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Wenn sie schläft

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15.02.2003
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Wenn sie schläft

Sie liegt mitten auf dem Teppich und sieht im Grunde ziemlich tot aus.

Ich gehe zu ihr hin und lege mein Ohr an ihr Gesicht, um festzustellen, ob sie wirklich tot ist oder ob sie wieder nur so tut.

Das macht sie öfters. Sie rollt sich irgendwo zusammen und hält die Luft an, sobald ich meinen Fuß ins Zimmer setze.
Manchmal hat sie sich außerdem noch Ketchup an den Hals geschmiert, damit das Totsein echter wirkt. Auch die Hände besudelt sie sich mit der roten Pampe. Das hat nichts zu tun mit Borderline.
Eher schon mit einem Faible für Dramatik.

Ich ignoriere sie dann einfach. Früher oder später muss sie sich das abgewöhnen.

Am Ende stehen wir ja doch jedesmal im Badezimmer und ich helfe ihr dabei, das ganze Ketchup wieder abzuwaschen. Das ist eine Menge Arbeit, besonders wenn sie weiße Sachen angezogen hat.
Sie mit ihrem Weiß. In weißen Kleidern will sie sterben. Wie die Puppe eines Schmetterlings.
Und wenn ich andeute, dass sich Schwarz doch viel leichter waschen lässt, kontert sie: Das ist mir scheißegal, ich bin doch dann längst tot.

Wir spielen großes Drama. Das nimmt der Wirklichkeit den Schrecken.

Das Wohnzimmerfenster steht noch offen und der Wind wirft haufenweise Schnee herein. Er sammelt sich auf dem Teppich vor der Heizung, bleibt kurz liegen und schmilzt dann weg wie eine Botschaft, die sich nach dem Lesen selbst vernichtet. Beim Darüberlaufen macht der Teppich ein schmatzendes Geräusch, als könne man jeden Moment in ihm versinken. Einfach so.

Das Wasser hat den Teppich aufgeweicht, vielleicht beginnt er schon zu schimmeln. Es riecht nach Tod und nassen Tieren. Trotzdem bücke ich mich, um die Flocken einzusammeln. Ich hebe sie auf und werfe sie zum Fenster raus, wo sie ja auch hergekommen sind. Ich mag diese Art von Arbeit: Dinge retten, die nicht mehr zu retten sind. Sachen tun, die ziemlich sinnlos scheinen.
Meine Hand formt eine Schaufel, die sich durch den Matsch auf unserm Teppich gräbt.
Ich muss ein bisschen weinen, höre aber schnell wieder damit auf. Der Teppich ist auch so schon nass genug. Und das Salz in den Tränen ist auch nur gut, wenn Flecken zu entfernen sind. Weil man Orangensaft verschüttet hat, zum Beispiel.

Ich mache das Fenster zu und lege meine Hände auf die Heizung. Es ist ziemlich kalt im Zimmer, ich zittere wie ein kaputter Kaffeeautomat. Ich habe plötzlich Lust, die Heizung zu umarmen. Weil sie mir soviel mütterliche Wärme gibt. Ich glaube, ich habe mich verliebt, gerade eben, in diesen ungeheuer warmen Flachheizkörper.
Beim Umarmen stören nur die vielen Rillen, aber nach ein paar Minuten hat man sich daran gewöhnt. Warm, so warm.

Wenn sie wirklich schläft, dann wacht sie irgendwann schon wieder auf. Ich werde sie nicht wecken. Sie soll ruhig da liegen bleiben. So macht sie zumindest keinen Ärger. Hoffentlich träumt sie nicht besonders gut.

Ich gehe in die Küche und hole mir einen Joghurt mit Erdbeergeschmack. Ich setze mich auf einen Stuhl nahe bei der Heizung und sehe ihr beim Schlafen zu. Ich denke: Wenn mir jetzt der Joghurtbecher runterfällt, werde ich wohl besser doch ein bisschen weinen. Für die Flecken auf dem Teppich.

Einfach so zum Spaß stehe ich nach einer Weile auf und schaue, ob sie immer noch nicht tot ist. Ich krieche auf sie zu und lege immer wieder kleine Pausen ein, um mit angehaltener Luft zu lauschen.
Aber erst als mein Ohr fast an ihre Nase stößt, kann ich sie leise atmen hören. Ich wusste gar nicht, das man so leise atmen kann. Wie eine Maus, wie ein Marienkäfer, wenn Marienkäfer atmen würden.

Ihr Gesicht ist heute nackt und also völlig ungeschminkt. Vielleicht irgendeine neue Masche. Normalerweise trägt sie nämlich immer Schminke auf, bevor sie stirbt. Sie lässt davor noch Wasser über ihre Augen laufen. Das sieht dann aus wie Tränen. Ein ganz, ganz alter Trick.

Sie scheint ziemlich tief zu schlafen. Ich tippe sie mit meinem Fuß an, ganz sachte, aber sie wacht davon nicht auf.
Ich nehme Anlauf und springe elegant über sie hinweg wie ein Hürdenläufer über eine Hürde. Ich bin sehr lange in der Luft, jedenfalls kommt es mir so vor, und als ich mich genau über ihr befinde, kommt mir ein alberner Gedanke: Es gibt doch sicher Tote, die noch ein bisschen atmen.

Ich versuche, mir vorzustellen, wie das wäre, ohne sie. Ich müsste morgens nur noch halb soviele Brötchen kaufen. Dafür wesentlich mehr Taschentücher, in der ersten Zeit zumindest. Ich müsste das Licht anknipsen, wenn ich abends in die Wohnung komme. Niemand wäre da. Ich würde mir wohl einen Goldfisch kaufen. Und viel Radio hören. Sender, auf denen nur geredet wird. Ich würde das Telefonbuch durcharbeiten und mir die Anrufbeantworter fremder Leute anhören, auf der Suche nach einer Stimme, die so ähnlich klingt wie ihre.

Unsere Beziehung, das ist ein trauriger Haufen unterbelichteter Polaroids:
Ich komme heim und sie sitzt weinend auf dem Boden, in einem dunklen Meer aus abgeschnittenen Haaren. Ich streiche über ihren Kopf und denke an verdorrte Weizenfelder.
Ich komme heim und sie sitzt weinend vor dem einzigen Spiegel, den sie noch nicht zerbrochen hat: Sie hat diesen Tennisschläger in der Hand.
Ich komme heim und sie sagt zu mir: Ich liebe dich, und ich muss lachen, wir müssen beide lachen, wie über einen wirklich grandiosen Witz.

Ich könnte sie auch küssen und schauen, ob sie dadurch aufwacht. Das hätte nichts zu tun mit Märchen. Eher mit natürlichen Reflexen, Synapsen, Nervenzellen usw. Und eigentlich lieben wir uns auch nicht mehr. Nicht mehr richtig, jedenfalls, ich kann leider auch nicht genau sagen, wie es ist.

Wenn ich in den Spiegel sehe, denke ich an Wüsten, Mondlandschaften, Telefonseelsorge. Und ich glaube, ihr geht es da nicht anders. Am Frühstückstisch sind wir so still wie die Leute in den Stummfilmen. Schwarzweißmenschen. Und beide warten wir darauf, dass irgendjemand endlich Schach sagt.

Ich sehe nicht mehr in den Spiegel. Ich denke nicht mehr nach. Ich laufe bis ich müde bin. Wir haben eine große, leere Wohnung. Das ist perfekt, wenn man viel darin herumläuft. Ich laufe vom Wohnzimmer ins Bad, vom Bad ins Esszimmer, ins Schlafzimmer, ins Wohnzimmer und zurück. Und noch einmal, und noch einmal, und noch einmal. Zum Schluss lege ich noch einen kurzen Sprint ein, bis ich in der Tür zum Wohnzimmer zusammenbreche. Es ist still, es ist gut. Und ich werde schlafen, wie irgend so ein Tier, wie ein Kind, ein Blatt, ein Stein.

Ich weiß nicht, wieso sie heute eingeschlafen ist beim Sterben. Vielleicht liegt es irgendwie am Schnee. Oder am Lichteinfall, an den Mondphasen, ihrem Tageshoroskop, wer weiß das schon. Vielleicht war sie auch einfach müde, von dem andauernden Zugrundegehen.

Ich kann sie jetzt nicht auf den Armen ins Schlafzimmer tragen, wie es vielleicht ein Held tun würde. Das hat nichts mit fehlender Kraft zu tun. Eher mit - ich weiß es nicht. Liebe, vielleicht. Ich will die Stille nicht zerbrechen.

Sie soll jetzt einfach weiterschlafen. Solange sie das tut, können wir uns nicht streiten, wir müssen nicht reden und nicht schweigen, atmen reicht vollkommen.

Ich hole eine Decke, mache das Licht aus und lege mich zu ihr auf den Teppich. Das ist weicher als man denkt. Aber man hat nicht zu denken, man legt sich einfach hin. Und wenn man sich nicht viel bewegt, kratzt es auch nicht.
Ich kann sie leise atmen hören, nicht lauter als das Foto eines Fotos einer Frau. Ich lege meine Hand auf ihren Kopf wie es die Wunderheiler tun.
Sie fühlt sich warm an, als hätte sie da eine Heizung in sich drinnen.
Sie wacht nicht auf, auch nicht, als ich noch ein bisschen näher rücke.

Ich rieche immer noch den Schnee, und wenn ich meine Augen öffnen würde, könnte ich die weiße Wand vorm Fenster sehen. Wie eine Bildstörung ohne Rauschen.
Aber ich will jetzt meine Augen gar nicht öffnen, nur daliegen und schlafen und diese Wärme ohne Feuer spüren.

Wir liegen mitten auf dem Teppich und für jemand, der in diesem Moment ins Zimmer käme, sähen wir wohl ziemlich tot aus. Derjenige würde lachen und an irgendwelche Liebesdramen denken. Aber hier geht es nur ums Müdesein.

Ich träume von Marienkäfern. Ich kann sie leise atmen hören, in meinen Träumen funktioniert das wirklich. Sie sagen nichts, sie atmen nur. Sie denken: Alles ist bereits gesagt.

 

moin.
Am besten gefielen mir die Sätze" wenn sich Worte kaufen ließen, und wir warten darauf, dass jemand "schach" sagt..."
Ansonsten fehlt mir eher der totale Zugang, dazu ist es zu fragmentarisch und zu wenig Geschichte...
Lord

 

Hallo!
Da scheinen die zwei ja ein großes Problem zu haben...
Die eine buhlt um Aufmerksamkeit, indem sie den "sterbenden Schwan" spielt und dem anderen ist diese Last zu groß, um beide aus diesem Kreislauf zu bringen.
Die erzählweise ist interessant, teilweise spannend, aber ich kann nicht sagen ob ich die Geschichte insgesamt gut oder schlecht finde.

LG Joker

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke euch beiden für die Rückmeldungen. Ich denke, ich verstehe, was mit fehlendem Zugang gemeint ist. Es gibt keinen Erzählfluss, keine Hintergrundgeschichte, keine Umgebungsbeschreibungen etc.
Außerdem kann man die Geschichte in 2 Minuten runterrattern, weil die Sätze einfach sind.
Solche Texte zu lesen ist wie Igel zu streicheln. Also erstmal langsam ;)

Vielleicht gefällt sie irgendwem ja trotzdem.

Gruß,
Christoph

 

Hallo Wolkenkind,
mir hat die Geschichte recht gut gefallen. Ehrlich gesagt habe ich mich die ganze Zeit bei der Frage ertappt, ob 'sie' nun tot sei oder nicht.
Das Thema ist für mich auch ein interessantes, denn ich weiß, dass es diesen Weg gibt, nach Aufmerksamkeit und vielleicht sogar ein wenig mehr zu streben.
Der von dir gewählte ist vielleicht ein wenig extrem, beinahe kindlich, stellt für mich aber eine Lebenssituation dar, die durchaus erzählenswert ist.
Aus meiner Sicht, kommt leider nur nicht deutlich genug zum Vorschein, was dazu geführt hat, dass die Beiden sich derart verhalten - 'Borderlinesyndrom' und die verfahrene Beziehungssituation reichen mir irgendwie nicht aus.
Ansonsten wieder ein Lob von mir.
Gruß Lasius

 

Hi Wolkenkind,

ich schätze, du hast in letzter Zeit viel ferngesehen - da gibt es doch diese Werbung für eine Fernsehzeitschrift: "Sie lieben Filme? Wir auch." Da gibt es auch eine Ketchup-Szene.

Wenn man die Werbung kennt, denkt man unwillkürlich: Das ist geklaut. Vielleicht hat aber auch deine Heldin zu viel ferngesehen?

Von dem Moment, wo darauf hingewiesen wird, dass sie tief schläft, dachte ich an Schlafmittel - vielleicht eine Überdosis? Ich hatte erwartet, dass der Ich-Erzähler da am Ende draufkommt, ihr einen Finger in den Hals steckt usw. Oder dass er froh ist, dass sie es nun hinter sich hat. Aber nichts dergleichen kommt. So läuft die Geschichte irgendwie ins Leere...

Grüße,
Stefan

 
Zuletzt bearbeitet:

Hí Lasius und leixoletti

Danke für die Antworten erstmal :)
Ich hab ja schon erwähnt, dass wirklich Hintergrundgeschichte und Plot fast völlig fehlen.

Der naheliegenste Grund für die Dramatisierung durch gespielten Suizidversuch etc. wäre vermutlich schlicht Langeweile in der Beziehung.

Und ja, ich hab auch mit dem Gedanken gespielt, eine Schlusspointe a la: "sie ist wirklich tot" einzubauen, hab mich dann aber doch mit einem ruhigen Ende begnügt und den Plot auf das Innenleben des Prots beschränkt.
Stories mit Knall am Ende gibt es meiner Meinung nach genug. Und Spannung verträgt sich mMn schlecht mit der trostlosen Grundstimmung. Allerdings würde ich das vermutlich auch kritisieren, wenn ich nicht der autor wäre.

Die Werbung kenne ich übrigens nicht, ich seh sowieso nicht viel fern ;)

Gruß
Christoph

 

So, die Geschichte ist jetzt überarbeitet. Hab einige Stellen ganz gestrichen, andere umformuliert sowie den alten Schluss ersetzt.

Hoffe, es hat was gebracht :)

 

Hey wolkenkind,

Mir hat die Geschichte gefallen. Am Ende haben mich die negative Feedbacks überrascht, konnte zwar den anderen mehr oder weniger zustimmen, aber anscheinend hast Du es ja so gewollt - eine Geschichte fast ohne Hintergrundgeschichte und Plot zu schreiben.

Meine Lieblingsstellen:

Wir spielen großes Drama. Das nimmt der Wirklichkeit den Schrecken.
Ich mag diese Art von Arbeit: Dinge retten, die nicht mehr zu retten sind. Sachen tun, die ziemlich sinnlos scheinen.
Ich würde das Telefonbuch durcharbeiten und mir die Anrufbeantworter fremder Leute anhören, auf der Suche nach einer Stimme, die so ähnlich klingt wie ihre. Das hätte nichts zu tun mit Liebe. Eher mit Vertrautheit.
Ein Schwarzweißfoto: Sie ganz weiß, ich eher schwarz. Und beide warten wir darauf, dass irgendjemand endlich Schach sagt.
Ich kann sie leise atmen hören, nicht lauter als das Foto eines Fotos einer Frau.

Danke Dir. :)

Placebo.

 

Das Schöne an deiner Geschichte, wolkenkind, ist das gleichmäßige, ruhige Dahingleiten. Du zeigst, dass der völlige Verzicht auf Knalliges oder Überraschendes nicht immer Langweile zur Folge haben muss. Und indem du den Erwartungen der Leser nicht entsprichst, erzeugst du Spannung – bei jedem Satz denkt man, jetzt, jetzt passiert was -, ich zum Beispiel dachte die ganze Zeit, sie wäre wirklich tot.

Und man kann die Geschichte auf mehr als nur eine Art lesen. So wie du, als die Beschreibung der Trostlosigkeit einer Beziehung, oder so wie ich, als eine Liebeserklärung.

Gewiss, du verstreuest genügend Sätze, um an deine Version glauben zu können, doch ich sehe auch Szenen, die meine Ansicht stärken. Zum Beispiel hilft der Prot ihr immer wieder, sich von Ketschup zu säubern – er hat also noch etwas für sie übrig -, oder er legt sich zu ihr auf den Teppich, um sich an ihr zu wärmen.

Aber es gibt nichts Perfektes. Obwohl du – wie Placebo schon feststellte - wunderschöne Sätze geschrieben hast wie

Sie mit ihrem Weiß. In weißen Kleidern will sie sterben. Wie die Puppe eines Schmetterlings.
Es gibt doch sicher Tote, die noch ein bisschen atmen.
Ich müsste das Licht anknipsen, wenn ich abends in die Wohnung komme. Niemand wäre da. Ich würde mir wohl einen Goldfisch kaufen.
Ich komme heim und sie sitzt weinend auf dem Boden, in einem dunklen Meer aus abgeschnittenen Haaren. Ich streiche über ihren Kopf und denke an verdorrte Weizenfelder.
Es ist still, es ist gut. Und ich werde schlafen, wie irgend so ein Tier, wie ein Kind, ein Blatt, ein Stein.
Ich rieche immer noch den Schnee, und wenn ich meine Augen öffnen würde, könnte ich die weiße Wand vorm Fenster sehen. Wie eine Bildstörung ohne Rauschen.
hast du auch Fehler gemacht. Du erklärst manchmal zu viel. Ich würde an deiner Stelle alle erklärenden Sätze – hier fett gedruckt - streichen:
Manchmal hat sie sich außerdem noch Ketchup an den Hals geschmiert, damit das Totsein echter wirkt. Auch die Hände besudelt sie sich mit der roten Pampe. Das hat nichts zu tun mit Borderline.
Eher schon mit einem Faible für Dramatik.
Ich muss ein bisschen weinen, höre aber schnell wieder damit auf. Der Teppich ist auch so schon nass genug. Und das Salz in den Tränen ist auch nur gut, um Flecken zu entfernen. Wenn man Orangensaft verschüttet hat, zum Beispiel. Das ist allerdings kein Grund zum Weinen.
Ich habe plötzlich Lust, die Heizung zu umarmen. Weil sie mir soviel mütterliche Wärme gibt. Ich glaube, ich habe mich verliebt, gerade eben, in diesen ungeheuer warmen Flachheizkörper.
Beim Umarmen stören nur die vielen Rillen, aber nach ein paar Minuten hat man sich daran gewöhnt. Warm, so warm.
Ich würde das Telefonbuch durcharbeiten und mir die Anrufbeantworter fremder Leute anhören, auf der Suche nach einer Stimme, die so ähnlich klingt wie ihre. Das hätte nichts zu tun mit Liebe. Eher mit Vertrautheit.
Ich hole eine Decke, mache das Licht aus und lege mich zu ihr auf den Teppich. Das ist weicher als ich dachte. Am Anfang kratzt es noch ein bisschen, aber dann gewöhnt man sich daran. Man darf sich nur nicht viel bewegen.

Auch würde ich nach dem
Frühstückstisch sind wir so still wie ein Foto von Menschen am Frühstückstisch.
nicht mehr den Satz
Ich kann sie leise atmen hören, nicht lauter als das Foto eines Fotos einer Frau.
bringen, weil die Foto-Metapher schon verbraucht ist.

Und: ich würde die zwei letzten Absätze ersatzlos streichen. Weil sie auch etwas erklären wollen - zumindest der vorletzte. Der Leser soll sich die Bedeutung des letzten Bildes selbst denken.

Dion

 

Hi Placebo

Danke für dein Danke und fürs Lesen auch, natürlich.

Hi Dion

Freut mich, dass sich doch noch jemand ausführlicher mit dem Text beschäftigt hat. Danke dafür.
Mit dem zuviel-Erklären hast du vermutlich recht, manchmal unterschätze ich die Leser noch ein bisschen ;)

Einige der angesprochenen Stellen habe ich gestrichen, u.a. den voletzten Abschnitt, das erste Foto durch einen Stummfilm ersetzt.
Hoffe, jetzt ist besser, das Wichtigste sind sowieso die Einzelsätze.

Gruß
Christoph

 

Wolkenkind, ich muss sagen, Dein Text hat mir wirklich gefallen. Genau definieren kann ich es nicht, aber ich glaube es ist die Leichtigkeit, mit der Du Deinen Prot.seine tragisch-komische Situation schildern lässt.
Im Gegensatz zu Dion finde ich nicht, dass Du die "erklärenden Sätze" streichen solltest. Diese Details würden mMn fehlen.
Soweit so gut, hab mich gefreut die Geschichte gelesen zu haben.
Viele Grüße aus dem (saukalten) Norden
MJack

 

Hallo wolkenkind!

MIr hat Dein Text - wiedereinmal gut gefallen. Du hast ein Talent, Momente einer Beziehung zu beschreiben, die nciht nach "normalen" Maßstäben abläuft.
Was mir hier an der Geschichte aber fehlt, ist der Schluss. Leixoletti hat das schon angemerkt, ich weiß nicht, ob Du daran etwas umgeschrieben hast. Aber so erscheint die Geschichte irgendwie ohne Rahmen. Nicht, dass estwas dramatisches passieren müsste: nur dieses Ende ist irgendwie belanglos und banal.
Davon abgesehen ist die Geschichte stilistisch einfach nur schön zu lesen. Viele Deiner Vergeliche, Methaphern gefallen mri ausgezeichnet.
Eine Stelle hat mir nicht so gefallen:

"Ich denke: Wenn mir jetzt der Joghurtbecher runterfällt, werde ich wohl besser doch ein bisschen weinen. Um die Flecken leichter aus dem Teppich rauszukriegen." - ich denke, das liegt daran, dass Du Tränen zuvor schon beim Orangensaft erwähnt hast. An dieser Stelle war es mir zuviel

schöne Grüße
Anne

 

Danke euch beiden für die Rückmeldungen.
Hm, jetzt fehlt der Schluss mit der Verbindung zum Anfang also doch, oder wie ;)
Vielleicht schreib ich den Rahmen wieder hin, mal sehn...

Die Stelle mit dem Joghurt stört mich selber eher weniger, ist halt ein Wiederaufgreifen des "Flecken-entfernen-Themas", eine Minireprise sozusagen.
Jedenfalls war das erst mal die letzte Story, die so ist. Seit ich Pynchon lese, geht gar nix mehr :)

Grüße aus dem (auch) saukalten Süden
Christoph

 

Ich habe bemerkt, dass du meistens "lokal" schreibst, stets ein Schicksal im kleinen Kreis. Was aber nicht für die Message gilt.
Eine schöne Geschichte, sie erinert mich daran, Menschen so zu lieben, als hätten wir sie nicht mehr lange unter uns.

PS: Wer ist Pynchon?

 

Danke fürs Lesen. Stimmt, meine stories sind meist ziemlich lo-kahl... als müsste ich mit niedrigem budget auskommen, das nicht für mehr als eine szene reicht ;)
One place, one time, one plot.

PS: Frag nicht, sonst wirst du auch gefressen von der Postmoderne, hehe.

Grüße von Seite siebenhundertirgendwas
Christoph

 

Geschrieben von Mindsounds
PS: Wer ist Pynchon?
Thomas Pynchon, ein amerikanischer Schriftsteller.

Hallo Wolkenkind,

zwingt dich Pynchon also zu einer Schaffenspause?

Diese Geschichte habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Ich lese von einer Frau, die zu oft oder zu wenig Harold und Maude gesehen hat, die ihre Beziehungsunfähigkeit hinter erpresserischen Fluchten in kleine Tode versteckt. Ich lese von einem Mann, der sich darüber beklagt, und habe das Gefühl, er tut dies nur, weil er nichts besseres findet, als die süße Gewöhnung an das Ungewöhliche. Bevor er allein bleibt hält er aus.
Wie immer verwendest du schöne Bilder, wie immer bezauberst du mit Sprache, und wie meistens bestichst du durch eine ruhige Erzählweise jenseits der Videokultur schneller Schnitte. Das gefällt mir grundsätzlich, und doch muss ich bei dieser Geschichte ehrlicherweise auch zugeben, mich ein bisschen gelangweilt zu haben.

Trotzdem liebe Grüße, sim

 

Hallo sim

Wenn hier einer zuviel Harold und Maude gesehen hat, dann bin das eher ich ;) Hatte das wohl auch im Hinterkopf...
Dass du dich gelangweilt hast, werde ich dir nicht verübeln, schließlich passiert ja auch fast nichts, ganz anders als in deinen eigenen Geschichten beispielsweise. Aber das Nichts kann man ja auch unterhaltsam schildern.
Nächstes Mal wird alles besser :)

Gruß, Christoph

 

Hallo Christoph,

ich bin ehrlich ein wenig überrascht, über die für mein Verständnis überwiegend nicht so total begeisterten Leserkritiken. Das mag vielleicht daran liegen, dass sie von dir noch Besseres gewohnt sind?

Ich jedenfalls habe noch nicht mehr als ein,zwei Texte von dir gelesen und ich finde diesen hier sehr gelungen.
Mir fehlt weder eine weitere zusätzliche Handlung, noch Erläuterung, noch sonstetwas.
Ich finde, du hast alles sehr sehr treffend dargestellt.
Für mich sind das zwei Menschen, die schon eine ganze Weile miteinander leben, lange genug, um bereits ein wenig den anderen einschätzen zu können, und dennoch gebietet die Hochachtung deines Protagonisten vor ihr, dass er sich eben nicht nur sicher ist, sonst würde er nicht zwischendrin überprüfen wollen, ob er mit seiner Annahme, dass sie wieder nur simuliert Recht hat.

Diese Widersprüchlichkeit in der Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten, die hat mich besonders beeindruckt, weil ich denke, dass du damit genau das beschreibst, was eine in die Schieflage geratene Beziehung ausmacht.

Er liebt sie und zugleich ödet sie ihn an, er fühlt sich gebraucht und zugleich missbraucht, er möchte es beenden, könnte ihren Tod akzeptieren und zugleich fürchtet er seine Einsamkeit, fürchtet sich vor sich selbst, er verachtet ihre Unfähigkeiten und achtet sie doch mit aller Zärtlichkeit und Behutsamkeit, er ist all der Situationen überdrüssig und doch spielt er seine Rolle mit, er sieht die Situationen nüchtern, um doch mit ihr zu träumen.
Mir hat diese Darstellung gefallen, zumal ich nicht den Eindruck hatte, dass es sich bei deiner Geschichte um eine Kopie von Harold and Maude oder irgendwelchen Ketchupwerbefilmen handelte.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Lakita

Hab mich sehr gefreut, dass dir die Geschichte zusagt.
In deinen zusammenfassenden Sätzen finde ich genau das wieder, was ich versucht habe, durch die Geschichte in Worte zu fassen.
Einige Dinge hab ich ja noch geändert nach den jeweiligen Kritiken, aber trotzdem gehen die Meinungen, was eine gute Geschichte ausmacht, doch erstaunlich weit auseinander.
Vielleicht werden meine Geschichten langsam eigenständig...oder der Autor wird einfach immer eigensinniger :D

Lieben Gruß, Christoph

 

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