Hallo @jimmysalaryman,
ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Ich habe schon ein paar deiner Kommentare gelesen und dabei oft gedacht: Stimmt! und, dass du deinen Finger genau drauflegst. Darum lese ich natürlich deinen Kommentar hier sehr genau.
Mich erinnert der Text von Sujet und Sound ein wenig an Beth Nugent, die ich sehr verehre.
Der Name sagt mir gar nichts, drum schau ich mal bzw. habe ich schon. Das finde ich immer schön, auch über den Text hinaus was zu lernen oder auch inspiriert zu werden. Darum danke dafür.
Aber dann: warum muss sie erwähnen, dass es sowohl ein gutes als auch ein schlechtes Zeichen sein kann, dass sie nichts hört? Dann kommt er. Aber woran macht sie das fest? Weil er laut stöhnt? Davor sagt sie aber, sie höre nichts. Nein, was du hier sagen willst, ist: Sie hört nichts von Karla. Karla liegt da wie eine Matratze. Oder? Du sagst dann zwar, dass du von ihr weiterhin nichts hörst, aber das wirkt einfach drangepappt. Warum fragt sie sich auch, ob Karla frigide ist? Das steckt doch da schon drin. Sie steht da an der Tür, lauschst, hört nur ihn, und sie bleibt die ganze Zeit still. Da erklärst du dem Leser die Absichten des Autoren, das ist wie ein permanentes Nachhaken, das musst du nicht, das hat dein Text nicht nötig. Es wirkt, als wärest du dir nicht ganz sicher mit deinen Charakteren. Ein gut erschaffener Charakter braucht keine Erklärung, der lebt aus sich selbst heraus.
Naja, müssen ist schon ein starkes Wort in diesem Zusammenhang ;-), also: Nein, sie muss es nicht erwähnen, aber wenn du mich fragst, wieso sie es erwähnt, dann ist es wohl auf die schon von dir angeführte Schwatzhaftigkeit der Prota zurückzuführen und vor allem wohl, wie du auch sagst auf meine Unsicherheit, ob dem Leser sonst klar ist, dass es sie freuen würde. Aber vermutlich stimmt es, dass es sich aus dem Text ergeben sollte, ohne explizit genannt zu werden. Das mit dem Hören und dem Stöhnen: Eigentlich wollte ich nicht sagen, dass sie Karla nicht hört, sondern dass sie von beiden nichts hört. Der Gedanke war eigentlich: Das die beiden da eher so ruhigen Sex haben (auch wegen der Mitbewohnerin sicherlich) und er (nur er) dann eben kurz lauter wird. Sie fragt sich, ob Karla frigide ist, weil es sie freuen würde, wenn es so wäre. Steckt das immer noch drin, auch wenn ich den Satz weglasse?
Dann auch Wortwahl. Stapfen. Karla stapft. Stapfen ist so etwas wie beschwertes Gehen durch schwieriges Terrain. Für mich klingt das in dem Kontext einfach seltsam. Warum beschreibst du nicht, wie die Prot Karlas Schritte wahrnimmt, den Klang? Das ist eine sinnliche Ansprache, du weckst sofort die Sensorik des Lesers, es entwickelt sich auch ein räumliches Gefühl.
Ich denke, ich weiß, was du meinst mit sinnlicher Ansprache und Klang. Finde das an der Stelle aber echt schwer (aber ich überlege nochmal), und tatsächlich ist für mich das Wort stapfen mit einem sinnlichen Klang verbunden, es sollte nicht so viel sein viel trampeln, aber doch eine gewisse Schwerfälligkeit ausdrücken, die die Prota wahrnimmt, dass Karla kein leichtfüßiger Engel ist - auch wenn das vielleicht alle immer in ihr sehen! Es sollte heißen: Karla geht nicht, Karla stapft da wie ein Bauarbeiter über den Flur ... so klingt es zumindest ...
Ich weiß gar nicht, wie die da zusammenwohnen, das bleibt eine Leerstelle. Und das sie gerade dann, wenn Karla den Flur zur Toilette entlangstapft, Johns Samen spürt, das ist natürlich schon eine sehr offensichtliche Konstruktion. Kann sie sich nicht einfach feucht oder wund fühlen, muss es direkt so dick aufgetragen sein?
Ja, das stimmt, das mit der Leerstelle. Es sollte halt wirklich ein flashiger Text sein, ohne allzuviel "Ballast", reduziert im Sinne von Setting oder auch andere Charaktere, und, auch den Vorwurf bzw. die Empfindung der Konstruktion kann ich nachvollziehen.
Und wem bejaht sie das? Ja, ich habe John gefickt? Sich selbst? Da frage ich mich, warum? Du machst also mit einer solchen Schreibweise unzählige weitere Ebenen auf, die aber im Grunde nur einen großen Leerraum erschaffen - ich weiß nicht, wie man das besser ausdrücken kann.
Das habe ich mich selbst auch gefragt, wem sie das bejaht und ganz ehrlich, da habe ich keine Antwort.
Dann diese Beschreibung von Sex - ölige Zungen? Haben die da das Gleitmittel gelutscht, oder wie? Also, wenn man das nicht wirklich, wirklich gut kann, Erotik beschreiben (ich kann es nicht) dann würde ich das rausstreichen. Ist doch klar, was passiert. Und deine eher romantische Beschreibung widerspricht auch dem Jargon, in dem deine Prot sonst so denkt, die denkt nämlich: ficken. Klar kann man argumentieren, dieses Schizoide, diese beiden Pole gehören eben zum gebrochenen Charakter der Figur, aber damit komme ich zu meinem Hauptpunkt: das Zerbrochene wird mir erklärt. Beziehungsweise erklärt sich die Figur selbst ihren zerbrochenen Charakter.
Ölige Zungen, gefällt dir nicht? ;-) Es sollte tatsächlich etwas eklig sein, ich hatte auch an zwei Aale gedacht, fand das dann aber zu eklig ... aber der Rest passt dann nicht dazu, das stimmt wohl, zumindest an dieser Stelle dann nicht. Aber dann auch wieder, ja, die Prota sollte schon auch vieles sein, sehr ambivalent eben, aber sie soll das natürlich dir nicht erklären. Du sollst es dir natürlich selbst erklären und wenn das so nicht ist, ist das natürlich Mist.
Wenn ich deinen zitierten ersten Absatz und deine Kritik mal nehme und umschreibe, kommt übrigens das hier raus:
Ich stehe vor Karlas Tür, lausche. Ich höre Johns Stöhnen, von ihr höre ich nichts. Dann kommt er, vermutlich in ihr, und ich schleiche zurück in mein Zimmer. Karlas Bauarbeiterschritte hallen auf ihrem Weg ins Bad den Flur entlang bis in mein Zimmer, dorthin wo ich John letzte Nacht gefickt habe. Karlas Name ist Hase. Sie weiß von nichts und ich sitze am Schreibtisch, versuche die Hausarbeit zu schreiben, die ich am Montag abgeben muss.
Vielleicht schreib ich auch alles noch mal so um, weniger behaupten mehr zeigen, einfach um mal zu gucken, wie es dann wirkt, wenn ich's denn hinkriege. Probieren geht ja bekanntlich über studieren.
Ich frage mich auch: ist sie wirklich zerbrochen? Woran denn? Was genau ist ihr Problem, ihr Konflikt? Sie liebt John, aber John liebt eigentlich Karla, die frigide ist? Woran entzündet sich die Eifersucht, und ist das wirklich Eifersucht, oder nicht eher eine eingebildete Stimmungsschwankung, aus einer dekadenten Langeweile heraus geboren? John bleibt immer eine Pappfigur. Der tritt nie aus einem ominösen Schatten heraus. Die Prot hat ihn gefickt, aber sie weiß, er liebt sie nicht. Vielleicht liebt er Karla. So genau scheint das die Prot auch nicht zu wissen, und auch nicht wissen zu wollen. Im Grunde ist das eine menage a trois Geschichte, wie sie Truffaut oder Ozon erzählt hat. Aber da gibt es ein Spannungsverhältnis, da haben alle drei Figuren eine Magie, eine Gravitation, das sind Katalysatoren für das Verhalten der anderen, die enzünden sich aneinander und gegeneinander, so entsteht auch diese sumpfige, schwüle Stimmung, permanet aufgeladen mit Sex und Spannung, man kann ihn förmlich riechen.
Vielleicht ist der Titel auch irreführend. Vielleicht würde Zerrissen besser passen, der Titel kommt von dem zerbrochenen Glas ... Sie ist ja nicht zerbrochen ... Ihr Problem oder Konflikt ist nicht, dass sie John liebt und John mglw Karla liebt, ihr Problem ist: Karla. Oder auch: ihr quasi inexistenter Selbstwert, ihr Selbsthass genährt von Karla. John soll ganz klar eine Pappfigur sein, weil John überhaupt nicht wichtig ist, sondern nur jmd/etwas, woran sie sich aufhängt. Also wenn es ein Theaterstück wäre, würden wir John auch nie zu Gesicht kriegen. Aber das scheint nicht so richtig klar zu sein, zumindest nicht jedem, aber erklären kann/will ich es ja eben auch nicht. Was ich habe, ist eine sehr unzuverlässige Ich-Erzählerin, die kaum Zugang zu ihren inneren Prozessen hat, darum passen Truffaut und Ozon hier mMn auch nicht als Vergleich. Weil tatsächlich die Stimmung eine ganz andere ist, weil es eben nur vordergründig um eine menage a trois geht, eigentlich geht es um diese tiefe Unsicherheit in der Prota.
Deine Figur hingehen, die Erzählerin, die erzählt sich permanent etwas selbst, was irgendwie ihr Verhalten erklären soll, was auch die anderen Teilnehmer der Narrative erklären soll, es sind einfach Beschreibungen, und dann kommen da so ein paar schräge Sentenzen, wie mit Kennedy etc, die das Ganze irgendwie interessant machen sollen, die einen doppelten Boden erzeugen sollen, die Fragen evozieren sollen, hier fiel schon der Begriff Borderline, das ist wie eine letzte Zuflucht, da braucht man dann keine innere Logik mehr.
Ja, das stimmt, dass sie sich permanent etwas erzählt. Aber es soll eigentlich nicht ihr Verhalten erklären, sondern eher ergänzen. Es soll auch nicht die anderen Teilnehmer erklären, sondern ihre ganz ureigene Sicht eigentlich _zeigen_. Und innere Logik soll da sein, die ist ja eigentlich auch immer bei psychischen Störungen da. Wenn du sie nicht siehst oder ich sie nicht gut genug gezeigt habe, ok, aber da sein soll sie, also das war natürlich schon das Mindestziel. Ich habe mich beim Schreiben nicht auf irgendeiner Diagnose ausgeruht oder so und mir damit alles erklärt. Was du hier ansprichst, war im Grunde meine größte Sorge, dass es sich liest, wie billige Effekthascherei. Und du bist ja auch nicht der Erste und Einzige, der das anspricht.
Mir fehlt hier der Fokus. Der Text lenkt sich selbst davon ab, die Figuren wirklich ernst zu nehmen, sie unter die Lupe zu nehmen.
Das tut schon weh, ist es doch etwas, was ich selbst nicht leiden mag, wenn Autoren ihre Figuren nicht ernst nehmen. Ich nehme die Prota schon ernst, aber ich wollte es auch gerne bei dem Flashigen belassen, nicht zu viel drumherum, nicht zu viel Setting, nicht zu viel Kulisse auch nicht in Form von Interaktion. Andererseits, es war natürlich ein Versuch. 1. im assoziativen Schreiben, mal nicht so kognitiv-verkopft ans Schreiben heranzugehen, was mir viel Spaß gemacht hat, aber auch 2. zu gucken, wie das wirkt, herauszufinden, was wie wirkt. Und da bin ich tatsächlich nun irgendwie (also nach sämtlichen Kommentaren) auch nicht soviel schlauer als vorher. Wenn ich mich frage, was ich hieraus lerne: Dann weiß ich das noch nicht so genau. Das stört mich schon am meisten an der ganzen Chose, das ich noch nicht so richtig weiß wie und was ich damit jetzt anfange.
Die Erzählerin schwätzt - sage ich mal ganz böse, und das ist die Geschichte.
Tatsächlich, so ist es. Und ich kann total verstehen, wenn jemand sagt, dass langweile ihn/sie. Ich kann das eigentlich nicht leiden, diese selbsbezogenen Texte voller Monologe und Blabla ...
Ich muss den Neid und die Eifersucht also sehen, ich muss sehen, wie ein Charakter etwas hat, was die andere nicht hat und auch nicht bekommen wird. Der Text scheint in großen Teilen Behauptung zu sein.
Ja, das krieg ich dann aber nicht in FlashFiction unter. Vielleicht ist es so, wie du schreibst, dass der Fokus fehlt. Vielleicht muss ich noch mal genau und ganz kognitiv-verkopft überlegen, was ich eigentlich damit erzählen will und warum ich es genau so erzähle.
So, es war auf jeden Fall einiges zum Nachdenken dabei, genau dafür bin ich ja hier und genau dafür danke ich dir.
Viele Grüße
Katta