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Trigger-Warnung: Es geht mir keinesfalls darum, jemandes religiöse Gefühle zu verletzen. Wer hier emotional wird, verzichte besser auf die Lektüre.
Es war eigentlich ein Gedankenspiel, das von alleine in die Satire übergelaufen ist. Das war nicht beabsichtigt, ist aber aufschlussreich.
Wie der Himmel beinahe nicht entstand
Gott stand auf und machte sich einen Kaffee. Zufrieden kam er zurück und schlürfte den Kaffee in langen Schlucken.
„So, dann wollen wir mal. Heute ist der Himmel dran, nicht?“
Petrus schaute etwas neidisch auf den Kaffee, dann schaute er Gott gerade ins Gesicht.
„Ja, wenn wir im Plan bleiben wollen.“
„Hölle ist erledigt?“
„Hat der Hinkefuß übernommen.“
„Also dann. Vorgehen?“, fragte Gott.
„Ich würde vorschlagen, wir gehen klassisch vor: Wer, was, wann, wo, wie, wieso.“
„Fein“, antwortete Gott, „also los: Den Himmel bekommen nur die Guten.“
„Gebongt.“ Petrus notierte sich das Stichwort.
„Und dann sollte er aussehen wie der Himmel über ihren Köpfen.“
„Also weiche Wolken überall?“
„Von mir aus.“
„Wege, Sitzgelegenheiten, Ruheplätze?“
Gott schaute von seinem Kaffee auf, dessen Muster in der Crema er gerade betrachtet hatte, und hob eine Augenbraue in Richtung Petrus.
„Du wirst doch nicht schon wieder pedantisch, mein lieber Petrus?“
„Nein“, Petrus bemühte sich um einen geschäftigen Ton. „Ich möchte nur alles richtig mitbekommen.“ Er notierte sich wieder etwas.
„Gut. Weiter.“ Gott wandte sich erneut seinem Kaffee zu.
„Als nächstes wäre zu klären, wann die Guten in den Himmel kommen“, antwortete Petrus.
„Das ist leicht. Wenn sie tot sind. Vorher sind sie ja auf der Erde.“
„Gut. Also in dem Moment, in dem sie sterben?“
„Ja, das scheint mir angemessen. Wer sich auf der Erde gut benommen hat, darf dann sofort in den Himmel.“
Petrus runzelte kurz die Stirn. „Wer entscheidet, ob jemand gut war?“
„Was glaubst du, wer das wohl tun sollte, lieber Petrus?“
„Du? Schließlich bist du Gott.“
Gott schüttelte innerlich den Kopf. Manchmal war dieser Petrus so ein Schleimer. Aber naja, vermutlich wollte er auch einfach nur alles richtig machen.
„Nein, mein Lieber. Nicht ich. Du darfst noch mal raten.“ Und damit lächelte er Petrus freundlich an.
Petrus schüttelte innerlich den Kopf. Manchmal war Gott so ein fauler Sack. Wenn Gott wollte, dass er, Petrus, das machen sollte, könnte er das doch einfach sagen, statt noch so zu tun, als solle Petrus auf etwas kommen, was ihm eh längst klar war. Naja, vermutlich hatte Gott wirklich viel zu tun.
„Dann kümmere ich mich wohl darum“, antwortete Petrus.
„Das wäre nett, dank dir.“
„Okay, also wenn jemand stirbt, kommt er zu mir. Wie?“, fragte Petrus.
„Per Himmelfahrt.“ Gott grinste.
„Nein, das meine ich nicht. Wenn einer 80 Jahre alt wird, kommt er dann als 80-Jähriger in den Himmel?“
Gott überlegte kurz. „Ja, das wäre doch wohl das einfachste, oder?“
„Ja vermutlich“, antwortete Petrus. „Andererseits …“
„Was andererseits?“ Gott runzelte schon wieder die Stirn, erst mal nur innerlich.
„Naja, also, da stirbt jemand mit 80 und freut sich auf den Himmel, kommt rein und trifft als erstes seinen alten Freund wieder, der bereits mit 35 an Krebs gestorben ist.“
„Ja und?“
„Naja, der 80-jährige ist vermutlich total verrunzelt, Altersflecken, keine Haare mehr. Und dann soll er für immer mit seinem Kumpel rumziehen, der noch 35 ist und auch so aussieht?“
„Also vielleicht sind ja Alterflecken nicht so ein Problem, wenn jemand im Himmel angekommen ist, nicht wahr?“ Gott hatte kein Interesse an solchen Details.
„Natürlich“, sagte Petrus eilig. „Aber was, wenn auch schon die Gelenke knirschen, Arthrose vielleicht, Knie kaputt vom vielen Joggen oder so. Und sein Kumpel ist noch das blühende Leben?“
„Wie im Moment des Todes hatten wir gesagt, Petrus. Hast du schon mal einen Krebskranken gesehen, der im Moment des Todes noch das blühende Leben ist?“
„Hm. Nein, noch nicht. Was wäre, wenn der 35-jährige kerngesund von der Straßenbahn überfahren worden wäre? Soll der dann hier oben in Stücken ankommen?“
„Nein, natürlich nicht. Schon irgendwie komplett“, meinte Gott mürrisch.
„Also Unfallopfer komplett, Krebskranke im letzten kranken Zustand? Das könnte erst recht zu Ärger führen“, Petrus wurde vorsichtig, bemühte sich aber weiter um Sachlichkeit. Zu Recht, Gott wurde immer genervter. Er schluckte seinen Rest Kaffee in einem Zug.
„Okay, Krebskranke auch wieder genesen. Zufrieden?“
„Ist notiert. Unfallopfer komplett, Krebskranke genesen. Was ist mit den Alten?“
„Was IST mit den Alten?“
„Naja, haben die dann immer noch Arthrose, oder sind die auch wieder fit?“
„Also weißt du, jetzt verhaspeln wir uns aber in Details, Petrus!“
„Ich dachte, wenn wir jetzt den Himmel erstellen, sollten wir es gleich richtig machen.“
„Keine Sorge, ich bin Gott. Das wird schon richtig.“
„Natürlich, klar. Also sind die Alten wieder fit.“
„Wenn es dir so wichtig ist, ja, dann sind auch die Alten wieder fit.“ Gott überlegte einen Moment. “Wie wäre es, wenn einfach alle gleich alt sind, weißt du, so ein zeitloses Durchschnittsalter, alle gleich alt, alle gleich gesund.” Gott schaute stolz über seine Idee zu Petrus.
“Hm”, kam es von Petrus. “Wenn alle gleich alt und fit sind, müssten sie dann nicht auch alle gleich schlank sein, dass da kein Neid aufkommt?”
“Von mir aus”, antwortete Gott zögerlich.
“Und alle die selbe Haarfarbe? Und Haarpracht natürlich auch?”
“Wenn du meinst!?”
“Wenn man das weiterdenkt: Dann müssten aber auch alle gleich hübsch sein?”
"Okay."
“Gleich klug, gleich sportlich, gleich stark, gleiche Haut, Augen, Größe, Gewicht?”
“Mensch Petrus, dann sehen halt alle gleich aus.”
“Hm. Wenn alle gleich aussehen und irgendwie alle gleich sind, dann wären das Klone. Das wäre irgendwie gar nicht mehr himmlisch. Das wäre total öde. Das wäre …”
“Ich sehe, worauf du hinauswillst, Petrus”, Gott war enttäuscht.
“ … die Hölle.”
“Das war deine Idee mit dem alles gleich machen. Der Himmel wird nicht die Hölle! Das dulde ich nicht.” Gott war entschlossen.
„Okay. Andere Idee: Machen wir bestimmte Bereiche?“, schlug Petrus vor.
„Was? Was für Bereiche?“
„Naja, jetzt sind alle wieder gleich gesund, alle tiptop fit. Aber wenn die nicht alle gleich alt sind: wollen denn die alten Menschen ständig mit den jungen rumhängen? Was ist mit Kindern?“
Gott schaute ihn verdutzt an. „Wieso Kinder?“ Dann merkte er seinen Fehler. „Achso, na klar. Kinder.“
„Ja, die sind ja alle meist noch unschuldig. Von denen dürften die meisten in den Himmel kommen.“
„Vermutlich. Und?“
Petrus schaute nachdenklich.
„Kinder wollen toben. Das wäre ja kein Himmel, wenn sie nicht toben und spielen dürfen. Dabei entsteht Lärm. Ich meine, Oma Gertrud hat bestimmt Spaß, wenn sie ihre kleine viel zu früh gestorbene Nichte im Himmel wieder trifft und für immer beim Spielen zuschauen kann. Aber vermutlich finden die meisten Alten das nicht soo toll. Mit Bereichen könnten wir sie trennen.“
„Du meinst Ruhebereiche?“
„Zum Beispiel. Was ist mit Weltanschauungen? Kinderlose, Familien, Heterosexuelle, Homosexuelle, Bisex...“
„Homosexuelle kommen in den Himmel?“ Gott schaute Petrus völlig entgeistert an.
„Ja. Warum nicht?“
„Weil – das sind Homosexuelle.“
„Du hast gesagt, ich solle entscheiden. Jetzt entscheide ich zum ersten Mal, und schon passt es dir wieder nicht. Soll ich nun entscheiden?“ Petrus schaute Gott ernst in die Augen.
Gott überlegte. Das mit den Homosexuellen passte ihm irgendwie nicht. Andererseits, den ganzen Tag am Tor stehen und „Du darfst“ und „Du kommst hier nicht rein“ sagen, da kam er ja zu sonst nichts. So wichtig waren die Homos jetzt auch nicht. Soll sich halt Petrus damit rumärgern.
„Okay. Von mir aus, deine Entscheidung.“
Petrus war klar gewesen, dass Gott sich das nicht aufhalsen würde, daher hatte er damit gerechnet.
„Gut, also wo waren wir? Ach ja, Bereiche für unterschiedliche Weltanschauungen?“
„Ach mein lieber Petrus, warum kümmerst du dich nicht darum? Ich habe das Gefühl, du hast schon eine Idee.“ Gott wurde müde.
„Ich mache die Einlasskontrolle. Aber den Himmel selbst musst du übernehmen. Das ist dein Reich.“
„Hast du wenigstens eine Idee?“
„Ich bin mir noch nicht sicher, aber ich finde das mit den Bereichen hilfreich. Sonst haben wir ruck-zuck Zank im Himmel.“
„Okay. Kein Zank im Himmel! Gefällt mir.“ Gott schaute in die Ferne.
„Also einen Bereich für kinderlose Heteros, für Heteros mit Kindern, für kinderlose Homosexuelle, für homosexuelle mit Kindern …“
„PETRUS!“, donnerte Gott dazwischen. „Jetzt mach aber mal einen Punkt.“
„Ich will nur keinen Streit“.
„So. Und ich will nicht mit dir streiten. Also gut. Bereiche. Aber was, wenn die nicht immer unter sich bleiben wollen? Hast du auch darüber schon mal nachgedacht?“
„Hm, nein. Vielleicht können wir es machen wie in der Sauna. Zwei Tage nur die einen, zwei Tage nur die anderen, an den anderen drei Tagen gemischt?“
„Klingt vernünftig. So machen wir es. Weiter im Plan.“ Gott schöpfte Hoffnung, dass das hier bald ein Ende finden könnte.
„Moment. Was ist mit Politik?“
„Keine Politik im Himmel.“
„Gut.“ Petrus war erleichtert, das machte vieles leichter.
„Musik?“
Gott hatte nicht mal mehr Lust nachzufragen. Er hob nur noch eine Augenbraue.
„Naja, manche lieben Klassik, manche moderne Musik. Country und Western wird entweder geliebt oder gehasst. Und Metal teilt sich in über zwei Dutzend Unterarten auf“, erklärte Petrus geduldig.
„Was? Woher nimmst du denn das?“
„Sinus-Studie.“
„Aha. Und was bedeutet das jetzt?“
„Nicht viel. Wir brauchen halt einfach viele Bereiche.“
„Wie viele?“ Herrgottnochmal, dachte Gott, so schwierig konnte das doch alles nicht sein.
„Lass mal überlegen“, dachte Petrus laut, „also Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Erwachsene, Alte. Mal Männer und Frauen. Das sind 5 mal zwei gleich 10. Dann ruhebedürftig und lärmresistent macht 20, ach nee, wir wollten ja auch gemischt möglich machen. Also 5 mal drei sind 15 mal drei sind 45 …“
„Du willst 45 einzelne Bereiche im Himmel, Petrus? Ist das dein Ernst?“
Petrus ging gar nicht darauf ein. „Moment mal, Gott. Ich bin noch nicht fertig. Dann brauchen wir noch heterosexuell, homosexuell, bisexuell, transsexuell, multiamourös, pansexuell, und ich lasse mal noch etwas Platz, falls das noch mehr wird, also sagen wir zehn mal 45 ist 450, mal, sagen wir 100 Musikrichtungen, ich glaube nicht, dass das reicht, aber gut, dann sind wir bei 45000, dann…“
Wieder unterbrach ihn Gott. „45000? Können wir nicht wenigstens die Metal-Typen zusammen lassen? Und entschuldige bitte: Pan? Pansexuell? Pan wird ein griechischer Hirtengott. Was haben dessen Anhänger in meinem Himmel zu suchen? Wollen die überhaupt hierher?“ Gott fühlte sich inzwischen sehr, sehr müde.
„Du kannst sie ja zu Lebzeiten bestrafen, wenn du das für nötig hältst. Aber im Himmel sollten sie alle bei dir sein. Sind alles deine Geschöpfe, schon vergessen?“
„Nein“, murmelte Gott zähneknirschend.
„Und glaub mir, jemand, der auf Jazzcore steht, will nicht auf einer Musikwolke sitzen mit einem Anhänger von Black Metal. Du übrigens sicher auch nicht.“
„Ach.“ Gott winkte ab. „Von mir aus. Also 45000 unterschiedliche Bereiche im Himmel? Werden wir Verkehrsschilder brauchen?“ Humor ist die Höflichkeit der Verzweiflung, dachte Gott an den Ausspruch des französischen Zeichners Chaval, der ihn irgendwann einmal sagen würde.
„Thema Verkehr. Radfahrer und Autofahrer, das geht auch kaum zusammen. Klimawandel, Nachbarschaftsrecht, Rentensystem, Hobbies, Sport, Fußball, Vereine – oh Gott“, stöhnte Petrus auf.
„Was ist?“ Gott bekam es langsam mit der Angst zu tun.
„Fußballvereine. Die müssen wir trennen. Du willst auf keinen Fall einen Braunschweig-Fan und einen Hannover-Fan auch nur auf Sichtweite haben. Also wenn wir nur die drei obersten Ligen in Deutschland nehmen und aus Spanien und Italien noch die …. hm … 45000 mal ….“ Petrus versank im Rechnen.
Gott holte sich noch einen Kaffee. Als er zurückkam, war seine Laune etwas besser.
„Und Politik wollten wir draußen lassen“, mahnte er Petrus an.
„Okay, Rentensystem ist gestrichen. Aber Klima ist keine Politik, sondern …“ Weiter kam Petrus nicht.
„Ist mir egal. Raus damit. Im Himmel ist immer prima Klima. Aber mal im Ernst, mein lieber Petrus: Die sind dann jetzt alle im Himmel, die Guten zumindest. Kinder, junge Menschen, alte Menschen, Heteros, Homos …“
„Sagt man nicht“, unterbrach ihn Petrus.
„Ist mir grad auch egal. Es geht um das große Ganze. Die sind im Himmel, auf fluffigen Wolken. Gebratene Hähnchen fliegen ihnen ins Maul…“
„Oh mein Gott, wir haben die Vegetarier vergessen.“ Petrus knickte fast in der Mitte zusammen. „Und die Veganer. Und die …“
Gott überhörte das einfach. „Warum um Himmels willen können die nicht einfach mal fünfe grade sein lassen? Dann hört halt der eine Bach und der andere Beethoven. Und der nächste von mir aus dieses Metall. Müssen wir die wirklich trennen, damit alle glücklich sind?“ Gott schaute Petrus bittend an.
„Tja, Chef. Ich sags mal so: Wenn die fünfe grade sein lassen können und jeder Rücksicht auf die Ansichten und Bedürfnisse der anderen nimmt, dann können sie das ja auch schon zu Lebzeiten. Oder etwa nicht? Nee, wenn die das können, brauchen Sie keinen Himmel. Dann wäre auf der Erde bereits alles im Lot.“
Gott trank seinen Kaffee aus, dann nickte er ergeben. „Also dann. Rechne das mal durch, sag mir, was du brauchst und ich mache das dann fertig.“
Damit faltete er die Hände auf dem Bauch, schloss seine Augen und war wenige Sekunden später in seinen geliebten Mittagsschlaf versunken.