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Zerbrochenes Spiegelbild

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30.11.2003
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Zerbrochenes Spiegelbild

Der Fluss plätscherte in der Nacht und sein Rauschen verdrängte die Stille. Weit unter mir schmiegte er sich an die kalten Steine der Brücke. Nichts konnte ihn aufhalten, nicht einmal die Nacht. Die dunkle, kalte Nacht. Ich lehnte mich gegen die Mauer der Brücke und starte hinauf in den sternenklaren Himmel. Sie leuchteten so hell und aufmunternd, noch nie hatte ich mich ihnen so nahe gefühlt. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, aber ich spürte es nicht, spürte nur die Last der Erinnerungen in mir. Mein Herz schmerzte unter den Erinnerungen an die Worte meines Vater und seine kalten Augen schienen am Himmel zu erscheinen. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich einen Fuß auf die Mauer setzte, der andere folgte. Mit den Armen balancierte ich das Gewicht aus, sog die kühle Luft in meine Lunge ein.
Mein Kopf quälte mich immer und immer wieder mit dieser einen Erinnerung.

Ich streckte mich um die verspannten Glieder wieder zum Leben zu erwecken. Der Wind strich sanft durch meine Haare und ich hielt lächelnd mein Gesicht der Sonne entgegen.
Wieder war ein Schultag vorbei und auf der Terrasse zu Hause genoß ich den sonnigen Nachmittag. Ich beobachtete unseren Nachbarn dabei wie er sorgfältig den Rasenmäher Zentimeter um Zentimeter verschob, um auch jeden überflüssigen Grashalm zu erwischen. Sein Hund hüpfte um seine Beine und zerstörte die präzise Arbeit ohnehin.
Ich kraulte meinen Kater, der in meinem Schoß lag und er schnurrte leise.
„ Hallo, mein Schatz“, begrüßte mich meine Mutter und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich blinzelte gegen die Sonne von meiner Liege aus zu ihr hoch und erschrack, als ich die Tränen in ihren Augen blitzen sah.
„ Mama, was ist passiert?“, fragte ich schockiert und erhob mich. Mein Kater fauchte überrascht und sprang zurück ins Haus. Nun brach meine Mutter in Tränen aus. Sie drückte mir einen Brief in die Hand und wandte sich schnell von mir ab, wobei sie die Hände vor ihre zitternde Lippe presste. Schnell faltete ich den Brief auseinander.

Sehr geehrte Frau Müller und Herr Müller,
da die Leistungen ihrer Tocher Anna, abweichend von dem letzten Zeugnis, im Fach Chemie und Mathe nicht ausreichend sind, setze ich sie darüber in Kenntnis, dass sie sitzen bleibend gefährdet ist. Wir empfehlen den Abgang ihrer Tochter vom Gymnasium auf eine angemessenere Schulform.

Der Rest der Worte verschwamm vor meinem Auge. Alles drehte sich.
„ Ich hatte ja keine Ahnung“, flüsterte ich. In dem Moment bemerkte ich meinen Vater, der im Türrahmen zur Terrasse stand und mich kalt ansah. Sein Blick drang mir durch Mark und Bein und mein Herz klopfte wild. Es kam mir plötzlich Totenstill vor, selbst die Vögel waren verstummt. Nur das Schluchzen meiner Mutter durchdrang die Stille.
„ Ich hatte keine Ahung“, wiederholte ich nun etwas lauter und wandte mich an meinen Vater. Er stand immer noch reglos da.
„Sag doch was! Irgendwas!“, schrie ich innerlich, aber äußerlich starrte ich ihn nur an und als er nichts sagte, füllten sich meine Augen mit Tränen. Irgendwann, es kam mir vor wie Stunden, schluchzte meine Mutter noch einmal laut auf und rannte dann ins Haus.
„ Papa!“, schrie ich nun verzweifelt. Er setzte sich in Bewegung, erpicht darauf bedacht, dass seine Schritte Respekt einflößten. Und das taten sie. Mit seiner hohen Statur, den leicht ins gräuliche gehenden Haare und den klugen, aber auch kalten, Augen, war er ein Mann, dem Respekt entgegen strömte.
„ Du hast versagt, Anna“, sagte er ruhig. Keine Emotion lag in seiner Stimme oder in seinen Augen. Mir liefen die Tränen über die Wangen.
„ Aber ich dachte, es wäre nicht so schlimm“, flüsterte ich verzweifelt und fühlte mich unter dem starken Blick meines Vaters wie ein kleines Kind.
„ Du bist für dich verantwortlich für dich, Anna. Und du hast uns enttäuscht. Du warst das Einzige für deine Mutter, nun bist du nichts.“, sagte er kalt. Alles in mir zog sich zusammen, schmerzhaft, als hätte er mir einen Stoß in die Rippen versetzt.
„ Wir haben alle Hoffungen in unsere einzige Tochter gesetzt. Aus dir sollte etwas Großes werden, nun ist das vorbei. Du hast versagt.“ Mein Vater drehte sich um und ging.

Das alles ging mir durch den Kopf, während der Fluss sechs Meter unter mir unaufhörlich vorbeischoss. Kurz verlor ich die Balance und keuchend versuchte ich mit den Armen sie wieder zu erlangen. Ich hatte versagt, ich hatte versagt. Dieser eine Satz ging immer wieder in meinem Kopf umher.
Ich war der Sonnenschein gewesen in meiner Familie. Der einzige Grund, warum meine Mutter jeden Morgen den Tag begrüßte. Meine Mutter war bereits 40 gewesen, als ich auf die Welt kam. Der Sinn ihres Lebens. Sie hatte meinen Vater geheiratet, einen reichen und angesehenen Mann und er hatte ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Wir bewohnten eine Traumvilla, direkt am See. Mit traumhaften Zimmern.
Ich sollte immer so werden wie meine Mutter immer sein wollte, das sah ich jetzt ganz deutlich vor Augen. Wieder füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich würde keine Staranwältin werden, mit Respekt und Ansehen.
Ich hatte versagt. Meine Mutter redete kein Wort mehr mit mir, die Augen gefüllt mit Traurigkeit, mein Vater strafte mich mit eisigen Blicken. Ich war ausgeschlossen aus dieser Welt, von der ich bisher nur Geborgenheit gekannt hatte.
Ich war ihr „kleines Mädchen“ gewesen, so lange ich ihnen Vorstellungen entsprochen hatte.
Jetzt war alles anders, aussichtslos.
Die Wolken verdeckten den strahlenden Mond und machten die Nacht noch dunkler.
Unter mir rauschte immer noch der Fluss. Er sah so schwarz aus, so beruhigend schwarz.

 

Hallo bluna

Zuerst die gröbsten Rechtschreibefehler:

bluna schrieb:
Ich lehnte mich gegen die Mauer der Brücke und starrte hinauf in den Sternen klaren Himmel.

sternenklar

bluna schrieb:
Der Wind strich langsam durch meine Haare und ich hielt lächelnd mein Gesicht der Sonne entgegen.

langsam klingt nicht so passend - ich würde sanft verwenden.

bluna schrieb:
Ich blinzelte gegen die Sonne von meiner Liege aus zu ihr hoch und erschrack, als ich die Tränen in ihren Augen blitzen sah.

bluna schrieb:
Sehr geehrte Frau Müller und Herr Müller,
da die Leistungen ihrer Tocher Anna, abweichend von dem letzten Zeugnis, im Fach Chemie und Mathe nicht ausreichend sind, setze ich sie darüber in Kenntnis, dass sie sitzen bleibend gefährdet ist.

klingt sehr seltsam ... dass sie gefährdet ist, sitzen zu bleiben.

bluna schrieb:
„Ich hatte keine Ahnung“, wiederholte ich nun etwas lauter und wandte mich an meinen Vater.

Zum Text: Bis auf den letzten Abschnitt hat er mir sehr gut gefallen. Du hast einen sehr schönen Schreibstil, du gehst gut auf die Figuren ein und beschreibst fantasievoll. Besonders die ersten Zeilen des zweiten Teils haben mir gefallen - die Beschreibung des glücklichen Frühlingstages wirkt sehr locker und natürlich und bildet einen schönen Gegensatz zum Beginn. Auch die Handlung rund um ein Mädchen, dass den in sie gesetzten Erwartungen nicht gerecht werden kann, ist durchaus interessant.
Zwei Sachen aber enttäuschten mich etwas - erstens der Vater, der so sehr den Klischees entspricht und nur kalt und hart ist. Er hätte eine menschlichere Seite verdient und ich kann mir ehrlich gesagt keinen Vater vorstellen, der so gefühlslos handelt.
Zweitens habe ich meine Probleme mit dem Ende: Grundsätzlich ist Selbstmord sowohl im realen Leben wie auch in Geschichten der einfachste, aber sicher nicht der beste Weg, seine Probleme zu lösen. Viel spannender wäre es, wenn das Mädchen sich entschieden hätte, sich ihrem Vater zu stellen, wenn sie Charakter gefunden hätte und dadurch auch erwachsener geworden wäre. Ausserdem werden sicherlich bald schon die Leute kommen, welche sich über die ewigen Selbstmordgeschichten aufregen und dabei nicht ganz Unrecht haben.
Also: Aus der Geschichte liesse sich wohl sehr viel machen - aber dazu müsstest du die letzten Zeilen löschen und einen anderen Weg wählen. Soweit meine Meinung (zugegeben, das sag ich auch, weil eine meiner Geschichten so verläuft ...).

Viele Grüsse
Sorontur

 

Hi, erst mal danke für deine Kritik. Ich muss mir echt mal ein Rechtschreibeprogramm für meinen Computer besorgen, die Fehler sind echt peinlich zum teil, sorry. :)
Erst mal, das sitzen bleibend gefährdet, schreiben die echt so in blauen Briefen, schreibe leider aus Erfahrung. Zu dem Vater, hätte ich ihn menschlicher gemacht, hätte sie doch keinen echten grund zur Verzweiflung gehabt oder? Ihre mutter ist zwar enttäuscht, aber sie liebt sie abgöttisch, aber der Vater...
Mit dem Selbstmord, ich wollte bewusst nicht schreiben: Und ich sprang in die Tiefe, denn das tut sie möglicherweise nicht. Ich dachte, dass ich das Ende offen gelassen hatte, schade, dass nicht herauskommt, dass sie mit dem gedanken spielt, aber nicht unbedingt den Selbstmord tatsächlich macht.
LG, bluna

 

Hallo bluna,

ich kann mich nur der Meinung von Sorontur anschließen.
Du hast eine nette Art, die Handlung zu schildern.

Nur ein Satz des Vaters hat mir garnicht gefallen:

„ Du bist für dich verantwortlich für dich, Anna. Und du hast uns enttäuscht. Du warst das Einzige für deine Mutter, nun bist du nichts.“, sagte er kalt.

Vielleicht kannst du da noch etwas ändern. Klingt ein bisschen zu hart.

Beim Ende der Geschichte gebe ich dir Recht. Es wird nicht klar, ob Anna nun springt oder nicht. Es bleibt offen.

Das war es eigentlich schon von meiner Seite.

Schreib weiter so.

Viele Grüße

bambu

 

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