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Was die Boten brachten

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20.01.2018
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Was die Boten brachten

Dieses Jahr kommt der Winter aus Westen.
Artjom und ich wandern einen Flusslauf entlang, als wir ihn sehen. Stück für Stück kriechen Nebelschwaden vom anderen Ufer herüber. Dort, wo ihr kalter Hauch das Wasser berührt, bildet sich Eis. Die Fläche wächst, zersplittert in mehrere Schollen. Der Strom treibt sie an uns vorbei, verteilt sie und reißt sie für kurze Zeit auseinander, aber als mein Blick dem Flusslauf folgt, sehe ich auch dort die Nebelfront. Auf der anderen Seite des Ufers klettert der Frost die Bäume hinauf, verteilt sich in den Ästen und spinnt das Holz in seinen toten Kokon ein. Das Blattwerk, noch eben farbenfroh im Sommerwind wiegend, wird steif und grau und zerspringt mit einem Knall in kleine Eisstücke. Das Weiß hat jegliche Farbe verschluckt.
Artjoms kastanienbraune Augen weiten sich vor Staunen. Sein kindliches Gesicht verblasst im Angesicht des Winters. Unter meinen Schuhen bildet sich Raureif.
„Komm, Sohn. Lass uns gehen“, murmle ich. Er nickt, den Blick weiter gebannt auf das Eis gerichtet.

Wanderfels liegt auf einem kahlgeschlagenen Hügel, umgeben von einem dichten, schattigen Kiefernwald. Noch treibt sein würziger Geruch durch die Luft, aber wenn man den Boden genauer betrachtet, kann man auf dem Nadelteppich bereits eine dünne Frostdecke entdecken. Jeden Schritt, den ich mache, wird von einem ungewohnten Knirschen begleitet.
Eine Reihe Schafe unterbricht ihr Fressen und glotzt Artjom und mir nach, während wir einen spärlichen Kiesweg emporsteigen. Wir leben in einfachen Häusern, mit Wänden aus gebrannten Tonziegeln und Baumstämmen in jeder Ecke. Auf den Dächern schützen Strohbündel vor Wind und Wetter. Wanderfels besitzt keine Tore, keine Mauern, keine Wachen. Stattdessen ziehen sich silbernen Linien einmal um das ganze Dorf. Je näher wir dem Marktplatz kommen, desto mehr tauchen auf, erscheinen aus Straßen, Gärten und Hinterhöfen, kreuzen sich mit der Linie, der wir folgen, und weben ein dichtes Netz, das immer feinmaschiger wird. Schließlich erreichen Artjom und ich das Zentrum, einen Brunnen, mitten auf dem Marktplatz. Aus allen Richtungen führen die Linien hierher, kriechen die moosbedeckten Steinwände entlang, über den Rand und in die Dunkelheit hinein.
Alle sind gekommen. Zwischen den Ständen quetschen sich hunderte Einwohner, drängeln und schubsen, um einen Blick zu erhaschen. Kaum einer ragt mir bis zur Schulter. Ich will Artjom gerade auf meine Schultern setzen, als er sich von mir löst und durch die Menge zu einem kleinen, blonden Jungen läuft. Sven, wenn ich mich richtig erinnere.
„Fresse halten!“, brüllt eine Stimme. Häuptling Harlan muss auf dem Brunnen stehen, um seinen Untertanen in die Augen blicken zu können. Sein Bart ist so rot wie das Herbstlaub, seine Haare waren das auch mal. Jetzt ist sein nackter Schädel runzeliger als ein Kürbis.
„Sperrt gefälligst eure Lauscher auf!“ Er räuspert sich und blickt mit zusammengekniffenen Augen durch die Menge. „Die Holzfäller haben Meldung gebracht. Der Winter ist wieder da.“
Seine Stimme geht im Raunen unter. Verzweifelt versucht Harlan, sich Stimme zu verschaffen, und wedelt mit den Armen in der Luft, während sein Gesicht dieselbe Farbe annimmt wie sein Bart.
„Aber wie kann das sein?“, ruft eine Stimme. Es ist Kastor, der Fischer. „Ich meine, der letzte Winter ist erst vier Monde her, oder?
„Was ist mit den Spähern? Können wir sie noch rechtzeitig warnen?“
„Vielleicht ist es ja nur ein Versehen?“
„Nein“, rufe ich. Schlagartig dreht sich die Menge zu mir um. Als Priester hat mein Wort Gewicht, wenn auch nicht viel. Sie müssen ihre Köpfe in den Nacken legen, um mir in die Augen schauen zu können, und verstummen. „Artjom und ich haben ihn auch gesehen. Der Winter kommt, aber aus Westen, nicht aus Osten.“
„Das ist unser Untergang“, jammert die hässliche Helena. Eine der ersten, die den Glauben an die Götter verloren hat. „Ich habe es euch doch gesagt. Die Vier haben uns verlassen! Wir werden alle sterben!“
„Halt die Fresse, Hure“, brüllt Harlan mit heiser Stimme. Die Menge pflichtet ihm murmelnd bei. „Warum haust du nicht ab, hm? Los, verzieh dich in deinen Hexengarten!“
Mein Bruder hatte noch nie ein Händchen für Menschen. Ich räuspere mich. „Der Winter steht bereits auf der anderen Seite des Flusses. Der Strom wird ihn eine Weile aufhalten, aber nicht lange. Wir müssen aufbrechen.“

Umgehend beginnen wir mit den Vorbereitungen für unsere Abreise.
Die Stallburschen bringen die Pferde in ihre Boxen, die Schäfer treiben ihre Herden zusammen. Ich erwische eines der Viecher dabei, wie es die Blumen auf meinem Gartenschrein anknabbert, und jage es fort. Fünf steinerne Götzen sehen ihm nach, stumm und teilnahmslos wie eh und je. Wir holen alles Korn von den Feldern, ob reif oder nicht. Der Winter wird es eh zerstören und wir können jeden Krümel Essen gebrauchen. Ein Karren nach dem anderen rollt Richtung Speicher, zum Brunnen. Sie bringen Pilze, Blumen, Heu für die Pferde, Gras für die Schafe. Kisten werden gepackt, gestapelt und vertäut, die Seile um in den Erdboden eingelassenen Ösen geschlungen. Auf dem Marktplatz errichten die Holzfäller ein Rondell aus Feuerholz. Vor ein paar Tagen ist eine Gruppe Späher nach Osten aufgebrochen. Harlan lässt Tauben nach ihnen schicken, wenn auch eher aus verzweifelter Hoffnung als aus Vernunft.

„Ich verstehe das nicht“, murmelt Harlan. Mein Bruder und ich stehen zusammen am Rand des Dorfes, die Hände hinter dem Rücken und in die weite, weite Ferne blickend. „Wie kann der Winter wieder da sein, jetzt schon? Und dann auch noch aus der falschen Richtung?“
„Vielleicht hat er umgedreht“, überlege ich.
„Aber das ergibt keinen Sinn! Jedes Jahr kommt er aus Osten und verschwindet im Westen. Er ist doch kein Tier, das man einfach in eine Richtung treiben kann, oder?“
Ich schaue nach unten. Zwei Schritte vor meinen Füßen verläuft die äußerste Linie durch das Gras. „Hab Demut, Bruder. Es ist nicht unser Recht, die Götter und ihre Werke zu verstehen. Wenn es ihnen danach steht, werden sie uns den Sinn offenbaren. Aber nicht vorher.“
Harlan spuckt auf den Boden. „Ich sag dir mal was. Ich hab es satt, ihr Idiot zu sein. Nicht nur, dass wir Hals über Kopf aufbrechen müssen. Wir lassen womöglich fünf unserer Leute zurück. Was bin ich denn für ein Anführer, wenn ich sie nicht warnen kann, hm? Wie soll ich den Willen der Götter verkünden, wenn ich ihn nicht verstehe?“
„Du vergisst, dass ich ihren Willen verkünde. Deine Aufgabe ist es, unser Volk zu leiten.“
„Ach ja? Dann sei so gut und erkläre deinem ahnungslosen Bruder mal, was der ganze Bockmist soll.“ Harlans Fuß findet einen Kieselstein und kickt ihn in hohem Bogen davon. Schweigend sehe ich zu, wie er den Hügel hinunterrollt und im Gras verschwindet. In der Ferne läuft eine Gruppe Frauen den Hügel hoch. Unter ihnen ist auch Elise, die Tochter des Metzgers. Ich kann mich noch daran erinnern, wie mein Bruder und ich um sie geworben haben. Harlan war der ältere Sohn, trat in Vaters Fußstapfen, sah besser aus und war, zumindest damals, nicht alle naselang besoffen. Nüchtern betrachtet war es nur logisch, sich für ihn zu entscheiden.
„Ich bin nur ein Mensch, Harlan, und sie Götter. Ich maße mir nicht an, ihre Entscheidungen zu verstehen. Ein bisschen mehr Vertrauen in sie würde dir gut tun.“
„Ein bisschen mehr Vertrauen in sie wäre dumm!“
Er war schon immer unerlaubt ehrlich. Manchmal vermisse ich die Zeiten, als Harlan und ich noch jünger waren. Wir hatten mal mehr Gemeinsamkeiten als nur Blut.
Er verschränkt die Arme und starrt trotzig auf die Ebene hinaus. Von irgendwoher kann ich jemanden weinen hören. „Du bist mir ein Rätsel. Erst entscheidest du dich gegen den letzten Willen Vaters und wirst Priester. Dann ziehst du raus in die Welt und willst das heilige Wort verkünden, schwängerst aber entgegen dem Kodex eine Fremde und kommst mit Frau und Kind nach Wanderfels zurück. Und tust dann so, als wäre nie etwas gewesen?“ Er flucht etwas in seinen roten Bart.
Schließlich erreicht die Gruppe das Dorf. In der Mitte läuft ein junges Mädchen, das Gesicht voller Tränen, während ihre Freundinnen sie umkreisen wie ein Schwarm Bienen. Stundenlang standen sie am Waldrand, Ausschau haltend, bangend darauf hoffend, bekannte Gesichter im Unterholz zu entdecken. In der Ferne färben sich die ersten Baumkronen schneeweiß.
Als sie weg sind, schreit Harlan wütend auf. Voller Wut tritt er gegen eine Häuserwand, immer und immer wieder, bis sich erste Risse durch das Fundament ziehen. Schweigend betrachte ich die Ankunft des Winters.
„Das ist doch alles scheiße! Scheiße ist das, verfickte Scheiße!“ Er bleibt stehen, legt den Kopf in den Nacken. Langsam beruhigt sich sein Atem. „Na gut. Wenn wir jetzt nicht gehen, gehen wir gar nicht. Wir setzen Anker. Komm.“
„Nein. Ich werde von hier aus zusehen.“
Harlan zuckt mit den Schultern und verschwindet.
Kurz darauf beginnt es. Die silbernen Linien färben sich golden, heizen auf. Dampf steigt in die Luft.
„Vater?“
Ich drehe mich um. Artjom steht hinter mir. Ich habe ganz vergessen, nach ihm zu schauen.
„Was ist, Junge?“
„Warum bist du nicht am Marktplatz, wie alle anderen auch?“
Ich zucke mit den Schultern. Ein Knacken fährt durch den Boden, Grasbüschel fliegen in die Luft. Der Boden beginnt zu zittern. „Ich wollte noch einmal die Wälder sehen.“
Er stellt sich neben mich und greift meine Hand. Gemeinsam sehen wir zu, wie die goldene Linie vor uns ein Loch in den Boden schneidet. Plötzlich stehen wir an einer Kante. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, hebt Wanderfels ab und steigt in die Luft, hoch und immer höher. Neben mir weiten sich Artjoms Augen vor Ehrfurcht, während der Wald kleiner wird.
Ich lächle. „Hier ist es doch viel schöner als am Marktplatz, findest du nicht?“
Er nickt und greift meine Hand fester.

Wir steigen nicht sehr hoch. Man kann noch immer die Baumwipfel erkennen. Die Winterwinde sind rau, peitschen durch die Straßen und treiben Wanderfels nach Osten, aber der Anker sitzt zu tief im Boden, als dass wir forttreiben könnten. Leider kann man unser Dorf nicht steuern, es fliegt mit dem Wind. Je höher wir steigen und je tiefer die Sonne sinkt, desto flacher werden die Schatten. Über uns gleiten Wolken auf die Abendsonne zu, unter uns hat der Winter längst den Grashügel erreicht, wandert nun zurück nach Osten.
Die Luft ist dünn hier oben, aber wir haben uns daran gewöhnt. Goldene Linien leuchten unter den Füßen, bringen Licht in jeden noch so entlegenen Winkel, halten den Boden mit ihrer fremden Magie zusammen. Als Harlan und ich einen Rundgang machen und die Vorräte protokollieren, stellen wir fest, dass wir längst nicht genug Nahrung haben, um ein halbes Jahr in der Luft zu bleiben. Falls der Winter länger bleibt, müssen wir wohl oder übel Anker lichten. Dann entscheidet der Wind über unser Schicksal.
Kleine Feuerschalen lodern neben dem Brunnen. Eng sitzen die Eltern in Kreisen beieinander und unterhalten sich mit gedämpften Stimmen, während die Kinder zwischen den bunten Ständen toben. Einige von ihnen haben noch nicht verstanden, dass ihre Väter nicht mehr zurückkehren werden, aber niemand will derjenige sein, dass es ihnen erklärt. Also lassen wir sie spielen.
Ich bin gerade in einem Gespräch mit Kastor, da umringen mich Artjom und seine Freunde. „Erzählst du uns eine Geschichte?“, fragt er und setzt sich erwartungsvoll auf meinen Schoß.
„Siehst du nicht, dass ich mich unterhalte, Bursche?“
„Entschuldigung.“
Kastor wirft ihm einen missbilligenden Blick zu. Als ich mit Eva und Artjom zurückgekehrt bin, habe ich befürchtet, die Leute würden meinen Sohn behandeln wie einen Aussätzigen. Es ist Harlan zu verdanken, dass die Meisten ihn akzeptiert haben. Artjom spielt mit ihren Kindern, flitzt durch ihre Häuser, isst ihre Suppe und spricht ihre Sprache. Eva hatte es nicht so leicht.
„Na schön. Was wollt ihr denn hören?“
„Erzähl etwas über Wanderfels.“
„Na schön.“ Ich räuspere mich. „Weit, weit im Osten, wurde vor langer Zeit ein Teil der Welt zerstört. Ich weiß nicht, was dort passiert ist oder wie es dazu kam, aber eine Katastrophe hat die Erde auseinandergerissen. Die meisten Fragmente verschwanden im Abgrund oder stürzten vom Himmel, aber einige von ihnen wanderten solange durch die Welt, bis sie gefunden wurden.“
Plötzlich stolpert Harlan in den Kreis. Ein Bierkrug fällt ihm aus der Hand und fällt scheppernd zu Boden, während der weiße Schaum zwischen den Goldfäden verrinnt. Im Schein des Feuers brennt sein Bart. Als er zu fluchen beginnt, schauen einige der Kinder überrascht auf und zu ihren Eltern.
„Vater?“, fragt mich Artjom. Eine Brise fährt ihm durch die Haare und wirbelt sie in sein Gesicht. Er sieht Eva so ähnlich.
„Ja, Sohn?“
Artjoms Freund Sven zieht ein Holzschiff durch ein Meer aus Stein und Dreck. Seine Freunde tun es ihm gleich und knien sich zu ihm auf den Boden. „Erzähl etwas über den Winter. Etwas über die Boten“
„Nein. Darüber gibt es keine Geschichten.“
„Aber warum?“
„Weil die Menschen sie nicht hören wollen.“
Harlan torkelt auf uns zu, stützt sich an einem Marktstand ab. „Wieso willst du dem Jungen denn nichts von den Boten erzählen, hm?“ Seine Lippen beben, wenn er spricht, und zittern, wenn sie stillstehen. In der Dunkelheit liegen seine kleinen Augen noch enger in der Stirn. Fast scheint es, als wollten seine Stirnlappen sie verschlingen.
„Es ist keine Kindergeschichte. Ich will ihnen nicht unnötig Angst machen.“
Er schnaubt. „Unnötig Angst? Schau dich doch mal um, du Idiot. Vielleicht willst du ihnen ja sagen, was gerade geschieht, hm? Ich hätte dann nämlich weniger Angst vor dem Winter.“
Ich seufze. „Na schön. Irgendwann müsst ihr es sowieso lernen. Jedes mal, wenn der Winter kommt, schickt er seine Boten vor. Als erstes erreicht uns der Frost. Du hast ihn ja gesehen, Artjom. Eine Nebelwolke, die alles und jeden, den sie berührt, mit Eis überzieht. Von den Goldfäden einmal abgesehen.“
Artjom nickt.
„Dann, wenn alles weiß und starr ist, fällt der Schnee. Tagein, tagaus. Ohne Pause. Hier oben kann er zum Glück nicht liegen bleiben, weil die Fäden ihn schmelzen. In manchen Jahren hatten wir so viel Tauwasser, dass sich an den Kanten Wasserfälle gebildet haben. Als drittes kommen die Irrlichter. Kleine, blaue Kugeln, die durch die Luft schweben und ein Band aus Licht hinter sich herziehen. Sie sind harmlos und nicht gerade intelligent, also falls ihr eines seht, lasst es einfach davon ziehen. Es wird euch nichts tun. Die Fischer in Baltmoor behaupten, sie wären die verlorenen Seelen all jener, die der Winter genommen hat, und dass sie jetzt dazu verdammt wären, auf ewig mit ihm zu wandern.“
Artjom starrt ins Feuer. „Glaubst du ihnen?“
„Nein. Nein, das ist Schwachsinn, Sohn.“

Stunden später, als das Feuer aus und die Kinder müde sind, mache ich mich mit Artjom auf den Weg nach Hause. Selten war es so still in Wanderfels. Wenn in unserem Dorf ein Toter beklagt wird, hängen die Leute für ihn ein buntes Stoffband aus dem Fenster. Die Götter können die Farben aus dem Himmel sehen und lassen sich hinab, um den Trauernden Trost zu spenden. Während ich mit Artjom Hand in Hand durch die verlassenen Straßen wandere, bleibt mein Blick an Regenbögen hängen, die im lauen Nachtwind baumeln. Fünf Bänder hängen aus jedem Fenster. Seit der Märchenstunde ist er sonderbar ruhig.
Plötzlich bleibt er stehen. „Papa?“
„Ja?“
„Werden die Späher sterben?“
Seine Hand zwingt mich zum Anhalten. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Nervös beiße ich mir auf die Lippen.
„Wieso fragst du das?“
„Harlan hat es erzählt. Er hat laut geflucht und böse Wörter gesagt. Er meinte, es wäre seine Schuld, dass sie sterben würden. Weil er sie hinaus geschickt hat.“
„Seine Schuld? Nein, das stimmt nicht.“
„Wessen dann?“
Ich will antworten, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Artjom schaut mich mit großen Augen an. „Denkst du, sie werden Irrlichter? So wie Mama?“ Plötzlich erhellt sich sein Gesicht. „Papa, vielleicht kommt der Winter deshalb zurück. Vielleicht sucht Mama nach uns!“
„Ach was."
„Doch! Was wäre, wenn-“
„Nein.“
„Aber-“
„Sei still.“ Schnell schaue ich mich um, aber wir sind alleine. Ich senke die Stimme und bücke mich zu Artjom herab. „Schlag dir diesen Unsinn aus dem Kopf, Bursche. Der Winter kommt zurück, weil die Götter es so wollen, und nicht wegen irgendwelchen Irrlichtern.“
„Aber Papa, das macht doch gar keinen Sinn. Wieso sollten die Götter wollen, dass unsere Späher st-“
„Hör auf!“ Ich habe bei bestem Willen keine Ahnung, wie ich einem Kind die schweren Seiten des Glaubens beibringen soll. Das es Tatsachen gibt, die jenseits unserer Macht und unseres Verstehens gefällt werden. „Eines Tages wirst du den Sinn darin verstehen, Sohn. Eines Tages. Aber bis dahin musst du ihnen dein Vertrauen schenken.“
Aber Artjom senkt nur den Kopf und starrt zu Boden. Kein einziges Wort kommt ihm an diesem Abend noch über die Lippen.

In der Nacht fällt der erste Schnee. Spätestens jetzt sind die Späher tot. Während die Sonne aufgeht, knie ich mit gefalteten Händen in einer Mischung aus Wasser, Gras und Matsch und lausche, ob die Götter mir etwas zu sagen haben. Fünf Steingötzen hocken auf einem Altar und beugen sich zu mir herab. Ihre Namen wechseln von Dorf zu Dorf, die Wunder, die sie einst vollbracht haben, haben Stoff für hunderte Legenden geliefert. Vier von ihnen sind scharfkantige Figuren aus schwarzem, glatt poliertem Stein, mit langen Fingern und vom Regen verwaschenen Gesichtern. Ihre Münder sind zu Grimassen verzerrt, aber man kann noch immer erahnen, wie erhaben diese Meisterstücke der Handwerkskunst einst ausgesehen haben mussten.
Die letzte Statue ist unbearbeitet. Im Laufe der Zeit ist er in Vergessenheit geraten, genauso wie alle seine anderen Namen und seine Geschichten, und so kennt man ihn nur noch als den Verlorenen. Einzig und alleine seine bloße Existenz ist geblieben. Falls ein Gott sterben kann, dann sieht sein Tod so aus.
Hin und wieder leisten mir einige Gläubige aus dem Dorf Gesellschaft bei meinen Gebeten, aber heute bin ich allein. Ich genieße die Einsamkeit der frühen Stunde, genieße das Gefühl, der einzige Mensch in ganz Wanderfels zu sein. Ich genieße den letzten Moment der Stille, bevor das Dorf aufwachen und den Schnee sehen wird. Einige von ihnen werden zu mir kommen und mich fragen, warum der Winter zurückkehrt. Ich werde ihnen antworten, was ich bereits Harlan und Artjom gesagt hab, und es wird ihnen nicht gefallen. Vertrauen ist sowohl der Segen als auch der Fluch des Gläubigen. Gab es eine gute Ernte oder einen schnellen Winter, preisen sie die Vier. Aber sobald ihr glasiges Haus des Glaubens von einem Stein getroffen wird, wenden sie sich von ihnen ab.
Vor meinem geistigen Auge erscheint ein Bild von Eva.
Sie ist nicht echt.
Mein Haus ist nicht aus Glas, meines ist aus Stein, sicher vor Unwetter und Tieren, die an seinem Fundament nagen könnten. Ich senke den Kopf und bete, die Götter mögen mir Erleuchtung schenken, die Kraft geben, meine menschlichen Zweifel zu besiegen. Mir das große Ganze zeigen.
„Bin ich bloß besoffen oder hockst du da wirklich im Schnee?“
Hinter mir erscheint ein rotbackiger, aber gut gelaunter Harlan. Mit einem lauten Plumpsen lässt er sich ins Gras fallen und rollt sich auf den Rücken, die Beine angewinkelt. In seinem Bart klebt Kotze.
„Es ist vier Uhr Morgens, Bruder.“
„Weiß ich. Linda hat ihre Kneipe vor einer Stunde geschlossen.“ Er krächzt ein Lachen. „Wo hast du denn deinen Jungen gelassen? Ich hab mit Kastor ne Wette am Laufen. Er behauptet felsenfest, du würdest ihn jeden Morgen mit zum Beten schleppen.“
„Er schläft.“
„Ha! Der räudige Hund schuldet mir eine Nacht mit seiner Frau!“
„Ich dachte, du hast eine.“
Harlan spuckt auf den Boden. „Elise, die alte Fotze. Sogar Artjoms Kuscheltiere haben mehr Grips als diese Frau. Wie konnte ich das nicht erkennen? Jede Nacht hurt sie sich von einem Kerl zum anderen, macht mich zum Gespött der Leute. Ich meine, jetzt haben unsere Frauen wenigstens etwas gemeinsam, oder?“ Er lacht ein fieses, dreckiges Lachen. „Leider ist deine tot und meine quietschfidel. Scheiße aber auch.“
Ich schweige, geduldig darauf wartend, ob die Götter mir etwas mitzuteilen haben. Leider ist der Einzige, der etwas mitteilen möchte, Harlan.
„Weißt du überhaupt, wie neidisch ich auf dich war?“
„Nein.“
„Mein glaubensfester, kleiner Bruder. Guckt keiner Frau hinterher, fasst keinen Krug Bier an. Ich habe nichts von diesem religiösen Geschwafel verstanden, mit dem du dich umgeben hast, und niemand sonst aus Wanderfels hat es. Und dann, nach fünf verfickten Jahren, kreuzt du hier mit einem Sohn und einer wunderschönen Frau auf und bist immer noch derselbe Holzkopf wie damals. Keine Ahnung, was Eva an dir fand.“
„Hör auf, von ihr zu reden.“
„Warum? Tut es weh?“ Er lacht. „Tut es weh, wenn ich ihren Namen ausspreche? Eva-“
„Halt den Mund!“
„Schön. Wie du meinst.“ Er gähnt. „Dein Junge sah gestern geknickt aus.“
„Es geht ihm gut.“
„Das sagt du. Aber wir wissen ja beide, dass du keine Ahnung von Menschen hast, richtig?“ Ächzend rollt er sich auf den Bauch und starrt in die Leere.
„Warum bist du wirklich gekommen?“
„Brauche ich einen Grund, meinen Bruder zu besuchen?“
„Es ist vier Uhr nachts und du bist stinkbesoffen. Sag mir einfach, was du möchtest.“
Er seufzt. Sein Kopf sackt ab, so dass es jetzt mit dem Kinn flach auf der Brust aufliegt. „Ach, es ist nichts. Nur...“
„Was ist?“
„Ich habe Angst.“ Harlan schaut mich an. Er ist ungewöhnlich blass. „Scheiße. Schön. Ich habe es gesagt und dazu stehe ich. Ich habe Angst vor dem Winter“
„Das ist doch Unsinn.“
„Ach ja? Sag das mal Hrangar. Und seinen toten Freunden. Und ihren Familien. Dieser beschissene Winter. Ich hasse ihn.“
„Beruhige dich.“
„Denk doch nur mal an die Leute, die seinetwegen gestorben sind. Unsere Späher. Smutje. Eva. Unsere Tante.“ Eine Träne rinnt in seinen roten Bart. „Meine Ise.“
„Harlan.“
„Sie war so klein. So ein zartes, kleines Ding.“ In seinen Augen funkeln die Tränen. „Sie konnte noch nicht einmal sprechen. Ich habe nie ein einziges Wort von meiner Tochter gehört, kannst du das glauben?“ Seine Stimme geht in einem elendigen Wimmern unter und er wischt sich mit seiner Pranke durchs Gesicht. „Und das alles nur, weil uns die Götter jedes Jahr einen Winter schicken. Und als ob das nicht genug wäre, schicken sie ihn nun im Sommer! Ich verstehe es nicht, ich verstehe es einfach nicht. Vielleicht ist ihnen einfach langweilig, vielleicht finden sie Spaß an unserem Leid. Ach, ich weiß nicht.“ Sein Atem wird ruhig. „Du solltest mehr Zeit mit Artjom verbringen. Der Winter ist für niemanden einfach, aber am wenigsten für Kinder.“ Harlan stoppt. Langsam und unter schwerster Anstrengung beugt er sich auf und lehnt sich mit dem Oberkörper an den Altar. „Ich sollte jetzt gehen.“
„Ist alles in Ordnung?“
„Sicher.“
„Komm schon, Harlan. Bleib noch eine Weile.“
„Nein. Tut mir leid, ich wollte die alten Geschichten nicht wieder auspacken. Dann guck ich mal, ob Elise schon zuhause ist.“
Harlan verschwindet. Es wird still in Wanderfels. Die Götter schweigen weiter.

Die Wochen vergehen. Je kleiner eine Gemeinde ist, desto präsenter ist die Abwesenheit eines Einzelnen. Ich tröste die Frauen und Töchter, besänftige die Söhne, die mit geballten Fäusten vor leeren Urnen hocken. Auch wenn die Hinterbliebenen bei meinen Worten nicken, weiß ich, dass sie tief in ihrem Inneren keinen Sinn finden. Ich wünschte, ich könnte es ihnen verständlich machen, dass er nur gegeben werden kann, nicht entdeckt. Tatsächlich ertappe ich mich immer öfter selbst dabei, ein Gefühl der Ungeduld zu verspüren.
In der dritten Woche wird Kastor dabei erwischt, wie er eines der wenigen Fässer mit gebeiztem Fisch klaut. Zur Strafe verprügelt Harlan ihn öffentlich auf dem Marktplatz, solange, bis sein Blut die Goldfäden rot färbt und die aufgebrachte Menge wieder beruhigt ist. Einige der Strenggläubigen fordern, es sei nicht wert, ihn weiter zu füttern, und wollen Kastor über den Rand der Plattform zu werfen. Aber Harlan lässt nicht mit sich reden.
Eine Woche später stürzt eines der Waisen von der Plattform. Keiner weiß, ob sie gesprungen ist oder nicht, aber wenn man an der Kante steht, kann man in der endlosen Schneelandschaft einen kleinen, schwarzen Punkt erkennen. Da wir ihre Leiche nicht bergen können, bekommt auch sie eine leere Urne. Ein sechstes Band flattert jetzt aus den Fenstern, spendet ein wenig mehr Farbe.

Ich wache auf. Es ist mitten in der Nacht. Gedimmtes Licht scheint ins Zimmer, beleuchtet das gespenstische Schneetreiben auf der Straße. Feine Linien aus Eis teilen das Fenster in hunderte, symmetriefreie Scheiben. Gegenüber liegen die Häuser im Schatten.
Ich will gerade wieder einschlafen, als ich bemerke, wie ein Licht über die Häuserwand wandert. Sofort bin ich am Fenster. Unter mir, direkt vor meiner Haustür, schwebt ein faustgroßes, blaues Licht. Sanft pulsierend stößt es eine Welle nach dem anderen aus, gleitet hoch und runter und dreht sich tanzend um sich selbst, während es einen hauchdünnen, weißen Schleier hinterlässt, welcher sich kurz darauf in einem Band aus Licht aufzulösen. Das Irrlicht schwebt weiter, Richtung Marktplatz, und plötzlich kann ich für einen kurzen Moment eine wankende Gestalt mit einem roten Bart und haarlosen Kopf erkennen, die sich an eine Hauswand stützt, einmal nach vorne beugt und dann in die Dunkelheit torkelt.
Kurz darauf ist die Straße wieder gänzlich in Schwärze gehüllt.

Mein verkaterter Bruder und ich stehen an der Kante, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und in die Ferne starrend. Die Leiche des Waisen ist in einem Meer aus Weiß verschwunden, vom Neuschnee verdeckt. Ich weiß nicht, was ich suche, aber finden tue ich es sicher nicht. Vor Helligkeit schmerzen meine Augen. Der Grasboden unter unseren Füßen ist stellenweise gefroren. Am Tag schmelzen die Goldfäden das Eis, aber kaum kommt die Nacht, frieren Wind und Frost den Boden wieder ein, damit die Sonne ihn am nächsten Morgen auftauen kann. Ein endloser Kreislauf.
„Kastor hat mir noch immer nicht verziehen“, murmelt Harlan. Seine ohnehin schon kleinen Augen liegen jetzt so eng in der Stirn, dass man sie unter den buschigen, verschneiten Augenbrauen schwer erkennen kann. „Für die Prügel.“
„Er kann froh sein. Ohne dich hätten ihn die anderen noch getötet.“
Ich kann seine Antwort nicht verstehen, aber es ist sicherlich etwas ketzerisches. Vielleicht liegt es daran, dass mir der Wind um die Ohren pfeift, vielleicht aber auch daran, dass er die Stimme senkt. Ich bekomme eine Gänsehaut.
„Weißt du, sonderbarerweise tut es mir leid“, murmelt er jetzt. „Ich wünscht, ich hätte ihm nicht die Fresse polieren müssen.“ Er lacht leise. Dunstschwaden bilden sich vor seinem Mund, werden ihm aber entrissen, noch bevor er fertig ausreden kann. „Denke bloß nicht, wir wären jetzt Freunde. Kastor ist ein riesiges Arschloch und ich schwöre dir bei deinen vier Göttern, könnte ich mit seiner Frau schlafen, ich würde es auf der Stelle tun. Und trotzdem...“
Ich verschränke meine Arme. „Die Götter lehren uns, dass unseren Taten Konsequenzen folgen, ob gewollt oder nicht. Kastor wusste, dass Klauen falsch war, und hat es dennoch getan. Nun muss er mit der Strafe leben.“
Harlan schnaubt. „Ach ja? Ist ja nicht so, als wäre der Rest von uns heilig, was?“
Ich ignoriere seinen Seitenhieb. Am Horizont ist ein grauer Punkt aufgetaucht, stört das Farbenmonopol des Winters.
„Unseren Taten folgen Konsequenzen.“ Harlans Blick verliert den letzten Rest Ausdruck. „Schön. Ich frage dich das jetzt als Priester, nicht als Bruder. Ist es meine Schuld, dass die Späher tot sind?“
„Natürlich nicht.“
„Wessen dann?“
Ich zögere mit meiner Antwort und bevor ich etwas sagen kann, hat er mir das Wort bereits wieder abgeschnitten. „Die des Winters, richtig?“
Ich nicke vorsichtig.
„Und der Winter kommt zurück, weil die Götter es so wollen. Richtig?“
„Ich weiß, worauf du hinauswillst.“
„Vor ein paar Wochen noch war Hochsommer. Ich hatte doch keine Ahnung, was geschehen würde. Ich wollte nie...“ Er bricht ab. Sein roter Bart hat an Intensität verloren. Graue Haarsträhnen schlängeln sich durch eine Schicht aus Schnee. „Scheiße. Dieser Winter macht mich noch verrückt.“
Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. „Alles gut. Wenn du nicht den Vier vertraust, dann vertraue mir. Der Winter wird vorübergehen.“
„Ja, aber wann? Weißt du, ich habe nachgedacht.“ Harlan lacht. „Ja tatsächlich, dein kleiner, dummer Bruder ist nicht der einzige in der Familie, der sich ab und zu mal Gedanken zu einer Sache macht. Naja, vielleicht doch.“ Seine Stimme verliert das letzte Stück Unbeschwertheit. „Meiner Meinung gibt es nur drei Möglichkeiten. Entweder gibt es deine Götter überhaupt nicht. Oder sie können den Winter nicht aufhalten. Oder es ist ihnen einfach scheißegal.“
Plötzlich taucht unter uns eine gewaltige Kette aus Stahl und Eisen auf. Ein Ruck fährt durch den Boden, als sie sich spannt und die Insel zum Stillstand zwingt, aber der Wind presst sich noch immer gegen das fliegende Stück Fels. Ich kann ein Kreischen hören, dass ächzende Geräusch von zwei elementaren Kräften, die aufeinanderprallen. Wir bewegen uns nicht mehr, keinen Zentimeter, aber man kann den Druck förmlich sehen, der auf der Kette lastet. Erst jetzt bemerke ich überhaupt, wie weit der Ostwind uns fort getrieben hat.
Der graue Fleck am Horizont ist größer geworden.

„Er kommt! Ein vierter Bote kommt!“
Die Stallburschen werfen noch etwas Stroh in die Pferdeboxen, bevor sie die Klappen verriegeln und das Weite suchen. Alles, was nicht niet und nagelfest ist, wird von den Straßen geräumt. Die bunten Bänder verschwinden aus den Fenstern. Menschenströme ziehen durch die vermatschten Gassen, folgen den rettenden Goldfäden zum Marktplatz. Um mir herum bauen die Händler ihre Stände ab.
„Artjom!“ Ich rufe seinen Namen, aber er geht in der hektischen Menge unter. Niemand schenkt mir Beachtung. „Hat jemand Artjom gesehen? Artjom, wo bist du?“
Harlan steht auf dem Brunnen. „Bewegt eure Ärsche hierher! Los, macht schon!“
Einer nach dem anderen verschwindet im dunklen Schacht. Ich suche die Menge ab, zwänge mich zwischen händehaltenden Kindern und Eltern mit Decken und Taschen hindurch, halte Ausschau nach Artjoms Freunden. Aber ich kann keinen von ihnen finden. Schließlich ist der Platz leer.
„Hast du Artjom gesehen?“ rufe ich Harlan zu, aber der hat das Seil bereits mit beiden Händen gepackt und verschwindet im der Dunkelheit des Brunnens.
Als ich mich umdrehe, trifft mich die Sturmwand. Ich werde nach hinten geworfen, überschlage mich, pralle unsanft gegen den Brunnen. Auf einmal ist es stockdunkel, als die Sturmwolke Wanderfels einhüllt. Das Strohdach eines Hauses rollt über den Marktplatz, verfehlt mich um eine Armlänge. Um mir herum prasseln Hagelkörner nieder, reißen Kerben und Löcher in den Steinboden. Wo sie einschlagen, bildet sich Eis, aber bevor sie mich treffen können, bin ich bereits auf den Beinen und springe in den Brunnen.
Ich lande in einer Pfütze. Das gedämmte Licht der Goldfäden wirft meinen Schatten tausendfach an die gekrümmte Wand und als ich nach oben schaue, erblicke ich einen pechschwarzen Himmel.
Mitten in Wanderfels liegt, verschlossen hinter einer schweren Messingtür, unser Kornspeicher. Im Inneren ist Harlan gerade dabei, den Dorfbewohnern Plätze zuzuweisen. Ein Rahmen aus Fässern und Kisten zieht sich an den Wänden entlang. Auf ausgebreiteten Tüchern hocken Menschen Körper an Körper, schwatzen und lachen nervös miteinander, während sie versuchen, den Sturm zu vergessen. Aber ich kann in ihren Augen sehen, was sie wirklich denken. Rote, verwässerte Kugeln, manche voller Angst, manche einfach nur voll Ungewissheit. Ein Knallen hallt zwischen den Wände umher. Die hässliche Helena versteckt sich mit dem Kopf unter einem Kissen, während sie ihre Hände auf ihren Kopf gelegt hat und seltsame Worte vor sich her murmelt. Neben ihr weint ihre Tochter.
Eine Hand greift nach mir. Es ist Kastor.
„Was soll das alles?“
„Bitte, jetzt nicht.“
„Was soll das? Wieso schicken die Götter uns einen Sturm?“ Der Fischer war nie hübsch, aber seit Harlan ihm ein blaues Auge verpasst hat, würde ihm nicht einmal mehr Elise einen Besuch abstatten.
„Kastor, ich muss meinen Sohn finden! Hast du Artjom gesehen?“
„Wieso schickt der Winter einen vierten Boten? Was haben wir denn falsch getan? Womit haben wir all das Leid verdient?“
„Ich weiß es nicht!“
Seine Hand löst sich. Plötzlich steht Harlan neben mir.
„Harlan, wo ist Artjom?“
„Was?“
„Wo ist mein Sohn? Hast du ihn gesehen?“
„Nein. Keine Ahnung. Ich dachte, du würdest ihn holen.“
Ich stürme zur Tür, aber seine Hand packt mich an der Schulter. „Was tust du da? Du kannst da nicht einfach rausgehen! Im Sturm wirst du keine fünf Minuten überleben!“
„Artjom ist da draußen.“
„Es hat keinen Sinn, nach ihm zu suchen.“
„Gar nichts ergibt mehr Sinn.“ Es fühlt sich an, als würde mir mein Leben zwischen den Fingern verrinnen. Ein Teil von mir fehlt, den ich noch gar nicht kannte, gar nicht wahrgenommen habe. Als habe jemand die Uhr zu einem Punkt zurückgedreht, an dem ich Eva noch nicht kannte und Artjom nicht mehr war als Name. Ich fühle mich wieder wie der junge, unbeschwerte Mann, der voller Tatendrang in die Welt hinauszog, und doch schwingt dabei etwas mit, dass sich erst jetzt ein Teil von mir ist.
Ein Lügner. Ich bin ein Lügner.
Und ich fühle mich unglaublich betrogen.
„Bruder, jetzt hol mal tief Luft. Dein Sohn ist ein kluger Bursche. Sicherlich versteckt er sich, bis der Sturm weg ist. Du wirst schon sehen. Ihm passiert nichts.“ Aber in seinen Augen sprechen etwas anderes. Auch er lügt. Er weiß, wie die Dinge wirklich stehen.
Ich muss an Ise denken und an Eva. An die Späher. An alles, was der Winter genommen hat. Ich würde eher sterben, als Artjom zu verlieren.
Ich löse mich von ihm und greife nach der Klinke.
Es klopft an der Tür. Ein einziges Mal, hart und kurz.
Die Gespräche verstummen. Die Leute starren Harlan an. Harlan starrt mich an. Meine Hand schwebt über der Klinke, wartet auf eine Entscheidung.
Es klopft erneut. Ich reiße die Tür auf.
Schnee weht herein, blendet mich, nimmt mir die Sicht. Schlagartig wird die Wärme, hinausgezogen, während ich langsam wieder zu sehen beginne.
Im Türrahmen steht ein Mann. Er hat scharfe, kantige Gesichtszüge und blasse Wangen, in denen sich das Licht der Goldfäden spiegelt. Schneeweiße Haare fallen ihm über die Schultern und über einen zerschlissenen Mantel. In der Hand hält er einen kahlen Wanderstock. Frost überzieht seine Fingerkuppen und seine faltigen, alten Hände.
Hinter ihm erscheint Artjom. Er zwängt sich an dem Fremden vorbei und läuft zu mir, während sein unbekannter Begleiter einfach nur dasteht und uns anstarrt. Das Dorf starrt zurück.
„Wer bist du?“, fragt Harlan.
Langsam kommt er auf uns zu. Hinter ihm fällt die Tür ins Schloss. Im Licht der Goldfäden kann ich ihn genau betrachten. Sein Gesicht hat hunderte feine Kanten, wie ein Block Eis, welchen man immer und immer wieder zerkratzt und geformt hat. Schnee löst sich aus seinen Haaren und fällt zu Boden. Eine Gänsehaut jagt mir über den Rücken.
Er öffnet den Mund. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis er spricht, aber es könnten Stunden gewesen sein. Vielleicht auch Tage.
Menschen.
Seine Worte sind überall und nirgends gleichzeitig, hoch und tief, laut und leise. Ein Chor hallt von den Wänden wieder. Er redet mit der Stimme von Tausenden und doch nur mit der eines Einzelnen.
Der Knabe hat mich hierher geführt.
Sein Blick gleitet durch den Raum, bleibt an jedem von uns haften, als wäre unsere Existenz ein pures Wunder. Dunstschwaden bilden sich vor meinem Mund, während über uns der Sturm lauter wird.
Ich kenne diesen Ort
In seiner Stimme schwingt ein Hauch Verwunderung mit. Es mag an mir liegen, aber ich bin mir sicher, dass das Licht der Goldfäden vorhin heller war.
Wo bin ich?
Alle schauen zu Harlan. Harlan starrt zu mir. Ich erwidere etwas, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. Der Wanderer wendet sich mir zu.
„Wanderfels“, huste ich.
Wanderfels.
Er dreht sich zur Tür.
Ich kenne diesen Ort, aber ich weiß nicht, woher. Ich habe es vergessen.
Seine Finger berühren die Tür. Eis bildet sich auf dem Messing und breitet sich aus. Helenas Tochter umklammert ihre Mutter und vergräbt den Kopf in ihrem Schoss. Keiner rührt sich. Über uns tobt der Sturm jetzt in voller Stärke. Ich kann etwas krachen hören, ein Splittern.
Ich kann mich nicht erinnern. Ich hatte längst vergessen, dass ich vergessen habe.
Die Goldfäden werden immer schwächer. Das Eis bedeckt jetzt die ganze Tür.
„Was bist du?“, flüstert Harlan.
Ich weiß es nicht. Nicht mehr.
Er legt den Kopf schief, als dachte er angestrengt nach.
Ich wurde. Ich wurde verbannt. Ich muss etwas suchen.
„Verbannt?“ Es ist Kastor.
Eine Strafe.
„Aber warum?“, frage ich.
Ich weiß es nicht mehr. Es ist längst belanglos geworden.
Der Winter blickt sich um. Seine Hand nähern sich einer der Goldfasern, die sich durch die Wand zieht. Sie flickert, immer und immer wieder, und wird schließlich silbrig. Auf einmal ist es noch ein kleines Stückchen dunkler.
Ich kenne diesen Ort.
Harlan schaut zu mir rüber. Artjom zieht an meinem Ärmel. „Papa kennt die Geschichte. Los, erzähle sie ihm.“
Ausdruckslos wendet sich der Winter mir zu und so erzähle ich ihm dieselbe Geschichte, die ich auch Artjom und seinen Freunden erzählt habe. Ich berichte von einer Katastrophe im Osten, die den Boden zerrissen hat, von den Fragmenten, die jetzt durch die Welt fliegen, von den Goldfäden, die unsere Plattform mit ihrer exotischen Magie zusammenhalten. Ich erzähle auch, wie wir jedes Jahr in die Luft steigen und wie wir versuchen, den Boten zu entfliehen. All das nimmt der Winter schweigend auf und als ich fertig bin, senkt er den Kopf und dreht sich zur Eistür.
Danke.
„Wofür?“
Dass du mich erinnert hast. Ich muss jetzt gehen.
„Warte“, sage ich.
Er dreht sich zu mir um.
„Gibt es mehr? Mehr wie dich?“
Er überlegt.
Das letzte Mal, als ich ihnen begegnete, haben sie mich auf diese Welt geschickt. Ich weiß es nicht.
Dann öffnet der Winter die Tür aus Eis und verschwindet in der Dunkelheit.

Als der Sturm vorbeigezogen ist, bin ich der Erste, der aus der Gruft klettert. Kaum ein Haus steht noch. Die Tonwände sind zersplittert und voller Kratzer und Schnitte, die Baumstämme lädiert. Die meisten Strohdächer sind verschwunden. Stattdessen stapeln sich aufgelöste Fetzen in den Gassen wie Barrikaden. Etwas steht zwischen mir und die Sonne und ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass es schneeweiße Baumwipfel sind. Und sie werden größer.
Dann schlagen wir auf. Ein Wucht zuckt durch den Boden, reißt mich von den Beinen. Wanderfels neigt sich gefährlich scharf nach rechts und bleibt halb schräg auf der Seite liegen. Ich rutsche hinab, über den Marktplatz, aber schaffe es noch rechtzeitig, einen der Silberfaden im Boden zu packen. Jemand schreit. Der Brunnen, der noch eben senkrecht in den Himmel gezeigt hat, liegt jetzt quer und willkürlich. Um mir herum haben die meisten Goldfäden sich in Silber zurückverwandelt, aber stellenweise findet sich in ihnen noch einen Hauch Glanz, was unseren Fall abgemildert hat. Am Horizont kann ich das geschwungene Metall einer gigantischen Kette erkennen.
Wanderfels ist von seiner letzten Reise zurückgekehrt.
„Heilige Scheiße.“ Es ist Harlan. Er springt aus dem Brunnen, rutscht über den Steinboden und kommt wenige Meter neben mir zum Halt. Seine Augen weiten sich, als er den Anker sieht. „Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Häuser auf dem Boden zu bauen. Was meinst du, Bruder?“
Ich nicke.
„Bist du jetzt eigentlich arbeitslos?“
„Keine Ahnung.“ Ich weiß bei bestem Willen nicht, wie es weitergehen soll.

Der Winter kommt nie wieder zurück. Er verschwindet im Osten. Ich weiß nicht, was er gesucht hat und weshalb, aber ich hoffe, er hat es gefunden. Ich bete für ihn, dass diese sinnlose Strafe ein für allemal ein Ende hat.

 

Hab mich mal an Fantasy versucht. Ist meine erste Geschichte in diesem Genre, mal sehen, was dabei rumkommt.
Außerdem bin ich stolz auf mich, mit 25k Zeichen (was, zugegebenermaßen, immer noch lang ist) endlich meine kürzeste Geschichte geschrieben zu haben!

 

Hey @Meuvind,

ich beginne mal damit, was mir sprachlich aufgefallen ist:

Dieses Jahr kommt der Winter aus Westen.
Artjom und ich sind gerade an einem Flusslauf angekommen, als wir ihn sehen.
Ich fänd es fast schöner, wenn du direkt einsteigst: "Artjom und ich sind gerade am Flusslauf angekommen, als der Winter von Westen über die Felder kriecht." Oder so ähnlich. Ich glaube, du weißt, was ich meine. Ohne diesen "Erklärungssatz" am Anfang. Aber das mag Geschmackssache sein, so, wie es im Moment ist, ist das sicher auf nicht verkehrt.

Dort, wo ihr kalter Hauch das Wasser berühren
- berührt

Die Fläche wächst, zersplittert in mehrere Schollen. Der Strom treibt sie an uns vorbei, verteilt sie und reißt sie für kurze Zeit auseinander, aber als mein Blick dem Flusslauf folgt, sehe ich auch dort die Nebelfront. Auf der anderen Seite des Ufers klettert der Frost die Bäume hinauf, verteilt sich in den Ästen und spinnt das Holz in seinen toten Kokon ein.
Diese Beschreibung des (rasant) herankriechenden Winters gefällt mir total.

„Komm, Sohn. Lass uns gehen“, murmle ich ihm zu.
- "murmle ich ihm zu" würde ich streichen. Erschließt sich auch so. Oder, wenn du das Murmeln behalten willst, nur "murmle ich".

während wir einen spärlich erkennbaren Kiesweg emporsteigen
- "spärlich" passt hier nicht so ganz, finde ich. Würde eher an "kaum" oder "schwer" oder sowas denken.

Massive Baumstämme stehen in jeder Ecken eines Hauses
- Ecke

Ein Ring aus silbernen Linien zieht sich einmal um alle Häuser. Je näher wir dem Marktplatz kommen, desto mehr tauchen auf. Sie kommen von allen Seiten, aus Straßen, Gärten und Hinterhöfen, kreuzen sich mit der Linie, der wir folgen, und weben ein dichtes Netz, das immer feinmaschiger wird.
Das verstehe ich nicht. Um jedes Haus zieht sich ein silberner Ring? Oder um die Außengrenzen des Dorfs mehrere Ringe? Und wie können Ringe sich dann durch Straßen ziehen? Ein Ring ist ja immer rund und kann daher auch eigentlich nicht irgendwo hinführen, außer im Kreis. Das musst du mir erklären ...

Alles sind gekommen.
- Alle

Der Winter kommt, aber aus Westen, nicht aus Osten.
- hier fehlen die beendenden Anführungszeichen am Schluss der Aussage

Über dem Abgrund schwebt jetzt die Trümmern der alten Welt
- schweben jetzt die Trümmer

Vier Steingötzen hocken auf einem Altar und beugen sich auf mich herab.
- zu mir

Deine Junge sieht in letzter Zeit sehr geknickt aus.
- Dein

So, das mal ganz sachlich zum Sprachlichen. Ab und zu verfällst du in deinen Dialogen in eine modernere Sprache, dann wieder klingen sie recht mittelalterlich. Ich weiß nicht, ob das so gewollt ist, aber mich hat das an manchen Stellen rausgebracht. Kannst du dir ja noch mal ansehen. Ich finde, das kann ruhig alles ein bisschen moderner klingen, es wird ja auch nicht so ganz klar, zu welcher Zeit es spielt (zumindest mir nicht), aber dann würde ich es stringent so halten.

Inhaltlich finde ich deine Geschichte richtig schön. Wirklich! Mich hat das berührt. Fantasy ist eigentlich nicht so sehr meins, aber dein Text geht für mich auch eher in die Richtung Märchen. Ein melancholisches Wintermärchen. Die Ideen, die du hier verarbeitest, kenne ich so nicht (bin aber auch kein Kenner, muss ich sagen) und mich haben die begeistert (der heranrollende Winter, bzw. die unkontrollierbare Jahreszeit / das abhebende Dorf / die blauen Irrlichter). Ich finde auch die Figuren gut, speziell sogar den Rüpel Harlan. Bei ihm schaffst du es, eine Figur zu zeichnen, die ich rüpelhaft und taktlos, gleichzeitig aber auch einfühlsam finde. Da schlummert mehr in ihm als der Grobian, den er nach außen gibt. Diese Zeichnung des Charakters - und zwar größtenteils aus den Dialogen heraus - hat mir sehr gefallen.

Hab ich wirklich gerne gelesen!
Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo Meuvind,

das ist natürlich eine Geschmacksfrage, aber mir ist das zu harmlos:

„Alle herhören! Sperrt gefälligst eure Lauscher auf, ich will das nicht zweimal sagen müssen!“

Ich erwische eines der Viecher dabei, wie es die Blumen auf meinem Gartenschrein anknabbert, und jage es fort.

Er liegt auf dem Bett, kuschelt mit seinem Plüsch-Feuerschwan und starrt an die Decke.

Das sind kindliche/ kindergerechte Formulierungen und Sichtweisen, so wie man sie tatsächlich bei einer Kindergeschichte vermuten würde. Vielleicht solltest Du Dir ein wenig genauer überlegen, für wen Du schreibst. Denn wenn dann wieder so etwas kommt:

Harlan spuckt auf den Boden. „Elise, die alte Fotze. Sogar Artjoms ausgestopfter Feuervogel hat mehr Gripps als diese Frau. Wie konnte ich das nicht erkennen? Jede Nacht hurt sie sich von einem Kerl zum Anderen, macht mich zum Gespött der Leute. Ich meine, jetzt haben unsere Frauen wenigstens etwas gemeinsam, oder?“ Er lacht ein fieses, dreckiges Lachen. „Leider ist deine tot und meine quietschfidel. Scheiße aber auch.“

Moderne Autoren sind ja sehr erfindungsreich, wenn es darum geht, das Disparate ihrer Texte zu rechtfertigen, aber das hier überschreitet eine Grenze. Also entweder Kuscheltier oder Fotze. Der größte Teil des Textes ist weichgespült wie ein Disney-Film und dann kommen solche Dinger:

In seinem majestätischen Bart klebt Kotze.

Nicht nur mein Sprachgefühl sagt mir, dass das nicht zusammenpasst. Zwar sind das ja die Äußerungen einer Figur, aber trotzdem passen die nicht zum Sound des Textes. Das gilt auch für andere Dialogteile:

„Ach ja, Mister Heilig? Dann sei so gut und erkläre deinem ahnungslosen Bruder mal, was der ganze Bockmist soll.“

Nehmen wir mal Game of Thrones als Beispiel dafür, wie man es richtig macht. Nahezu alles an Games of Thrones ist brutal, unerbittlich, erbarmungslos, ambivalent. Da passt es dann auch, dass die Figuren übel daherreden. Das geht aber nicht in einer Geschichte, die sonst so harmlos ist wie eine Schneeflocke.

Ich finde nicht, dass Du die Geschichte düsterer oder härter machen solltest. Mich persönlich würde sie dann mehr ansprechen, aber das ist eben nur mein Geschmack. Wenn Du einer Kindergeschichte schreiben willst, dann können die Figuren ruhig kuscheln und die Schafe knabbern. Dann darf es Plüsch-Feuerschwäne und diesen ganzen Kinderkram geben. Oder du gehst den anderen Weg und verzichtest auf den Feenstaub.

Ein anderes Problem der Geschichte ist der Aufbau. Du hattest eine Idee im Sinn, verschiedene Szenen und bindest das mehr oder weniger lose zusammen. Ich finde die verschiedenen Motive schon reizvoll, aber mir fehlt da die Stringenz in der Verbindung. Der Winter wird zunächst als Bedrohung inszeniert, aber das löst sich dann ohne Komplikationen auf. Es wird nicht einmal herausgearbeitet, warum der Winter nun diesmal so früh da ist. Oder habe ich was übersehen.

Dann wird ein religiöser Konflikt angedeutet, der kommt aber ebenfalls nicht zum Tragen.

Am Ende hüpft Artjom einem Irrlicht hinterher, das er für seine Mutter hält und die ganze Spannung rührt nur von der Frage her, ob der Junge nun vom Felsen herunter fällt oder nicht. Das ist unbefriedigend.

Als eine Phantasie, die so vor sich hinplätschert kann man das natürlich durchgehen lassen, und Leser, die sich gern in solche Welten flüchten mögen damit zufriedenzustellen sein. Aber für eine Geschichte braucht es mehr Struktur. Der Leser will sehen, wie ein Ereignis ins andere greift, nicht nur chronologisch sondern auch auf der Bedeutungsebene. Du hast aber ein paar lose Fäden, die nur vage miteinander in Zusammenhang gebracht werden können.

Wo liegt der Schwerpunkt der Geschichte? Ich behaupte, sie hat keinen.

Manchmal macht es Sinn, bei der Konstruktion einer Geschichte vom Ende anzufangen. Stell Dir die letzte Szene vor und frage Dich, welche Bedingungen und Entwicklungen dahin führen.

Ich glaube, bei all der Phantasie, die Du hast, wirst Du sicher Möglichkeiten finden, die Dinge mehr ineinander zu verschränken. Jetzt oder in Deiner nächsten Geschichte. Ich wünsche Dir dabei viel Erfolg.


Gruß Achillus

 

Hi, @Meuvind

Ich habe Deine Geschichte heute Mittag schon gelesen und mir dann den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen. Was ich gleich ansprechen werde, haut in die gleiche Kerbe wie das, was @Achillus schon geschrieben hat.

Du schreibst ja selbst:

Außerdem bin ich stolz auf mich, mit 25k Zeichen (was, zugegebenermaßen, immer noch lang ist) endlich meine kürzeste Geschichte geschrieben zu haben!

Das Problem, das ich immer sehr, sehr lang geschrieben habe, hatte ich zu Anfang auch. Und ich sehe das hier auch. Und das liegt in meinen Augen nicht daran (obwohl es für Dich schön einfach wäre), dass die Idee so komplex und langwierig erzählt werden muss. Es liegt nach meinem Empfinden daran, dass die Geschichte einfach VOLL ist.

Was haben wir da? Vater-Sohn-Beziehung, rasch hereinbrechender Winter, ein fliegendes Dorf, eine neu erfundene Religion, die Stellung in der Dorfgemeinschaft, die Winterboten, die tote Mutter, die Seelen, die mit dem Frost kommen ... Das ist viel. Und einiges davon führt zu dem Moment, der für mich der Schlüsselmoment der Geschichte war:

„Der Junge braucht keinen Priester, keine religiöse Bemutterung.“ Harlan stoppt. Langsam und unter schwerster Anstrengung beugt er sich auf und lehnt sich mit dem Oberkörper an den Altar. „Also, kleiner Bruder. Was ich dir eigentlich sagen will, ist, du bist ein Esel.“

Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Es ist ja wirklich seltsam und zugleich herzergreifend, wie der Prot mit seinem Sohn umgeht. Sie sind sich körperlich immer nahe, zugleich merkt man dem Vater seine Distanziertheit an. Und diese Stelle, wo eine Nebenfigur es auf den Punkt gebracht hat, war eine Erleuchtung für mich. Das ist wirklich gut gemacht, Michel! Wirklich.

Aber: Braucht man dafür fliegende Dörfer, Religion, Status im Dorf, Stress mit Ehefrauen? Reichen dafür nicht eigentlich Vater, Sohn, die verstorbene Mutter und die Frostboten? Ich glaube, dass es den Schlüsselmoment schon gibt. Ich glaube nur, dass Du ihn nicht gefunden hast.

Und ich möchte Dir eine Empfehlung geben, die ich zu Anfang immer angewendet habe, bis ich das Gefühl hatte, den Bogen (das mit der Kürze und der Würze) rauszuhaben. Wenn Du Deine Geschichte schreibst, beziehungsweise, vor allem, wenn Du sie überarbeitest, schreib Dir das Thema der Geschichte auf einen Zettel (das sage ich als komplett digitaler Mensch, also mach das mit dem Zettel mal wirklich). Das Thema, am besten ein bis drei Wörter. Zum Beispiel: alleingelassener Sohn. Oder was auch immer nach Deinem Empfinden der Kern der Geschichte ist.

Danach schreibe einen Satz von maximal 15 Wörtern, der die Handlung auf den Punkt bringt. Häng Dir das über Deinen Schreibtisch. Und danach hau erstmal alles aus Deiner Geschichte raus, was nichts zu den maximal 18 Wörtern beiträgt, die auf Deinem Zettel stehen.

Wenn Du das erstmal raushast: Den Kern Deiner Geschichte zu identifizieren und Dich auf ihn zu fokussieren, dann kannst Du Deine Geschichte wieder polstern. Fantasy-Settings leben ja auch ein bisschen vom Worldbuilding. Aber solange Du spürst, dass Du Probleme mit dem Setzen des Fokus' hast (und ich zumindest kriege diese Vibes aus Deiner Geschichte), konzentrier Dich auf den Kern!

Ich kann Dir natürlich nicht versprechen, dass diese Methode für Dich zum Erfolg führt. Ich habe das bei zwei, drei Geschichten durchgezogen und seitdem das Gefühl, dass der rote Faden in meinen Geschichten sichtbarer wird. Zwischenzeitlich wurde mir dann vorgeworfen, zu kalt und reduziert zu erzählen, aber ich denke, das gehörte für mich einfach zum Lernprozess, und die liebevollen Details hole ich jetzt, nachdem ich nicht mehr so große Schwierigkeiten habe, fokussiert zu bleiben, wieder zurück in meine Geschichten. Vielleicht hilft Dir das ja auch. Deshalb möchte ich das gerne mit Dir teilen.

Nochmal ein bisschen was Handfestes:

Dieses Jahr kommt der Winter aus Westen.
Artjom und ich sind gerade an einem Flusslauf angekommen, als wir ihn sehen.

Die ersten beiden Verben in Deinem Text sind "(an-)kommen". Das ist mir sofort aufgefallen, zumal das auch eher ein inhaltsleeres Verb ist. Denn es zeigt ja nicht wirklich, es stellt lediglich fest, dass jemand irgendwie irgendwohin gekommen ist. Ob er dahin geschlichen, gerannt, getrabt, gekrochen ist, bleibt völlig offen. Das zweite "kommen" würde ich also austauschen.

Dort, wo ihr kalter Hauch das Wasser berühren, bildet sich Eis.

Das "berühren" bezieht sich auf "ihr kalter Hauch", was Singular ist, also "berührt" statt "berühren".

Artjoms kastanienbraune Augen werden groß vor Staunen. Aus seinem kindlichen Gesicht ist jede Farbe gewichen.

Warum die Passivkonstruktionen? Erstere: Okay. Wobei ich eher Artjoms Augen weiten sich schreiben würde, aber ich gehöre eher zur konsequenten Zeigen-Front, deshalb ist "Staunen" nichts, was ich schreiben würde. Adjektive halte ich meistens für überflüssig, aber das ist Geschmackssache. Verstehe nämlich, warum andere das machen. Der zweite Satz lässt sich aber verlustfrei aktiver schreiben: Aus seinem kindlichen Gesicht weicht jede Farbe.

Wer kann es ihm verübeln.

Soll das eine Frage sein? :p

Vorsichtig taste ich nach meiner halben Mondhalskette.

Ist die Kette halb oder der Mond? Wenn Letzteres, dann wäre "Halbmondkette" das Wort, das Missverständnisse vermeidet.

Massive Baumstämme stehen in jeder Ecken eines Hauses, die Wände dazwischen aus gebranntem Ton errichtet. Auf den Dächern schützen Strohbündel vor Wind und Wetter. Unser Dorf hat keine Mauern, keine Verteidigungen, keine Tore. Nicht einmal eine richtige Wachmannschaft besitzen wir, aber das ist auch nicht nötig.

Hier verwirrt es mich, dass Du erst ein Haus beschreibst und danach das Dorf. Ich würde ja immer vom Groben ins Feine gehen. Da das Haus auch nie wieder wichtig wird, kannst Du es auch einfach weglassen. Entscheidend sind ja diese Leuchtdinger. Da würde ich mich auch eher drauf konzentrieren. Fokus!

Ich rage aus der Masse heraus wie ein Riese.

Also ... Wie ein Riese? Heißt das, Dein Prot ist eigentlich gar nicht so groß, sondern steht auch auf einem Baumstumpf? Ich würde diesen wie-Nachsatz streichen. Was Du sagen willst, nämlich, dass Dein Prot sehr groß ist (warum auch immer das Dir so ultrawichtig ist, Fokus, hust), kommt auch so raus.

Alle beginnen zu diskutieren, jammern sich und ihre Nachbarn voll damit, dass das doch ein Ding der Unmöglichkeit sei, während Harlan verzweifelt versucht, sich Gehör zu verschaffen.

"jammern sich voll" ist aber voll umgangssprachlich.

Ein letztes Mal ziehen die Jäger in den Wald, kommen aber ohne Beute zurück.

Ääääh ... Sie haben ja kaum noch Zeit, ne? Und gibt es echt so hauptberufliche Jäger in Deinem Dorf, die auch keine Besitztümer sichern müssen, nichts zu tun haben, sodass sie ihre Zeit damit vergeuden können (denn "nochmal eben schnell jagen gehen" ist nach allem, was ich weiß, wahrscheinlich vergeudete Zeit), nochmal eben schnell jagen zu gehen?

Sein Kopf ragt mir bis zum Ellenbogen.

"ragen" impliziert für mich immer ein "über". Ich würde hier "reichen" benutzen.

Ach ja, Mister Heilig?

"Mister"? Das klingt aber wirklich nach 21.-Jahrhundert-Youth. #millenials

Harlan ist der ältere von uns beiden und hatte damit das Privileg, nach dem Tod unseres Vaters der neue Häuptling zu werden. Ich hätte alles tun können, aber ich entschied mich dafür, das einsame Leben eines Wanderpriesters zu führen. Während meiner Abwesenheit hat mein Bruder Elise geheiratet, die Tochter des Metzgers. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als wir beide um sie geworben haben. Eine schöne Frau.

Totales Tell. Stoppt die Handlung. Versuche, so etwas zu vermeiden, Deine Handlung für Erklärbärabsätze zu unterbrechen. Ich behaupte, Du kannst das hier ersatzlos streichen. Trau Deinen Leser/inne/n zu, die Vibes aus der Geschichte aufzufangen. Erklär ihnen nichts, was später auch in Handlung vorkommt. Und wenn Du etwas erklären musst, weil es später nie in der Handlung vorkommt, kannst Du es entweder weglassen (es ist z.B. völlig unerheblich, welches der ältere Bruder ist (Fokus!)) oder Du lässt es in die Handlung einfließen. ;)

Diese Fokussache ist ein bisschen wie ein Shoppingtipp, den ich mal in einem Frauenmagazin gelesen habe: Frag Dich bei jedem Teil, das Du kaufen/beschreiben willst, ob Du das wirklich, wirklich, ganz sicher brauchst. Wenn nicht, dann lass es im Laden/im Kopf.

Damit schließt sich der Kreis, und deshalb höre ich hier auf. Muss nach der nächtlichen Sitzung des Studierendenparlaments noch ein wenig Schlaf nachholen, und ich nehme auch an, das war jetzt erstmal genügend Imput für uns beide. :lol:

Ich würde Dir empfehlen, Dich auf diese herzergreifende Vater-Sohn-Beziehung zu konzentrieren, wie Trauer diese kleine Familie zerfrisst. Das ist eigentlich schon schön gemacht, aber es verschwindet leider ein wenig unter älteren oder jüngeren Brüdern, riesigen Männern, roten Bärten, Glitzerkugeln, den Vieren, fliegenden Felsen und so Kram. Fokus! Make it work!

Und einen schönen Abend.

Fokussierte Grüße,
Maria

 

Hey @Meuvind,

ich habe schon lange keine Fantasygeschichte mehr gelesen, das klassische Zwergen/Elfen-Setting langweilt mich meistens. Ich kann an dieser Stelle also positiv vermerken: Von Zwergen und Elfen handelt deine Geschichte nicht.

Gut hat mir auch deine routinierte Schreibe gefallen, ich behaupte mal, du besitzt schon einiges an Erfahrung.

Komischerweise fand ich die Figur des Harlan interessanter als Deine Hauptfigur. Vielleicht möchte dieser Bärtige Rüpel, dass Du ihm auch eine Geschichte widmest.

So richtig warm werde ich mit der Story leider nicht, jedenfalls nicht so wie sie jetzt ist. Es wird viel aus deiner Fantasy-Welt berichtet und das liest sich auch schön, aber es kommt keine Spannung auf. Ich denke worauf Du hinaus willst ist die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Verwoben in dem Fantasysetting geht sie allerdings ein bisschen unter.

Dummerweise erzähle ich Dir jetzt nichts neues, denn eigentlich haben meine Vorredner schon die wichtigsten Dinge geschrieben. Alles was mir dazu noch einfällt, ist, dass ich beim Lesen ein gutes Gefühl hatte und der Meinung bin, dass Du noch viel mehr bieten kannst, wenn Du die Ratschläge die bisher kamen beherzigst.

Schöne Grüße
Lem Pala

 

Hi @RinaWu,

die sprachlichen Fehler bessere ich aus.

Was diese zwei Sprachstile angeht: Ich wollte einerseits einen gewissen Gossenslang, andererseits aber auch den eines Gebildeten. Tut mir leid, falls ich dabei etwas übertrieben habe. Eines der Beiden werde ich dann stellenweise anpassen.

Inhaltlich finde ich deine Geschichte richtig schön.

Danke.

Diese Zeichnung des Charakters - und zwar größtenteils aus den Dialogen heraus - hat mir sehr gefallen.

Nach meiner letzen KG, in der ich stellenweise einen Mix aus Dialog und Erklärung hatte, habe ich einfach mal versucht, so viel Stoff in Dialog zu packen wie irgendwie möglich. Toll, dass das wenigstens gut hingekommen ist.

Danke fürs Lesen!

Viele Grüße
Michel

Hi @Achillus,

Das sind kindliche/ kindergerechte Formulierungen und Sichtweisen, so wie man sie tatsächlich bei einer Kindergeschichte vermuten würde. Vielleicht solltest Du Dir ein wenig genauer überlegen, für wen Du schreibst. Denn wenn dann wieder so etwas kommt:

Das Gefühl hatte ich auch, zumindest stellenweise. Ich will das Ganze aber nicht wieder in eine total dystopische Richtung drängen, weil es bei mir eigentlich immer daraus hinausläuft. Die Kunst wird es sein, eine härtere, realistischere Welt zu schaffen, in der keine Disneyfiguren herumtollen. aber auch keinen GOT-Abklatsch zu schreiben. Am Besten wird es denke ich, wenn ich den Kontrast Vater / Sohn drastischer mache, den Winter brutaler (vielleicht friert er ja einen der Jäger ein ) und die Beschreibungen dementspechend anpasse. Den der Dialog, zumindest seitens Harlans, gefällt mir perönlich ganz gut.

Nicht nur mein Sprachgefühl sagt mir, dass das nicht zusammenpasst. Zwar sind das ja die Äußerungen einer Figur, aber trotzdem passen die nicht zum Sound des Textes. Das gilt auch für andere Dialogteile:

Hier war die Formulierung bewusst gewählt, als Kontrast. Eigentlich mag ich sie. Ich schaue mal, wie weit ich den Text treibe und überlege dann, ob ich sie weiter behalte.

Nehmen wir mal Game of Thrones als Beispiel dafür, wie man es richtig macht. Nahezu alles an Games of Thrones ist brutal, unerbittlich, erbarmungslos, ambivalent. Da passt es dann auch, dass die Figuren übel daherreden. Das geht aber nicht in einer Geschichte, die sonst so harmlos ist wie eine Schneeflocke.

Haste Recht. Also, brutaleres Setting, ohne zu übertreiben /abzukupfern, und dann nachträglich die Sprache dazu anpassen. Generell ist das vielleicht die beste Vorgehensweise: Erst die Welt zusammenzimmern und nachträglich die Sprache darauf zurechtschneiden.

Ein anderes Problem der Geschichte ist der Aufbau. Du hattest eine Idee im Sinn, verschiedene Szenen und bindest das mehr oder weniger lose zusammen. Ich finde die verschiedenen Motive schon reizvoll, aber mir fehlt da die Stringenz in der Verbindung. Der Winter wird zunächst als Bedrohung inszeniert, aber das löst sich dann ohne Komplikationen auf. Es wird nicht einmal herausgearbeitet, warum der Winter nun diesmal so früh da ist. Oder habe ich was übersehen.

Dann wird ein religiöser Konflikt angedeutet, der kommt aber ebenfalls nicht zum Tragen.

Am Ende hüpft Artjom einem Irrlicht hinterher, das er für seine Mutter hält und die ganze Spannung rührt nur von der Frage her, ob der Junge nun vom Felsen herunter fällt oder nicht. Das ist unbefriedigend.


Das war auch mein größter Sorgenpunkt und er hat voll eingeschlagen. Schön, dass ich wenigstens langsam ein Gespür daran bekomme, was sitzt und was nicht.
Zum Aufbau: Eigentlich sollte es sich nur um den Winter drehen und Artjoms kindliches Verlangen nach seiner Mutter. Dementsprechend viel das Ende komplett anders aus: Der Grund für das Zurückkommen des Winters wird aufgeklärt, Artjom stirbt und der Prot. beschließt, wieder in die Welt zu wandern. Der Haken an der Sache war, dass ich damit den Rahmen einer KG vollständig gesprengt hätte. Der reigiöse Konflikt ist als Ersatz reingerutscht, ist aber leider längst nicht so ausgereift, wie ich gehofft hatte. Am besten entferne ich ihn wieder, widme dem Platz dem Winter und Artjoms Entwicklung. Es wird reichen, wenn ich den Prot. als religiösen Mann darstelle. Dann braucht es auch nicht groß und breit seine Sinneskrise.
Ich weiß, was du meinst. Das Ganze ist ein Mischmasch aus verschiedenen Dingen, die aber nicht untereinander greifen oder zum Höhepunkt kommen, sondern einfach nur vor sich hindümpeln. Aber da kann man ja was machen.

Ich glaube, bei all der Phantasie, die Du hast, wirst Du sicher Möglichkeiten finden, die Dinge mehr ineinander zu verschränken. Jetzt oder in Deiner nächsten Geschichte. Ich wünsche Dir dabei viel Erfolg.

Danke! Mit euch Wortkriegern kann das ja nur was werden!

Viele Grüße
Michel

 
Zuletzt bearbeitet:

Auf der anderen Seite des Ufers klettert der Frost die Bäume hinauf, verteilt sich in den Ästen und spinnt das Holz in seinen toten Kokon ein.
Artjoms kastanienbraune Augen werden groß vor Staunen. Aus seinem kindlichen Gesicht ist jede Farbe gewichen. Wer kann es ihm verübeln. In seinem Alter hatte ich auch eine Heidenangst vor dem Winter. Die Tatsache, dass man ihn nicht stoppen kann, die Machtlosigkeit, mit der man ihm jedes Jahr erneut begegnet, ist eine der härtesten Lektionen, die ich lernen musste. Und das wird er auch.

Hm, jetzt kommt noch einer, der Fantasy weiträumig umgeht (Tolkien bleibt da eine Ausnahme, schließlich hat er die Edda ins Englische übersetzt und wusste, was er tat, schöpfte aus Mythen), was Dich jetzt nicht sonderlich beeindrucken soll,

lieber Michel,
@Meuvind ,

immerhin kam mir der Name „Artjom“ bekannt vor (wenn ich mich recht erinner, hab ich ihn das erste Mal in den bekloppten Geschichten Bas‘ gelesen und weiß nun, dass er zwar russischer Herkunft, aber einen biblischen Vorläufer hat, der hinwiederum durch den Namen der bezaubernden olympischen Artemis bedingt ist.

Wie da nun christliche Orthodoxie mit dieser mosaisch-palästinensischen Sekte zu Zeiten des Imperators Tiberius und die griechische Götterwelt zusammenhängen, grenzt schon ans Wunderbare. So hängt denn alles („irgendwie“ hier zu setzen, wäre geradezu fahrlässig) zusammen und selbst die von Achillus gering geachtete „Schneeflocke“ kann sich zu und/oder in einer Lawine auswachsen … Aber sollten wir nicht statt des Winters langsam die Überhitzung unseres armen Planeten fürchten?

Aber dennoch kann man den Winter weniger sehen als spüren, Niflung (Nebelland) ist unter gegebenen Bedingungen überall. Und dann brech ich fast zusammen unter der Bürde, dass Fantasy zu SF, Science Fantasy in Form einer fliegenden Ortschaft sich wandelt … War das nicht das (T)Raumschiff Orion schon?

Die Luft ist oben halt dünn, je höher, je dünner - und dann geht sie mir aus ... etwa zur Hälfte der Geschichte ...

Gleichwohl – ich schau, wo ich helfen kann. Einiges wurde schon angezeigt, da ginge es nun lustig für mich hin und her, also musstu jetzt mit Doppelungen rechnen, die auch mal von den anderen Hinweisen abweichen. Die Schulgrammatik ist eng, wenn die harte Schulbank verlassen wird, wird‘s bunter, aber keineswegs einfacher mit der Grammatik.

Dort, wo ihr kalter Hauch das Wasser berühren, bildet sich Eis.
„der“ Hauch, Einzahl also „berührt“, die Nebel(schwaden) Mehrzahl, dann aber „die Hauche“ (klingt seltsam, ist aber korrekt)

Das scheint mir das Problem zu sein, die Fälle-Falle, die öfters zuschlägt. Wir werden sehn, aber der Reihe nach

Hier kannstu ein „sie“ streichen

Der Strom treibt sie an uns vorbei, verteilt sie und reißt sie für kurze Zeit auseinander, aber als mein Blick dem Flusslauf folgt, sehe ich auch dort die Nebelfront.

Massive Baumstämme stehen in jeder Ecken eines Hauses, …
Fachwerk kann das nicht sein … Wer weiß das schon.
Aber – jetzt kommt was ganz paradoxes, weit weg von Fantasialand – einige Stämme der Plains zogen es vor, statt der mobilen Tipis Erdbauten in den Boden zu graben, um – das klingt jetzt verrückt – sich vor allem vor Wind und Frost zu schützen ...

Da ist der verflixte Plural schon wieder in der Einzahl

Alles sind gekommen.
Aber ¿Linien? kommen mir spanisch vor - oder ist es - ahoi! - ein böhmisches Dorf?

„Sei still, Bursche.“
Klingt nach mehr als einer Aussage ...

„Artjom und ich haben ihn auch gesehen. Der Winter kommt, aber aus Westen, nicht aus Osten.[“]
„Ihr!“, kreischt die hässliche Helena.

An ihrer Hand klammert sich ein kleines Mädchen fest und guckt mich ängstlich an.

Was bin ich denn für ein Anführer, wenn ich nicht weiß, was um mir herum geschieht?
Mit der Kette weiter oben hat‘s doch geklappt: „um“ verlangt den Akkusativ, sprich „was um mich herum geschieht“

..., stellen wir fest, dass wir längst nicht genug Vorräte haben, um ein halbes Jahr in der Luft zu bleiben. Falls der Winter länger bleibt, …
Der Winter „bleibt“ schöner, wenn er auch mal „dauern“ darf ...
Kommentarlos
Über de[n] Schalen brutzelt, aufgespießt auf einem Stock, ein Feuerschwan.

Nur wenige von uns verlassen Wanderfels, um etwas von der Welt zu sehen, und kaum einer kehrt zurück. Tatsächlich bin ich der Einzige.
Das ist eine Krux mit den Zahlwörtern – wie vorhin den „Meisten“, die der Duden gern klein geschrieben ließe aber – mit der absurden Begründung, die ja jeder sieht – der Substantivierung auch mit Majuskel zulässt.
Aber hier ist unser Erzähler ja nicht der einzige Mensch überhaupt und der „einzige“ ist der, der als einziger die Verlängerung des „kaum einen“ mit Minuskel klein bleibt als Adjektiv. Manchmal ist der Rat für Rechtschreibung nicht besser als die Macher der Steuergesetze …

Und siehe, wir kehren zurück zum Anfang von Ein- und Mehrzahl, die hier

Über dem Abgrund schwebt jetzt die Trümmern der alten Welt, fliegende Plattformen, so …
Eine Welt, aber deren Trümmer!, die zertrümmerte, alte Welt, die „Trümmer“ erzwingt … Und da wirstu zum Wiederholungstäter
… und die Frauen sind schöner als alle, die ich auf meinen Reisen getroffen hat.“
, wenn auch mit andern MItteln und da verspür ich, dass Deine Konzentration weg ist … und meine jetzt auch.

Fazit: Deinen Erstling (unter "Historik"!) find ich gelungen gegenüber diesen Versuch. Vielleicht brauchstu als Hintergrund Fakten statt nackter Fantasie. Ich glaub auch nicht, dass Dir in diesem Fall die Form des Märchens geholfen hätte. Aber was Du vor allem brauchst ist Konzentration!

Tschüss

Friedel,
der ja weiß, dass Du es besser kannst!

 

Gude @Meuvind,

schade, dass noch kein Schnee liegt (wobei ich ehrlich gesagt auch keine Lust aufs Schaufeln habe) - aber mit deiner Geschichte machst du da atmosphärisch einiges wett.
Schön auch:

Gemeinsam sehen wir zu, wie die goldene Linie vor uns ein Loch in den Boden schneidet. Plötzlich stehen wir an einer Kante. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, hebt Wanderfels ab und steigt in die Luft
Ich habe länger keine Fantasy gelesen und das gefällt mir gleich auf Anhieb wieder :shy:
Mein Liebling ist glaube ich der 1. Satz, weil er mich stutzen lässt und irgendwie mystisch klingt. Ich habe mir noch nie vorher überlegt, "woher" der Winter kommt. Finde ich sehr schön.

Zum Aufbau würde ich mich Achillus anschließen (Sprache, Inhaltsfülle/Fokus, Dialoge ...) und habe gesehen, dass du dich schon mit seinen Vorschlägen auseinandergesetzt hast. Da muss ich also gar nicht mehr viel ergänzen, kann aber noch ein paar Beispiele liefern.
Das klingt (für mich unpassend) sehr modern:

„Ach ja, Mister Heilig? Dann sei so gut und erkläre deinem ahnungslosen Bruder mal, was der ganze Bockmist soll.“
Okay. Das ist okay.“

Das klingt doch recht kindergerecht:
Vielleicht ist es ja nur ein Versehen?“
-> Und mich lässt stutzen, dass sie so komisch nachfragen, denn
Alles, das Beine oder Flügel hat, ist schon weit, weit entfernt.
Also das müsste doch der eine oder andere im Dorf schon bemerkt haben. Ich frage mich dann schon, warum ausgerechnet Trunkenbold Harlan die Neuigkeit hat.

Hier die Formulierung:

Unser Dorf hat keine Mauern, keine Verteidigungen, keine Tore.
-> Mauern und Tore sind Verteidigungen - daher würde ich das einfach streichen.

einen verwitterten Brunnen, so alt wie das Dorf selbst.
-> "so alt wie XYZ selbst" klingt sehr mächtig (häufig in Kombination mit der Welt o.Ä.). Alt wie ein Dorf hat für mich nicht viel Gewicht - ich weiß, manche Dörfer gibt es schon eine Weile, aber es klingt einfach (für mich) schwach. Vielleicht könnte man hier darüber nachdenken, ein kraftvolleres Wort für Dorf zu suchen, denn schließlich hat es noch einen magischen Schutzmechanismus.

Zumindest tat sie das mal. Ich wechsle nur noch mit wenigen Gläubigen ein Wort.
-> Hier wollte ich ursprünglich schreiben, dass du das rausnehmen könntest, damit sich der weitere Bezug zum Religionskonflikt selbst darstellt. Aber da schließe ich mich dann auch meinen Vorrednern an: Es braucht ihn nicht so stringent benannt. Deine Idee, ihn als religiösen Mann darzustellen ohne gleich ein Pantheon mit Religionskonflikt einzupflegen, finde ich gut in Bezug auf den Fokus.

gleiten rosa Wolken auf die Abendsonne zu
-> Ich weiß, was du meinst und die Wolken sehen schon manchmal rosa aus ... aber hellrot klingt weniger nach Glücksbärchis :D

„Nein!“ Mein Schrei jagt durch die leere Straße.
-> Der Schrei kommt etwas plötzlich. Da würde ich mir entweder ein längeres Nerven seitens Artjom oder bereits Andeutungen (körperliche Anzeichen) zum kommenden Wutausbruch wünschen.

Und dann:

fällt der Schnee. Tagein, tagaus. Ohne Pause. Hier oben kann er zum Glück nicht liegen bleiben, weil die Goldfäden ihn schmelzen.
Am nächsten Morgen hocke ich im Schnee und ersuche im Stillen die Laute der Götter.
-> Das geht nicht eindeutig zusammen. ;)

Eilig ziehe ich mich an
-> Das sollte früher kommen, parallel zum Geschehen draußen - oder man lässt es weg. Mir geht nämlich die Vorstellung, dass der Sohn einem Irrlicht nachläuft, man sich aber erstmal anzieht (was ja seine Zeit kostet) irgendwie nicht zusammen. Natürlich ist es kalt, aber der Protagonist holt sich doch lieber eine Erfrierung, als durch sein Zögern zu riskieren, dass der Sohn von der Klippe fällt (my guess).

Mal ein eher ungewöhnlicher Post von mir, da ganz viel klein-klein und wenig umfassendes - aber meine Vorredner waren da wirklich schon sehr fleißig.
Ich hätte mir noch zumindest eine Andeutung erhofft, woher diese Linien kommen (würde aber auch wieder weg von dem Kern der Geschichte führen ...). Und zur Länge deiner Kurzgeschichte würde ich sagen, dass du getrost die Erzählung über die "Fliegende Stadt" auslassen kannst. Das ist zwar eine schöne Geschichte, aber für die Story ist es nicht so wichtig, wo er seine Frau aufgegabelt hat (imho) - und sonst hat sie nur den Mehrwert, dass man von noch mehr fliegenden Orten erfährt (aber weiterhin nicht, wie das gelingt).

Hoffentlich trotzdem noch hilfreich grüßt
Vulkangestein

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @TeddyMaria,

schön, dass du reinschaust!

Ich habe Deine Geschichte heute Mittag schon gelesen und mir dann den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen.

Dann habe ich ja zumindest nicht alles falsch gemacht :D.

Und das liegt in meinen Augen nicht daran (obwohl es für Dich schön einfach wäre), dass die Idee so komplex und langwierig erzählt werden muss. Es liegt nach meinem Empfinden daran, dass die Geschichte einfach VOLL ist.

Kann ich so unterschreiben. Wie ich Achillus bereits geschrieben habe, fühlte sich das für mich selbst nicht ganz rund an. Ich habe zu viele Fäden in die Hand genommen, einmal dran gezuckt und dann wieder liegengelassen. In meinem Kopf ist es einfach so, dass aus einer Idee schnell eine ganze Stadt wird. Ich denke einfach größer, als ich aktuell schreiben kann. Vielleicht ist das ja gerade eine der Sachen, die ich irgendwie üben muss.

Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Es ist ja wirklich seltsam und zugleich herzergreifend, wie der Prot mit seinem Sohn umgeht. Sie sind sich körperlich immer nahe, zugleich merkt man dem Vater seine Distanziertheit an. Und diese Stelle, wo eine Nebenfigur es auf den Punkt gebracht hat, war eine Erleuchtung für mich. Das ist wirklich gut gemacht, Michel! Wirklich.

Danke! Ich hatte schon das Gefühl, zu viel zu sagen und den Stoff "zwischen den Zeilen" gewissermaßen wegzunehmen. Gut, dass es aber so passt.

Aber: Braucht man dafür fliegende Dörfer, Religion, Status im Dorf, Stress mit Ehefrauen? Reichen dafür nicht eigentlich Vater, Sohn, die verstorbene Mutter und die Frostboten? Ich glaube, dass es den Schlüsselmoment schon gibt. Ich glaube nur, dass Du ihn nicht gefunden hast.

Das braucht es nicht, sicherlich. Eigentlich spielte die Geschichte auch nur mit den Elementen, die du genannt hast, aber ich war damit irgendwie nicht zufrieden. Ich sollte alles kürzen, was nicht direkt mit dem Konflikt zu tun hat bzw. nicht erforderlich ist zum Verstehen der Welt.

Danach schreibe einen Satz von maximal 15 Wörtern, der die Handlung auf den Punkt bringt. Häng Dir das über Deinen Schreibtisch. Und danach hau erstmal alles aus Deiner Geschichte raus, was nichts zu den maximal 18 Wörtern beiträgt, die auf Deinem Zettel stehen.

Klingt gut. Woher kriegt man solche pädagogischen Lerntipps? :D

Wenn Du das erstmal raushast: Den Kern Deiner Geschichte zu identifizieren und Dich auf ihn zu fokussieren, dann kannst Du Deine Geschichte wieder polstern. Fantasy-Settings leben ja auch ein bisschen vom Worldbuilding. Aber solange Du spürst, dass Du Probleme mit dem Setzen des Fokus' hast (und ich zumindest kriege diese Vibes aus Deiner Geschichte), konzentrier Dich auf den Kern!

Das ist eine verdammt gute Idee. So wie ich mich kenne sollte ich die nächsten Tage aber erstmal lieber die Finger von der Geschichte lassen. Kürzen und aussortieren ist eine Qual, die schafft man nur mit etwas Abstand.

Die ersten beiden Verben in Deinem Text sind "(an-)kommen". Das ist mir sofort aufgefallen, zumal das auch eher ein inhaltsleeres Verb ist. Denn es zeigt ja nicht wirklich, es stellt lediglich fest, dass jemand irgendwie irgendwohin gekommen ist. Ob er dahin geschlichen, gerannt, getrabt, gekrochen ist, bleibt völlig offen. Das zweite "kommen" würde ich also austauschen.

Ist mir gar nicht aufgefallen. Ändere ich in einer Version zusammen mit den Fehlern.

Aus seinem kindlichen Gesicht weicht jede Farbe.

Ich fande passiv toll, weil es ja durch den Winter verursacht wird. Er ändert ja nicht seine Gesichtsfarbe selbst, sondern sie wird durch die Kälte geändert, wird blass, weil sich nur noch Schnee darin "spiegelt". Bin ich mir noch nicht sicher, ich verstehe nämlich deinen Punkt. Ich denke darüber nach.

Ist die Kette halb oder der Mond? Wenn Letzteres, dann wäre "Halbmondkette" das Wort, das Missverständnisse vermeidet.

Ne ne, schon ersteres. Zwischen den Zeilen sollte mitschwingen, dass die andere Hälfte bei seiner Frau ist. Schließlich tastet er jedes Mal danach, wenn sie erwähnt wird.

Also ... Wie ein Riese? Heißt das, Dein Prot ist eigentlich gar nicht so groß, sondern steht auch auf einem Baumstumpf? Ich würde diesen wie-Nachsatz streichen. Was Du sagen willst, nämlich, dass Dein Prot sehr groß ist (warum auch immer das Dir so ultrawichtig ist, Fokus, hust), kommt auch so raus.

Klassischer Fall von Übertreibung :lol:.

"jammern sich voll" ist aber voll umgangssprachlich.

Stimmt, genauso wie das Mister.

Diese Fokussache ist ein bisschen wie ein Shoppingtipp, den ich mal in einem Frauenmagazin gelesen habe: Frag Dich bei jedem Teil, das Du kaufen/beschreiben willst, ob Du das wirklich, wirklich, ganz sicher brauchst. Wenn nicht, dann lass es im Laden/im Kopf.

Da ist keine Frauenmagazine lese, danke für deinen Shoppingtipp! Wieder ein kleines Stück klüger :lol:.

Ich würde Dir empfehlen, Dich auf diese herzergreifende Vater-Sohn-Beziehung zu konzentrieren, wie Trauer diese kleine Familie zerfrisst. Das ist eigentlich schon schön gemacht, aber es verschwindet leider ein wenig unter älteren oder jüngeren Brüdern, riesigen Männern, roten Bärten, Glitzerkugeln, den Vieren, fliegenden Felsen und so Kram. Fokus! Make it work!

Mein klassisches Problem. Man kennt mich.

Liebe Maria, vielen Dank für dein Feedback!

Liebe Grüße
Michel


Hi @Lem Pala,

ich habe schon lange keine Fantasygeschichte mehr gelesen, das klassische Zwergen/Elfen-Setting langweilt mich meistens. Ich kann an dieser Stelle also positiv vermerken: Von Zwergen und Elfen handelt deine Geschichte nicht.

Da ist ja jemand den ganzen Elfen /Zwergen genauso müde wie ich!

Komischerweise fand ich die Figur des Harlan interessanter als Deine Hauptfigur. Vielleicht möchte dieser Bärtige Rüpel, dass Du ihm auch eine Geschichte widmest.

Ich persönlich finde ihn nicht interessanter, aber er lässt leider deutlich mehr Persönlichkeit durchscheinen als der Prot, das stimmt. Kennst du den König aus Disentchantment? Ist ne Netflix-Serie von dem Simpsons-Macher. Irgendwie hat der mich dazu inspiriert :lol: ob noch mal was von Harlan kommt, keine Ahnung. Erstmal muss ich diese Geschichte ans Laufen bringen.

Dummerweise erzähle ich Dir jetzt nichts neues, denn eigentlich haben meine Vorredner schon die wichtigsten Dinge geschrieben. Alles was mir dazu noch einfällt, ist, dass ich beim Lesen ein gutes Gefühl hatte und der Meinung bin, dass Du noch viel mehr bieten kannst, wenn Du die Ratschläge die bisher kamen beherzigst.

Egal, ich habe sowieso erstmal genug, das ich umsetzten kann. Es freut mich, dass es dir aber wenigstens weitesgehend gefallen hat.

Liebe Grüße
Michel

 

Hallo @Meuvind,
ich bekomme in Deiner Geschichte die Sprachebenen nicht auf die Reihe, muss ich ehrlich sagen und das ist einer der Gründe, warum es für mich nicht geschlossen wirkt. Die Dialoge sollen wohl einen naturalistischen Ton anschlagen, das geht aber nicht einher mit dem raunenden Ton, in dem die Erzählung gehalten ist.
Vorher schon in etlichen Dialogen, aber dann zum Beispiel in dieser Aussage:

Vermutlich will er nur etwas trinken oder muss auf Toilette
Die Wendung "auf Toilette" kann ich da einfach nicht einordnen, das stört massiv, außer es wäre eine Karikatur, was natürlich lustig wäre. Nach Monty Python-Art, bei denen die hehren Figuren durch den Alltagskontext entthront werden. Aber das ist ja nicht intendiert in Deinem Text. Also, da klemmt für mich einfach die Sprachebene, wie gesagt.
Das andere ist, dass die Story sich sehr vieler Themen annimmt, die dann in der Kürze ihre Wirkung nicht entfalten können. Da könnte man jetzt fünf oder sechs Konflikte aufzählen, die Mensch-Natur, Mensch-Mensch, Mensch-Gott behandeln und das auch noch in Unterpunkten. Das führt in einer Geschichte dieser Länge zwangsläufig dazu, dass man den Kern der Sache nicht mehr genau definieren kann. Irgendwas ist da mit einem fliegenden Dorf, daran ist der Winter schuld, den manche den vier Göttern zuschreiben, andere aber daran zweifeln und der kommt in drei Gestalten und im letzten sind Irrlichter, die dann ... Die Geschichte muss dann auch notwendigerweise Erklärungen dazwischenschalten, die bei einer Fokussierung auf ein oder weniger Problem(e) für mich völlig in Ordnung sind, aber hier wegen der vielfältigen Aufgaben, die bewältigt werden müssen, informativ wirken wie Straßenschilder.
Grundsätzlich finde ich Fantasy-Geschichten interessant, wenn sie wie Märchen archetypische Figuren aufstellen, die Urängste vertreten, die seltsame Dinge tun, die man aber mit den Schlüsseln der Analyse etnschlüsseln kann. Den Schlüssel finde ich hier nicht. Das fliegende Dorf, das vor dem Winter flieht, die silbernen oder goldenen Schneeschmelzheizschlingen, die vier Gottheiten, die junge Frau, die dann stirbt, seine Spiritualität, die der saufende Bruder bekritelt. Also, ich kann mir keinen Reim drauf machen, fürchte ich. Andere hingegen schon, und das ist ja auch gut so.
Ein paar Sachen aufgelesen:
Über dem Schalen brutzelt
Als ich mit Eva und Artjom zurückgekehrt bin, habe ich befürchtet, die Leute würden meinen Sohn behandeln wie einen Aussätzigen.
Sein Atem reicht nach Bier.
In manchen Jahren ist hatten wir so
Herzliche Grüße
rieger

 

Hab mich mal an Fantasy versucht. Ist meine erste Geschichte in diesem Genre, mal sehen, was dabei rumkommt.
Außerdem bin ich stolz auf mich, mit 25k Zeichen (was, zugegebenermaßen, immer noch lang ist) endlich meine kürzeste Geschichte geschrieben zu haben!

Hallo @Meuvind
für einen ersten Versuch in einem unbekannte Gerne finde ich die Geschichte recht fein, was mich aber nicht daran hindert einige Einwände vorzubringen.
Du erzählst sehr langsam, romanmäßig, klar passiert einiges (der Winter naht, woa, woher kenn ich das?), aber der ganz große Glitzerknaller bleibt aus, während du dich ausgiebig an gängigen Genre-Motiven und Topen (sagt man das so?) bedienst. Trotzdem: Fantasie, eine Menge davon, erkenne ich und du könntest ruhig mehr davon sozusagen zulassen, damit der Text markanter wird, mehr von den goldenen Fäden, dem emporgehobenen Dorf, so was eben. Fabulieren kannst du jedenfalls.
Die Dialoge klingen teilweise unentschlossen, manche archaisch, andere moderne Umgangssprache, sonst liest sich der Text flüssig.

verteilt sich in den Ästen und spinnt das Holz in seinen toten Kokon ein.
tot brauchst du im gründe nicht.

Die Tatsache, dass man ihn nicht stoppen kann, die Machtlosigkeit, mit der man ihm jedes Jahr erneut begegnet, ist eine der härtesten Lektionen, die ich lernen musste.
schon mal was von Erderwärmung gehört? :lol:

„Hab Demut, Bruder. Es ist nicht unser Recht, die Götter und ihre Werke zu verstehen. Wenn es ihnen danach steht, werden sie uns ihren Sinn offenbaren. Aber nicht vorher.“
hier so ein Beispiel (siehe oben)

Ich kann das Flüstern der Blätter hören, kann hören, wie die Bäume sich gegenseitig zusäuseln
schönes Bild :Pfeif:

Über dem Abgrund schweben jetzt die Trümmern der alten Welt, fliegende Plattformen, so wie unser Dorf, aber viel, viel größer.“
Trümmer

In manchen Jahren ist hatten wir so viel Tauwasser, dass sich an den Kanten Wasserfälle gebildet haben.
ist)hatten

Es wird still in Wanderfels. Die Götter schweigen weiter.
tja, die Götter schweigen schon ganz schön lange...

Liebe Der-Wind-jagt-über-die-Welt-Kälte-und-Winter-nahen-wenn-die-Winterzeit-beginnt-Grüße
Isegrims

 

Hi @Friedrichard,

Hm, jetzt kommt noch einer, der Fantasy weiträumig umgeht (Tolkien bleibt da eine Ausnahme, schließlich hat er die Edda ins Englische übersetzt und wusste, was er tat, schöpfte aus Mythen), was Dich jetzt nicht sonderlich beeindrucken soll,

Schlimm, schlimm. Dieser lümmelhafte Amateur. Tatsächlich habe ich in meiner lokalen Bücherei mal ein Buch gesehen, dass die Sagen- und Legendenelemente von Tolkiens Herr der Ringe analysiert und auf ihre Urspünge zurückführt. Vielleicht ist das Ganze ja mal einen Blick wert.

Aber sollten wir nicht statt des Winters langsam die Überhitzung unseres armen Planeten fürchten?

Jede Zeit hat ihre Probleme :shy:.

Das scheint mir das Problem zu sein, die Fälle-Falle, die öfters zuschlägt. Wir werden sehn, aber der Reihe nach

Ja, das kommt öfter vor. Meistens schmeiße ich Formulierungen nach mehrmaligem Lesen wieder hin und her, tetste aus, was mir eher zusagt. Da kann es dann vor lauter Blindheit vorkommen, dass Fragmente versteckt bleiben...

Aber – jetzt kommt was ganz paradoxes, weit weg von Fantasialand – einige Stämme der Plains zogen es vor, statt der mobilen Tipis Erdbauten in den Boden zu graben, um – das klingt jetzt verrückt – sich vor allem vor Wind und Frost zu schützen ...

Tatsache. Vielleicht verirren sich ja einige dieser Häuser in meine Geschichte...

Der Winter „bleibt“ schöner, wenn er auch mal „dauern“ darf ...

Hier hatte ich bleibt, weil er ja nicht mit der Zeit, sondern um die Welt wandert. Mal sehen, was daraus wird.

Fazit: Deinen Erstling (unter "Historik"!) find ich gelungen gegenüber diesen Versuch. Vielleicht brauchstu als Hintergrund Fakten statt nackter Fantasie. Ich glaub auch nicht, dass Dir in diesem Fall die Form des Märchens geholfen hätte. Aber was Du vor allem brauchst ist Konzentration!

Das trifft es ganz gut. Ich mag Historik, aber eher zum Lesen, nicht zum Schreiben. Mal sehen, wohin mich die Genre-Winde treiben. Irgendwann werde ich schon Anker an einem Ort setzen, der mir zusagt.

Liebe Grüße und vielen Dank für deine (wie immer) lehrreichen Eindrücke!
Michel

Hi @Vulkangestein,

Mein Liebling ist glaube ich der 1. Satz, weil er mich stutzen lässt und irgendwie mystisch klingt. Ich habe mir noch nie vorher überlegt, "woher" der Winter kommt. Finde ich sehr schön.

Tatsächlich habe ich vor einer Weile den ersten Satz und die Beschreibung des heranrollenden Winters geschrieben und jetzt, zur Challenge-Zeit, wieder ausgepackt und ausgebaut. Vielleicht ist das deswegen alles noch nicht sehr stimmig. Aber ich habe mich bereits ans Werk gemacht. Das Ende ist vollkommen weg, mehrere Szenen dazwischen auch. Der Fokus liegt jetzt auf dem Winter, dessen Konsequenzen für das Dorf. Das Persönliche werde ich versuchen, dazwischen zu fädeln.

Also das müsste doch der eine oder andere im Dorf schon bemerkt haben. Ich frage mich dann schon, warum ausgerechnet Trunkenbold Harlan die Neuigkeit hat.

Das ist eine verdammt gute Frage :D dafür brauche ich noch eine Antwort. Harlan hat die Neuigkeit aber, weil er der Anführer ist. Ist seine Pflicht, das offiziel zu verkünden.

-> Mauern und Tore sind Verteidigungen - daher würde ich das einfach streichen.

Ich dachte an Verteidigungen im Sinne von Fallen und so. Mache ich deutlicher.

-> "so alt wie XYZ selbst" klingt sehr mächtig (häufig in Kombination mit der Welt o.Ä.). Alt wie ein Dorf hat für mich nicht viel Gewicht - ich weiß, manche Dörfer gibt es schon eine Weile, aber es klingt einfach (für mich) schwach. Vielleicht könnte man hier darüber nachdenken, ein kraftvolleres Wort für Dorf zu suchen, denn schließlich hat es noch einen magischen Schutzmechanismus.

Stimme ich auch zu. Das kommt dann doch sehr abgetreten daher.

-> Ich weiß, was du meinst und die Wolken sehen schon manchmal rosa aus ... aber hellrot klingt weniger nach Glücksbärchis :D

Uhm:lol:.... Crossover incoming. Ne, bloß nicht.

-> Das geht nicht eindeutig zusammen. ;)

Hab ich auch gemerkt.

Mal ein eher ungewöhnlicher Post von mir, da ganz viel klein-klein und wenig umfassendes - aber meine Vorredner waren da wirklich schon sehr fleißig.
Ich hätte mir noch zumindest eine Andeutung erhofft, woher diese Linien kommen (würde aber auch wieder weg von dem Kern der Geschichte führen ...). Und zur Länge deiner Kurzgeschichte würde ich sagen, dass du getrost die Erzählung über die "Fliegende Stadt" auslassen kannst. Das ist zwar eine schöne Geschichte, aber für die Story ist es nicht so wichtig, wo er seine Frau aufgegabelt hat (imho) - und sonst hat sie nur den Mehrwert, dass man von noch mehr fliegenden Orten erfährt (aber weiterhin nicht, wie das gelingt).

Ich habe mal den Anfang einer Geschichte geschrieben, die in eben solcher Stadt spielt. Daher auch die Idee mit der Plattform. Ich wollte die Erzählung drin haben, weil ich sie vielleicht ja noch einmal fertig schreibe und das sich dann überschneiden kann. Mal sehen. Gekürzt ist es auf jeden Fall bereits in der Fassung, die ich gerade erstelle.

Vielen lieben Dank für deine Eindrücke!

Liebe Grüße
Michel

 

Hi @rieger,

ja, das mit den Sprachebenen ist noch so eine Sache. Ich habe bereits ein paar Sachen verändert, andere ganz rausgenommen, aber noch will es sich nicht ganz rund anfühlen. Ich persönlich finde, dass der Gossenslang, der teilweise in den Dialogen rüberkommt, eigentlich fein zu dem Szenario passt. Aber manche Sachen wollen nicht mit Fantasy einhergehen. Toilette, z.B....

Das andere ist, dass die Story sich sehr vieler Themen annimmt, die dann in der Kürze ihre Wirkung nicht entfalten können. Da könnte man jetzt fünf oder sechs Konflikte aufzählen, die Mensch-Natur, Mensch-Mensch, Mensch-Gott behandeln und das auch noch in Unterpunkten. Das führt in einer Geschichte dieser Länge zwangsläufig dazu, dass man den Kern der Sache nicht mehr genau definieren kann. Irgendwas ist da mit einem fliegenden Dorf, daran ist der Winter schuld, den manche den vier Göttern zuschreiben, andere aber daran zweifeln und der kommt in drei Gestalten und im letzten sind Irrlichter, die dann ... Die Geschichte muss dann auch notwendigerweise Erklärungen dazwischenschalten, die bei einer Fokussierung auf ein oder weniger Problem(e) für mich völlig in Ordnung sind, aber hier wegen der vielfältigen Aufgaben, die bewältigt werden müssen, informativ wirken wie Straßenschilder

Da bist du nicht der Erste. Ich wollte einfach zu viel Stoff auf zu wenig Papier. Ich plane, ein paar der Sachen, z.B. der Mensch-Natur-Sache, zu streichen. Das Ende kommt komplett weg, stattdessen wird die ganze Geschichte länger und bekommt mehr Raum, damit die Konflikte besser auf den Punkt kommen. Ob mir das so gelingt, das ist natürlich eine andere Sache, aber so ist zumindest der Plan.

Grundsätzlich finde ich Fantasy-Geschichten interessant, wenn sie wie Märchen archetypische Figuren aufstellen, die Urängste vertreten, die seltsame Dinge tun, die man aber mit den Schlüsseln der Analyse etnschlüsseln kann. Den Schlüssel finde ich hier nicht. Das fliegende Dorf, das vor dem Winter flieht, die silbernen oder goldenen Schneeschmelzheizschlingen, die vier Gottheiten, die junge Frau, die dann stirbt, seine Spiritualität, die der saufende Bruder bekritelt. Also, ich kann mir keinen Reim drauf machen, fürchte ich. Andere hingegen schon, und das ist ja auch gut so.

Ich finde archetypische Figuren gut als Anhaltspunkt. Man hat so Motive, Urängste, Wünsche, die jeden Charakter vordefinieren. Aber als endgültige Figur, finde ich, passen sie eben nur in Märchen.

Vielen Dank für deine Eindrücke

Viele Grüße
Michel

Hi @Isegrims,

Du erzählst sehr langsam, romanmäßig, klar passiert einiges (der Winter naht, woa, woher kenn ich das?), aber der ganz große Glitzerknaller bleibt aus, während du dich ausgiebig an gängigen Genre-Motiven und Topen (sagt man das so?) bedienst.

Jup. Das ist richtig. Das ist den viel zu vielen und nicht recht zueinander passen wollenden Konflikten geschuldet. Ich komme einfach nicht auf den Punkt. Man könnte sagen, ich sehe vor lauter Raketen den großen, finalen Glitzerknaller nicht. Das ich langsam erzähle stimmt auch, aber das wird auch so bleiben. Man hat halt irgendwie seinen Stil und obwohl er Unmengen an Platz verschlingt, schreibe ich gerne "träge".

Die Dialoge klingen teilweise unentschlossen, manche archaisch, andere moderne Umgangssprache, sonst liest sich der Text flüssig.

Ja, die unterschiedlichen Ebenen. Achillesferse Nummer Zwei. Hab ich aber mittlerweile schon ne ganze Menge zu gesagt, wird sich mit der nächsten Version ändern.

schon mal was von Erderwärmung gehört? :lol:

Ich hatte mit den Winter als eine Art Zone vorgestellt, wie ein Sturm, der einfach munter durch die Welt wandert. Erderwärmung, pfff. Wo kommen wir denn da hin? Sci-Fi? :lol:

tja, die Götter schweigen schon ganz schön lange...

War bisher nur ne Randinfo. Hab aber vor, das noch wichtiger zu machen.

Vielen Dank für dein Feedback

Liebe Grüße
Michel

 

Moin, moin @Meuvind,

nun hab ich doch glatt die "falsche" Geschichte ausgedruckt und mit in die Badewanne zum Lesen genommen, Im Kopf war ich am auf dem Mond. Trotzdem kriegst Du natürlich auch zu dieser Geschichte einen Leseeindruck, obwohl ich Deinen Kommentaren entnehme, das Du noch mächtig dran schraubst. Aber das Ziel, alle Challenchebeiträge zu lesen und möglichst zu kommentieren ist echt schwer einzuhalten ...

Dieses Jahr kommt der Winter aus Westen.
Artjom und Ich wandern
Ich liebe erste Sätze und Titel, und Dein erster Satz ist für mich wirklich gut, denn meine Erinnerung lautet "Osten", also stutze ich und bin neugierig. Der Titel, tja, nicht so wirklich, passt schon, aber irgendwie nichtssagend, schau doch noch mal ...
Und auch wenn ich mich jetzt als dumm oute, warum ist das ich großgeschrieben?

Vorsichtig taste ich nach meiner halben Mondhalskette.
Ich glaube es wurde schon erwähnt, aber ich falle auch im ganzen Text darüber. Meinst du einen halben Mond (also ehemals Ganz, jetzt trägt jeder einen Halben als Anhänger (wahrscheinlich ja seine verstorbene Frau)? Da müsstest Du noch mal ran.

Massive Baumstämme stehen in jeder Ecke eines Hauses, die Wände dazwischen aus gebranntem Ton errichtet. Auf den Dächern schützen Strohbündel vor Wind und Wetter. Unser Dorf hat keine Mauern, keine Verteidigungen, keine Tore. Nicht einmal eine richtige Wachmannschaft besitzen wir, aber das ist auch nicht nötig. Ein Ring aus silbernen Linien zieht sich einmal um alle Häuser. Je näher wir dem Marktplatz kommen, desto mehr tauchen auf. Sie kommen von allen Seiten, aus Straßen, Gärten und Hinterhöfen, kreuzen sich mit der Linie, der wir folgen, und weben ein dichtes Netz, das immer feinmaschiger wird.
Ich mag Deine Beschreibungen, ein, zwei ganz konkrete Stellen würde ich schön finden. Auf die Linien muss man sich halt einlassen - ist halt Fantasie.

„Jetzt ist sein nackter Schädel runzeliger als ein Kürbis.
„Alle herhören! Sperrt gefälligst eure Lauscher auf, ich will das nicht zweimal sagen müssen!“ Er räuspert sich und blickt mit zusammengekniffenen Augen durch die Menge,
Sorry, ich hab gestern Kürbis geschnitzt - die waren alle glatt und prall wie ein Babypopo, für mich bräuchte es hier schon ein "alt" oder ähnliches.
Mh, schaut er wirklich durch sie hindurch, finde ich unpräzise. Über oder in vielleicht?

An ihrer Hand klammert sich ein kleines Mädchen fest und guckt mich ängstlich an.
ein Streichkanditat?

In ein paar Stunden ist er hier.“
Heu verladen, Felder abernten, Angeln und Jagen? mach lieber etwas mehr drauf, sonst müsstest Du ihnen wohl noch ein paar Hexenkräfte mehr verleihen

„Du und dein lächerliches Priestergehabe. Ich sag dir mal was. Ich hab es satt, ihr Idiot zu sein. Was bin ich denn für ein Anführer, wenn ich nicht weiß, was um mir herum geschieht?
Hier hakt es für mich, ich glaube der Bezug stimmt nicht ganz. Ich beziehe "ihr" auf "Priestergehabe" und muss zurück beim Lesen. Dann ist es klar. Vielleicht "Priesterverein, Priestergesocks" oder ähnliches?

„Ein bisschen mehr Vertrauen in sie wäre dumm!“
Ich mag den Harlan, wilder, widerspenstiger Kerl. Und so herrlich direkt.

Wir setzen gleich Anker. Lass uns gehen.“
Hierüber denke ich schon seit gestern Abend nach. Ja, sie verankern sich, aber doch erst, nachdem sie in die Luft gehen, oder. Also eigentlich sind sie verankert und lösen dann etwas? Mit gefällt aber schon der "falsche Einsatz", man kommt so schön ins denken über Deine Welt, aber eigentlich geht es in Deiner Geschichte ja um was ganz anderes, also unnütze Ablenkung?

Ich war gerade in einem Gespräch mit Kastor, da umringen mich Artjom und seine Freunde. „Erzählst du uns eine Geschichte?“
Du siehst, ich hab nur Kleinkram, aber hier finde ich die Formulierung unschön (sorry, meine Geschichtete strotzt vor sowas und ich traue mich so etwas zu sagen. Aber ich gebe ja die Hoffnung nicht auf, das ich durch das Kommentieren auch dazu lerne)
Vielleicht: Mitten in meinem/einem Gespräch mit Kastor umringen mich ... (okay, wohl auch nicht besser?)

Eine Meute Halbwüchsiger krabbelt übereinander und umringt mich, während sie mit großen Augen allem folgen, das über meine Lippen kommt
Ich nehme an, Du wolltest das alte "hängen an meinen Lippen" vermeiden, aber so hab ich ein ziemlich lustiges Bild vor Augen

Die Fischer in Baltmoor behaupten, sie wären die verlorenen Seelen all jener, die der Winter genommen hat, und dass sie jetzt dazu verdammt wären, auf ewig mit ihn zu wandern.“
Schöne Idee von Dir, ich kann die Sehnsucht der beiden spüren.

„Ach was.“
„Doch! Was wäre, wenn-“
„Nein!“ Mein Schrei jagt durch die leere Straße. Schnell schaue ich mich um, aber wir sind alleine. Ich senke die Stimme und bücke mich zu Artjom herab. „Schlag dir diesen Unsinn aus dem Kopf, Bursche. Der Winter kommt zurück, weil die Götter es so wollen, verstanden?“
„Aber denkst du nicht-“
„Nein!“
Er senkt den Kopf.
Nicht sehr empathisch der Gute, was? Den "Schrei" würde ich abmildern, so stutzt man über die Reaktion.

Zum Abschied starrt Artjom wieder an die Decke.
Da ist gar kein Abschied, lass ihn doch einfach rausgehen und es beobachten.

„Nein, Holzkopf. Nicht die Art von Zeit.“ Er seufzt. „Heilige Scheiße. Ich kann nicht glauben, dass wir dieses Gespräch gerade führen.“
Finde ich prima gemacht, wie Du die andere Seite von Deinem bärbeißigen Bürgermeister zeigst. Ich mag den total!

Plötzlich wünschte ich, ich wäre gar nicht hier. Könnte ihm einfach nur zusehen.
Warum will er einfach nur zusehen? Habe ich etwas überlesen?
Ach ja, das erst anziehen hat mich auch verwirrt. Sch... auf Erfrierungen, er will sein Kind retten ...

„Ja.“ Ich greife ihn und nehme ihn auf den Arm, presse ihn fest an meine Brust. Sein Kopf vergräbt sich in meiner Schulter. Meine halbe Mondkette bleibt kalt und starr.
Hier glaube ich, wäre ein ! durchaus angebracht, ich lese es nach Deiner tollen Beschreibung des Tanzes mit dem Irrlicht und er ausgestandenen Gefahr jedenfalls so.
Warum bleibt die Mondkette kalt? War sie es nicht? Schade ...
Mist, jetzt hab ich zuviel gelöscht. Irgendwo steht "Backen", es werden wohl eher seine Wangen sein, die ganz rot sind.

Artjom und ich stehen an der Kante, als das Wasser ins Tal hinunterstürzt, halten Hände, als das Irrlicht verschwindet, und sind noch immer zusammen, als der Tag über uns hereinbricht.
Ich mag offene Enden, hier natürlich zur Challenge passend - Was dann?

Ich habe Deine Geschichte wirklich gerne gelesen, muss mich aber auch den Kritikern anschließen, das Du Dich etwas verzettelst. Aber Schade um die schönen Details, irgendwas wird da wohl dem Bleistift zum Opfer fallen ...
Ich schaue auf alle Fälle nach der Bearbeitung nochmal rein, bin gespannt
Beste Wünsche
witch

 

Hi @greenwitch,

schön, dass du dich "hierher verirrt" hast :D.

Ich liebe erste Sätze und Titel, und Dein erster Satz ist für mich wirklich gut, denn meine Erinnerung lautet "Osten", also stutze ich und bin neugierig. Der Titel, tja, nicht so wirklich, passt schon, aber irgendwie nichtssagend, schau doch noch mal ...
Und auch wenn ich mich jetzt als dumm oute, warum ist das ich großgeschrieben?

Den Titel, damit bin ich auch noch nicht ganz zufrieden. Eigentlich sollte er nur Boten des Winters lauten, aber da sich der Fokus der Handlung verschoben hat, passt er nicht mehr. Wird vermutlich geändert, wenn ich den Plot für die Überarbeitungn endlich mal auf die Kette kriege.
Und ne, das ich wird ziemlich sicher klein geschrieben. Wieder einer der kleinen, gut versteckten Fehler.

Ich glaube es wurde schon erwähnt, aber ich falle auch im ganzen Text darüber. Meinst du einen halben Mond (also ehemals Ganz, jetzt trägt jeder einen Halben als Anhänger (wahrscheinlich ja seine verstorbene Frau)? Da müsstest Du noch mal ran.

Genau das meinte ich. Da sich in der neuen Version aber der Fokus ändert, fliegt die Kette wahrscheinlich raus. Zumindest so weit der Plan.

Sorry, ich hab gestern Kürbis geschnitzt - die waren alle glatt und prall wie ein Babypopo, für mich bräuchte es hier schon ein "alt" oder ähnliches.
Mh, schaut er wirklich durch sie hindurch, finde ich unpräzise. Über oder in vielleicht?

Komisch. Die Kürbise in in dem Restaurant, wo ich arbeite, sind total faltig :lol: vielleicht ist eine andere Beschreibung besser.
In die Menge geht, klingt aber so, als würde er nur einen Punkt ansehen. Zumindest für mich. Über die Menge, mh. Vermutlich ändere ich besser denSatz, so was sie "Blick schweift durch die Menge".

Heu verladen, Felder abernten, Angeln und Jagen? mach lieber etwas mehr drauf, sonst müsstest Du ihnen wohl noch ein paar Hexenkräfte mehr verleihen

Gute Idee. Viel länger darf es aber gar nicht werden, sonst schneidet mir das in einen Handlungsstrang, der neu dazu kommt.

Hier hakt es für mich, ich glaube der Bezug stimmt nicht ganz. Ich beziehe "ihr" auf "Priestergehabe" und muss zurück beim Lesen. Dann ist es klar. Vielleicht "Priesterverein, Priestergesocks" oder ähnliches?

Das ihr sollte sich eigentlich auf Götter beziehen, auf die Vier. Ich schreibe das besser aus.

Hierüber denke ich schon seit gestern Abend nach. Ja, sie verankern sich, aber doch erst, nachdem sie in die Luft gehen, oder. Also eigentlich sind sie verankert und lösen dann etwas? Mit gefällt aber schon der "falsche Einsatz", man kommt so schön ins denken über Deine Welt, aber eigentlich geht es in Deiner Geschichte ja um was ganz anderes, also unnütze Ablenkung?

Der Gedanke war, dass der Anker fest im Boden sitzt. Wenn man dann der Kette etwas "Luft" gibt und die Fäden anfangen zu heizen, treibt die Plattform auf und mit dem Wind. Je nachdem, wie es mit dem Winter und der Nahrung steht, könnte man dann den Anker einholen und sich vom Wind treiben lassen. So weit die Idee. Das es um etwas anderes geht, klar, die eigentliche Handlung ist das jetzt nicht.

Du siehst, ich hab nur Kleinkram, aber hier finde ich die Formulierung unschön (sorry, meine Geschichtete strotzt vor sowas und ich traue mich so etwas zu sagen. Aber ich gebe ja die Hoffnung nicht auf, das ich durch das Kommentieren auch dazu lerne)
Vielleicht: Mitten in meinem/einem Gespräch mit Kastor umringen mich ... (okay, wohl auch nicht besser?)

Kommt auf die Na-Ja-mal-sehen-wie-ich-das-löse-Liste. Ist auf jeden Fall aufgeschrieben :thumbsup:.

Nicht sehr empathisch der Gute, was? Den "Schrei" würde ich abmildern, so stutzt man über die Reaktion.

Ich wollte so eine von 0 auf 100-Reaktion. Klar, kommt sehr plötzlich und vielleicht nicht glaubwürdig. Aber das Element ist ja eigentlich, zu zeigen, dass der Prot. sich vollkommen auf die Götter stützt, in allem irgendwie ihr Handeln sieht und es nicht ertragen kann, wenn man sie und ihn selbst in Frage stellt. Insbesondere, wenn der eigene Sohn etwas fragt, was der Prot. selbst nicht verstehen kann....

Warum bleibt die Mondkette kalt? War sie es nicht? Schade ...

Hab ich lange überlegt. Tatsächlich fände ich es zwar schön, aber auch unfassbar kitschig, sollte die Kette wirklich zu leuchten, heizen beginnen, e.c. Hab aber bereits eine neue Idee, die kommt dann in die neue Fassung.

Ich habe Deine Geschichte wirklich gerne gelesen, muss mich aber auch den Kritikern anschließen, das Du Dich etwas verzettelst. Aber Schade um die schönen Details, irgendwas wird da wohl dem Bleistift zum Opfer fallen ...
Ich schaue auf alle Fälle nach der Bearbeitung nochmal rein, bin gespannt

Super! Freut mich, dass es dir doch gefallen hat!

Liebe Grüße
Michel

 

Hallo Meuvind,

erstmal: großes Lob für den Titel. Der gefällt mir sehr. Ein weiteres Lob gibt es für die starke Idee mit den treibenden Städten, den Energielinien. Das mochte ich sehr, weil du nicht ins Übererklärende abdriftest, sondern das einfach so hinstellst.

Zur Sprache hat Achillus schon was gesagt. Ich schlage da in die gleiche Kerbe. Diese Vulgäre, das passt mir nicht zur restlichen Sprache, zumal sie sehr modern daherkommt. Wenn vulgär, dann muss es schon von der Wortwahl her besser passen. Das reißt mich aus dem Text, wenn der Häuptling da so üppig zu Wort kommt. Und das ist schade, weil man hier doch versinken soll und auf die Länge auch darf.
An einem Wort habe ich mich aufgehängt, das benutzt du in meinem Leseverständnis an den falschen Stellen und insgesamt zu inflationär.
Das Verb schreien. Ich pick mal ein paar Stellen raus, an dem ich dir das aufzeigen möchte. Da chronologisch aufgelistet, kommen die zwischen meinen anderen Anmerkungen

schreit eine kratzende Stimme
schreien ist für mich etwas, das quasi die letzte Stufe ist, die man nutzen kann, um etwas zu sagen. Das tut man in Extremsituationen: Angst oder Wut
Will man sich nur verständlich machen, ist ein rufen ausreichend oder viele andere Verben, je nach dem, wer spricht auch ein Brüllen oder Bellen oder poltern oder sonstwas
Aber an diesem ersten Beispiel passt auch das kratzend nicht. Erstmal müsste es kratzig heißen und dann widerspricht es sich in meinem Verständnis. Beim Schreien wird die Stimme hoch
Alle herhören! Sperrt gefälligst eure Lauscher auf, ich will das nicht zweimal sagen müssen!“
unfreiwillig komisch, da er es zweimal sagt
Ach ja, Mister Heilig?
passt in eine heutige Geschichte, aber dieses Setting?
legst aber irgendwo am Arsch der Welt ne Frem
genauso
Mit fassungslosen Augen starren mich Artjom und seine Freunde an, obwohl sie es bereits zum tausendsten Mal hören. „
ich würde es nicht übertreiben. Wenn sie die Geschichte schon 1000x gehört haben, werden sie nicht fassungslos sein. Da fällt dir sicher was passenderes ein
und dahinter...“ Ich
Leerzeichen
Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, aber einer
ersten teil streichen. Beginn mit der Legende
Na schön. Ihr kennt ja eh denn Großteil. Viel Neues kann ich euch nicht erzählen.“
das fällt ganz aus dem Erzählton
Ihre Gesichter erhellen sich vor Freude.
„Jedes mal, wenn der Winter kommt, s
auch wieder ein bisschen too much: erhellten sich vor Freude ...ma, das ist etwas abgedroschen und zu geblümt
Sie sind harmlos und nicht gerade intelligen
zweiten teil streichen.
Nein, das ist Schwachsinn,
sprache
Nein!“ Mein Schrei jagt durch die leere Straße.
auch hier wieder unpassend gewählt, finde ich
Halt den Mund!“, schreie ich
wie gesagt, zu früh angesetzt
Schön. Wie du meinst
Dopplung, hast du genau so ein paar Zeilen drüber
Ich will seinen Namen schreien
mja
Artjom!“, schreie ich
aha

Dann das Ende.
Das empfinde ich als sehr unbefriedigend.
Du baust da so viele Themen auf - und keines löst du.
Es wirkt auf mich tatsächlich ein bisschen so, als legst du es auf mehrere Teile an. Und das fände ich gar keine schlechte Idee, genau g Stoff hast du drin. Aber dann bräuchte es hier einen befriedigenderen Abschluss. Wenigstens eine Frage muss beantwortet werden.
Oder du dünnst eben aus. Ein paar weniger Konflikte würden auch reichen, dafür einen Strang intensiver nachgehen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi @Meuvind,

mir geht's wie ein paar anderen hier: Den Erzählton fand ich gut (vor allem der Anfang: Der Winter, wie er kommt), die Dialoge im Großen und Ganzen mau. Mal feierlich, mal schnodderig, das passt nicht so richtig zusammen. Und ob feierlich oder ob schnodderig: beide Male reden sie oft wie (Hollywood-)Schauspieler, immer mit so einer Geste dabei: Schaut her, jetzt sage ich meinen Text.

Nicht ganz präzise erscheint mir das hier:
-- "Als wir das Dorf erreichen, hat sich die Nachricht bereits herumgesprochen."
- Die Nachricht? Die beiden haben doch gerade den Winter gesehen, nicht davon reden hören!
Merkwürdig auch, dass Häuptling Harlan die Neuigkeit wenig später erst noch verkünden muss, wo sie sich doch schon herumgesprochen hat ...

Ein bisschen hart diese Formulierung:
-- "Artjom will auf meine Schultern, aber ich ignoriere sein nerviges Gehabe.
- "Gehabe" ist eigentlich schon ein ziemlich kritisches Wort, dann nennt er es auch noch nervig. Ein bisschen viel, finde ich, dafür dass der Junge nur auf seine Schultern will.

Toll fand ich dann ja das hier:
-- "„Ihr!“, kreischt die hässliche Helena."
- Wie die da reingrätscht, das hab ich gut vor Augen. (Noch besser, wenn es dabei bliebe und nicht der Nachschlag käme: Ihr seid schuld usw.)

Etwas schräg dann wieder dies:
-- "Es muss doch eine Natur geben, der er folgt. Irgendwelchen Regeln. Herrgott, wir reden hier von einer verdammten Jahreszeit!"
- Wenn bei uns beispielsweise der Winter im Juli käme, dann würden wir so in diese Richtung denken denken: Was ist jetzt los? Die Erde schwankt doch nicht etwa? usw.
Nun zeigst du die Jahreszeit eher rätselhaft, dem Willen der Götter unterworfen. Sollte es da nicht viel eher möglich sein, dass sie schwankt?
Der Begriff "Jahreszeit" wirkt hier wie ein Splitter aus unserer Welt, nicht als Element deiner Fantasiewelt. Wir als Besucher dort würden so reden: "He, wie kann das sein, dass ist doch eine Jahreszeit!" Das ist aus unserer Sicht deshalb gehaltvoll, weil wir die Regeln kennen. Wenn man im Dunkeln tappt, erschient mir das als Argument recht schwach. (Wir wissen zwar nicht, welche Regeln eine Jahreszeit bedingen, aber he, du bist eine Jahreszeit, halte dich gefälligst an den Kalender!)

Und überhaupt: Dieser ganze Dialog, der macht doch keinen rechten Sinn. Da sollen die Götter schuld sein und einen Willen haben, aber wenn es ihnen dann gefällt, kapriziös zu sein, soll das ein Grund sein, an ihnen zu zweifeln? Sie streiten sich darum, wer den Willen der Götter verkündet, und dabei fällt ihnen nicht ein, dass die Aufgabe des Priesters gelegentlich auch darin bestehen könnte, den Willen der Götter zu erforschen. Sicher kann man an der Aufgabe verzweifeln und sich dann abwenden; aber man sieht hier gar nicht, dass sich einer überhaupt die Mühe machen würde. Und warum sollte es dumm sein, auf die Götter zu vertrauen? Auf die Götter vertrauen hieße hier ja, darauf zu vertäuen, dass es irgendeinen Sinn habe, dass der Winter so schnell wiederkommt. Gut, jetzt glaubt also einer, es habe keinen Sinn. Warum ist das klüger? Welche (Rettungs-)Maßnahme folgt auf diese Einstellung, die bei Vertrauen nicht in Angriff genommen worden wäre? Und dann redet der eine plötzlich von Dingen, die beiden lange bekannt sind und die nichts mit der bisherigen Unterhaltung zu tun haben ... Nee, also da ist der Text wirklich noch nicht ausgereift, würd ich sagen.
Und schließlich: So schlimm scheint der Winter gar nicht zu sein. Da sitzen sie am Feuer und erzählen sich Geschichten. Da zweifle ich dann an der Ernsthaftigkeit der ganzen Aufregung.

Schräg finde ich im Detail noch diese Formulierung:
-- "Wir hatten mal mehr Gemeinsamkeiten als nur Blut."
- Das ist selbstverständlich. Beide haben Blut, aber beide haben auch Arme, Beine, Nasen usw. Was ich sagen will: Sinnvoll (wenn auch recht schmalzig) wäre so etwas wie: Wir haben mehr Gemeinsamkeiten als unser Blut. Oder das Blut, ginge auch noch. Aber das muss schon rein, dass es ein bestimmtes Blut ist, nicht Blut im allgemeinen.

Diese Linien, die dann kommen, das find ich wieder ganz gekonnt. Ich hab zwar auf die Schnelle nicht ganz und gar folgen können, aber das dürfte an mir liegen. Besser so, als wenn du zu viel erklärst.

Und das:
-- "„Papa, vielleicht kommt der Winter deshalb zurück. Vielleicht sucht Mama nach uns!“ "
- wäre doch mal was! Da könnte sich die schöne Erzählung vom Winter runden, und dieses ganze halbgare Geschwafel (verzeih!) könntest du ordentlich zusammenstreichen. (Wie dann Harlan im Traum erscheint, puh, das ist schon hart am Kitsch, oder? Und spröde ist es auch.) Ich muss gestehen: Ich habe das zum Ende hin mehr und mehr überflogen. Aber dabei wenigstens ist mir nicht aufgefallen, dass du die Überlegung des Jungen wieder aufgreifst. Jetzt kann es zwar sein, dass ich das überlesen habe. Aber falls das so sein sollte, dann womöglich auch deswegen, weil du zu viele Pappkartons um den glänzenden Kern herumgebaut hast.

Ach sooo halt: "Mama ist hier" usw. Sag ich doch: Nimm die Pappkartons weg und lass die eigentliche Geschichte strahlen!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hi @weltenläufer,

Zur Sprache hat Achillus schon was gesagt. Ich schlage da in die gleiche Kerbe. Diese Vulgäre, das passt mir nicht zur restlichen Sprache, zumal sie sehr modern daherkommt. Wenn vulgär, dann muss es schon von der Wortwahl her besser passen. Das reißt mich aus dem Text, wenn der Häuptling da so üppig zu Wort kommt. Und das ist schade, weil man hier doch versinken soll und auf die Länge auch darf.

Jup. Ich falle leider zu sehr in "meinen eigenen Ton", muss da also nochmal ran. Tatsächlich ist der Großteil des Dialogs in der neuen Version (welche kommt, sobald ich es irgendwie geschaffen habe, mich aus diesem Autorentief zu heben) verschwunden oder überarbeitet. Die schlimmsten Killer sind aber zum Glück schon raus.

Bei dem Verb schreien habe ich zum Spaß einfach mal mitgezählt und bei vier dann wieder aufgehört. Gut dass du mich darauf hinweist, ich hätte es vermutlich nie bemerkt :D.

Aber an diesem ersten Beispiel passt auch das kratzend nicht. Erstmal müsste es kratzig heißen und dann widerspricht es sich in meinem Verständnis. Beim Schreien wird die Stimme hoch

Ich würde das jetzt durch Brüllen ersetzten. Passt mir besser zum rohen Charakter Harlans.

unfreiwillig komisch, da er es zweimal sagt

:D

ich würde es nicht übertreiben. Wenn sie die Geschichte schon 1000x gehört haben, werden sie nicht fassungslos sein. Da fällt dir sicher was passenderes ein

Richtig. Ich überlege, ob ich die Märchenstunde nicht sogar komplett rausnehme, aber in der neuen Version bekommt sie eine viel wichtigere, zweite Bedeutung. Insbesondere die Katastrophe, die den Boden aufgerissen hat. Ich muss also das Wissen um jene Katastrophe irgendwie einbauen, ohne dabei direkt die Tür einzureißen.

Dann das Ende.
Das empfinde ich als sehr unbefriedigend.
Du baust da so viele Themen auf - und keines löst du.
Es wirkt auf mich tatsächlich ein bisschen so, als legst du es auf mehrere Teile an. Und das fände ich gar keine schlechte Idee, genau g Stoff hast du drin. Aber dann bräuchte es hier einen befriedigenderen Abschluss. Wenigstens eine Frage muss beantwortet werden.
Oder du dünnst eben aus. Ein paar weniger Konflikte würden auch reichen, dafür einen Strang intensiver nachgehen.

Jup. Vollkommen richtig. Der aktuelle Plan ist, die Rückkehr des Winters samt seiner Konsequenzen und ein bisschen Theodizeefrage als Leitfaden zu nehmen, alles andere kommt erst einmal raus oder wird so untergeordnet, dass man darauf zurückkommen kann, es aber nicht primär wichtig zum Verstehen der eigentlichen Handlung wird. Hoffentlich bekomme ich so etwas Ordnung ins Chaos.

Lieber Weltenläufer, danke für deine Eindrücke!

Liebe Grüße
Michel

 

Hej @Meuvind ,

du versprichst eine spannende Fantasy-Geschichte in einer Challenge :D - ich bin bereit!
Mit dem Titel punktest du bei mir erst einmal nicht so sehr. Ich denke nun immer wieder daran, was sie wohl brachten, also an Etwas und muss mich nötigen auf das Wie zu achten. Na, so schlimm nicht, aber so eben. :schiel:
Und, dafür kannst du gar nichts, Artjom gibt es für mich nur einen einzigen und der lebt in @Bas Geschichten. :shy: Daran orientiere ich mich.:baddevil:
Nee, Quatsch. Ich habe deine fantastische Jahreszeitengeschichte richtig gerne gelesen. Du hast dir viel Zeit gelassen und Mühe gegeben und ich habe eine wundervolle Beschreibung der Umgebung, der Menschen gesehen. Diese schwebenden Dörfer, das Gold, das Silber, ich bin richtig gefordert, mir deine Welt vorstellen. Ich hab da mal ein paar Stellen herausgenommen, die mich im Lesefluss gestoppt haben.

Stück für Stück kriechen Nebelschwaden vom anderen Ufer herüber. Dort, wo ihr kalter Hauch das Wasser berührt, bildet sich Eis. Die Fläche wächst, zersplittert in mehrere Schollen. Der Strom treibt sie an uns vorbei, verteilt sie und reißt sie für kurze Zeit auseinander, aber als mein Blick dem Flusslauf folgt, sehe ich auch dort die Nebelfront. Auf der anderen Seite des Ufers klettert der Frost die Bäume hinauf, verteilt sich in den Ästen und spinnt das Holz in seinen toten Kokon ein.

Das ist schön und fantasievoll beschrieben. Ich kann es gut erkennen.

Vorsichtig taste ich nach meiner halben Mondhalskette.

Die kommt einige Male vor und, nenn mich pingelig, glaube nicht an eine halbe Kette, sondern nur an ein halben Amulett, einen halben Anhänger.

„Ich meine, der letzte Winter ist erst vier Monde her, oder? Vielleicht ist es ja nur ein Versehen?“

Das ist tatsächlich eine spannende Angelegenheit, wenn die verlässlichen Jahreszeiten aus dn Fugen geraten.

„Ihr!“, kreischt die hässliche Helena.

Das ist gemein. Die Eltern hatten so viel Hoffnung auf eine schöne Tochter. :shy:

die noch die heiligen Vier anbetet.

Könnte man nicht die Heiligen Vier als eigenständiger Begriff schreiben? Ich mag, dass es kein monotheistischer Glaube ist.

„Der Winter steht bereits auf der anderen Seite des Flusses. Der Strom wird ihn eine Weile aufhalten, aber nicht lange. In ein paar Stunden ist er hier.“

So ein schneller Winter. Ein heraneilender Sommer wäre echt nicht so spannend.

Es muss doch eine Natur geben, der er folgt. Irgendwelchen Regeln. Herrgott, wir reden hier von einer verdammten Jahreszeit!“
Harlan spuckt auf den Boden. „Du und dein lächerliches Priestergehabe.
„Ach ja, Mister Heilig? Dann sei so gut und erkläre deinem ahnungslosen Bruder mal, was der ganze Bockmist soll.“

Ein Bruderzwist, der aber eher harmlos daherkommt, nur so verbales Gerangel. Auch okay. Ich störe mich ein wenig an dem Wort Mister und wundere mich selbst.

Harlans Fuß findet einen kleinen Kieselstein und kickt ihn in hohem Bogen davon. Schweigend sehe ich zu, wie er den Hügel hinunterrollt und im Gras verschwindet.

So klein wird er dann wohl doch nicht sein und ich finde das Adjektiv jetzt auch deswegen verzichtbar.

Manchmal vermisse ich die Zeiten, als Harlan und ich noch kleiner waren. Wir hatten mal mehr Gemeinsamkeiten als nur Blut.

Auch hier passt das Adjektiv nicht sooo gut, denn du meinst sicher jünger. Klein ist Harlan ja immer noch, wenn ich es richtig verstanden habe. :D

Sanft wiegen die Grashalme im Wind, ungestört in ihrer Harmonie. Ich kann das Flüstern der Blätter hören, kann hören, wie die Bäume sich gegenseitig zusäuseln. „Ich werde von hier zusehen.“

Schön, Michel.

aber der Anker sitzt zu tief im Boden, als dass wir forttreiben könnten.

Aha. Das Bild wird immer größer und komplexer.

Über dem Schalen brutzelt, aufgespießt auf einem Stock, ein Feuerschwan.

den Schalen

Artjom spielt mit ihren Kindern, flitzt durch ihre Häuser, isst ihre Suppe und spricht ihre Sprache.

Mehr braucht es nicht, um sich einzufügen und zurechtzufinden. ;)

„Nichts. Und eine Stadt.“

Verwirrend, aber schön.

Die Fischer in Baltmoor behaupten, sie wären die verlorenen Seelen all jener, die der Winter genommen hat, und dass sie jetzt dazu verdammt wären, auf ewig mit ihn zu wandern.“

Und daraus schließe ich jetzt mal, dass Eva vom Winter dahingerafft worden ist. So.

Meine Finger tasten nach meiner halben Halskette.
Meine Finger tasten nach meiner halben Halskette. Das kalte Metall liegt weich in meiner Hand.

:sealed: und warum ist Metall weich :hmm:

„Ha! Der räudige Hund schuldet mir eine Nacht mit seiner Frau!“

:susp: so n blöder Wetteinsatz. So n blöder Harlan.

Sogar Artjoms ausgestopfter Feuervogel hat mehr Gripps als diese Frau.

Grips

Ich wende mich ab und möchte gerade wieder unter meine Decke schlüpfen, als ich es bemerke.

Ich denke, er will unter seine Decke schlüpfen.

Das Mondlicht ist verschwunden.

Und jetzt sag ich’s doch: Der Mond hat kein Licht. :klug:

Das war ein hübscher Ausflug in deine fantastische Welt. Die Figuren waren klar umrissen, nur der Bub machte mir etwas Kummer, nicht wegen seiner Trauer um seine Mutter oder dem sich Unverstandenfühlen seines Vaters, sondern wegen seines unklaren Alters. Ich schwanke zwischen fünf und dreizehn :D

Ich wünsche dir viel Glück für die Challenge und freundlicher Gruß, Kanji

 

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