Was ist neu

Von der Ergebung des Ergebens und der Macht des Machens

was mir bei dieser Diskussion oft nicht behagt, ist das Gegeneinanderstellen.
Mir ist es egal, ob "Sinn machen" auf einem Anglizismus basiert. Ich heiße gern auch englische Wörter in unserem Sprachschatz als Bereicherung willkommen. Mir geht es eher darum, dass ich "Sinn machen" für inhaltlich falsch halte.

Hark, okay, da habe ich mich wohl saudämlich ausgedrückt. ;)

 

Ich denke, Megabjörnie hat Recht. Die Dinge, zwischen denen der "Sinn" hergestellt wird, werden personifiziert, so wie manchmal eben auch die Zutaten einen leckeren Kuchen machen und nicht der Konditor.

Die Unterschriftenliste ist für mich allerschönste Realsatire.

 

Systemtheoretisch betrachtet ist "Sinn machen" völliger Blödsinn (<- ;) ).

Sinn ist in der Systemtheorie etwas, das innerhalb eines Systems an eine gedachte Unterteilung der Umwelt zugewiesen wird. Sinn wird also nicht von diesem (sowieso nur durch das System "gedachten") "Außensystem" "gemacht", sondern entsteht innerhalb des Systems in Assoziation zu dem "Außensystem".

Anderherum formuliert: Wenn ich ein Brett mit vier Stöckern darunter als Tisch ansehe, dann bin ich es, der diesem Gebilde den Sinn "Tisch" verliehen hat, nicht das Brett mit den Stöckern. Das Brett "macht" keinen Sinn, es hat/ergibt diesen Sinn für mich.

 
Zuletzt bearbeitet:

Aber das Brett wird doch wahrgenommen, das könnte man mE durchaus auch als Wirken des "Systems" Brett + Stöcke auf den Wahrnehmenden interpretieren (etwa: das System reflektiert Licht in meine Augen und löst einen Prozess aus, der einen Sinn ausspuckt).

 

MisterSeaman schrieb:
(etwa: das System reflektiert Licht in meine Augen und löst einen Prozess aus, der einen Sinn ausspuckt).
Richtig, aber entscheidend ist, dass so etwas wie "Sinn" nur im Zusammenhang mit einer Instanz besteht, die diesen Sinn zuspricht. Ich denke, heute glaubt niemand (na ja, zumindest kein Philosoph oder Wissenschaftler) mehr ernsthaft, dass den Dingen so etwas wie ein ontischer Kern innewohnt, also eine Sinnhaftigkeit jenseits der vom Betrachter zugeschriebenen. Ein Tisch ist kein Tisch, sondern wird durch mich dazu. Für ein Kind kann ein Tisch genausogut ein Flugzeug sein, ein Buschmann würde in einem Tisch vielleicht ein Haus sehen. Abgesehen davon ist er Brennholz (wenn er nicht aus Metall oder Plastik ist), ein Physiker sieht in ihm etwas anderes als ein Tischler.

Sinn wird vom Betrachter erzeugt, daher ergeben die Dinge Sinn, sie machen ihn nicht.

(Abgesehen davon ist das natürlich wie immer nur meine Meinung. Das muss ich hier erwähnen, weil ich sonst wieder einen auf den Deckel bekomme, ich würde mir anmaßen, Universalwahrheiten zu verkünden.)

 

MisterSeaman schrieb:
Ich denke, Megabjörnie hat Recht. Die Dinge, zwischen denen der "Sinn" hergestellt wird, werden personifiziert, so wie manchmal eben auch die Zutaten einen leckeren Kuchen machen und nicht der Konditor.

Die Unterschriftenliste ist für mich allerschönste Realsatire.


Genau da wird es für mich sprachlich unpräzise, MisterSeaman, denn den Kuchen macht/backt weiterhin der Bäcker oder Konditor, die Zutaten ergeben einen leckeren Kuchen.

 

Tja, und jetzt könnten wir böser Weise einsteigen und behaupten "Wir machen den Sinn der Dinge". :D

Edit: Hui, sim ist schon eingestiegen, während ich noch am Schreiben gewesen sein tuen bin. (Extra für alle Feingeister der Sprache ;) )

 

sim schrieb:
[...] denn den Kuchen macht/backt weiterhin der Bäcker oder Konditor, die Zutaten ergeben einen leckeren Kuchen.
und behaupten "Wir machen den Sinn der Dinge"
Ganz genau so verhält es sich.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich finde beide Formulierungen gleichwertig.
@Naut:

Richtig, aber entscheidend ist, dass so etwas wie "Sinn" nur im Zusammenhang mit einer Instanz besteht, die diesen Sinn zuspricht.
Full ACK. Letztendlich, glaube ich, ist es eine Frage, wie weit man die Wahrnehmung zurückverfolgen will: Wenn man bis zur Ursache, dem Aussenden des Lichts durch den Tisch zurückgeht, kann man tatsächlich davon sprechen, dass der Tisch einen Sinn macht, in dem Sinne, dass er letztendlich seine Ursache ist. Dabei kann dieser Sinn durchaus für verschiedene Rezipienten ein anderer sein.

Wenn man nur das anschaut, was im Betrachter passiert, macht der den Sinn natürlich selbst.

@sim: Aber auch die Zutaten leisten einen Beitrag, z.B. geht die Hefe nach dem Backen auf. In dem Sinne macht der Bäcker den Kuchen nicht wirklich allein.

 

Sorry, wenn ich irgend etwas bereits Genanntes wiederhole:

Lernt man doch schon im Linguistik-Grundkurs, dass Wörter nicht nur eine Bedeutung haben, sondern auch eine Konnotation. Die Sätze "Das ergibt Sinn" und "Das macht Sinn" mögen dieselbe Bedeutung haben, aber die Konnotation von "Das macht Sinn" ist durchaus eine andere: Umgangssprachlicher, alltäglicher, salopper, lässiger. Ähnlich wie viele neuere Anglizismen, die Deutsche Worte auf den Ersten Blick "ersetzen", aber die sich dann bei genauerer Betrachtung in ihrer Konnotation unterscheiden. Beispiel wäre der grausige Begriff "Wellness" anstatt des Deutschen Präfix "Wohlfühl-" oder des Ausdrucks "Wohlbefinden". Bei "Wellness" schwingt etwas gänzlich anderes, "modern-trendiges" (und für mich eher ekelhaftes) mit.

Der alltägliche Benutzer der Umgangssprache greift dann auch wohl eher auf eine vermeintlich oder tatsächlich lässigere oder emotional andersgeartete Wortkonnotation zurück, als sich Gedanken über die Logik eines Ausdrucks zu machen. Demensprechend nimmt das Verb "machen" dann früher oder später die Bedeutung von "ergeben" in sich auf, und der Ausdruck steht im Duden. Das mag man jetzt gut oder bekackt finden, aber der Alltagssprachbenutzer pfeift drauf.

Obwohl dieser Ausdruck jetzt auch schon wieder unlogisch ist: Pfeifen kann man höchstens auf einer Pfeife, aber doch nicht auf einer Wortbedeutung.

Soweit meine Ausführungen dazu, ich hoffe, sie ergeben einen Sinn.

Gruß

Ben

 
Zuletzt bearbeitet:

Es wäre vielleicht interessant, zu wissen, wie lange es die Wendung "Sinn machen" schon im Deutschen gibt. Ich kenne sie, seit ich angefangen habe, Sprechen zu lernen.
Haben die Menschen im 19. Jahrhundert schon so gesprochen, oder kam es erst in den Fünfziger Jahren auf? Oder noch später?
Sprechen wir hier wirklich von einem allgemeinen Trend?

Ich habe übrigens für mich selbst geprüft, wann ich "ergeben" und wann "machen" einsetzen würde.

Geht es um einen sachlichen Zusammenhang, bevorzuge ich, glaube ich, auch eher das "Ergeben". Bei Handlungsweisen würde ich eher das "Machen" verwenden.

"Diese Zahlen ergeben keinen Sinn."
Denn klar, machen würde hier seltsam klingen.

"Deine Argumentation macht keinen Sinn."
Sicher kann man auch hat oder ergibt einsetzen, aber hier erzeugt das macht einfach mehr Nachdruck, weil es kraftvoller klingt - für mein Empfinden jedenfalls.

"Die Demo hat doch eh keinen Sinn."
Hier vermeide ich den Nachdruck, weil mich mein Gesprächspartner vom Gegenteil überzeugen soll.

"Es macht doch gar keinen Sinn, so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre!"
Und da haben wir ihn wieder, den Nachdruck. ;)

Insofern erweitert das "Sinn machen" schon unser Ausdrucksvermögen. Ich verwende es wohl nicht, wenn ich nur die Sache für sich betrachte. Wenn aber ein Betrachter untrennbar mit ihr verbunden ist, dann kommt es zur Anwendung. Eine Platte mit vier Holzstäben drunter macht für sich genommen keinen Sinn, die Reflexion des Betrachters "Das ist ein Tisch" dagegen schon - oder eben nicht, wenn er sagt "Das ist ein Nilpferd". Auch wenn die "Reflexion" ebenfalls eine Sache ist.

Edit: Oh, Ben war schneller. Aber ich stimme ihm voll zu. Die Alltagssprache funktioniert nicht nur nach Regeln der Logik, sondern auch und vor allem der Intuition und Konnotation.
Ich habe mal gelesen, dass das Japanische eher intuitiv als logisch funktionieren soll. Ein einziges Wort kann Dutzende von Bedeutungen haben. Und wenn Er zu Ihr sagt: "Du bist eine tolle Frau", dann kann sie getrost antworten: "Du auch", ohne für die mangelnde Logik schiefe Blicke zu ernten, weil sich durch die Intuition die Bedeutung erschließt. Ich frage mich, was ein Japaner von dieser Diskussion halten würde ...

 

Es wäre vielleicht interessant, zu wissen, wie lange es die Wendung "Sinn machen" schon im Deutschen gibt.
In meiner Kindheit hat es sie jedenfalls noch nicht gegeben. Ich schätze, es gibt sie seit den Achtzigern. Daß die Verwendung der deutschen Formen dabei offenbar verloren geht, zeigen Deine Beispiele, in denen nur haben, machen und ergeben zu existieren scheinen, z.B.:

"Deine Argumentation macht keinen Sinn."
Sicher kann man auch hat oder ergibt einsetzen, aber hier erzeugt das macht einfach mehr Nachdruck, weil es kraftvoller klingt - für mein Empfinden jedenfalls.
Du könntest genausogut sagen "Deine Argumentation ist doch (absolut/vollkommen) sinnlos" oder "Ich sehe keinen Sinn in deiner Argumentation" (was aufgrund des subjektiven Wertens wohl die korrekteste Form wäre).
"Es macht doch gar keinen Sinn, so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre!"
Und da haben wir ihn wieder, den Nachdruck.
Es ist doch (völlig/absolut) sinnlos, so zu tun, ...

Außerdem kommt "machen" als Wort allgemein sehr häufig vor, und wenn ich schreibe, bin ich doch froh, wenn ich das nicht ständig wiederholen muß.

Aber mir ist es eh egal, wie ihr das macht. Bei wirklich guten Verlegern kommt sicher korrektes Deutsch besser an.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich glaube aber nicht, dass die deutschen Formen "verlorengehen". Bleiben wir mal beim Beispiel

"Deine Argumentation macht keinen Sinn."

Du könntest genausogut sagen "Deine Argumentation ist doch (absolut/vollkommen) sinnlos" oder "Ich sehe keinen Sinn in deiner Argumentation" (was aufgrund des subjektiven Wertens wohl die korrekteste Form wäre).

Ich kann alle drei Formen verwenden, und alle drei haben eine eigene Wirkung. Die "Machen"-Form impliziert für mich rein intuitiv auch eine Aufforderung zu besserer Argumentation ( vielleicht wegen der Aktiv-Form ), bei den anderen ist das weniger der Fall.

Dass das Machen nicht so schön klingt, habe ich schon in der Grundschule gelernt. :D Ich bemühe mich normalerweise um differenziertere Ausdrücke. Aber wegen der eigenen Konnotationen sollte man auch diese Form als Reserve in seinem Sprachschatz behalten.

Edit: Ich finde es übrigens schön, mal eine richtig schön kleinkarierte Diskussion über die deutsche Sprache führen zu können. Ich bin ja auch so ein Wortfetischist ... :)

 

Nachtrag:

Nachdem ich diese Diskussion hier gelesen hatte, habe ich natürlich gleich mal in Bastian Sicks bereits klassischem Referenzwerk gestöbert, und muss dem Altmeister hier mal in zwei Punkten widersprechen.

Erstens: Es wird davon ausgegangen, dass "machen" eine statische Bedeutung hat, nämlich immer die von "herstellen, tun, etc". Aber man denke mal allein daran, wie lange der Ausdruck "Das macht nach Adam Riese" schon in der Deutschen Sprache existiert (denn wer erinnert sich heute noch daran, wer Adam Riese war?).
Über die Zeit hat das Verb "machen", wie unzählige andere Worte, eine Bedeutungsdimension hinzugewonnen, nämlich die von "ergeben, betragen", und zwar dann, wenn es in den oben zitierten Kontexten angewendet wird. Somit wäre der Ausdruck "Das macht zwo fuffzig" auch nicht mehr unlogisch.
Wörter gewinnen ja auch nicht nur Bedeutungen hinzu, sondern ändern ihre Bedeutung (oder häufiger: ihre Konnotation) auch mal. Bekanntes Beispiel wäre das Wort "gay" im Englischen. In seiner ursprünglichen Bedeutung, nämlich "fröhlich", kann das Wort heute gar nicht mehr angewendet werden, ohne schwerste Missverständnisse hervorzurufen.
Ein anderen Beispiel, das mir gerade einfällt: Es gab mal eine putzige Situation, in der unser aller Lieblingsbuji darüber klagte, man könne die alte, positiv gemeinte Bedeutung von "Weib" ja heutzutage gar nicht mehr anwenden, ohne missverstanden zu werden.

Zweitens: Zum Thema "Anglizismen" - Sick schreibt, dass ein neu eingeführter Anglizismus dann überflüssig sei, wenn es bereits einen Deutschen Ausdruck mit derselben Bedeutung gibt, den man an der Stelle auch einsetzen könnte. Das stimmt aber nur bedingt, wenn man die Konnotation der Wörter bedenkt. Angesichts des in einer bestimmten community (ha!) durch die Benutzung neuer Wörter (unbewusst) angestrebten Prestige-, Coolheits- oder einfach nur Zugehörigkeitsgewinns würde ich nicht sagen, dass diese Neologismen überflüssig sind. Sie erfüllen durchaus ihre Funktion, auch wenn der Muttersprachenreinheitsbewahrer sich vielleicht dabei in Agonie windet.
In Gruppen, die sich mit dem Schreiben und der Sprache enger auseinandersetzen, ist es natürlich ein wenig anders: Hier wird der (unbewusst) angestrebte Prestigegewinn* oft durch lautstarke Ablehnung von Anglizismen und "Sprachverhunzung" zu erreichen versucht.

An dieser Stelle will ich auch noch etwas zur vielgescholtenen "Jugendsprache" sagen, denn Ablehnung durch die ältere Generation hervorzurufen ist doch ein elementarer Bestandteil eines jeden Jugendjargons (und natürlich Abgrenzung von derselben). Wenn man sich also andauernd empört, erfüllt man höchstens die einem zugedachte Rolle, ändern wird man dadurch aber nichts. Eher im Gegenteil

Sodaswärs

Gruß

Sankt Ben


*Nenn ich jetzt mal ganz frech so.

 

Schön zusammengefasst, Ben. :thumbsup: Bist Du Linguist oder Germanist oder so?

Trotzdem lehne ich "Sinn machen" nach wie vor ab. Grund: Für mich fügt es der deutschen Sprache keine Bedeutungsdimension zu (wie Megabjörnie argumentierte), in meiner Kindheit existierte diese Phrase noch nicht und daher finde ich sie einfach blöd.

Ansonsten habe ich nichts gegen Lehnwörter aus anderen Sprachen, das wäre ja auch für mich als Science-Fiction-Autor ziemlich bescheuert. Man stelle sich eine Geschichte von mir ohne die ganzen Pseudo-Englischen-Begriffe vor, die ich mir immer so ausdenke. Das läse sich dann wahrscheinlich wie eine Babelfisch-Übersetzung aus dem Suaheli. :)

 

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