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Wunderbar!

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08.01.2024
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Wunderbar!

Vergifteter Lärm vertreibt ihr den Schlaf.
Schreie. Huftrampeln.
Schauerliche Schreie!
Sie setzt sich auf und stellt mit Schrecken fest, dass sie allein ist.
Mairead läuft nach draußen und sieht, wie der Mutter ein hölzerner Speer durch den Leib getrieben wird, der Vater mit dem Gesicht nach unten auf der Erde liegt und riesige, Schaum spuckende Schlachtrösser über die Schwester und deren Söhne hinweg trampeln.
Sie möchte schreien, ihnen zu Hilfe eilen, aber kein Laut verlässt ihren offenen Mund, ihre Beine stehen still.
Dann ist sie unten am Fluss.
Die Sonne schmunzelt, verschenkt einen letzten warmen Tag. Prickelndes Nass umspielt ihre nackten Knöchel, während sie leise singend Wäsche wäscht.
Am Ufer regt sich etwas, weckt ihre Aufmerksamkeit. Sie hebt den Kopf, sieht etwas Pelziges durchs hohe Gras verschwinden, streckt den Rücken und beschließt, sich etwas Ruhe zu gönnen.
Im Zwielicht eines herbstlich entkleideten Baumes ruhend schließt sie die Augen. Zufriedenheit hüllt Mairead ein, wärmend wie eine Decke in kalter Nacht.

Mairead erwacht aus dem Traum und ein zittriges Lächeln schmückt ihr tränennasses Gesicht. Wärme und Wohlbehagen bewohnen ihr Herz; mein Leben hätte nicht schöner verlaufen können, ich habe meine Sache gut gemacht.
Zögerlich öffnet sie die Augen und erblickt unzählige Sterne. Eisiger Wind beißt ihr in Stirn und Wangen, der Boden unter ihr ist hart und unnachgiebig.
Einen Augenblick noch überdauert das Gefühl, ein guter Mensch zu sein; dann trifft sie die Wahrheit wie ein Schlag.
Träge und selbstsüchtig hatte sie im Schatten des Baumes gedöst, während alle ermordet wurden. Hätte sie ihre Pflicht getan, wäre sie bei ihren Leuten gewesen, hätte sie deren Schicksal geteilt!

Maireads blutleere Finger tasten sich zu dem Säugling vor, den sie unter den Sachen am Leib trägt. Behutsam berührt sie ihn am Rücken, er ist warm und atmet. Dann wendet sie den Kopf. In der mondhellen Nacht zählt sie acht aneinandergedrängte Kleiderhaufen; innig hofft sie, dass alle die Nacht überstehen mögen.
Die Kälte wird mit jedem weiteren Tag schlimmer werden – das weiß Mairead. Der Winter hat noch nicht einmal begonnen, und wenn erst der Schnee kommen wird – Herr, steh uns bei!

Spät am Nachmittag, als ein kühler, den Spätherbst verkündender Wind Mairead geweckt hatte, war sie in die Siedlung zurückgekehrt.
Einundvierzig Männer, Frauen, Kinder und Babys hatte sie in den darauffolgenden Tagen unter Steinen begraben.
Tags darauf waren Fremde aufgetaucht: Ein Mann, ein schwangeres Mädchen und ein wenige Monate alter Säugling; aus nördlicher Richtung gekommen, war es ihnen ähnlich ergangen.
Mairead hatte im Dorf bleiben und auf den Tod warten wollen. Nun aber gab es etwas zu tun, eine letzte Aufgabe.
Am nächsten Tag waren sie auf zwei Mädchen getroffen. Deirdre und Claire Wyndhan. Mairead kannte die Siedlung, aus welcher die Schwestern stammten; keiner ihrer Angehörigen hatte überlebt. Am Abend desselben Tages waren sie auf eine Gruppe greiser Männer und Frauen gestoßen, die, dank zweier Jünglinge, Logan und Boyd, hatten fliehen können.

Logan rüttelt an Maireads Schulter. „Aufwachen“, sagt er, „wir müssen weiter!“
Mairead gibt vor, eben erst aufzuwachen. Dabei liegt sie seit dem schrecklich-schönen Traum vor Stunden wach.
Wohin, fragt sie sich, wohin sollen wir gehen?
Mairead steht nicht sogleich auf. Sie schaut zu dem nun wolkenverhangenen, silbergrauen Himmel auf und schreit innerlich vor Schmerz.
Dann bemerkt sie die Wyndhan-Schwestern, die zu ihr herschauen. An ihren Blicken klebt Angst und zittert zugleich scheue Hoffnung. Mairead nickt ihnen zu und versucht ein Lächeln, aber es mag nicht kommen.
Rasch wendet sie den Blick ab und steht auf.

Logan berührt Mairead erneut an der Schulter und bittet sie, ihm zu folgen. Sie gehen einige Schritte von der geduckten Felsformation fort, bei welcher sie Schutz vor der Kälte der Nacht gesucht haben. Eine kleine Anhöhe hinauf, die ihnen Ausblick über das Tal bietet.
„Wohin sollen wir gehen?“, fragt Logan und wirkt geradezu fröhlich. Mairead blickt ihn erstaunt an, sieht seine wachen Augen, die hohen Wangenknochen und vollen Lippen. Der junge Mann sieht gut aus, versprüht jugendliche Energie und Lebensfreude – selbst jetzt.
Dann dreht sie den Kopf, blickt zum Horizont und geht einen Schritt darauf zu. Wohin nur sollen wir gehen?, fragt sie sich wieder und möchte auf die Knie sinken, um aufzugeben.
An ihrer Brust strampelt das Baby, sicher hat es Hunger. Hinter ihr scharren Logans Füße. Auch er ist ungeduldig, wartet, dass sie eine Entscheidung trifft.

Achtundvierzig Sommer zählt Mairead, zu früh im Winter ihres Lebens angekommen. Noch vor zwei Wochen war sie glücklich gewesen.
Zumeist.
Da war kein Mann an ihrer Seite und kein Kind, dem sie das Leben geschenkt hätte.
Maireads Größe verstellte den Männern die Sicht.
Die Sicht auf die kindliche, reine Schönheit ihres Wesens. Die Größe ihrer zurückhaltenden Anmut, die ihrer Rechtschaffenheit, ihres selbstlosen Stolzes. Die Größe ihrer Güte, die ihres Einfühlungsvermögens, ihres Mutes. Die enorme Größe der Liebe, die sie unentwegt zu geben imstande ist, und zuvorderst aber zuletzt, ihre außergewöhnlichen Körpergröße.
Alle liebten Mairead und doch hatte es keiner je gewagt, sie wahrhaft zu lieben.
Hatte sie ihr Leben verwirkt?
Nein!
Etlichen Kindern war sie eine Mutter gewesen, dem Vater und der Mutter ein gutes Kind. Der Schwester hatte sie zur Seite gestanden und jedem, der ihrer Hilfe bedurft hatte. Achtung und Freundschaft hatte man ihr entgegengebracht, Anerkennung und die Liebe zu sich, ein gerechter Lohn.
Zumeist.
Nur manchmal – manchmal war da auch Durst.
Besorgnis. Furcht.
Einsamkeit unter all den lieben Menschen.

Mairead schließt die Augen, hebt aufs Geratewohl den linken Arm und deutet irgendwohin. „Wir gehen da lang“, sagt sie und ihre Stimme klingt fest und entschlossen.
„Gut“, kommt es zurück, „ich sage es den anderen.“
Logan will gerade gehen, als Boyd zu ihnen kommt. „Ben und seine Frau haben es nicht geschafft“, verkündet er ohne Umschweife.
Logan bleibt stumm und Mairead fixiert weiter den Horizont. „Geht los!“, sagt sie und es klingt nach einem Befehl, nicht nach einer Bitte. „Ich begrabe sie und folge euch dann.“

Als Mairead den letzten Stein aufschichtet, fasst sie einen Entschluss: Niemand mehr wird sterben! Nicht so lange sie sich mir anvertrauen. Ich werde einen Ort finden, an dem sie sicher sind, wo sie neu beginnen können. Dann kann ich gehen.

*

Die Gruppe kommt nur langsam voran, sodass Mairead rasch zu ihr aufschließen kann. Der Grund hierfür ist Brianna.
Mit siebzehn wurde sie die Frau des deutlich älteren Finley und Mutter des nun wenige Monate alten Galahad. Brianna ist erneut schwanger, im zweiten oder dritten Monat, vermutet Mairead, und sehr schwach. Zeitweise vermag sie sich kaum auf den Beinen zu halten und kann nur weitergehen, wenn sie gestützt wird.
Mairead geht zu ihr. „Dein Sohn hat Hunger. Bitte setz dich und gib ihm Milch. Wir werden eine Trage bauen.“
Logan und Boyd machen sich sogleich an die Arbeit, ohne dass Mairead sie dazu auffordern muss. Die vierzehnjährige Deirdre nimmt Mairead das Baby ab, und ihre halb so alte Schwester hilft Brianna sich zu setzen.
Einzig Finley bleibt tatenlos.
Die Hände in den Taschen seines Mantels verborgen steht er mit flackerndem Blick abseits. Er wirkt fahrig und armselig, und Mairead mag ihn nicht.
Groß gewachsen, hager und blasswangig, mit dem Antlitz eines Raubvogels. Kleine, eng stehende Augen, die einen nie direkt ansehen, aber immer von irgendwoher zu beobachten scheinen. Er spricht wenig, nicht einmal mit seiner Frau. Und er hilft ihr kaum. Vor allem deswegen will Mairead ihn nicht leiden.

Als der kleine Galahad versorgt, die Trage gebaut und Brianna darauf gelegt ist, machen Logan und Boyd sich wie selbstverständlich daran, sie zu tragen.
„Finley und ich übernehmen das!“, sagt Mairead und sieht ihn herausfordernd an. Finley schreckt zusammen. „Ich–“, beginnt er mit geduckten, sich davonschleichenden Worten, „ich fühle mich nicht gut. Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Sein Blick huscht unentwegt von einem zum anderen.
„Keiner von uns fühlt sich gut“, entgegnet Mairead und an Logan und Boyd gewandt: „Ihr löst uns später ab.“ Dann dreht sie sich zur älteren Schwester: „Deirdre, bring mir den Jungen.“
„Aber das können wir doch machen“, wirft Claire ein, ein bezopftes Mädchen von gerade einmal sieben Jahren.
„Ja“, bekräftigt Deirdre ihre Schwester, „wir tragen ihn!“
Finley hebt linkisch das vordere Ende der Trage an – Widerwille offenbart jede seiner unbeholfenen Bewegungen.

Am frühen Nachmittag verschlechtert sich das Wetter drastisch. Der trübe, bleierne Himmel scheint jeden Moment über ihnen einstürzen zu wollen. Zwar ist die Kälte jetzt erträglicher, aber der Wind nimmt ständig zu. Zudem kündigt sich Regen an.
Mairead weiß, dass sie schnellstmöglich einen Unterschlupf finden muss; werden ihre Sachen durchnässt, wird keiner von ihnen die kommende Nacht überstehen.
Seit Minuten beobachtet sie Logan und Boyd, die Brianna tragen; sie selbst trägt den Sack mit den wenigen Vorräten, die ihnen geblieben sind. Deutlich zeigt sich, dass die Männer am Ende ihrer Kraft sind.
Die Intervalle, in welchen sie und Finley Brianna trugen, wurden kürzer und kürzer. Finley stolperte häufig, ließ zuweilen gar die Trage los, sodass Brianna mehr als einmal auf die Erde kippte. Mit jedem Schritt stöhnte er vernehmlich und verlangte immer rascher nach Ablösung.
Im Gegenzug bot er an, den kostbaren Vorratssack zu tragen, aber Mairead traut ihm nicht. Als sie sein Angebot ausschlägt und ihm stattdessen sagt, er solle sich ausruhen, auf dass er baldmöglichst wieder die Trage übernehmen kann, blickt er sie erstmals direkt an.
Hass schlägt Mairead entgegen. Aus winzigen, fast pupillenlosen Augen züngelt unverhohlener Hass.
Mairead hält seinem Blick stand. Mehr noch. Unmissverständlich signalisiert sie ihm: Ich weiß, wer du bist! Und ich weiß, was du willst!

Wenig später tummeln sich erste Regentropfen in dem aufkommenden Sturm, und plötzlich ist sie da. Keine zehn Schritte voraus steht eine große, dunkel gekleidete Gestalt, wie von Geisterhand auf ihren Weg gestellt.

*

„Wer seid Ihr?“, ruft Mairead und die Worte kommen weit weniger fest als gehofft. Der Mann – so schließt sie aus der Gestalt, die zu groß und breit für eine Frau ist – antwortet und rührt sich nicht. Unschlüssig was nun zu tun ist, wendet Mairead sich den anderen zu, die allesamt stehen geblieben sind und zu dem Fremden hinüberschauen.
Der Himmel über ihnen verdunkelt sich so rasch, als würde die Nacht im Eiltempo hereinbrechen. Wind zerrt an ihren Kleidern und plötzlich fällt Regen. Donnergrollen brandet jäh von allen Seiten zugleich auf sie ein und die Luft schmeckt nach Furcht.

Der gewaltige Donnerschlag folgt unmittelbar auf den grellen Blitz, der die jäh vorherrschende Finsternis mit Licht überbordet und eine einzige, endlos lange Sekunde alle Schatten ausmerzt. Mairead kann das Gesicht des Fremden erkennen – seine Augen. Dunkel, fast schwarz schneiden sie ihr die Kleider vom Leib, schälen das Fleisch von den Knochen und entblößen sie bis auf den Grund ihrer Seele. Für Mairead steht außer Frage, dass er in diesem Augenblick ihre Gedanken lesen kann: Hilf uns! Ohne dich sind wir verloren!
Einmal mehr wird es taghell und der Fremde winkt, bedeutet ihr unmissverständlich ihm zu folgen. Mairead zögert keine Sekunde. „Kommt!“, befielt sie und läuft in die Richtung, die er eingeschlagen hat.

Ihr Weg führt steil bergan, so dass sie trotz aller Eile immer langsamer vorankommen und sich der Abstand zu ihrem Führer vergrößert. Eine felsige Rinne hinauf stürmt er vornweg, die hier und da von erdigen, teils grasbewachsenen Teppichen bedeckt ist, und sich zunehmend in eine wasserdurchspülte Rutsche verwandelt.
Mairead hat ihn fast schon aus den Augen verloren, als sie stürzt und den Sack mit den Vorräten fallen lässt. Unerwartet behände ist Finley an ihrer Seite. Doch anstatt ihr aufzuhelfen, greift er nach dem Sack – aber ein anderer kommt ihm zuvor.
In einer Bewegung hebt er Vorräte und Frau vom Boden auf. Mairead spürt den festen Griff, verblüfft über die Leichtigkeit, mit der er sie auf die Beine stellt.
Wie konnte er so schnell bei mir sein?, dümpelt es irgendwo in Maireads Geist. Er hat auf mich aufgepasst!, steht im Vordergrund.
Der kurze Moment der Nähe lässt sie erschaudern. Ein Gefühl von Geborgenheit flirrt auf Maireads Haut.

„Die Vorräte! Er stiehlt meine Vorräte!“ Finley speit die wenigen Worte in das tosende Durcheinander. Aber nur die hysterisch schrillen Laute folgen dem Fremden, der geduckte, eckige Körper bleibt zurück und fährt herum. „Du allein bist schuld“, schreit Finley Mairead an, „wenn wir hier sterben!“

Binnen Sekunden sind alle durchnässt und Mairead fühlt, wie trotz der Anstrengung bereits die Wärme aus ihrem Körper flieht.
Besorgnis.
Zweifel.
Wieder die Schuldgefühle.
Mairead reißt sich davon los und blickt flehentlich bergauf; aber von dem Fremden ist nichts mehr zu sehen. Hat er sie tatsächlich getäuscht? Beraubt und im Stich gelassen?
Das kann – darf nicht wahr sein!
Die Augenblicke verrinnen. Weggespült von dem unablässig niederprasselnden Regen; weggespült die Hoffnung, dass sie sich täuscht, er zurückkommen wird.
Wie weggeworfen verharrt Mairead im Schlamm. Hinter ihr schreit das Kind, weinen die Schwestern und flucht Finley.
Mit jedem Wimpernschlag wird es gewisser. Er hat sie getäuscht. Hat auf eine Gelegenheit gewartet und ist mit der Beute verschwunden.

Wieder zerreißt ein Blitz die Finsternis und der erderschütternde Donnerschlag, der augenblicklich folgt, scheint Mairead auf die Füße zu katapultieren.
Niemand stirbt! Nicht solange ich lebe!
Mairead stößt Finley beiseite und hastet zu den Mädchen hinunter. Aneinandergedrängt, das Baby schützend zwischen sich haltend, sind auch sie zu Boden gesunken.
Mairead ist fast schon bei ihnen, als sie den Boden unter den Füßen verliert. Das kleine Stück Welt, auf das sie tritt, löst sich von dem felsigen Untergrund und rutscht ab. Und mit ihm Mairead.
Kurz vermag sie die Balance zu halten, dann aber gerät die Fahrt ins Stocken und Mairead kippt vornüber. Sie reißt die Arme vor, beim Aufprall schießt der Schmerz in ihre Handgelenke. Die Ellen hinauf bis zu den Schultern stehen ihre Arme in Flammen. Mairead schreit auf, jedoch weniger des glühenden Schmerzes wegen, vielmehr weil sie mit ansehen muss, wie die Schwestern mit dem Baby ungebremst in die beiden jungen Männer und Brianna krachen. Allesamt werden sie als ein Knäul aus Armen, Beinen und schreienden Gesichtern weggespült. Die Felsrinne wird zum todbringenden Sturzbach und schon giert er auch nach Maireads Leben. Sie wird herumgewirbelt, verliert die anderen aus den Augen und schlägt mit der Schulter, dann mit der Stirn gegen Stein.

*

Schreie. Hufschläge. Das Morden.
Wieder sieht Mairead Vater und Mutter sterben. Die Kinder, die Schwester und all die anderen. Unbeteiligt sieht sie zu und niemand nimmt von ihr Notiz.
Dann geht es weiter.
Unstetes Licht, irgendwoher Wärme.
Diesmal findet sie sich nicht unter dem Baum wieder, durch dessen Astwerk milde Herbstsonne tropft. Vor Maireads Augen zerrt ein nackter Mann an den Kleidern einer jungen Frau. Wehrlos lässt sie es geschehen.
Das Bild verschwimmt und verschwindet.
Übelkeit.
Mairead stöhnt, blinzelt – da ist er wieder.
Jetzt ist auch die Frau nackt, er trägt sie auf den Armen, kommt auf Mairead zu. Hinter ihr regt sich etwas, berührt sie am Rücken.
Schwindel.
Der Mann ist fast bei ihr, als ihr jäh bewusst wird, dass auch sie nackt ist.
Wieder Bewegung an ihrem Rücken.

Allmählich wird Mairead klar, dass sie nicht träumt, dass sie wach ist. Der Mann mit dem Mädchen steigt achtlos über sie hinweg. Mairead schließt und öffnet die Augen, noch immer ist ihr Blick getrübt.
Dann erkennt sie die Flammen, die Wärme spendend ein Stück abseits züngeln. Mairead möchte sich aufsetzen, um hinter sich zu blicken; Schmerz flammt in ihren Händen auf, augenblicklich beginnt sie zu würgen.
Keuchend erbricht sie sich.
Hustet, spuckt und versteht.
Hände, Kopf, alles schmerzt. Dennoch lächelt Mairead. Der Mann steigt erneut über sie hinweg. Sie sieht ihn zum Feuer gehen, es nähren.
Mairead schließt die Augen und weiß: Er wurde ausgesandt, um uns zu retten!

Als Mairead wieder erwacht, dämmert der Morgen.
Noch immer knistert lebenspendend das Feuer, feuchte, grobe Wolle bedeckt ihren entblößten Leib. An ihren Rücken drängt sich ein hagerer, knochiger Mensch; Finley, denkt sie mit Schaudern, vielleicht aber auch eines der Mädchen.
Im Grunde ist es ihr egal. Denn vor ihr hebt und senkt sich eine breite Schulter. Mit gleichmäßigen, tiefen Atemzügen schläft vor ihr der Fremde, seine nackten Hinterbacken drängen sich an ihre Schenkel, sein breiter Rücken berührt ihre Brüste. Nach kurzem Zögern rückt sie von dem Körper hinter ihr ab und schmiegt sich an das Fleisch vor ihr. Der Fremde quittiert es auf gleiche Weise. Schlafend rückt er näher; einem Säugling gleich, der instinktiv die Nähe der Mutter sucht. Mairead seufzt. Ohne nachzudenken legt sie einen Arm um ihn.
Unverhofft ergreift er ihre Hand.
Vorsichtig.
Wissend.
Ohne Zweifel zärtlich.
Maireads Herz beginnt zu tanzen. Singen. Lachen und weinen. Es weitet sich, bis es ihre gesamte Brust ausfüllt. Die Stirn zwischen seine Schulterblätter gedrückt atmet sie seinen Duft ein.
Wenig später Schlaf.
Glück.

*

Ein Feuer hat den Dachstuhl und die Westmauern vor langer Zeit einstürzten lassen. Trotz ihres erbärmlichen Zustandes thront die Burgruine noch immer stolz über dem weiten Tal, das sich auf der andern Seite des steilen Felsendoms ausstreckt. Ein breiter, gemächlich strömender Fluss rahmt das wellenförmige Land in perfektem Halbkreis ein.
Oben ein fahler, gleichgültiger Himmel.
Mairead folgt dem Fremden nach draußen. Vorsichtig rückte er von ihr ab, stand auf und kleidete sich an. Als er merkte, dass auch Mairead nicht länger schlief, sah er sie kurz an. Er lächelte nicht, sagte kein Wort. Aber sein Gesicht sprach dennoch zu ihr.
Einladend.
Zurückweisend.

Jetzt steht er auf Mauerresten der Ruine, in deren Gewölbe er alle vor Stunden, weiß Gott, wie, in Sicherheit brachte, und blickt in die Ferne.
Mairead verweilt zwei Schritte dahinter und betrachtet ihn. Pechschwarzes, lockiges Haar fällt auf die Schultern seines fellbesetzten Mantels. Er ist groß, geradezu riesig. Trotz Maireads außergewöhnlicher Körperlänge überragt er sie um eineinhalb Köpfe. Stolz und Selbstvertrauen liegen in seiner Haltung, obgleich er im Herbst seines Lebens steht. Doch in dem kurzen Moment, als er sie ansah, wohnte seinem Gesicht ein Ausdruck bei – dunstig und zerrissen, wie sich auflösender Morgennebel.
Mairead kennt diesen Ausdruck. Aus ruhigen, dunklen Wassern blickte er ihr entgegen, oft in den jüngst verstrichenen Tagen.

„Wir könnten hier bleiben.“ Süßlich und herb, wie reifer Waldhonig dringt seine Stimme an Maireads Ohr.
„Hier“, fragt sie, „in dieser Ruine?“ Dabei drängt es sie zu: Wir? Du und ich?
„Nein. Dort unten.“
Mairead tritt neben ihn und folgt seinem Blick.
„Das Land scheint verlassen, dabei ist es fruchtbar. Wir könnten einen Graben ausheben, den Fluss im Westen stauen – so würde eine Insel entstehen, von allen Seiten geschützt.“
Mairead lauscht seinen Ausführungen. Nur flüchtig schaut sie nach unten, dann haften ihre Augen an seinem Profil.
„Der Fluss scheint tief zu sein, ist sicher nicht leicht zu überqueren. Und wenn wir erst–“, er wendet sich zu ihr und verstummt.

Maireads Augen empfangen ihn strahlend, ein scheues Lächeln umspielt ihre geöffneten Lippen. Auch seine Augen leuchten, aber der Mund bleibt schmal und straff. Er reicht Mairead die Hände, neigt sich zu ihr.
Verschwunden sind Leid und Angst, verschwunden der Tod – verschwunden ist alles.
Mairead legt ihre Hände in seine und vollführt jene winzige Bewegung, die es noch braucht, dass sich ihre Lippen finden, ihre Herzen berühren.

*

„Holt John! Er soll entscheiden, was mit dem Jungen geschieht.“

Der erste Winter war wider Erwarten leicht gewesen. Die folgenden schwer und jetzt, im sechsten Jahr, scheint es, als wolle das Land sie loswerden, endlich wieder mit sich allein sein.
Der vergangene Sommer war heiß und trocken vorübergeeilt, unfruchtbar und geizig zeigte sich der Herbst von seiner schlechtesten Seite. Schon früh im neuen Jahr waren die Vorräte aufgebraucht, noch immer versteckten sich die steifgefrorenen Böden unter undurchlässigem Weiß.

Mairead findet John auf der Scheune. Mit Logan arbeitet er am Dachstuhl; ein Querbalken war unter der Schneelast gebrochen, muss zunächst gestützt, später gewechselt werden.
„John!“
Den Kummer, mit welchem Mairead nach ihm ruft, bemerkt er sofort. Mit einem letzten, kräftigen Hieb schlägt er den Eisensplint ein, reicht Logan den Hammer und steigt nach unten.
Liebevoll schließt er seine rundliche Frau in die Arme, hält sie fest und küsst sie. „Was ist passiert?“, fragt er und legt eine Hand auf ihren Bauch, das späte Wunder noch immer kaum begreifend.
„Boyd beschuldigt Galahad, Saatgut gestohlen zu haben.“
„Was sagt Galahad dazu?“
„Er streitet es ab, hatte den Sack jedoch bei sich.“
„Weiß Finley Bescheid?“
„Ja und er ist sehr aufgebracht! John, Boyd besteht auf der Abmachung.“
Logan lauschte dem Gespräch und steigt ebenfalls vom Dach.

John vereinte Logan und Deirdre, hielt die Hand über sie, nahm ihnen den Schwur ab. Den selben Schwur, den auch er leistete. Die Auserwählte zu ehren, sie zu schützen und lieben. Jetzt und immerdar.
John flüsterte die Worte in Maireads Ohr; kurz nachdem sie beschlossen zu bleiben. Vor Monaten tat Logan es ihm gleich; laut, bei einem der gemeinsamen Sonntagsessen, dass alle es hören konnten.
Am selben Tag offenbarte ihm Maidread das Wunder. John weinte vor Freude und Sorge. Warum schenkt ihnen Gott dies Kind? Jetzt – am Ende ihres Lebens.
Das ist beängstigend.
Ist wunderbar!

Gemeinsam gehen sie zu der kleinen Kapelle, die sie im Herbst vergangenen Jahres am Ostufer des aufgestauten Sees errichtet haben.
Mit dem Eintreffen von Mairead, John und Logan sind alle in der Gemeinschaft Lebenden versammelt.
„Hallo“, sagt John. Boyd reicht ihm die Hand, Finley schweigt und fixiert den Flecken Erde vor seinen Füßen. John nickt den übrigen zu und tritt vor den sechs Jahre alten Galahad, der ebenfalls den Blick gesenkt hält.
„Sieh mich an“, sagt John ruhig.
Vater und Sohn heben die Köpfe und blicken einander in die Augen.
„Sieh mich an!“, wiederholt John, noch immer ruhig aber endgültig. Galahad dreht sich zu ihm und erbleicht.
„Hast du den Sack gestohlen?“
Das farblose Gesicht des Jungen bricht auseinander und ein kaum vernehmliches Ja bröckelt daraus hervor.
„Warum? Wer hat dich dazu angestiftet?“ John widersteht der Versuchung Finley anzusehen, richtet seine Augen weiter auf den Jungen.
Schluchzen.
Dann gestehendes Schweigen.
„Niemand hat ihn angestiftet!“, kreischt Finley. „Der verdammte Bengel hat–“
„Ich habe den Jungen gefragt!“ John sieht Finley an und er verstummt.
„Galahad“, John kniet bei dem Jungen nieder, „hat dir wer gesagt, du sollst den Sack nehmen?“
Galahad senkt erneut den Blick, sein Körper bebt. „Nein“, sagt er unerwartet fest, „es war allein meine Idee!“
Finley entweicht ein Laut, wässern und erbärmlich – eines Menschen unwürdig.

John senkt für Sekunden den Blick, ehe er sich aufrichtet; schwerfällig, eine enorme Last stemmend, die ihm nur gewaltsam über die Lippen kommt: „Dann ist es entschieden! Wir alle haben es so bestimmt.“
Johns nächste Worte vollstrecken das Urteil, noch ehe der Henker von seiner Aufgabe weiß: „Boyd, es ist dein Recht, dem Dieb die rechte Hand abzuschlagen.“
Ein Ruck geht durch die Versammlung und mit einem Mal reden alle durcheinander. Der Junge schreit auf, als könnte er den drohenden Schmerz bereits fühlen. Er tobt, schlägt um sich, versucht sich loszureißen. Aber John hält ihn fest, bis er jäh verstummt und reglos wird.
„Ich–“, beginnt Boyd, „ich habe die Säcke ja wieder. Keiner hat einen Schaden, nicht wahr?“ Zustimmungsheischend schaut er sich um. „Ich denke, eine ordentliche Tracht Prügel sollte genügen.“
John tauscht einen Blick mit Mairead, ehe er sich wieder an Boyd wendet: „Es ist dein Recht, Boyd, und deine Pflicht!“
„Das kann ich nicht!“, entgegnet Boyd sofort und entschieden.
Darauf hat John gehofft. Er nickt Boyd zu und sagt ohne sich umzuwenden: „Dann fällt es dir zu, Finley!“
Der Vater des Jungen, der sich während dessen schweigend in den Hintergrund geschoben und zuletzt ein Stück weit von der Gruppe entfernt hat, schreckt zusammen.
Alle Augenpaare sind auf ihn gerichtet, als er zurückkommt, den Arm des Jungen packt und das Messer aus der Scheide am Gürtel zieht.
„Nein!“, schreit Mairead und wirft sich zwischen die beiden. Finley stößt sie weg, und Mairead stolpert und fällt. John greift nach ihr, doch er kommt zu spät.

*

In einem Sturzbach aus Blut und Schmerz kommt der Junge zur Welt und zerreißt seinem Vater das Herz.
Stunden hat Mairead geschrien und gekämpft; stundenlang John gebangt, gehofft und gotteslässterlich geflucht.
Nun liegt der Junge an ihrer Brust. Die wenigen Atemzüge, die übrig sind, gelten dem Kind, und dem Mann, der sie festhält; der alles festzuhalten versucht, was nicht festzuhalten ist.

Mairead: „Die Jahre mit dir wiegen alles auf. Du gabst mir Zeit, obgleich sie längst schon verstrichen war. Finde Glück, John! Nicht für mich, sondern für dich und ihn.
Ich gebe meinen Atem, damit du leben kannst. In dir fließt meine Stärke, meine Liebe. Werde alles, was ich nicht sein konnte."

 

Hallo @Sammis

Eine Schlacht, Dramatik, große Gefühle, und das alles in einer fernen Zeit, mit poetischen Bildern in Szene gesetzt, das war gerade das Richtige, um es an einem verregneten Herbstnachmittag zu lesen. Ein origineller Challengebeitrag. Ich mag die Geschichte. Spielt das Ganze in den Highlands vor dem Hintergrund irgendwelcher Clankriege? Bei dem Namen Galahad musste ich übrigens sofort an den bekanntesten Ritter der Tafelrunde denken.

Allerdings fiel mir der Einstieg etwas schwer und die Bilder fand ich manchmal „überpoetisch“. Dann und wann könntest du das Geschehen auch noch etwas realistischer gestalten. Außerdem habe ich sogar etwas zum Streichen gefunden.

Dazu noch mehr in den weiteren Anmerkungen.

Wunderbar!
Ein Ausrufezeichen in der Überschrift? Sieht man selten. @Friedrichard wäre stolz auf dich. Trotzdem will der Titel mit dem Allerweltswort in meinen Augen nicht so recht zu dem Text passen. Vielleicht einfach „Maidread“? Sie steht ja im Zentrum.

Mairead läuft nach draußen und sieht, wie der Mutter ein hölzerner Speer durch den Leib getrieben wird, der Vater mit dem Gesicht nach unten auf der Erde liegt[, ]und riesige
Komma weg
Ringsum tost unsägliches Grauen; alle werden abgeschlachtet, niemand verschont. Und Mairead sieht dabei zu – aber keiner sieht sie.
Dann ist sie unten am Fluss. Die Sonne schmunzelt,
Ziemlich abrupter Szenenwechsel im Traum. Träumt man so? Vielleicht hinter „sie“ … setzen. Oder die Szenen mehr durchmischen oder „dann wieder ist sie …“ schreiben, damit der Leser merkt, es ist ein Traum.
streckt den Rücken und beschließt[,] sich etwas Ruhe zu gönnen.
Komma
die allesamt Verrat schrieen.
schrien
Eine kleine Anhöhe hinauf, wo sich ihnen Ausblick über das Tal bietet.
die ihnen
Sie gehen einige Schritte von der geduckten Felsformation fort, bei welcher sie Schutz vor der Kälte der Nacht gesucht haben.
Haben sie nicht aus dem Dorf wenigstens etwas mitgenommen – Felle, Holz – das als Baumaterial für einen provisorischen Unterstand taugt? Ich hätte das gemacht.
Die enorme Größe der Liebe, die sie unentwegt zu geben im Stande ist, und zuvorderst aber zuletzt, ihre außergewöhnlichen Körpergröße.
Das passt nicht zum Vorhergehenden. Die Sicht auf die … außergewöhnliche Körpergröße. Die zumindest sollte doch unübersehbar sein.
und jedem, der ihrer Hilfe bedarf hatte.
bedurft hatte
Anerkennung und die Liebe zu sich, ein gerechte Lohn.
gerechter
hebt aufs gerade Wohl den linken Arm
Geratewohl
Bitte setzt dich und gib ihm Milch.
setz
Er wirkt fahrig und armselig[,] und Mairead mag ihn nicht.
Komma weg
Seit Minuten beobachtet sie Logan und Boyd, die Brianna tragen; sie selbst den Sack mit den wenigen Vorräten,
Sie selbst trägt den ...
ob dieser Mann auch nur den Funken Ehrgefühl in sich trägt?
einen Funken


Unverhohlener Hass schlägt Maidred entgegen. Aus winzigen, fast pupillenlosen Augen züngelt bitterernster Hass.

Wind zerrt verlangend an ihren Kleidern

Donnergrollen brandet jäh von allen Seiten zugleich auf sie ein und mit einem Mal schmeckt die flüssig gewordene Luft nach Furcht.
und die flüssig gewordene Luft schmeckt nach Furcht.
Der gewaltige Donnerschlag folgt unmittelbar auf den grellen Blitz, der die jäh vorherrschende Finsternis mit Licht überbordet und eine einzige, endlos lange Sekunde alle Schatten ausmerzt.
gut formuliert. Allerdings klingt überbordet sehr modern.
Ein ohrenbetäubender Donnerknall meißelt seine Worte in ihr Gesicht und alle Glückseeligkeit ist zermalmt.
Glückseligkeit
Allesamt werden als ein Knäul aus Armen, Beinen und schreienden Gesichtern weggespült.
Allesamt werden sie als ...
Mairead möchte sich aufzusetzen,
aufsetzen
Maireads Herz beginnt zu tanzen. Singen. Lachen und weinen. Es weitet sich, bis es ihre gesamte Brust ausfüllt.
Schön formuliert
Doch in dem kurzen Moment, als er sie ansah, wohnte seinem Gesicht ein Ausdruck bei – dunstig und zerrissen, wie sich auflösender Morgennebel.
überpoetisch
„Hier“, antwortete sie fragend, „in dieser Ruine?“
antwortet, oder noch besser: "Hier?", fragt sie.
Auf dem Gesicht des Fremden fechten zwei Armeen um den Sieg einer längst verlorenen Schlacht.
In einer Schlacht, die längst verloren war.
„Ja und er ist sehr aufgebracht! John, Boyd besteht auf die Abmachung.“
auf der
Als er den Namen seiner Frau vernimmt, steigt auch Logan vom Dach.
Der Name taucht doch gar nicht auf.
Jetzt und immer da.
immerdar
Ist wunderbar!
"Das ist wunderbar." Hier würde ich nicht an einem Wort sparen.
gehen sie zu der kleinen Kapelle, die sie im Herbst vergangenes Jahr
vergangenen Jahres
nd ein kaum vernehmliches Ja bröckelte daraus hervor.
bröckelt
Johns nächste Worte vollstreckten das Urteil, noch ehe der Henker von seiner Aufgabe weiß:
vollstrecken
Keiner hat einen Schaden, nicht war?“
wahr
Der Vater des Jungen, der sich während all dessen schweigend in den Hintergrund geschoben
währenddessen
John greift nach ihr, doch er ist zu spät.
es ist zu spät
Werde glücklich, des Jungens und deinetwegen.
des Jungen und

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Ein Milliarde Mal gelesen und doch so viel übersehen – das beschämt mich!

Hallo @Sturek!

Eine Schlacht, Dramatik, große Gefühle, und das alles in einer fernen Zeit, mit poetischen Bildern in Szene gesetzt, das war gerade das Richtige, um es an einem verregneten Herbstnachmittag zu lesen. Ein origineller Challengebeitrag. Ich mag die Geschichte.
Nun bin ich aber erleichtert – hatte große Sorge, dass ich damit komplett durchfalle.
Es freut mich wirklich sehr, dass dich der Text unterhalten hat!
Spielt das Ganze in den Highlands vor dem Hintergrund irgendwelcher Clankriege?
Genau, etwas in der Art spukte mir dabei im Kopf umher.

Allerdings fiel mir der Einstieg etwas schwer und die Bilder fand ich manchmal „überpoetisch“. Dann und wann könntest du das Geschehen auch noch etwas realistischer gestalten. Außerdem habe ich sogar etwas zum Streichen gefunden.
Ich rechnete fest damit, schon für den ersten Satz abgestraft zu werden. Ich strich ihn, formulierte ihn um, nahm ihn wieder rein und strich ihn erneut. Letztlich entschied ich mich dafür, ihn als eine Art Fingerzeig stehen zu lassen – Das ist die Richtung, so wird es bleiben!
Werden sicher nicht alle feiern.
Streichen, streichen, streichen – immer her damit!

Ein Ausrufezeichen in der Überschrift? Sieht man selten. @Friedrichard wäre stolz auf dich. Trotzdem will der Titel mit dem Allerweltswort in meinen Augen nicht so recht zu dem Text passen. Vielleicht einfach „Maidread“? Sie steht ja im Zentrum.
Der Titel, ja. Damit bin ich nicht zufrieden. Hoffe hierbei noch auf Eingebung oder einen guten Rat seitens der Kommentatoren! Maidread läge natürlich nahe – zu nahe.

Ziemlich abrupter Szenenwechsel im Traum. Träumt man so? Vielleicht hinter „sie“ … setzen. Oder die Szenen mehr durchmischen oder „dann wieder ist sie …“ schreiben, damit der Leser merkt, es ist ein Traum.
Finde schon, ich zumindest. Und so ein Sprung ist doch ein Indiez für den Traum, oder?

Haben sie nicht aus dem Dorf wenigstens etwas mitgenommen – Felle, Holz – das als Baumaterial für einen provisorischen Unterstand taugt? Ich hätte das gemacht.
Stimmt. Manch kleiner Logigfehler sei mir bei solch einer Geschicht verziehen ...

Die enorme Größe der Liebe, die sie unentwegt zu geben im Stande ist, und zuvorderst aber zuletzt, ihre außergewöhnlichen Körpergröße.
Das passt nicht zum Vorhergehenden. Die Sicht auf die … außergewöhnliche Körpergröße. Die zumindest sollte doch unübersehbar sein.
Das Ganze ist so gemeint: Ihre aufgezählten Eigenschaften hielten die Männer davor ab (schüchterten sie ein) sich ihr zu nähern. Und zuvorderst aber zuletzt ihr Körpergröße, weil die zuerst sichtbar, an sich jedoch bedeutungslos ist.
Missverständlich? Muss ich drüber nachdenken.

Unverhohlener Hass schlägt Maidred entgegen. Aus winzigen, fast pupillenlosen Augen züngelt bitterernster Hass.
Die Dopplung möchte ich vorerst behalten, das sie mMn den Hass spürbarer macht.

Als er den Namen seiner Frau vernimmt, steigt auch Logan vom Dach.
Der Name taucht doch gar nicht auf.
Oh Mann! Das passiert, wenn man ganze Szenen opfert und Fragmente überbleiben.

Ist wunderbar!
"Das ist wunderbar." Hier würde ich nicht an einem Wort sparen.
Mit diesem Hinweis wird mir etwas wichtigeres bewusst: Das ist nicht gut. Ist wunderbar! (Ob nun mit oder ohne Das) Kann man auf zweierlei Weisen lesen. Als Steigerung: Das ist nicht nur gut, das ist wunderbar! So ist es jedoch nicht gemeint. Es soll die Ambivalenz zeigen: Das ist nicht gut (kann schlimm ausgehen, ich habe Angst). Und dennoch ist es wunderbar! Weil ich mich auf das Kind freue und hoffe, dass alles gut geht. Daher die Schreibweise: Das ist nicht gut. Ist wunderbar! Ohne das zweite Das.
Muss ich mir ebenfalls Gedanken machen.

Alles andere habe ich zumeist eins zu eins übernommen, wie von dir vorgeschlagen. (Einiges stand ohnehin nicht zur Diskussion)

Ich danke dir fürs aufmerksame Lesen und Auffinden der willkommenen Streichkandidaten!

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis,

das ist überhaupt nicht mein Genre, darum nimm mein Feedback mit einem Körnchen Salz (sagt man das hierzulande - with a grain of salt?)

Hier, was mir so aufgefallen ist:

Den unmittelbaren Beginn, also die ersten Sätze finde ich stark. Es könnte daran gefeilt werden, aber insgesamt klappt das. Der Traum nimmt dann für mein Empfinden ein wenig zu viel Raum ein, es stellt sich das allererste Gefühl von einer Beschreibungsabnutzung bei mir ein.

Nach dem Erwachen setzt sich das fort: Man liest wie eine bombastische Exposition nach der anderen, ich denke mir: Ich hab's soweit kapiert, Handlung bitte und etwas weniger Pomp!

Dann kommt der Nachmittag und ein seltsamer Bruch: Auf einmal wird viel Erzählte Zeit in wenige Worte gepackt und auch noch in die Zukunft geschaut und gesprungen. Jetzt liest es sich für einen Moment episch, wie eine pseudohistorische Zusammenfassung wichtiger Ereignisse. Passt für mich nicht zum vorangegangenen Erzählduktus, sondern wäre in meinen Augen eher der Stil für den Beginn: "M. zählte dreizehn rote Monde, bis sie alle Leichen begraben hatte. Dann trocknete sie ihre Tränen und schwor Rache." So was in der Art, you get the point.

Spät am Nachmittag, als ein kühler, den Spätherbst verkündender Wind Mairead weckte, kehrte sie in die Siedlung zurück.
Einundvierzig Männer, Frauen, Kinder und Babys begrub sie in den darauffolgenden Tagen unter Steinen.
Viel zu viele Granitsteinhügel, die allesamt Verrat schrien.
Am dritten Tag tauchten Fremde auf: Ein Mann, ein schwangeres Mädchen und ein wenige Monate alter Säugling; aus nördlicher Richtung gekommen war es ihnen ähnlich ergangen.
Mairead hatte im Dorf bleiben und auf den Tod warten wollen. Nun aber gab es etwas zu tun, eine letzte Aufgabe.
Am nächsten Tag trafen sie auf zwei Mädchen. Deirdre und Claire Wyndhan. Mairead kannte die Siedlung, aus welcher die Schwestern stammten; keiner ihrer Angehörigen hat überlebt. Am Abend desselben Tages trafen sie auf eine Gruppe Überlebende; sieben greise Männer und Frauen, die dank zweier Jünglinge, Logan und Boyd, hatten fliehen können.

Hier hat Graf Zahl sich der Geschichte bemächtigt. Vielleicht lieber die Quersumme bilden?

Mairead hatte im Dorf bleiben und auf den Tod warten wollen. Nun aber gab es etwas zu tun, eine letzte Aufgabe.
Am nächsten Tag trafen sie auf zwei Mädchen. Deirdre und Claire Wyndhan.

Vielleicht genretypisch, für mich aber unfreiwillig komisch, weil der Ikeakatalogeffekt eintritt: Seltsamere Namen gabs dann auch nicht mehr, oder? :-) Billy, Kallax und Ivar lassen grüßen.

Mairead gibt vor geschlafen zu haben.

Das ist nicht korrekt: Sie gibt vor aufzuwachen, vorgeben, geschlafen zu haben, ginge in diesem Fall nur erzählend, weil es etwas über die Vorvergangenheit aussagt.

Dabei liegt sie seit dem schrecklich-schönen Traum vor Stunden wach.

Hier frage ich mich, ob das der Traum vom Anfang ist. Wenn ja, bin ich nicht mitgekommen.

An ihren Blicken haftet Angst und zittert zugleich scheue Hoffnung.

Das ist schief: Den Blicken haftet höchstens etwas an, aber an ihnen haftet nichts - weder realiter, noch als Metapher. Ergo kann an den Blicken auch nichts zittern. Außerdem ist es ein wenig too much, die Blicke gleich als ängstlich, zitternd, scheu und hoffnungsvoll beschreiben zu wollen. Vielleicht:

Sie schauten ängstlich, aber in ihren Blicken lag auch Hoffnung.

Soweit mal, für mehr reicht leider die Zeit grade nicht. Ich lese dann weiter mit.

Freundliche Grüße

HK

 

Hallo @H. Kopper!

Den unmittelbaren Beginn, also die ersten Sätze finde ich stark. Es könnte daran gefeilt werden, aber insgesamt klappt das.
Freut mich, dass dir der Einstieg zusagt! Immer her mit Vorschlägen – meine Feile fühlt sich überbeansprucht an, zeigt schon erste Abnutzungserscheinungen. :rolleyes:

Der Traum nimmt dann für mein Empfinden ein wenig zu viel Raum ein, es stellt sich das allererste Gefühl von einer Beschreibungsabnutzung bei mir ein.
Kann ich nachvollziehen – habe ich etwas gestutzt.

Nach dem Erwachen setzt sich das fort: Man liest wie eine bombastische Exposition nach der anderen, ich denke mir: Ich hab's soweit kapiert, Handlung bitte und etwas weniger Pomp!
Verstehe – habe auch hier etwas zurückgeschraubt.

Dann kommt der Nachmittag und ein seltsamer Bruch: Auf einmal wird viel Erzählte Zeit in wenige Worte gepackt und auch noch in die Zukunft geschaut und gesprungen. Jetzt liest es sich für einen Moment episch, wie eine pseudohistorische Zusammenfassung wichtiger Ereignisse. Passt für mich nicht zum vorangegangenen Erzählduktus, sondern wäre in meinen Augen eher der Stil für den Beginn: "M. zählte dreizehn rote Monde, bis sie alle Leichen begraben hatte. Dann trocknete sie ihre Tränen und schwor Rache." So was in der Art, you get the point.
Hier kann ich dir nicht ganz folgen – ja, die Zusammenfassung/Erklärung vergangener Geschehnisse, die Grund für die Flucht sind, werden knapp erzählt, nur angedeutet – finde ich jedoch ausreichend, soll nur ein Gefühl vermitteln, worum es in etwa geht.

Spät am Nachmittag, als ein kühler, den Spätherbst verkündender Wind Mairead weckte, kehrte sie in die Siedlung zurück.
Einundvierzig Männer, Frauen, Kinder und Babys begrub sie in den darauffolgenden Tagen unter Steinen.
Viel zu viele Granitsteinhügel, die allesamt Verrat schrien.
Am dritten Tag tauchten Fremde auf: Ein Mann, ein schwangeres Mädchen und ein wenige Monate alter Säugling; aus nördlicher Richtung gekommen war es ihnen ähnlich ergangen.
Mairead hatte im Dorf bleiben und auf den Tod warten wollen. Nun aber gab es etwas zu tun, eine letzte Aufgabe.
Am nächsten Tag trafen sie auf zwei Mädchen. Deirdre und Claire Wyndhan. Mairead kannte die Siedlung, aus welcher die Schwestern stammten; keiner ihrer Angehörigen hat überlebt. Am Abend desselben Tages trafen sie auf eine Gruppe Überlebende; sieben greise Männer und Frauen, die dank zweier Jünglinge, Logan und Boyd, hatten fliehen können.
Hier hat Graf Zahl sich der Geschichte bemächtigt. Vielleicht lieber die Quersumme bilden?
Hauehaue! So markiert sieht das schon übel aus – habe ausgesiebt, was möglich war.

Mairead hatte im Dorf bleiben und auf den Tod warten wollen. Nun aber gab es etwas zu tun, eine letzte Aufgabe.
Am nächsten Tag trafen sie auf zwei Mädchen. Deirdre und Claire Wyndhan.
Vielleicht genretypisch, für mich aber unfreiwillig komisch, weil der Ikeakatalogeffekt eintritt: Seltsamere Namen gabs dann auch nicht mehr, oder? :-) Billy, Kallax und Ivar lassen grüßen.
Immer schwierig! Noch mehr in einer Kurzgeschichte. Kann die Nasen in solch einem Szenario jedoch schlecht Helga und Günther nennen.:D

Mairead gibt vor geschlafen zu haben.
Das ist nicht korrekt: Sie gibt vor aufzuwachen, vorgeben, geschlafen zu haben, ginge in diesem Fall nur erzählend, weil es etwas über die Vorvergangenheit aussagt.
Richtig, habe ich geändert.

Dabei liegt sie seit dem schrecklich-schönen Traum vor Stunden wach.
Hier frage ich mich, ob das der Traum vom Anfang ist. Wenn ja, bin ich nicht mitgekommen.
Ist er. Ein wiederkehrender Alptraum, der sie seit dem Überfall auf ihr Dorf heimsucht.

An ihren Blicken haftet Angst und zittert zugleich scheue Hoffnung.
Das ist schief: Den Blicken haftet höchstens etwas an, aber an ihnen haftet nichts - weder realiter, noch als Metapher. Ergo kann an den Blicken auch nichts zittern. Außerdem ist es ein wenig too much, die Blicke gleich als ängstlich, zitternd, scheu und hoffnungsvoll beschreiben zu wollen.
Bei solch einem Text sollte man nicht jedes Wort, jeden Satz oder jede Redewendung auf die Goldwaage legen. So kann er nicht funktionieren, bzw. rückt man alles Schiefe gerade, bleibt wenig übrig, wird es eine völlig andere Art von Geschichte.
Wenn dich das hier stört, wirst du vermutlich noch häufig stutzen.:(

Ich danke dir fürs Lesen und die hilfreichen Anmerkungen!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis,

Hier kann ich dir nicht ganz folgen – ja, die Zusammenfassung/Erklärung vergangener Geschehnisse, die Grund für die Flucht sind, werden knapp erzählt, nur angedeutet – finde ich jedoch ausreichend, soll nur ein Gefühl vermitteln, worum es in etwa geht.

Ich meine die Dramaturgie: Man steigt situativ ein (Traum), muss sich dann in einer anderen Einstiegssituation orientieren, was durch den vorangehenden chaotischen Traum schon erschwert ist. Beides zoomt sehr nah ran. Dann kommt, relativ bald, aus dem Nichts eine Zusammenfassung und ein Zeitsprung. Der Zoom geht sehr weit raus, nur um direkt wieder sehr nah ranzugehen. Das ist für mein Empfinden zu wild und folgt keiner dramaturgischen Logik.

Denk mal an, als bestes Beispiel, das mir gerade einfällt, den Anfang eines Asterix-Film: "Die Römer haben ganz Gallien besiedelt!" – Karte von Europa mit dem römischen Generalsstab oder was das ist. Zoom ist maximal draußen, zeitlich und räumlich. "Ganz Gallien? – Nein, da ist ein Dorf ... " Zoom geht auf der Landkarte näher ran auf den Ausschnitt mit dem Dorf der Gallier. Dann geht er noch näher ran, verlässt die Draufsicht und man springt ins Dorfleben. Dann kommt – Zoom maximal nah – die eigentliche Geschichte, die einzelnen Figuren folgt. Man kommt dem Geschehen also sukzessive näher und nimmt den größeren Zusammenhang als Kontextwissen mit in die Story.

Bei solch einem Text sollte man nicht jedes Wort, jeden Satz oder jede Redewendung auf die Goldwaage legen. So kann er nicht funktionieren, bzw. rückt man alles Schiefe gerade, bleibt wenig übrig, wird es eine völlig andere Art von Geschichte.

Sorry, aber das klingt für mich nach Ausrede :lol: Goldwaage ist das eine, schiefe Ebene das andere. Es liest sich hier so, als würdest du den Ausdruck "anhaften" falsch verstehen als Autor, und nicht als hättest du im Eifer des Gefechts einfach mal ein Sprachbild zu viel angefügt.

Immer schwierig! Noch mehr in einer Kurzgeschichte. Kann die Nasen in solch einem Szenario jedoch schlecht Helga und Günther nennen.:D

Habe tatsächlich nach meinem Kommentar noch kurz über mein Beispiel mit Ikea nachgedacht und realisiert, dass deren Namen klüger gewählt sind als deine. Denn sie sind kurz und prägnant und man weiß, wie man sie aussprechen muss.

Mairead, so habe ich dann gegoogelt, ist schottisch (?) für Margarete. Mit Margaret hättest du eine britische Version, von der man direkt weiß, wie man sie aussprechen muss. Genauso bei "Deirdre und Claire Wyndhan" – Claire ist ok, aber Deirdre und Wyndhan erzeugt beim Leser nur phonetische Fragezeichen und ohne inneren Klang setzen sich Namen nur schlecht im Hirn fest. Würde also zumindest so simple und klare irisch/schottische Namen suchen wie möglich.

Freundliche Grüße

HK

 

Hallo @Sammis schön, einen Challenge-Beitrag von dir zu lesen!
Ich steige direkt ein:

Sie setzt sich auf und stellt mit Schrecken fest, dass sie allein ist.
Mairead läuft nach draußen und sieht, wie der Mutter ein hölzerner Speer durch den Leib getrieben wird, der Vater mit dem Gesicht nach unten auf der Erde liegt und riesige, Schaum spuckende Schlachtrösser über die Schwester und deren Söhne hinwegtrampeln.
Oha!, denke ich. Du kommst ja sehr schnell zur Sache! Es geht direkt heftig los. Finde ich erst mal in Ordnung, auch wenn es für mich nicht dieses an den Haken locken für Texte braucht.

Im Zwielicht eines herbstlich entkleideten Baumes ruhend, gegen den stattlichen Stamm gelehnt, schließt sie die Augen. Zufriedenheit hüllt Mairead ein, wärmend wie eine dicke Decke in kalter Nacht.
Du wählst in dem Text eine volle Sprache. Ich finde, dass dir das aber nur manchmal gelingt und manchmal leider auch etwas überladen wirkt. An diesem Satz fällt mir das zum Beispiel exemplarisch auf: Im Zwielicht eines herbstlich entkleideten Baumes finde ich zum Beispiel super. Danach wird es mir aber zu viel. Der Stamm ist natürlich stattlich. Zufriedenheit hüllt ein, die Decke ist dick, denn sie muss einer kalten Nacht trotzen. Für sich genommen funktionieren die Satzglieder. In einem Satz wirkt es aber überfrachtet. Und das wiederum schwächt dann auch den, eigentlich guten, Beginn des Satzes. Mir jedenfalls geht es so - vielleicht eine Geschmacksfrage.

Mit siebzehn wurde sie die Frau des zehn Jahre älteren Finley und Mutter des wenige Monate alten Galahad.
Finde ich unscharf. Wurde sie mit siebzehn Mutter eines wenige Monate alten Kindes, sprich sie hat es quasi übernommen? Oder sie ist die Mutter und ist mit siebzehn die Mutter eines wenige Monate alten Kindes? Würde ich vielleicht deutlicher machen.

offenbart eine Verletzlichkeit, die Mairead das Herz abschnürt.
Das braucht es meiner Meinung nach nicht. Es wird darauffolgend doch klar, wie sie zu ihr steht. Das brauchst du meiner Meinung nach nicht ausformulieren.

Vor allem deswegen will Mairead ihn nicht leiden.
Auch hier: Es wird klar. Braucht es daher nicht.

In Mairead schwoll die Frage wie entzündete Mandeln, ob dieser Mann auch nur einen Funken Ehrgefühl in sich trägt?
Wieder etwas zu blumig für meinen Geschmack.

Unverhohlener Hass schlägt Mairead entgegen. Aus winzigen, fast pupillenlosen Augen züngelt bitterernster Hass.
Unverholen und bitterernst ist mir zu viel. Würde ich kürzen. Und züngelt ist hier vielleicht wieder eine Geschmacksfrage aber eben auch recht blumig in der Formulierung.

Donnergrollen brandet jäh von allen Seiten zugleich auf sie ein und die flüssig gewordene Luft schmeckt nach Furcht.
Das wiederum finde ich einen schön formulierten Satz. Hier passt für mich der Anteil an schweren Formulierungen.

Entsetzen, splitterfasernackte Angst hockt sich unversehens auf die verzerrten Gesichter ihrer Begleiter; und schon grapscht sie auch nach Maireads Herz.
Direkt danach denke ich dann aber, dass es mir wieder zu viel ist. Zumal du im vorherigen Satz eigentlich schon aufgemacht hast, dass nun Furcht eine Rolle für die Anwesenden spielt. Ich denke also, dass der Satz hier überflüssig ist.

Hilfesuchend wendet sie den Blick dem Fremden zu; einer Eingebung folgend glaubt sie fest daran, dass er einzig dazu ausgesandt wurde, sie zu retten.
Das verstehe ich nicht. Woher kommt der Gedanke. Nichts im Text macht diese Möglichkeit doch auf? Die Gestalt wurde allenfalls als mysteriös, mehr noch als Bedrohung aufgemacht. Wie kommt sie also zu dieser plötzlichen Einschätzung? Rein aus Hoffnung im Angesicht von Hoffnungslosigkeit passt für mich nicht. Da bräuchte es schon mehr. Ein "göttliches" Zeichen, eine Geste der Gestalt, ein beschriebenes "warmes" Gefühl. Irgendwas, was diese Einschätzung herleitet. Daher würde ich den Blitz, der direkt danach kommt, hier voranstellen und als eben dieses Zeichen umbauen. Dann macht es, zumindest in meinen Augen, von der Reihenfolge mehr Sinn.

ER HAT AUF MICH AUFGEPASST!, glänzt es im Vordergrund.
Warum DIESE SCHREIBWEISE? Und ich finde auch, dass das glänzt hier nicht passt.

Kindliche Glückseligkeit flirrt auf Maireads Haut.
Wie verdorbenes Essen speit Finley die wenigen Worte in das tosende Durcheinander.
Finde das Bild schief. Ich weiß zwar was du meinst, aber es passt für mich nicht.
Ein ohrenbetäubender Donnerknall meißelt seine Worte in ihr Gesicht und alle Glückseligkeit ist zermalmt.
Der Satz ist wieder sehr voll. Das sind sehr schwere Formulierungen die so gehäuft, für mich der Wirkung entgegenstehen. Ich denke, weniger wäre auch hier mehr.

Besorgnis.
Zweifel.
Wieder die Schuldgefühle.
Diese Erwähnung der Gefühle, auch nicht in dieser komprimierten Form, braucht es nicht. Es ergibt sich aus dem Text und aus der Situation. So wirkt es hier nur wie eine Aufzählung.

Das konnte – durfte nicht wahr sein!
Warum diese Zeitform? Muss es nicht heißen: das kann - darf nicht wahr sein!

Mairead kennt dies Gesicht.
eher diesen Ausdruck
Süßlich und herb, wie reifer Waldhonig dringt seine Stimme an Maireads Ohr.
Ich höre jetzt mal auf die Sätze zu markieren, die für mich zu drüber sind, aber ich meine, dass es deiner Geschichte guttun würde, wenn du noch mal über die Formulierungen drübergehst und an der einen oder anderen Stelle ein wenig zurückschraubst. Wie gesagt, vielleicht ist es aber auch nur einfach nicht mein Geschmack und andere mögen diese Art der Formulierungen.

Auf dem Gesicht des Fremden fechten zwei Armeen um den Sieg einer Schlacht, die längst verloren war.
Müsste es nicht ist heißen?

Finley entweicht ein Laut, wässern und erbärmlich – eines Menschen unwürdig.
Das ist mir zu dick aufgetragen. Wir wissen mittlerweile schon, dass der nicht der Sympathieträger der Geschichte ist. Außerdem finde ich die Formulierung ziemlich heavy. Wessen Meinung ist das denn? Des Erzählers? Der Anwesenden? Ist mir zu schwammig.

Johns nächste Worte vollstrecken das Urteil, noch ehe der Henker von seiner Aufgabe weiß: „Boyd, es ist dein Recht, dem Dieb die rechte Hand abzuschlagen.“
Puh, wo kommt das denn her? Mir ist natürlich klar, dass es diese Art Strafe gab (und teilweise immer noch gibt - schluck). Aber es macht aus meiner Sicht, auch für die Geschichte, aus zwei Gründen keinen Sinn. Erstens beschreibst du die Gemeinschaft als recht klein. Warum sollten sie also eine Arbeitskraft, zumal die Art des Vergehens nicht so gravierend ist, durch diese Strafe verlieren? Die Gemeinschaft dadurch insgesamt schwächen und das eigene Überleben gefährden?
Zweitens ist der Dieb (wenn ich es richtig gelesen habe) erst sechs Jahre alt. Das wirkt dann noch mal heftiger und da schimmert dann schon eine ordentliche Portion von Fanatismus durch, der aber vorher im Text gar keine Rolle spielt. Wenn das religiöse Eiferer sind, dann würde die Art und Weise der Strafe, auch in ihrer Situation, irgendwie Sinn machen. Das leitet der Text aber vorher nicht her. Es sei denn ich habe da massiv etwas verpasst. Auch das eigentliche Vergehen, der Diebstahl, scheint ja da nicht unbedingt ein Problem vorher gewesen zu sein. Daher macht die Strafe auch in diesem Kontext für mich keinen Sinn.
Dann noch die Sache, dass Finley ihn vermutlich angestiftet hat. Wie du den im Text vorher darstellst und dem Leser näherbringst, schreit ja zu dem Zeitpunkt alles danach, dass der seine Finger im Spiel hat. Das wird aber doch auch den Anwesenden klar sein, oder nicht? Warum nimmt da niemand Bezug drauf? Oder habe ich was überlesen?

Mairead: „Die Jahre mit dir wiegen alles auf. Du warst meine Erfüllung! Du gabst mir Zeit, obgleich sie längst schon verstrichen war. Achte auf John J. und finde ihm eine Mutter. Werde glücklich. Versprich es mir, John! Werde glücklich, des Jungen und deinetwegen. Versprich es! Ich liebe dich.“ John: „Ja.“ Dann lässt sie das Atmen, und er sie los.
Warum brichst du hier denn so plötzlich die Art und Weise des Textes. Es wirkt an dieser Stelle dann fast schon wie ein Theaterstück. Warum aber? Also warum nicht schon vorher im Text oder gar nicht. Ist mir nicht klar, warum du die Geschichte derart enden lässt.

Auch muss ich sagen, dass ich das Ende und den Rest der Geschichte nicht so ganz zusammenbringe. Mir passiert da zu viel in zu wenig Text und es wirkt (trotz der einigermaßen langen Geschichte) zu gehastet und episodenhaft. Mit fehlt die klare Linie und Struktur, wo du hinmöchtest. Zu Beginn geht es um diese als stark aber auch wankend beschriebene Frauenfigur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ihr folgende Gemeinschaft durch einige Strapazen zu führen und die mit vielen Widerständen konfrontiert ist. Dann kommt diese fremde Person und es wird im Verlauf (und dann ziemlich schlagartig) eine stark romantisch aufgeladene Geschichte. Auch noch in Ordnung. Dann änderst du wieder die Tonalität und es geht um die Entscheidung, wie mit einem Diebstahl in der, mitlerweile niedergelassenen, Gemeinschaft umzugehen ist. Und am Ende wird es dann tragisch aber eben auch sehr künstlerisch-artifiziell und wirkt theaterhaft.
Leider muss ich sagen, dass da noch nicht alles zusammenpasst. Sowohl die Formulierungen als auch die Struktur der Geschichte brächten für mich noch Feinschliff. Insgesamt ist der Text aber spannend genug, als dass ich drangeblieben bin. Ich denke, dass du da noch ordentlich was rausholen kannst, wenn du ihn mehr fokussieren würdest.

War jetzt wieder viel Kritik dabei, aber wie immer ist es nur mein Leseeindruck und vielleicht helfen dir ja ein paar meiner Anmerkungen wieder.

Insgesamt trotz viel Kritik gerne gelesen!
Habentus

 

Hallo @Habentus!

Vielen Dank, dass du hier reingeschaut und mir deine Gedanken zum Text dagelassen hast!

Du wählst in dem Text eine volle Sprache. Ich finde, dass dir das aber nur manchmal gelingt und manchmal leider auch etwas überladen wirkt. An diesem Satz fällt mir das zum Beispiel exemplarisch auf: Im Zwielicht eines herbstlich entkleideten Baumes finde ich zum Beispiel super. Danach wird es mir aber zu viel. Der Stamm ist natürlich stattlich. Zufriedenheit hüllt ein, die Decke ist dick, denn sie muss einer kalten Nacht trotzen. Für sich genommen funktionieren die Satzglieder. In einem Satz wirkt es aber überfrachtet. Und das wiederum schwächt dann auch den, eigentlich guten, Beginn des Satzes. Mir jedenfalls geht es so - vielleicht eine Geschmacksfrage.
Geschmacksache, ja. Als ich mich für die blumige Sprache entschied, war mir klar, dass das nicht jedermanns Sache ist, sie hier, bei uns Kriegern, wahrscheinlich wenige Freunde finden wird. Ich entschied mich dennoch dafür, weil sie für mich perfekt zur Geschichte passt, die keine historische Nacherzählung ist, sich nicht einmal daran anlehnen möchte, vielmehr genauso (zu) pompös und (leicht) drüber daherkommen soll wie die Erzählstimme.
Dennoch stimme ich dir zu – ich habe es hier und da übertrieben! Finde streichen leichter als hinzufügen. Bisslang vielen rund 200 (zumeist pompös beschreibende) Worte dem Rotstift zum Opfer.

Mit siebzehn wurde sie die Frau des zehn Jahre älteren Finley und Mutter des wenige Monate alten Galahad.
Finde ich unscharf. Wurde sie mit siebzehn Mutter eines wenige Monate alten Kindes, sprich sie hat es quasi übernommen? Oder sie ist die Mutter und ist mit siebzehn die Mutter eines wenige Monate alten Kindes? Würde ich vielleicht deutlicher machen.
Stimmt, habe ich nachgebessert.

lleicht deutlicher machen.
offenbart eine Verletzlichkeit, die Mairead das Herz abschnürt.
Das braucht es meiner Meinung nach nicht. Es wird darauffolgend doch klar, wie sie zu ihr steht. Das brauchst du meiner Meinung nach nicht ausformulieren.
Richtig, ist weg.

In Mairead schwoll die Frage wie entzündete Mandeln, ob dieser Mann auch nur einen Funken Ehrgefühl in sich trägt?
Wieder etwas zu blumig für meinen Geschmack.
Flog komplett raus.

mack.
Unverhohlener Hass schlägt Mairead entgegen. Aus winzigen, fast pupillenlosen Augen züngelt bitterernster Hass.
Unverholen und bitterernst ist mir zu viel. Würde ich kürzen. Und züngelt ist hier vielleicht wieder eine Geschmacksfrage aber eben auch recht blumig in der Formulierung.
Wurde auch entschärft.

Entsetzen, splitterfasernackte Angst hockt sich unversehens auf die verzerrten Gesichter ihrer Begleiter; und schon grapscht sie auch nach Maireads Herz.
Direkt danach denke ich dann aber, dass es mir wieder zu viel ist. Zumal du im vorherigen Satz eigentlich schon aufgemacht hast, dass nun Furcht eine Rolle für die Anwesenden spielt. Ich denke also, dass der Satz hier überflüssig ist.
Auch richtig – is weg.

Hilfesuchend wendet sie den Blick dem Fremden zu; einer Eingebung folgend glaubt sie fest daran, dass er einzig dazu ausgesandt wurde, sie zu retten.
Das verstehe ich nicht. Woher kommt der Gedanke. Nichts im Text macht diese Möglichkeit doch auf? Die Gestalt wurde allenfalls als mysteriös, mehr noch als Bedrohung aufgemacht. Wie kommt sie also zu dieser plötzlichen Einschätzung? Rein aus Hoffnung im Angesicht von Hoffnungslosigkeit passt für mich nicht. Da bräuchte es schon mehr. Ein "göttliches" Zeichen, eine Geste der Gestalt, ein beschriebenes "warmes" Gefühl. Irgendwas, was diese Einschätzung herleitet. Daher würde ich den Blitz, der direkt danach kommt, hier voranstellen und als eben dieses Zeichen umbauen. Dann macht es, zumindest in meinen Augen, von der Reihenfolge mehr Sinn.
Habe ich auch abgeändert – jetzt sieht sie in ihm nicht mehr sofort den Auserwählten, den Retter.

ER HAT AUF MICH AUFGEPASST!, glänzt es im Vordergrund.
Warum DIESE SCHREIBWEISE? Und ich finde auch, dass das glänzt hier nicht passt.
Hier stand zuvor: ... glänzt es in mannshohen Lettern im Vordergrund. Daher die Schreibweise. War dann aber selbst mir zu viel :lol:
Is weg.

Kindliche Glückseligkeit flirrt auf Maireads Haut.
Wie verdorbenes Essen speit Finley die wenigen Worte in das tosende Durcheinander.
Finde das Bild schief. Ich weiß zwar was du meinst, aber es passt für mich nicht.
Die kindliche Glückseligkeit war wirklich komplett Banane! Jetzt steht da Geborgenheit – das macht schon mehr Sinn. Am Flirren halte ich jedoch (noch) fest.
Und die Wort, die ausgespien werden – ja, is schief, finde es dennoch irgendwie passend oder doch nicht? Muss ich noch in mich gehen.

Ein ohrenbetäubender Donnerknall meißelt seine Worte in ihr Gesicht und alle Glückseligkeit ist zermalmt.
Der Satz ist wieder sehr voll. Das sind sehr schwere Formulierungen die so gehäuft, für mich der Wirkung entgegenstehen. Ich denke, weniger wäre auch hier mehr.
Richtig – auch entschärft.

Besorgnis.
Zweifel.
Wieder die Schuldgefühle.
Diese Erwähnung der Gefühle, auch nicht in dieser komprimierten Form, braucht es nicht. Es ergibt sich aus dem Text und aus der Situation. So wirkt es hier nur wie eine Aufzählung.
Das möchte ich behalten – zieht sich ja durch den gesamten Text und trägt zum Erzählstil bei.

Das konnte – durfte nicht wahr sein!
Warum diese Zeitform? Muss es nicht heißen: das kann - darf nicht wahr sein!
Unachtsamkeit – ein Überbleibsel, der Text stand zuerst in anderer Zeitform.
Auf dem Gesicht des Fremden fechten zwei Armeen um den Sieg einer Schlacht, die längst verloren war.
Müsste es nicht ist heißen?
Das Gleiche hier.

Johns nächste Worte vollstrecken das Urteil, noch ehe der Henker von seiner Aufgabe weiß: „Boyd, es ist dein Recht, dem Dieb die rechte Hand abzuschlagen.“
Puh, wo kommt das denn her? Mir ist natürlich klar, dass es diese Art Strafe gab (und teilweise immer noch gibt - schluck). Aber es macht aus meiner Sicht, auch für die Geschichte, aus zwei Gründen keinen Sinn. Erstens beschreibst du die Gemeinschaft als recht klein. Warum sollten sie also eine Arbeitskraft, zumal die Art des Vergehens nicht so gravierend ist, durch diese Strafe verlieren? Die Gemeinschaft dadurch insgesamt schwächen und das eigene Überleben gefährden?
Zweitens ist der Dieb (wenn ich es richtig gelesen habe) erst sechs Jahre alt. Das wirkt dann noch mal heftiger und da schimmert dann schon eine ordentliche Portion von Fanatismus durch, der aber vorher im Text gar keine Rolle spielt. Wenn das religiöse Eiferer sind, dann würde die Art und Weise der Strafe, auch in ihrer Situation, irgendwie Sinn machen. Das leitet der Text aber vorher nicht her. Es sei denn ich habe da massiv etwas verpasst. Auch das eigentliche Vergehen, der Diebstahl, scheint ja da nicht unbedingt ein Problem vorher gewesen zu sein. Daher macht die Strafe auch in diesem Kontext für mich keinen Sinn.
Dann noch die Sache, dass Finley ihn vermutlich angestiftet hat. Wie du den im Text vorher darstellst und dem Leser näherbringst, schreit ja zu dem Zeitpunkt alles danach, dass der seine Finger im Spiel hat. Das wird aber doch auch den Anwesenden klar sein, oder nicht? Warum nimmt da niemand Bezug drauf? Oder habe ich was überlesen?
Das ist schon grob und ja, ohne mehr Kontext, wie du sagst, fragwürdig – habe mit dem Gedanken gespielt, es auf Züchtigung zu reduzieren, nur verblasst dann die Wirkung, verpufft vielleicht sogar komplett.
Wie eingangs erwähnt: Sprache und Text darf, soll drüber sein.

Mairead: „Die Jahre mit dir wiegen alles auf. Du warst meine Erfüllung! Du gabst mir Zeit, obgleich sie längst schon verstrichen war. Achte auf John J. und finde ihm eine Mutter. Werde glücklich. Versprich es mir, John! Werde glücklich, des Jungen und deinetwegen. Versprich es! Ich liebe dich.“ John: „Ja.“ Dann lässt sie das Atmen, und er sie los.
Warum brichst du hier denn so plötzlich die Art und Weise des Textes. Es wirkt an dieser Stelle dann fast schon wie ein Theaterstück. Warum aber? Also warum nicht schon vorher im Text oder gar nicht. Ist mir nicht klar, warum du die Geschichte derart enden lässt. Auch muss ich sagen, dass ich das Ende und den Rest der Geschichte nicht so ganz zusammenbringe. Mir passiert da zu viel in zu wenig Text und es wirkt (trotz der einigermaßen langen Geschichte) zu gehastet und episodenhaft. Mit fehlt die klare Linie und Struktur, wo du hinmöchtest. Zu Beginn geht es um diese als stark aber auch wankend beschriebene Frauenfigur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ihr folgende Gemeinschaft durch einige Strapazen zu führen und die mit vielen Widerständen konfrontiert ist. Dann kommt diese fremde Person und es wird im Verlauf (und dann ziemlich schlagartig) eine stark romantisch aufgeladene Geschichte. Auch noch in Ordnung. Dann änderst du wieder die Tonalität und es geht um die Entscheidung, wie mit einem Diebstahl in der, mitlerweile niedergelassenen, Gemeinschaft umzugehen ist. Und am Ende wird es dann tragisch aber eben auch sehr künstlerisch-artifiziell und wirkt theaterhaft.
Leider muss ich sagen, dass da noch nicht alles zusammenpasst. Sowohl die Formulierungen als auch die Struktur der Geschichte brächten für mich noch Feinschliff.
Der Traum und das Ende waren zuerst da. Das passt für mich auch zusammen. Erst danach überlegte ich, wie ich von A nach C komme, gut möglich, dass ich auf dem Weg vom Kurs abgekommen bin. Mal schauen, ob ich zurück in die Spur finde.

Insgesamt ist der Text aber spannend genug, als dass ich drangeblieben bin. Ich denke, dass du da noch ordentlich was rausholen kannst, wenn du ihn mehr fokussieren würdest. War jetzt wieder viel Kritik dabei, aber wie immer ist es nur mein Leseeindruck und vielleicht helfen dir ja ein paar meiner Anmerkungen wieder. Insgesamt trotz viel Kritik gerne gelesen!
Etwas Trost zum Schluß – gut kommentiert.
Nein, Spaß bei Seite. Kritik ist dazu da, Schwächen aufzuzeigen. Und die gibt es!

Nochmals vielen Dank – ist jede Menge hilfreiches dabei!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis ,

Vorweg: Ich habe keine der Vorkritiken gelesen.

Grundsätzlich mag ich Geschichten, die erzählen und deine ist so eine. Du erzählst eine ganze Menge.
Ich habe mich nur zwischendrin dabei erwischt, dass ich dachte, dass dies viel zu viel Stoff für eine Kurzgeschichte ist.
Hast du mal überlegt, das in einen Roman zu packen? So in Richtung Familiensaga über ein paar Generationen mit viel Lokalkolorit drumherum und historischer Einbettung?
Könnte mir vorstellen, dass dir das gut gelingt.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Du kannst viel intensiver die Personen charakterisieren und musst dich nicht so beschränken, sie können alle eine eigene Persönlichkeit bekommen, du kannst das Geschehen viel besser in die Landschaft, das Klima und vor allen Dingen die Zeit, in der es spielen soll, verankern und du kannst deinen Ideenreichtum viel besser ausleben.

Das zweite, was mir am Ende dieser Geschichte auffällt ist, dass ich überlegt habe, ob
ich das, was du damit eigentlich zum Ausdruck bringen wolltest, überlesen habe.
Mir fehlt da irgendwie der springende Punkt, das Thema sozusagen. Vielleicht bin ich auch deswegen auf die Idee verfallen, dir zu einem Roman zu raten.

An einigen Stellen hatte ich so ein Bauchgefühl, dass ich hie und da eine andere Zeit verwendet werden müsste, aber da lass ich lieber die wirklichen Könner ran, ich fühle mich hierzu nicht kompetent genug. Soweit ich ansonsten Fehler gefunden habe, hab ich sie dir selbstredend aufgezeigt.
Ab und zu gehen mit dir die Pferde der Dramatik etwas durch, fand ich. Ich habe dir die Stellen, bei denen es mir zu dick aufgetragen vorkam, rauszitiert. Ist durchaus auch eine Geschmacksfrage, also sind diese Stellen nicht unbedingt absolute Kritikpunkte.

Mairead läuft nach draußen und sieht, wie der Mutter ein hölzerner Speer durch den Leib getrieben wird, der Vater mit dem Gesicht nach unten auf der Erde liegt un
Boah, was für ein grausamer Anfang. Der reinste Horror.
ihre Beine stehen still.
Find ich etwas unzutreffend formuliert. Ihre Beine versagen ihr den Dienst, sie ist steifbeinig geworden, die Beine verkrampfen sich.Uhren stehen still, aber Beine? Vielleicht findest du etwas Treffenderes?
das von Beginn an schal schmeckende Gefühl
Wieso schal? Das ist hier so ein Einschub, der mich irritiert hat, weil ich nicht in die Gefühlslage mitgenommen werde. Vielleicht streichen?
Die hartherzige Kälte, die sie Nacht für Nacht wie ein hungriges Tier anfiel,
Too much, du weißt schon.
Die Sicht auf die kindliche, reine Schönheit ihres Wesens. Die Größe ihrer zurückhaltenden Anmut, die ihrer Rechtschaffenheit, ihres selbstlosen Stolzes. Die Größe ihrer Güte, die ihres Einfühlungsvermögens, ihres Mutes. Die enorme Größe der Liebe, die sie unentwegt zu geben im Stande ist, und zuvorderst aber zuletzt, ihre außergewöhnlichen Körpergröße.
In einem Roman müsstest du so eine Stelle nicht wie im Zeitraffer zusammenpacken und komprimieren. Hier drückst du mir als Leser einfach mal so eben den wuchtigen Charakter Maireads rein und das ist mir gar nicht Recht, denn ich würde diese Frau selbst gern durch das, was sie tut, kennenlernen. Das aber würde natürlich die doppelte, vielfache Menge an Erzählung erfordern und damit den Rahmen einer Kurzgeschichte sprengen.
„Ich–“, beginnt er mit geduckten, sich davonschleichenden Worten, „
geduckte, sich davonschleichenden Worten = das gefällt mir sehr.
fordere Ende
vordere.
und plötzlich fällt Regen, unaufhörlich und in ganzen Stücken. Donnergrollen brandet jäh von allen Seiten zugleich auf sie ein und die flüssig gewordene Luft schmeckt nach Furcht.
In ganzen Stücken kann Regen in meiner Vorstellung nicht fallen. Das würde ich ändern. Und insgesamt ist dies hier sowieso eine Stelle, wo ich too much sagen würde.
Ein ohrenbetäubender Donnerknall meißelt die Worte in ihr Gesicht.
too much
nass bis auf die Knochen
Das ist so eine klischeehafte Verwendung. Könnte mir gut vorstellen, dass dir etwas Besseres einfällt. Man ist ja auch gar nicht bis auf die Knochen naß, sondern auf die Haut und die könnte schon schrumpeln, bleich gewässert oder so aussehen. Klischees hast du nicht nötig, hat keiner hier nötig. Aber oft, ich begehe diese Fehler ja auch gerne, übersieht man das selbst.
Hat er sie tatsächlich getäuscht? Beraubt und im Stich gelassen?
Das kann – darf nicht wahr sein!
Ja, sehr spannende Stelle, denn genau das hab ich mich da auch gefragt. Gut gemacht.
zu Boden gesunken; schluchzend, aller Hoffnung beraubt.
too much
. Das kleine Stück Welt, auf das sie tritt, löst sich von dem felsigen Untergrund und rutscht ab. Und
Prima gemacht, die Protagonistin ist schon im schlimmsten Schlamassel drin und nun noch eins drauf. Erhöhe die Spannung.
Mairead schließt die Augen und weiß: Er wurde ausgesandt, um mich zu retten!
Sie? Nee, sie denkt ob ihrer hehren Haltung doch eher in WIR-Form, also "uns zu retten!"
Aber sein Gesicht sprach dennoch zu ihr.
Einladend.
Zurückweisend.
Was denn nun? Das eine oder das andere. Oder du beschreibst, wieso sie das nicht ausmachen kann, dann kann ich als Leser es nachvollziehen, wieso beides dort steht.
Dass der Mann über Bärenkräfte verfügt, sieht man ihm an. Stolz und Selbstvertrauen liegen in seiner Haltung, obgleich er im Herbst seines Lebens steht.
too much und obendrein hättest du hier die autorentaugliche Möglichkeit gehabt, den Leser zu überraschen und nicht immer diese Heldentypen hervorzubringen. Nicht immer kraftvoll und so weiter, sondern vielleicht auch mal besonders pfiffig und vielleicht technisch raffiniert, so nach dem Motto, die einen tragen die Säcke auf dem Rücken, die anderen erfinden den Flaschenzug.
Auf dem Gesicht des Fremden fechten zwei Armeen um den Sieg einer Schlacht, die längst verloren ist.
too much
Verzeih mir.
Ich werde dich niemals vergessen!
Was soll da verziehen werden? Und vergessen? Das ist an dieser Stelle zu früh oder aber ich habe etwas überlesen, dann bitte ich um Entschuldigung für meinen Einwand.
„Ja und er ist sehr aufgebracht! John, Boyd besteht auf der Abmachung.“
An dieser Stelle hatte ich wieder das Gefühl, dass so ein Roman doch idealer wäre. Diese Abmachung könnte die ganzen Generationen begleiten und ihr Fluch und auch vielleicht ihr Segen sein. Wobei ich an dieser Stelle noch nicht erfahre, welche Abmachung.

Die Auserwählte zu ehren, sie zu schützen und lieben. Jetzt und immerdar.
Welche Auserwählte? Mairead?
Galahad sengt erneut den Blick,
senkt
Mairead: „Die Jahre mit dir wiegen alles auf. Du warst meine Erfüllung! Du gabst mir Zeit, obgleich sie längst schon verstrichen war. Achte auf John J. und finde ihm eine Mutter. Werde glücklich. Versprich es mir, John! Werde glücklich, des Jungen und deinetwegen. Versprich es! Ich liebe dich.“
Hier ist es nicht nur mal wieder too much, sondern auch too much auf einmal. Ich kann verstehen, dass dir in dieser Geschichte wichtig war, bedeutende Worte am Ende sagen zu lassen. Aber vielleicht kann sie sich einfach darauf beschränken, dass sie glücklich mit John gewesen ist. Eigentlich weiß doch der Leser, dass sie ihn nicht dazu ermahnen muss, sich um das Kind zu kümmern, das wird er schon tun. Ich glaube, wenn du es etwas mehr straffst, wirkt es nicht so kitschig.


Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @lakita!

Vielen Dank, dass du hier reingeschaut, mir deine Gedanken zum Text dagelassen hast!

Vorweg: Ich habe keine der Vorkritiken gelesen.
Die haben schon gute Arbeit geleistet, ohne sie hättest du vermutlich die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Stichwort: to much:hmm:

Hast du mal überlegt, das in einen Roman zu packen? So in Richtung Familiensaga über ein paar Generationen mit viel Lokalkolorit drumherum und historischer Einbettung?
Könnte mir vorstellen, dass dir das gut gelingt.
Das ist interessant. Abgesehen von dem Traum zu Beginn und dem Ende habe ich hierfür Auszüge aus einem schon vor Jahren stecken gebliebenen Romanversuch (der recht genau in die Richtung zielte, die du nun vorschlägst) aufgearbeitet.
Es schmeichelt mir, dass du mir das zutraust – obgleich ich damit gescheitert bin.:)

An einigen Stellen hatte ich so ein Bauchgefühl, dass ich hie und da eine andere Zeit verwendet werden müsste, aber da lass ich lieber die wirklichen Könner ran, ich fühle mich hierzu nicht kompetent genug. Soweit ich ansonsten Fehler gefunden habe, hab ich sie dir selbstredend aufgezeigt.
Ich vermute, du meinst die Rückblicke zu Beginn, bei welchen sie ins Dorf zurückkehrt und die Toten beerdigt.
Spät am Nachmittag, als ein kühler, den Spätherbst verkündender Wind Mairead weckte, kehrte sie in die Siedlung zurück. (Der gesamte Absatz)
Ursprünglich stand hier: Spät am Nachmittag, als ein kühler, den Spätherbst verkündender Wind Mairead geweckt hatte, war sie in die Siedlung zurückgekehrt.
So sollte das wohl auch, muss vielleicht sogar – aber ich fand es hässlich und hoffte, dass es durchrutscht, obgleich auch mich dies Bauchgefühl beschlich. Werd ich wohl zurücksetzen.
Und vielen Dank, fürs Auffinden der Fehler.

Ab und zu gehen mit dir die Pferde der Dramatik etwas durch, fand ich. Ich habe dir die Stellen, bei denen es mir zu dick aufgetragen vorkam, rauszitiert. Ist durchaus auch eine Geschmacksfrage, also sind diese Stellen nicht unbedingt absolute Kritikpunkte.
Wie eingangs erwähnt, gingen mir die Pferde nicht durch, sie galoppierten in halsbrecherischem Tempo! Hab sie deinen Anmerkungen folgend nun noch weiter gezähmt.

Verzeih mir.
Ich werde dich niemals vergessen!
Was soll da verziehen werden? Und vergessen? Das ist an dieser Stelle zu früh oder aber ich habe etwas überlesen, dann bitte ich um Entschuldigung für meinen Einwand.
War ein (sehr dünner) Hinweis auf seine Vergangenheit, den Verlust seiner ersten Frau, der er ewige Treue geschworen hat ...
Habe ich rausgenommen.

Die Auserwählte zu ehren, sie zu schützen und lieben. Jetzt und immerdar.
Welche Auserwählte? Mairead?
Ja, sind da doch schon verheiratet – nicht ersichtlich?

Hier ist es nicht nur mal wieder too much, sondern auch too much auf einmal. Ich kann verstehen, dass dir in dieser Geschichte wichtig war, bedeutende Worte am Ende sagen zu lassen. Aber vielleicht kann sie sich einfach darauf beschränken, dass sie glücklich mit John gewesen ist. Eigentlich weiß doch der Leser, dass sie ihn nicht dazu ermahnen muss, sich um das Kind zu kümmern, das wird er schon tun. Ich glaube, wenn du es etwas mehr straffst, wirkt es nicht so kitschig.
Habe auch hier nochmal etwas entschärft.

Nochmal danke fürs Lesen und deine hilfreichen Anmerkungen!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis ,

ich nochmal.

John: „Ja.“
Das Ende ist deutlich weniger schmalzig. Gut, dass du so mutig warst und gekürzt hast.
Dass John nun aber einfach nur JA sagt, steht da etwas traurig rum.
Wie wär es mit:

John, der sie in seinen Armen hielt (ja f.. ich weiß, Klischee), nickte und strich ihr über die Stirn (die Wange, was du halt willst)
und eventuell kannst du dann auch ihren letzten Atemzug da mit reinnehmen. Der Leser weiß ja, dass jetzt die Story zuende ist, weil sie stirbt.

Es schmeichelt mir, dass du mir das zutraust – obgleich ich damit gescheitert bin.:)
Wie heißt es so zielführend: Hinfallen. Aufstehen. Krone richten und weitergehen!

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo Sammis,

Ich bin gerade mitten im Umzugsstress, und deswegen ganz schön eingespannt. Deswegen mache ich es kurz und schmerzlos.

Was mir gefallen hat:

Die Verschachtelung von Gegenwart, Traum und Erinnerung empfinde ich als gelungen. Auch der Aufbau, also der Beginn mit Gewalt/Tod und das Ende mit Geburt/Tod gibt der Geschichte eine poetische Qualität.

Leider habe ich einen entscheidenden Kritikpunkt vorzubringen: Das Ganze liest sich für mich wie ein Auszug aus einem viel größeren Epos. Gerade der Mittelteil erarbeitet für mich nicht die notwendige Fallhöhe für den recht pathetischen Schlussteil.

Ja, die erste Begegnung zwischen John und Maired ist zwar atmosphärisch dicht inszeniert, aber die weitere Entwicklung ihrer Beziehung wird weitgehend übersprungen. Ich erfahre recht wenig über die gemeinsamen Jahre und wie sich ihre Verbindung vertieft hat. Der Sprung von der ersten Begegnung zur etablierten Gemeinschaft nach sechs Jahren lässt wichtige Entwicklungsschritte aus. Auch wird für meinen Geschmack Maireads Wandel von der einsamen, an sich selbst zweifelnden Frau zur geachteten Führungspersönlichkeit mehr behauptet als gezeigt. Und Johns Charakter bleibt mir einfach zu blass, um den Schluss zu kaufen.

Trotz der ordentlichen Länge ist es für mich an den entscheidenden Stellen zu gerafft. Als ob du ursprünglich einen weitaus größeren Wurf abliefern wolltest.

Dennoch gerne gelesen.

Gruß, Morgoth

 

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