ecken. Die beiden Menschen stehen im Lichtkegel einer trüb scheinenden Straßenlaterne.
Bekämpfen sich mit Worten, schleudern ihre Stimmen hin und her und wirken so winzig, unwichtig, klein in dieser unfreundlich stürmenden Welt.
Zwei Figuren, voll rauschenden Blutes, die mit ihren zerbrechlichen Körpern all das herausschreien, was sie mit Worten nicht erfassen können. Wie ein irrwitziger Tanz wirken ihre verzweifelten Gesten.
Spannung zittert zwischen den rasenden Regentropfen. Die heißen Körper dampfen unter gespannten Bewegungen.
Langsam schwindet die Energie, alles ist herausgeschleudert und mit dem Regen zu Boden geworfen worden. Die Köpfe sind leer, ohne Gedanken. Endlich erstarren die beiden Menschen.
Das Leben findet um sie herum statt. Eine Moment stiller, leerer Bewegungslosigkeit.
Langsam erst kehrt das Denken zurück in dieKöpfe. Die Kraft reicht nicht aus, um sich allein auf den Beinen zu halten. Die beiden zerbrechlichen Figuren fallen, gefällten Bäumen gleich aufeinander zu, halten sich, stehen wie zwei Karten eines Kartenhauses. Jeden Moment kann ein Luftzug sie umwerfen und zu Boden ringen.
Der Sturm reißt an ihnen, zerrt sie herunter. Sie gehen in die Knie. Das harte Kopfsteinpflaster fängt sie auf.
Da liegen sie. Zwei ineinander verkeilte Haufen Mensch. Ertrinken im über sie hereinbrechenden Denken. Klammern, sinken, versuchen sich zu retten.
Das Ufer ist längst außer Sicht.
Zeit fließt. Stumpfe Helligkeit schleicht sich in die erwachende Welt. Zwei Menschen werden aus einem tosenden Gedankenozean in die Realität gespült. Sie finden sich zusammengekauert, ineinander verschlungen auf Kopfsteinpflaster kniend.
Es ist nichts brauchbares an Emotionen übrig. Aller verzweifelter Hass ist undeutlich wabernder Nähe gewichen.
Zwei zerbrechliche Figuren, die weder sich, noch die Welt verstehen und ebensowenig von der Welt verstanden werden.
Letzendlich trennt sie ein ganzes Leben.