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Zibardo oder “the most charming man”

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07.03.2002
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Zibardo oder “the most charming man”

Er beugte sich über die Theke und sah ihr fest in die Augen: „Ach komm schon…“
„Nein.“
„Nur ausnahmsweise.“
„Nein.“
Er zog eine Schnute, versuchte seinen Mitleid erregendesten Blick und pienste: „Bitte…“
„Nein, sorry. Ich kann keine Ausnahme machen.“

Sie war unglaublich hart. So etwas hatte er noch nie erlebt. Also zerrte er das größte Geschoss hervor, das er hatte.
„Bitte… komm schon… ich brauch die Bücher ganz dringend. Ohne sie fall ich durch die Klausur.“
Einen Moment lang sah sieh ihn an, überlegte und wog ab. Ihre Lippen öffneten sich zögerlich, sie lächelte schüchtern und sagte eiskalt: „Nein!“

„Aber ich brauch sie wirklich.“
„Ja, das mag sein. Aber vorher zahlst du die Gebühren. Ich mach keine Ausnahme und ich stornier auch nichts. Vergiss es!“
„Aber deine Kollegin hat das auch schon gemacht.“
Ihr Blick wurde für einen Moment verschwörerisch, als wäre sie plötzlich zu einem Deal bereit. Und sie sagte: „Die ist aber jetzt nicht hier. Und ich mach’s nicht. Nicht bei dieser Summe.“
„So viel ist das doch gar nicht.“ beteuerte der Kunst-Student.

Die Bibliothekarin hob eine Augenbraue und drehte den Flachbildschirm um, so dass er sein Nutzerkonto sehen konnte.
„Ups…“ flüsterte Alexis nachdem er die Summe gesehen hatte.
„Außerdem hast du noch vier Bücher daheim, deren Leihfristen seit über zwei Monaten abgelaufen sind.“
„Echt?“ Er tat völlig unschuldig. „Wirklich? Welche denn?“
Sie prüfte in der Liste die Titel und lief rot an. Doch sie versuchte souverän zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen. „Ich drucks dir aus.“ war alles was sie sagte.

Hinter Alexis bildete sich bereits eine lange Schlange. Einige Studentinnen warteten ungeduldig mit schweren Bücherstapeln. Er blieb seelenruhig, warf sich halb auf die Theke und kam der Bibliothekarin so nahe, dass sie erschrocken zurück wich. Sein Gesicht war dicht vor ihrem, sie konnte seinen Kirschkaugummiatem riechen.
„Wenn du ne Ausnahme machst, dann lad ich dich zu nem Kaffee ein.“ flüsterte er und zwinkerte.
„Anstatt dein Geld für so was auszugeben, könntest du lieber deine Schulden damit begleichen.“
„Ja aber ich hab jetzt nichts dabei.“
„Das ist mir doch egal.“
„Du sagst echt nein zu einem Kaffee mit mir?“
„Ja.“
„Aber ich gefalle dir.“
„Nein.“
„Ich merk doch wie du mir immer nach siehst.“
„Quatsch.“
„Na komm schon, ich hol dich nach Feierabend ab und dann lad ich dich ein. Außerdem kann ich dir dann zeigen wozu ich die anderen vier Bücher so lange gebraucht hab.“
„Oh Gott! Hör auf!“ Nun machte sie ein leicht verzweifeltes Gesicht und rutschte auf ihrem Bürostuhl einen halben Meter von der Theke weg.
„Komm schon, ich weiß doch dass du drauf stehst.“ flüsterte er provokant.

Es dauerte eine Sekunde bis Alexis den drei Kilo schweren Zimbardo* in sein Gesichtsfeld rücken sah und noch eine weitere bis er begriff. Doch da war es bereits zu spät.
Das schwere Buch klatschte ihm mit einer derartigen Wucht entgegen, dass er seitlich von der Theke rutschte und nur mit großer Mühe nicht runter fiel.
Die Bibliothekarin aber hatte sich in der Zwischenzeit aufgerichtet, mit einem Blick, als könnte sie eine ganze Armee Zombies zerfleischen.
Und sie sagte leise: „Nein!“
Und Alexis sagte: „Okay. Ich bezahl’s“
Und wenige Sekunden später: „Gehst du trotzdem mit mir aus?“
Als der Brockhaus Band LINL-MATG geflogen kam, konnte er gerade noch rechtzeitig in Deckung gehen.

*Philip G. Zimbardo: Psychologie.
ISBN 978-3-8273-7275-8
Verlag:Pearson Studium
Gebundene Ausgabe:
• Seiten: 864
• Gewicht: 2849 g

 

Hallo,

Einen Moment lang sah sieh ihn an,
Sie

„Na komm schon, ich hol dich nach Feierabend ab und dann lad ich dich ein. Außerdem kann ich dir dann zeigen wozu ich die anderen vier Bücher so lange gebraucht hab.“
„Oh Gott! Hör auf!“ Nun machte sie ein leicht verzweifeltes Gesicht und rutschte auf ihrem Bürostuhl einen halben Meter von der Theke weg.
„Komm schon, ich weiß doch dass du drauf stehst.“ flüsterte er provokant.
Bäh. Dieser Dialog hat eine Chemie wie ihn ein 3jähriger in so einem Chemiebaukasten zusammenmischen könnte.

Das ist auch so ein Sketch. Ein furchtbar penetranter Aufreißer macht sich an eine Bibliothekarin ran. Ist das der Stoff für eine erzählenswerte Geschichte? Vielleicht, ja. Aber diese Ausgangslage steht und fällt mit drei Dingen: Dem Aufreißer, der Bibliothekarin und der Dynamik zwischen beiden.
Der penetrante Aufreißer ist eine Figur, wie sie uns ständig begegnet. „How i met your mother“ – Barney. Das ist das große Ziel. Mit solchen Figuren konkurrierst du hier. Oder den Typen aus den Hochzeitscrashern.
Die müssen so charmant sein, dass der Leser ihnen alles verzeiht. Die müssen spontan sein, selbstironisch, intelligent und alles. Und … hier leiht einer das Kama Sutra aus und denkt, das reicht schon. Nö. Und als es nicht klappt, ändert er dann seine Strategie? Nein, er hat nämlich nur die eine. Er wiederholt sie immer wieder und fügt legendäre Klassiker hinzu wie „Komm schon, du willst es doch auch.“

Dann die „Aufgerissene“, hier in der Geschichte weiß man nicht, warum die überhaupt die Mühe wert ist. Die müsste so sein, dass man als Leser sofort versteht, warum er die haben muss! Das geht natürlich nicht, wenn eine Geschichte ein Sketch ist, das ist klar. Deshalb taugt die Geschichte hier halt nicht viel.

Und die „Dynamik“ in einer guten Geschichte ist das wie ein Fechtkampf, da geht es hin und her, sie nehmen den Rhythmus des anderen an, die Waffen werden gewechselt, die Funken sprühen.
Hier haut er mit einem Morgenstern solange auf ihr Schild, bis sie ihm mit dem Schild eins überzieht.

Diese Geschichte findet sich so, in diesem Szenario, jeden Tag im Fernsehen. Da ist sie von Meistern oder zumindest handwerklich hervorragenden Leuten geschrieben worden. Damit muss sich dein Text messen lassen. Und … das geht nicht gut für ihn aus.
Also lieber etwas machen, was nicht jeden Tag im Fernsehen läuft, und nicht schon 20000mal gemacht wurde.
Und vielleicht irgendwas schreiben, was den eigenen Stärken entgegenkommt. Also um diese Geschichte hinzukriegen, bräuchte es Esprit, Witz, Charme und die Lust am Spiel mit den Figuren und der Situation.


Gruß
Quinn

 
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Okay... vermutlich hast du Recht. Ich habe keinen von dir genannten Filme gesehen, da ich dieses Genre (und TV) im Allgemeinen meide und auch nicht mag. Es war lediglich ein Versuch mal etwas auf dem Gebiet zu probieren.
Ich sollte wohl die Finger davon lassen.
Danke trotzdem.

Übrigens - ich weiß es tut nichts zur Sache - ist es eine wahre Begebenheit aus meinem Alltag, daher auch die Kategorie-Wahl.

 

Hallo Alexis,

die Idee zu der Story ist nicht sonderlich originell, aber man muss auch das Rad nicht neu erfinden. Ich finde die Umsetzung allerdings wenig gelungen, weil Du nur einen kurzen Spot bietest und zudem die Figuren recht eindimensional gezeichnet sind. Wenigstens hätte ich gern gelesen, was an der Bibliothekarin so reizvoll ist und was der Typ sonst so treibt. Das Ganze hat in dieser Form eher den Charakter von Witzeerzählen.

Was das Lesen schwermacht, ist die Vielzahl von unnötigen Adjektiven und Adverben: 'lange Schlange', 'warteten ungeduldig', 'erschrocken zurück wich', 'leicht verzweifeltes Gesicht', 'flüsterte er provokant'.

Unnötiger Perspektivwechsel: 'sie konnte seinen Kirschkaugummiatem riechen.'

Viele Grüße vom
gox

 

Hallo Gox!

Danke für dein Feedback.
Ich denke, dass ich die Story neu schreiben werde, dann aber in einem Stil der mir mehr liegt. Was die Adjektive betrifft stimme ich dir zu. Sie wird dadurch allerdings ihren seltsamen Sketch-Charakter verlieren.

In letzter Zeit (nach einer sehr langen Schreibpause) habe ich eigentlich eher andere Sachen geschrieben, die nur wenig mit Kurzgeschichten oder lustigen Szenen zutun hatten. Leider habe ich darauf kein Feedback bekommen, kann also nicht beurteilen was daran verbesserbar wäre.

Von daher war "Zimbardo" auch eher mehr ein Versuch und ich bin sehr dankbar für Feedback.

 

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