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Zerstörung

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20.12.2002
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Zerstörung


Wir haben keinen Gott, wir glauben den Medien nicht, wir lachen über Politiker, die Literatur ist tot, aber das Geschirrspülen … das nehmen wir richtig fucking ernst in diesem Land!

- Klospruch in einer Bar in Neukölln


Vor zwei Wochen war WG-Plenum bei uns, und meine Mitbewohnerinnen wollten wissen, ob ich beim Spülmaschine-Einräumen ein System hätte.
Und ich so, nein.
Dann haben sie gefragt, ob ich vielleicht beim Spülmaschine-Ausräumen ein System hätte.
Und ich wieder, nein.
Also haben sie mir ihr System erklärt. Breite Teller hier, flache da, am besten von hinten nach vorne.
Und ich so, alles klar, kein Problem.
Aber es ist ein Problem, denn ich mach’s immer wieder falsch. Zwei Tage lang lief’s gut, dann war ich mal betrunken, dann hab ich’s wieder eilig, und schon steht alles an der falschen Stelle.
Ich hab ein richtig schlechtes Gewissen deswegen, und, wie ich finde, aus gutem Grund. Im Abspülen vereinen sich sämtliche deutsche Tugenden: Ordnung, Pflichtbewusstsein, Sauberkeit und auch ein gewisses Maß an Solidarität. Wir sind uns alle einig, dass abgespült werden muss, dass man's richtig machen muss, und dass jeder sein Teil dazu beiträgt.

Ich hab ja zwei Mitbewohnerinnen. Laura ist praktisch nie da. Katja hingegen fast immer.
Und das sieht jetzt so aus: Ich sitz da und trinke Tee. Katja kommt in die Küche, sagt Hallo, öffnet die Spülmaschine - und dann entsteht eine lange gequälte Stille.
So geht das schon seit Wochen, und ich glaube, bald wird irgendwas passieren. Man sieht richtig, wie Katja mit sich kämpft. Sie will weder rumzicken noch mütterlich auftreten, aber bestimmt ähnelt sie ihrer Mutter total, und es fällt ihr halt schwer.
Ich wiederum weiß, dass wir reden sollten, aber wir haben schon mal darüber geredet, und ich hab kein Bock zu reden.
Und so zieht sich das jetzt hin.
Katja hätte mich eigentlich schon vor Wochen mal tadeln müssen; jetzt fürchte ich, dass sie mir ohne Ankündigung einfach eine Tasse an den Kopf ballern wird.
Mir geht’s auch nicht viel anders. Sonntagmorgens, ich sitze total friedlich da, die Sonne scheint durchs Fenster, dann kommt Katja in die Küche und spontan drängen sich mir solche Gedanken auf: Du elende Zicke, kauf dir doch ein Leben und lass die Spülmaschine in Ruhe.
Und was komisch ist: Kaum denke ich so was, schaut sie mich an, als hätte sie mich gehört. Allerdings nur für einen kurzen Moment. Schon senkt sie den Blick, ihr blondes Haar fällt ihr ins Gesicht, und sie tapst aus der Küche – klein, verletzt, ich-befangen und vorwurfsvoll. Als würde sie sagen wollen: Ich weiß genau, was du über mich denkst, und ich find’s scheiße, aber ich sag nichts dazu. Tust du schließlich auch nicht.
Dabei ist „elende Zicke“ bei weitem nicht das Schlimmste.
Ich kann es auch nicht erklären, aber ich glaube, ich will mit ihr schlafen.
Mir schießen immer wieder Bilder in den Kopf, wie wir wild übereinander herfallen und ins Bett springen. Und wie wir dann, nach wirklich gutem Sex, zusammen an die Decke starren und feststellen, dass unsere Spülmaschinen-Probleme herrlich weit weg sind.
Das Problem ist halt, ich hab ne Freundin, die ich liebe, und sie hat einen Freund, den sie liebt.
Wie passt das jetzt zusammen?
Gott, wenn ich das bloß wüsste.
Ich will meine Freundin nicht mit einer Mitbewohnerin betrügen, die mir total auf den Sack geht, weil ich nicht mit Geschirr umgehen kann.
Aber was ich will oder nicht will, ist nicht wirklich das Problem.
Das Problem ist die Liebe.


„Hey, Babe ...“, nuschele ich ins Handy.
„Hey, Schatz“, sagt meine Freundin.
„Wie läuft die Seminar-Arbeit?“
„So so …“
„Ich hab darüber nachgedacht, was du gestern gesagt hast, und ich finde, du hast Recht. Aufmerksamkeit ist wirklich der Schlüssel. Ich muss die Spülmaschine einfach mehr beachten. Im Augenblick gehe ich automatisch falsch mit ihr um, aber wenn ich mich anstrenge, und die Spülmaschine zwanzig Mal in Folge richtig ein- und ausräume, läuft es beim einundzwanzigsten Mal wahrscheinlich ganz von alleine.“
„Ja …“
„Ich glaube, das nehme ich mir jetzt ganz fest vor. Zwanzig Mal in Folge!“ Ich lache über mich selbst.
„Gute Idee.“
„Ich komm mir schon blöd dabei vor, aber irgendwas muss ich ja machen, ich will echt keinen Stress mit meinen Mitbewohnerinnen.“
„Klar …“
„Es gibt echt nichts Schlimmeres, als wenn man sich daheim permanent unwohl fühlen muss.“
„Das stimmt wohl …“
„Ist alles okay bei dir? Du klingst so müde.“
„Naja, es ist nur …“ Sie seufzt. „Viel zu tun.“
„Soll ich nachher vorbei kommen?“
„Heute ist nicht so gut, Schatz, muss wirklich noch viel machen …“
„Okay.“
„Aber wir können uns bestimmt morgen sehen.“
„Ich vermisse dich.“
„Ich dich auch.“
„Hast du eigentlichen einen Lieblings-Disney-Film?“
„Einen Lieblings-Disneyfilm?“ Sie macht ein irritiert-lustiges Geräusch. Irgendwas zwischen einem Lachen und einem Schnauben. „Warum fragst du das?“
„Interessiert mich bloß …“
„Ich mag doch keine Disney-Filme.“
„Warum nicht?“
„Na … weil sie kitschig und plakativ und amerikanisch und schwarz-weiß sind.“
„Schwarz-weiß?“
„Ihnen liegt ein richtig dummes Weltbild zugrunde.“
„Es gibt gar keine Disney-Fllme, die dir gefallen?“
„Ich hab auch nicht jeden gesehen … gefallen dir welche?“
„Ich mag Die kleine Meerjungfrau.“
„Wirklich? Warum der?“
„Weiß auch nicht … ist halt so. Ich mag Arielle.“
Sie lacht. „Na dann sollte ich mir den vielleicht mal anschauen. Hör mal, Schatz, ich muss wirklich wieder an die Hausarbeit ran … ich vermiss dich auch voll. Wir sehen uns morgen, okay?“
„Okay.“

Auf einer Skala von 1 bis 10, wie sehr liebst du mich? Die Frage brennt mir auf der Zunge, aber ich hab Angst, sie zu stellen.
Weil sie kindisch und bedürftig klingt.
Weil ich nicht weiß, was ich auf die Gegenfrage antworte.
Und weil mich die Frage im Kern stört.
Bei aller Drolligkeit, lässt sich die Liebe wirklich derart quantifizieren? Müsste sie nicht was Absolutes sein? Etwas Unzerstückelbares? So wie Gott vielleicht. Oder ... naja. Keine Ahnung. Die Demokratie?
Die Treue? Das Abspülen?

Gestern hat mich Katjas Freund im Flur angesprochen. So ein großer, blonder Typ. Er trägt ne Brille und studiert irgendwas.
Er kam auf mich zu, zog mich richtig zur Seite und sagte: „Ey, können wir reden.“
Und ich so, okay.
„Hör mal“, sagte er, „von Mann zu Mann. Ich will echt kein Stress, aber komm schon: die Spülmaschine. Was n' da los? Breite Teller hier, flache Teller da, am besten von hinten nach vorne.“
Ich sah ihm in die Augen und sagte: „Liebst du sie?“
„Was?“
„Ob du Katja liebst?“
Er verzog das Gesicht, druckste ein bisschen herum und sagte schließlich, mit leiser Stimme. „Ich glaube schon …“
„Und woran glaubst du sonst so?“, fragte ich.
Das schien ihn jetzt zu irritieren.
„Glaubst du an das Böse?“, fragte ich. „Glaubst du an Google? Glaubst du an Europa? Glaubst du an die Kunst? Glaubst du an die Elite? Glaubst an den Frieden? Glaubst du an Deutschland? Glaubst du an Engel? Glaubst du an den Kategorischen Imperativ? Glaubst du an den historischen Fortschritt? Gibt es überhaupt irgendetwas, woran du glaubst, vom Abspülen mal abgesehen?“
Er sah mich einfach an. Mit offenem Mund.
„Glaubst du an die Liebe?“, fragte ich schließlich.
„Ja“, sagte er.


Mir geht’s glaub nicht so gut.
Ich verbringe zu viel Zeit im Bett. Ich liege neben meinem Laptop und denke nach.
Meine Freundin habe ich länger nicht gesehen.

Heute Morgen stand ich eine viertel Stunde lang alleine vor der offenen Spülmaschine mit einem Teller in der Hand. Es war, wie ich fand, weder ein breiter noch ein flacher Teller, sondern ein Zwischenteller, und ich wusste nicht, wo er hingehört. Also stellte ich ihn einfach oben auf die Spüle drauf. Ich ließ ihn liegen, ging davon und traf im Flur auf Katja, die mir mit dem Wäschekorb entgegenkam. Sie trug eine Jogginghose, und ihr blondes Haar war offen. Ich senkte den Blick, stahl mich in mein Zimmer und warf mich aufs Bett.
Der Gedanke keimt in mir, dass ich ein furchtbarer Mensch bin.
Wie ist es sonst zu erklären, dass ausgerechnet das Abspülen, die letzte Bastion deutscher Solidarität, mich jetzt zugrunde richtet?
Meiner Freundin habe ich folgende Nachricht geschickt: Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, und ich werde mich fragen, wofür?
Als Antwort bekam ich zwei Stunden später einen „Daumen Hoch“ und sonst nichts.

schwarzes loch der decke
du schweigst, denn es gibt
keinen halt und inhalt
und keine unter-
titel für stille
nur atome
bleiben
von allen
dingen, nächten,
omnipotenten maschinen
- schwindel am rande
des untergangs


Mitten in der Nacht kommt Katja nach Hause. Sie macht eine Flasche Rotwein auf, setzt sich in die Küche, zieht die Heels aus und lehnt sich zurück. Sie trägt ein kurzes Glitzerkleid und hat die Haare schön.
Ich weiß nicht, was sie immer wieder wie ein hungriges, aufgekratztes Nagetier in die Nacht treibt, aber ich sehe, dass sie nicht gefunden hat, wonach sie sucht.
Ich nehme ein Glas und setzte mich ihr gegenüber.
Und wir schweigen uns an.
„Katja“, sage ich nach einer Weile. „Mal abgesehen von der Wichtigkeit des Abspülens, woran glaubst du?“
Sie überlegt einen Moment. Dann lacht sie und sagt „Yolo.“ Es klingt, finde ich, ein bisschen bitter.
Ich sage nichts dazu.
Und sie auch nicht.
Dann sieht sie mich an, mit einem nachdenklichen Ausdruck.
Erneut stelle ich fest, dass ich mit ihr schlafen will.
Mir ist, als müsse die Welt enden, wenn wir es jetzt tun. Denn wenn die Liebe fällt, fällt bestimmt auch das Abspülen - und was bliebe dann noch übrig?
Ob Katja auch solche Gedanken hat?
In der Ecke brennt eine kleine Leselampe; sonst ist es dunkel. Vor dem Fenster lachen Leute, der Kühlschrank summt.
Eigentlich müsste sie jetzt gehen.
Aber sie bleibt, und das macht sie fast sympathisch. Zum In-den-Arm-nehmen. Zum Küssen.
Ich muss zugeben: die Vorstellung, die ganze Welt mit einem Fick zu zerstören, macht mich irgendwie an.
Wobei ich nicht wirklich gut in so was bin. Also darin, Frauen aufzureißen. Der erste Schritt fällt mir immer so schwer, das Timing, der richtige Moment.
Ich trinke in Ruhe den Wein aus und warte, bis die Spannung zwischen uns unerträglich wird. Dann fasse ich nach Katjas Hand und ziehe sie hoch.
Sie schaut mich überrascht an, so von unten, und ich küsse sie. Vorsichtig zu Beginn, dann richtig. Es fühlt sich gut an. Überhaupt nicht falsch. Ich lege die Arme um ihren kleinen Körper und drücke ihn.
Sie seufzt sinnlich, und dann geht es ganz schnell, wir gehen in ihr Zimmer, Katja zieht mich aufs Bett, und ich schiebe das Glitzerkleid hoch.
Ich habe keine Gedanken mehr, und das ist schön. Katja ist unendlich feucht und warm und lebendig. Ich spüre sie, und sie mich. Sie ist laut, und ich auch. Was wir hier machen, ist intensiv, gefährlich, destruktiv, irrational. Aber nicht falsch. Etwa eine Minute lang macht alles vollkommen Sinn.
Dann fällt mir ein, dass wir kein Kondom benutzen.
Das hält mich nicht davon ab, weiterzumachen, aber die Gedanken kommen wieder.
Die Perversion liegt vielleicht gar nicht darin, dass ich mit Katja schlafe, weil ich die Welt zerstören will, sondern darin, dass aus diesem Akt der totalen Zerstörung Leben entstehen könnte.
Mal angenommen sie nimmt die Pille nicht. Und ihr Ei springt und sie lässt die Frucht drin – sie geht also nicht zum Arzt und lässt sich leer saugen - und das Embryo wächst und gedeiht und neun Monate später kommt ein Kind zur Welt.
Wäre ich dann Vater, oder wie? Was würde ich einem Kind über die Welt erzählen?
Katja schlägt die Nägel in meinen Rücken und stöhnt so laut, dass ich vor Schreck zusammenfahre.
Ich glaube, bald ist alles vorbei.

Falls es diesen Moment gab, wo wir beide an die Decke starren und unsere Spülmaschinen-Probleme herrlich weit weg sind, ist er mir entgangen. Katja liegt neben mir und tut so, als würde sie schlafen. Die Sonne scheint durchs Fenster auf die zerwühlten Laken. Es riecht nach Wein und Sex. Ich stehe auf, gehe ins Bad und stelle mich unter die Dusche. Das Wasser auf der Haut fühlt sich gut an.

 

Man sieht richtig, wie Katja mit sich kämpft. Sie will weder rumzicken noch mütterlich auftreten, aber bestimmt ähnelt sie ihrer Mutter total, und es fällt ihr halt schwer.
Ich finde, das ist einer der klügsten Sätze, die man sagen kann. Es gibt von Rainald Grebe ein Lied, das heißt „30jährige Pärchen“ und da singt er: Wir wollten nie wie unsere Eltern werden. Und sind es ja auch nie geworden. Unsere Eltern sind ja älter und ziemlich proviniziell. Kalter Reis mit Algen - werfen die doch auf den Müll.
Und irgendwann kommt die Stelle: Eines Tages werden sie sterben, wenn sie nicht schon gestorben sind. Wir werden ihre Häuser erben und keine neuen bauen.
Also das find ich schon wirklich gut, wie 20, 25, 30jährige Mini-Ausgaben ihrer Eltern sind, aber würden es um Gottes Willen niemals zugeben. :) Auch die coolen Frauen, wenn man dann die Mutter kennenlernt: Aha! Okay. Also das mit den Eltern ist wirklich ein „blinder Fleck“, den wir haben, den wir auch haben wollen.
Bei aller Drolligkeit, lässt sich die Liebe wirklich derart quantifizieren? Müsste sie nicht was Absolutes sein? Etwas Unzerstückelbares? So wie Gott vielleicht. Oder ... naja. Keine Ahnung. Die Demokratie?
Die Treue? Das Abspülen?
Das ist schon wirklich sehr, sehr gut. Dass es auch völlig okay ist, mit einem Wort einen halben Meter daneben zu liegen, wenn es besser passt als das eigentlich richtig. Also „Unzerstückelbares“ ist hier großartig. Und dann der erste Gedanke, den man hat: Wie Gott. Und dann aber so: Das kann man nicht sagen … das ist ja uuuuh … und dann „Die Demokratie!“ In diesem „Ich weiß, dass es total wichtig ist“, aber ich hab mich nie damit beschäftigt und kenn mich nicht damit aus-Hollywood-Sinn.

Das ist wie wenn man auf den Weltfrieden trinkt. Man weiß, dass es ein sehr hohes Gut und ein ehrenwertes Ziel und es hat absolut null mit dem eigenen Leben zu tun. So die Generation vor mir, wo dann viele Lehrer geworden sind, die hatten das mit Club der toten Dichter: Ideale, Werte, ganz große Ideen. Und in der Realität wird nie was davon eingefordert: So ganz dumpf „Rückgrat zeigen.“

„Hör mal“, sagte er, „von Mann zu Mann. Ich will echt kein Stress, aber komm schon: die Spülmaschine. Was n' da los? Breite Teller hier, flache Teller da, am besten von hinten nach vorne.“
Ich sah ihm in die Augen und sagte: „Liebst du sie?“
Das ist schon großartig. Ich finde der Text hat was von The Big Lebowski, unterschwellig. Die Teenager-Ausgabe. Der Teppich, Mann. Das kann man sich nicht gefallen lassen. - Ja, die haben dir auf den Teppich gepinkelt. - Wer macht denn sowas? - Kannst dir nicht gefallen lassen. - Ja, was da dahinter steckt? Da kommen sie und pinkeln dir auf den Teppich. - Der hat das Zimmer erst wohnlich gemacht! - Verdammte Nazis - Das sind keine Nazis, das sind Nihilsten. - Man kann ja über die Nazis vieles sagen, aber an Prinzipien mangelte es ihnen nicht!
Meiner Freundin habe ich folgende Nachricht geschickt: Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, und ich werde mich fragen, wofür?
Als Antwort bekam ich zwei Stunden später einen „Daumen Hoch“ und sonst nichts.
Das ist schon richtig, richtig gut.
Ja, ich sag mal das Ende. Das ist dir bisschen - es ist halt ein Ende, aber ich finde nicht, dass es jetzt zur Geschichte unbedingt passt. Also zu sagen, das sei der Moment der „Zerstörung“, um dann zu sagen: Da könnte ja jetzt ein Kind stehen und dann: Na ja, eigentlich spielt es auch keine Rolle.

Ich finde da wird die Geschichte so - sie verliert diese Leichtigkeit. Dass Katja da schön ist, so schön wie sie nur sein kann. Wenn sie jetzt einfach in Jogginghose - und sie hätte es unbedingt gewollt.

Aber so ist das: Er macht da eine schwere emotionale Reise durch - keinen anderen juckt es. Das find ich großartig in dem Text, ich glaube: So ist es. Das ist ja eine Welt, in der jeder so mit sich selbst beschäftigt ist, dass es keine, ja keine nennenswerten Verbindungen untereinander gibt: Der hat eine Freundin, die sieht er nicht. Die Gespräche sind sag ich mal „freundlich-unverbindlich.“ Mit der Mitbewohnerhin kommuniziert er nur über die Spülmaschine, über Blicke und fängt an, sich so in sie reinzudenken, dass er sich in sie verknallt.

Das ist ja großartig und absurd. Dass seine große emotionale Reise darin besteht, erstmal das ganze Wissen, was er hat, und die ganzen Werte im Bett liegend zu ordnen und das gedanklich gebacken zu kriegen, warum er bei der Spülmaschine versagt. Das ist ja auch so ein Idealbild, das man hat. Dass man natürlich glaubt, man könne 20mal die Spülmaschine konzentriert einräumen. So wie jeder glaubt, dass er viel besser in allem sein könne, wenn er sich nur richtig Mühe geben. Aber der Zeitpunkt dafür war irgendwie nicht gekommen oder so.

Aber das Wesentliche in der Geschichte ist doch eigentlich, dass in den anderen Figuren das auch vorgeht, dass die ihren eigenen Film haben. Dass bei der Mitbewohnerin irgendwas läuft, das bei deren Freund was läuft. Dass die dieselben Fragen im Kopf haben. Die Freundin hat wohl grade zu tun und keinen Bock auf ihn, vielleicht nervt er sie auch. Katja will nicht wie ihre Mutter sein und ihr Ordnungsfimmel nervt sie selbst. Ihr Freund findet’s dann doch spannender mit dem Typen über absurde Sachen zu reden, als ziemlich albern die Interessen zu vertreten.
Nur halt am Schluss, da ist der Erzähler im Mittelpunkt, alles geht von ihm aus und die Mitbewohnerhin wird in so ein Wunscherfüllungs-Szenario gesetzt: Die ist wunderschön, aufgekratzt und „Du hattest mich schon beim Hallo“ und zerfließt praktisch bei Berührung. Verwandelt sich vom Frosch zum perfekten Betthäschen.

Und dann kommst du da nicht mehr raus. Dann hast du nix mehr. Dann willst du den Moment der Leidenschaft noch mal brechen mit „Kondom Kondom.“ Das kauf ich der Figur nicht ab. Ich bin auch nur in meinem Kopf und weiß, wie ich ticke, aber wenn ich so sexuell erregt wäre, wie die Figur in dem Moment mit der Braut, wie du sie beschreibst. Ich sag mal: Wenn das Blut unten ist, dann ist es nicht oben. Und du stülpst dann an der Stelle der Geschichte auch das „Destruktive“ über, das vorher nicht drin war. Dass man sagt: Jetzt schlaf ich mit ihr, jetzt mach ich mir ja mein Gedankenkonstrukt kaputt. Das taucht erst genau in dem Moment auf, wo du es brauchst. Sonst seh ich nichts Destruktives in der Geschichte.

Ja, irgendwie haben er und diese Katja eine Spannung laufen, die man nicht erklären kann - durch die Reibung. Wobei ich mich eh frage, wie das in so gemischten WGs läuft. Ich find das völlig verständlich, dass der heiß auf die ist, wenn er die jeden Tag auch in intimen Momenten sieht, da müssen die Leute schon sehr separat leben oder es muss überhaupt keine Chemie da sein, damit da nichts passiert, denke ich. Also dass er sie poppen will, finde ich völlig nachvollziehbar.

Und dann zum Ende zischt die Geschichte so aus: Ja, es war jetzt halt doch nur eine Nacht und meine Welt wurde dadurch nicht erschüttert.

Aber das Problem ist: Er ist dann so verändert, dass er die Entscheidung trifft. Und Katja lässt sie ihn treffen. Also ¾ der Geschichte gibt es andere Figuren, parallel zu ihm, die irgendwie auch eine Entwicklung durchmachen. Und am Ende ist er der Held, dessen Reise alleine zählt.

Weißt du, wer genauso schreibt? Hornby. Die Hornby-Geschichten, die ich kenne, laufen immer so ab, dass sich ein Mann total verrannt hat in seine eigene Gedankenwelt und seinen Mikrokosmos. Dann merkt er, dass es nicht geht, meist der Liebe wegen, dass er Kompromisse eingehen muss. Dann begibt er sich auf eine Reise, um sich zu ändern. Er scheitert. Und am Ende ändert sich die Welt um ihn herum und es ist ein Happy-End.

So läuft übrigens auch die Cornetto-Triloge mit Shaun of the Dead, Hot Fuzz und The World’s End. Das soll jetzt keine Kritik sein, das sind alles wirklich gute Sachen, das sind aber auch allesamt totale Männer-Phantasien. Und ich denke, so ist deine Geschichte auch. 

 

Hey JuJu,

Für mich ist das ein sehr, sehr stimmiger Text, bei dem wirklich der Erzähler mit dem Inhalt verschmilzt und man ihm jedes Wort abnimmt. Das ist etwas wertvolles, wenn man das hinbekommt.

Ich weiß gar nicht so recht, was ich sonst dazu sagen will, außer: Ich bin voll und ganz auf der Wellenlänge des Erzählers und seine Gedanken sind meinen auch ähnlich. Es gibt einige Schmankerl:

Vor zwei Wochen war WG-Plenum bei uns, und meine Mitbewohnerinnen wollten wissen, ob ich beim Spülmaschine-Einräumen ein System hätte.
Und ich so, nein.
Ich find das spitze als Einstieg. Guck mal, wie viele Infos nebenbei und ganz unverkrampft in diesen zwei Sätzchen stecken ... Das ist toll. Man erfährt was über die Wohnsituation des Prot. Über die Einstellung von ihm. Über die Einstellung seiner Mitbewohner. Über das Thema der Geschichte im Kern auch.

Bei aller Drolligkeit, lässt sich die Liebe wirklich derart quantifizieren? Müsste sie nicht was Absolutes sein? Etwas Unzerstückelbares? So wie Gott vielleicht. Oder ... naja. Keine Ahnung. Die Demokratie?
Die Treue? Das Abspülen?
Fand ich auch gut. Obwohl da ja eine Menge Autor mitschwingt, glaube ich, aber da die Figur damit übereinstimmt, macht das nix.
„Ihnen liegt ein richtig dummes Weltbild zugrunde.“
Das finde ich traurig und sehr deutsch leider. Und insgesamt: Diese scheiß Spülmaschinensache, dieses unromntische, rationale Verhalten da ständig. Bei uns in der Studenten WG gabs immer Stress wegen Klopapier.
Ich finde es einerseits ja gut, dass wir einiges (vielleicht) ernster nehmen als die Amis, aber wir sollten nicht alles ernster nehmen, sondern die wichtigen Sachen, die, die wir unseren Kindern mitgeben können. Gute Geschichten überleben Jahrtausende. Spülmaschinen wird man irgendwann nicht mehr selbst ausgeräumen müssen. Ich meine, wo bleibt die Romantik? Und das ist das, was ich bei den Amis bewundere. Die trauen sich Geschichten zu erzählen, die vielleicht kitschig sind, aber auch Gedanken anregen und Grenzen sprengen. (Hab gestern Interstellar gesehen und war völlig begeistert.) Aber ich schweife ab.

Also ich glaube aber, wie ich darauf gekommen bin. Ich meine zu spüren, dass das eine Deutsche Geschichte ist (Handlung), bei der dem Erzähler aber ein bisschen amerikanisches Herz in der Brust schlägt. Deshalb denke ich auch, dass Erzähler und Autor so gut verschmelzen und sich das so echt anhört. Sowas meine ich:

Meiner Freundin habe ich folgende Nachricht geschickt: Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, und ich werde mich fragen, wofür?
Als Antwort bekam ich zwei Stunden später einen „Daumen Hoch“ und sonst nichts.
Das tut weh und solche Erfahrungen muss ich im Alltag auch häufig machen und ich denke du kennst das auch. Wenn man Feuer und Flamme für ein Thema ist und reden will und alle um dich herum die Augenbrauen heben und lächeln, als wärst du irgendein Dummschwätzer. Oksy, fickt euch. ich geh was schreiben.

Ich muss zugeben: die Vorstellung, die ganze Welt mit einem Fick zu zerstören, macht mich irgendwie an
Geil!


Falls es diesen Moment gab, wo wir beide an die Decke starren und unsere Spülmaschinen-Probleme herrlich weit weg sind, ist er mir entgangen.
Auch toll!

Also, ich hab nix auszusetzen, nur der Gedanke mit der möglichen Schwangerschaft wirkt wie ein Fremdkörper. Der ist zwar wichtig, müsste aber meiner Ansicht nach nur so als Andeutung mitschwingen, so in ein zwei Worten. Ansonsten. Hat mich gefreut und Spaß gemacht.


Lollek

 

Lieber JuJu,
das ist ein richtig richtig schöner Text.

Sind gleich ein paar Sachen, die mir daran so saugut gefallen.

Das ist erstmal diese echt gelungene Verbindung aus Komik und Hintergründigkeit in diesem Text, dem Kerl gehts ja zum Teil echt schlecht, der hat sich da in so eine Verfassung reinbegeben, in der er an der Welt scheitert. Er will eigentlich den Maßstäben genügen, er probierts ja wirklich, aber er scheitert dran. Und die Freundin lässt ihn auch ganz schön abfahren. Ihn bewegt die Welt un die Welt bewegt ihn, er hat Gedanken und Wünsche und ist total schön romantisch und sucht nach was, und wenn er sich öffnet und sagt das, was ihn ansatzweise bewegen könnte, ich mein, er sagts ja gar nicht wirklich direkt, sondern in so Fragmenten von Liedern oder Filmen, aber damit will er ja auch seine Vorstellungen, seine Ängste, seine Wünsche mitteilen oder überhaupt mal ins Gespräch kommen, und dann kriegt er den Daumen oder die coole Disneyabwatsche seiner Freundin. Und er selbst will alles richtig machen und scheitert doch schon gleichzeitig immer daran, die Spülmaschine richtig einzuräumen. Das ist unglaublich komisch einerseits, aber auch echt tragisch. Da bewegt einen was und er kann nicht mehr schlafen und kämpft mit sich und dann bleibt das so auf der Strecke zum Gegegnüber stehen, wenn es sich z. B. um die Freundin handelt.

Was mir noch so saugut gefiel, ist, dass du das mit diesem hervorragenden Klospruch verknüpfst. Der ist ja echt herrlich. Überhaupt ist das Spülmaschine einräumen wirklich ein Hammerthema für WGs. Bin mal mit paar Freundinnen weg gewesen, da hat die eine immer, wenn wir anderen eingeräumt haben, ganz missbilligend geguckt, und alles wieder umgestellt, was wir eingeräumt haben. Das sind so merkwürdige Themen, die scheinen ganz banal, aber dann fixieren sich alle drauf und das zieht sich durch, wird nie groß thematisiert, aber ist im Hintergrund immer da, weil es irgendwie auch ein Symbol ist für alles Mögliche.
Und du verknüpst es auch mit dem Gedicht, das sind so richtig zwei Pole, die sich gegenüberstehen.

Hast du Klospruch und Gedicht selbst geschreiben?

Wir haben keinen Gott, wir glauben den Medien nicht, wir lachen über Politiker, die Literatur ist tot, aber das Geschirrspülen … das nehmen wir richtig fucking ernst in diesem Land!
- Klospruch in einer Bar in Neukölln
Der ist echt saucool. Und er stimmt. Behaupt ich jetzt mal, auch unabhängig von deiner story, wenn man mal ein bisschen nach draußen guckt. Wir sind bei allem abgeklärt, wissen, wie den Griechen beizukommen wäre, die XXPüntchen-Preisträgerin hat viel zu bieder geschreiben und der Film "Beste Freunde" ist ein einziges Klischee und die Träne, die einem doch aus dem Augenwinkel geflossen ist, die wischt man peinlich berührt weg.

Das Ende, ach ja, okay, ich wüsste jetzt wirklich keine Alternative, und warum auch? Du gehst in deiner Geschichte ein bisschen liebevoll um mit deinem Helden, auch am Schluss und eigentlich finde ich das gut. Es bleibt unentschieden, er versucht, die Welt zu zerstören mit seinem Fick, aber so schnell lässt die das auch nicht zu. Und da hat er den Gedanken an eine ungewollte Schwangerschaft .
Und den Moment, in dem er die Spülmaschinenprobleme ganz weit weg gepuscht hat, den erlebt er gar nicht bewusst. Aber das Wasser unter der Dusche tut trotzdem gut.
Ich will sagen, ich hab da kein Problem mit dem Schluss.

Dein Text, Juju, macht sich lustig über die Tendenz, sich an einem Ordnungsprinzip festhalten zu wollen, weil man vielleicht manchmal auch Angst vor dem Neuen hat und Ordnung ist da was Feines, um sich dran fetzuhalten, Du hast ein humorvolles, aber auch trauriges Stück über die bescheuerte Scham vor großen Gefühlen geschreiben.
Hat mir echt gefallen.
Viele Grüße von Novak

 
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Hallo Juju,

ich bin direkt so frei, meine Wortkrieger-Entjungferung unter deiner Kurzgeschichte zu vollziehen.

Mir gefällt dein lockerer freier Stil, er passt wunderbar zum geschilderten Szenario. Das einleitende Zitat des anonymen Klowandbeschmierers ist vortrefflich (fikitiv?). Die Gedankenwelt des Protagonisten kommt gut zur Geltung, er wirkt sehr glaubhaft. Die bereits oben erwähnte Mischung aus Komik und ernsteren Gedanken finde ich ebenfalls gelungen. Ich möchte anmerken, dass ich mich Quinn's Kommentar im allgemeinen anschließen kann.

Meine favorisierte Stelle ist die in der unser WG-Mann von Katjas Freund beiseite genommen wird. Vortrefflich!

Leider ist das Ende für mich ebenfalls etwas unrund. Die Gedankengänge während des Akts hätten andere sein können. Ich bin aber nicht gänzlich von deiner getroffenen Wahl enttäuscht, da ich die Gegenüberstellung von Zerstörung und Schaffen ansprechend finde.

Ich muss gestehen, dass du von mir, aufgrund meiner momentanen Situation, einen gewissen Sympathiebonus erhältst. Ich wohne derzeit in einer WG (Zwei Frauen und Ich) und kann mich sehr gut in deine Erzählung einfühlen. Über die Gefühle die sich da entwickeln können kann ich ein trauriges Lied singen, möchte aber lieber ein Requiem erklingen lassen und sie in stillem schweigen ziehen lassen.

Beste Grüße
Samoner

 

Boah, schon mal super vielen Dank, Leute, und danke für die Empfehlung, Quinn! Freut mich riesig! Bis bald gleich in aller Ausführlichkeit!

 
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Lieber Juju,

die Geschichte hat mir gefallen, weil du witzig und locker die Probleme mit unserem (wohl typisch deutschen) Ordnungssinn auf die Schippe nimmst und daran die kleine Liebesgeschichte aufhängst.
Wie wohl auch Lollek schon gesagt hat, ist das eine typische WG-Situation, die du da beschreibst.
Vor gefühlten hundert Jahren (es sind ungefähr 40) habe ich in einer WG (auch in Berlin) ganz ähnliche Probleme erlebt. Natürlich ging es nicht um das Einräumen in die Spülmaschine, die hatten wir noch nicht, die Mütter im Kopf schon. Auch die nette Liebesgeschichte kann sich so in jeder anderen Zeit und in jeder anderen WG abspielen. Und ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie so nur in Deutschland vorstellbar ist.

Und da bin ich bei deiner Meinung, lieber Quinn.

… hier mit Witz und Verstand eine Gegenwart abgebildet wird, die sich wahrscheinlich nie so ereignet hat, die aber doch einiges über das Leben in Deutschland im Jahr 2015 aussagt
Das Zitat habe ich deiner Empfehlung entnommen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die kleine Auseinandersetzung mit ihr hier an der richtigen Stelle ist. Aber ich möchte nicht deine Empfehlung in Frage stellen, sondern hab mich nur mit der Begründung ein wenig schwer getan.
Wenn ich dich richtig verstehe, so behandelt Juju in seiner Geschichte einiges, was exemplarisch für das Leben in Deutschland im Jahre 2015 ist, sozusagen pars pro toto.
Was sollte das sein? Die Probleme mit der undurchschaubaren Ordnung in der Spülmaschine oder das Sich-Verlieben in einer WG? Oder ist es doch der typische deutsche Ordnungssinn? Oder dass die Töchter wie die Mütter sind? Da kann ich dir, lieber Quinn, leider nicht folgen. Vielleicht kannst du es mir erklären. Mir scheint die kleine, nette Geschichte fast anekdotenhaft eine besondere, sehr persönliche Situation zu beinhalten, aber nichts, was über diese Ebene auf das Leben in Deutschland 2015 hinausweist, auch wenn der Klo-Spruch so tut.
Wir haben keinen Gott, wir glauben den Medien nicht, wir lachen über Politiker, die Literatur ist tot, aber das Geschirrspülen … das nehmen wir richtig fucking ernst in diesem Land!
Die Biederkeit der Deutschen hat der alte Lenin da übrigens schon besser auf den Punkt gebracht.

Wenn wir nach Geschichten suchen, die einiges über das Leben in Deutschland im Jahr 2015 aussagen, so finde ich hier bei den Wortkriegern in letzter Zeit bessere, aussagekräftigere Beispiele dafür - u.a. in den letzten Texten von Jimmysalaryman, Novak und sogar mit Einschränkungen in Dions Text.
Diese Texte haben Relevanz und Brisanz und weisen auf deutsches Leben im Jahre 2015 hin. Das finde ich in Jujus Text leider nicht, habe es aber auch nicht gesucht.

Lieber Juju, deinen Text lese ich als amüsante kleine und sehr persönliche Episode und so hat sie mir sehr gefallen.


Einen schönen Sonntag wünscht euch
barnhelm

 
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Hallo Quinn,


Also das mit den Eltern ist wirklich ein „blinder Fleck“, den wir haben, den wir auch haben wollen.

Das ist tatsächlich ein bisschen erschreckend, wenn man da mal anfängt drüber nachzudenken. Ich weiß auch gar nicht, sagt man das in Deutschland gerne auch?: Werf mal einen Blick auf deine zukünftige Schwiegermutter, wenn du wissen willst ...
Ich weiß auch gar nicht, ob man das "so sagt"in den USA, aber irgendwie ... ich muss grad dran denken, gibt ja die eine Szene bei Meet the Fockers, wo Ben Stiller auf Drogen ist und ne Rede bei der Hochzeit halten muss: "And there's another wonderful lady in the audience, my future mother-in-law Dina Byrnes! Dina-Dina-Bo-Bina-I-love-Dina! Byrnes! You know they say you can tell from looking at the mother what your wife will look like in the future - well, I'ma looking, and I'ma LIKIN.."

Wobei das auch nur aufs Aussehen bezogen ist. Dass sie aber bereits so ist, in "klein" ... und man selbst auch ... das will man wohl wirklich nicht glauben.

Ich sah ihm in die Augen und sagte: „Liebst du sie?“
Das ist schon großartig. Ich finde der Text hat was von The Big Lebowski, unterschwellig.

Das freut mich. Also gerade die Stelle gefällt mir auch voll, wie er das so fragt. :)

Er macht da eine schwere emotionale Reise durch - keinen anderen juckt es. Das find ich großartig in dem Text, ich glaube: So ist es. Das ist ja eine Welt, in der jeder so mit sich selbst beschäftigt ist, dass es keine, ja keine nennenswerten Verbindungen untereinander gibt: Der hat eine Freundin, die sieht er nicht.

Freut mich auch, wenn das so ankommt. Ich frag mich auch immer .. ja. Also man ist halt wirklich immer nur im eigenen Kopf drin, was? Viele Gedanken, die er hat, sind wohl auch nicht "konkret genug". Die Spülmaschine ist aber was ganz Konkretes. Aber eben nur die Spülmaschine. Und daran scheitern dann. Und irgendwie dazwischen.

Das ist ja großartig und absurd. Dass seine große emotionale Reise darin besteht, erstmal das ganze Wissen, was er hat, und die ganzen Werte im Bett liegend zu ordnen und das gedanklich gebacken zu kriegen, warum er bei der Spülmaschine versagt.

Ja, echt cool, wenn du das so liest und das Absurde rüberkommt.

Das ist ja auch so ein Idealbild, das man hat. Dass man natürlich glaubt, man könne 20mal die Spülmaschine konzentriert einräumen. So wie jeder glaubt, dass er viel besser in allem sein könne, wenn er sich nur richtig Mühe geben. Aber der Zeitpunkt dafür war irgendwie nicht gekommen oder so.

Stimmt, das denke ich eig. grundsätzlich bei allem. :) Ich glaube auch immer noch, dass aus mir mal ein richtig guter Dreier-Schütze werden kann, wenn ich einfach mal einen Sommer lang jeden Tag übe. Obwohl praktisch gar nichts mehr dafür spricht. Aber das denke ich trotzdem. Also wenn Hummels und Boateng und Dante alle irgendwie noch denken, so unterschwellig, die hätten "eigentlich" das Zeug zum krassen Mittelstürmer, würde mich das echt null wundern. Shaq hätte einfach mehr Freiwürfe üben sollen. Das glaubt er bestimmt heute noch.


Ich sag mal: Wenn das Blut unten ist, dann ist es nicht oben.

Da ist was dran.


Und am Ende ist er der Held, dessen Reise alleine zählt.

Weißt du, wer genauso schreibt? Hornby. Die Hornby-Geschichten, die ich kenne, laufen immer so ab, dass sich ein Mann total verrannt hat in seine eigene Gedankenwelt und seinen Mikrokosmos. Dann merkt er, dass es nicht geht, meist der Liebe wegen, dass er Kompromisse eingehen muss. Dann begibt er sich auf eine Reise, um sich zu ändern. Er scheitert. Und am Ende ändert sich die Welt um ihn herum und es ist ein Happy-End.


Und wieder sind wir bei Hornby. :) Also das ist schon interessant, ja. Ich meine, das hat evtl. eine gewisse Logik auch, vielleicht einfach erzähltechnisch, wenn sich irgendwas halt ändern oder bewegen soll oder "muss", aber wenn manche Hindernisse zu groß sind, die Hauptfigur irgendwie mit Dingen kämpft, die er nicht wirklich ändern wird ... was passiert dann? Ich weiß auch nicht, ob das ein richtiges "Happy End" ist hier, schwierig.
Ich muss grad auch an Woody Allen denken iwie. Das sind auch so Figuren, also die Klassischen, die haben auch so Probleme ... wobei Woody die Geschichten glaub gerne einfach enden lässt, die Figur scheitert und die Geschichte endet auf eine ironische/absurde Note, so c'est la vie, die Musik spielt, die Figur hat vielleicht was dazu gelernt .... vielleicht aber auch nicht ... so megaklar ist das nicht unbedingt ... und das war's, niemand hat Sex, und wenn dann der andere. Bei Hornby ist das anders, das stimmt. Das Cornetto-Zeug muss ich mir nochmal angucken.

Wie immer vielen Dank für die spannende Kritik, Quinn! Lass ich mir alles nochmal durch den Kopf gehen, die Empfehlung freut mich natürlich auch, danke!

Hey Lollek,


Für mich ist das ein sehr, sehr stimmiger Text, bei dem wirklich der Erzähler mit dem Inhalt verschmilzt und man ihm jedes Wort abnimmt.

Das freut mich!

Ich finde es einerseits ja gut, dass wir einiges (vielleicht) ernster nehmen als die Amis, aber wir sollten nicht alles ernster nehmen, sondern die wichtigen Sachen, die, die wir unseren Kindern mitgeben können. Gute Geschichten überleben Jahrtausende. Spülmaschinen wird man irgendwann nicht mehr selbst ausgeräumen müssen. Ich meine, wo bleibt die Romantik? Und das ist das, was ich bei den Amis bewundere. Die trauen sich Geschichten zu erzählen, die vielleicht kitschig sind, aber auch Gedanken anregen und Grenzen sprengen. (Hab gestern Interstellar gesehen und war völlig begeistert.) Aber ich schweife ab.

Also ich hab mir den Ich-Erzähler nicht unbedingt als "Ami" vorgestellt .... weiß aber auf jeden Fall, was du meinst. Ich sag mal, wenn das ein typischer "klischeehafter Ami" wär, dann würde er sich vielleicht einfach insgesamt weniger Gedanken machen und mehr mit der Mitbewohnerin reden oder so was? Aber das ist echt alles schwer zu sagen auch ... weiß ich nicht. Ich meine, du kannst dich glaub gut mit der Figur indentifizieren, Quinn glaub auch, müsst ihr mir sagen.
Ob Deutsche jetzt so viel ernster sind … also kommt auch drauf an bei was. Amerikaner nehmen schon einige Dinge ziemlich ernst, Patriotismus und "Legendenbildung" beim Sport und das 2nd Amendment und alles mögliche so. I believe in the right to bear arms. I believe in sacrifincing yourself for the greater good. I believe in Kobe. Man kann glaub schon sagen, dass sie insgesamt unironischer sind. So kommt die Literatur schon rüber und viele Menschen auch. Interstellar war ja sogar für mich beinahe grenzwertig zum Schluß. Ich mag das aber auch.
Aber umgekehrt gibts dieses "ich weiß nicht, woran ich glauben soll" - das gibt's auf jeden auch in den USA, je nachdem wo man hingeht. Dave Eggers thematisiert das ein bisschen. Und dann wird er gerne zerrissen hier, von der Zeit oder so, weil er das nicht "literarisch" genug macht, weil man große Themen quasi nicht so anpacken "darf". Ich schweif jetzt auch ab. Mir fällt das auch schwer, all das als Autor speziell in Bezug auf die Geschichte hier zu bewerten.


Bei uns in der Studenten WG gabs immer Stress wegen Klopapier.

Ja echt, wegen irgendwas gibts immer Stress.

Das tut weh und solche Erfahrungen muss ich im Alltag auch häufig machen und ich denke du kennst das auch. Wenn man Feuer und Flamme für ein Thema ist und reden will und alle um dich herum die Augenbrauen heben und lächeln, als wärst du irgendein Dummschwätzer. Oksy, fickt euch. ich geh was schreiben.

haha, ja das kenn ich echt gut. :)

Vielen Dank für den Kommentar, Lollek! Hat mich sehr gefreut!

Novak, Samoner, barnhelm, euch auch vielen Dank, bis später.

 

Hallo Juju,

das ist im Kern eine tieftraurige Geschichte, richtig bitter.
Es wird nicht besser, weil es um die Spülmaschine geht, ich denke, diese Absurdität macht sie sogar noch trauriger.
Für mich steht diese Geschichte für ein nicht fassbares Gefühl, so ein Gefühl, das über einen herschwebt und irgendwann auf einen prallt und das ist deinem Protagonisten passiert, als er wahrscheinlich diesen Klospruch gelesen hat. Das schöne an diesem Klospruch ist ja, dass es ernst gemeint ist, es ist keine Ironie, es ist bitter ernst, so wie deine Geschichte, auch wenn sie so locker flockig daher kommt, aber im Grunde stellt man sich die Frage, ja, woran glauben wir, wofür kämpfen wir im Leben, wo soll das alles hinführen, steuer ich da irgendwohin oder lass ich mich eher treiben. Ich habe das Gefühl jedes Jahrzehnt hatte so seine Jugendbewegung, irgendeine Erneuerung, irgendetwas, wofür es sich gelohnt hat jung zu sein: ob es nun gegen die maroden Moralvorstellungen der Eltern war, für den Minirock, für die Schwarzenbewegung, für die Frauenbewegung, für die Arbeiter, gegen den Krieg, für die Liebe, für ein freies Leben, für die Meinungsfreiheit und Bewegungsfreiheit für die Selbstentfaltung und Selbsterfüllung. Irgendwie hat man das alles schon hinter sich und wenn man diese Worte so in den Raum wirft, dann wird man bestimmt schräg angeschaut, weil wir über die Postmoderne schon hinausleben und da muss man schon mit Anfang zwanzig die Welt durchschaut haben, da darf es gar keinen Gott geben und wer an die Neutralität der Medien glaubt, ist einfach nur blöd, Demokratie ist in der Krise, Europa sowieso und es toben Kriege, aber irgendwie ist das dann doch nicht unser Problem und das ist weit weg und wer Solidarität mit Flüchtlingen oder Syrern ruft, kann nur in der Antifa sein.
Also ich bekomme das auch nicht so richtig zu fassen, ich habe einfach das GEfühl, die Jugend ist total zersplittert, es gibt da eine Gruppe, die sich gegen Rassismus einsetzt, hier die Genderleute, hier die Schwulen und Lesben und da die Kriegsgegner - aber der Durchschnitt ist mit dem Herzen nirgendwo dabei, und ja, man setzt sein Profilbild in Regenbogenfarben, hat aber nie für Schwule gekämpft, man hat sich aber bisschen positioniert, ohne wirklich was riskiert zu haben.
Im Kern stellt für mich die Geschichte so eine Orientierungslosigkeit der jungen Leute dar, warum sollte dein Prot sonst durch die Gegend ziehen und die Leute fragen, woran sie glauben, so naiv das ganze Unterfangen auch klingt, aber es ist doch eine berechtigte Frage und natürlich sind alle ironisch und diese Dauerironie geht mir echt auf den Sack, also das ist doch echt nicht auszuhalten, wenn man alles mit ironisch nimmt, dann kann man doch nix Neues erschaffen, dann ist es kein Wunder, wenn der Prot. zu den Disneyfilmen zurückkehrt, weil da das Weltbild so schön geordnet ist, da ist alles aufgeräumt, dem Helden passiert etwas Furchtbares, das überwunden werden muss und er schafft es dann und alle sind glücklich. Aber hier ist es so, dass dein Held gar kein konkretes Problem hat, ihm passieren keine derbe Sachen, er ist nicht Arielle, die eine neue Welt entdeckt und ihr Ich, ihre Familie und Freunde zurücklässt, weil sie sich in einen Menschen verliebt hat. Das ist vielleicht auch das Traurige an diesen Figuren, es passiert nix Schlimmes, es gibt nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnt - lauter Zombies und ich hab das Gefühl, dein Prot ist gerade aufgewacht und denkt sich nur: Was ist hier los, was soll ich machen, die Zeit geht vorbei, ich werde irgendwann alt und was habe ich dann gemacht, was kann ich meinen Enkeln erzählen, was kann ich mir erzählen? Von der Spülmaschine? Autsch.

Und DESWEGEN, Juju, deswegen ist die Überschrift falsch. :D
Zerstörung ist doch so ein aktiver Prozess, und ich finde, was hier passiert, das ist wohl er so ein langsames Auflösen. Verfall möchte ich nicht sagen, weil das auch irgendwie viel zu dramatisch klingt, sowie Zerstörung eben auch, aber es ist so eine Orientierungslosigkeit, so frei von irgendwelchen Idealen, weil man gecheckt hat, dass irgendwie alles falsch ist: die Liebe gibt es nicht, die Wahrheit nicht, die Gerechtigkeit nicht. Und es wäre dann schwarz-weiß, wenn man an das Gegenteil glaubt, an den Hass, die Lüge und die Ungerechtigkeit - das ist ja auch falsch.

Das Ende, ist schon richtig, aber da kann ich seinen Gedanken nicht mehr folgen, das passt irgendwie nicht, warum sollte er die Welt zerstören wollen? Es ist klar, dass hier die Liebe, Zuneigung, meinetwegen Solidarität mit einem einsamen Menschen in Form von Sex konkretisiert wird, aber dann lass das auch so ausklingen. Wir sind vielleicht dann eine Generation, die alles gerne konkret haben will, wir können nicht mehr mit abstrakten Sachen (Gott, Demokratie, die Idee Europa) nicht umgehen, weil wir damit furchtbar überfordert sind. Und ja, jetzt habe ich doch Wir geschrieben, ich fühl mich da nämlich irgendwie mit hineingezogen, obwohl ich doch anders aufgewachsen bin. :)

Also, ja, die Geschichte gibt nicht nur 2015 gut wider, das hat schon früher angefangen, ist so ein schleichender Prozess. Ich hoffe, das hört irgendwann auf, dann kommt wirklich ein schwarzer Präsident, der die Welt verändert, dann wird eine Frau Kanzlerin und ist dann völlig anders, dann werden Menschenrechte durchgesetzt und Israel und Palästina liegen sich in den Armen, die ISIS löst sich auf, der Hunger wird beseitigt, weil Europa sich nicht mehr in die afrikanische Wirtschaft einmischt ... Ach.


Die Spülmaschine muss wieder ausgeräumt werden.

Mir hats gefallen, sehr gute Geschichte, die Empfehlung kann ich so unterschreiben.

JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Wenn ich dich richtig verstehe, so behandelt Juju in seiner Geschichte einiges, was exemplarisch für das Leben in Deutschland im Jahre 2015 ist, sozusagen pars pro toto.
Was sollte das sein? Die Probleme mit der undurchschaubaren Ordnung in der Spülmaschine oder das Sich-Verlieben in einer WG? Oder ist es doch der typische deutsche Ordnungssinn? Oder dass die Töchter wie die Mütter sind? Da kann ich dir, lieber Quinn, leider nicht folgen. Vielleicht kannst du es mir erklären. Mir scheint die kleine, nette Geschichte fast anekdotenhaft eine besondere, sehr persönliche Situation zu beinhalten, aber nichts, was über diese Ebene auf das Leben in Deutschland 2015 hinausweist, auch wenn der Klo-Spruch so tut.
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Es gibt halt mehr Realitäten und Lebenswelten als nur die eine. Man tut immer so, als würde sich Deutschland in den 15 Minuten der Tagesschau wiederfinden. Da glaub ich überhaupt nicht dran. Das hätten manche gerne, dass das Außen im eigenen Leben und im Lebensgefühl so präsent ist, aber da macht man sich was vor. Da glaub ich überhaupt nicht dran. Den meisten ist es im Alltag doch viel wichtiger und es ist viel präsenter, dass schönes Wetter ist, als dass in Tunesien Urlaubern der Kopf abgeschnitten wird. Das ist weit weg.

Wenn du bei der Tageszeitung arbeitest, da lernst du mit als erstes: Kaum wer liest die Außenpolitik, die wichtigen Sachen. Das Lokale ist das Herzstück jeder Zeitung. Das hat Einfluss auf das Leben der Menschen. Man kann dann sagen: Ja, bei Gebildeten, bei Künstlern, bei Leuten mit Sendungsbewusstsein ist das anders. Die interessiert nicht, was da der Bürgermeister über die Umgehungsstraße sagt, sondern was Steinmeier über den Nahen Osten so meint, das ist sicher auch eine Realität und ein "Stimmungsbild" irgendwie, aber ich halte das für keinen Ansatz, der irgendeinen Anspruch auf "Ich bin der alleingültige" hat.

Deutschland ist eben auch 25 und lebt in einer WG und weiß nicht, wohin mit dem Leben. Ich denke, was in dem Text hier eine große Rolle spielt, ist dass das Leben der Einzelnen zu voll mit ihrem eigenen Kram ist und dass wir in einer so kommunikativen Welt leben, dass wir einander nicht mehr zuhören. Das ist gemeinschaftliches Cocooning. Das ist ein großes Thema für die Digital Natives - zu der Jujus Figur sicher gehört.

Es ist ja schon lange ein Thema der Großstadt: Wir leben aneinander vorbei. Die Nachbarin kann sterben, man merkt's erst am Geruch. Und es spielen sich Dramen ab, die keinen interessieren. Das sind ja schon Themen der Verstädterung vor vielen Jahrzehnten. Die direkt mit der Lebenssituation der einzelnen zu tun haben und präsent sind und immer waren.

Jetzt gibt es Communities und Chatgruppen und jeder redet ständig miteinander und erzählt sein Zeug, was er hat, und in jedem geht ganz viel vor und jeder ist Künstler - und es ist dann in dieser Öffentlichkeit, im virtuellen Raum, eine Vereinsamung. Jeder redet, aber keiner hört zu.

Auch das ist kein Thema, dass irgendwie Anspruch auf Alleingültigkeit hat. Als wäre das "DAS DEUTSCHLAND"; aber es ist ein Teil davon und der Teil wird hier behandelt. Das ist keine "Anekdote", die nur einem passiert. Sondern das ist, denke ich, ein Stück Lebensgefühl dieser Generation. 50jähriger wird das nicht so empfinden, aber ich denke so 16-35 - da ist das ein wichtiges Thema, die Vereinsamung in der Cloud sozusagen.

Jimmys Figuren spielen in einer ganz anderen Welt. Da zu sagen: Das ist aber dramatischer, das ist existientieller, also auch wichtiger: Ehm ... nee, glaub ich nicht dran.

Dion hat ganz andere Themen. Da kann man sagen: Es muss doch auf das Elend geguckt werden, auf die wichtigen Sachen, auf Syrien. Nein, muss nicht. Das hat mit der Realität so vieler überhaupt nichts zu tun. So wie Jujus Text eben auch nicht.

Hier im Text: Der Protagonist sagt etwas und die Freundin schickt ihm einen Daumen nach oben: Das ist 2015. Das ist, in meinen Augen, für das Leben so vieler relevanter als Syrien oder Griechenland, weil sie das sehen und empfinden - und Syrien und Griechenland sind so weit weg.

Also zu sagen: Ein Text, der sich mit Deutschland in 2015 auseinandersetzt, muss zwingend Syrien und Griechenland behandeln - das ist wie die Idee des Feuilletons: Es muss jetzt mal einer den großen deutschen Roman schreiben und da muss es um die Wende gehen. Das ist doch so wichtig, das muss jetzt da mal rein. Nee, überhaupt nicht. :)

Das ist ja ein großes Thema: Es gibt nicht mehr eine Gesellschaft, sondern eine Vielzahl davon. Und ich glaube der Text sagt schon viel über unsere Zeit und unser Land aus, wenn halt auch nicht jeder Zugang dazu hat. Ich glaub das hier ist eine Geschichte für "Digital Natives." Wenn du sagst, du hast vor 40 Jahren in einer WG in Berlin gelebt, dann ist ja völlig klar und verständlich, warum das weit weg ist.

Man könnte auch einen Text über Einsamkeit im Altersheim schreiben und es würde einiges über Deutschland in 2015 aussagen. Weil das Themen unserer Zeit, Ausprägungen von bestimmten Trends und Werten sind
Böse gesagt: Syrien, die Wende oder Griechenland sind das nicht. Weil das keine Sachen sind, die fühlbar-direkt mit unseren Werten zu tun haben, die aus uns heraus stammen, sondern mit wirtschaftlich-politischen Sachen, die "passieren" und mit denen wir uns abfinden müssen.

Die Vereinsamung liegt an Werten, die wir haben, an Erfolgsstreben, an Illusionen, an Zielen. Deshalb sind manche Stoffe so unfassbar spannend, weil sich da was "aus der Gesellschaft heraus entlädt." Und andere Stoffe, bei denen technisch was passiert, sind es nicht.

 

... die ISIS löst sich auf ...

Hey Jo, nur, weil ich das jetzt bei Dir im zweiten Beitrag lese: Wenn überhaupt, dann heißt es der ISIS und im Übrigen finde ich, sollte man diesen Namen gar nicht benutzen. Stell Dir vor, eine Terrororganisation würde sich Zeus oder Odin oder Jesus nennen. Das ist kein Grund, diese Anmaßung zu unterstützen.

 

Versteht man mich besser, wenn ich Daesh sage und dabei einen Kehllaut benutze? :P

Du rätst mir den richtigen Genus zu benutzen, aber dann doch nicht den Namen zu benutzen? ;) Ich verstehe schon deinen Einwand, ich möchte sie aber wirklich nicht als islamischen Staat bezeichnen, ist für mich mehr eine Gruppe oder Organisation, deswegen DIE IS!

 

Hallo Quinn,

Man könnte auch einen Text über Einsamkeit im Altersheim schreiben und es würde einiges über Deutschland in 2015 aussagen. Weil das Themen unserer Zeit, Ausprägungen von bestimmten Trends und Werten sind
Böse gesagt: Syrien, die Wende oder Griechenland sind das nicht. Weil das keine Sachen sind, die fühlbar-direkt mit unseren Werten zu tun haben, die aus uns heraus stammen, sondern mit wirtschaftlich-politischen Sachen, die "passieren" und mit denen wir uns abfinden müssen.
Da scheiden die Geister sich wohl ziemlich. Ich finde zwar auch, dass JuJus Text das Jahr 2015 repräsentiert und ich mag den Text sehr. Aber zu sagen, die Wende oder eine Atmosphäre des Misstrauens (z. B. dem Islam gegenüber wie in meinem Text, denn klar fühl ich mich angesprochen, auch wenn ich von dir nicht namentlich genannt worden bin) oder die Entscheidung, den Euro zum Weltgeld zu machen und diesem Standpunkt alle Lebensverhältnisse zu unterwerfen, das alles wäre nicht "fühlbar-direkt" und hätte nichts mit unseren Werten zu tun, das ist eine ordentliche Untertreibung. Sag doch mal einem Griechen, der gerade nicht an seine Rente kommt, das wäre ja nicht fühlbar. Oder einem Typen nach der Wende, der sich saumäßig auf die Freiheit gefreut hat, und dann ist alles anders oder auch nicht: Junge, das Gefühl, das du da grad hast, das ist ja nur technisch. Ehrlich, ich kapiere nicht, wieso du das alles so eingrenzen willst.
JuJus Geschichte ist schön. Keine Frage. Aber deine Aufzählung von Themen, die angeblich nicht fühlbar mit unseren Werten verbunden seien, die gründen auf deiner persönlichen Entscheidung, deiner Bewertung für literarisch interessante Themen und deinem Geschmack. Es ist deine Entscheidung, im Privaten bleiben und alle politischen Einflüsse ausblenden zu wollen. Deine Entscheidung, diese politischen Themen nicht mit Vereinsamung, Erfolgsstreben, Desillusionierung verbinden zu wollen. Kann man so machen. Aber ob es wirklich die einzigen unfassbar spannenden Themen sind, ganz im Privaten bleiben zu wollen? Die Mehrheit gibt dir vermutlich Recht, was mich ein wenig traurig macht. Ja, ist so. Aber manchmal gibt die Mehrheit Recht und hat trotzdem nicht Recht.

Sorry JuJu, das ist nicht direkt zu deiner Geschichte gewesen, aber ich finde es auch nicht offtopic.

 

Ich hab das bisschen anders gemeint, ich bin ja jetzt niemand, der unpolitisch wäre oder der sagt: Das spielt alles keine Rolle. Aber das andere spielt eben auch eine Rolle und ist oft literarisch nachvollziehbarerer.

Wenn einer faul ist und er hat deshalb im Alter kein Geld - das ist literarisch was anderes als: Jemand hat sein Leben lang gearbeitet und hat im Alter kein Geld, weil komplizierte globale Sachen abgehen.

Natürlich ist das auch relevant und es ist Realität, aber es ist keine Folge seines eigenen Tuns.

Und so wie hier: Die Geschichte kommt aus der Figur und aus den Werten, mit denen sie aufgewachsen ist.

Darum geht's mir. Ich hab mich dagegen verwehrt, dass es heißt: Themen unserer Zeit sind nur Syrien oder Griechenland. Vielleicht bin ich da bisschen übers Ziel hinausgeschossen.

 

Hallo Juju,

ich habe eine Freundin, die kürzlich bei mir war, sich meine Wohnung mit all den Schränkchen und Kommoden (auch Büchern) entzückt angeschaut hat, die aus einer vergangenen Zeit stammen, dann aber einen Blick auf meine Spüle geworfen hat und sich intensiv damit beschäftigt hat, den bräunlichen Film aus Kaffee und Tee zu beseitigen, der sich darauf gebildet hat und wie mir schien angewidert war von diesem Mangel an Ordnungs- und Putzwillen, dann aber doch noch ihren Tee aus dem englischen Porzellan mit den Kranichen nahm, das nicht einmal spülmaschinentauglich war....
Was hat das mit deiner Geschichte zu tun ?
Daran musste ich denken und schmunzeln, als ich sie las.

Was das aber mit dem Zustand unsere Gesellschaft zu tun hat (siehe die anderen Kommentare), erschließt sich mir nicht. Solch eine Haltung gab es auch schon, als es noch keine Spülmaschinen gab. Menschen wünschen sich nicht erst seit 2015 oder in einer WG Sauberkeit und Ordnung.
Es lässt sich aber natürlich alles mögliche interpretieren und erschließen, wenn man das nur will.

Ich habe die Geschichte gern gelesen, mehr aber auch nicht.
Sie ist gut geschrieben, demaskiert alle Beteiligten, mehr aber auch nicht.

Und sie enthält für mich keine Erklärung des einleitenden Klospruchs, außer im Hinblick auf die Spülmaschine:

Wir haben keinen Gott, wir glauben den Medien nicht, wir lachen über Politiker, die Literatur ist tot, aber das Geschirrspülen … das nehmen wir richtig fucking ernst in diesem Land!
- Klospruch in einer Bar in Neukölln

Ich finde keinen Gedanken zu Gott, den Medien, den Politikern oder der Literatur.

Aber gut: am Ende haben sie es gemacht und darauf kam es wohl an :)

viele Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Novak,

Was mir noch so saugut gefiel, ist, dass du das mit diesem hervorragenden Klospruch verknüpfst. Der ist ja echt herrlich.

Cool, dass das ankommt. :)
Dein Text, Juju, macht sich lustig über die Tendenz, sich an einem Ordnungsprinzip festhalten zu wollen, weil man vielleicht manchmal auch Angst vor dem Neuen hat und Ordnung ist da was Feines, um sich dran fetzuhalten, Du hast ein humorvolles, aber auch trauriges Stück über die bescheuerte Scham vor großen Gefühlen geschreiben.

Finde ich echt interessant, wie du das zusammenfasst.


Bin mal mit paar Freundinnen weg gewesen, da hat die eine immer, wenn wir anderen eingeräumt haben, ganz missbilligend geguckt, und alles wieder umgestellt, was wir eingeräumt haben. Das sind so merkwürdige Themen, die scheinen ganz banal, aber dann fixieren sich alle drauf und das zieht sich durch, wird nie groß thematisiert, aber ist im Hintergrund immer da, weil es irgendwie auch ein Symbol ist für alles Mögliche.

Ja, das ist ganz häufig so. Mir hat grad jemand auf facebook den Artikel hier zugeschickt. :)

http://www.dailymail.co.uk/news/art...ve-marriage-experts-say-stack-dishwasher.html


Vielen Dank für die tolle Kritik, Novak! Gehe auf andere Punkte weiter unten noch ein.

Hallo Samoner,


Mir gefällt dein lockerer freier Stil, er passt wunderbar zum geschilderten Szenario.

freut mich :)

Leider ist das Ende für mich ebenfalls etwas unrund. Die Gedankengänge während des Akts hätten andere sein können. Ich bin aber nicht gänzlich von deiner getroffenen Wahl enttäuscht, da ich die Gegenüberstellung von Zerstörung und Schaffen ansprechend finde.

Also zum Thema "Schwagerschaft" ... ich hab jetzt wieder einen Satz reingetan, der war lange drin und dann hatte ich ihn kurz vor Veröffentlichung gelöscht, weil ich das für unnötig hielt. Also der geht so:
Wäre ich dann Vater, oder wie? Was würde ich einem Kind über die Welt erzählen?

So war der Gedanke in meinem Kopf. Jetzt steht er da, ob das nun besser oder schlechter ist, weiß ich nicht.


Ich wohne derzeit in einer WG (Zwei Frauen und Ich) und kann mich sehr gut in deine Erzählung einfühlen. Über die Gefühle die sich da entwickeln können kann ich ein trauriges Lied singen, möchte aber lieber ein Requiem erklingen lassen und sie in stillem schweigen ziehen lassen.

haha, okay … ich glaub das kenn ich auch. :)

Vielen Dank für die Kritik! Hat mich sehr gefreut.


Hallo bernheim und Isegrims und alle anderen,

also das entwickelt jetzt alles eine Eigendynamik hier. Also ja, was kann ich als Autor dazu sagen. Das klingt ja verrückt, wenn ich jetzt sage: Ich wollte "ganz Deutschland" mit einer Kurzgeschichte irgendwie auf den Punkt bringen. Quinn hat auch nicht behauptet, dass ich das getan hätte oder dass das überhaupt möglich wäre.
Aber wtf: was ich schon machen wollte, neben lustig sein und so: irgendwas über das Gesamt-dings-gefühl aufs Blatt bringen, natürlich so aus meiner Sicht.
Also wenn man jetzt sagt: das ist ne nette/lustige Geschichte über einen Spülmaschinenkonflikt in der WG und das nehme ich so für mich mit - cool, freut mich, das ist da auch drin. Aber natürlich ging's mir hier nicht "nur" um die Spülmaschine oder "nur" um einen deutschen Ordnungwahn, da müsste ich ja lügen. Wenn man sich null damit indentifizieren kann, dann ist das ja auch okay, dann ist das halt so. Ich halte Syrien und Griechenland und viele andere Themen doch auch für wichtig, ich "blogge" ja seit Jahren auf der Seite hier über so Zeug und es juckt doch nicht besonders.
Jo und Quinns Ausführungen geben auch einiges von dem wider, was mir und vielen anderen Leute glaub so oder so oder ähnlich durch den Kopf geht, glaub ich.

Vielen Dank für eure Kritiken!

Hallo Jo!


Also ich bekomme das auch nicht so richtig zu fassen, ich habe einfach das GEfühl, die Jugend ist total zersplittert, es gibt da eine Gruppe, die sich gegen Rassismus einsetzt, hier die Genderleute, hier die Schwulen und Lesben und da die Kriegsgegner - aber der Durchschnitt ist mit dem Herzen nirgendwo dabei, und ja, man setzt sein Profilbild in Regenbogenfarben, hat aber nie für Schwule gekämpft, man hat sich aber bisschen positioniert.

ja, so empfinde ich das auch,

Was ist hier los, was soll ich machen, die Zeit geht vorbei, ich werde irgendwann alt und was habe ich dann gemacht, was kann ich meinen Enkeln erzählen, was kann ich mir erzählen? Von der Spülmaschine? Autsch.

Ja, das ist auch der Gedanke, den ich ursprünglich ausformuliert drin hatte, bei der Lesung noch drin hatte, mit der Schwangerschaft und so, vielleicht weniger im Sinne von: Was bleibt übrig?, sondern: Was erzähle ich denen ganz konkret

Zerstörung ist doch so ein aktiver Prozess, und ich finde, was hier passiert, das ist wohl er so ein langsames Auflösen. Verfall möchte ich nicht sagen, weil das auch irgendwie viel zu dramatisch klingt, sowie Zerstörung eben auch, aber es ist so eine Orientierungslosigkeit, so frei von irgendwelchen Idealen, weil man gecheckt hat, dass irgendwie alles falsch ist: die Liebe gibt es nicht, die Wahrheit nicht, die Gerechtigkeit nicht.

Ja, das ist halt die Frage. Ist es wirklich "Zerfall"? Also ich hab schon das Gefühl: Menschen machen Dinge gerne kaputt. Sie bauen Dinge gerne auf, sie erschaffen gerne Dinge, sie halten sie gerne am Luafen, sie tun auch gerne das Gegenteil.
Also irgendwie fühlt sich das jetzt auch ein wenig übertrieben an, über den Zerfall der Welt sprechen, aber wtf: Angenommen, der Westen zerfällt irgendwie in 50 Jahren wirklich - sind wir dann "zerfallen" oder haben wir uns selbst zerstört? Ich glaube eher, man müsste dann sagen: Wir haben uns selbst zerstört. Ich meine, wenn es wirklich nichts mehr gibt, was wir glauben oder trauen, woran liegt das. Es gibt da keine bösen Zerstörer oder so … aber es gibt halt sehr sehr viele zersplitterte "Interessen" und ja …


Vielen Dank, Jo! Hab mich sehr gefreut!

 

Hallo,
[mention=1553]Quinn

Ich hab das bisschen anders gemeint, ich bin ja jetzt niemand, der unpolitisch wäre oder der sagt: Das spielt alles keine Rolle. Aber das andere spielt eben auch eine Rolle und ist oft literarisch nachvollziehbarerer.
Ja, das andere, das Private, die moderne Selbstdefinition und die Auseinandersetzung mit dieser Selbstdefinition, das spielt natürlich eine große literarische Rolle. Da würde ich dir nie widersprechen. Ob es literarisch nachvollziehbarer ist, das weiß ich nicht. Das ist vielleicht auch einfach eine persönliche Entscheidung, wie man sich mit seinem Schreiben ausdrücken will oder worauf man Wert legt. Ich will nur, dass mans nicht gegeneinander ausspielt.
Ich glaube ehrlich gesagt sogar, dass jemand, der explizit zeitgeschichtliche Themen wählt, weil sie ihm wichtig sind, es wesentlich schwerer hat. Und zwar nicht, weil es weniger nachvollziehbar wäre, sondern weil es nicht mehr dem Zeitgeist entspricht, explizit politisch in der Literatur zu sein, auch wenn die dauernd eingefordert wird. Aber das führt jetzt ab und ist einfach eine These.

Darum geht's mir. Ich hab mich dagegen verwehrt, dass es heißt: Themen unserer Zeit sind nur Syrien oder Griechenland. Vielleicht bin ich da bisschen übers Ziel hinausgeschossen.
Ich geh mit dir d'accord, Quinn, beide Bereiche sind Themen unserer Zeit. Also für mich ist die Fragestellung durch deine Antwort geklärt, vielen Dank also für dafür, dass du dich noch mal gemeldet hast.

Zu deinem Kommentar,
[mention=1553]Isegrim[/mention]

Und sie enthält für mich keine Erklärung des einleitenden Klospruchs, außer im Hinblick auf die Spülmaschine:

Wir haben keinen Gott, wir glauben den Medien nicht, wir lachen über Politiker, die Literatur ist tot, aber das Geschirrspülen … das nehmen wir richtig fucking ernst in diesem Land!
- Klospruch in einer Bar in Neukölln
Ich finde keinen Gedanken zu Gott, den Medien, den Politikern oder der Literatur.
Die Geschichte hat sehr viel mit dem Klospruch zu tun. Ich finde ihn perfekt gewählt als Ausgangspunkt.
Gott, die Medien, die Kunst und die Politik, das alles sind Synonyme für die Bereiche, die das Leben eines Menschen anno 2015 in Deutschland bestimmen oder beeinflussen. Zu all denen (wird in dem Klo-Spruch behauptet) hat man heutzutage ein abgeklärtes Verhältnis. All diesen Bereichen glaubt und vertraut man nicht mehr, man bildet sich sogar was ein auf die coole und duchblickende Haltung, die man zu ihnen hat. Man hat zwar Schiss, fühlt sich hundeelend allein und einsam, aber würde man jemals die Frage stellen, wo auf der Liebesskala man steht? Nee, da wär man echt fucking bedürftig.
Man liebt eigentlich das Süße, Romantische eines Dysneyfilms, das Gefühl der Geborgenheit, das sich in ihm verkörpert, dass alles alles gut wird, obwohl nichts gut ist, das ungeschminkte Gefühl. Und was kommt als Antwort? Disneys Welbild ist plakativer Stereotypenkäse. Die Person mit der Frage nach Disney wird nicht ernst genommen in ihren Wünschen, in ihrem Bedürfnis, sondern sie bekommt ein cooles Urteil übergestülpt.
Das könnte man genauso gut auch noch an dem Daumen hoch durchführen. Da fragt jemand, wofür er lebt, was der Sinn ist. Und kriegt ein Daumen hoch? Super Frage, Kerl und so cool Asarf Avidan und Engelmann gleich mit zitiert, oder wie die heißt. Und was kriegt er? Nicht eine Antwort, sondern den Daumen.
Also Mensch, das ist saukomisch. Aber nur einerseits. Und andererseits. Mann.
Ich bin ja keine junge Frau mehr, eine derartige Vereinzelung bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Zuverlässigkeit, Sicherheit, Geborgenheit und Harmonie und der Demonstration von Coolness und Abgeklärtheit, das hat es früher so nicht gegeben. Behaupt ich jetzt einfach mal, da haben andere Themen die Selbstdefinition und Selbstdarstellung der Menschen, nicht nur der jungen Leute, bestimmt.

Die Spülmaschine ist doch nur ein Sinnbild. Darunter gibt es eine tiefere Ebene. Manchmal darf man literarische Elemente auch nicht so wortwörtlich nehmen. Ganz deutlich wird das in dem Gespräch, das der Protagonist mit seiner Freundin über das Ausräumen der Spülmaschine führt, das ist komisch und witzig, völlig schräg, aber eben nur auf der Oberfläche und darunter ist das alles verdammt scheißbitter, weil der Typ da die ganze Zeit von seinen Wünschen und Ängsten und Bedürfnissen redet. Und nicht von einem Teller oder einem Ordnungssystem. Der JuJu kriegt das nur so schön humorog hin, diese Ebenen übereinander schimmern zu lassen, das Bittere mit dem Humorigen zu verbinden.
Viele Grüße an alle.

 

Ich stimme novak total zu.

Also um das mal mit der Spül-Maschine: Die Spül-Maschine ist ja das einzige, was die Leute in der WG zwingt, die Existenz des anderen überhaupt wahrzunehmen. Das ist ein literarisches Symbol, eine Metapher, eine Parabel sozusagen.

Sonst ist das ja auch ein Bild dieser zeit, dass die alle da im Raum sind und sich diesen Raum teilen, aber im Leben der anderen überhaupt keine Rolle spielen. Und nur diese Spül-Maschine zwingt sie dann dazu, sich miteinander auseinanderzusetzen und nicht aneinander vorbeizuleben. Und da gibt es dann Konflikte.

Ist natürlich bisschen Quatsch: Auch das Klo, der Kühlschrank usw. wären ja "Konfliktpunkte." Aber für die Geschichte gibt's eben die Spülmaschine. Und ich finde das ist schon "clever" gewählt einfach.

Also wenn man bereit ist, den Text als Literatur zu betrachten und sich zu fragen: Was will der Autor eigentlich, dann ist da schon was da.

Und wenn man sie halt nicht so sehen will, dann funktioniert sie irgendwie auch: Als lustige Anekdote.

In meinen Augen ist das exzellent. Geschichten, die nur aus so einer bedeutungsschwangeren Ebene bestehen sind meist furchtbar aufgeblasen: Und Geschichten ohne so eine Ebene sind halt belanglos.

Das ist schon richtige Literatur hier.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JuJu,

ich habe mich gefreut, mal wieder etwas von Dir zu lesen, aber – ich sage es gleich - ich tue mich sehr schwer mit dieser Geschichte, und es ist mir lange in diesem Forum nicht so merkwürdig mit den anderen Kommentaren ergangen, über die ich mich nur wundern kann. Wären diese Kommentare nicht so, wie sie sind, dann würde ich wohl einfach schreiben, dass das eine nette kleine Anekdote sein könnte, mit dem Mangel (für mich), dass ich mich mit dem Protagonisten nicht identifizieren kann (dazu komme ich gleich). Trotzdem finde ich, seine Verwirrung, seinen Unentschlossenheit, sein lauwarmer Charakter, das alles hast Du gut eingefangen, es gibt eine paar witzige Gags (Ist dieser Teller nun breit oder flach?), das Ganze liest sich insgesamt auch gut.

Das Hauptproblem ist für mich, wie Du den Protagonisten zeichnest. Für einen Protagonisten gibt es nur ein wahres Verbrechen, und das besteht darin, seicht zu sein:

... meine Mitbewohnerinnen wollten wissen, ob ich beim Spülmaschine-Einräumen ein System hätte.
Und ich so, nein.

Und ich so? Was ist das denn – sorry – für ein Idiot? Ist der zehn? Ich versteh schon, dass Du da ein Motiv aus der StandUpComedy aufgreifst, das kann lustig sein, wenn man vor einem Publikum steht und eine lustige Anekdote erzählen will. Aber in einer Kurzgeschichte zeichnet man so einen behämmerten Charakter, ich weiß nicht, ob das Dein Plan war.

Ich kann es auch nicht erklären, aber ich glaube, ich will mit ihr schlafen.

Es ist klar, dass man an tausend Kleinigkeiten scheitert, wenn man schwach und charakterlos ist. Dieser Typ will nichts, weiß nichts, kann nichts. Ein Weichbrot ohne einen Tropfen Blut, ohne Herz, ohne Feuer. Ich finde, JuJu, Du verschwendest Dein Talent, den Innenansichten eines solchen Schlappschwanzes auch nur eine Zeile zu widmen.

Das Problem ist halt, ich hab ne Freundin, die ich liebe, und sie hat einen Freund, den sie liebt.
Wie passt das jetzt zusammen? Gott, wenn ich das bloß wüsste.

Ist klar.

„Hey, Babe ...“, nuschele ich ins Handy.
„Hey, Schatz“, sagt meine Freundin.
„Wie läuft die Hausarbeit?“

Ist auch klar, dass man das "Babe" erst mal nach der Hausarbeit fragt. Das ist schon wirklich einen Anruf wert. Und tiefschürfend geht es weiter:

„Ich hab darüber nachgedacht, was du gestern gesagt hast, und ich finde, du hast Recht. Aufmerksamkeit ist wirklich der Schlüssel. Ich muss die Spülmaschine einfach mehr beachten."

Oh Gott. Ich kapiere ja, dass sich das Ganze ironisch um diesen Spülmaschinen-Pseudokonflikt ringelt. Aber ich finde, der Text stellt es mehr und mehr (auch wegen dieser ganzen anderen Banalitäten) so dar, als ob das tatsächlich ein Problem wäre. Als ob der Autor vergessen hätte, dass das im Grunde Blödsinn ist und nun ernsthaft versucht, beim Leser Mitgefühl für jemanden zu wecken, dessen Hauptcharakteristikum es ist, gelangweilt und ratlos zu sein.

„Es gibt echt nichts Schlimmeres, als wenn man sich daheim permanent unwohl fühlen muss.“

Nein, da gibt es nichts Schlimmeres. Also wenn man sich unwohl fühlen muss, das ist die Hölle.

„Hast du eigentlichen einen Lieblings-Disney-Film?“

Oh, bitte nicht.

„Ich mag Die kleine Meerjungfrau.“

Ist mir völlig klar.

... lässt sich die Liebe wirklich derart quantifizieren? Müsste sie nicht was Absolutes sein? Etwas Unzerstückelbares? So wie Gott vielleicht. Oder ... naja. Keine Ahnung. Die Demokratie?

So wie Gott oder die Demokratie? Ich kann das echt nicht aushalten. Ging mir auch damals schon mit dieser Vegetarier-Geschichte so, in der diese kindische Typ meinte, vegetarisch käme für ihn nicht in Frage, weil dass "unsexy" wäre.

„Hör mal“, sagte er, „von Mann zu Mann. Ich will echt kein Stress, aber komm schon: die Spülmaschine. Was n' da los? Breite Teller hier, flache Teller da, am besten von hinten nach vorne.“

Mann, was sind das alles für Flachpfeifen. Von Mann zu Mann ... Das Thema dieser Geschichte scheint mehr als alles andere "der kastrierte Mann" zu sein. Natürlich kümmern wir (die meisten unter uns) uns Tag für Tag um ganz banale Aufgaben: Einkaufen, Putzen, Müllrausbringen, ein Bild an die Wand hängen, ein Vogelhaus zimmern, einem Kind schwimmen beibringen, eine E-Mail schreiben. Klar, dass wir nicht jeden Augenblick das gewaltige Mysterium vor Augen haben, das das Leben in diesem Universum mit all den unwägbaren Schicksalskräften darstellt. Unsere Gedanken sind häufiger bei "Was muss ich noch erledigen?" als bei "Wie gestalte ich mein Leben im Angesicht der Tatsache, dass ich sterben werde?"

Aber die Kunst des Autors kann darin bestehen, zu zeigen, wie das Absolute, das Unerklärliche in das Leben der Menschen hineinkracht, wie es unsere Projektionen entlarvt und unsere Idealisierungen in Fetzen reißt. Dein Protagonist hat noch nicht einmal das Format, spektakulär zu scheitern. Selbst sein Versagen ist farblos und lauwarm.

„Glaubst du an das Böse?“, fragte ich. „Glaubst du an Google? ...
Er stellt Schicki-Micki-Yuppie-Fragen, die intelligent oder zumindest witzig sein sollen, aber klingen, als hätte er sie auf irgendeiner Facebook-Site oder von einem selbsternannten Blogger-Philosophen geklaut.

„Katja“, sage ich nach einer Weile. „Mal abgesehen von der Wichtigkeit des Abspülens, woran glaubst du?“
Sie überlegt einen Moment. Dann lacht sie und sagt „Yolo.“

Yolo. Brech.

Erneut stelle ich fest, dass ich mit ihr schlafen will.

Er stellt erneut fest, dass er mit ihr schlafen will. Mann, da ist wirklich Feuer drin.

Mir ist, als müsse die Welt enden, wenn wir es jetzt tun.

Sicher. Das wird enorme Folgen haben. Ich wage nicht, mir das auszumalen.

Denn wenn die Liebe fällt, fällt bestimmt auch das Abspülen - und was bliebe dann noch übrig?

Tja.

Aber sie bleibt, und das macht sie fast sympathisch.
Ich wiederhole: Was für ein Idiot.

Ich muss zugeben: die Vorstellung, die ganze Welt mit einem Fick zu zerstören
Wovon redet er da? Wo fällt auch nur ein Teller aus dem Regal (um im Sujet zu bleiben), ob er mit der beinahe sympathischen Katja schläft oder nicht. Die Welt zerstören?

Wobei ich nicht wirklich gut in so was bin. Also darin, Frauen aufzureißen.
Genau, das ist die gravierende Schwäche des Protagonisten, bei dem sonst aber alles stimmt.

Was wir hier machen, ist intensiv, gefährlich, destruktiv, irrational.
Absolut. Da stürzen Universen ein. Hat man so auch noch nie von gehört, dass es in einer WG zu ungeplantem Sex zwischen Mitbewohnern kommt.

Die Perversion liegt vielleicht gar nicht darin, dass ich mit Katja schlafe ...
Die Perversion? Dem Typen ist echt nicht zu helfen.

Wäre ich dann Vater, oder wie? Was würde ich einem Kind über die Welt erzählen?

Ich wage nicht, darüber nachzudenken ...

Mein Sarkasmus ist vielleicht nicht ganz fair, wenn man die Geschichte, als kleine Anekdote betrachten möchte, die man vielleicht zwischendurch oder in einer Zeitschrift beim Zahnarzt liest. Aber wenn ich die Interpretationen hier so lese. Also das finde ich schon wirklich bizarr.

All das ändert nichts daran, dass ich finde, dass Du gut schreiben kannst. Ich finde auch vieles lustig und was noch wichtiger ist, vieles auch wirklich gut beobachtet mit einem Auge für die aberwitzigen Momente des Alltags. Doch die Gesamtkonstruktion bläst Banalitäten auf, und ich verstehe nicht, was der Zweck des Ganzen sein soll.

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Achillus,


Ich musste jetzt echt viel Schmunzeln und Kopfschütteln beim Lesen deines Kommentars. Auf jeden Fall viele Dank für die ehrliche Kritik.


Ist auch klar, dass man das "Babe" erst mal nach der Hausarbeit fragt. Das ist schon wirklich einen Anruf wert.

hattest du jemals eine Freundin?

Und ich so? Was ist das denn – sorry – für ein Idiot? Ist der zehn? Ich versteh schon, dass Du da ein Motiv aus der StandUpComedy aufgreifst, das kann lustig sein, wenn man vor einem Publikum steht und eine lustige Anekdote erzählen will.

Also nicht mal unbedingt. Die Leute, die ich kenne, viele von ihnen, die reden halt so. Vielleicht nicht, wenn sie gerade mit ihrem Chef oder ihrem Prof reden, dann wechseln sie bestimmt auf: Also der Kunde "hat gemeint" … Und ich "hab dann geantwortet" .... oder "was ich Ihnen noch sagen wollte" … aber dann erzählen sie die Geschichte mir zum Beispiel anders. Sind aber trotzdem alles kompetente Leute.

Das ist halt ne andere Sprachebene.

Es ist klar, dass man an tausend Kleinigkeiten scheitert, wenn man schwach und charakterlos ist.

Also der Typ kriselt hier ein bisschen in der Geschichte, ja. Ich hab beim Schreiben schon coolere Ich-Erzähler vor Augen gehabt. Aber "schwach und charakterlos" … das ist hier keine Kung-Fu Geschichte, Mann. Hier gehts nicht um Züchtigung und Disziplin und darum, den Widrigkeiten des Lebens entgegenzutreten, mit dem Herz des Tigers und Gottes Segen, damit man dem Feinde furchtlos ins Antlitz blicken kann.


So wie Gott oder die Demokratie? Ich kann das echt nicht aushalten. Ging mir auch damals schon mit dieser Vegetarier-Geschichte so, in der diese kindische Typ meinte, vegetarisch käme für ihn nicht in Frage, weil dass "unsexy" wäre.

das hast du noch im Kopf, haha :) Es ist so.

Also ich hab das Gefühl, das macht dich völlig fertig, wenn da einer kommt und so redet, und vom Autor nicht direkt als totaler Idiot abgecancelt wird. Du kannst den einfach nicht ernst nehmen, das geht gar nicht in deinen Kopf rein, dass jemand so redet und trotzdem irgendwie ernst genomnen wird. Aber da hast du einfach auch ein ganz anderes Denken als ich. Du hast irgendwie auch andere Werte im Kopf und einen anderen Blick auf die Gesellschaft und alles mögliche sonst noch, hab ich das Gefühl. Ich find das irgendwie auch spannend zu lesen, dein Kommentar.

Vielen Dank für die Kritik!

MfG,

JuJu

 

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