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Wärmer als vieles

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21.04.2015
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Wärmer als vieles

Vermutlich sind es bloß Sekunden.
Sekunden, in denen die tanzenden Körper stocken.
Der Bass verebbt zu einem dumpfen Pochen.
Für alle anderen ein Wimpernschlag.
Für die Frau im roten Kleid hält die Zeit inne.

Weiches Laternenlicht auf Kopfsteinpflaster. Wärme strahlt von gewölbten Steinen.
Der DJ hat das Pult und die Boxen nach draußen getragen. Er wirft die Arme in die Luft, stampft zum Sound von 90er-Jahre-Trash. Lacht und singt so laut, dass er sie mit sich reißt. Menschen, die eben noch am Geländer gelehnt und die funkelnden Lichter im Hafen beobachtet haben, ins Gespräch vertieft mit ihrem Gegenüber. Nun feiern sie, jubeln und atmen zum gleichen Beat.
Die Frau steht am Rand, nippt am Drink, wippt mit dem Fuß im Takt. Ihr Blick gleitet durch die Menge, vorbei an Sommerkleidern, nackter Haut, schwitzenden Gesichtern. Die Luft flimmert. Salzkristalle wie glitzernder Staub.
Da sieht sie ihn.
Und er sieht sie.

Vermutlich sind es bloß Sekunden.
Sekunden, in denen Feuerwerksraketen über ihrem Kopf in den Himmel schießen. Sie explodieren in grellen Farben, tauchen die Szene in blau, rot und grün. An den Rändern zerfasert das Bild.
Wenn sie solche Vergleiche in Büchern liest, verdreht sie die Augen.

***​

Über ihnen der Mond, unter ihnen das Meer.
Sie sitzen auf einem Felsvorsprung, trinken Wein, der viel zu süß ist.
Sein Lächeln ist warm. Wärmer als vieles in den letzten Jahren.
Er sagt, sein Lieblingsfilm sei La Tortue Rouge, irgendwie bringe der ihn zur Ruhe. Sie sagt, ihrer sei La Haine, irgendwie rüttle der sie auf.

Mit jedem Schluck sinken die Fragen tiefer.
Woher kommt er, der Schmerz in deinem Blick? Woher das Leuchten?
Sie erzählen sich Dinge, für die es noch zu früh ist. Die sie bei einem ersten Treffen nie erzählt haben. Weil man das nicht macht.
Hier ist es richtig. Womöglich ist es das sogar immer.

Er spricht von der Zerrissenheit zwischen Frankreich und Guadeloupe. Wie er mit seiner Mutter durch Lyons Altstadt spaziert, die Gassen vertraut und doch fremd. Wie er seinen Vater an den Hafen von Port-Louis begleitet, ihm beim Malen zusieht und sich fragt, wer dieser Mann eigentlich ist. Wo Zuhause ist. Dass er deshalb umherreist, seit er 19 ist. Auf der Suche nach dem richtigen Ort. Dass diese Insel vielleicht dieser Ort ist. Er sagt, er sei glücklich. So was hat sie lange von niemandem mehr gehört.
Das hier ist flüchtig.
Morgennebel.
Und doch.
Sie vertraut ihm an, dass sie oft glaubt, sie sei kompliziert. Weil Menschen ihr das gesagt haben. Mal ist sie zu viel, mal zu wenig. Aber jetzt, hier, in diesem Moment, in diesem winzigen Fetzen Leben, in dem er sie sieht, sie einfach nur sieht, da weiß sie, dass das gar nicht wahr ist.

Wellen krachen gegen den Felsen. Werden zurückgesogen ins Meer, bevor sie wieder ans schroffe Gestein klatschen.
Rauschen breitet sich in ihr aus.
Das hier ist flüchtig.
Echt.

 

Hallo @MRG,

vielen Dank für deine Worte. Ich bin echt froh, wie der Text bisher aufgenommen wird, es war schon ein bisschen aufregend, den hier hochzuladen. So einfach über die Liebe schreiben, ohne wenn und aber, und über dieses Blitzverknalltseingefühl, das war schon mal was anderes :shy:

Interessant fand ich übrigens auch deinen Gedanken zur Melancholie, mir ging es da nämlich ähnlich wie @sim und ich war eher etwas schwermütig am Ende. So nach dem Motto, dass eben alles vorüber geht, egal wie schön es ist.
Ja, ich verstehe das. Vielleicht liegt es auch daran, dass Menschen eben bestimmte Dinge ganz unterschiedlich verarbeiten oder wahrnehmen. Es gibt die, die das Glück einfach volle Kanone aufsaugen, ohne wenn und aber, ohne irgendeinen weiteren Gedanken. Und es gibt Menschen, da schwingt noch was anderes mit, @Chutney hat es so treffend "Unterströmung" genannt. Dass der Text da dementsprechend unterschiedlich wirken kann, das leuchtet mir ein. Finde ich aber auch gut so.

Hier musste ich lachen, das ist so ein Spiel auf der Metaebene und ich hab's genossen.
Ja, weißt du, ich hab mir beim Schreiben gedacht, Alter, das geht nicht, das kannste nicht machen. Und genau so hab ich sie dann auch empfinden lassen :D
Naja, manche Momente fühlen sich an wie in einem einzigen verdammten Klischee und man ertappt sich dann ab und an selbst in einem Gefühl, bei Vergleichen, über die man zuvor noch die Augen verdreht hat. So schnell kann's gehen, wenn es einen dann doch mal umhaut.

Freue mich sehr darüber, wie du vor allem die Sinneseindrücke aufgenommen hast, dass das alles ein wenig wirken konnte.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Weiches Laternenlicht auf Kopfsteinpflaster. Wärme strahlt von gewölbten Steinen.

Da traut sich jemand, sprachliche „Brandbeschleuniger“ mit verdichtendem Effekt, kurz: Ellipsen zu verwenden, das selbst die technische Bedeutung der „Dichtung“ als etwas im Sinne von „undurchlässig“ zu machen wird - mit Ausnahme des einschlagenden Augenblitzes/-blickes. Da werd ich den Teufel tun, den aus dem (social-)engineering stammende „funktionieren“ für den gelungenen kleinen Text zu verwenden und auf ein „es funkt“ halt reduzieren, dass ich schon fast an eine erste Begegnung mit

Mme. Wou

erinnert werde.

Vermutlich sind es bloß Sekunden

ist schon eine Übertreibung, wenn der Blitz einschlägt,

findet der

Friedel

 

Lieber @Friedrichard,

Da traut sich jemand, sprachliche „Brandbeschleuniger“ mit verdichtendem Effekt, kurz: Ellipsen zu verwenden
Schön von dir zu lesen :)
"Sprachlicher Brandbeschleuniger" ... Das gefällt mir. ja, vor allem bei diesem speziellen Thema Romantik hab ich hier besonders auf klare Sätze geachtet. Um es nicht zu überladen und um den Text auch irgendwie frisch zu halten. Frisch im Sinne von leicht.

und auf ein „es funkt“ halt reduzieren
Danke :) Funken sollte es, das freut mich!

dass ich schon fast an eine erste Begegnung mit

Mme. Wou

erinnert werde.

Ha, das weiß ich noch, mein erster Text hier. Viel zu lang für die Rubrik Kurzgeschichte war die Frau Sonne, aber ihr habt mich zum Glück nicht des Platzes verwiesen. Fast sieben Jahre ist das her, verrückt.

Vermutlich sind es bloß Sekunden

ist schon eine Übertreibung, wenn der Blitz einschlägt

Stimmt - und dennoch wird die Zeit in so einem Moment irgendwie zu Kaugummi :)

Liebe Grüße schickt dir
RinaWu

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe RinaWu,

mir gefällt diese kleine Geschichte ausgesprochen gut. Ich denke dabei, dass die Protagonistin schon eine gewisse Lebenserfahrung mit sich bringt, um so einen Moment als solchen stehen zu lassen und dem Ende der Nacht auch das Ende der Begegnung zugesteht - und das Aufeinandertreffen als Geschenk annimmt und mit dem Ende nicht hadert.

Du zeigst deutlich auf, dass in kürzerster Zeit eine enge Bindung entstanden ist, ohne dass man von körperlicher Annäherung weiß.
Das Leben besteht aus lauter Abschieden. Dieser kleine Text ist ein Beispiel dafür, wie man damit gut umgehen kann. Ich finde, das steckt viel, viel mehr wie nur ein romantischer Text dahinter. Es ist die Wärme, das Aufgehobensein; was soviel wert ist.

Sehr schön!

Hier noch eine Anmerkung:

Sekunden, in denen Raketen über ihrem Kopf in den Himmel schießen. Sie explodieren in grellen Farben, tauchen die Szene in blau, rot und grün.
Ich dachte erst an Raketen im Sinne von Waffen. Vielleicht wäre es deutlicher, wenn du statt dessen Feuerwerk schreibst?

Mit jedem Schluck sinken die Fragen tiefer.
Mein Lieblingssatz.

Der Titel passt wunderbar und das Ende finde ich genau richtig. Das macht was, das liest man nicht nur so runter, da bleibt man hängen und sucht sich sein eigenes echt.

Liebe Grüße
bernadette

 

Liebe @bernadette,

richtig schön, von dir zu lesen :shy:

Ich denke dabei, dass die Protagonistin schon eine gewisse Lebenserfahrung mit sich bringt
Ja, das stimmt. Ich habe da auch selbst drüber nachgedacht, ob ich so einen Text vor zehn Jahren hätte schreiben können - und ich glaube nicht :D Ich muss ja sagen, dass das einer der Punkte ist, die ich am älter werden mag. Man lernt einfach, in gewissen Dingen entspannter zu werden. Klingt jetzt cheesy, aber da kommt mit den Jahren ja echt so eine kleine Weisheit um die Ecke und bringt einem bei, dass man mit bestimmten Dingen im Leben auch anders umgehen kann, als bisher. Und ich persönlich weiß gewisse Situationen oder Aufeinandertreffen mit Menschen jetzt anders zu schätzen, als mit Anfang 20. Das is schon cool, ich mag das.

Du zeigst deutlich auf, dass in kürzerster Zeit eine enge Bindung entstanden ist, ohne dass man von körperlicher Annäherung weiß.
Das Leben besteht aus lauter Abschieden. Dieser kleine Text ist ein Beispiel dafür, wie man damit gut umgehen kann. Ich finde, das steckt viel, viel mehr wie nur ein romantischer Text dahinter. Es ist die Wärme, das Aufgehobensein; was soviel wert ist.
Danke, bernadette.
Richtig, ich wollte das zwischen den beiden (zumindest explizit ausgesprochen) nicht körperlich werden lassen. Weil das nicht der Punkt ist. Ein Goodie vielleicht, die Kirsche auf der Sahnehaube, aber nicht das, was ihr Treffen ausmacht. Ich finde es schön, dass du sagst, da steckt mehr dahinter, hinter diesem kleinen Ausschnitt. Für mich nämlich auch. Es ist manchmal schon verrückt, wie ein zuvor fremder Mensch einem plötzlich ganz nah, ja sogar heilsam sein kann. Das lässt ein Gefühl zurück, von dem man echt lange zehren kann.

Ich dachte erst an Raketen im Sinne von Waffen. Vielleicht wäre es deutlicher, wenn du statt dessen Feuerwerk schreibst?
Ui. Krass, der Gedanke kam mir gar nicht, stimmt. Ich habe jetzt "Feuerwerksraketen" draus gemacht, weil ich das Bild der einzeln hochschießenden Raketen gut finde. Nur Feuerwerk wäre dann für mein Gefühl so ein allgemeines Explodieren am Himmel. Und mit dem Zusatz vor "Raketen" ist es jetzt schon deutlicher, denke ich.

Das macht was, das liest man nicht nur so runter, da bleibt man hängen und sucht sich sein eigenes echt.
Danke, das ist toll zu hören.

Liebe Grüße!
RinaWu

 

Moin @RinaWu,

danke für diesen wundervollen Beitrag.
Auch wenn es absolut nicht mein Genre ist, wünschte ich, so formulieren, so schreiben zu können.
Dein Text hat mich fasziniert, nah dran an einem Gedicht und dann aber doch wieder Story, du kreierst mit wenigen Bildern eine Szenerie, die zugleich melancholisch, romantisch, ein bisschen kitschig und doch irgendwie ... echt auf mich wirkt.
Dafür sorgen u.a. wenige Elemente, wie das Einbringen der beiden Filmtitel und was diese als ausgesuchte Lieblingsfilme bei einem auslösen können.

Diese Stelle fand ich genial:

Wenn sie solche Vergleiche in Büchern liest, verdreht sie die Augen.
Jetzt ist sie mittendrin.

Das hier hat mich leicht stolpern lassen, was aber wohl nur daran liegt, dass ich bei "90er-Jahre-Trash" schreiend das Weite suche...

Er wirft die Arme in die Luft, stampft zum Sound von 90er-Jahre-Trash.

Diese Frage hat mich kurzfristig verwirrt. Wer fragt das hier wen?

Woher kommt er, der Schmerz in deinem Blick?

Alles in allem sehr gerne gelesen,
beste Grüße
Seth

 

Hallo @Seth Gecko,

vielen Dank für deine Worte. Freut mich sehr, dass dir der Text gefallen hat, obwohl es so gar nicht dein Genre ist. Glaub mir, meins auch nicht, aber hier hat es dann doch irgendwie Spaß gemacht, mal etwas zum Thema "Romantik" zu schreiben :) Wenn es sich trotz ein wenig Kitsch dennoch echt anfühlt, dann habe ich geschafft, was ich schaffen wollte. Danke für dieses Feedback.

Dafür sorgen u.a. wenige Elemente, wie das Einbringen der beiden Filmtitel und was diese als ausgesuchte Lieblingsfilme bei einem auslösen können.
Ach cool, das hier ist nämlich eine Stelle, die ich erst später eingebaut habe, als zurecht angemerkt wurde, dass ein bisschen mehr Hintergrund zu den beiden nicht schaden könnte. Und weil ich da nicht zu sehr ins Erklären kommen wollte, habe ich die Lieblingsfilme gewählt, um sie ein wenig zu beschreiben.

Diese Frage hat mich kurzfristig verwirrt. Wer fragt das hier wen?
Ist das wichtig? ;) Nein, im Ernst, ich habe das extra nicht klarer gemacht, denn letztendlich kann er sie das fragen oder sie ihn. Vielleicht schwebt die Frage auch einfach zwischen ihnen, ohne dass sie explizit ausgesprochen wird. Ist eher so eine Art Stimmungsbild, als präziser Dialog.

Viele Grüße!
RinaWu

 

Hallo,

nun hab ich mich an der Challange beteiligt, nu "muss" ich auch Kommentieren. Und das fällt mir gar nich so leicht, weil ich kaum was zu meckern habe :D

Ein ganz kleiner Gedanke:

Vermutlich sind es bloß Sekunden.

Ich fand es etwas schade, dass dieser Satz den ersten Absatz nicht auch abschließt. Du hast ja die Form:
- "Vermutlich sind es bloß Sekunden."
- Erklärung, was in den Sekunden passiert
- die Beschreibung DES Momentes.
- "Vermutlich sind es bloß Sekunden."
- Erklärung, was in den Sekunden passiert

Mein Vorschlag wäre die Form:
- "Vermutlich sind es bloß Sekunden."
- Erklärung, was in den Sekunden passiert
- die Beschreibung DES Momentes.
- Erklärung, was in den folgenden Sekunden passiert, mit dem abschließendem Satz:
- "Vermutlich sind es bloß Sekunden."

^^Aber das ist nicht so wichtig ;) Dein Text funktioniert, so wie er ist, auch wunderbar.

gern gelesen
pantoholli

 

Hallo @pantoholli,

Und das fällt mir gar nich so leicht, weil ich kaum was zu meckern habe
Das finde ich ja gar nicht schlimm, dass du nichts zu meckern hast ;)

Mein Vorschlag wäre die Form:
- "Vermutlich sind es bloß Sekunden."
- Erklärung, was in den Sekunden passiert
- die Beschreibung DES Momentes.
- Erklärung, was in den folgenden Sekunden passiert, mit dem abschließendem Satz:
- "Vermutlich sind es bloß Sekunden."
Ich verstehe den Gedanken, dann würde "Vermutlich sind es bloß Sekunden" den ersten Teil sozusagen rahmen. Aber ich finde eben, dass das hier

Wenn sie solche Vergleiche in Büchern liest, verdreht sie die Augen.
Jetzt ist sie mittendrin.

den Absatz besser abschließt, weil es so dem Ganzen das fies Kitschige nimmt und ein wenig relativiert. Würde ich den Rahmen wie oben beschrieben wählen, wäre das zwar formschön, aber ich hätte die Befürchtung, dass es dann auch ein bisschen zu viel des Guten ist. Weißt du, was ich meine?

Viele Grüße
RinaWu

 

Liebe @RinaWu

ein wundervoller Text von Dir, den ich sehr gerne gelesen habe. Ich mag die Poesie, das Kopfkino, das beim Lesen entsteht. Der Einstieg ist gelungen, sehr individuell und weckt sofort die Neugierde. Obwohl die Geschichte kurz ist, geht sie dennoch in die Tiefe, das finde ich bewundernswert. Auch regt sie total zum Philosophieren an.

Hier ein paar Leseeindrücke:

Vermutlich sind es bloß Sekunden.
Sekunden, in denen die tanzenden Körper stocken.
Der Bass verebbt zu einem dumpfen Pochen.
Für alle anderen ein Wimpernschlag.
Für die Frau im roten Kleid hält die Zeit inne.

Sehr gelungener Einstieg. Mal was total anderes. Poetisch und präzise auf den Punkt gebracht. Hat mich sofort neugierig gemacht.

Nun feiern sie, jubeln und atmen zum gleichen Beat.
Die Frau steht am Rand, nippt am Drink, wippt mit dem Fuß im Takt. Ihr Blick gleitet durch die Menge, vorbei an Sommerkleidern, nackter Haut, schwitzenden Gesichtern. Die Luft flimmert. Salzkristalle wie glitzernder Staub.
Da sieht sie ihn.
Und er sieht sie.

Tolle Szene, die ich mir bildlich total gut vorstellen kann. Hat etwas Magisches.

Vermutlich sind es bloß Sekunden.
Sekunden, in denen Feuerwerksraketen über ihrem Kopf in den Himmel schießen. Sie explodieren in grellen Farben, tauchen die Szene in blau, rot und grün. An den Rändern zerfasert das Bild.
Wenn sie solche Vergleiche in Büchern liest, verdreht sie die Augen.
Jetzt ist sie mittendrin.

Toll! Davon träumt doch jeder. Von so einer Begegnung. Bei mir weckt das sofort Sehnsucht. Und Du beschreibst es so, dass man es Dir wirklich abnimmt. Dass es eben nicht nur ein Traum ist, sondern wirklich passieren kann.

Sie erzählen sich Dinge, für die es noch zu früh ist. Die sie bei einem ersten Treffen nie erzählt haben. Weil man das nicht macht.
Hier ist es richtig. Womöglich ist es das sogar immer.

Das regt zum Philosophieren an. Ja, warum sich nicht gleich öffnen und zeigen, wer man ist.

Aber jetzt, hier, in diesem Moment, in diesem winzigen Fetzen Leben, in dem er sie sieht, sie einfach nur sieht, da weiß sie, dass das gar nicht wahr ist.

Das ist ein sehr schöner Moment. Sehr schön, dass sie das durch diese Begegnung erkennt.

Wellen krachen gegen den Felsen. Werden zurückgesogen ins Meer, bevor sie wieder ans schroffe Gestein klatschen.
Rauschen breitet sich in ihr aus.
Das hier ist flüchtig.
Echt.

Sehr schön beschrieben!

Und ich frag mich, warum es flüchtig ist? Weil er gerne herumreist? Und sie nicht? Wäre doch toll, wenn er sich niederlässt oder sie ihn begleitet. Wenn es so eine magische Begegnung gibt, sollte man das nicht festhalten? Ich finde es wunderbar, dass Deine Geschichte so zum Nachdenken anregt.

Ganz liebe Grüße und einen schönen Tag,
Silvi

 

Hallo @Silvita,

vielen Dank für deine Worte. Es freut mich sehr, dass trotz der Kürze der Geschichte das Tiefere darin durchkommt und für dich spürbar ist.

Toll! Davon träumt doch jeder. Von so einer Begegnung. Bei mir weckt das sofort Sehnsucht. Und Du beschreibst es so, dass man es Dir wirklich abnimmt. Dass es eben nicht nur ein Traum ist, sondern wirklich passieren kann.
Ja, so was passiert nicht oft. Ich glaube, ich kann solche Momente an einer Hand, wenn nicht sogar an drei Fingern abzählen. Aber wenn es dann passiert, knallt es einen weg und hat dadurch gleich was Magisches.

Das regt zum Philosophieren an. Ja, warum sich nicht gleich öffnen und zeigen, wer man ist.
Ich glaube, man macht das oft nicht, weil man Angst hat, zu viel preiszugeben. Weil man sich an "Normen des Kennenlernens" hält, die einem unterbewusst eingetrichtert wurden. Weil man eventuell in der Vergangenheit zu viel und zu schnell gegeben hat und enttäuscht wurde. Zu der Erkenntnis zu kommen, dass das alles keine Rolle spielen sollte, dass man einfach riskieren sollte, sich von Anfang an zu zeigen, ist viel wert, glaube ich. Nicht, dass man sich das dann immer traut und immer tut, aber vielleicht wenigstens öfter als zuvor.

Sehr schön, dass sie das durch diese Begegnung erkennt.
Ja, finde ich auch :shy:

Und ich frag mich, warum es flüchtig ist? Weil er gerne herumreist? Und sie nicht? Wäre doch toll, wenn er sich niederlässt oder sie ihn begleitet. Wenn es so eine magische Begegnung gibt, sollte man das nicht festhalten?
Weil an diesem Punkt, an dem die beiden sind, eben nichts klar ist, außer diesem Moment zusammen. Sicher wäre es toll, wenn sie daran festhalten. Oft ist das aber nicht möglich, so sehr man es möchte, weil der Alltag dazwischenfunkt. Oder weil so ein Moment manchmal eben unwiederbringlich ist. Manchmal auch nicht, da wird daraus unverhofft auch mehr. Aber zum Zeitpunkt der Erzählung ist das unklar und deshalb das Besondere so flüchtig. So war zumindest mein Gedanke beim Schreiben.

Dir auch noch einen schönen Tag.
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo @RinaWu,
ganz grundsätzlich gefällt mir das Genre, das du hier "bedienst" und damit meine ich nicht "Romantik" (die mag ich aber auch :D), sondern diese verknappte, kurze, sehr lyrische Form (das nur zur Info). Man weiß gar nicht ist lyrische Prosa oder prosaische Lyrik. Ist aber auch wurscht. Mir gefällt das Spannungsfeld, das die Erzählerin erzeugt, indem sie die Namen der beiden Figuren nicht nennt und sie dann doch individualisiert über die zwei Lieblingsfilme und die zwei Erinnerungs- oder Kernselbstfetzen. Als Leserin schwebe ich dadruch ein bisschen über der Szene, ich merke, die Erzählerin will mir nichts über diese zwei Menschen erzählen, darum sind auch ihre Namen nicht wichtig, sondern etwas über einen Moment. Einen Moment, in dem zwei Fremde sich nahe kommen, auf emotionaler Ebene nahe, eine Verbundenheit spüren, die sich nicht aus einer bereits lange währenden Beziehung erklärt, sondern die da magischerweise einfach aus dem Nichts entsteht und der so viel Akzeptanz des Augenblicks und des So-Seins auch des Man-selbst-Seins mit sich trägt, Geborgenheit und nicht zu begreifende Nähe und Vertrauen, man kann einfach loslassen, sich treiben lassen und immer tiefer sinken (wie die Fragen) in dieses ... Achtung: Kitsch! ;-) ... Wunder, das einem da widerfährt. Und natürlich kann das nicht anhalten, egal, wie alt man ist. Sich mit einer fremden Person so vertraut zu fühlen, kann ja nur flüchtig sein. Selbst wenn aus beiden ein wundervolles Paar werden würde, so ist doch Vertrautheit mit einer vertrauten Person etwas anderes (nicht minder Schönes, aber anderes) als Vertrautheit mit einer fremden Person. Und genau davon handelt dein Text für mich, von dieser Magie, die vielleicht (hoffentlich) ja jeder kennt, wenn ein Mensch, den man bisher nicht kannte und über den man auch nichts weiß, einem unerklärlicherweise so nah ist, als würde man im gleichen Rhythmus schwingen. Ok, ich höre jetzt auf ...
... und komme jetzt auch noch mit ein paar Anmerkungen um die Ecke. Ich finde, dass das alles in deinem Text steckt, was ich oben geschrieben habe und das finde ich auch ganz toll, tatsächlich konnte ich aber nicht die ganze Zeit so mitschwingen. Ich würde das gerne noch genauer, noch mehr auf den Punkt, mit mehr Wumms und Individualität lesen wollen. Die ersten fünf Zeilen zB die rocken für mich nicht. Sekunden, Wimpernschlag, dumpfes Pochen. Ich finde, da verlässt du dich zu sehr darauf, was dir vielleicht zuerst in den Kopf gekommen ist, was uns wahrscheinlich allen in den Kopf kommt. Es ist nicht überraschend, es ist auch nicht emotional (für mich), es ist und ich hoffe, du nimmst mir meine Ehrlichkeit nicht übel, auch ein bisschen langweilig und ausgelutscht. An einigen Stellen erklärst du zuviel, bist zu direkt, stößt mich mit der Nase drauf. Das solche Augenblicke flüchtig sind, davon handelt der Text, da sollte ich selber drauf kommen und nicht mit der Nase drauf gestoßen werden.
Und statt jetzt weiter aufzuzählen, was mir nicht so gut gefällt, schreib ich dir jetzt noch die Stellen raus, die mir supergut gefallen haben.

vorbei an Sommerkleidern, nackter Haut, schwitzenden Gesichtern. Die Luft flimmert. Salzkristalle wie glitzernder Staub.
Da sieht sie ihn.
Und er sieht sie.

Er sagt, sein Lieblingsfilm sei La Tortue Rouge, irgendwie bringe der ihn zur Ruhe. Sie sagt, ihrer sei La Haine, irgendwie rüttle der sie auf.

Mit jedem Schluck sinken die Fragen tiefer.

Er spricht von der Zerrissenheit zwischen Frankreich und Guadeloupe. Wie er mit seiner Mutter durch Lyons Altstadt spaziert, die Gassen vertraut und doch fremd. Wie er seinen Vater an den Hafen von Port-Louis begleitet, ihm beim Malen zusieht und sich fragt, wer dieser Mann eigentlich ist.

Sie vertraut ihm an, dass sie oft glaubt, sie sei kompliziert. Weil Menschen ihr das gesagt haben. Mal ist sie zu viel, mal zu wenig. Aber jetzt, hier, in diesem Moment, in diesem winzigen Fetzen Leben, in dem er sie sieht, sie einfach nur sieht, da weiß sie, dass das gar nicht wahr ist.

Wellen krachen gegen den Felsen. Werden zurückgesogen ins Meer, bevor sie wieder ans schroffe Gestein klatschen.
Hier dachte ich auch, dass das ein schönes Ende ist, weil es doch das Flüchtige, das Lebendige, die Veränderung beschreibt ohne sie explizit zu benennen. MMn brauchst du da das Ende nicht mit dem "Das hier ist flüchtig" usw. Und vielleicht, nur so als Idee, könntest du eben genau solche Beschreibungen der Szenerie einfügen, die mir auf subtile und schöne Weise dann verdeutlichen, was du mir als Leserin sagen willst.

Liebe Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Katta,

danke dir für deinen tollen Kommentar. Dieser ganze erste Absatz ist total schön zu lesen, passender hätte ich das nicht sagen können. Du hast recht, diese seltsame Adhoc-Vertrautheit, die man manchmal mit Fremden hat, die lässt sich mit der Vertrautheit mit jemand Vertrautem nicht vergleichen. Hat aber auf jeden Fall was --- achtung, KITSCH --- Magisches. Da bin ich voll bei dir.

Die ersten fünf Zeilen zB die rocken für mich nicht. Sekunden, Wimpernschlag, dumpfes Pochen. Ich finde, da verlässt du dich zu sehr darauf, was dir vielleicht zuerst in den Kopf gekommen ist, was uns wahrscheinlich allen in den Kopf kommt. Es ist nicht überraschend, es ist auch nicht emotional (für mich), es ist und ich hoffe, du nimmst mir meine Ehrlichkeit nicht übel, auch ein bisschen langweilig und ausgelutscht.
Ja, verstehe ich. Es mag an meiner momentanen Schreibverfassung liegen, dass ich dazu aber gar nicht viel sagen kann. Nein, der Anfang ist nicht überraschend. Aber aus dieser Situation etwas so Individuelles zu machen, das man noch nie zuvor gelesen hat, widerstrebt mir. Dieser Wow-Moment passiert eben in alltäglichen Situationen. Und es ist dann so, dass die Zeit für einen Moment langsamer zu laufen scheint, das Außen verschwimmt. Es geht hier gar nicht darum, was mir zuerst in den Kopf gekommen ist, ich saß an dem Text eine ganze Weile und habe an jedem Satz geschraubt - sondern viel mehr darum, wie es sich für mich persönlich anfühlt, wenn so etwas passiert. Und da wollte ich eben keine außergewöhnliche Situation schaffen, nur um sie besonders individuell zu machen, sondern nah an der (meiner) Realität bleiben. Formulierungen benutzen, die einfach passen, die echt sind, nicht gekünstelt. Und irgendwie habe ich immer das Gefühl, wenn man zu sehr nach der einen besonderen, noch nie dagewesenen Formulierung sucht, dann wirkt das gekünstelt, dann spürt man den Autor zu sehr... Das mag aber auch nur mein Thema sein.
Das Besondere entwickelt sich dann zwischen den beiden, finde ich, in genau den Stellen, die du auch zitiert hast. Das geschieht nicht mit Wumms, sondern leise. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob mehr Wumms hier passt.
Ich bin bei dir, dass man über die zwei mehr erzählen könnte. Das wurde auch schon an anderer Stelle angemerkt. Und das stimmt. Aber darum ging es mir eben nicht, sondern wie du schon oben so schön beschreibst, um den Moment. Klar könnte man das ausführlicher erzählen - vielleicht mache ich das sogar noch :) Habe da so eine Idee, aber die braucht noch ein wenig.

An einigen Stellen erklärst du zuviel, bist zu direkt, stößt mich mit der Nase drauf. Das solche Augenblicke flüchtig sind, davon handelt der Text, da sollte ich selber drauf kommen und nicht mit der Nase drauf gestoßen werden.
Ja, da habe ich gehadert. Soll ich das weg- oder drinlassen. Also diese direkten Teile. Und dann dachte ich: "Machste sonst nie, jetzt hier is mal Romantik, da machste das jetzt einfach schön mitten ins Gesicht."

Also ja, kurzum, ich kann deine Kritik verstehen, kann ihr aber gerade nicht viel entgegensetzen.

Und vielleicht, nur so als Idee, könntest du eben genau solche Beschreibungen der Szenerie einfügen, die mir auf subtile und schöne Weise dann verdeutlichen, was du mir als Leserin sagen willst.
Das ist eine gute Idee, das lasse ich mal in mir arbeiten. Danke dir.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo @RinaWu,

Also ja, kurzum, ich kann deine Kritik verstehen, kann ihr aber gerade nicht viel entgegensetzen.
Ach, das sollst du ja auch gar nicht. Du nimmst, was dich und den Text aus deinen Augen weiterbringt.

Und da wollte ich eben keine außergewöhnliche Situation schaffen, nur um sie besonders individuell zu machen, sondern nah an der (meiner) Realität bleiben. Formulierungen benutzen, die einfach passen, die echt sind, nicht gekünstelt. Und irgendwie habe ich immer das Gefühl, wenn man zu sehr nach der einen besonderen, noch nie dagewesenen Formulierung sucht, dann wirkt das gekünstelt, dann spürt man den Autor zu sehr... Das mag aber auch nur mein Thema sein.
Hierzu wollte ich noch mal sagen, dass das vielleicht falsch ankam. Ich meinte Wumms nicht Baseballschläger, aber schon so eine stille, leise Kraft (Wumms ist ganz klar, dass falsche Wort). Und mir ging es auch nicht um indivduelle Formulierungen, irgendwas besonders Kreatives, nein eher was leises, wie du auch sagst, aber diese sprachlichen Klischees die sind halt irgendwann leer, da liest man oder besser: da lese ich dann so drüber hinweg und es rührt sich gar nichts in mir. Die Stellen, die ich rausgesucht habe, die sind ja nicht gekünstelt, das sind ja keine außergewöhnlich ungewöhnlichen Vergleiche, Metaphern oder wat weiß ich.
Das Besondere entwickelt sich dann zwischen den beiden, finde ich, in genau den Stellen, die du auch zitiert hast. Das geschieht nicht mit Wumms, sondern leise. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob mehr Wumms hier passt.
Ja, genau und die gehen so ein bisschen unter in dem Drumherum. Ich habe noch mal geguckt und finde es sind vor allem die zwei "Vermutlich sind es nur Sekunden"-Passagen, die dem Text mMn nicht gut tun, weil die seine Individualität ein bisschen kaputtmachen (in meinen Augen, wie gesagt) und dem Text mMn nicht wirklich etwas Essenzielles hinzufügen. Aber ich will da gar nicht auf dich einreden, wollte das nur noch mal erklären. Nur eins noch:
Ich bin bei dir, dass man über die zwei mehr erzählen könnte.
Nee, nee, das hab ich nicht gesagt oder zumindest nicht gemeint. Ich finde gar nicht, dass du mehr erzählen solltest. Du kannst natürlich und das wäre sicher auch nicht schlecht, aber dann wäre es eben ein anderer Text und ich glaube, dass der Text das nicht unbedingt braucht, das ist eben keine klassische Kurzgeschichte.

Lieben Gruß
von Katta

 

Liebe @Katta,

danke für deine erneute Rückmeldung.

Ja, genau und die gehen so ein bisschen unter in dem Drumherum. Ich habe noch mal geguckt und finde es sind vor allem die zwei "Vermutlich sind es nur Sekunden"-Passagen, die dem Text mMn nicht gut tun, weil die seine Individualität ein bisschen kaputtmachen
Okay, verstanden :)
Nur ist mein Problem eben, dass ich ja genau diesen Moment des ersten Blicks auch einfangen will. Und ich eben schon erzählen will, dass es sich anfühlt, als würde alles drum herum auf einmal still stehen, sich verlangsamen, verschwimmen, whatever. Dafür eben die "Vermutlich sind es nur Sekunden"-Teile, die als eine Art Einleitung und aber auch Rahmen für den ersten Absatz fungieren. Und ich tue mich schwer, das in Worte zu kleiden, die diese Situation so anders beschreiben, dass man denkt "cool, hab ich so noch nie gelesen". Wie gesagt, ich verstehe deinen Punkt und schaue mir das noch mal in Ruhe an, manchmal hat man ja dann doch plötzlich einen Einfall, das anders zu gestalten.
Momentan ist es so, dass mir dieser Rahmen gefällt, dass ich ja eben genau mit diesen Klischee-Formulierungen auch spiele - nach dem Motto: Alle sprechen von so einem Moment immer in diesen kitschigen, fast schon abgenutzten Worten, aber scheiße ja, genau so fühlt es sich eben an. Weißt du, was ich meine?
Und dann wird das ja im ersten Teil durch die kleine Szene mit der Party gebrochen und im zweiten Teil individueller auf die beiden zugeschnitten. Naja, du siehst schon, ich bin noch widerspenstig, das muss sacken bei mir :) Aber ich denke auf jeden Fall drüber nach und schaue mir die Gewichtung "Kitsch" und "Individualität" genauer an.

Ich würde das gerne noch genauer, noch mehr auf den Punkt, mit mehr Wumms und Individualität lesen wollen.
Das hatte ich so verstanden, als wenn du auch über die beiden gerne noch genauer Bescheid wüsstest. Aber da habe ich dich dann missverstanden ;)

Liebe Grüße
RinaWu

 

Liebes! @RinaWu

Habe deine Kleine natürlich gleich nach dem Posten gelesen und dann aus Gründen, egal, so langsam sollte ich mal in die Puschen kommen mit meinen Challengekomms.
Mein erster Gedanke: ein ganz typischer Rinatext. Im Maskenball hätte man (ich) sofort gewusst, von wem er ist. Thema, Stil, das fühlt sich für mich inzwischen so vertraut an und ich hab es immer wieder gern. Da steckt immer eine Poesie drin, Sätze vor denen ich einfach niederknie, ehrlich jetzt, manchmal bin ich total neidisch auf Wörter :D

Für alle anderen ein Wimpernschlag.
Für die Frau im roten Kleid hält die Zeit inne.
Auf die hier z.B.

Sekunden, in denen Feuerwerksraketen über ihrem Kopf in den Himmel schießen. Sie explodieren in grellen Farben, tauchen die Szene in blau, rot und grün. An den Rändern zerfasert das Bild.
Wenn sie solche Vergleiche in Büchern liest, verdreht sie die Augen.
Jetzt ist sie mittendrin.
Bei Dir weiß man manchmal gar nicht, ob das jetzt Gedicht oder Geschichte ist. An den Rändern zerfasert das Bild. So geht mir das auch :D
Auf jeden Fall ist das aber eine Stelle, die ich sehr, sehr gern mochte.

Er sagt, sein Lieblingsfilm sei La Tortue Rouge, irgendwie bringe der ihn zur Ruhe. Sie sagt, ihrer sei La Haine, irgendwie rüttle der sie auf.
hehe

Mit jedem Schluck sinken die Fragen tiefer.
Ja, das ist so schräg, dass man sich manchmal Fremden viel leichter anvertrauen kann. Vielleicht, weil man weiß, man sieht sie nie wieder, die werden einen dafür nicht im Nachhinein verurteilen oder ihr Verhalten ändern, wenn dies oder das über einen wissen. Man erzählt, weil sie einem Zuhören. Also, das muss schon gegeben sein und ein gewisses Maß an Sympathie und wenn das stimmt, sind Fremde manchmal wie beste Freunde. Ich kann das Glück, dass sie da spürt, total nachvollziehen. Dieses Vertraute im Neuen. Manchmal ist das so intensiv, dass es einen echt Angst bei werden kann.

Sie erzählen sich Dinge, für die es noch zu früh ist. Die sie bei einem ersten Treffen nie erzählt haben. Weil man das nicht macht.
Ja, genau. Aber manchmal eben doch.

Dass er deshalb umherreist, seit er 19 ist. Auf der Suche nach dem richtigen Ort. Dass diese Insel vielleicht dieser Ort ist.
Schöne Figurenzeichnung. So klein, mit so viel drin.

Er sagt, er sei glücklich. So was hat sie lange von niemandem mehr gehört.
Ja, hört man wirklich sehr selten. Viel zu wenig eigentlich. Der Mensch mag, glaub ich, auch ganz gern leiden. Manche suchen förmlich danach, um dann ausgibig im Selbstmitleid zu baden.

Sie vertraut ihm an, dass sie oft glaubt, sie sei kompliziert. Weil Menschen ihr das gesagt haben. Mal ist sie zu viel, mal zu wenig. Aber jetzt, hier, in diesem Moment, in diesem winzigen Fetzen Leben, in dem er sie sieht, sie einfach nur sieht, da weiß sie, dass das gar nicht wahr ist.
Das tut ihr bestimmt richtig gut. Das ist Wolldecke und Schokolade mit Sahne und Keks und überhaupt. Es ist so viel mehr, als hätten sie Sex gehabt.

Ich habe mich für sie gfreut. Ich mag die Poesie in deinen Zeilen, die sich ja irgendwie auch auf das Leben der beiden in diesem Moment überträgt. Sorry, ich habe nix an Kritik dabei. Musste jetzt mit klarkommen.

Liebe Grüße!

 

Lieber @Willibald,
Liebe @Fliege,

Habt Dank für eure tollen Kommentare. Ich sitze gerade am Flughafen und düse für ein paar Tage weg, danach werde ich euch ausführlich antworten.

Liebe Grüße!
RinaWu

 

So, jetzt bin ich wieder da und antworte in Ruhe.

Hallo @Willibald,

Das Subjekt ist hier die Zeit und das mag einfach auf die spezielle Wahrnehmung auf Seiten der Frau ("für die Frau" erscheint das so und so) zurückführen, gleichzeitig aber ist das eine Art von Aktivität oder Geschenk der Zeit, gerichtet an die Frau, ("für die Frau, ihr zur Freude") - so die ein wenig verkopfte Lesart.
Nein, nein, das ist gar nicht verkopft, ich finde das toll. Mir war das erst gar nicht klar, dass man den Satz auch so lesen kann, dass die Zeit der Frau ein Geschenk macht und für sie innehält. Pah, das find ich sogar richtig gut. Verrückt, wie man manchmal Dinge schreibt und gar nicht jede Bedeutung überblickt. Umso schöner, wenn andere dann dabei helfen.

Und dann dieser Moment, wo sich das Bewusstsein der Protagonistin der Topologie bewusst wird, den möglichen Kitsch des Settings bedenkt und gleichzeitig die Echtheit und Wahrheit der Situation schlagartig erkennt und genießt und in die Vertrautheit eines Gespräches fließen lässt, das "man" sonst aus den unterschiedlichsten Gefühlen sich nicht zu führen traut.
Das freut mich ebenfalls sehr. Denn diese Stelle und auch die davor mit dem Zeit innehalten, das schrammt natürlich sehr am Kitsch, an Formulierungen, die man kennt, die oft benutzt werden. Das habe ich weiter oben auch schon thematisiert in einer meiner Antworten, weil ich verstehen kann, wenn das den Leser eher langweilt. Aber meine Intention war eben genau die, mit diesen "ausgelutschten" Begrifflichkeiten zu spielen, damit, weil sie eben manchmal stimmen. Egal wie oft solche Vergleiche schon herangezogen wurden, in einigen wenigen Momenten sind sie einfach so wahr. Sehr schön, dass du das genau so gelesen hast.

Vielen Dank für deine Überlegungen, hat mich echt gefreut.
Liebe Grüße
RinaWu


@Fliege, Liebe!

Thema, Stil, das fühlt sich für mich inzwischen so vertraut an und ich hab es immer wieder gern.
:kuss:
Danke! Dass du mich mittlerweile am Sound erkennen würdest, mit verbundenen Augen sozusagen oder wenn ich mich verstecken würde - das freut mich total. Sich eigen anzuhören, und wenn es nur eine winzige Nuance ist, eine RinaWu-Nuance eben, ist echt viel wert.

Bei Dir weiß man manchmal gar nicht, ob das jetzt Gedicht oder Geschichte ist. An den Rändern zerfasert das Bild. So geht mir das auch
Ja, schuldig im Sinne der Anklage :D Gerade bei diesen kleinen Texten schlittere ich schon immer schön scharf an der Poesie entlang, das würde auf langer Strecke so nicht funktionieren, macht aber genau deswegen manchmal so einen Spaß. Ist irgendwie ein freieres Schreiben - deshalb krieg ich gerade auch nur solche Kleinen hin.

Man erzählt, weil sie einem Zuhören
Genau. Und Zuhören, so richtiges Zuhören und auch so richtiges Fragen gibt es nur noch voll selten, finde ich. Dass man das Gefühl hat, das Gegenüber ist echt interessiert und wartet nicht nur auf ein weiteres Stichwort für die eigene Geschichte. Und ja, vielleicht, wenn man sich so fremd begegnet, stimmen manchmal auch einfach die äußeren Parameter, nichts lenkt ab, man ist entspannt und kann viel unbefangener miteinander umgehen. Ob das im Alltag funktionieren würde, sei mal dahingestellt, denn so ein Zauber kann sau schnell wieder verfliegen. Aber allein so ein kleiner Moment kann die Glückbatterie so richtig schön für länger aufladen.

Der Mensch mag, glaub ich, auch ganz gern leiden. Manche suchen förmlich danach, um dann ausgiebig im Selbstmitleid zu baden.
Ja. Und ich finde das sehr anstrengend. Es ist ja schon so weit, dass man stutzt, wenn jemand einfach nur sagt: "Hey, ich bin voll zufrieden gerade", weil man immer ein ABER erwartet. Und irgendwie wäre es schön, wenn das öfter wieder anders wäre.

Das ist Wolldecke und Schokolade mit Sahne und Keks und überhaupt.
So wie dein Kommentar :)

Ich arbeite jetzt mal mit einem fetten Schmunzeln weiter.
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hey @RinaWu

Ich mag den Text sehr, die Stimmung, die er transportiert, einen Aspekt besonders: den der Zeit, die einerseits gespreizt, ausgeweitet, dann wieder gebremst wird, sozusagen zwischen Ewigkeit und Wimpernschlag.

Darin liegt auch ein wenig die Kritik - aber eine ganz vorsichtige - denn ich glaube, der Text könnte mehr vertragen, die Leerstellen ließen sich mit etwas konkreteren Erinnerungsfetzen auffüllen, ohne die Leichtigkeit zu verlieren. Ist aber nur ein Gedanke, der Text leistet auch so eine ganze Menge.

Paar Stellen

Für alle anderen ein Wimpernschlag.
Für die Frau im roten Kleid hält die Zeit inne.
hier fragmentierst du die Zeit mit zwei kurzen Sätzen: fein!

Nun feiern sie, jubeln und atmen zum gleichen Beat.
wäre da nicht besser: Herzschlag oder Rhythmus?

Die Luft flimmert. Salzkristalle wie glitzernder Staub.
sehr poetisch!

Vermutlich sind es bloß Sekunden.
Sekunden, in denen Feuerwerksraketen über ihrem Kopf in den Himmel schießen.
hier wieder der Zeitaspekt

Mit jedem Schluck sinken die Fragen tiefer.
Woher kommt er, der Schmerz in deinem Blick? Woher das Leuchten?
das wäre eine Stelle für mehr

Wie er mit seiner Mutter durch Lyons Altstadt spaziert, die Gassen vertraut und doch fremd.
ach ja, Lyon, da gibt es diese dunklen Gassen der Händler zwischen den Hauszeilen, ich wei0 nicht mehr, wie die bezeichnet werden

Sie vertraut ihm an, dass sie oft glaubt, sie sei kompliziert. Weil Menschen ihr das gesagt haben. Mal ist sie zu viel, mal zu wenig.
auch hier geht mehr, reicht ein paar Andeutungen

Aber jetzt, hier, in diesem Moment, in diesem winzigen Fetzen Leben, in dem er sie sieht, sie einfach nur sieht, da weiß sie, dass das gar nicht wahr ist.
ein winziger Fetzen Leben, das merke ich mir

Das hier ist flüchtig.
Echt.
ja, guter Schluss, als Klammer hätte ich mir allerdings einen deutlicheren zeitlichen Bezug gewünscht.

Liebe Grüße sendet und einen wohligen Start ins Wochenende wünscht
Isegrims

 

Hallo @Isegrims,

vielen Dank fürs Vorbeischauen und Gedankendalassen :)

einen Aspekt besonders: den der Zeit, die einerseits gespreizt, ausgeweitet, dann wieder gebremst wird, sozusagen zwischen Ewigkeit und Wimpernschlag.
Es ist schön, dass gerade dieser Aspekt dir gefällt, denn der war mir tatsächlich wichtig. Gar nicht mal unbedingt im Zusammenhang mit etwas Romantischem, sondern schlichtweg auf das Leben bezogen. Wie oft denke ich, mir ist ein Moment regelrecht durch die Finger geflutscht, während ich andere Augenblicke, manchmal sogar bewusst, so steuern kann, bzw. mir so bewusst machen kann, dass sie zumindest gefühlt länger andauern. Je mehr Zeit in meinem Leben verstreicht, umso mehr wird sie mir manchmal zum Rätsel.

wäre da nicht besser: Herzschlag oder Rhythmus?
Hmm, nein, ich finde nicht :)

ach ja, Lyon, da gibt es diese dunklen Gassen der Händler zwischen den Hauszeilen, ich wei0 nicht mehr, wie die bezeichnet werden
Traboules heißen diese versteckten Gassen.

auch hier geht mehr, reicht ein paar Andeutungen
Klar, ich könnte an den von dir zitierten Stellen die Geschichte mit mehr füttern. Das ist bei solchen kleinen Texten aber echt so eine Sache, da wäge ich extrem ab: Braucht es das oder wäre es eher nice to have? Weil ich bei so verknappten Ausschnitten eben genau nur das erzählen will, was es braucht, um zu fühlen, was los ist. Und ich hätte die Befürchtung, wenn ich hier den Schmerz, die Befangenheit oder Vergangenheit der beiden mehr beleuchte, verliert der Text seine Stimmung, dieses Schwebende.

Danke dir für deine Gedanken, das ist so eine Geschichte, die ich sicherlich noch oft anpacken und an ihr rumfeilen werde und dann habe ich alle Kommentare im Hinterkopf, um sie an der ein oder anderen Stelle umzusetzen.

Viele Grüße
RinaWu

 

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