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Weiße Westen
Hannes schlenderte mit Eimer und kleiner Harke zwischen Kartoffeln und Erdbeeren. Hier wie da war nicht wirklich etwas zu tun, außer so zu tun. Menning von nebenan war beschäftigt, obwohl auch dessen Frau schon vor einer halben Stunde zum Abschied gewunken hatte. Er trug Farbdosen und Pinsel in den Garten, dann kniete er vor dem gemeinsamen Zaun und rührte mit einem Holzstab in einer der Dosen herum.
„Wat wird dat denn?“, rief Hannes und vermisste die große Forke, auf die man sich bei solchen Gelegenheiten vortrefflich stützen konnte.
„Wonach sieht et denn aus? Muss doch ma frische Farbe annet Gebälk.“
„Nich auf meine Seite.“
„Dat könnte dir so passen, du Flappmann. Dat machse ma schön selber.“
Hannes steckte einen Finger ins Kartoffelbeet und tastete nach Knollen, die seit gestern nicht wesentlich zugelegt hatten.
Menning kam gut voran. Nach gut sechs Metern wurde Hannes das Weiß zu bunt.
„Ich kann dat sehen!“
„Wat?“
„Dat Weiße!“
„Und?“
„Ich will kein weißen Zaun.“
„Ich streich ja auch nur meine Seite.“
„Ich kann et aber sehn, du Ballerkopp!“
„Wo?“
„Inne Zwischenräume.“
„Die gehörn ja auch keinem.“
„Getz sind se aber weiß!“
„Jo, aber nur auf meine Hälfte. Pappnase.“
Die Harke landete im Eimer und der auf dem Beet. Hannes steckte die Hände in die Taschen und stolzierte in Richtung des Grenzgerippes. Er lehnte sich über den Zaun und warf mit geschürzten Lippen einen fachkundigen Blick auf den Zwischenstand.
„Dat deckt doch gar nich, du Lappes“, stellte er fest.
„Wart doch ma de zweite Runde ab, du Schwachmat. Hasse nix zu tun, oder wat?“
„Mehr alse glaubs, Pannemann, lass mir nur nich gern dat Refugium verschandeln.“
„Kriss gleich Pannemann. Kanns ja selber ma wat machen, Kanisterkopp.“
Hannes rüttelte am Zaun, der bedrohlich nachgab, sah auf seine weißen Finger und wischte sie an der Latzhose ab.
„Kannse dat ma lassen, du Kackstelze?“ Mennings Pinsel kämpfte mit dem beweglichen Ziel.
„Sonst wat?“
Schweigen.
„Treckergesicht.“ Hannes zog kräftiger.
Menning tauchte den Pinsel tief in die Farbdose und klatschte die Borsten mit Karacho vor den Zaun. Hannes‘ abgewischte Finger fielen jetzt auf der Latzhose nicht mehr auf.
„Ey, du Drecksau!“ Hannes riss – eher in energischer Rückwärtsbewegung denn aus Absicht - eine der maroden Latten aus der Reihe. Beim Versuch, sie halbwegs galant aufzufangen, glitten seine Finger die frische Farbe entlang, bis er das Holz endlich zu fassen bekam. Mit erhobener Kriegsbeute stand er breitbeinig vor dem knienden Nachbarn.
Der sprang auf, riss seinerseits ein lackiertes Stück Buche aus dem Grenzschutz und reckte es nach mehreren Fangversuchen karategleich in die Luft.
„Pass bloß auf, du Arschmade“, warnte er Hannes und machte seinerseits einen halben Schritt zurück.
„Wat glaubse, wat ich hier tue, Pissflitsche?“ Hannes deutete einen Schlag an und bedeckte Mennings Karohemd mit ein paar weißen Akzenten. Der erwiderte die Geste und die beiden frisch aufbereiteten Waffen kamen einander bedenklich nah.
„Eierarsch!“, provozierte Hannes.
„Gesichtselfmeter!“, wollte Menning in nichts nachstehen.
Holz schlug auf Holz, Farbe spritze in alle Richtungen und der Kriegstanz war offensichtlich eröffnet.
„Flitzpiepe!“
„Knalltüte!“
Halb vier, gute drei Stunden nachdem sie das Haus verlassen hatten, kehrten Hilde und Roswitha – jede durch ihren Garten und beide mit offenem Mund – zu ihren Angetrauten zurück.
„Wo is der Zaun?“, wollte Hilde wissen.
„Brauch ma nich unter patenten Nachbarn“, meinte Hannes.
„Wie seht ihr denn aus?!“, versuchte Roswitha Fassung zu gewinnen.
„Is vom Streichen“, nuschelte der weitgehend weißgepunktete Menning.
„Und wieso streicht ihr dat Dingen, bevor ihr et abreißt?“, fragte Hilde.
„Ihr könnt aber auch dusselige Fragen stellen“, konterte Hannes und hielt Menning die Flasche entgegen.
„Echt ma“, stimmte der zu, nickte und stieß an.