Was ist neu

Wie ich das 100%ige Mädchen verlor

Seniors
Beitritt
20.12.2002
Beiträge
924
Zuletzt bearbeitet:

Wie ich das 100%ige Mädchen verlor

Ich lieb dich heute nur bis morgen
(und dann wieder von vorn)
Matteo Capreoli

Anna war anders. Das möchte ich hiermit festhalten. Das muss gesagt sein. Anna war der Wahnsinn. Anna war Anna.
Als ich sie kennenlernte, befand ich mich in einer schwierigen Phase. Jedenfalls sehe ich das heute so. Relativierend muss man wohl sagen, dass es gut sein kann, dass ich die jetzige Zeit auch irgendwann mal als schwierige Phase bezeichnen werde. Das haben alle Zeiten, in denen es keine Anna gibt, irgendwie an sich. Sie sind ein bisschen schwierig.
In der Mittagspause bin ich manchmal mit Max zu McDonald's gelaufen. Wir saßen dort und aßen Burger, und dann kam Anna rüber und setzte sich zu uns an den Tisch. Max und sie kannten sich von der Grundschule, wohnten im selben Dorf und hatten sich länger nicht gesehen. Ich hatte Anna überhaupt noch nie gesehen.
Sie sagte mir Hallo, dann fing sie an, mit Max zu reden. Über die Schule und einen Haufen Leute, von denen ich noch nie was gehört hatte. Sie hatte eine helle Stimme und ihre Hände bewegten sich viel. Ich weiß noch, wie ich mir gedacht hab, großer Gott, das muss doch ein besonderer Mensch sein, so gefesselt, wie ich ihr zuhöre. Zwischendurch sah sie immer wieder zu mir rüber. Ich nickte und machte mm-mm.
Max hatte sich auch in Anna verknallt, das sah ich sofort. Er stellte viele Fragen und verfiel bald selbst ins Erzählen. Und wie ich so zuhörte, wollte ich dann auch mit Anna reden. Aber es fiel mir schwer. Ich meine, klar, wir saßen am selben Tisch, und sprechen konnte ich schon, aber jetzt hatte ich mich schon als stiller Typ etabliert, da ging das Gespräch einfach an mir vorbei.
Trotzdem: Ewig Max zuhören, wie der jetzt anfing, von seinem Leben zu erzählen, das war auch keine Lösung.
Und so sagte ich zu Anna, als sie wieder rübersah: „Ich finde du hast ganz krasse Augen.“
Was auch stimmte. Anna hatte die krassesten Augen. Sie leuchteten blau-grün-gelb, da waren ganz viele Farben drin, wie in einem Aquarium, und wenn sie direkt neben dir saß und dir in die Augen sah … also das war schon der Hammer.
Anna lachte, wahrscheinlich weil das so plötzlich kam. Und der Max, der hat vielleicht geguckt. Ich bin mir sicher, der wollte irgendeinen Spruch klopfen von wegen schlechter Anmache, aber Anna lachte, und es klang so gut dieses Lachen, das ging dann nicht.
Schließlich sah sie mich an und sagte: „Danke.“
Und das war einfach die 100% richtige Antwort.
Ich sagte: „Bitte.“
Wir lachten wieder, weil das schon irgendwie eine komische Situation war, und auch der Max, wie der immer noch geguckt hat, das Gesicht verzogen und die Stirn gekraust, als würde er auf dem Klo hocken. O Mann …
Langsam verklang unser Lachen, und dann wusste keiner mehr, was sagen, und wir widmeten uns wieder den Burgern. Und diese Stille jetzt, die hielt vielleicht an. Echt ewig. Wie ich mich in meinem Bic Mac festbiss …
„Hast du heute Abend Lust mit mir ins Kino zu gehen?“, fragte ich schließlich.
Max verschluckte sich beim Colaschlürfen und begann zu husten.
Anna lächelte wieder. „Okay …“ Es klang etwas ironisch.
„Um acht vor dem Tiroler?“, fragte ich.
„Weißt du, welcher Film läuft?“
„Nein.“
Anna sah mich an, ziemlich eindringlich, und da bekam ich es kurz mit der Angst zu tun, weil ich dachte, du Idiot, warum weißt du nicht, welcher Film im Tiroler läuft, vielleicht geht sie jetzt nicht mit, so was muss man doch wissen, im Tiroler kommt doch nur ein Film.
Doch schon war sie aufgestanden, hatte ihr Tablett in die Hand genommen und sich lächelnd verabschiedet.
„Bis dann“, sagte sie im Gehen.
„Bis dann“, sagte ich.
Und dann war sie weg.
Max und ich schwiegen uns eine Weile an.
„Alter“, sagte er, „das war jetzt schon ein Witz, oder?“
„Nein, das war, na ja ... meinst du?“

Was da nicht alles in mir vorging zwischen McDonald's und Kino …
War das ein ironisches Okay oder ein echtes Okay? Wann genau war dann? Sollte ich auf Max' Meinung etwas geben? Konnte ich meinem Gefühl trauen? Wie sah sie eigentlich nochmal aus? Warum weiß niemand, was im Tiroler läuft!
Das sind alles so Sachen, die gibt es heute bei mir nicht mehr. Dass man sich den ganzen Tag allein mit der Frage beschäftigt, ob das Mädchen erscheinen wird, und dass es dann nichts mehr auf der Welt gibt außer dieser Frage.
Und nein, um Gottes Willen, das hat nichts mit Handys zu tun.

Wie Anna vor dem Kino steht. Wie sie den Kopf hin und her dreht und auf die Uhr blickt und eine braune Haarsträhne um den Finger wickelt. Wie sie die Lippen aneinanderreibt. Sie trägt Khakhis und ein weißes Oberteil mit Bob Dylan Aufdruck: Judenafro + Sonnenbrille, und sie steht da wie auf einer Insel. Sie kann sich nicht bewegen. Sie hat Angst, dass man sie auf der Insel sitzen lässt. Die Männer gehen vorbei und fragen sich, wer der Glückliche ist, der sie da runterholen darf.
Ich liebe dieses Bild. Noch heute, wenn immer ich Frauen sehe, die auf Inseln sitzen, vor Cafés, an der Bar, unter Straßenlaternen, muss ich an Anna denken.
„Hallo!“, sagte sie. Wir lächelten uns an, und dann gab es erst mal Küsschen links und rechts.
„Wie geht's?“, fragte ich.
„Gut.“
„Gehen wir rein?“
„Es kommt Jurassic Park“, sagte sie. „Teil zwei.“
„Cool.“
Anna blies die Backen auf und hob die Brauen an.
„Jurassic Park gefällt dir nicht?“
„Es sind mir zu viele Dinosaurier.“
„Hmm …“
„Vielleicht könnten wir spazieren gehen?“
„Okay.“

Wir gingen die Einkaufsstraße hinauf. Es war Mitte April und die Sonne schien.
„Hast du eine Freundin?“, fragte Anna.
„Nein ... hast du einen Freund?“
„Nein.“
„Was ist mit Max?“
„Max ist ein Kumpel, wir kennen uns von früher.“
„Ich kenne ihn von der Schule.“
„Er ist voll nett.“
„Ja, er ist nett.“

Als wir oben ankamen, stellten wir fest, dass wir dort nicht sein wollten. Eine große Kreuzung, Tankstellen …
„Wir könnten uns auf die Stadtmauer setzen“, schlug ich vor.
„Okay.“
Wir drehten um und gingen zurück.

„Ich will irgendwas mit Tieren machen“, sagte Anna.
„Mit Tieren?“
„Ja, mit Tieren.“
„Was für Tiere?“
„Bunte Tiere!“
„So Papageie und Fische?“
„Und Elefanten und Löwen und Tiger ...“
„Elefanten sind nicht bunt.“
„Aber sie haben lange Rüssel.“
„Aber sie sind nicht bunt.“
„Aber sie können sich alles merken.“
„Meinst du? Das ist bestimmt nur ein Gerücht.“
„Nein, das ist kein Gerücht, Elefanten vergessen nie, wo ihre Wasserlöcher sind.“
„Aber wie viele Wasserlöcher gibt es denn so?“
„Afrika ist doch voll groß.“
„Aber sie sind doch nicht in ganz Afrika unterwegs.”
„Klar, in der Trockenzeit, dann wandern sie.“
„Über ganz Afrika?“
„Klar.“
„Obwohl sie voll fett sind?“
„Du bist ja voll der Tierhasser!“
„Nein, gar nicht eigentlich.“
„Was ist denn dein Lieblingstier?“
„Keine Ahnung …“
„Siehst du, du hast nicht mal ein Lieblingstier. Nur Tierhasser haben kein Lieblingstier.“
„Klar hab ich ein Lieblingstier … das verrate ich dir nur nicht.“
„Warum nicht?“
„Ich will, dass du von selbst draufkommst.“
„Haifisch?“
„Nein.“
„Seekuh?“
„Nein.“
„Ameisenbär.“
„Nein.“
„Hey, das ist voll doof.“
„Du warst schon ziemlich nah dran.“
„Echt?“
„Ja voll.“
„Mit der Seekuh oder dem Haifisch?“
„Mit dem Ameisenbär.“
„Koala?“
„Nein.“
„Eisbär?“
„Nein.“
„Ameise?“
„Nein.“
„Grizzly?“
„Nein.“
„Du verarscht mich doch!“
„Du bist echt voll nah dran!“
„Quatsch!“

Die Stadtmauer war an einer Stelle besonders hoch. Wir setzten uns drauf, ließen die Füße baumeln und blickten auf die Stadt. Die Sonne sah aus wie eine Orangenscheibe. Anna roch nach Jasmin. Sie lehnte sich nach hinten. „Meine Eltern holen mich schon um elf ab, die sind voll stressig.“
„Hmm …“, machte ich.
Sie setzte sich wieder auf. „Wann musst du daheim sein?“
„Ist egal.“
„Echt?“
„Ja.“
„Krass, ich wünsche meine Eltern wären so.“
„Das ist glaub so ne Plus-und-Minus-Sache.“
Anna blickte auf die Stadt. „Hmm …“

„Okay, wenn wir uns jetzt küssen, dann aber mit geschlossenen Augen, okay?“
Wir standen jetzt. Wir hatten eine Grünfläche mit einem großen Baum gefunden. Unter dem Baum konnte man gut stehen.
„Weil du beim Küssen voll komisch ausschaust, oder wie?”, fragte ich.
„Nein, nicht weil ich dann voll komisch aussehe. Wenn man richtig küssen will, mit viel Gefühl, dann müssen die Augen zu sein, das ist einfach so.“
„Mit oder ohne Zunge?“, fragte ich.
„Ich dachte ohne.“
„Ich dachte mit.“
„Ich kann nicht mit.“
„Ich kann nicht ohne.“
„Jeder kann ohne!“
„Und du kannst auch mit, jetzt stell dich nicht so an.“
„Na gut …“, sagte Anna, „aber Augen zu, okay? Das ist ganz arg wichtig. Beim ersten Kuss spürt man sofort, ob man zueinander passt oder nicht, der erste Kuss ist immer für die Ewigkeit.“
„Ich glaube, das dramatisierst du jetzt ein bisschen.“
„Augen zu!“
„Okay …“ Ich machte mich zum Küssen bereit. Über uns rauschten die Blätter im Wind. Ich beugte mich zu ihr runter.
„Hey, du hast die Augen offen!“, sagte Anna.
„Du doch auch.“
„Nur um zu schauen, ob du deine Augen offen hast!”
„Was ist das für eine Logik?“
„Na, ich wusste halt, dass du die sie nicht zumachen würdest …” Sie verzog das Gesicht. „Jetzt hast du unseren ersten Kuss kaputtgemacht.“
„Das gilt doch nicht.“
„Doch, unsere Lippen haben sich berührt.“
„Nur ein bisschen.“
„Trotzdem …“
„Ist jetzt nicht so schlimm, dann ist bei uns halt der zweite Kuss für die Ewigkeit.“
„Aber woher kann ich wissen, ob deine Augen zu sind?“
„Du musst mir halt vertrauen.“
Sie musterte mich. „Nee, ich hab eine bessere Idee. Ich halte deine Augen zu, und du hältst meine Augen zu. Und dann küssen wir uns.“
„Gab's das nicht in irgendeinem Film?“
„Kann sein.“
Ich legte die Hand auf ihre Augen. Ihre Hand ging nach oben, suchte meine.
„Okay?“, fragte ich.
„Okay.“
Dieses Mal funktionierte es.
Wir zogen uns zurück, sahen uns an und lachten. Sie versuchte etwas zu sagen – dann lachte sie wieder. Bei mir dasselbe. Der Kuss hatte unsere ganze Zukunft auf die Probe gestellt, das war nicht so einfach mit dem Reden danach.
„Anna“, sagte ich schließlich.
„Ja?“
„Ich glaube, du bist das 100%ige Mädchen.“
„Wirklich?“
„Ja, wirklich.“
Und dann hat sie gesagt: „Tom, ich glaube du bist der 100%ige Junge.“
Das überraschte mich, dass sie das sagte. Und sie glaube ich auch. Sie sah nach unten, auf ihre Uhr. „O Gott, ich muss jetzt los.“
Sie machte ihre Handtasche auf, schrieb schnell ihre Telefonnummer auf und legte den Zettel in meine Hand.
„Ich ruf dann an“, sagte ich.
„Ja“, sagte sie. „Okay …“ Sie warf mir noch einen letzten Blick zu, dann wandte sie sich zum Gehen. Das ging ganz schnell. Erst als sie mir schon den Rücken zugekehrt hatte, wurde mir bewusst, dass sie jetzt weg war und ich das gar nicht so cool fand. Ich machte zwei schnelle Schritte und packte sie am Arm. Wir sahen uns kurz an, dann zog ich sie zu mir her und küsste sie wieder.
Ich weiß gar nicht, ob es das wirklich gibt: der eine Kuss, bei der man spürt, das alles richtig ist. Der Kuss für die Ewigkeit.
Aber wenn, dann war es bei uns auf jeden Fall der Dritte.


In der Kabine redeten die Jungs über Anna. Ich saß in der Ecke und zog mir meine Schienbeinschoner über.
„Habt ihr gehört, Tom ist mit Anna zusammen.“
„Echt?“
„Wer ist Anna?“
„Das ist die eine von der Waldorfschule, oder?“
„Ja, die Ökobraut.“
„Sind doch alles Ökobräute auf der Waldorfschule …“
„Was ist eine Waldorfschule?“
„Wie sieht sie denn aus?“
„Sie hat so lange braune Haare.“
„Ist sie hübsch?“
„Schon hübsch.“
„Hat sie Titten?“
„Nicht so.“
„Über wen redet ihr?“
„Toms Freundin, Anna.“
„Anna?“
„Die Ökobraut.“
„Hat er sie schon gefickt?“
„Ich weiß nicht.“
„Hey Tom, hast du die Ökobraut schon gefickt?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Er ist erst seit Dienstag mit ihr zusammen.“
„Ach so … langsam angehen, oder was?“
„Kann mir vielleicht einer mal sagen, was eine Waldorfschule ist?“
„Das ist eine Sonderschule.“
„Das ist keine Sonderschule, Zidane, das ist eine Ökoschule!“
„Was macht man auf einer Ökoschule?“
„Bäume pflanzen und so.“
„Laber nicht.“
„Doch, ich schwör, dort pflanzt man Bäume, stimmt's Tom?“
„Ich glaub nicht, dass Baumpflanzen eine eigene Fachrichtung ist.“
„Siehst du, Zidane, du laberst Scheiße.“
„Aber man pflanzt schon auch manchmal Bäume dort an, oder Tom?“
„Weiß nicht, kann sein.“
„Da hast du's, Jorgo, du hast keine Ahnung.“
„Alter, ich fick dich gleich.“
„Dann fick ich deine Mutter.“
„Ich fick dein Vater.“
„Ich fick deine ganze Familie!“
„Ich fick dein ganzer Stammbaum!“
„Ist gut, Jungs“, sagte unser Trainer. Er nahm einen Stift in die Hand, machte die Kappe ab und klopfte mit der Faust gegen die Tafel. „Jetzt konzentrieren wir uns aufs Spiel.“

Es war perfektes Kickwetter, Sonnenschein und zwanzig Grad. Sportlich ging's um nichts, wir befanden uns beide in der Tabellenmitte, aber der Gegner hatte einen echt guten Spieler, den kannten wir noch vom Hinspiel, ein bulliger Türke, der ziemlich schnell war, auf der Zehn spielte und uns ziemlich auf den Sack ging. Er war halt ein richtiger Kanake. Bei uns in der Mannschaft waren zwar auch alle Kanaken irgendwo, aber dieser Typ, na ja … das war halt unser Sportplatz und der regte uns auf.
Als er sich in der zwanzigsten Minute noch ein grobes Foul gegen Zidane erlaubte (unseren Zehner), war uns allen klar: Jetzt muss er leiden. Jorgo (griechischer Innenverteidiger) rammte ihn gleich einen Ellbogen in die Rippen, was in ein nettes Wortgefecht und eine kurze Spielunterbrechung mündete. Und dann rauschte ich ihm bei seinem nächsten Solo von hinten voll in die Beine. Der Zehner stand gleich auf – was man ihm schon auch zugutehalten muss –, nannte mich einen Hurensohn und versprach, mir nach dem Spiel die Fresse zu polieren.
Der Schiri zerrte uns auseinander und zeigte mir Gelb. „Noch mal so was, und du kannst für fünf Minuten auf die Tribüne!“
Die Fünf-Minuten-Penalty war eine pädagogische Maßnahme, die es in den Jugendmannschaften zwischen Rot und Gelb noch gab.
Ich schaute raus zum Spielfeldrand und sah Anna dort stehen. Das freute mich! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie zum Spiel kommt. Ich lächelte und winkte ihr zu.
Sie winkte zurück.
Keine zwei Minuten später machte unser Torwart einen weiten Abschlag. Der Ball kam am Mittelkreis auf und sprang weit nach oben, nicht weit von mir entfernt. Ich spielte im defensiven Mittelfeld, und wie der Ball so in der Luft schwebte, sah ich, dass der Zehner zum Sprint ansetzte, Nasenflügel gebläht, Augen auf den Ball fixiert.
Das ging mir jetzt wirklich gegen den Strich. Ich war vielleicht nicht der Filigranste, aber bei den B-Junioren der Leistungsstafel 2 - Kreis Neckar/Fils - hatte ich eigentlich schon Lufthoheit.
Wie wollte der Zehner eigentlich an diesen Ball kommen? Sah er mich etwa nicht? Echt, das frage ich mich heute noch.
Ich hab dieses Kopfballduell natürlich gewonnen.
Und zur Belohnung dürfte ich für fünf Minuten zu Anna raus.
„Hey“, sagte ich.
„Hey.“
Ich gab ihr einen Kuss auf den Mund, dann lehnte ich mich über das Geländer und holte tief Luft.
„Tom?“
„Ja?“
„Du bist ziemlich aggressiv.“
„Findest du?“
„Ja, ich hab dich jetzt ganz genau beobachtet, und ich glaube, du bist ein gefährlicher Mann.“
„Hat dich deine Mutter vor solchen Männern gewarnt, ja?“
„Ja, das hat sie. Guck mal, der Zehner bekommt jetzt keine Luft mehr.“
Er war schon wieder aufgestanden. Zwei Leute hielten ihn und seine Arme hoch.
„Er will nur Zeit schinden“, sagte ich.
„Ich dachte, ihr führt.“
Ich legte den Arm um ihre Taille. „Was machst du heute Abend?“
„Ich muss schauen …“
„Ich will dich sehen.“
„Ich weiß nicht, ob ich kann …“
Sie drehte sich weg, ich zog sie näher her.
„Tom, hier sind Leute.“ Sie lachte. „Tom, du schwitzt doch!“
Ich küsste ihren Hals.
„Nein, Tom! Hör auf!“


Wenn ich mich jetzt selbst beschreiben müsste – was ja immer schwer ist –, dann würde ich sagen, dass ich ohne Anna nie uncool war, aber auch nie richtig cool.
Doch mit Anna?

„Hallo Tom!“
„Hallo Lisa.“
„Wie geht's dir?“
„Ganz gut.“
„Ja?“
„Ja, ganz gut.“
„Gehst du am Wochenende auch auf die Beach Party?“
„Ja.“
„Cool, ich gehe auch dorthin.“
„Cool.“
„Bis dann, Tom!“
„Bis dann Lisa.“

„Hallo Tom!“
„Hallo Tascha, hey Klara, hey Micha, hallo …“
„Das ist Anja.“
„Hallo, ich heiße Anja.“ Anja reicht mir die Hand und strahlt.
„Freut mich Anja, ich bin Tom.“
„Du spielst doch Fußball in Dettingen, oder?“
„Ja.“
„Ich wohne auch in Dettingen.“
„Cool, wusste ich nicht.“
„Du kennst bestimmt Serkan.“
„Ja, den kenn ich.“
„Er ist schon komisch, oder?“
„Ja … ein bisschen komisch ist er schon.“
„Hahahahaha! Ich find den so schräg! Haha! Gehst du auch auf die Beach Party?“
„Klar.“
„Bis dann, Tom!“
„Bis dann.“

Und natürlich Ira …
Ich kam aus dem Klo, und sie stand da.
„O Tom! Kannst du mir helfen? Ich bekomm diese Kette nicht zu.“
„Okay.“
Sie legte beide Hände an die Wand, machte ein Hohlkreuz und schob die blonden Strähnen von ihrem Hals.
„Was ist?“, fragte sie.
„Nichts …“
Ihr Hintern wuchs aus den Schenkeln wie zwei pralle Früchte, ihre Titten sprangen vom Oberkörper wie zwei pralle Früchte, ihre Lippen glänzten im Gesicht wie zwei pralle Früchte. Und dann die Taille: schmal und geheimnisvoll. Wählerisch und zickig. Jung und leistungsfähig. Siehst du, wie schmal meine Taille ist, Tom? Siehst du das? Mach doch, dass sie blüht. Ich will blühen.
Ira war das geborene Luder.
Ich machte ihr schnell die Kette zu.
„Danke!“ Sie legte sie zwischen ihre dicken Titten.
„Gefällt dir die Kette, Tom?“
„Ja.“
Sie lächelte. „Mir auch, es war ein Geschenk.“
„Schön.“
„Wir sehen uns auf der Beach Party?“
„Ich denke schon.“
„Bis dann.“


Vor der Beach Party – wir waren jetzt seit sechs Wochen ein Paar –, telefonierte ich mit Anna.
„Hallo Schatz!“, sagte sie.
„Hey!“
„…“
„Was denn?“
„Na, ich sage hallo Schatz und du sagst hey, findest du das nicht komisch?“
„Nicht unbedingt.“
„Du könntest auch Schatz zu mir sagen, weißt du?“
„Ich find das schwul.“
„Was?“
„Ich find das schwul.“
„Warum findest du das schwul?“
„Keine Ahnung, ich find's halt schwul. Schatzi, Schatzi, Schatzi … das ist doch irgendwie schwul.“
„Bist du jetzt bescheuert?“
„Warum kann ich dich nicht einfach Anna nennen? Hat doch bisher gut funktioniert.“
„Weil mich alle Anna nennen.“
„Ja gut … aber jeder Horst nennt seine Freundin Schatz, wohingegen nur wenige sie Anna nennen. Ich dachte, wir sind etwas Besonderes.“
„O Tom …“
„Wir müssen etwas anderes finden. Schatz geht nicht. Wie wär's mit Mausi?“
„Das ist furchtbar!“
„Und Süße?“
„Ich weiß nicht …“
„Hallo Süße?“
„Gefällt mir nicht so.“
„Hallo meine Liebste?“
„Da fühle ich mich wie eine Oma.“
„Wie wär's mit Baby? Ich glaube, mit Baby könnte ich mich anfreunden.“
„Vergiss es.“
„Haasilein, Prinzessin, Bärchen?“
„Warum sagst du nicht einfach Schatz zu mir? Schatz ist am besten.“
„Schatz ist nur das geringste Übel.“
„Du bist so ein Dickschädel!“
„Schau mal in den Spiegel, Baby.“
Sie zischte.
„Also gut“, sagte ich. „Ich glaub, ich hab's … bist du noch dran?“
„Ja …“
„Hallo 100%ige! Was meinst du?“
„Ich weiß es nicht …“
„Ich find's voll gut.“
„Ja … 100%ige ist schon schön … aber ein bisschen mathematisch, findest du nicht?“
„Aber du bist nun mal die 100%ige, da kann man jetzt nichts mehr machen.“
„Meinst du?“
„Ja, klar.“
„Na gut, wir können das ja mal austesten … so probeweise.“
„Okay.“
„Treffen wir uns dann dort?“
„Ich denke schon.“
„Okay.“
„Gut.“
„Was ziehst du an?“, fragte sie.
„Ich? Keine Ahnung, T-Shirt, kurze Hose … warum?“
„Na, das ist eine Beach Party …“
„Ja, das weiß ich. Warum? Was ziehst du an?“
„Einen Bikini.“
Einen Bikini?
„Hallo?“
„Ist das jetzt dein Ernst?“, fragte ich.
„Warum?“
„Du kannst doch nicht nachts im Jugendhaus in einem Bikini rumlaufen.“
„Sie haben fünf Tonnen Sand angeschafft. Und Hitzelampen. Draußen ist ein Planschbecken.“
„Aber wir drehen doch kein Hip-Hop-Video. Was geht? Ist das jetzt wirklich dein Ernst?“
„Natürlich.“
„Und du kannst dir nicht mal eine Jamaika-Flagge um die Hüfte binden oder so?“
„Ja, klar … vielleicht noch ein Kopftuch?“
„Fände ich besser, ja.“
„Ich glaube du verbringst zu viel Zeit mit deinen Fußballfreunden.“
„Ja, das kann sein.“
„Sagen die denn etwas, wenn ich einen Bikini trage?“
„Nein, sie starren dir nur die ganze Nacht auf den Arsch.“
„Tom, es werden doch so viele Mädels im Bikini da sein …“
„Wer denn?“
„Meine Freundinnen zum Beispiel.“
„Wer denn?“
„Claudi, Lena, Matilda …“
„Matilda kommt im Bikini?“
„Ja.“
„Großer Gott!“
„Tom, das finde ich jetzt nicht okay. Matilda hat vielleicht ein paar Kilo extra, aber sie ist trotzdem eine sehr attraktive Frau.“
„Anna, halt sie auf! Ohne Scheiß, das ist jetzt mein Ernst, das kannst du nicht zulassen.“
„Tom, ich leg jetzt auf.“
„Lass das nicht zu! Anna! Hörst du mich? Du musst sie aufhalten!“
Sie legte auf.

Sie waren wirklich alle im Bikini erschienen. Rote Bikinis, blaue Bikinis, grüne Bikinis, weiße Bikinis …
„Wahnsinn …“
„Alter …“
„Zu hart …“
Wir saßen auf einer alten Couch, wühlten mit den Zehen im Sand und tranken Bier. Max zu meiner Linken, Jorgo und Zidane zu meiner Rechten.
„Das war doch letztes Jahr nicht so“, sagte ich. „Was geht hier eigentlich ab?“
„Sie brauchen Schwänze”, sagte Zidane. „Sie brauchen unbedingt Schwänze.“
Max schüttelte den Kopf. „Nein, sie schaukeln sich hoch. Das ist so, wie wenn einer von uns jetzt behauptet, er könne zehn Flaschen Bier exen. Am Anfang sagen wir alle, du spinnst, aber sobald die Gefahr besteht, dass er es schafft, wollen wir auch zehn Bier exen. Und so ist das auch mit den Mädels und den Bikinis. Irgendeine hat behauptet, sie kommt im Bikini, und als dann klar war, sie macht es wirklich, mussten alle anderen nachziehen.“
„Krasse Theorie“, sagte Zidane. „Echt krasse Theorie. Hey Jorgo, hast du das gehört? Warum die Chicks Bikinis tragen? Weil wir Bier auf Ex trinken! Geil, was?“
Jorgo lachte. „Du hast es nicht verstanden, Zidane.“
„Klar, hab ich das.“
„Nein, hast du nicht.“
„Alter!“
Ich drehte mich zu Max, deutete in die Menge. „Hier muss doch irgendwas für dich dabei sein.“
„Ich weiß nicht“, sagte er.
„Alter, wenn ich jetzt single wär …“
„Aber du bist nicht single … und du bist auch nicht ich.“
„Was soll das denn heißen?“ Ich runzelte die Stirn. „Such dir einfach eine aus und sprich sie an.“
„Und was soll ich da sagen?“
„Hi, wie geht's, ich bin Max … irgendwas … ist doch scheißegal. Red einfach mit ihnen.“
„Und du glaubst das funktioniert? Hallo, ich bin Max! Und dann haben sie Lust mit mir zu reden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Du bist so ne Muschi.“
Max rutschte auf. „Hey Zidane, wie sprichst du die Frauen an?“
„Einfach so fremde Schlampen ansprechen … bist verrückt?“ Zidane lachte. „Alter, die Chicks kommen auf mich zu, ist doch klar!“ Er lachte wieder. „Oder Jorgo, die Bitches kommen auf uns zu?“
Jorgo grinste. „Die Bitches kommen auf uns zu …“
„Siehst du!“, sagte Max, und er und schlug den Kragen seines Hawaii-Hemds auf. „Wenn die Bitches was wollen, sollen sie herkommen!“

„Hilfe!“
„O Gott …“
„Ruf mal bei der Küstenwache an, hier ist was gestrandet.”
„Mayday, Mayday …“
Matilda war da.
„Ist das normal?“
„Das ist nicht normal.“
„Stellt euch vor, das wäre normal.“
„Ich find sie geil“, sagte Zidane.
„Was?“ Wir runzelten gemeinsam die Stirn.
„Ich würd sie voll gern durchnehmen.“ Zidane lachte kurz auf. „Nein wirklich jetzt. Stellt euch mal vor, wie das so wäre. Bei der ist voll viel dran, da kann man ja richtig mit beiden Händen zupacken.“ Er stand auf und verzog das Gesicht. „Hört ihr, wie das klatscht? Batz! Schwabbel, schwabel, schwabel … Batz! Schwabbel, schwabbel, schwabbel …”
Wir krümmten uns vor Lachen.

Wenig später Anna kam auf uns zu. Max und ich standen auf und lächelten, Jorgo und Zidane blieben sitzen und nickten.
Sie trug einen schwarzen Bikini und sah ziemlich gut darin aus. Sie strahlte mich an. „Hallo Schatz!“
„Hallo …“ Ich gab ihr einen Kuss auf den Mund.
„Hey Anna“, sagte Max.
„Hallo!“
Sie umarmten sich.
„Wie geht's dir, Max?“
„Mir geht's gut.“
„Was treibst du so?“, fragte Anna.
„Mein Bier ist alle“, sagte ich. „Ich geh mir mal ein Bier holen.“

In der Schlange traf ich auf Ira. Gelber Bikini, schöne Bräune, Früchte überall.
„Hey!“
„Hey Ira.“
„Ich hab dich überall gesucht“, sagte sie. „Hast du nachher Lust zu tanzen? Ich finde nie jemand, der mit mir tanzen will.“
„Ich tanze nicht.“
„Nicht? Warum nicht?“
„Keine Ahnung … ist nicht so mein Ding.“
„Ach Quatsch, du musst halt ein bisschen üben. Ich kann dir ja nachher was zeigen, das wird bestimmt witzig.“
„Ja … witzig wäre das schon.“ In diesem Augenblick tauchte Anna neben mir auf. Sie schmiegte sich an mich, Kopf voraus, sodass ich den Arm um sie legte.
„Hallo Anna“, sagte Ira.
„Hallo Ira“, sagte Anna.
Ira lächelte mit ganz vielen Zähnen, Anna mit überhaupt keinen.
„Tom, ich will einen Cocktail“, sagte Anna und sah zu mir auf. „Holst du mir einen Cocktail?“
„Okay.“
„Und dann will ich tanzen.“
„Du kannst schon tanzen gehen, wenn du willst …“
„Bis später!“, sagte Ira, und sie verschwand.
„Tschüss …“, sagte Anna.
Ich drückte mich nach vorne an die Bar.
„Kommst du nicht mit tanzen?“, fragte Anna.
„Ich tanze nicht.“
„Warum nicht?“
„Keine Ahnung … ich find's irgendwie schwul.“
„Es ist nicht alles schwul, nur weil du's nicht kannst!“
„Ja aber bei Männern ist Tanzen schon ein bisschen schwul, findest du nicht?“
„Überhaupt nicht! Das ist voll sexy, wenn man das kann.“
„Ja, aber wie sähe das bei mir aus? Schau mal …“ Ich wackelte demonstrativ mit den Schultern. „Da sind doch überall Muskeln im Weg.“
„Schatz! Das ist nicht dein Ernst.“
„Aber klar doch, 100%ige.“
„Hast du noch nie Dirty Dancing gesehen, oder was?“
„Dirty was?“
„Dirty Dancing.“
„Ist das ein Porno?“
„Nein!“
„Den hab ich echt noch nie gesehen.“
„Dann guck ihn dir an. Und sag mir bloß nicht, dass er schwul ist.“
„Komisch, irgendwie vermute ich das stark …“
Sie schüttelte entsetzt den Kopf. „Also ich gehe jetzt tanzen … du kommst nicht mit?“
„Im Bikini?“
„Ja.“
„Okay, bis später.“
„Ja, bis später.“
„Vergiss deinen Cocktail nicht.“
„Danke.“
„Bitte.“

Ich drehte eine Runde durchs Jugendhaus, unterhielt mich hier und da, spielte eine Runde Tischkicker und ging zurück zur Couch, wo Jorgo und Zidane noch saßen.
Sie waren schon ein lustiges Paar. Zidane war klein und dunkel und flink. Er hatte Augen wie ein Wolf und eine Stimme wie ein Frettchen und einen makellos runden Schädel, der wirkte wie etwas, das man mit Ton geformt hatte. In seinem 8mm-Schnitt war auf der Seite ein Stern drin, und an der linken Augenbraue imponierte eine tiefe Narbe, wo kein Haar wuchs.
Jorgo war einfach nur ein schöner Grieche.
Ich setzte mich zu ihnen, und wir beobachteten wieder die Frauen. Irgendwann ging eine unbekannte Blondine an uns vorbei und lächelte.
„Wen hat die grad angelächelt?“, fragte Jorgo.
„Ich glaub, sie hat dich angelächelt“, sagte ich.
Jorgo schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, sie hat dich angelächelt.“
„Jungs, es tut mir leid“, sagte Zidane. „Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich angelächelt hat.“
Wir lachten.
„Naja … ich bin eh vergeben“, sagte ich.
„Du solltest mal fremdgehen“, sagte Jorgo.
„Das stimmt“, sagte Zidane. „Hör Jorgo zu, von so was hat der Ahnung.“
„Ja“, sagte Jorgo. „Hör zu.“ Er lehnte sich vor. „Wenn du jetzt fremdgehst, also jetzt bald, dann ist das quasi wie 'ne Versicherung. Weil angenommen Anna geht später fremd und du bist ihr treu geblieben? So könntest du sagen: Tja, Schlampe, ich bin auch schon mal fremdgegangen. Aber wenn nicht, bist ja doppelt gefickt! Okay, und jetzt mal angenommen, sie ist wirklich treu. Dann hast du später nur Schuldgefühle, wenn du mal fremdgehen willst. Bist du aber schon mal fremdgegangen, brauchst du keine Schuldgefühle haben, weil du eh schon mal fremdgegangen bist. Verstehst du? Ist alles besser so.“
„Klingt logisch.“
„Aber du musst es jetzt gleich tun“, sagte er, „am Anfang der Beziehung. Weil wenn du zu lange wartest, verliebst du dich noch, und dann kann dir keiner mehr helfen.“
Dazu sagte ich nichts.
„Guck dir den an!“, lachte Zidane. „Den hat's voll getroffen, Jorgo, vergiss es. Wie ein Lämmchen, Bambi!“
Jorgo lachte. „Dann ist er halt im Arsch …“
„Wo ist eigentlich Max?“, fragte ich.
Zidane zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung.“
„Ich glaube, der ist nach Hause gegangen“, sagte Jorgo.
„Wieso das?“
„Hatte irgendwie keinen Bock mehr.“
„Keinen Bock mehr?“
„Glaub schon.“
„Scheiße ey …“ Ich nahm einen Schluck Bier und lehnte mich zurück. „Echt Scheiße.“
Langsam war ich dicht. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen … und entdeckte etwas: eine Jamaika-Flagge!

Ich zerrte sie von der Wand und ging nach oben auf die Tanzfläche. Anna tanzte zusammen mit Lena und Claudi. Um sie herum sechs oder sieben Geier. Anna bewegte sich betont lässig, schlängelte ihren Körper langsam hin her, Cocktail in der Hand. Mal hob sie die Arme über den Kopf und senkte den Blick, mal breitete sie die Arme aus und sah zur Decke. Lena und Claudi machten genau dasselbe. Die Bewegungen fand ich etwas zu spirituell … aber Tanzen war ja eh nicht mein Ding. Ich schob mich an den Geiern vorbei.
„Hey!“, sagte Anna.
„Hey.“
„Was ist?“
Ich hielt die Flagge nach oben.
„Was ist das?“
„Eine Jamaika-Flagge!“
„Und was soll ich damit?“
„Umbinden, damit dir nicht kalt wird.“ Ich fand's eigentlich witzig.
Anna weniger so. „Ich glaub du spinnst! Ich zieh doch keine blöde Flagge an!“
Sie warf den Kopf zurück und marschierte arschwackelnd davon. Lena und Claudi folgten ihr auf Schritt und Tritt, eine empörter und arschwackelnder als die andere. Die Leute auf der Tanzfläche warfen mir komische Blicke zu.
Ich seufzte, ging zur Bar und holte mir ein Bier.

Jorgo machte mit der unbekannten Blondine auf der Couch rum, als ich wiederkam, also ging ich nach draußen. Hinter dem Jugendhaus war eine Wiese, wo die Kleinen manchmal Fußball spielten. Ich pisste gegen einen Baum, atmete tief durch und schloss die Augen. Die Luft war frisch und angenehm.
Was war das für ein Geräusch?
Ich schaute mich um. Jemand saß auf der Bank am Spielfeldrand und weinte.
Ich ging rüber. Es war Matilda. Sie hatte einen schwarzen Mantel übergezogen.
„Was ist los?“, fragte ich.
Sie schreckte zusammen, als sie meine Stimme hörte. „Nichts.“
„Du siehst aus, als ob was wär.“
„Tom, lass mich einfach in Ruhe, okay?“ Sie rutschte weg von mir. „Lass mich einfach.“
„Bist du dir sicher, dass ich nichts für dich …“
„JETZT GEH!“
Auf dem Weg zurück zur Bar, mein Bier war wieder leer, kam mir Zidane entgegen. „Hast du Jorgo gesehen?“, fragte er.
„Ich glaube, den haben alle gesehen“, sagte ich.
Er schüttelte wohlwissend den Kopf. „Scheißgrieche …“
„Wie läuft's bei dir?“
„Ach … Schlampen sind alle voll eingebildet.“
Ich nickte.
„Aber ich muss dich schon loben“, sagte er. „Deine Freundin hat echt Premium-Arsch!“ Zidane küsste seine Fingerspitzen.
„Echt Premium so ein Arsch, wenn du den von der Seite siehst …“ Er begann Annas Hintern mit der Hand nachzuformen.
„Danke, Zidane.“
„… der ist so richtig schön …“
„Danke, Mann, weiß ich zu schätzen. Hör mal, ich glaub ich hab da was für dich. Du hast doch vorhin Matilda gesehen, oder?“
„Matilda?“
„Etwas korpulenter …“
„Ja, ja.“
„Sie sitzt draußen und weint, ganz alleine.“
Zidanes Augen weiteten sich. „Ganz alleine?“
„Ganz alleine.“
„Ist der was passiert?“
„Ich weiß nicht, frag sie mal. Mit mir wollte sie nicht reden … aber vielleicht kannst du sie ja trösten?“

Vor der Bar fing mich Anna ab.
„Tom, wir müssen reden“, sagte sie.
„Okay“, sagte ich, und wir gingen in Ecke, wo ein bisschen weniger los war.
„Ich hab doch letzte Woche deine Eltern kennengelernt“, sagte Anna.
„Ja.“
„Und sie waren nett.“
„Ja, meistens sind sie nett.“
„Und voll liberal und cool und so …“
„Naja, meistens …“
„Warum hast du mir nicht erzählt, dass es gar nicht deine richtigen Eltern sind?“
„Weil das gar nichts zur Sache tut.“
„Na, aber ein bisschen schon, oder? Jetzt laufe ich schon die ganze Woche rum und frage mich, warum du deinen Eltern überhaupt nicht ähnlich siehst. Und statt dass ich den Grund von meinem Freund erfahre, sagt es mir jetzt irgendjemand.“
„Vorhin, als ich mit der Flagge gekommen bin, oder wie? Dann hat jemand gesagt: Hey, der Tom wurde adoptiert.“
„Tom, das war …“ Sie seufzte, nahm die Flagge und band sie sich blitzschnell um, als hätte sie im Leben nie was anderes gemacht, der Knoten direkt unter ihrem Bauchnabel, wie Geschenkpapier.
„So“, sagte sie. „Erzählst du's mir jetzt?“
„Da gibt's nichts zu erzählen, Anna, ich war drei, ich weiß das schon gar nicht mehr.“
„Und deine biologischen Eltern?“
„Keine Ahnung.“
„Sind die noch …?“
„Keine Ahnung, frag mich nicht.“
„Okay … dann sind deine Eltern schon quasi deine richtigen Eltern.“
„Ja, klar.“
„Zu 100%?“
„Naja …“ Ich zögerte. „Sagen wir zu 90% … oder zu 95%.“
„Und was ist mit den anderen 5%?“
„Die anderen 5% kannst du dir in den Arsch schieben, Anna!“
„Wo gehst du hin?“
„Ich hol mir ein Bier.“
„Du trinkst zu viel.“
„Du trinkst zu viel.“
„Tom, bleib stehen … es tut mir leid.“
„Vielleicht solltest du mal nach deiner Freundin schauen.“
„Matilda? Wieso? Wo ist die?“
„Ach, vergiss es …“
„Wo ist sie!?“
„Sie sitzt draußen, aber Zidane kümmert sich schon um sie.“
„Zidane? Wie will er das machen?“
„Na … mit seinem Schwanz, vermute ich mal.“
„Oh Gott!“
Ich musste lachen.
„Das ist nicht witzig!“
Aber sie fand's schon auch ein bisschen witzig.
„Ich muss sie finden“, sagte sie.
„Nein, du bleibst jetzt hier.“ Ich packte sie am Handgelenk. „Die sind glaub eh schon weg …“
„Tom …“
Ich hob sie hoch und trug sie davon.
Sie legte ihren Kopf auf meine Brust. „Bei mir dreht sich alles“, sagte sie.
„Jetzt plötzlich, oder wie?“
„Ja, wenn du mich trägst, dann dreht sich alles.“
Es gab hinter der Tanzfläche eine Ecke mit einer anderen Couch, dort war es etwas dunkler.
„Wo gehen wir hin“, fragte Anna.
Ich legte sie auf die Couch und mich auf sie drauf.

Etwas später lag sie auf mir, ihr Ohr auf meinem Herz. Sie sah auf. „Woher kennst du eigentlich Ira?“
„Sie ist bei mir auf der Schule.“
Anna musterte mich mit Aquariumaugen. Zwei Discokugellichter rauschten über ihr Gesicht.
„Und sie ist mir wirklich total egal“, fügte ich hinzu.
Anna gab mir einen Kuss und presste ihr Ohr wieder gegen mein Herz. „Ich glaube, ich hasse sie.“
„Das brauchst du nicht.“
„Manchmal wünsche ich mir, sie wäre tot.“
„Anna …“
Sie seufzte schwer und rutschte nach oben, drückte ihr Gesicht an meinen Hals.
„Weißt du, wir können schon auch miteinander schlafen“, sagte sie.
„Jetzt gleich?“
„Nein, nicht gleich … aber … irgendwann halt schon …“
„Ok … ich will dich nicht unter Druck setzen.“
„Okay“, sagte Anna, und sie sah wieder auf. „Aber ich will auch nicht, dass du mich nicht unter Druck setzt, weil du denkst, es wäre nicht gut, wenn du mich unter Druck setzt. Verstehst du? Also wenn du das Gefühl hast, du musst mich jetzt unter Druck setzen, dann kannst du mich schon auch ein wenig unter Druck setzen.“ Sie sah mich an. „Aber wenn du mich nicht unter Druck setzen willst, ist das natürlich auch okay.“
Ich musste lachen.
„Tom, ich versuch grad mit dir zu reden!“
Ich drückte sie. „Ich glaube, du machst dir zu viele Gedanken, 100%ige.“
„Schatz, das ist wichtig.“
„Also gut, in einem Monat schlafen wir miteinander, okay?“
„In einem Monat?“
„Ja, das nehmen wir uns jetzt fest vor. In genau einem Monat, auf den Tag. Wie findest du das?“
„Okay … ja, das finde ich gut.“ Sie lächelte, und ich lächelte, und dann gab sie mir wieder einen Kuss. Ich schloss die Augen und atmete durch.
„Ich will tanzen!“, sagte sie.
„Mmm …“
„Komm schon, Schatz.“
„Okay …“
„Ja?“
„Ja.“
„Du kommst auch mit?“
„Ja, klar.“
„Und du tanzt auch?“
„Natürlich.“
Sie grinste.
Ich nahm sie an der Hand, und wir gingen auf die Tanzfläche. Anna machte gleich wieder einen auf LSD-Trip. Ich schaute mich ein bisschen um, was die anderen so machten. Im Grunde sah alles ziemlich spackhaft aus. Sie spielten 99 Luftballons.
Ich schüttelte die Schultern ein bisschen.
„Was machst du?“
„Ich tanze“, sagte ich.
Sie lachte.
Ich drehte mich im Kreis, machte zwei drei Kung-Fu Bewegungen, mixte einen Crossover und zwei Übersteiger mit rein.
„Tom, hör auf!“
Ich verstand nicht, warum ihr Gespacke cool war und meins nicht.
Hinter mir hörte ich Gelächter. Ich drehte mich um. Jorgo tanzte eng mit der unbekannten Blondine. Zidane hielt tatsächlich Matilda im Arm.
„Jungs“, sagte ich möglichst cool, „was ist los?“
Aber sie lachten einfach weiter, und dann musste ich auch lachen.
Die Leute in meiner Nähe hatten mir irgendwie Platz gemacht. Anna und ich sahen uns an.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Tom …“
Ich rannte vor, fiel auf die Knie, wackelte mit dem Oberkörper hin und her und setzte meinen heftigsten Pornoblick auf. (Ich hatte Dirty Dancing gesehen.)
Anna schlug beide Hände über den Kopf, und dann, als die Musik schneller wurde, stand ich auf, packte sie an der Hüfte und hielt sie nach oben, wie einen Luftballon. Sie schrie auf, ganz schrill, und krallte sich an meinen Haaren fest, während ich mich im Kreis drehte. Schneller und schneller und schneller …
Und jetzt könnte man vielleicht meinen, dass ich sie fallen ließ, dass ich irgendwann das Gleichgewicht verlor und wir betrunken auf den Boden krachten. Aber so war das nicht. Ich hielt sie ganz fest und wir fielen nicht. Nena sang von Düsenfliegern, Jorgo lachte wie ein schöner Grieche, Zidane wie ein penetranter Wiesel, wo Max war, weiß ich nicht, die anderen guckten komisch, und Anna und ich drehten uns.
Wir drehten uns und drehten uns und drehten uns und drehten uns und drehten uns …


„Was schreibst du?“
„Hm?“
„Was schreibst du?“
„Eine Geschichte, wie immer …“
„Kannst du mich zumindest anschauen, wenn ich mir dir rede?“
Ich drehe den Kopf. Hinter mir steht Melanie, Arme vor der Brust verschränkt. „Ich will wissen, worüber du schreibst, sonst zeigst du mir immer, was du schreibst.“
„Ja, aber wir haben doch gesagt, dass es besser ist, wenn ich dir alles erst zum Schluss zeige. So bekommst du eine ganze Geschichte zu lesen, und mich bringen deine Vorschläge nicht durcheinander. Wir haben doch darüber geredet.“
„Einen Scheiß haben wir geredet.“
Ich blicke wieder auf den Laptop. „Ich bin gleich fertig, okay?” Ich tippe weiter und spüre, wie sie langsam näher kommt, über mir kauert, dunkle Wolken. „Du schreibst über Anna …“
Ich seufze …
„Ich wusste es!“
„Ich schreibe eine Geschichte, Melanie, das ist Fiktion, du musst jetzt nicht gleich ausflippen, nur weil …“
„Sieh mich zumindest an, wenn du mir redest.“
Ich drehe mich zu ihr um.
„Weißt du eigentlich, was das für ein Gefühl ist? Ich hab so gehofft, dass … aber schau dich an, das hat keinen Zweck …“ Sie fängt an zu weinen, schlägt beide Hände vors Gesicht.
„Schatz, du übertreibst jetzt.“
„Du schreibst einen Scheißroman über diese Frau!“ Sie schluchzt. „Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt? Was das für ein Gefühl ist, zu wissen, dass du immer an sie denkst, jeden Tag. Weißt du überhaupt, wie sich das anfühlt?“
„Schlecht?“
Sie geht auf mich los, schlägt mit beiden Händen auf mich ein. Kratzt und tritt und schreit.
Ich stehe auf und schubse sie von mir weg. Sie fliegt nach hinten, kracht auf den Boden und schlägt dabei mit dem Hinterkopf auf. Sie ist kurz benommen, dann steht sie wieder auf.
„ICH HASSE DICH!“
Sie nimmt Handtasche und Jacke und stürmt weinend aus der Wohnung. Es ist meine Wohnung, nicht ihre. Ich weiß nicht, ob sie wieder kommt. Es kann schon sein … aber ich glaube nicht.
Ich falle zurück in den Stuhl und versuche weiterzuschreiben, aber das geht jetzt nicht mehr. Ich gehe in die Küche, hole eine Flasche Rotwein und drehe die Musik auf, so laut wie's geht.
Zwei Lieder lang höre ich Bob zu, dann greife ich zum Handy, rufe bei Max an und drehe die Musik wieder runter.
„Max?“
„Hey, kannst du mich nachher zurückrufen, ich sitz grad in der Vorlesung …“
„Scheiß auf die Vorlesung, Vorlesungen bringen nichts!“
„Was ist mit dir los?“
„Ich glaub mit Melanie ist es vorbei.“
„Was?“
„Ja.“
„Warte mal kurz …“
Ich warte.
„Was ist passiert?“
„Ist glaub mit Melanie ist es vorbei.“
„Warum?“
„Wir haben uns gestritten und geschlagen, und …“
„Du hast sie geschlagen?“
„Also sie hat mich geschlagen und dann hab ich sie weggestoßen. War schon übel.“
„Wieso? Wegen Anna?“
„Nicht direkt …“
„Diese Geschichte über Anna?“
„Es ist nur eine Geschichte …“
„Das ist nicht gut, Tom.“
„Warum sagst du das jetzt?“
„Weil das nicht gut ist. Echt Scheiße Mann, was ist los mit dir? Melanie ist ein nettes Mädchen, ein verdammt nettes Mädchen. Scheiße Mann, was machst du? Schreib doch eine Geschichte über sie! Bist du völlig hängengeblieben? Jetzt alles wegen Anna! Das ist fünf Jahre her. Vergiss die einfach, Mann, hörst du? Melanie ist klasse, okay? Weißt du, wie klasse Melanie ist? Fuck Mann ... du machst mich echt fertig.“
„Ich vermisse Anna.“
„Ich gebe mir gleich die Kugel … du bist so ein Egoist.“
„Ich vermisse Anna.“
„Ich auch! Und jetzt vergiss sie!“

Anna hatte ganz viele schlechte Seiten an sich. Ganz ganz viele. Sie war nicht unbedingt pflegeleicht, nicht gerade einfach. Eigentlich voll die Zicke. Und Linkshänderin war sie auch. Das ist schon komisch, wenn die Freundin Linkshänderin ist: Sie macht die Tür mit links auf, zupft dir eine Wimper von der Nase mit links, greift nach deinem Schwanz mit links, und immer wieder muss man denken: Okay, das hab ich jetzt nicht kommen sehen.
Aber was noch viel wichtiger war: Ihre Brüste waren wirklich nicht so groß. Wenn ich dran denke, wie ich mit Ira Sex hatte … da bekomm ich ja gleich einen Harten. Das ist bei Anna nicht so. Die Prallefrüchtemetapher funktioniert bei ihr nicht. Bei Anna denke ich an Aquarien und Luftballons und Blumenduft und so kitschige Sachen. Dabei ist die Früchtemetapher meine Lieblingsfrauenmetapher. Eigentlich sollte ich Ira nachtrauern und nicht Anna. Eigentlich sollte ich mich bei Melanie entschuldigen, sie ficken und an Ira denken, und dann einschlafen und von Anna träumen.
Wobei, eigentlich mache ich das schon so.
Eigentlich sollte ich Tauchlehrer werden und nach Costa Rica ziehen. Eigentlich sollte ich mich mit Benzin begießen und lodernd vom Münster springen.
Eigentlich sollte ich vieles.
Wahrscheinlich würde sogar vieles funktionieren.
Nur Anna nicht.
Anna, du funktionierst nicht.
Max hat schon recht, ich sollte dich vergessen …


Wir haben September. Es ist eine warme Sommernacht. Neben mir liegt die 100%ige und alles ist gut. Ich kann die Augen schließen und sie geschlossen halten und mehr will ich nicht. Ich spüre Anna neben mir und sie riecht gut und ich bin glücklich. Ich bin vor einer Woche siebzehn geworden und ich heiße Tom.
„Siehst du die Sterne?“, fragt Anna.
„Ja.“
„Du musst die Augen aufmachen.“
Ich mache die Augen auf.
„Siehst du sie?“
„Ja, ich sehe sie.“
„Es sind ganz viele! Es waren noch nie so viele Sterne wie heute.“
Das kann sogar sein. Es sind echt viele.
„Weißt du noch, welcher unser ist?“, fragt Anna.
„Ich glaub ich hab's vergessen.“
„Schatz, wehe …“
„War's der da?“
„Welchen meinst du?“
„Folg meinem Finger …“
„Ich dachte, der da war's.“
„Jetzt weißt du's selbst nicht mehr, oder wie?“
„Na, es sind halt so viele heute Nacht …“
Ich lasse die Hand über ihre Taille gleiten. „Gehen wir doch zu mir …“
„Schatz, wir können jetzt nicht gehen.“
„Klar können wir das.“ Ich drehe mich auf die Seite und gleite mit der Hand unter ihr Top.
Sie küsst mich und schiebt meine Hand weg. „Tom, hier sind Leute … später.“
Wir liegen auf einer Decke am Baggersee. Hinter uns brutzelt ein Lagerfeuer, Max spielt Gitarre.
„Wer singt da?“, frage ich.
„Ist das Zidane?“
Ich richte mich auf. „Es ist Zidane.“
Anna lacht.
„Was macht ihr dahinten, kommt wieder vor!“, brüllt Jorgo und hält eine Flasche Raki nach oben.
„Schon wieder eine Flasche?“, frage ich.
„Ja, klar!“
„Komm, gehen wir wieder vor“, sagt Anna.
Ich will liegen bleiben, aber ich gehe mit.
Max spielt Ironic von Alanis Morisette. Gar nicht schlecht. Zidane singt dazu. Das ist schon fragwürdiger. Jorgo ist an einer unbekannten Blondine dran. Matilda sitzt allein, schaut Zidane beim Singen zu und schmollt. Das ging nicht lange gut mit ihnen. Bei Max läuft es auch nicht so. Deswegen die Gitarrennummer und die langen Haare, glaube ich. Der verwegene Blick. Steht ihm gut eigentlich. Ira sitzt im Kreis mit drei unbekannten Typen. Lena und Claudi sind auch irgendwo. Jorgo lässt die Rakiflasche kreisen, ich nehme einen Schluck, verziehe das Gesicht, Anna nimmt einen Schluck, verzieht das Gesicht, und es geht weiter.
Irgendwann hat jemand die Idee, mit dem Kanu zum Steg zu fahren, weil das scheinbar eine wahnsinnig spannende Sache ist, nachts mit dem Kanu zum Steg zu fahren. Anna findet die Idee toll, und Jorgo findet sie toll, und Max findet sie toll, und Matilda auch, und die unbekannten Geier finden sie toll, und Ira auch. Ich finde sie ziemlich scheiße. Zidane stimmt mir zu. „Scheißwasser ist kalt“, sagt er, und wir finden das lustig.
„Komm“, sagt Anna zu mir und zieht an meiner Hand.
„Mit geht's nicht so gut …“, sage ich. „Ich glaub, ich leg mich wieder hin.“
„Jetzt sei nicht immer so! Ich will, dass du mitkommst.“
„Bleib doch bei mir, 100%ige.“
„Schatz, komm doch mit.“
„Bleib du hier.“
„Nein, komm du mit.“
„Bleib hier.“
„Komm mit.“
„Ich bleib hier.“
„Ich geh.“
Die 100%ige gibt mir einen Kuss und verschwindet in der Dunkelheit.

Irgendwann kommen sie zurückgerannt, klatschnass. Sie lachen und drängen sich ums Feuer. Ich sitze noch da, weil ich gemerkt habe, dass sich hinlegen keinen Spaß macht, wenn Anna nicht dabei ist.
„Hey, wo ist Anna?“, sagt Max und nimmt mir die Worte aus dem Mund. Ich kann sie auch nicht finden.
Wir schauen uns alle um, und es ist kurz still. Wasser tropft auf den Boden, das Feuer knistert.
„Wer ist Anna?“, fragt einer der Unbekannten.
„Anna“, sage ich, und ich stehe auf. „Wo ist Anna?“
„Sie war auf jeden Fall im Boot“, sagt Jorgo.
„Scheiße“, sagt Max und rennt als erster los.
Jorgo, Zidane und ich folgen ihm.
„ANNAAAAAAAAAAAA!“, schreien wir am Uferrand. „ANNAAAAAAAAAAAAAA!“
Aber Anna antwortet nicht. Wir stürzen uns ins Wasser, schwimmen los und schreien. Aber ich bin ein schlechter Schwimmer und voller Raki und die Sterne reflektieren überall, die Lichter zischen und kreisen sich in meinem Kopf, und bald vergesse ich, wo der Himmel anfängt und der Baggersee aufhört. Womöglich ist es mir irgendwann auch gar nicht mehr so wichtig. Ich gehe unter.

Der Rettungswagen kam gerade rechtzeitig, um mich zu reanimieren, nachdem Max mich ans Land gezogen hatte. Anna wurde am nächsten Morgen von Tauchern rausgeholt. Sie flog mit acht Leuten ins Wasser und ertrank, und keiner hat ein Auge auf sie gehabt.
So war das.
Ich frage mich natürlich immer wieder, wie das sein kann. Jorgo und Max haben mir schon tausend Mal erklärt, wie dunkel es war, und wie betrunken wir waren, und was das für ein Gefühl ist, wenn man ins kalte Wasser fällt, und wie man da nur noch ans Ufer denkt. Und das Scheißkanu sei halt gekippt, weil es ein Scheißkanu war und man irgendeinen doofen Scheiß angestellt hat. Und auch wie schnell das ging, Wahnsinn, das kann ich mir gar nicht vorstellen, wie schnell das ging, das war vom Umkippen des Kanus, bis man gemerkt hat, dass Anna nicht mehr dabei war, maximal eine Minute. Höchstens zwei. Und sogar Matilda die fette Kuh hat es ja alleine zurückgeschafft. Und auch Ira, die war so was von dicht und mit diesem Typen beschäftigt, die haben ja im Kanu fast schon gefickt, die kann das gar nicht bemerkt haben. Es war einfach zu viel Alkohol. Der Alkohol war das Problem.
Und das klingt alles plausibel, macht schon Sinn irgendwie. Fakt ist trotzdem, dass acht Leute ins Wasser fielen und zum Ufer schwammen und zum Lagerfeuer rannten, und man erst dann gecheckt hat, dass Anna nicht mehr dabei war. Manchmal fällt es mir schwer, das zu glauben. Mir wäre das auf jeden Fall viel früher aufgefallen. Mir wäre das gleich aufgefallen. Aber das hilft nichts, weil ich nicht mitgegangen bin.
Max und meine Eltern sagen immer, dass ich mir deswegen zu viele Gedanken mache, dass ich mal versuchen soll, mir weniger Gedanken wegen Anna zu machen, weil das Leben weitergeht. Zuerst passiert das Eine, und dann kommt das Nächste, und morgen tut man dies und übermorgen tut man das, und irgendwann kommen neue Erinnerungen und verdrängen die Alten, und dann sieht man nicht nur Anna in einem Sarg liegen, dann gibt es auch andere Dinge.
Und ja. Klar. Logisch. Also ich weiß schon auch, dass es andere Dinge außer Anna gibt, mir ist bewusst, dass man nicht nur Anna in einem Sarg liegen sieht.
Es gibt auch Annas Eltern bei der Beerdigung.
Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.
Und den Tiroler.
Und die Stadtmauer.
Und was ist dein Lieblingstier?
Und Dirty Dancing.
Und der erste Kuss.
Und Ira.
Und wenn Anna das wüsste.
Und Jorgo geht zurück nach Griechenland.
Und Zidanes Hochzeit.
Und Max.
Und so viel, das nicht gesagt wurde.
Und so viel, das zu kurz kam.
Und so viel, das fehlt.
Und Anna, wie sie lacht.
Und Anna, wie sie küsst.
Und Anna, wie sie tanzt.
Und ich, wie ich war, als ich mit Anna war.


Die Zeit vergeht. Ich liege auf dem Boden und habe keine Lust aufzustehen. Irgendwann mache ich die Augen auf und Max steht in der Tür. Er hält einen Sixer in der Hand.
Er kommt langsam rein und sieht sich um. Es knirscht unter seinen Füßen. Er sagt lange nichts. „Willst du mich verarschen?“, fragt er schließlich.
Ich setze mich langsam auf. Es tut alles weh. Vor allem die rechte Schulter, die tut höllisch weh.
„Du blutest“, sagt Max.
„Wo?“
„Im Gesicht.“
Ich fasse meine Wangen an, finde den Glassplitter, ziehe ihn heraus und sehe mich um.
Ich hab meine Wohnung verwüstet.
„Soll ich einen Krankenwagen rufen?“, fragt Max.
„Ach was …“ Ich stehe auf, putze meine Kleidung ab und schaue mich um. Es sieht schon heftig aus.
Max reicht mir ein Tempo.
„Danke.“ Ich drücke es mit der linken Hand an die Wunde. „Du hast Bier mitgebracht.“
Max nickt. „Ich dachte, wir schauen uns das Champions League Spiel an.“
„Klar, Bayern gegen Real, das machen wir.“
„Der Fernseher …“
„Ach so … stimmt … Scheiße.” Ich kratze mir den Kopf mit der freien Hand, und ein brutaler Schmerz fährt in meinen Rücken.
„Tom …“, sagt Max.
„Was?“
„Tom …“
„Ich weiß, das ist Scheiße mit dem Fernseher. Dann gucken wir das Spiel bei dir an, oder?“
Max sagt nichts.
„Oder?“, hake ich nach.
„Ja, das können wir schon machen.“
Ich hebe meine Jacke vom Boden auf und ziehe sie an. „Weiß man schon, ob Robben spielen wird?“
„Ich weiß es nicht.“
Ich gehe zur Tür. Max steht noch mitten im Raum, blickt umher.
„Komm“, sage ich, „ist schon halb neun, ich räum das später auf.“
„Das wird dauern“, sagt er.
„Das weiß ich … los, wir verpassen das Spiel.“

 

Hat das was mit Freud zu tun? Ich versuch mir das grad hinzubiegen. Dann ist Zidane quasi mein 14-Jähriges "Es" und Anna meine verdrängte weibliche Seite oder so? Das müssen wir gerthans fragen.
mir wird immer gleich Freudismus zugeschrieben :D dabei meinte ich nur, er ist zurückhaltender, als seine Kumpels, die ein bisschen einen auf Kanacken tun, aber er ist lockerer als Anna, hier z.B.
Na … mit seinem Schwanz, vermute ich mal
Ich hatte so ein Gefühl beim lesen, dass Toms Freunde und Anna verschiedene Welten sind und Tom dazwischen steht, das könnte mit der Zeit zu einem Problem werden. Aber sie ist gestorben und hinterließ ihm eine Erinnerung an die ideale erste Liebe. So ungefähr :)
In Wahrheit war ich ja noch viel ruhiger und die Dates hab ich sogar noch viel schneller klargemacht.
http://www.google.de/imgres?q=you+d...w=183&start=0&ndsp=25&ved=1t:429,r:0,s:0,i:82

 

Hi Juju,

ich hole auch Komms nach dank der 2012-Wahl. Mir war das ein bisschen peinlich, als ich gesehen hab "ich kenne alle vorgeschlagenen Geschichten, kommentiert hab ich davon gerade die Hälfte, was für ein mieses Lese/Komm-Verhältnis ist das denn?"
Vor allem, weil mir die Geschichten alle gut gefallen haben, ist dann besonders schade, wenn der Autor das nie mitbekommt.

Um deinen Text bin ich damals so lange rumgeschlichen, weil ich mich mit dem Alter der Figuren so vertan hatte und es am Anfang partout nicht als Jugendgeschichte lesen wollte. Die erste Szene hatte ich mit Mittzwanzigern besetzt, die sich seeeeehr seltsam verhalten. (Dachte am Anfang, die Figuren sind so alt wie du jetzt.) Und mit den Hinweisen im Text musste ich im Laufe des Lesens mein Bild immer wieder korrigieren. Das hatte mir den Lesespaß ein bisschen kaputt gemacht, ist aber nicht deine Schuld sondern das schreibe ich mir wirklich als eigenes "Leseversagen" zu.
Der Text ist toll.
Diese langen Dialogpassagen sind wirklich gut, lesen sich superleicht und treiben trotzdem die Story voran, das ist selten, dass man sowas hinkriegt.

Was da nicht alles in mir vorging zwischen McDonald's und Kino …
War das ein ironisches Okay oder ein echtes Okay? Wann genau war dann? Sollte ich auf Max' Meinung etwas geben? Konnte ich meinem Gefühl trauen? Wie sah sie eigentlich nochmal aus? Warum weiß niemand, was im Tiroler läuft!
An der Stelle hatte ich zum ersten Mal laut gelacht. Im Text kamen noch viele Stellen, wo ich zumindest grinsen musste.

Du hast von Natur aus immer so einen jugendlichen Tonfall drauf (mein ich positiv), eigentlich solltest du ausschließlich Jugendgeschichten schreiben, wenn ich mir das so überlege ...

Anna mochte ich nicht so besonders, die fand ich bei allen Auftritten außer dem ersten ziemlich zickig. Aber ich mochte den Erzähler und fand es echt rührend, wie der die glorifiziert. Und davon wird der auch nie geheilt werden, Anna ist ja zu früh gestorben und alles was bleibt sind idealisierte Erinnerungen. Ich kenn so eine Geschichte um drei Ecken aus dem realen Leben, mit 16/17 zusammengekommen, die erste große Liebe, die richtig große Liebe, verlobt, verheiratet mit 17/18, und dann wird er von einem Auto zerquetscht. Vier Jahrzehnte, zwei Kinder und zwei Ehen später ist die Frau nie über den hinweggekommen. In der Erinnerung bleibt der perfekt.
Daran musste ich beim Lesen denken, hab dabei immer mit dem Kopf genickt und gedacht, jaja, so ist das.

Die Geschichte ist jetzt in meine JuJu-Top-Drei gerutscht, weil es Bitterschokolade ja nicht mehr gibt. Die andern beiden sind Salz der Erde und Lefluna. (Aussage unter Vorbehalt.)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schenja,

dabei meinte ich nur, er ist zurückhaltender, als seine Kumpels, die ein bisschen einen auf Kanacken tun, aber er ist lockerer als Anna, hier z.B.

Ja, das stimmt, ich denk, das ist auch sehr klassisch alles. Also wenn man eine Hauptfigur hat, die ein bisschen Assi ist (oder kriminell oder was auch immer), und der aber trotzdem cool sein soll, dann brauch man halt ne Nebenfigur, die noch viel assiger ist, und schon steht die Hauptfigur viel besser da. So funktioniert das da glaub auch. Also Toms Umfeld rückt ihn gewissermaßen in ein besseres Licht. Wobei ich mir das nicht bewusst beim Schreiben gedacht hab, es fühlte sich so halt stimmig an.

Danke nochmal für die Rückmeldung.

Hallo MG!

Weißt du, eigentlich hab ich gedacht, ich antworte auf deinen Kommentar erst, wenn du auf meinen Kommentar geantwortet hast ... und jetzt bin ich aber eingeknickt … Naja, wie auch immer.


Um deinen Text bin ich damals so lange rumgeschlichen, weil ich mich mit dem Alter der Figuren so vertan hatte und es am Anfang partout nicht als Jugendgeschichte lesen wollte. Die erste Szene hatte ich mit Mittzwanzigern besetzt, die sich seeeeehr seltsam verhalten.

Das passt zu dir, dass du dich da so dermaßend irritieren lässt. :) Also ich hätte mich da nicht so irritieren lassen, ich seh schon auch Altersunterschiede, aber bin nicht so drauf fixiert drauf wie du. Mal so gefragt: Was ist für doch eigentlich "normal" für Mittzwanziger, wenn die sich daten und so? Gibt es hier vielleicht eine Geschichte, wo man dieses wunderbare erwachsene normale Verhalten beobachten kann? Das würde ich mich echt mal interessieren, was du da für normal hältst. :)

Anna mochte ich nicht so besonders, die fand ich bei allen Auftritten außer dem ersten ziemlich zickig

Hm weiß nicht. Ich glaube ... so richtig rational lässt sich das nicht erklären. Vor allem, weil Jo das auch meinte. Veilleicht seid ihr ein bisschen eifersüchtig auf die Figur oder so? Kann das sein? :)


Du hast von Natur aus immer so einen jugendlichen Tonfall drauf (mein ich positiv), eigentlich solltest du ausschließlich Jugendgeschichten schreiben, wenn ich mir das so überlege ...

Schön, dass du mir so viel zutraust! Da musste ich echt lachen jetzt.
Das ist wie: Du siehst wie eine Nutte aus, wenn deine Haare offen sind (mein ich positiv), eigentlich solltest du ausschließlich im Dienstleistungssektor arbeiten, wenn ich so drüber nachdenk …

Ich denke, das geht tatsächlich in die andere Richtung. Meine Texte werden in Zukunft eher "erwachsen" sein. Man darf aber auch nicht den Fehler machen, und "angepasst" mit "erwachsen" verwechseln. Oder man sollte es tun und sich dessen bewusst sein. "Erwachsener" werden heißt in den allermeinsten Fällen: höherer Grad der Expertise, höherer Grad der Anpassung. In einem Sinne möchte ich also "erwachsener" schreiben, in dem anderen nur bedingt.
Was ich sagen will: ich glaube, ich bin ein bisschen unangepasst, aber nicht unreif. Das ist ein Unterschied.

Aber in einer Hinsicht hast du schon recht: Wenn man über Jugendliche schreiben will, muss man die auch ernst nehmen können. Man kann dämliche Figuren haben, und man kann über sie lachen, aber man sollte trotzdem nicht in die Versuchung geraten, sich distanzieren zu wollen, da peinlich berührt zu sein und ironisch den eigenen Figuren gegenüber und so. Also es geht schon, je nachdem … aber es ist immer heikel. Ich nahm Anna und Tom schon ziemlich ernst. Vielleicht funktioniert deswegen der Text. Ich bin mir ziemlich sicher, viele Autoren hätten da das Bedürfnis gehabt, immer wieder zu zeigen, dass sie selbst natürlich viel älter und erwachsener und intelligenter sind als ihre Figuren .…
Und da scheiß ich halt völlig drauf, für wie "erwachsen" und "intelligent" und "fein" meine Leser mich in diesem Augenblick halten. Das ist eh nur in den seltensten Fällen mein Anliegen, und dann bin ich halt ganz bei den Figuren und scheiß drauf.


Die Geschichte ist jetzt in meine JuJu-Top-Drei gerutscht, weil esBitterschokolade ja nicht mehr gibt. Die andern beiden sind Salz der Erde und Lefluna. (Aussage unter Vorbehalt.)

Das freut mich, MG. Ich hab Bitterschokolade aus, wie ich nun weiß, absolut dämlichen Gründen löschen lassen, und wollte sie schon irgenwann wieder posten. Mach ich dann irgendwann. Danke.

MfG,

JuJu

 

Juju schrieb:
Zitat:
Anna mochte ich nicht so besonders, die fand ich bei allen Auftritten außer dem ersten ziemlich zickig
Hm weiß nicht. Ich glaube ... so richtig rational lässt sich das nicht erklären. Vor allem, weil Jo das auch meinte. Veilleicht seid ihr ein bisschen eifersüchtig auf die Figur oder so? Kann das sein?
Wenn wir dabei sind über Jugendliche und Erwachsene zu sprechen ... ich mochte sie anfangs nicht, weil sie sich als Jugendliche wahrscheinlich so super erwachsen gibt, so fast pädagogisch - das schrieb ich dir in meinem letzten Kommentar. Das ist halt so eine komische Figur dann - alle genießen das Hier und Jetzt und lassen sich so treiben und planen nicht und haben nix im Kopf, sind also total unbekümmert - bauen auch mal scheiße und das ist dann okay so, weil das zum jugendlich sein dazu gehört. Sie sticht dann halt mit ihrem Verhalten da bisschen raus - sie ist das genaue Gegenteil von Tom, sie PLANT den ersten Kuss. Ich kann das gar nicht sympathisch finden und diese moralische Überlegenheit wenns um Matilda geht - ich hätte die Figur auch nicht sympathisch gefunden, wenn das jetzt ein Kerl wäre - wahrscheinlich noch unsympathischer - weil man Anna diese Steifheit, die Pläne pädagogische Verhalten/Beraten verzeiht aufgrund ihres Geschlechts! Mit dem Argument - ja, das ist halt typisch Frau.

So unrational ist das gar nicht, hat auch nix mit Eifersucht zu tun, hast ja schließlich keinen Mr Darcy entwickelt. :P

Ernsthaft, je öfter ich diese Geschichte lese desto mehr mag ich auch die Anna, beim ersten Mal störte sie mich. Sie ist ja auch in ihrem Bemühen die ernste Erwachsene zu spielen irgendwie niedlich.

 
Zuletzt bearbeitet:

“Hast du heute Abend Lust mit mir ins Kino zu gehen?”, fragte ich schließlich.
Max verschluckte sich beim Colaschlürfen und begann zu husten.
[…]
“Alter”, sagte er, “das war jetzt schon ein Witz, oder?”
“Nein, das war, na ja ... meinst du?”

Jessas, der Max, dieser arme Dussel.

Das sind alles so Sachen, die gibt es heute bei mir nicht mehr. Dass man sich den ganzen Tag allein mit der Frage beschäftigt, ob das Mädchen erscheinen wird, und dass es dann nichts mehr auf der Welt gibt außer dieser Frage.
Und nein, um Gottes Willen, das hat nichts mit Handys zu tun.

“Elefanten sind nicht bunt.”
“Aber sie haben lange Rüssel.”
“Aber sie sind nicht bunt.”
“Aber sie können sich alles merken.”
“Meinst du? Das ist bestimmt nur ein Gerücht.”
“Nein, das ist kein Gerücht, Elefanten vergessen nie, wo ihre Wasserlöcher sind.”
“Aber wie viele Wasserlöcher gibt es denn so?”
“Afrika ist doch voll groß.”
“Aber sie sind doch nicht in ganz Afrika unterwegs.”
“Klar, in der Trockenzeit, dann wandern sie.”
“Über ganz Afrika?”
“Klar.”
“Obwohl sie voll fett sind?”

Usw., usw.

Satz für Satz würde ich hier am liebsten zitieren, und käme zu keinem Ende …


Servus JuJu,

diese Geschichte war eine der ersten hier im Forum, die ich mir als Vorbild für mein eigenes Schreiben vormerkte, kein Witz. Im September letzten Jahres war das, und ich ein gerade eben frischgeschlüpftes Forumsküken. Schon damals war deine Geschichte reichlich besprochen und vor der Fülle der teils wirklich brillanten Kommentare (von z.B. Quinn et al, jessas) saß ich gebannt wie das Karnickel vor der Schlange und fühlte mich außerstande, auch nur einen halbwegs vernünftigen Satz beizutragen.
Aber ich erinnere mich noch genau daran, wie begeistert und berührt ich von dem Text war, von der Thematik sowieso, dieser erste Liebe Kram sträubt mir ja heute noch die Härchen, und dann die Dialoglastigkeit, so was mag ich auch wahnsinnig gerne, noch dazu, wenn die Dialoge so herrlich echt und gleichzeitig witzig und originell sind. Und ich weiß noch, wie ich mir damals dachte, verdammt, diese Geschichte hätte ich gerne geschrieben ...

Na ja, und dass der Text jetzt zur Wahl 2012 nominiert ist, war für mich Grund genug, ihn wieder einmal zu lesen.
Nicht, dass ich seit damals viel kompetenter geworden wäre, was das seriöse Rezensieren von Storys betrifft. Aber immerhin habe ich mittlerweile meine Scheu davor abgelegt, mich womöglich zum Affen zu machen aufgrund meiner gefühlsduseligen Herangehensweise an Lektüre. Ich mein, man muss ja schließlich kein Literaturwissenschaftler sein, um von Geschichten berührt werden zu können, man muss beileibe nicht studiert haben, damit einem eine Geschichte einen Pfahl ins Herz rammen kann, so tief, dass einem vor dem Sterben gerademal Zeit bleibt zu stammeln: „Wahnsinn, tolle Story, uarghh …“

Tja, und heute will ich’s dir einfach sagen, JuJu: „Was für eine tolle, herzzerreißende, wunderschöne Geschichte, uarghh …“


PS
Und tatsächlich ist mir noch ein kleiner Fehler aufgefallen:

Noch heute, wenn immer ich Frauen sehe, die auf Inseln sitzen

Besser: wann immer, oder?

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Liebe(r) JuJu,

Zuerst muss ich mal anmerken, dass ich dieses Forum durch deine Geschichte entdeckt hab und mich anschließend angemeldet hab. Also danke dafür.
Zu deiner Geschichte:
Ich weiß nicht wieso, weshalb oder warum mir deine Geschichte besser gefällt, als viele der Geschichten, die ich bisher in irgendwelchen Foren lesen durfte.
Sie liest sich sehr flüssig und alles passt wirklich gut zusammen, zu lange ist sie auch nicht, ebenso wenig zu kurz.
Jedenfalls bravo.
Was mir noch auffällt ist, dass deine Geschichte sehr modern ist. Ich meine damit zum Beispiel gegen Ende das mit dem Robben, und die ganze Flucherei und Jugendsprache. Jedenfalls findet man viele Dinge in deinem Text, die andere weniger genau beschreiben würden, vielleicht sogar komplett weglassen würden, um die Geschichte zeitloser zu machen. Find ich aber gut.
Welche Geschichten haben dich zu dieser inspiriert?
Würd mich interessieren.
Abschließend noch: Ich denke, vielen Jugendlichen könnte diese Geschichte genauso gut gefallen wie mir. Erwachsenen, die ihren Sinn für Romantik nicht verloren haben auch. :)

Ich hoffe du kannst diesen Beitrag überhaupt lesen, ist doch schon ein bisschen her diese Geschichte, und weiß ja nicht ob du noch aktiv bist.

lg felix

Nachtrag: ignorier mein wieso weshalb warum. Totaler Blödsinn. Aber alles was ich sagen müsste haben die Leute vor mir schon gesagt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jo,

danke für die Rückmeldung.

Sie sticht dann halt mit ihrem Verhalten da bisschen raus - sie ist das genaue Gegenteil von Tom, sie PLANT den ersten Kuss. Ich kann das gar nicht sympathisch finden und diese moralische Überlegenheit wenns um Matilda geht - ich hätte die Figur auch nicht sympathisch gefunden, wenn das jetzt ein Kerl wäre - wahrscheinlich noch unsympathischer - weil man Anna diese Steifheit, die Pläne pädagogische Verhalten/Beraten verzeiht aufgrund ihres Geschlechts! Mit dem Argument - ja, das ist halt typisch Frau.

Ich versteh schon, was du meinst ... irgendwie. Im Grunde sagst du: Anna ist ein junges Mädchen, das sich wie ein junges Mädchen verhält, und man kann dieses Verhalten nur deswegen entschuldigen, weil sie ein junges Mädchen ist. Ganz unrational ist das nicht, aber ein bisschen tautlogisch vielleicht?
Im Grunde wertest du das einfach anders-
Ich meine ... so Frauen, die voll frei im Kopf sind und alles locker und easy, die trifft man dann im Urlaub oder? Also im Großraum Stuattgart kann man da lange suchen. Das ist fast ein Mythos auch. Klar gibt es solche und solche, aber früher oder später, so nach zwei Wochen, nach einem Monat, da kommt doch immer irgendwie das Verlangen nach irgendeinem "Rahmen" und "Pläne" und festen Terminen und so, oder? :) Und bei jungen Mächen ist es doch auch so. Zumal die eh alle viel reifer sind als die Jungs und dann einen älteren Freund wollen und mit falschen Ausweis im Club und Mode und Style und alles "funktioniert" und passt.
Uns klar wird Anna später ein bisschen "cooler" und ein bisschen zynischer und ironisher und mehr disanziert, und nachdem die mal verletzt wurde, geht die viel vorsichtiger mit ihren Gefühlen um, die wird sich zwingen, die Dinge nicht so absolut zu sehen, die wird viel stärker relativieren, die wird mehr abwarten, die wird länger nachdenken, bevor die was sagt ... und und und. Und dann ist sie vielleicht viel "klüger", aber tief drin ist sie immer noch 13 irgendwo. Im Grunde ist das bei uns allen so, glaube ich. :)

Hallo Ernst!

Tja, und heute will ich’s dir einfach sagen, JuJu: „Was für eine tolle, herzzerreißende, wunderschöne Geschichte, uarghh …“

Wow, vielen Dank. Dein Kommentar hat mich wirklich sehr gefreut. Du trägst wirklich viel zum Forum bei auch, schön, dass der Text gleich zu Beginn so einen Eindruck auf dich gemacht hat. Was das Kommentieren angeht, da stimme ich dir völlig zu, da muss man kein Litwissenschaftler sein, manchmal sind es wirklich ganz naive Kritiken auch, die den Kern der Sache treffen, da sollte man sich nicht von den langen Kommentaren abschrecken lassen. Wobei ich deine Kommentare wirklich nicht sonderlich naiv oder so find. Ich schreib ja als Autor nicht nur für Litwissenschaftler, da sind wirklich alle ehrlich gemeinte Kommenatare sehr hilfreich.
Vielen Dank nochmal, den Fehler verbessere ich!

Hallo Flxsslr und willkommen bei kg.de!

ignorier mein wieso weshalb warum. Totaler Blödsinn. Aber alles was ich sagen müsste haben die Leute vor mir schon gesagt.

Überhaupt nicht. Also ... das kann ich grad nochmal wiederholen, wenn man neu ist kann das wohl echt abschreceknd wirken, aber wie gerade gesagt, jeder Kommentar ist hilfreich und deiner hat mich jetzt besonders gefreut. Also dass der Text hier auch Leute wie dich ansprechen kann, die ich überhaupt nicht "kenn" und neu im Forum sind, und dass du den Text anklickst und auch zu Ende liest, und der Text ist schon lang für das Forum auch, das ist schon toll. So möcht ich auch schreiben, dass die Texte von sich aus einen Sog entwickeln und gelesen werden und so. Auf jeden Fall hast du keinen Blödsinn gesagt, auch dass du es als "modern" einstufst, find ich cool, so was schreit nicht unbedingt nach LITERATUR, mit Robben und so, aber ich hab eh manchmal meine Probleme mit LITERATUR und die Motive dahinter, glaub ich ... Jedenfalls freut mich dein Kommentar total.

Vielen Dank.


MfG,

JuJu

 

Im Grunde sagst du: Anna ist ein junges Mädchen, das sich wie ein junges Mädchen verhält, und man kann dieses Verhalten nur deswegen entschuldigen, weil sie ein junges Mädchen ist. Ganz unrational ist das nicht, aber ein bisschen tautlogisch vielleicht?
Nein, sie ist ein junges Mädchen, das sich wie eine Frau benehmen will, was aber furchtbar schief geht und das macht sie wieder sympathisch.

 

Hallo Juju,

endlich bin ich auch mal dazugekommen, deine Geschichte zu lesen. Verdienter erster Platz kann ich nur sagen. Am Anfang dachte ich noch, okay, eine freche Geschichte über eine Teenagerliebe, flüssig und locker geschrieben. Authentische und vor allem witzige Dialogzeilen und das macht die Figuren auch so greifbar. Trotzdem war ich dann wirklich überrascht, wie sehr es mich dann am Ende berührt hat. Der Stil verändert sich kaum. Es wirkt wie zu beginn immer noch so unbeschwert geschrieben, aber dann ertappte ich mich dabei, wie ich Zeilen doppelt laß, weil ich nicht genug kriegen konnte.

Und es gibt Tränen.
Und Aquarien aller Art.
Und Gerüche aller Art.
Und Ökobräute aller Art.
Und rote Karten, ganz viele rote Karten.
Und Baggerseen.
Und Raki.
Und Jamaika-Flaggen.
Und Luftballons.
Und Frauen, die auf Inseln sitzen.
Und Beach Parties.
Und McDonald's.
Und den Tiroler.
Und die Stadtmauer.
Und was ist dein Lieblingstier?
Und Dirty Dancing.
Und der erste Kuss.
Und Ira.
Und wenn Anna das wüsste.
Und Jorgo geht zurück nach Griechenland.
Und Zidanes Hochzeit.
Und Max.
Und so viel, das nicht gesagt wurde.
Und so viel, das zu kurz kam.
Und so viel, das fehlt.
Und Anna, wie sie lacht.
Und Anna, wie sie küsst.
Und Anna, wie sie tanzt.
Und ich, wie ich war, als ich mit Anna war.

Diese Stelle hier habe ich bestimmt drei Mal gelesen. Die hatte so eine Sogwirkung, ich weiß auch nicht. Genial, dass du dich das getraut hast. Hier wird seine Obsession von Anna so deutlich.
Ich wünsche mir echt, ich könnte jetzt mit Tom in seiner Wohnung die Scherben aufsammeln.
Ich habe es gern gelesen, und höchstwahrscheinlich werde ich auch nochmal wieder reinschauen.

Ich weiß nicht, eigentlich kann ich nicht viel Negatives sagen, außer vielleicht, dass es etwas gedauert hat, bis ich die Namen seiner Fußballkumpels auf die Reihe brachte. Es waren mir ein paar Kanaken zu viel. Da schon Tom und Anna so starke Figuren sind und Platz brauchen, rücken so viele Nebencharaktere vielleicht etwas in eine Statistenrolle ab. Aber am Ende war ich auch froh, dass ich Ira, Jorgo und Zidane kennen lernen durfte.

Das ist mir ins Auge gesprungen.

Weiß du überhaupt, wie sich das anfühlt?
Weißt

Sie fliegt mit Wucht nach hinten, kracht auf den Boden und schlägt dabei den Hinterkopf auf.
schlägt sich oder dabei mit dem Hinterkopf

sagt Max und nimmt mir in Worte aus dem Mund
die statt in

Ich werd wohl mehr von dir lesen müssen!:)

Viele Grüße und Cioa
Hacke

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hacke,

vielen Dank für den schönen Kommentar.

Diese Stelle hier habe ich bestimmt drei Mal gelesen. Die hatte so eine Sogwirkung, ich weiß auch nicht. Genial, dass du dich das getraut hast. Hier wird seine Obsession von Anna so deutlich.

Ja, freut mich dass die Stelle so gut ankommt. Das hab ich weiter oben schon mal gesagt, vor vielen Jahren hab ich mal einer ewigen Urlaubsliebe ein Gedicht geschrieben, und ganz zum Schluß von diesem langen Gedicht kam genau so eine Liste und die Stimmung war wohl ein bisschen ähnlich ... die Idee kam ganz spontan und hat sich null gereimt, wie man ja sieht, aber ich hab damals gleich beim Schreiben gespürt: scheiße, das haut jetzt irgendwie voll rein .. und das war dann auch so ... und jetzt hab ichs zehn Jahre später tatsächlich wieder verwendet. Das sind so Sachen im Leben oder beim Schreiben, da lernt man unbewusst was dazu, eine neue Form sich auszudrücken oder was auch immer, und man denkt man braucht es nie wieder oder man vergisst es einfach, und eigentlich bräuchte man es auch nie wieder, aber dann bei einer Geschichte ist die Stimmung irgendwann wieder ähnlich und plötzlich ist es wieder da und es funktioniert .. also die Vorstellung, dass diese Geschichte nicht so gut wäre, wenn ich dieses Gedicht damals nicht geschrieben hätte .. für mich als Autor ist das eine schöne Vorstellung :)

Ich werd wohl mehr von dir lesen müssen!

Hab grad leider nicht so viel zeit, aber ich denk mir auch schon länger, dass ich auch mal was von dir lesen muss.

Vielen Dank nochmal.

MfG,

JuJu

 
Zuletzt bearbeitet:

Heftige Geschichte. Heftig gut geschrieben. Vielen Dank, hat mich voll bewegt. Wie bei einem guten Schauspieler... ich dachte, Du hättest das wirklich erlebt.

 

Hallo hermie,

vielen Dank für das Feedback. Hat mich gefreut!

MfG,

JuJu

 

Hey Juju,

ich habe ja schon vor 2 Jahren geschrieben, dass ich Fan bin – und ich bleibe es!


Die Geschichte ist toll. Ganz viel funktioniert darin, was normalerweise nicht geht oder langweilig ist (zB die wahnsinnig langen Dialoge!) Das trifft perfekt diese Jugendzeit, dieses Gelaber, man hat unglaublich viel Zeit und hängt unglaublich viel an unsäglichen Orten herum, trinkt, raucht und spricht, spricht, spricht. Auch diese Absolutheit, völlige Begeisterung oder völliges Zerstörtsein… Das ruft viele Erinnerungen wach.

Wenn man die Story ein zweites Mal liest, sind die Dialoge tatsächlich etwas lang… Die fetzen nur richtig beim ersten Mal. Beim zweiten Mal lesen bewundert man dann eher einzelne Gedanken des Prot. Zum Einrahmen etwa:


Das sind alles so Sachen, die gibt es heute bei mir nicht mehr. Dass man sich den ganzen Tag allein mit der Frage beschäftigt, ob das Mädchen erscheinen wird, und dass es dann nichts mehr auf der Welt gibt außer dieser Frage.

Großartig.

Mein Favorit unter deinen Stories – soweit ich sie schon kenne - aber weiterhin: "Ich will nicht mit dir schlafen"

Viele Grüße, T.

 

Hallo T Anin!

Schön, wieder was von dir zu hören. Sorry, ich hätte früher auf deinen Kommentar geantwortet, aber ich hab das irgendwie übersehen. Es freut mich, dass die Geschichte dir gefallen konnte und du dich wieder hier rumtreibst. Und dass du nach zwei Jahren "ich will nicht mit dir schlafen" noch im Kopf hast, freut mich auch voll. Vielen Dank! :)

MfG,

JuJu

 

Hallo JuJu,
großes Lob, sehr authentisch geschrieben und so spannend, dass ich es nicht geschafft habe, zu stoppen, um die Faselfehler zu markieren. In so einem langen Text bleiben die nicht aus, aber die findest du auch ohne mich.
Sonst - perfekt, aber warum hast du sie sterben lassen :(
Die Dramatik zum Schluss ist eben das I-Tüpfelchen, was die KG nachhallen lässt.
Danke für diesen Leseschmaus und liebe Grüße, Damaris :)

 

Hallo Damaris!

auch bei dir wollte ich mich noch fürs Lesen und Kommentieren bedanken, hat mich wie immer gefreut, sorry wegen der Verspätung.

MfG,

JuJu

 

Hey JuJu,

so, nachdem wir gestern Abend das Vergnügen hatten ;), habe ich jetzt mal in deiner Geschichtenliste gestöbert. Bei dieser hier bin ich hängen geblieben, wohl auch deshalb, weil ich sie vor ca. einem Jahr schon mal gelesen habe.

Das Tolle ist, dass ich mich noch ziemlich gut an diese Geschichte erinnern konnte. Ich habe den Titel gelesen und dann war sie mir sofort wieder präsent. Und das ist, denke ich, ein großes Lob für deinen Text. Es gibt, glaube ich, nur eine andere Geschichte hier im Forum, die einen ähnlich nachhaltigen Effekt auf mich ausgeübt hat und das ist "Lisa" von svg. Aber ok, das nur am Rande.

Mir hat´s einfach nur supergut gefallen.

Diese Liebesgeschichte ist berührend ohne schmalzig zu sein und das Ende ist traurig, ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Das hinzubekommen ist nicht so leicht, aber du hast das wunderbar gemacht. Vielleicht auch, weil diese Liebesgeschichte nicht "erhöht" wird. Es ist eine schöne Geschichte über die erste Liebe, aber trotzdem eine, die real bleibt. Die zanken sich so ein bisschen, es gibt ein paar kleine Eifersuchtsdramen, Anna ist sehr hübsch aber jetzt nicht die Superwowfrau.
Die Stelle, als der Leser dann erfährt, dass Anna gestorben ist, fand ich schon ziemlich krass. Beim ersten Lesen hat das voll reingehauen, jetzt war ich darauf natürlich schon vorbereitet. Aber auch hier machst du das toll, indem du einfach seine Reaktionen zeigst und jetzt nicht großartig über seine Gefühle lamentierst.

Die Dialoge fand ich übrigens klasse. Ich finde, sie charakterisieren deine Protagonisten und ihre Gefühle schon ziemlich gut. Sie fangen auch super das Jugendliche ein. Gerade diese ganzen "Blödel-Dialoge" haben mir in der Hinsicht sehr gefallen und ich war bloß noch am Grinsen.

Ehrlich gesagt habe ich keinen einzigen Kritikpunkt.
Als Kritik hätte ich womöglich angebracht, dass ich mir einfach nicht vorstehen kann, wie sie da so verloren geht, aber das versteht dein Protagonist ja selbst nicht. Und wenn die alle so betrunken waren - klar, kann schon sein, dass das dann so geht.

Das Krasse ist, dass er sich die Schuld gibt und eigentlich keine hat. Es war ein Unfall. Aber wenn er mitgefahren wäre, hätte das eben trotzdem nicht passieren können. Er hätte Anna ja im Blick gehabt und hätte gemerkt, wenn sie nicht da ist. Und ich denke, dass es das ist, was ihn so fertig macht und weshalb er nicht mit dieser Geschichte abschließen kann.

Jedenfalls: Außerordentlich gerne gelesen.

Viele Grüße
Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bella,

Das Tolle ist, dass ich mich noch ziemlich gut an diese Geschichte erinnern konnte.

Ja, da ist schön. Ich glaube es ist schon so, manche Geschichten konsumiert man gerne und man vergisst sie aber auch relativ schnell, und wieder andere bleiben lange Zeit in Erinnerung … und man weiß später gar nicht warum, aber offenbar haben die irgendwie Eindruck gemacht. Also es freut mich immer, wenn sich Leute an meine Geschichten erinnern.

Als Kritik hätte ich womöglich angebracht, dass ich mir einfach nicht vorstehen kann, wie sie da so verloren geht, aber das versteht dein Protagonist ja selbst nicht. Und wenn die alle so betrunken waren - klar, kann schon sein, dass das dann so geht.

Ich denk schon auch, dass das schnell gehen kann. Im Film gibt es irgendwie Musik im Hintergrund und einen Spannungbogen und im Leben … da kann das durchaus ganz plötzlich gehen.

Diese Liebesgeschichte ist berührend ohne schmalzig zu sein und das Ende ist traurig, ohne auf die Tränendrüse zu drücken. Das hinzubekommen ist nicht so leicht, aber du hast das wunderbar gemacht.

Ja, vielen Dank. Mich wundert es selbst immer ein bisschen, dass die Geschichte so vielen gefällt, so eine reine Jugendliebesgeschichte halt. Das hängt wohl wirklich irgendwie damit zusammen, dass es zwar sehr straight und liebesgeschichtenmäßig ist, aber halt nicht so schmalzig und straight wie man sich Liebesgeschichten halt vorstellt.
Manche denke ich: ich hab mich da halt geradewegs und voll selbstbewusst in eine Genre hineinverirrt … und mich dann tatsächlich an die Regeln gehalten, einfach weil mir "die Regeln" in diesem Fall entgegenkamen und irgendwie auch Sinn machten und es mein Ernst war und ich nie das Gefühl haltte, irgendwas verbiegen zu müssen … und irgendwie daher kommt der Effekt, vielleicht auch weil ich vorher ganz anders geschrieben hatte. Also so anders nicht, bzw. ziemlich ähnlich sogar … aber über Frauen und Beziehungen halt manchmal bisschen anders. Und so … ja, keine Ahnung, so irgendwie ist das. :)

Auf jeden Fall vielen Dank, Bella! Hat mich sehr gefreut.

 

Hallo Juju
Das ist eine ganz bezaubernde Geschichte. Tom ist ja ziemlich schwanzgesteuert, das kommt wunderbar rüber. Und es kommt auch sehr gut rüber dass er weit mehr als das ist, aber damit nicht umgehen kann. Ich finde die Wendungen gegen Ende sehr gelungen (Annas Tod und das verwüstete Zimmer).

Alles Liebe
LM

 

Hallo Lady Morphia,


auch bei dir muss ich mich für die Verspätung entschuldigen, sorry.

Tom ist ja ziemlich schwanzgesteuert, das kommt wunderbar rüber. Und es kommt auch sehr gut rüber dass er weit mehr als das ist, aber damit nicht umgehen kann.

Das musste ich echt lachen, das ist wunderbar zusammengefasst. Ich find's gut, wenn das so bei dir ankommt. :)

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren! Es freut mich jedes Mal, zu sehen, dass der Text so viele Leute erreichen kann.

Schönes Wochenende, Lady Morphia!

MfG,

JuJu

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom