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Serie Woanders (Gustaf I)

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Bas

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16.09.2018
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Woanders (Gustaf I)

Jetzt stand Gustaf also auf dem Mollehügel und blickte ins Dorf hinab. Einmal werde ich hier König sein, dachte er da, nur zum Spaß.
Da krabbelte eine Stinkwanze vorbei: Grün auf grün, die Halme bogen sich und sprangen wieder hoch, und kurz überlegte Gustaf, ob die Wanze etwas sehen konnte oder ob sie blind da unten umherwanderte. Und ob sie sich dabei Fragen stellte, vielleicht: Na nu, was streift mich da (es waren die feinen Schirmchen der Pusteblume) oder: Wie ich wohl aussehen mag, was die anderen, blinden Wanzen wohl von mir halten?
Nein, vermutlich dachte sie gar nichts. Und vermutlich waren ihre Augen bloß zu klein, um sie von hier oben erkennen zu können. Vermutlich müsste man sich auf den Boden legen, um diese Augen zu sehen, aber wer wollte sich schon eine solche Mühe machen, lieber reimte man sich die Sache selbst zusammen, nahm seine eigenen Gedanken und schrieb sie dann dem anderen zu.

Und ein bisschen war das auch wie mit der Liebe. Ja, Gustaf hatte sich jetzt verliebt, das geschah ihm öfter, aber diesmal war es anders und diesmal war es die Agathe vom Schmied. Agathe war ja im Grunde er selbst, auch sie suchte nach etwas und wusste nicht genau, was dieses Etwas war, nur deshalb schweifte ja auch ihr Blick umher, wenn der Schmied mit ihr sprach: Geh rein und häng die Wäsche auf, knurrte der Alte ihr vielleicht zu, während Agathe gerade auf der Bank saß und in die Wolken starrte, und Agathe erhob sich auch, schlurfte los, aber wenn sie dann in der kleinen Hütte stand, in der sie zusammen mit ihrem Vater lebte, dann wusste sie nicht weiter, dann wuchs sie fest und blickte stumpf in die Ecke. Sie hatte ja nicht zugehört, sie hatte ja an andere Dinge gedacht, an die Wolken und daran, dass diese Wolken wohl schon die ganze Erde umrundet hatten, während sie hier im Dorf Wurzeln schlug wie ein Baum.

So jedenfalls stellte Gustaf sich die Sache vor, als sein Weg ihn vom Mollehügel hinab zu der Schmiedehütte führte, und schon deshalb liebte er sie. Aber Agathe war ja auch dumm, im Laden nannte man sie die Treppenagathe, weil ihre Mutter von der Treppe gestürzt und gestorben war, und die Agathe hatte dabei einen Schlag abgekriegt und war schon dumm auf die Welt gekommen. Und doch nannte er sie für sich die Wolkenagathe.

Da geschah es, dass der Schmied ihn entdeckte.
»Was lungerst du da rum«, wollte er wissen, und Gustaf wollte tausende Dinge antworten, aber raus brachte er bloß: »Ja«, und es klang wie ein Krächzen.
»Hm«, sagte der Schmied. Und: »Gib mir die Zange.«
Gustaf gab sie ihm, und im Gegenzug bekam er ein Bett in der Kammer.

Jetzt war das Leben ein neues. Jetzt wachte Gustaf beim ersten Hahnenschrei auf, man saß gemeinsam am Tisch und schaute sich gegenseitig beim Kauen zu, Gustaf hackte das Holz, um den Ofen anzuheizen, und beruhigte die Pferde, wenn der Schmied ihnen die Hufe anschlug, er holte das Wasser vom Brunnen und wann immer sich die Möglichkeit ergab, betrachtete er die Agathe, die Wolkenagathe. Mal nickte er ihr zu, mal nickte sie, mehr gab es nicht. Agathe war stumm und Gustaf war es auch.

Es dauerte nicht lange, da fragte Gustaf sich, warum man den Alten nicht den Treppenschmied nannte. Denn der redete ja fast nur dummes Zeug daher, lauwarme Grütze, er sagte zum Beispiel: Der Mensch stammt vom Baum ab, und er meinte es so. Ja, am Anfang waren wir noch Bäume, konnte er sagen, ohne das Gesicht zu verziehen, und dann wuchsen uns Hirne und Beine und dann waren wir Menschen. Und dann kaute er weiter auf seinem Brot, blickte Gustaf an und wartete auf sein Nicken.
Ein andermal wollte der Schmied wissen, wo Gustaf herkam. Da musste Gustaf überlegen. Genau konnte er es nicht sagen. Er wusste wohl noch, wo er aufgewachsen war, aber das hatte ja nicht viel zu heißen, deshalb war er ja jetzt auch hier und vorher schon an so vielen anderen Orten gewesen und deshalb antwortete er auch bloß: Von woanders. Und diesmal war Gustaf es, der dem Schmied in die Augen blickte und auf ein Nicken wartete.

So hätte es noch lange weitergehen können, doch da passierte es, dass Gustaf etwas Unbedachtes sagte.
Es war am Abend. Gustaf kam gerade von einem seiner Spaziergänge zurück, er war wieder auf dem Mollehügel gewesen, sein Kopf war frei, er wollte wieder König sein, und da sagte er, als er in die Hütte trat: Jetzt will ich warme Grütze haben. Das war etwas Neues. Warme Grütze gab es ja sonst nur zu Mittag, aber der Schmied, der in der dunklen Ecke saß, stimmte Gustaf zu: Ja, jetzt sollte es also warme Grütze geben, und er ließ es auch die Agathe draußen auf der Bank wissen, indem er nach ihr rief. Aber Agathe hörte nicht. Wieder rief der Schmied: Agathe. Los! Aber Agathe kam nicht. Da stand der Schmied auf. Löste sich aus seiner dunklen Ecke wie die Kröte aus dem Sumpf und da wusste Gustaf auch, wie die Sache jetzt stand.
Der Schmied ging hinaus, draußen zirpten die Grillen, irgendwo rief eine Krähe und im nächsten Moment stand der Alte wieder in der Tür, er zerrte die Agathe am Arm hinter sich her und warf sie in die Stube und fragte: Bist du taub? Warme Grütze! Und Agathe starrte durch den Vorhang ihrer Haare Gustaf an und Gustaf schaute weg.

Ja. Das hatte er jetzt also davon, von seinem Höhenritt, König hatte er sein wollen, dabei war er ja nichts als ein Lump, ein Bettler, jetzt lag er vollgefressen auf seiner Pritsche und konnte nicht schlafen, weil sein Bettlermagen daran nicht gewöhnt war und auch, weil seine Gedanken sich nicht beruhigen wollten, weil er das Bild der geschundenen Agathe vor Augen hatte. Jetzt konnte er sich erhängen und es würde keinen Unterschied machen, jetzt konnte er Fliegenpilze und Brennnesseln und Tollkirschen zerreiben und alles zusammen herunterschlucken und die Höllenbilder und die Schmerzen hätte er sich gut verdient.

So lag Gustaf wach und bemitleidete sich selbst, als er ein Jammern hörte. Es war das Jammern eines Tieres, das in einer Falle steckte, dachte er zuerst, aber da jammerte und litt jemand, wie nur ein Mensch es konnte, und es war die Agathe. Die Wolkenagathe, die nichts anderes kannte als ihre dunkle Hütte und den Blick in die Wolken und die Blicke der Leute im Laden, die Agathe, die so blass war, dass sich die blauen Adern wie Blitze unter ihrer Haut abzeichneten und die ihre Mutter nie kennengelernt hatte, die von jedem gemieden wurde und die mit einem Menschen zusammenlebte, der sie nicht verstand und auch sonst nicht viel und der zufällig ihr Vater war.
Und Gustaf ging leise die Treppe hinauf. Schlüpfte in ihr Bett und nahm sie in die Arme, nahm sie, wie sie war, und Agathe tat stumm ihren Mund auf, so weit, als wollte sie die Nacht und die Sterne hereinlassen. Und würde man Gustaf jetzt ein Messer in die Brust rammen, in diesem Augenblick, dann wäre er damit einverstanden, denn irgendwie musste man ja sterben und so war es gut.

Aber zuerst kam der Herbst. Braune Blätter fegten über den Mollehügel hinweg. Die letzten Blüten hingen schlaff an ihren Stängeln, die Insekten waren verschwunden, und wie die Landschaft sich veränderte, veränderte sich auch der Schmied. Jetzt konnte es vorkommen, dass er tagelang kein Wort sprach. Keine lauwarme Grütze und auch sonst nichts.

Schnell kam der Winter, aus den Schornsteinen drang dichter Qualm, draußen rauschten die Kinder mit ihren Schlitten den Mollehügel hinab und das Eis auf dem See war jetzt fest genug, um einen ausgewachsenen Ochsen zu tragen. Und eines Abends, in der warmen Stube, geschah es wieder, dass der Schmied sich erhob.
»Heb das Kleid«, sagte er bloß, aber Agathe hörte nicht. »Heb das Kleid«, sagte der Alte noch mal, und Agathe sah zu Gustaf hinüber, ihre Blicke kreuzten sich, und da wusste der Schmied Bescheid, da packte der Schmied die Treppenagathe wie früher schon am Arm und zerrte mit der anderen Hand an ihrem Kleid, dass es zerriss. Und im Schein der Flamme sah er ihren Bauch. Sah die blauen Adern unter der gespannten Haut und da liefen seine Augen über, sein Gesicht wurde zur Fratze, er ballte die Faust und hielt sie in die Luft, dass sie einen dunklen Schatten auf Agathe warf. Und Gustaf stand auf und in seiner Hand hielt er ein Messer.
Im Ofen knackte ein Stück Holz.
Die beiden Männer sahen sich an.
»Jetzt soll mal einer durch die Tür kommen«, sagte Agathe da in die Stille hinein. »Der eine schwingt die Faust und der da zückt sein Messer und mittendrin stehe ich mit meinem dicken Bauch.« Und sie sagte noch: »Muh!«
Agathe lachte jetzt, es war, als flüsterte ein Gespenst ihr lustige Geschichten ins Ohr, die keiner sonst hören konnte, der Schmied schüttelte den Kopf, Gustaf wurde das Messer in der Hand schwer, jetzt war die Sache ihm peinlich. Wusste der Teufel, was in Agathe vorging.

Als spät in der Nacht nur noch die Glut im Ofen glomm, als der Mond durch das Fenster schien und die Stube in kaltes Licht hüllte, schälte sich Gustaf aus seiner Decke. Er war ja die ganze Zeit schon wachgelegen, hatte noch immer die Kleider vom Tag an, er hatte dem Uhu vorm Fenster gelauscht, auf das Knarzen der Treppe gewartet, auf das Zeichen, dass der Schmied aus seinem Gedankensumpf aufgetaucht war, um ins Bett zu gehen.
Leise packte er jetzt seine Sachen: Eine Pfeife und etwas Tabak, ein paar Blätter und einen Stift, ein Messer, ein kleines bisschen Käse und Brot. Mehr besaß er nicht und mehr brauchte er auch nicht.
Jetzt musste er also weg. Hier hielt ihn nichts mehr.
Da hörte er ein Rascheln von der Treppe.
»Gehst du?«, kam es vom Absatz.
»Ja«, sagte Gustaf bloß.
»Ja. Das hab ich mir schon gedacht.«
Mehr nicht.
»Und das Kind?«, fragte Gustaf.
»Was soll damit sein? Es kommt auf die Welt und dann ist es da.«
Und er hätte gerne noch mehr gefragt. Tausende Dinge, die ihm auf der Seele brannten. Woran sie dachte, wenn sie nachts alleine in ihrem Zimmer lag. Was sie sah, wenn sie in die Wolken schaute. Wovon sie träumte. Aber stattdessen sagte er: »Muh.«
Und Agathe lächelte.

Da ging er. Ging langsam durch die Stube, mit der Treppe im Rücken, drückte leise die Tür auf und zog sie hinter sich zu. Er ging hinaus in den Winter und in die wolkenfreie, glasklare Nacht, und noch immer rief der Uhu, der irgendwo im Wald hinter dem Mollehügel saß. Und Gustafs Wurzeln hinterließen dunkle Spuren im Schnee.

 

Hi Bas,

es ist zwar nicht so wichtig, aber ich merke, dass ich das hier:

Mit deinem Vorschlag fremdel ich aber leider noch, das klingt für mich fast noch unrunder.
doch nicht so stehen lassen wollte ... Das sollte nämlich gar kein Vorschlag sein, sondern nur eine Veranschaulichung, warum mir der Satz, wie er dasteht, nicht ganz sauber zu sein scheint. Vielleicht wäre mir sogar gar nicht mal was aufgefallen, wenn die beiden "um sie (...) zu" mit jeweils unterschiedlichem Subjekt (ihre Augen/man) nicht so unmittelbar aufeinander folgten. Beispielsweise könnte mir ein Punkt zur Abgrenzung und eine kleine Variation, damit das Echo von "um sie zu" nicht ganz so laut tönt, schon reichen, also etwa so:
Und vermutlich waren ihre Augen bloß zu klein, um sie von hier oben erkennen zu können. Vermutlich müsste man sich auf den Boden legen, um diese Augen zu sehen, ..."

Dann hast du aber noch eine Frage gestellt, die schon nicht mehr ganz aktuell ist, weil du ja seither einiges verändert hast:

was hätte die eindeutige Stummheit hier für einen Mehrwert gegenüber der ... nur relativ eindeutigen?
Trotzdem hab ich ein bisschen darüber gegrübelt, weil ich sonst gegen Uneindeutiges an sich nichts habe. Vielleicht hat es damit zu tun, dass der Ausgangssatz heißt:
Agathe war stumm und Gustaf war es auch
Beide sind also stumm. Wenn jetzt beide eindeutig stumm sind oder beide uneindeutig oder Agathe eindeutig stumm und Gustav eindeutig nur metaphorisch - dann fände ich das, glaube ich, alles in Ordnung. In der damaligen Fassung war aber Gustav eindeutig nicht im wörtlichen Sinn stumm und bei Agathe war es uneindeutig, und das fand ich dann wohl nicht ganz unausgereift. Denn sie stehen in dem Satz - der in der Form ja eine ganz klare Behauptung ist - nun mal zusammen, und da finde ich irgendwas aus dem Lot, wenn sie nicht auch in der Frage der Klarheit auf einer Ebene bleiben. (Weil ja eben auch die Frage nach der Zuverlässigkeit von Behauptungen nicht nebensächlich ist.) ((Anders dagegen, wenn es nur hieße: "Agathe war stumm.", da würde sich dieses Problem dann gar nicht auftun.))
So ähnlich würde ich mir das jetzt jedenfalls rekonstruieren, denn ursprünglich war es nur so, dass ich irgendwas nicht ganz passend fand und das dann halt so hingetippt habe.

Jetzt redet Agathe am ende aber eh, und das will ich mal noch zum Anlass nehmend ass ich diesen neuen Schluss gut gelungen finde, obwohl ich auch am ersten so nichts zu kritisieren hatte. Aber diese Situation

der Schmied schüttelte den Kopf, Gustaf wurde das Messer in der Hand schwer, jetzt war die Sache ihm peinlich.
ist natürlich subtiler als die rohe Gewalt der ersten Fassung, und das ist wahrscheinlich im direkten Vergleich ein Gewinn.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Muh @Bas , Agathe ist nicht nur länger das Opfer. Es hat den Anschein, als hätte sie mitbestimmt.

Schlüpfte in ihr Bett und nahm sie in die Arme, nahm sie, wie sie war, und Agathe tat stumm ihren Mund auf, so weit, als wollte sie die Nacht und die Sterne hereinlassen, Agathe dachte an nichts und an alles und an die Wolken und würde man Gustaf jetzt ein Messer in die Brust rammen, in diesem Augenblick, dann wäre er damit einverstanden, denn irgendwie musste man ja sterben und so war es gut.
Sie will Gustaf, als Trost, zur Wärme, für sich.

Agathe steht für sich, zu sich selbst.

Und Gustaf stand auf und in seiner Hand hielt er ein Messer.
Im Ofen knackte ein Stück Holz.
Die beiden Männer sahen sich an.
»Jetzt soll mal einer durch die Tür kommen«, sagte Agathe da in die Stille hinein. »Der eine schwingt die Faust und der da zückt sein Messer und mittendrin stehe ich mit meinem dicken Bauch.« Und sie sagte noch: »Muh!«
Agathe lachte jetzt, es war, als flüsterte ein Gespenst ihr lustige Geschichten ins Ohr, die keiner sonst hören konnte, der Schmied schüttelte den Kopf, Gustaf wurde das Messer in der Hand schwer, jetzt war die Sache ihm peinlich. Wusste der Teufel, was in Agathe vorging.
Ja. Sie bringt die Situation voran. Sie entwickelt die Situation. Das gefällt mir für diesen Charakter, falls es dir hilft! Das hast du so gut gelöst. Als wäre es leicht gewesen! Daumen hoch für den Autoren!
Was soll damit sein? Es kommt auf die Welt und dann ist es da.«
Und er hätte gerne noch mehr gefragt. Tausende Dinge, die ihm auf der Seele brannten. Woran sie dachte, wenn sie nachts alleine in ihrem Zimmer lag. Was sie sah, wenn sie in die Wolken schaute. Wovon sie träumte. Aber stattdessen sagte er: »Muh.«
Und Agathe lächelte.
Ach Bas, so ist es nun mal mitunter in der Kommunikation zwischen Menschen und du hast es in dieser Szene in dieser besonderen Geschichte auf den Punkt gebracht! Chapeau!
Ich will es mit diesem Kommentar bei Agathe belassen und behalte ein Auge auf sie und deine Serie.

Kanji

 

Hallo @Bas :-)

Deine Geschichte wollte ich schon länger kommentieren, ich versuche, weder kritisch noch unkritisch zu sein - Anmerkungen, Auffälligkeiten, Ideen. Deine Gustaf-Serie lese ich sehr gerne. Natürlich erzeugt ein Text wie deiner - eine reduzierte Sprache die auf uneindeutige Motive hinweist - eine hohe Summe an unterschiedlichen Perspektiven. Jeder wird deinen Gustaf anders lesen. Zeigt sich ja auch in den Kommentaren.

Jetzt stand Gustaf also auf dem Mollehügel und blickte ins Dorf hinab. Einmal werde ich hier König sein, dachte er da bei sich, nur zum Spaß.
Denkt er das wirklich zum Spaß? Oder meint er das in Selbstironie - ich darf meinen Ehrgeiz nicht zur Schau stellen, da in der Welt, in der ich lebe, Ehrgeiz anrüchig, egoistisch oder anmaßend wirkt. Es gibt eben nur einen König und nicht dreihundert und jeder will auf der sozialen Rangleiter über dem anderen stehen und König ist halt der Chef des Vaterlandes.
Da krabbelt eine Stinkwanze vorbei: Grün auf grün, die Halme bogen sich und sprangen wieder hoch, und kurz überlegte Gustaf,
Das würde ich streichen. Du verwendest ja einige Zeilen, in denen Gustavs Gedanken dargestellt werden. Für deine Geschichte scheint der Mikro-Blick wichtig zu sein; ich las hier einen Gegensatz zu Agathe (sie - die Wolken, das Makro, hier Gustav, das Mikro). Ich spinne mal ein bisschen: Gustaf Botaniker, Agathe Physikerin, aber eine, die mehr dem Impressionismus denn einem elektrischen Labor zugeneigt ist.
Agathe war ja im Grunde er selbst, auch sie suchte nach etwas und wusste nicht genau, was dieses Etwas war, nur deshalb schweifte ja auch ihr Blick umher, wenn der Schmied mit ihr sprach:
Das provoziert ja die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Jetzt denke ich sehr strukturiert: Beide eint eine Disposition für etwas, die Ausprägung der Disposition unterscheidet sich aber. Bis zu diesem Punkt war das - für mich - der Blick auf die Umwelt als eine mögliche Disposition, das Hineinversetzen und sich verträumen an etwas, bei Gustav eben mehr die Wanze, bei Agathe mehr die Wolken. Sicher, ich bin hier auf einem Holzweg. Aber so ... denke ich :-D

Dein Text folgt einem leicht archaischen, biblischen Ton: "Da passiert was", "Jetzt geschieht was", der Ton einer Erzählung, wie sie alte Männer am Lagerfeuer leisten. Das ist eine Sprache, in der die Außenwelt auf die Handlung einwirkt und sie steuert. Verstehst du, was ich meine? Dieses "Da geschieht", "Da kam ein Fuchs", hier greift die Welt, in der Gustaf und Agathe leben, auf sie ein und triggert ein Verhalten. Vielleicht entsteht dadurch der biblische Ton, in der Bibel ist's ja der Gott, der immer wieder zeigt, wie mächtig gewaltig er handeln kann.

Jetzt war das Leben ein neues. Jetzt wachte Gustaf beim ersten Hahnenschrei auf, man saß gemeinsam am Tisch und schaute sich gegenseitig beim Kauen zu, Gustaf hackte das Holz, um den Ofen anzuheizen, und beruhigte die Pferde, wenn der Schmied ihnen die Hufe anschlug, er holte das Wasser vom Brunnen und wann immer sich die Möglichkeit ergab, betrachtete er die Agathe, die Wolkenagathe. Mal nickte er ihr zu, mal nickte sie, mehr gab es nicht. Agathe war stumm und Gustaf war es auch.
Vielleicht so: Jetzt war das Leben ein anderes. Jetzt wachte Gustav beim ersten Hahnenschrei auf. Man saß am Stubentisch und schaute sich beim Mahlen der Kiefer zu. Gustaf hackte Brennholz für den Ofen, er holte das Wasser aus dem Brunnen, wenn der Schmied die Hufe löschte und beruhigte das Pferd, wenn der Schmied die Hufe schlug.

Es dauerte nicht lange, da fragte sich Gustaf, warum man den Alten nicht den Treppenschmied nannte. Denn der redete ja fast nur dummes Zeug daher, lauwarme Grütze, er sagte zum Beispiel: Der Mensch stammt vom Baum ab, und er meinte es so. Ja, am Anfang waren wir noch Bäume, konnte er sagen, ohne das Gesicht zu verziehen, und dann wuchsen uns Hirne und Beine und dann waren wir Menschen. Und dann kaute er weiter auf seinem Brot, blickte Gustaf an und wartete auf sein Nicken.
Oh ja, sowas lese ich voll gerne. Diese Legenden, die für große Weisheiten gehalten werden. Vielleicht kannst du ja noch erwähnen, warum der Schmied die menschliche Entwicklung für eine dentrogene hält (ich will mit diesem neogriechischen Neologismus wirklich nicht irgendeinen bildungsbürgerlichen Hintergrund in den Vordergrund rücken, den ich nicht habe, aber ich spiele gerne mit Sprache):

"Denn wer einen winzigen Tropfen über eine Schnittwunde hält und durch den Tropfen blickt, der wird Fasern entdecken. Eine dünne kräftige und eine breite blasse. Das sind die Ringe wie beim Baum."
"Und warum wird der Mensch nicht dicker und dicker?"
"Dummkopf. Weil der Mensch arbeitet."

Gustaf könnte in der Geschichte erstmals sich ermächtigt fühlen. Er könnte die Geschichte des Schmieds als Quatsch entlarven. Pointe wäre jetzt, wenn Gustaf dem einen anderen Quatsch entgegensetzt.

"Aber warum stammt der Mensch nicht vom Moos ab?"

So hätte es noch lange weitergehen können, doch da passierte es, dass Gustaf etwas Unbedachtes sagte.
Hm, das könnte man auch kürzen. Eigentlich sind ja deine Texte sehr ... nebensatzlos :-D

Jetzt will ich warme Grütze haben. Das war etwas Neues. Warme Grütze gab es ja sonst nur zu Mittag, aber der Schmied, der in der dunklen Ecke saß, stimmte Gustaf zu: Ja, jetzt sollte es also warme Grütze geben, und er ließ es auch die Agathe draußen auf der Bank wissen, indem er nach ihr rief.
A magic Gustaf is born! Das ist eine superwichtige zentrale Umschaltstelle im literarischen System deiner Story. Denn hier ermächtigt sich Gustaf. Empowerment! Gustaf sagt: Ich will. Ich denke, die Reaktion des Schmiedes verdient ein, zwei Sätze mehr.

So lag Gustaf wach und bemitleidete sich selbst,
Ab hier, finde ich, folgt der stärkste Abschnitt der Story. Ein starker Gustaf scheint dir leichter zu fallen, als ein schwacher.

Generell könntest du die Verbformen reduzierter verwenden: mitleiden statt sich bemitleiden. Dass Adern blaue Würmer auf der Haut zeichnen, statt abzeichneten. Archaische Sprache ist abgehackte Sprache. Die Welt, in der Gustaf lebt, ist eine, in der die Dinge blank liegen: Stein ist Stein, Schmied ist Schmied, Blitz ist Blitz und Blut ist Blut.

»Jetzt soll mal einer durch die Tür kommen«, sagte Agathe da in die Stille hinein. »Der eine schwingt die Faust und der da zückt sein Messer und mittendrin stehe ich mit meinem dicken Bauch.« Und sie sagte noch: »Muh!«
Richtig gute Stelle :-) Agathe entlarvt phantastisch witzig. Und sie ist mächtig.

»Ja. Das hab ich mir schon gedacht.«
Mehr nicht.
»Und das Kind?«, fragte Gustaf.

Das könnte man durch ein simples "Pause" ersetzen.

***

Lieber @Bas, ein paar Anmerkungen, mehr nicht. Ich verbleibe mit einem guten Start in den September 2021:

kiroly, heute aus Leipzig, Heldenstadt, Heldenstadt.

 

Hallo @Bas

Nun, ich werde sicher nicht so konstruktiv und hilfreich sein, wie du es bei meiner Geschichte warst, dennoch möchte ich einen Gegenbesuch machen.

Jetzt stand Gustaf also auf dem Mollehügel und blickte ins Dorf hinab. Einmal werde ich hier König sein, dachte er da bei sich, nur zum Spaß.
Mollehügel was für ein toller Name. Wie ein Kind König werden.
Agathe war ja im Grunde er selbst, auch sie suchte nach etwas und wusste nicht genau, was dieses Etwas war, nur deshalb schweifte ja auch ihr Blick umher,
Woher weiß er das sie etwas sucht?
lieber reimte man sich die Sache selbst zusammen, nahm seine eigenen Gedanken und schrieb sie dann dem anderen zu.
Er schafft sich sein eigenes kleines Universum. (Wie es jeder von uns …)
Agathe gerade auf der Bank saß und in die Wolken starrte, und Agathe erhob sich auch, schlurfte los, aber wenn sie dann in der kleinen Hütte stand, in der sie zusammen mit ihrem Vater lebte, dann wusste sie nicht weiter, dann wuchs sie fest und blickte stumpf in in die Ecke.
Sie ist wohl der „Dorfdepp“, so wie es früher in jedem Dorf jemand gab.
Jeder kannte ihn oder sie den Behinderten den Zurückgebliebenen
Löste sich aus seiner dunklen Ecke wie die Kröte aus dem Sumpf und da wusste Gustaf auch, wie die Sache jetzt stand.
Schön.
Treppenagathe, weil ihre Mutter von der Treppe gestürzt und gestorben war, und die Agathe hatte dabei einen Schlag abbekommen und war schon dumm auf die Welt gekommen.
Toll, Treppenagathe (der Dorfdepp wurde geboren.)
Gib mir die Zange.«
Gustaf gab sie ihm, und im Gegenzug bekam er ein Bett in der Kammer.
Das ging mir zu schnell.
Und Gustaf ging leise die Treppe hinauf. Schlüpfte in ihr Bett und nahm sie in die Arme, nahm sie, wie sie war, und Agathe tat stumm ihren Mund auf, so weit, als wollte sie die Nacht und die Sterne hereinlassen, Agathe dachte an nichts und an alles und an die Wolken und würde man Gustaf jetzt ein Messer in die Brust rammen, in diesem Augenblick, dann wäre er damit einverstanden, denn irgendwie musste man ja sterben und so war es gut.
Diesen Abschnitt fand ich am schönsten.
Jetzt soll mal einer durch die Tür kommen«, sagte Agathe da in die Stille hinein. »Der eine schwingt die Faust und der da zückt sein Messer und mittendrin stehe ich mit meinem dicken Bauch.
So und jetzt kippt die Dorfdeppenvorstellung.
Reagiert sie so weil sie Mutter wird?
Reagiert sie so weil nicht jeder nur dumm ist?
Reagiert sie so weil Menschen unberechenbar sind?
Reagiert sie so … Weil es eben so ist.
der Schmied schüttelte den Kopf, Gustaf wurde das Messer in der Hand schwer, jetzt war die Sache ihm peinlich. Wusste der Teufel, was in Agathe vorging.
Hier war ich zunächst etwas enttäuscht, weil ich nicht erfahren habe, wie der Schmid noch reagierte.
Gehst du?«, kam es vom Absatz.
»Ja«, sagte Gustaf bloß.
»Ja. Das hab ich mir schon gedacht.«
Mehr nicht.
»Und das Kind?«, fragte Gustaf.
»Was soll damit sein? Es kommt auf die Welt und dann ist es da.«
Wieder kippt meine Vorstellung.
So klug: es ist wie es ist. Ohne Vorwurf ohne Bewertung.
Und er hätte gerne noch mehr gefragt. Tausende Dinge, die ihm auf der Seele brannten. Woran sie dachte, wenn sie nachts alleine in ihrem Zimmer lag. Was sie sah, wenn sie in die Wolken schaute. Wovon sie träumte. Aber stattdessen sagte er: »Muh.«
Traurig dieser Schluss, soviel offene Fragen. (Auch ein Phänomen unserer Zeit, wir verlernen miteinander zu reden.) Und dann sagen wir etwas, dass wir gar nicht wollen aber der andere versteht.
Ich weiß nicht, irgendwie erinnert er mich an Forrest Gump.

Das waren meine Gedanken zu deiner Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat.


Liebe Grüße
CoK

 

Hallo @Carlo Zwei,

ich nehme es mir mal heraus, dir ganz allgemein für die kleineren Verbesserungsvorschläge zu danken, ohne aber im einzelnen darauf einzugehen. Du kennst die Geschichte dahinter ja, ich hatte das eigentlich schon gemacht, das jetzt noch mal zu wiederholen, wäre einfach nur ermüdend ... Sorry. Viele deiner Vorschläge habe ich übernommen, dein wachsames Auge hat dem Text definitiv gut getan!

Besonders hier:

Das ging ziemlich schnell. Da wäre Platz für einen Übergang. Grundsätzlich eine schön überraschende Wendung, dass er dann doch nicht sauer ist. Aber wie gesagt. Da passt noch ein Absatz des Übergangs hin.

Geht auch, finde ich, zu schnell. Zwei, drei Sätze – muss gar kein ganzer Absatz sein. Die Reaktion, vor allem ihre, ist doch gerade das Schmerzliche. Das ist doch wirklich, weshalb man als Leser dabei ist. Sie reagiert hier doch viel zu lakonisch. Selbst wenn sie herzzerreißend selbstlos reagiert. Ist da kein Zucken, keine Träne, nichts?

Das hat mich dazu angeregt, den Schluss noch mal umzuschreiben, und ja, das war wichtig.

Dein Hauptkritikpunkt kreiste ja hierum:

Aber eigentlich ist der Erzähler ja zumeist ein personaler und zwar aus Gustafs Augen, da liebe ich ihn richtig. Aber diese Grenze überschreitet er dann immer wieder. Bestimmt so intendiert. Aber das funktioniert für mich nicht so gut. Ich wünsche mir hier (Achtung Wunschkonzert) einen halbwegs cleanen personalen Erzähler, wie man ihn in fast jedem Daniel Kehlmann Roman findet. Einer der mir die Gedankenwelt ausbreitet und zwar in der Sprache des Denkenden.

Ich sehe schon auch das gute in dem "halbwegs cleanen personalen Erzähler", den du dir wünschst, und ich habe die Geschichte jetzt auch ein bisschen in diese Richtung überarbeitet, aber im Grunde bin ich mir noch gar nicht ganz schlüssig, was für ein Erzähler das eigentlich ist oder sein oder werden soll. Und diese Erkenntnis ist erst mal ... na, eine unbequeme, aber eine sehr wichtige, bevor ich hier weitermache, denke ich.

Mir gefiel dieses unklare Gemisch ganz gut, dieser Erzähler, der sehr, sehr nah an Gustaf dran ist, ihm im Nacken sitzt, in den Kopf schaut, aber dann auch noch ein Stück darüber hinaus sieht - was aber nicht gleichzusetzen ist mit einem allwissenden Erzähler, also in meiner Vorstellung. Ich sehe da eher einen Gustaf, der eben sehr viel weiß bzw. wahrnimmt und spürt, aber nicht immer nach diesem Wissen handelt, also so ein bisschen ein ... Über-Gustaf-Erzähler, die Idealform von ihm, die so aber gar nicht existieren kann, weil wir ja alle nicht unsere Idealform sind. Ich weiß nicht, macht das Sinn? Dadurch wird er dann ein bisschen unzuverlässig, und ich stehe auf unzuverlässige Erzähler.
(Aber nagel mich jetzt bitte nicht fest auf dieses "Konzept des Erzählens", das war gerade mehr freies Dahingerede als ein ausgereifter Gedanke.)

@erdbeerschorsch hat das Problem auch schon erkannt und dazu gesagt:

Du kannst natürlich einwenden, dass ich mir den Gustav zu einfach vorstelle, aber da würde ich dann halt entgegnen, dass du nicht viel Platz hast, um die Figur zu entwickeln, und dass es da verwässernd wirkt, wenn du zu viele Schichten in ihrem Charakter anlegst.

Und das trifft es ganz gut. Ich nehme also mit:

Entweder gehe ich den von dir aufgezeigten cleanen Weg, das wäre wahrscheinlich vor allem im Kurzgeschichtenkontext gewinnbringend, und ja, das würde auch einen Ton schaffen, den ich selbst wahnsinnig gerne mag, einen der

mir die Gedankenwelt ausbreitet und zwar in der Sprache des Denkenden.

Oder aber ich reife meine unklaren Gedanken aus und entwickle einen zwar unzuverlässigen, aber zumindest einheitlichen Erzähler, der dann aber vielleicht vor allem eines noch bräuchte, um zu funktionieren: Platz. Aber das wäre erst mal kein Problem, da mir die Sache hier eh langsam aus dem Kurzgeschichtenrahmen wächst.

Wie auch immer. Danke fürs Gedankenanregen, und wenn du noch Gedanken zu meinen Gedanken hast, immer her damit :D

Hallo @erdbeerschorsch,

Das sollte nämlich gar kein Vorschlag sein, sondern nur eine Veranschaulichung, warum mir der Satz, wie er dasteht, nicht ganz sauber zu sein scheint.

Alles gut, habe ich auch genau so wahrgenommen :thumbsup: Und deinen neuen Vorschlag ... deine neue Veranschlaulichung ... habe ich jetzt auch mal übernommen, im ersten Moment klang mir "diese Augen" zu ... was auch immer, aber doch, jetzt lasse ich das erst mal so. Danke fürs Dranbleiben!

Auch deine Ausführung zur Stummheit kann ich nachvollziehen und da bin ich dann umso glücklicher, dass die Sache mit dem neuen Ende ja mehr oder weniger aus dem Weg geräumt wurde. Danke auch für die Rückmeldung, dass dir das Ende gefällt, besonders subtil höre ich gerne, ich finde, denn das passt sehr viel besser zu diesem Teil der Geschichte und wie ich sie gerne hätte.

Muh @Kanji ;),

Agathe steht für sich, zu sich selbst.

Ja. Sie bringt die Situation voran. Sie entwickelt die Situation. Das gefällt mir für diesen Charakter, falls es dir hilft!

Und wie mir das hilft! Ich hatte Bedenken, dass man mir diese Szene um die Ohren hauen würde, aha, da baut er also etwas wie eine "reife" Geschichte und dann gibt es ein "Muh" zum Höhepunkt. Mir war es von Anfang an ein Dorn im Auge, dass Agathe so ein ... Opfer ist, deshalb habe ich sie in der Zwischenversion auch selbst zum Messer greifen lassen. Aber ich denke, diese Variante hier ist sehr viel stärker als ein simpler Mord, auch wenn es nur ein "Muh" ist.

so ist es nun mal mitunter in der Kommunikation zwischen Menschen und du hast es in dieser Szene in dieser besonderen Geschichte auf den Punkt gebracht!

Ja, toll, dass du das so liest, das freut mich wirklich sehr und stärkt mir ein den Rücken, falls dann doch noch ein Umdieohrenhauer kommen sollte :) Vielen Dank und bis bald!

Bas

 

auch wenn es nur ein "Muh" ist.
Es ist doch aber gar nicht nur ein „Muh“ @Bas. Denn während die Männer von ihren Gefühlen überwältigt werden, ist es eben die „dumme“ Wolkenagathe, die in ihrer Schlichtheit diese Situation deeskaliert, keine Angst zeigt und bloß weil es ihr an Sprache fehlt, weil sie keine Worte groß kennt, greift sie auf diesen ihr vertrauten Laut zurück. Das ist wunderbar! Auch deswegen, weil es ein Licht auf Gustaf wirft, weil er das natürlich registriert und daraus Scham wird. Gustaf wird … gefüllt mit dem was um ihn herum passiert.
Ich vermisse Agathe jetzt schon, freue mich auf Gustaf.
Dass der Schmied eindimensionaler wurde, juckt mich nicht! Der war dem Gustaf eh nicht sonderlich nützlich in seinem Fortkommen, sondern eher umgekehrt. :D

Nun beruhige ich mich wieder und reise weiter!
Kanji

 

» ...

Viel fette Schweine mästest du
Und gibst den Hühnern Futter;
Die Kuh im Stalle ruft muh! muh!
Und gibt dir Milch und Butter.

...«

aus: Friedrich Schiller,
»Zum Geburtstag der Frau Griesbach«​


Nu isser weg, verweht mit dem Wind und dem romatischen Donovan und die nahezu klassische Tragödie nimmt ihren Lauf und ehe er sich versieht, ist das Königtum des Antihelden Gustaf ausgeträumt, dass es auch dem Letzten die Sprache verschlägt und eigentlich müsste ich stille einhalten und denk doch, warum hier wieder so umständlich

Einmal werde ich hier König sein, dachte er da bei sich, nur zum Spaß.
wenn’s weiter unten doch ohne Aufwand gelingt ohne unnötiges Reflexivpronomen
Es war das Jammern eines Tieres, das in einer Falle steckte, dachte er zuerst, aber da …
denn wer, wenn nicht er, könnte seine Gedanken denken?

kleine Flüchtigkeiten

Da krabbelt[e] eine Stinkwanze vorbei: Grün auf grün, die Halme bogen sich und sprangen wieder hoch, und kurz überlegte Gustaf, …

,,,, dann wusste sie nicht weiter, dann wuchs sie fest und blickte stumpf in in die Ecke. Sie hatte ja nicht zugehört, sie hatte ja …

und hier Wortwiederholung trotz des vieldeutigen „kommen“ mit eindeutigeren Synonymen
Aber Agathe war ja auch dumm, im Laden nannte man sie die Treppenagathe, weil ihre Mutter von der Treppe gestürzt und gestorben war, und die Agathe hatte dabei einen Schlag abbekommen und war schon dumm auf die Welt gekommen.
- wäre nicht „abgekriegt“ etwas gröber als ein „abbekommen“?, zB

Jetzt konnte er sich erhängen und es würde keinen Unterschied machen, jetzt konnte er Fliegenpilze und Brennnessel[n] und Tollkirschen zerreiben und alles zusammen herunterschlucken und die Höllenbilder und die Schmerzen hätte er sich gut verdient.

»Heb das Kleid«, sagte er bloß, aber Agathe hörte nicht. »Heb das Kleid«, sagte der Alte noch mal, und Agathe sah zu Gustaf herüber, ihre Blicke kreuzten sich …
besser „hinüber“

Er war ja die ganze Zeit schon wachgelegen, hatte noch immer die Kleider vom Tag an, er hatte dem Uhu vorm Fenster gelauscht[,] auf das Knarzen der Treppe gewartet, auf das Zeichen, dass der Schmied aus seinem Gedankensumpf aufgetaucht war, um ins Bett zu gehen.

und so stehet die Zeit und wir ziehn durch sie durch mit dem Grünen Gustaf ...

Friedel

 

Hallo Bas,

selten so ein "Märchen" gelesen. Du hast eine tolle Wortwahl, die mich abholt und durch deine Phantasie trägt. All diese Andeutungen mit offenem Ausgang, die mich in alle Richtungen "spinnen" lassen können und doch im Vordergrund der rote Faden, der einen so zwangsläufig durch die Story führt. Ein bisschen erinnert mich Dein Stil an alte Bauerngeschichten, in denen auch die Dinge unumstößlich passieren, ohne großen Aufhebens und ohne viele Worte. Das Leben geschieht und auch wenn der Mensch die Fäuste ballt und das Messer hebt - oder den Rock, um das Unvermeidliche der Gefühle zu zeigen - in allem steckt die Liebe, es auszudrücken.
Gerne gelesen - Danke
Detlev

 

Lieber @Detlev,

vielen Dank für deinen tollen Kommentar. Du beschreibst quasi genau das, was ich mir erhoffe, mit meinen Geschichten leisten zu können, also diese ... Lust am Rumspinnen auszulösen. Super, dass das bei dir hier so gut funktioniert hat, das freut mich sehr.

@kiroly, @CoK, @Kanji und @Friedrichard,

entschuldigt, ich war eine ganze Weile sprachlos bzw. haben sich mir bei jedem Tippversuch die ollen Finger verknotet, na ... Ist jedenfalls nicht so, als hätte ich eure Kommentare nicht gelesen, im Gegenteil, mehrmals sogar :) Aber dann vergeht ein bisschen Zeit und dann noch ein bisschen mehr und das mit dem Antworten wird und wird einfach nicht einfacher :shy: Deshalb: Tausend Dank und sorry für die für die eher einseitige ... Unterhaltung. Mir haben die Kommentare jedenfalls geholfen, ihr habt einiges angeregt und so manchen Zweifel beseitigt.

Bas

 

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