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Wandgeschmiere

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29.12.2013
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Wandgeschmiere

„Papa, Papa. Sven hat mich gehauen“, rief Anton und lief zu seinem Vater, der auf einer Bank saß.
„Dann sag ihm, er soll sich entschuldigen“, entgegnete der Vater ruhig, ohne vom Handy aufzublicken.
Anton ging zurück zum Buddelkasten, schubste Sven von der Kante und sagte: „Du sollst Dich entschuldigen!“
"Hey", Sven drehte sich zur Seite und fand ein Stück Kreide im Sand. „Schau her“, rief er, stand auf und rannte nach hinten zur Wand.
Als Anton ankam, malte Sven schon ein Auto mit der Kreide an die Wand. „Weißt Du, was das da ist?“, fragte er und zeigte auf etwas weiter oben an der Wand.
Sven blickte nur kurz rauf und antwortete: „Das heißt ‚Heil Hitler‘.“
„Woher willst Du ’n das wissen?“, äffte Anton.
„Das hat mir mein Bruder gesagt. Der kann schon lesen.“
„Aha. Was steht da?“
„Heil Hitler.“
„Und was hat der?“
„Wer?“
„Na Hitler.“
„Weiß ich doch nicht. Wieso?“
„Na wenn der geheilt werden soll.“
„So ‘n Quatsch, der ist nicht krank“, erwiderte Sven. „Das ist ein Gruß.“
„So was wie ‚Hallo‘, oder ‚Tschüss‘?“
„Anton! Sven! Kommt her, wo ich euch besser sehen kann“, hörten die beiden Antons Vater und schlenderten wieder zum Sandkasten.
„Hallo Hitler. Heil Hitler. Heil Sven. Heil heil. Heil heili heil“, kicherte Anton vor sich hin.
Sven starrte an Anton vorbei. Als sich Anton umdrehte, sah er zwei große Jungs, die auf sie zukamen.
Der kleinere der beiden rempelte Sven an und riss ihm die Kreide aus der Hand.
„Hey, was soll das denn?“, brüllte Antons Vater von der Bank.
„Schon gut“, rief der Kleinere zurück, drehte sich zu Sven und flüsterte: „Du Fotze.“ Dann ging er mit seinem Kumpel zum Ausgang.
„Tut Dir was weh?“ fragte Anton.
„Nein“, entgegnete Sven. „Alles gut.“
„Sven“, die beiden Jungen zuckten zusammen. „Komm jetzt, wir essen gleich“, hörten sie Svens Bruder von der anderen Straßenseite brüllen.
„Ich muss los“, sagte Sven und ging.

Anton lief zu seinem Vater, der sein Handy einsteckte, aufstand und mit seinem Sohn an der Hand vom Spielplatz ging.
„Papa. Was bedeutet Fotze?“
„Wo hast du das Wort denn wieder her?“
„Aber was bedeutet es?“
„Ähm. Es bedeutet ... Es ist wie, ..., wie Vagina.“
„Wie bei Mama!“
„Ja.“
„Klingt aber wie Kotze.“
Der Vater sagte nichts dazu.
„Fotze, Kotze. Kotzen, Fotzen. Kotze, Fotze“
„Ist gut jetzt!“, ermahnte der Vater und sie gingen schweigend nach Hause.

„Hallo Mama!“, schrie Anton, als sie die Wohnung betraten.
Die Mutter kam aus der Küche in den Flur und begrüßte die beiden.
Anton schmiss seine Schuhe in die Ecke, zeigte auf Mamas Hose und rief: „Fotze.“ Dann lief er in sein Zimmer. Als er sich umdrehte, sah er, wie seine Eltern streitend in die Küche gingen. Er ging zurück in den Flur und hörte dem Streit zu.
„Wieso lernt er immer solche Worte, wenn er mit Dir unterwegs ist?“
„Weil ich ihm vielleicht die Welt so zeige, wie sie ist“, antwortete er pampig.
„Ach? Und ich packe ihn in Watte ein, oder wie?“
„Ja genau. Du und Deine Mutter. Bei euch kann er nur schwul werden.“
„Du bist so ein Arschloch!“
„Und Du …“
Die Mutter unterbrach ihn mit einer Ohrfeige: „… eine Fotze, wolltest du bestimmt sagen.“
Anton rannte in sein Zimmer, sprang auf das Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Er erinnerte sich daran, was Sven gesagt hatte: ‚ein schlimmeres Wort als Scheiße‘.

„Du weißt doch, dass wir uns öfter streiten“, redete die Mutter beruhigend auf Anton ein, als sie ihn bettfertig machte. „Das hat nichts mit dir zu tun. Das weißt du, oder?“
„Mhm“, sagte Anton leise.
„Wir haben dich lieb. Alle beide.“
Anton legte sich an diesem Abend ohne Widerstand ins Bett und ließ sich zudecken.
„Papa kommt noch und sagt Dir gute Nacht“, sagte die Mutter, bevor sie ging.

„Hey, Großer“, sagte der Vater, als er herein kam. „War das ein schöner Tag?“
Anton lag nur da und schaute seinen Vater an.
„Es ist alles gut“, sagte der Vater. „Jetzt schlaf! Gute Nacht.“ Er schaltete das Licht aus.
Anton drehte sich zur Seite und bevor er die Augen schloss sagte er: „Heil Papa.“

 

Hallo pantoholli,
ich folge Deinen Figuren, finde die Ansätze nicht unwitzig, empfinde die Geschichte aber vor allem in den Dialogen der Kinder zu konstruiert und auch zu unwahrscheinlich. Sicher, die Kollision geschichtsbelasteter Namen mit der Unbedarftheit aus Kindermund hat schon seinen Reiz. Aber das ist mir in Deinem Text zu weit hergeholt. Der elterliche Konflikt und der Rückzug Antons kommen für mich zu unvermittelt. Als würde da im Hintergrund etwas schwelen, was eine längere textliche Behandlung bräuchte. So ist es für mich dann im kurzen Anreißen von Konflikten hier und da (wie auch mit den beiden Jugendlichen auf dem Spielplatz) eine Geschichte über Kinder, die inhaltlich für mich nicht glaubwürdig ist.
Herzlich
rieger

 

Hej pantoholli,

während des Dialoges im ersten Abschnitt habe ich schnell die Orientierung verloren und das lag vielleicht daran, dass die Stimmung, das Alter der Kinder und das Thema, die Sprache zu schnell für mich variierten und nicht authentisch auf mich wirkten.

Auch der soziale Stand war nicht ganz eindeutig für mich. Antons Vater machte zwischenzeitlich keinen asozialen Eindruck, reagiert er doch erklärend und geduldig, im nächsten Moment rastet er in Gegenwart seiner Frau unvermittelt aus und wird handgreiflich. :confused:

Desweiteren ist es für mich nicht glaubwürdig, dass der Sohn nicht bemerkt haben sollte, dass sowohl das Schimpfwort als auch der geschmierte Gruß nicht zur Belustigung beitragen konnte und auch nicht zum Sprachgebrauch gehören. Oder Anton ist extrem "bräsig" :D

Also alles in allem hätte es mir gefallen, wenn du mehr drumherum geschrieben hättest, damit mir die Handlungen schlüssiger hätten erscheinen können.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo pantoholli,

eine Menge Kritik hast Du Dir schon eingefangen, deswegen von mir: nette kleine Geschichte.

Die Kleinkinderdialoge fand ich gar nicht soo daneben. Klar ganz genau getroffen hast Du die Sprache und das Verhalten zum zugehörigen Alter nicht. Aber ich verstehe die Geschichte auch nicht so, dass es darauf so ankommt, sondern eher auf das Spiel mit den "verbotenen" Wörtern.

Wirklich unrealistisch ist aus meiner Sicht der Dialog der Eltern und die Reaktion der Mutter.

„Wieso lernt er immer solche Worte, wenn er mit Dir unterwegs ist?“
„Weil ich ihm vielleicht die Welt so zeige, wie sie ist“, antwortete er pampig.
„Ach? Und ich packe ihn in Watte ein, oder wie?“
„Ja genau. Du und Deine Mutter. Bei euch kann er nur schwul werden.“
„Du bist so ein Arschloch!“
„Und Du …“
Die Mutter unterbrach ihn mit einer Ohrfeige: „… eine Fotze, wolltest du bestimmt sagen.“

Ich denke, wenn sich eine Mutter über jedes Wort so aufregt, das kleine Kinder aufschnappen, braucht sie dringend professionelle Unterstützung.

Aber, wie gesagt, ein kleines Schmunzeln hast Du bei mir erzeugt.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo rieger , Kanji und Geschichtenwerker

Vielen Dank auch für Eure Kommentare.

Ja, ich habe verstanden, dass die Geschichte nicht ganz so geworden ist, wie ich mir das vorgestellt habe (oder zumindest nicht so ankommt :) ). Insbesondere beim Dialog der Eltern - ja, die Konfrontation kommt so abruppt, dass der Grund des Streits mit Sicherheit nicht in der Geschichte zu finden ist. Wollte ich eigentlich auch garnicht. Ich wollte den Focus auf dem Kind behalten, und der Kleene versteht das ganze so garnicht. Kann er auch nicht, will er auch nicht.

Die Sprache der Kinder muss ich wohl nochmal üben :) War mein erster Versuch.

lieben Gruß
Pantoholli

 

Hallo pantoholli,

ich fange gleich mal oben mit dem Titel an, der dir sehr gut gelungen ist. Wandgeschmiere trifft es perfekt, was in der Geschichte u.a. geschieht und ist trotzdem kein 08/15-Titel und lässt einen neugierig werden.

Auch das Challengethema ist getroffen, gar keine Frage.


Deine Geschichte selbst, ist jedoch einerseits mir zu seicht, andererseits könnte man aber auch mehr hinein interpretieren. Ich bin da nicht entschieden, was ich bezüglich ihrer Tiefe und Aussagekraft von ihr halten soll.

Fakt ist, dass es dir recht gut gelingt, die Denkweise von Kindern und ihre Art, es dann auszudrücken darzustellen. Oder, da ich nicht tagtäglich von Kindern umgeben bin, um dies direkt wieder finden zu können, möchte ich sagen, ich habe das Gefühl, dass du den Kindern treffende Sätze in den Mund gelegt hast.
Was mir an deiner Geschichte zusätzlich gefällt, ist die unbeantwortete Frage, wie man als Eltern mit dem Geplappere und den Fragen der Kinder umgeht. Sie erforschen ja auf diese Weise völlig unschuldig ihre Umwelt. Wie soll man Dinge erklären, die die Kinder eigentlich noch gar nicht erfassen können?

Ob ich der Geschichte unbedingt noch den elterlichen Streit aufgehalst hätte, weiß ich nicht. Wohl eher nicht, weil das die Geschichte inhaltlich verändert. Aber es stört auch nicht sonderlich.


Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita

Vielen Dan für Deinen Kommentar, der hat mich echt gefreut :)

 

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