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- Anmerkungen zum Text
Schluss verändert, doch noch nicht ganz schlüssig.
Was Frauen nicht wollen
Es ist ein wunderbarer Frühlingsnachmittag und Horst Dorftrögl aus Bründel an der Mofel ist schon fast zuhause; er hat sich freigenommen, hat das Büro früher verlassen und steigt aus seinem Kleinwagen, verriegelt die Autotür, geht in Richtung Haus, wo er mit seiner Gattin Helga wohnt.
Sie waren vor sechs Monaten endlich zusammengezogen. Er hatte bis vor kurzem noch anders ausgesehen als jetzt, er war ein Motorradfreak gewesen. Im ersten Monat des gemeinsamen Lebens hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn liebe, doch sich große Sorgen mache, weil er immer noch mit seiner Maschine durch die Gegend fahre, wo es doch erwiesen sei, diese Fortbewegungsart sei die gefährlichste von allen, vor allem in Herbst und Winter, jedoch auch in Sommer und im Frühling, und sie könne es nicht weiter ertragen, ihren liebsten Schatz solcher Gefährdung ausgesetzt zu sehen. Jetzt, wo sie beide ja auch Kinder wollten, sei es nun mal keine Bagatelle, wenn er sein Leben riskiere, und ob er nicht umsteigen könne auf ein ziviles Fahrzeug, wie es die Mehrheit der männlichen Menschen tue, schon allein ihr zuliebe und der späteren Kinder wegen.
Horst hatte daraufhin, ohne allzu lang zu überlegen, seine Yamaha XSR900 veräußert, sich ein Auto zugelegt, und freudestrahlend war sie in seine Arme gefallen, denn, wie sie sagte, eine Beziehung könne ja nur mit einem Mann gut gehen, der zu Kompromissen grundsätzlich in der Lage sei.
Im dritten Monat schmiegte sie sich an ihn und sagte, dass sein Erscheinungsbild nicht mehr zu ihm passe. Die Lederjacke und sein langes Haar, das wäre ja okay gewesen, als er noch das Motorrad gehabt habe, aber nun? Inzwischen? Auch ihre Freundinnen hätten schon zu ihr gesagt, dass es seltsam wäre, Peter Fonda aus einem C-Klasse-Volvo aussteigen zu sehen; und zu seinem Beruf passe es im Übrigen inzwischen gleichfalls keineswegs mehr, nachdem er seinen sinnlosen Job als Krankenpfleger endlich aufgegeben habe und mittlerweile in einem vernünftigen Büro sitze und Tabellenkalkulationen mache; wobei es sicherlich seiner Karriere nicht schaden konnte, wenn seine Chefs keine Angst haben müssten, dass er eine Läuseinfektion in die Firma einschleppe.
Sie reichte ihm den Zettel mit Frisörtermin, um ihm die 'Entscheidung zu erleichtern'. Die Lederjacke hatte sie schon dem Secondhandshop geschenkt, und im Regal im Wohnzimmer sei jetzt auch wieder Platz, wo all diese vielen missglückten Steppenwolf- und Jimi Hendrixplatten gestanden hätten.
Zwei Monate später nur verkündete sie ihm das Ende dieser seiner proletisch-barbarischen Biertrinkerei, die nun gar nicht mehr zu ihm und seiner neuen kulturellen Identität passe, ebensowenig wie seine hinterwälderischen, verwahrlost herumlaufenden und stinkenden sogenannten Freunde aus dem Motorradclub, die er noch einmal monatlich sehen zu müssen glaube, und stellte ihm ein 0,2-Liter-Glas Weißweinschorle hin.
Mit einem Seufzen hatte Horst erwidert, dass seine kulturell verwahrlosten Freunde immerhin ausnahmslos beim Umzug geholfen hatten, während die soziokulturell gepflegten Freunde aus ihrem Umfeld ausnahmslos alle verhindert gewesen seien durch Geburtstags-, Geburts- oder Todesfälle in der Verwandtschaft, spontan unfallbedingte Gehbehinderungen oder seltene Infektionen aus Guinea, Gambia, Senegal und Tansania.
Helga indes sagte ihm, sie habe ihn schon, damit er auch weiterhin einen „eigenen Bereich“ habe, und ohne sie, jeden zweiten Sonntagnachmittag, etwas Eigenes in seiner Freizeit erleben könne, in einer Canasta-Spielrunde für Männer angemeldet.
Horst lächelte trübe.
Er verriegelt die Autotür, geht in Richtung gemeinsame Wohnung und bleibt verdutzt stehen.
Vorm Hauseingang parkt diese wunderbar coole Harley Davidson.
Horst nestelt an seiner Wolljacke.
Die Haustür geht auf und Dennis Hopper kommt heraus. Langes wildes Haar, Zehnwochenbart, braune Motorradlederjacke, Metallketten um den Hals. Hinter ihm Helga, die ihn, spärlich bekleidet, nochmal zu sich herumzieht, ihre Arme um ihn schlingt und ihn küsst. Hopper macht sich los, gibt ihr einen Klaps auf den Hintern, steigt auf seine Maschine und braust davon, mit der akustischen Gewalt einer hundert Mann starken Laubbläserangriffstruppe.
Horst schleicht an ihr vorbei ins Haus, sie folgt ihm, zieht sich dabei was über.
Er fragt, wie lange das schon gehe?
Sie sagt, noch nicht so lange.
Er fragt, was denn mit Schuldgefühlen sei?
Sie sagt, dass er keine haben müsse. Er könne ja selbst nicht wirklich was dafür. Und dass es ihr auch Leid tue, wie das nun gekommen sei, doch irgendwie sei ja bei ihnen beiden zuletzt die erotische Spannung weg, „die Luft raus“ gewesen, es sei langweilig geworden. So richtig könne sie das nicht erklären, allerdings sei schon aufgefallen, dass sein Humor und sein früher markant männliches Auftreten stark nachgelassen haben, er irgendwie nicht mehr so kraftvoll wirke, ohne seine früher so geile maskuline Energie sei, und seine Anziehungskraft auf sie eben abgenommen habe; sie sei aber eine junge Frau noch und habe keine Lust, nur wegen ihm auf Sex zu verzichten.
Ob das heiße, sie wolle nicht mehr monogam leben?, fragt er.
Doch, sie wolle auch weiterhin das Monogame; nur halt jetzt mit - mehreren Männern. Eben auch den männlichen Männern.
Was?, sagt er. Wenn das alles wäre, er könne sich das Haar ja auch wieder wachsen lassen und …
Nein, sagt sie, das wäre keine gute Idee, im Übrigen habe sie eine bessere: Dennis habe im Augenblick sowieso nichts wie Ärger mit seinem Vermieter und das Haus sei – zumindest vorübergehend – groß genug für drei.
Das könne sie sofort vergessen, schreit er, dass der Typ hier einziehe! Außerdem würde er auch ohne ihre verdammte Einwilligung seine Haare wieder lang wachsen lassen – und sich auch wieder eine Lederjacke kaufen – damit das alles jetzt ein für alle mal klar sei!
Helga seufzt.
Es ist Sonntagnachmittag, vierzehn Wochen später, sie geht zu Horst in die Garage. Seine Haare sind lang, er trägt ein „Born to be wild“-T-Shirt und ist damit beschäftigt, die Maschine zu putzen. Abmontierte Teile liegen verstreut am Boden.
„Oh je“, sagt sie zu ihm. „Wie lang putzt du jetzt schon dran rum, an dem Ding? Das Essen ist gleich fertig.“
„Ich mach auf jeden Fall das vorn noch“, sagt er und taucht den Lappen ins Wasser.
„Wie du meinst“, sagt sie. „In Ordnung.“
Hinter ihr taucht Dennis auf.
„Wenn du den Luftfilter sauber hast, musst'n auch einölen“, sagt er zu Horst und küsst Helga. „Aber bis drei brauch ich den Ofen wieder für die Tour.“