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Wo gehst du denn hin?

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08.08.2002
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Wo gehst du denn hin?

„Wo gehst du denn hin?“ Fragend zog er seine Augenbraue hoch, arrogant und überheblich. Ihr Blick versucht seinem standzuhalten, verliert sich an der Wand und richtet sich letztlich auf ihre nackten Füße.
„Einfach raus. Irgendwohin, raus aus deinem Bannkreis. Das ist alles“. Sie gibt sich einen Ruck und geht zielstrebig zur Tür. „Du glaubst du kannst einfach da hinaus gehen wo ich dich aus den Augen verliere?“ ein ungläubiges Lächeln ziert sein Gesicht. Sie weiß sie muss nur einen Schritt vor den anderen setzen. Einer und noch einer und noch einer. Er stellt sich ihr in den Weg. „Lass mich vorbei. Ich mag diese Spielchen nicht.“ Sie sucht in seinem Blick etwas Vertrautes, etwas das ihr die Angst nimmt die leise an ihrer Haut hoch kriecht, etwas das dies alles als absurd aufdeckt, als einen Irrtum. Es ist nichts da.
Er drängt sich ihr entgegen und sie weicht in denselben Bewegungen vor ihm zurück. Gebannt in seine Augen schauend forscht sie tief bis auf den Seelengrund blickend nach Erbarmen, einem Rest von Liebe. Er erwidert diesen Blick, verschleiert ihn, macht ihn undurchdringlich .
Am Rand der Couch verliert sie die Ballance und fällt nach hinten. Sofort ist er auf ihr und streicht mit einer völlig unpassenden zärtlichen Geste eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Lass das“ faucht sie ihn an, durch diese Zartheit mehr verletzt als den Druck seines Körpergewichts. „Was denn? Du magst das doch, wenn man dich in den Arm nimmt.“ Der Druck seiner Hand ist der Griff nach Besitz. Sie versucht sich aus seiner Umklammerung herauszuwinden. Langsam kriecht Entsetzen in ihr hoch. „Ich krieg keine Luft. Geh weg. Ich krieg keine Luft mehr“. Kaum einer Bewegung fähig gerät sie in Panik. Ihr Wehren macht einer seltsamen Ohnmacht Platz. Sie erinnert sich an Tiere die sich tot stellen in der Hoffnung vom Räuber übersehen zu werden. Doch dieser Räuber durchschaut den Trick. Animiert sie zum Handeln und lässt ihr gleichzeitig keinen Spielraum mehr. „Ich ersticke“ schreit sie gepresst und versucht sich aufzubäumen. „Du nimmst mir den Atem“. „Schschsch. Ist ja gut, ich bin ja da, ich beschütze dich doch. Ich rette dich doch – mit meinem Atem. Jetzt“

 

guten morgen schnee.eule - du bist ja in einer richtigen schaffens-phase! gratuliere.

habe ich deine story so richtig verstanden? (telegrammstil):
-ehepaar/gute freunde. er ist stark, sie ist schwach
-sie baut eigene stärke auf und reduziert damit die distanz der kräfte zu ihm
-er fühlt sich angegriffen in seiner position und rückt sie nach unten, damit die distanz wieder gebührend groß wird
-sobald er dieses ziel erreicht hat (status quo wieder hergestellt ist), "rettet" er sie.
-......und wahrscheinlich beginnt dieser reigen morgen wieder von neuem - und übermorgen - und überübermorgen.
ist es so?
noch einige anmerkungen:

ein ungläubiges Lächeln ziert sein Gesicht.
- ist das wirklich "zieren"?

etwas das ihr die Angst nimmt die leise an ihrer Haut hoch kriecht,
- kriecht die angst nicht eher im körper, z.b. vom magen her kommend, hoch?

Der Druck seiner Hand ist der Griff nach Besitz
- gefällt mir besonders gut, diese kurze und klare umschreibung.
Sie erinnert sich an Tiere die sich tot stellen in der Hoffnung vom Räuber übersehen zu werden. Doch dieser Räuber durchschaut den Trick. Animiert sie zum Handeln und lässt ihr gleichzeitig keinen Spielraum mehr.
- diser schlenker verwirrt mE mehr, als dass der zur klärung beiträgt. ich würde das "tot stellen" rauslassen.

liebe grüße. ernst

 

Lieber Ernst !

Ich bin nicht sicher ob du die Dimension des Geschehens erkannt hast. Lies die Geschichte bitte nochmals, wenn du irgendwann Muse dazu hast. Aber lies sie unter dem Aspekt von Gewalt. Es ist keine Metapher - hier geschieht etwas. Es ist der Versuch davon zu erzählen ohne es direkt auszusprechen. Ich kann das "tot stellen" nicht rausnehmen, denn diese Frau hofft sich dadurch im wahrsten Sinne des Wortes zu retten.

Melde dich dann bitte wieder und sag mir ob sich deine Emfpfindung, vor allem der Sinn der Aussage verändert hat - liebe Gruß an dich -
schnee.eule

 

hhhmmm - werde deinen rat gerne befolgen - und melde mich wieder. danke und gruß. ernst

 

Hallo Schneeeule,
ich muß sagen, dass mir deine Kurzgeschichte recht gut gefallen hat. Die Panik und Hilflosigkeit die die Frau gegenüber ihrem Freund oder Mann empfindet kommt sehr gut rüber und du schaffst es beiden Charaktären Leben einzuhauchen.
Allerdings verstehe ich das Ende nicht ganz.

 

Hi Kain !

Nun vielleicht habe ich das alles zu dezent geschrieben.

Jedenfalls wollte ich am Schluss mit "ich gebe dir meinen Atem" seine Lebenskarft umschreiben. Dass er eindringt in die Frau, jetzt, in diesem Augenblick. Er ist in seiner selbstherrlichen und zynischen Denkweise der irrigen Auffassung sie damit von der Angst zu befreien, welche er durch die totale Missachtung ihres Willens überhaupt erst erzeugt hat.

Danke, dass du dich auseinandergesetzt hast mit diesen Zeilen - lieben Gruß schnee.eule

 

Deine Geschichte hat mir Angst gemacht, Schnee.eule. Das meine ich natürlich positiv.
Du hast viele eindringliche Sätze, die wirklich wirken:

Der Druck seiner Hand ist der Griff nach Besitz

Prima!

Einzig die Metapher

Sie erinnert sich an Tiere die sich tot stellen in der Hoffnung vom Räuber übersehen zu werden.

fand ich nicht so geglückt. Aber Geschmackssache.

Bei deinem letzten Satz dachte ich eher - Asche über mein Haupt - an einen Kuss. Da war ich wohl zu naiv.

Sehr schön!

LG

PP

 

Lieber Peter Pan!

Dieser Satz, welcher dir und Ernst nicht gefällt drückt nur aus, dass sie denkt, wenn sie in der Bewegung verharrt, sich nicht mehr wehrt, kommt sie vielleicht davon. Aber ist ok, vielleicht komm ich noch dahinter warum er stört.
Dass du am Schluß an einen Kuss gedacht hast spricht sehr für dich und zeugt nicht von Naivität. Es wäre schön, wenn es mehr Menschen gäbe die ihren Geist auf das Liebevolle beziehen. Die Welt wäre dann schöner weißt du. Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi schnee.eule,
wie auch in den anderen Geschichten von Dir spielst Du mit den Worten auf einem hohen Niveau. Du beschreibst Szenen und Gedanken nicht einfach, Du benutzt viele Bilder und eigene, nicht unbedingt ... standardisierte (vielleicht auch das falsche Wort) Assoziationen. Das macht Deine Texte klangvoll und das Lesen intensiv.
Gefällt mir sehr gut.
Ab und an habe ich das Gefühl, dass Du lieber ein Komma weniger setzt, wo ich eins mehr gesetzt hätte:

Sie weiß sie muss nur einen Schritt ...
"Sie weiß, sie..."
Gebannt in seine Augen schauend forscht sie tief bis auf den Seelengrund blickend nach Erbarmen,...
"...den Seelengrund, blickend..."
Nach meinem Gefühl fehlen sie...

Gruß, baddax

Ach ja, hast Du Spannung als Forum gewählt, um auf die Spannung zwischen den beiden zu deuten? Das wäre ja mal eine neue Blickrichtung des Begriffs.

 

Servus baddax !

Spannung ist etwas das sich immer zwischen oder in Menschen aufbaut. Wenn ich von einer Frau erzähle, die zunehmend Beklemmung empfindet, dann wäre es natürlich auch wünschenswert, dass der Leser diese Spannung die zwischen diesen beiden Menschen entsteht nachvollzieht und diese mitträgt, also ebenfalls verspürt. Auch als Schreibende war ich in der Situation der Frau angespannt. Es gibt doch so viele Aspekte von Spannung, oder nicht?

Deine Beistrichempfindung ist natürlich vollkommen richtig. Weiß der Teufel warum ich immer so achtlos an der Möglichkeit vorbeigehe mit ihnen besser strukturieren zu können.

Schön von deinen Gedanken gelesen zu haben - schnee.eule

 

Hallo schnee.eule,

das Tragische an Deiner Geschichte ist für mich die Chancenlosigkeit der Frau. Sie weiß, sie muß n u r einen Schritt nach dem anderen aus dem Bannkreis machen, sie ist aber schon so zerstört worden, daß sie bei dem Mann nur ein ungläubiges Lächeln hervorruft.
Sie bräuchte Hilfe von außen. Da eine solche Dramatik einer Beziehung nur schwer zu verstecken ist, denke ich, Deine Geschichte ist auch ein Appell an das `Nicht wegsehen´.
Der Schlußsatz ist eigentlich schon klar, mir hätte trotzdem etwas `stärkeres´ mehr gefallen.

Tschüß... Siegbert

 

Servus Woltochinon!

Würde ich die Geschichte heute nochmals schreiben wären mir am Ende deutlichere Worte möglich.
Deine weitere Anmerkung bezüglich Hilfe von außen bezieht sich ebenfalls auf die Wortlosigkeit und zeigt was für Einfühlungsvermögen du besitzt. Denn es ist in der Tat gerade dieses Nichtaussprechen mancher Dinge, das Zurückziehen in sich selbst statt von sich zu reden was die Umwelt bequemerweise nicht fragen lässt.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

guten morgen schnee.eule - ich hatte dir versprochen, deine geschichte nochmals zu lesen und darauf zurückzukommen. heute habe ich es getan + ich habe zusätzlichen alle kommentare sorgfältig gelesen. ich möchte bei meinem ansatz, der die verschiebung der distanzen zwischen oben und unten (= stark und schwach) bleiben. diese distanz lässt sich mit den verschiedensten mitteln verändern, z.b. durch gewalt (das hast du gewählt), durch klugheit/wissen, durch vorgetäuschte stärke (= arroganz - ebenfalls von dir gewählt), durch list, etc. mir kam es in der aussage auch darauf an, dass sich dieses spiel zwischen zwei partnern immer wiederholt - zumindest so lange, bis eine endgültige veränderung der distanz erreicht ist. ich glaube also, deine intention sehr gut und vollständig begriffen zu haben.

noch etwas zum satz

Sie erinnert sich an Tiere die sich tot stellen in der Hoffnung vom Räuber übersehen zu werden.
- vielleicht irritiert der ausdruck "übersehen zu werden" im zusammenhang mit deiner story. immerhin liegt er direkt auf ihr und hat ihr gesicht unmittelbar vor seinen augen - kann sie also unmöglich übersehen. vielleicht wäre besser zu sagen "....in der hoffnung, vom räuber in ruhe gelassen zu werden".

liebe grüße
ernst

 

Lieber Ernst !

Lieb von dir, dass du nochmal zur Geschichte zurückgekehrt bist.

Der Distanzspiegel den du aufzeigst ist sehr interessant. Worauf du hinauswillst, das immer wiederkehrende Muster zwischen zwei Partnern, empfand ich erst nicht. Eher, dass sich langsam, im Beginn fast unbemerkt etwas aufbaut. Vielleicht über Jahre hinweg und letztlich zur Eskalation führt. Und da zeigt sich dann, dass du sehr wohl recht hast. Denn mit jedem Schritt den er vor macht, macht sie einen zurück, d.h. die Distanz verändert sich nicht.

Der Begriff "übersehen" ist in der Tat der mögliche Sinnkiller. Danke dir.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

hallo schnee.eule!

das ist ein ziemlich bedrückender text. er ist zwar etwas kurz, spricht mich aber mehr an als resignation. möglicherweise interessiert mich aber auch das thema mehr.

mir gefällt auch, dass der schluss offen ist. es ist eher ein bild für ein zwischenmenschlichen abgrund, als eine geschichte, in der eine lösung angeboten wird. wie gesagt, meine "kragenweite".

lg
klara

 

Servus Klara!

Wenn ich mit diesen Worten etwas für dich Ansprechenderes gefunden habe, freut mich das. Denn es heißt, dass es nicht ein ausschließliches Schema gibt, ohne Nebengleise.
Lieben Dank für dein Lesen der Geschichte und viele Grüße - schnee.eule

 

Hallo, schnee.eule!

Hatte ja versprochen, noch ein paar Geschichten zu lesen - bislang bin ich schwer beeindruckt!

Du schreibst sehr gut, wie ich finde. Auch diese Story ist mir - wohl gerade wegen ihrer knappen und direkten Art - recht nahe gegangen. Weil irgendwie eigentlich alles drin steckt, was reingehört: Das Gefühl, das eh so schwer in Worte zu fassen ist. Die seltsame Ambivalenz zwischen Nähe und Erdrücken. Das Missverständnis vieler zwischen Liebe und Macht. Eben mehr oder weniger alles, was schrecklich, und dennoch leider allzu menschlich ist.
Und durch den Verzicht auf alles pathetische und den klugen und sorgfältigen Gebrauch der Worte (keines zu viel) wirkt die Geschichte sehr direkt und entfaltet sich ohne jedes überflüssige Origami, womit m.E. genau das erreicht ist, was dem Thema angemessen ist: Treffen. Und das aussprechen, wofür viele eben noch immer keine Worte finden.

Meinen Respekt!

Liebe Grüße,
Markus

 

Hallo schnee.eule!

Ich muss zugeben, dass ich nach dem Lesen des Textes zuerst ebenfalls wie Ernst ein wenig ratlos war (v. a. was das Ende anbelangt) und die Geschichte auch ein weiteres Mal gelesen habe. Deine Erklärung bezüglich des letzten Satzes war für mich vonnöten; mittlerweile ist er mir klarer.
Vielleicht solltest du dennoch versuchen, ihn etwas umzuschreiben, damit er treffender rüberkommt?

Besonders spannend fand ich die Story zwar nicht (eher Neugier erweckend - würde sie daher auch in "Alltag" einkategorisieren), aber dafür hat sie ja andere Qualitäten aufzuweisen (wie sprachliche Ausdrucksweise) und die Rubrikenauswahl ist natürlich auch Ansichtsache.

Insgesamt nicht schlecht, von der Thematik her dramatisch und ein wenig aufrüttelnd (wie Woltochinon schon sagte: Appell an "Nicht wegsehen").

Viele Grüße,
Michael :)

 

Lieber Horni!

Es freut mich, wenn du aus meinen Geschichten etwas für dich herausfiltern kannst. Weißt du, mich irritiert es als Leserin nicht, wenn Menschen alle Empfindungen in Geschichten deutlich aussprechen, sich regelrecht der hervorquellenden Urgewalt und auch verbalen Auswürfen geifernd bedienen um sich mitzuteilen. Nur meins ist es nicht. Ich umschreibe lieber manches, lasse zu, dass jeder seine eigene Interpretation findet, mit dem zum Ausdruck gebrachten umzugehen. Schön, wenn du es lesen mochtest, danke.

Lieben Gruß an dich - Eva

Lieber Michael!

Ich schrieb die Geschichte ursprünglich viel kompromissloser. Es war immer eine Zeile Aktion und eine Zeile Reaktion darauf. Dadurch kam das Ende viel deutlicher hervor. Aber man warf den Text binnen 10 Min. raus und wertete ihn, für mich unverständlicherweise, als Gedicht.

Aber ich schreibe jetzt ein Ende für euch - weil der Lesende soll schon erfahren können was zu sagen ist, vielleicht war ich hier zu kryptisch.

..... und tief dringt er ein in diesen Körper, benützt ihn für sein Machtspiel. Nimmt ihm seine Würde. Jeder Stoß seiner Männlichkeit schlägt eine Kerbe in die Seele dieser Frau, die ihm das erhoffte Zubrot, den Widerstand verwehrt.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo noch mal!

..... und tief dringt er ein in diesen Körper, benützt ihn für sein Machtspiel. Nimmt ihm seine Würde. Jeder Stoß seiner Männlichkeit schlägt eine Kerbe in die Seele dieser Frau, die ihm das erhoffte Zubrot, den Widerstand verwehrt.
Ja, dieses Ende gefällt mir besser. Kommt verständlicher für den Leser rüber. :thumbsup:

Jedenfalls ganz allgemein eine von der Thematik her schlimme Geschichte, die du aber sowohl inhaltlich als auch sprachlich gut zu Papier gebracht hast.

Viele Weihnachtsgrüße,

Michael :xmas:

 

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