Warum Männer so sind wie sie sind oder Ade Mr. Perfekt
Ich weiß nicht, warum Männer so sind, wie sie sind. Ich meine, es gibt zahlreiche Bücher, in denen der geschlechtsspezifische Unterschied haarklein analysiert und ausgewertet wird, doch seien wir einmal ehrlich, in der Praxis helfen sie einem kein bisschen weiter. Leider.
Vielleicht, will ich es ja auch gar nicht wissen, vielleicht sind es ja gerade diese Unterschiede, die das Miteinander so interessant, abwechslungsreich und spannend machen, aber manchmal…
Wieso ticken Männer anders als Frauen und vor allem, wie ticken sie? Manche schlauen Leute behaupten, Männer seien einfach gestrickt, jeder könne sie durchschauen und sie selber wären ja soo unkompliziert. Unfug. Alles leeres Geschwafel, um uns Frauen gnädiger zustimmen, uns selber als kompliziert hinstellen zu können und was noch viel schlimmer ist, ich erwähne es jetzt mal explizit: Damit sie nicht näher beleuchtet werden, damit sie hübsch in Ruhe gelassen werden. So ist es. Punkt.
Denn so ist es; solange man sie als einfach und emotional minderbemittelt hält (ich entschuldige mich für diese harte Ausdrucksweise, aber vielleicht verstehen sie ja, wie ich es meine), werden sie auch nicht näher studiert. Das meiste, was Männer hassen, sind tiefgehende Gespräche, in denen es um Gefühle, zwischenmenschliche Interaktionen und Beziehungsprobleme geht. Sie ziehen es vor zu schweigen, geben vor zuzuhören und wollen einfach in Ruhe gelassen werden. Tja, ich meine, wenn Männer gesprächiger wären, gäbe es doch mit Sicherheit all die kleinen und großen Probleme nicht. Aber ich schweife ab.
Als mein Mann, ein selbständiger Internist, eines Abends nach Hause kam, war es wieder einmal so weit. Gut, er ist überarbeitet, ich weiß, er hat einen langen Arbeitstag, an manchen Tagen kommt er vor Mitternacht nicht nach Hause, aber wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Niemand hat es leicht, sei er arm, reich, dumm oder klug. Ach, was rede ich, jeder weiß um den Alltag, weiß um die Probleme des Anderen und doch wünscht man sich manchmal ein wenig mehr Zuwendung, Aufmerksamkeit und wenn es noch geht, ein Stückchen Liebe. Aber meistens bleibt es bei der Liebe, was ja auch nicht schlecht ist, aber wenn mein Göttergatte ab und an, zuhören würde, richtig zuhören würde, wäre ich sehr viel glücklicher.
An manchen Tagen wünscht man sich einfach nur weit weg. Irgendwo hin, wo es schön ist, wo man den perfekten Traummann hat, der einem zuhört, einem jeden Wunsch von den Lippen abliest, viel Geld verdient, gut aussieht, humorvoll und intelligent ist und ja, was noch? Ach ja, natürlich muss er treu sein, Kinder lieben und im Haushalt mithelfen. Wenn ich noch etwas vergessen habe, komme ich gleich noch einmal darauf zurück.
Wo war ich? Ach ja, mein Mann, namens Oliver, kam also nach Hause.
„Wie war Dein Tag, Schatz?“ fragte ich, als er seinen Mantel an die Garderobe hing und sich mit einem leisen Seufzer auf die Couch fallen ließ.
„Wie immer. Anstrengend.“ Er schnappte sich die Fernsehzeitschrift und blätterte wahllos darin herum.
Fürsorglich holte ich eine Flasche Shiraz aus der Küche und ließ die dunkelrote Flüssigkeit in zwei bauchige Weingläser fließen.
„Du arbeitest zu viel, lass Deine Patienten doch nicht noch nach achtzehn Uhr kommen und lass um Himmels Willen die Hausbesuche. Die rauben Dir ja noch den letzten Rest Kraft.“ Ich kuschelte mich näher an ihn und strich zärtlich über seine Brust.
„Mmh.“
„Wir könnten ja nächstes Wochenende nach London oder Paris fliegen. So wie früher, ganz romantisch. Na, was sagst Du? Candle-light-Dinner, Theater, shoppen…“
Ein Rascheln war die einzige Antwort.
Langsam knöpfte ich seine Knöpfe auf und fuhr sanft über seine gebräunte Haut. Sie war seidenglatt und muskulös.
„Was sagst Du dazu?“ gurrte ich. „Nur wir beide. Wir könnten natürlich auch das Wochenende in unserem Zimmer verbringen, wozu gibt es schließlich Zimmerservice?“ Ich beugte mich über ihn und strich mit meinen Lippen sanft über seinen Bauch.
„Mmh.“
„Klingt gut, mmh? Eine schöne, kuschelige Suite, ein überdimensionales Bett. Was würde Dir denn am besten gefallen?“
Schweigen. Ich schaute irritiert auf. Mein Gatte las mir gerunzelter Stirn, die Lippen bewegten sich leicht. Ich war sprachlos.
Ruckartig setzte ich mich auf und strich meine Haare hinter die Ohren, eine Angewohnheit, die mir seit meiner Teenyzeit geblieben ist.
Das konnte doch nicht wahr sein. Ich kam ihm wie immer entgegen, zeigte Interesse an seiner Arbeit und versuchte ihn mit traumhaften Zukunftsplänen abzulenken und aufzuheitern und er? Typisch, hörte überhaupt nicht zu. Wer war ich denn? Seine Haushälterin, sein Betthäschen auf Abruf?
Ich nahm einem tiefen Schluck und sagte leise, fast beiläufig: „Deine Patientin rief gerade an. Du sollst zurückrufen.“
Oliver sah auf und blickte mich interessiert an. „Welche Patientin?“
Ich schluckte.
„Ich fahre für ein paar Tage zu einer Freundin an die Nordsee.“ Ich stand auf und ging ins Schlafzimmer, um meinen Koffer zu packen. Dorothee, eine alte Freundin vom Gymnasium besaß ein Häuschen auf Sylt. Mit Sicherheit konnte ich ein paar Tage bei ihr unterkommen. Wir kannten uns gut und trafen uns mindestens vier Mal im Jahr. Vielleicht nicht oft genug für eine Beste-Freundin-Beziehung, aber immerhin häufig genug, um der Anderen alles sagen zu können und obendrein eine ehrliche Antwort zu bekommen.
Mit meinem gepackten Koffer ging ich zur Haustür, sah meinen verwirrten Gatten im Türrahmen stehen und sagte im Hinausgehen: „Ach ja, vielleicht fährt ja eine von Deinen Patientinnen mit nach Paris.“
Damit ließ ich ihn völlig verstört zurück. Recht so.
Einige Anastacia-Cd`s und mehrere Tankfüllungen später, genoss ich die entspannende, aber überaus langweilige Fahrt mit dem Autozug nach Sylt. Manche mögen ja die Fahrt inmitten eines matschigen, braunen Wattenmeers inspirierend finden; ich allerdings war froh, als der Schaffner: „Westerland, Endstation.“, über den Lautsprecher schmetterte.
Trotz der langen Fahrt mit einem, wie ich zugeben muss, neuen BMW Z 3, (ich weiß, es klingt cooler, wenn jemand einen alten und klapprigen Golf fährt), bin ich mit meinen Beziehungsproblemen, beziehungsweise einer Problemlösung keinen Deut weiter gekommen. Schade. Es wäre schön gewesen, wenn ich auf Sylt angekommen wäre, eine Antwort auf all meine Fragen bekommen hätte und mich dann entspannt mit meiner Freundin Doro hätte treffen können. Aber nein, das Leben schenkt einem nichts. Aber ich will ja nicht rumjammern. Es gibt Schlimmeres.
Das merkte ich, als ich vor einem wunderschönen, aber leider abgeschlossenem Reetdachhaus in Kampen ankam. Leider öffnete sich auch auf mein beharrliches Klingeln die Haustür nicht, womit wir zu meinem nächsten Problem kämen. Ich musste nämlich ganz, ganz dringend für kleine Gestrandete.
So, und da stehe ich nun; mit einer Reisetasche, zusammengepressten Oberschenkeln und einer übervollen Blase. Mein Gott, wie demütigend. Irgendwie hatte ich mir das alles ganz anders vorgestellt.
Oh, da fällt mir gerade ein Roman ein, in dem die Protagonistin auch ein Toilettenproblem hat. Anscheinend ähneln sich Frauen mehr, als es uns lieb ist.
Aber, die entscheidende Frage ist nun: Wo finde ich eine Toilette? Ich stehe mitten in einem Wohngebiet und die Besitzer dieser überaus imposanten, wenn auch anheimelnd aussehenden Häuser, stelle ich mir irgendwie nicht sehr gastfreundlich vor. Warum, weiß ich auch nicht. Dabei hasse ich es, Vorurteile zu haben und schließlich gehört Doro auch in diesen Club und ich liebe sie.
Dann fällt mir eine Lösung ein.
Die Kupferkanne.
Ein überaus beliebtes und immer voll besetztes Cafe, das einen Bekanntheitsgrad hat, für den jeder Restaurant,- und Cafebesitzer Deutschlands morden würde.
Zwei Minuten später erreiche ich den halb unterirdischen Erdkomplex (ich glaube, früher war das mal ein Bunker) und suche mir erst einmal einen Weg durch die engen Gänge, Stufen und winzigen Kammern, in denen man, vorausgesetzt man ist verliebt (ha, ha) herrlich turteln kann.
Es eilt, ich lege ein paar Laufschritte ein, biege um eine hoffentlich letzte Ecke…
Peng. Oh, ich stöhne auf und reibe mit schmerzerfülltem Gesicht meine Nase, die die unliebsame Bekanntschaft mit einem Ellenbogen gemacht hat. Mist, verfluchter, Elender. Wer…
Oh. Ich schlucke und schlucke lieber noch mal.
Vor mir steht ein Mann. Nein, nicht irgendein Mann.
DER MANN.
Dichtes, dunkelbraunes Haar, eine schlanke, sportliche Figur, ein strahlendes Lächeln und Augen…nein, so blaue Augen habe ich noch nie gesehen. Er ist einfach perfekt.
Jedenfalls stelle ich mir so Mr. Perfekt vor. Mr. Right. Mr. Wonderful. Mr...
“Entschuldigung. Haben Sie Sich wehgetan?” Eine tiefe, seidenweiche Stimme dringt an mein Ohr. Wie kann jemand sooo aussehen und dazu noch so eine sexy Stimme haben?
„Danke, mir geht es gut.“, höre ich mich zu meiner Bestürzung sagen. Wieso falle ich nicht in Ohnmacht oder halte mir tränenüberströmt mein Gesicht, um mich in seinen starken Armen…
„Na, wunderbar. Ich dachte schon, sie hätten sich ernsthaft verletzt. Okay, dann tschüss.“
Er geht.
Ich meine, er g e h t.
Und wieso muss ich jetzt nicht mehr aufs Klo?
Aber was erwarte ich eigentlich? Nur weil ich ein wenig Stress mit meinem Ehegatten habe, liegt mir nicht automatisch eine Lizenz zum Fremdgehen vor.
Ich schüttele den Kopf, entleere meine Blase, genieße noch ein großes Stück warmen Aprikosenkuchen vom Blech und sehe mich eine Stunde später Doro gegenüber sitzen.
„Wo warst Du? Ich stand stundenlang vor Deiner Tür und musste dringend aufs Klo.“, klage ich lauthals, während ich auf ihrer Couch sitze, eingemummelt in eine Decke und eine Tasse Sylter-Kaminfeuer-Tee auf meinem Schoss.
„Du hast Recht, ich hätte natürlich wissen müssen, dass meine Freundin Lara eine Ehekrise hat, beschließt, von München nach Sylt zu fahren, und morgens vor meiner Tür steht. Tut mir leid.“
Ich lache.
Also erzähle ich ihr alles. Haarklein. Wie man das mit einer Freundin so macht. Als ich ende, sagt sie nichts.
„Lass uns essen gehen.“
„Häh?“
Kein weiser Rat, kein zustimmender Applaus? Was soll das denn? Und dafür bin ich den weiten Weg…
„Du wirst schon sehen, Lara.“
Wieso verstehe ich sie nicht?
Wir kommen in der Sansibar an, einem gemütlichen Strandrestaurant mit vielen Kerzen und einer exzellenten Weinkarte, als die Sonne bereits als orangeroter Ball am Horizont leuchtet.
Im Restaurant ist es schummrig und Doro lässt sich von einem jungen Typ in den hinteren Teil zu einem Tisch für vier Personen führen. Dort werden wir schon erwartet.
Mein Gott, mein Herz bleibt stehen.
„Hallo, Schatz. Da bist Du ja.“ Dann sieht er mich. „Oh“, sagt er und sieht mich fragend an. Warum kann ich nichts sagen?
Mr. Perfekt. Mr. Right. Mr...
„Tom, das ist meine Freundin Lara aus München, Lara, das ist mein Freund Tom.“
„Ich kenne sie“, ruft Mr. Perfekt aus und entblößt sein weißes Gebiss. „Ich hätte sie beinahe ausgeknockt.“
Die nächste halbe Stunde verbringen wir damit, Doro von unserer Begegnung zu erzählen. Dann bestellen wir alle Fisch, Salat und zum Nachtisch Crepes.
Ich bin völlig baff und schwanke zwischen Begeisterung aufgrund des schönen Abends und leisem Bedauern, aufgrund der harmonischen und intakten Beziehung zwischen Doro und Tom.
Tom, dass muss ich jetzt einfach mal sagen, ist ein Vorzeigebild von Mann. Er verkörpert leider genau das, wovon ich immer geträumt habe. Er hat all die Eigenschaften, die ich vorhin schon aufgezählt habe. Er sprüht vor Charme, ist witzig, zuvorkommend, wirft mit Komplimenten um sich, ist gebildet (er arbeitet übrigens als Journalist für irgendeine Hamburger Zeitung), er unterhält uns mit lustigen Anekdoten über die High Society Hamburgs, er flirtet kocket mit Doro (obwohl sie ja schon ein Paar sind!), er hat gepflegte Tischmanieren, ist ein Experte in Sachen Wein tauscht sich mit dem Kellner über die richtige Zubereitung von Hummer aus und ja, es ist einfach unglaublich, aber vor mir sitzt wirklich Mr. Perfekt.
Aber auch Doro, das muss ich neidlos anerkennen, hat sich ganz schön gemausert. Sie, die schon immer eine schlanke Figur hatte, konnte sich noch einmal einiger Pfunde erleichtern; ihr langes, dichtes Haar umrahmt perfekt gefönt ihr schmales, dezent geschminktes Gesicht und sie trägt einen wunderschönen langen Rock mit engem Oberteil und modischen Schuhen. Gucci, wenn mich nicht alles täuscht.
Ich dagegen… nein, ich finde, ich kann mich durchaus sehen lassen. Ich trage zwar nur Jeans, aber meine Figur kann sich ebenfalls sehen lassen.
Trinkgeld gibt Tom keines, da er mit dem Crepe nicht zufrieden gewesen war, was ich ein wenig überzogen finde, aber ich sehe gnädig darüber hinweg. Schließlich ist er nicht mein Mann.
Ich wäre noch Stunden dort gesessen, hätte den traumhaften Blick über die Dünen genossen, aber Mr. Perfekt wollte unbedingt noch ins Go-Gärtchen.
„Dort ist es nicht so einfach“, sagt er. Ich sage nichts und gehe mit.
„Champagner, aber nur den Besten“, ruft Tom dem Kellner zu, der ihm freundlich zunickt. Anscheinend ist Tom hier Stammgast.
„Wie gefällt es Dir hier, Lara?“ fragt er und lächelt mich an.
„Nun ja, für meinen Geschmack ein wenig zu versnobt.“ Ich sehe sein beleidigtes Gesicht, als wäre er hier der Besitzer. Darum füge ich schnell hinzu:„Aber der Champagner ist hervorragend.“
Er ist einigermaßen versöhnt und der Abend streicht leicht dahin, wie eine Feder im Wind.
Der Morgen kommt irgendwie unerwartet und viel zu früh. Ich liege, in einem Nachthemd von Doro auf der Ausziehcouch, als Tom vor mir steht. Mit einem Schwung zieht er die Vorhänge auf, grelles Sonnenlicht blendet mich, ich stöhne. Mein Kopf fühlt sich an, als wären des Nachts Feuerwehrautos hindurchgerast.
Ich blinzle und sehe zu meiner Verwunderung, dass Tom bereits vollständig und makellos angezogen ist. Seine soeben frisch gewaschenen Haare verströmen einen intensiven Duft nach…nach… ich weiß nicht, aber er riecht frisch und lecker…
Lara!
Ich verkrümele mich unauffällig ins Bad und als ich fertig bin, wartet Doro bereits mit einem schön und reichlich gedeckten Frühstückstisch auf mich. Wieso zum Kuckuck sehen alle aus, als hätten sie ein dreitätiges Wellnesswochende hinter sich und ich, wie soeben einer stinkenden Kneipe entsprungen? Blass, immer noch alkoholisiert und müde.
Natürlich gibt es schon zum Frühstück Champagner, Trüffelrührei und Kaviar. Na ja, was soll ich mich beschweren und genieße.
Die nächsten Tage verbringen wir damit, durch die schicken, kleinen Boutiquen von Kampen zu stöbern, auf der Friedrichstraße in Westerland zu flanieren, in exklusiven Restaurants zu speisen und jeden Abend einen Champagnerabsacker im Go-Gärtchen zu uns zu nehmen.
Nach einer Woche kann ich keinen Champagner, keine Austern und keinen Kaviar mehr sehen.
Ich sehne mich nach einem ruhigen Abend auf der Couch mit Pizza und einem schönen Film. Immer öfter wandern meine Gedanken zu Tom.
„Sag mal“, sage ich eines Abends zu Doro, als Tom sich im Bad zurechtmacht, „ich meine, Ihr habt ja gerade Urlaub. Was haltet Ihr denn davon, mal einen Abend zu Hause zu verbringen? So richtig mümmelig in bequemer Jogginghose und wir bestellen uns eine Pizza.“
Doro schaut mich mit einem Blick an, der zwischen Zustimmung, Begeisterung und Bedauern platziert ist.
„Was ist los?“
Meine Freundin seufzt. „Ach, weißt Du, ich würde gerne mal wieder abends zu Hause bleiben, mich mal nicht hübsch zurecht machen, aber Tom…“, sie stockt, „er ist einfach lieber unterwegs, will Freunde treffen…“
Ich warte. Das sind ja ganz neue Töne. Eine unerwartete Wendung. Hat Mr. Perfekt etwa Schattenseiten?
„Er sagt, wenn man sich einmal gehen lässt, lässt man sich immer gehen und er möchte keine Frau, die auf der Couch in einem alten Bademantel rumgammelt.“ Sie lacht, aber es klingt nicht glücklich.
Ich bin platt. „Rumgammelt…?“
Das muss ich erst einmal verdauen. Dann fahre ich fort: „Wie, sag bloß, Ihr geht jeden Tag aus? Schick und aufgestylt?“ Ich lache. „Aber das ist doch unnormal, Doro. Dann freut man sich ja gar nicht mehr darauf, weg zu gehen.“
„Ich weiß, Lara, aber so ist Tom nun mal. Er sagt, ihm ist es zu Hause zu…einfach. Er geht nur in schicken Restaurants essen. Er ist nun mal ein Perfektionist“, verteidigt sie ihn.
So, da habe ich es. Punkt. Aus. Das ist also mein Mr. Perfekt. Für diesen Perfektionisten, der es nicht einmal schafft, einen gemütlichen Abend mit seiner Freundin zu Hause zu verbringen, habe ich, zumindest in Gedanken, meinen Oliver betrogen. Ich fühle mich furchtbar.
Mit leiser Wehmut, schlechtem Gewissen und Liebe denke ich an Oliver. Was er wohl gerade macht?
„Warum verlässt Du ihn denn nicht? Ich meine, so einen Typen brauchst Du doch überhaupt nicht“, frage ich Doro.
„Ich bin schwanger.“
Diese Neuigkeit muss ich erst einmal verdauen, doch dann sage ich entschieden: „Das ist doch kein Grund. Du kannst das Kind doch alleine großziehen und mit Sicherheit findest Du bald einen anderen Mann.“
Die Sonne wirft ihre schwachen Strahlen bereits auf die öde Wattlandschaft, als ich nachdenklich mit dem Autozug zum Festland übersetze.
So ist das also. Doro bleibt lieber bei ihrem Tom, damit ihr Kind einen leiblichen Vater hat und ich kehre reumütig, weiser und irgendwie frisch verliebt nach Hause zurück.
Ja, so sieht´s aus. Ich vermisse Oliver. Ich vermisse sein Lächeln, seine selbst gekochten Spaghetti Tonno und seine fürsorgliche Liebe, wenn er mir im Winter eine Wärmeflasche ins Bett legt und meine Füße massiert.
Ja, es sind die kleinen Dinge, die die Liebe Aufrecht erhalten, die kleinen Aufmerksamkeiten, die jeder von uns in den Alltag einstreut. Ein kleiner Lichtstrahl, aber in Summe ergeben diese vielen kleinen Strahlen eine wärmende und dauernde Helligkeit, die einem ins Herz dringt.
Oje, jetzt werde ich auf meine alten Tage noch poetisch.
Na ja, wie sagte einmal ein weise Mann: „Manchmal ist die Liebe langweilig wie Puffreis und öde wie alte Salzstangen, aber meistens ist sie süß und cremig wie Sahneeis mit Schokoladenstückchen.
Gut, mein Oliver ist vielleicht nicht in jeder Hinsicht perfekt, aber ich kann sicher sein, dass er mich liebt und das ich ihn liebe, ich weiß, dass er immer für mich da ist, in schlechten, wie in guten Zeiten und das er mir treu ist.
Das ist doch schon mal was.
PS: Ach so, als ich eine Woche später mit Oliver in einer romantischen Pension an der Mosel im Bett lag, zeigte er mir den Artikel, den er so aufmerksam an besagtem Abend gelesen hatte und für den er mich völlig vergessen hatte.
Die Überschrift lautete: „Kind und Karriere, so genießen Sie die schönste Zeit ihres Lebens.“