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Vier Häfen

Seniors
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15.03.2008
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Vier Häfen

Die dunklen Wolken schienen das Versprechen auf ein Gewitter an diesem Tag nicht mehr einlösen zu können. Schnelle Winde schoben die letzten Ausläufer Richtung Horizont und klärten den Himmel. Die davoneilenden Wolken sahen aus, als wollten sie an bekannte Formen erinnern, aber ich entschied mich gegen das Spiel mit der Fantasie. Es war keine Zeit zum Wolkenschaufeln, kein Grund für Himmelsguckerei.

"Wie schön das alles ist", sagte ich. Er bugsierte den Grashalm von einer Seite seines Mundes zur anderen. Schlug die Augen auf. Sah ohne Blinzeln nach oben. Drückte meine Hand. Ich antwortete ebenso. Wortloses Verständnis kann schön sein, aber die Häufigkeit und Intensität seines Schweigens irriterten mich und warfen einmal öfter die Frage auf, ob seine Gefühle für mich so stark waren, wie meine für ihn.

Als es Abend wurde und kühler, schlenderten wir durch die Hauptstraße der kleinen Stadt. Kauften an der Straßentheke eines Eisladens drei Kugeln für jeden, in den Farben Rot, Gelb und Braun. Löffelten langsam während des Gehens und leckten Eisnasen, die an der Waffel herunterliefen. Auf dem kopfsteingepflasterten Marktplatz spielten Kinder in einem Springbrunnen, das Wasser wurde von einer bronzenen Nackten gespien, die auf einem Stein saß. Die Kleinen bespritzten sich und quietschten vor Lachen. Ein paar Schauspieler hatten einen Tisch vor die Tür des Theaters gestellt und diskutierten und lachten bei starkem Kaffee und schwarzem Tabak. Als die Schatten länger wurden, begannen die gusseisernen, schwarz ornamentierten Straßenlaternen zu leuchten.

Ich öffnete den Knoten in meiner Bluse und steckte sie in die Hose, das sah zwar weniger sexy aus, hielt dafür aber warm genug, dass ich es noch eine Weile draußen aushalten könnte. Vor einem kleinen Programmkino blieben wir stehen. Robert wollte es unbedingt von innen und vielleicht einen Film sehen. Typisch, dachte ich und musste über diesen Gedanken lächeln. Ich kannte ihn doch erst zwei Wochen - reichte die Zeit, das Typische von jemandem zu erkennen? Mir war, als kennte ich es.
Wir sahen einen Film über das Gedicht eines Beatniks, das für einen Skandal in Amerika gesorgt hatte. Das war, glaub ich, in den fünziger oder sechziger Jahren. Das Gedicht fand ich überspannt, den Film ziemlich langweilig. Ich umfasste sein unrasiertes, kantiges Kinn, drehte seinen Kopf zu mir und küsste ihn. Als ich einmal schnell und heimlich sein Küssgesicht sehen wollte, erspähte ich, dass er zur Leinwand schielte. Da ließ ich ihn in Ruhe und schmollte im weichen Kinosessel.

Der kräftige Rote und die fast perfekte Pizza beim Italiener ein Haus neben dem Kino trösteten mich - oder war es die Atmosphäre? Dass es so was noch gab: Die rotweißkarierte Tischdecke mit dem Kerzenständer darauf, ein zuvorkommender Kellner, der ein paar nette Sachen sagte, und mir das Gefühl gab, willkommen zu sein, bevor er sich diskret zurück zog. Total nett, provinziell im besten Sinn.
Nach dem zweiten Glas knotete ich die Bluse wieder über dem Bauch zusammen, strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann sagte ich etwas über den Film, wie langweilig er gewesen sei. Robert sprach von der Bedeutung dieses Gedichts für die Geistes- und Redefreiheit, welche nachfolgenden Werke es erst ermöglicht habe. Sein Gesicht im flackernden Kerzenschein, der tiefe, wilde Schatten auf der einen Gesichtshälfte warf, leuchtende Augen, der beschwörerische Blick - bevor es peinlich wurde, zuckten seine Mundwinkel. Rede- und Geistesfreiheit, soso!
Wir waren ziemlich beschwipst, als wir endlich zahlten. Er gab zehn Euro Trinkgeld! Da musste ich selig lächeln, weil ich dachte: Also doch verliebt! Das wird furchtbar einfältig ausgesehen haben, ich habe es in seinen Augen kurz blitzen sehen, bevor er sich mit ärgerlich verzogenem Mund abwendete und vorschlug, an der Promenade entlang zurück zum Hotel zu gehen, um noch was von der herben Seeluft zu haben.
Es war eine milde Nacht und ich bekam das seltene Gefühl, diese Nacht wäre einer der Gründe, weswegen man lebte, wofür es sich lohnte. Wir nahmen jeden Schlenker mit und setzten uns an das Ende eines Stegs, schauten über das Wasser und verfolgten die fernen Lichter eines Containerschiffes, das die Flussmündung hinauf fuhr. Robert legte seinen Kopf auf meine Schulter, ich zog die Schuhe aus und ließ die Füße im Wasser baumeln. Wir hörten gar nicht auf, uns zu küssen, als hätten wir Schokolade am Mund.

In der Ferne gingen ein paar Leute die Promenade entlang, die sangen laute Lieder und machten derbe Späße. Als sie auf Rufweite herangekommen waren, sahen sie uns wohl auf dem Steg sitzen – einer zeigte in unsere Richtung und sagte etwas: die anderen lachten. Sollten sie ruhig, ich gönnte in dem Moment jedem Menschen alles Glück.
Es waren vier, drei Männer und eine Frau. Sie ließen eine Flasche herumgehen. Redeten und lachten, stritten, zum Spaß, wie es klang. Jetzt zeigte einer aufs Wasser - in Richtung einer Boje, die Leuchtsignale durch die Dunkelheit sendete.
"Was meinst du, Robert - was haben sie vor?", fragte ich ihn. "Vielleicht wollen sie schwimmen gehen", sagte er und küsste meinen Hals. "Aber ehrlich gesagt, ist es mir fast egal." Ich lächelte und sagte etwas, das ich gleich darauf vergaß, beobachtete die vier. Einer zog sich Schuhe und Kleidung aus und sprang zusammengekauert mit dem Hintern zuerst ins Wasser, sodass er die anderen nass spritzte. Die taten empört und schimpften lachend. Auch die anderen entkleideten sich. Die schwarze Unterwäsche der Frau hob sich von ihrem weißen Körper ab. Als wären BH und Slip ein Teil der Nacht.
Sie schwammen gemeinsam und immer weiter hinaus. Vorbei an dem Steg, auf dem wir saßen, der schon ziemlich weit auf das Wasser ragte.
Als sie auf unserer Höhe waren, riefen sie uns etwas zu. Ich verstand kein Wort, winkte aber. Sie wirkten so ausgelassen und fröhlich. Heute ist der Glückliche-Menschen-Tag, dachte ich noch. Robert winkte ebenfalls, legte den Kopf wieder auf meine Schulter und sah den Schwimmern nach, die sich stetig entfernten.
Klara

Wir mussten einfach mal raus. Die Großstadt hinter uns lassen. Die Jungs waren ziemlich am Ende, deswegen schlug ich vor, in die kleine Stadt am Meer zu fahren. In Miguels Augen glaubte ich schon das Paragraphenzeichen zu sehen, so oft und lange hing er über seinen Büchern und büffelte für das Staatsexamen. Tag und Nacht, mit Pausen nur zum Essen, zum Sport und einmal die Woche zum Kino. Funktionspausen nannte er das. Körper und Geist bei Laune halten, damit beides weiter funktionierte, wie es sollte.
Natürlich verstand ich, dass er einfach das Beste aus sich heraus holen wollte und respektierte seine Disziplin. Machte mir aber auch Sorgen, weil er von Tag zu Tag fertiger wirkte. Er schlief damals zu wenig, aß irgendwelches Fastfoodzeug und lachte zu selten. Oh, habe ich damals gesagt?
Also das ist ja noch gar nicht so lange her, wenige Wochen jetzt, aber ... das muss einfach an dem liegen, was passiert ist - so unglaubliche Ereignisse, die verzerren alles, das gibt ganz schiefe Zeitachsen.
Bei Justus war es sogar etwas schlimmer, weil ich nicht wusste, was mit ihm los war, warum er nicht mehr zur Arbeit ging. Ich vermutete, man hätte ihn gefeuert, aber er redete nicht darüber, und ich fragte nicht. Wenn wir uns in der Küche begegneten oder im Wohnzimmer, erwähnte er mal einen Artikel, den er schreiben müsste oder ein Konzept für eine Radioshow, das er ausarbeiten wollte. Doch wenn ich nachfragte, nuschelte er Vagheiten, so dass ich den Eindruck bekam, das seien eher Wunschvorstellungen als konkrete Jobs. Jan war zu der Zeit kaum zu Hause, er fuhr nur mit, weil er an dem Wochenende nichts Besseres vorhatte, vermute ich. Er ging seine eigenen Wege. Von ihm weiß ich nicht genau, ob er gut drauf war. Aber wahrscheinlich ja, ihm scheint es immer gut zu gehen.

Wir hatten uns das Wochenende genau ausgemalt: Deichspaziergänge, durch das Städtchen bummeln, nachmittags Kaffee und Kuchen, Wattwanderungen, abends Essen gehen oder vielleicht mal ins Theater.
Zum Wohnen mieteten wir ein Vierbettzimmer in einem Hostel, das war karg aber billig und reichte für unsere Zwecke. Das Zimmer buchten wir telefonisch, unser bisschen Gepäck suchten wir schnell zusammen.
Eine halbe Stunde nachdem ich den Vorschlag zum Ausflug gemacht hatte, saßen wir in dem kleinen Auto von Justus Mutter, das ausnahmsweise nicht rumzickte und brav startete. Jede Reifendrehung führt uns ein Stück näher ans Meer, dachte ich und zählte die roten Wagen auf der Strecke. Über zehn, ganz sicher.

Es wurde genau so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Premiere. Normalerweise funkt doch Realität dazwischen: Schlechteres Wetter, unfreundlichere Leute, das Auto von Justus Ma. Manchmal wird so ein ausgemalter Ausflug ganz anders, aber anders schön. Das finde ich schon einen Glückstreffer. Aber dieses Mal klappte einfach alles, wie wir es uns vorgestellt hatten. Als hätten wir die richtigen Worte zur richtigen Zeit gesagt.

An dem Abend waren wir erst beim Italiener und danach, schon leicht angeheitert, im Kino. Der Film war ziemlich langweilig, irgendwas mit drogenabhängigen Schwulen, denen der Prozess gemacht wurde wegen Obszönitäten - uns wurde nahegelegt, den Saal zu verlassen, wenn wir nicht aufhörten zu lachen. Wir haben dann draußen weitergealbert. Sind in eine Bar an der Promenade gegangen, in der Reggae und so tanzbare Sachen gespielt wurden. Wir tranken mehr Cocktails als wir gesollt hätten, aber unsere Laune war so gut, und was sprach schon dagegen, sich mal ein bisschen gehen zu lassen. Den Kopf freizumachen.
Ich tanzte abwechselnd mit den Jungs, und wenn wir saßen, versuchte ich meine Aufmerksamkeit fair zwischen den dreien aufzuteilen. Das war gar nicht so leicht, vor allem, weil Justus schnell beleidigt war, wenn er der Meinung war, nicht genug abbekommen zu haben. Einmal kam es mir vor, als würde ich immer mit einem Ball mehr jonglieren, als ich sicher konnte, aber an diesem Abend beschloss ich einfach, alle Bälle in der Luft zu halten, und es funktionierte.

Auf dem Rückweg ins Hostel gingen wir an der Promenade entlang, es war schon ein Stück weit nach Mitternacht und wir hatten alle ziemliche Schlagseite. Vor allem Justus in meine Richtung. Ich versuchte ihm dezent klar zu machen, dass er nervt, aber die Zwischentöne kriegte er diese Nacht nicht mehr mit. Ziemlich ärgerlich auch, dass die anderen beiden nichts dazu sagten, die hätten das mit einem Spruch unter Männern regeln können. Aber die redeten ganz angeregt, die Scheuklappen wohl angelegt.
Irgendwann entdeckte einer das Pärchen auf dem Steg. Wir sahen zu ihnen hinüber, blieben stehen und ließen eine Flasche kreisen. Und redeten über dieses Bild, wie die beiden so romantisch da saßen, vor sich nur das Meer und den Mond. Kann sein, dass wir uns ein bisschen darüber lustig machten. Ich habe mitgemacht, einfach froh, dass Justus abgelenkt war. Mich störte nicht, kein Teil eines solchen Bildes zu sein. Mit der Sehnsucht habe ich es nicht so, egal worum es geht. Mir reicht das, was da ist.
Während wir quatschten und klatschten, schlug einer, ich glaube, das war sogar Miguel, vor, zu dieser Boje zu schwimmen. "Klar!", rief ich, "da denken wir gar nicht drüber nach, das machen wir jetzt einfach!" Wieder so eine spontane Idee, das Gelungene noch besser machen! Und warum nicht, erwachsene Leute können doch baden, wenn sie wollen. Konnte ja niemand ahnen, dass die Dinge so schnell aus dem Ruder laufen. Verdammter Mist. Das konnte doch keiner ahnen.

Miguel

Mir war schon den ganzen Abend lang unwohl gewesen, zwischendurch beim Tanzen hatte ich zweimal das Gefühl, als stächen tausend kleine Nadeln in mein Herz. Beim zweiten Mal habe ich mich entschuldigt und an die Bar gesetzt – den freien Platz hat sich natürlich Justus gekrallt. Das Stechen ließ nach, hörte aber nicht auf.
Eifersucht, nahm ich den Schmerz nicht ernst und tauschte einen schnellen Blick mit Jan, der genauso mitgekriegt hatte, wie Justus auf Klara abging. Sie schien das seltsamerweise nicht zu bemerken, obwohl sie sonst so viel sah, dass es schon unheimlich war. Aber vielleicht tat sie auch nur, als merke sie es nicht, um ihn nicht zu verletzen, und wartete, dass es von selbst aufhörte. Ich jedenfalls mischte mich nicht in ihre Angelegenheiten, da ist sie empfindlich.
Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, in der Bar dieser kleinen Stadt. Es war das erste Mal seit vielen Wochen, dass ich einen Tag ohne meine Bücher verbrachte. Klara hatte mir verboten, welche mitzunehmen. Ich hatte mir diese Einmischung lachend verbeten. Da haute sie mir die eigenen Termini mit anderen Vorzeichen um die Ohren: Es sei Zeit für eine etwas längere Funktionspause, meinte sie, Miguel müsse mal in Ruhe gewartet werden. Ich fühlte mich ertappt: Funktionieren, Leistungsbereitschaft abrufen und solche Worte gehörten zu meinem Stammvokabular, als wäre ich eine Maschine. Da fühlte ich mich charmant mit den eigenen Waffen geschlagen und gab nach.

An dem Abend waren wir nett Essen und wollten einen spannenden Film sehen. Da hat uns aber Klaras Rumalberei einen Strich durch die Rechnung gemacht. Schade, anhand der Anklage und des Verhörs durch den Staatsanwalt bekam man faszinierende Einblicke in die Moralvorstellungen eines vergangenen Zeitalters, das tatsächlich noch gar nicht so lange her war. Aber na ja, wer beschwert sich schon über das Lachen schöner Frauen. Danach waren wir Tanzen gegangen.
Ich hatte seit mindestens zehn Stunden nicht mehr ans Examen denken müssen und fühlte mich wunderbar. Bis auf dieses Stechen. Aber das, sagte ich mir, ist nicht so schlimm. Dabei war es eigentlich schon schlimm, zweimal schien mein linker Brustbereich Kissen für unsichtbare Nägel zu sein, ein fieses Stechen, das aber schnell vorbei ging. Zweimal zehn Sekunden. Wer würde denn da einen Arzt rufen oder ins Krankenhaus fahren? Was sollte das schon sein. In meinem Alter macht man sich noch keine Sorgen über ein Stechen hier oder einen Druck da, ich bin doch kein Hypochonder. Und es kam ja nach dem zweiten Mal nicht wieder.
Als wir später am Wasser standen und Jan hineinsprang, verschwendete ich keinen Gedanken mehr daran, zog Hemd und Hose und Schuhe aus und sprang hinterher. Es tat gut: was machen, ohne nachzudenken.
Das Wasser war kühl genug, zu erfrischen, und nachdem ich warm geschwommen war, fühlte ich mich quicklebendig. Nach vielleicht der Hälfte der Strecke sagte Jan, es sei Zeit für den Endspurt. "Auf drei!", rief ich und zählte laut.
Ich habe mir keine Illusionen gemacht, schließlich hockte ich seit Monaten fast ausschließlich in Bibliotheken und hatte an Bewegung nur die Wege nach Hause, zur Imbissbude und - okay, ins Fitnessstudio. Aber dort lag ich vor allem in der Sauna und tauschte mit alten Männern Witze und Wetterprognosen oder saß am Tresen und trank Kaffee. Doch kampflos konnte ich die beiden nicht ziehen lassen, das ist bei mir einfach nicht drin.

Klara machte bei unserem kleinen Wettrennen nicht mit, sie schwamm entspannt hinter uns her, wie sie mir am nächsten Morgen im Krankenhaus etwas weniger gelassen erzählte. Jan hatte die bessere Technik, dafür war die Entschlossenheit auf meiner Seite, ich kraulte wie ein Blöder. Wir müssen ganz schön Welle gemacht haben. Klara erzählte später, dass sie uns gar nicht mehr als Einzelpersonen hatte ausmachen können, so sehr spritzte es um uns.
Wir hatten wohl die Entfernung unterschätzt. Diese Boje wollte und wollte nicht näher kommen. Ich schaute während des Luftholens einmal nach unserem Ziel, und es schien mir genauso weit weg zu sein, wie zu Beginn des Wettkampfes.
Zu dem Zeitpunkt konnte ich eigentlich schon nicht mehr. Arme und Beine brannten mit einer Intensität, die mich wunderte. Auf einmal etwas wie ein Band aus Stahl, das mir die Brust abschnürte und die Luft nahm. Das war ernst, das wusste ich sofort. Ich wollte noch etwas rufen, aber auch dazu braucht man Atem. Mein ganzer Körper wirkte mit einem Mal so schwer, als hätte jemand Gewichte an Hände und Füße gehängt. Ich bewegte mich weiter, machte dieselben Bewegungen, aber sie hielten mich nicht mehr über Wasser, langsam versank ich, wie in Zeitlupe durch die Schichten, dem Dunkel entgegen, der Mond wurde immer blasser und verschwommener, ich sah ihn an, während ich schwimmend sank.

Robert

Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie und warum wir ausgerechnet in dieser Hafenstadt gestrandet waren. An die Zeit vorher allerdings auch nicht. Ich war seit Monaten im Straussenmodus unterwegs gewesen, ging nur zum Einkaufen raus, mit aufgesetzter Kapuze und Tunnelblick, oder, mit erschreckender Regelmäßigkeit, abends in die Assi-Kneipe, wo ich mich schnell und effizient dicht machte. So dicht, dass keine Ritze mehr zu einem Unterbewusstsein führte, aus dem die Träume kriechen könnten.
An einem dieser Abende lernte ich sie kennen. Juana. Keine große Sache. Eine Frau, die jemanden suchte, die gerade verlassen worden war, wie sie mir anvertraute, nervös nach meiner Reaktion schielend. Ich hatte wohl gerade ein gutes Level, so zwischen viertem und siebtem Whiskey, und habe das Richtige auf die richtige Weise gesagt, oder genau das Falsche, auf jeden Fall das, was das Spiel weiterlaufen ließ.
Sie wollte ja spielen, ob sie es wusste oder nicht, und bog sich meine Worte zum Soundtrack ihres Films. Ebenso mein Schweigen, auf das ich mich bald verlegte, um keinen der zynischen Kommentare entschlüpfen zu lassen, die in dem Nest aus Enttäuschung und Überdruss, das ich bin, vor sich hin brüten.
Sie hatte ne Menge zu erzählen, tausend kleine Kränkungen, Beobachtungen und Mutmaßungen – anscheinend hatte sie keine Freundin, bei der sie sich leerreden konnte. Mir egal, nach dem fünften Drink hör ich mir alles an, am nächsten Morgen ist es dann eh weg und die Tafel wieder blank.

Juana war nicht ganz mein Typ, aber sie hatte an mir einen Narren gefressen. Sie brachte mich auf andere Gedanken - und wirkte glücklich in ihrer Illusion. So haben wir beide was davon, redete ich mir zu, als sich das schlechte Gewissen meldete, weil ich ihr etwas vormachte.

Es waren besondere Momente dabei. Das heitere Stadtbild eines sommerlichen Spätnachmittags: im Brunnen spielende Kinder, das große Palaver der Theaterleute. Juana und ich, Eis essend, Hand in Hand. Aber das waren eben nur Momentaufnahmen, die schnell vom Wirbel der Minuten und Stunden verschluckt wurden und nichts zurück ließen.

Ich war zu dem Zeitpunkt, an dem der eine Schwimmer auf einmal verschwand, schon ziemlich müde. Sein Verschwinden war ganz unspektakulär, wenn man bedenkt, dass mit einem Mal ein Leben fast ausgelöscht worden wäre. Die drei Schwimmer kraulten hinter einer Wand aus Spritzwasser, da war eigentlich kein Einzelner zu erkennen. Kann sein, dass ich gesehen habe wie das Gespritze etwas nachlässt, kann auch sein, dass ich mir das im Nachhinein nur so zurechterklärte.
Sicher ist: Irgend etwas elektrisierte mich auf einmal, ich bekam das Gefühl, etwas Schlimmes wäre passiert, das riss mich aus meiner Lethargie: Ich war schon ganz deppert geworden von dem vielen Wein und der doppelten Anstrengung, mein Gewissen in Schach zu halten und mich gleichzeitig so zu verhalten, als wäre ich verliebt. Während meine Füße im Wasser baumelten und ich mit Juana rumknutschte, sah ich zum Mond und überlegte müßig, wann er wohl endlich ins Meer fallen würde. Nebenbei beobachtete ich das Wettschwimmen.
Dann das innere Alarmsignal. Ich war sofort hellwach – was hatte mich aus meiner Lethargie gerissen? - und löste mich aus der Umarmung und suchte mit den Blicken im aufgewühlten Wasser, ohne zu wissen, was ich finden wollte. Wenige Augenblicke später war mir klar: Einer fehlte – und wieder wäre ich nicht in der Lage zu sagen, wie ich zu dieser felsenfesten Überzeugung gekommen war.
Ich stand auf und rief und gestikulierte der Frau, die hinter den dreien schwamm, schrie sie an, dass sie sofort tauchen solle, da ertrinke jemand. Cleveres Mädchen. Die fragte nicht, sondern kraulte drauf los, als würde sie so etwas jeden Tag tun.
Juana wirkte wie in Stein gehauen. Als ich in der Notrufzentrale anrief, sah ich aus den Augenwinkeln, wie Juana da saß, wie gelähmt. Dieser Anblick prägte sich mir ein. Das clevere Mädchen aber sah ich erschreckend lange Zeit nicht mehr - als sie endlich auftauchte, hielt sie jemanden im Rettungsgriff.
Ich hatte mich aus meinen Klamotten geschält, machte einen halbgelungenen Kopfsprung – man merkt sich ja die albernsten Details - und schwamm den beiden entgegen. Gemeinsam hielten wir den fast Ertrunkenen über Wasser, bis zum Steg, wo sich Juana aus ihrer Erstarrung löste und ihn hinauf zog. Das clevere Mädchen massierte seinen Brustkorb, beatmete ihn und fragte, ob wir einen Krankenwagen gerufen hätten. Ich bejahte.

Juana guckte hilflos von dem Liegenden zu mir, als erwartete sie eine Erklärung. Ich sagte ihr, dass sie noch einmal den Notruf wählen solle und fragen, wo zum Teufel der Krankenwagen bliebe. "Ich gehe zur Promenade, um ihnen den Weg zu zeigen", sagte ich.
Unterwegs rief ich vorsichtshalber selber nochmal an, aber schon während der Ruf das zweite Mal rausging, hörte ich die Sirenen. Ich winkte den Wagen heran, lief den Sanitätern voraus und sah ihnen bei der Erstversorgung zu, verfolgte, wie sie ihn auf eine Trage hievten und zum Wagen trugen. Das clevere Mädchen stieg mit ein. Die Sirene quäkte durch die Nacht, wir hörten sie noch lange, während der Wagen durch die nachtschlafenen Straßen fuhr, immer leiser werdend.

Juana und ich blieben zurück in einer nun unheimlichen Stille, warteten und sahen die hellen Kopfpunkte der Schwimmer vor dem dunklen Grund des Wassers größer werden. Sie marschierte auf dem Steg auf und ab, ich fand den Takt ihrer Schritte furchtbar lästig, sagte aber nichts. Als die Schwimmer beim Steg angekommen waren, erzählten wir das Vorgefallene und begleiteten die beiden zu den Klamotten. Einer rief ein Taxi und meinte, dass sie zum Krankenhaus fahren sollten. Wolkenfetzen schoben sich wie zerrissene Schleier vor den Mond. Wieder warteten wir, wünschten ihnen Viel Glück und schlossen die Taxitür von außen.

Wir sahen dem Taxi hinterher, bis es um die nächste Ecke bog. Sie drehte sich zu mir und hob die Hände, als wollte sie etwas sagen, brachte aber kein Wort über die Lippen. Juana wirkte fremd und befremdet zugleich. Die wenigen Schritte zum Hotel legten wir schweigend zurück, unter einem Nachthimmel, dessen Sterne funkelten wie Strass-Steine. Im Zimmer zogen wir uns schamhaft und verstohlen aus, als kennten wir uns nicht mehr, legten uns ins Bett als wären wir uns alle fremd, sie mir, ich ihr, ich mir, sie sich. Stumm und starr wie Statuen. Irgendwann schaltete ich den uralten Hotelfernseher ein, ohne Ton. Amerikanische Sitcoms flimmerten auf dem kleinen Bildschirm. Ich meinte die Lacher zu hören.
Ein- oder zweimal begann sie etwas zu sagen, über den Abend, den Unfall, über uns. Sie warf die Themen wie ein Jongleur seine Bälle in den Raum, stockte aber jedesmal und hörte auf, als ob einer zu schwer wäre, oder im Flug Stacheln bekommen hätte. "Schlaf mal drüber", sagte ich, zappte weiter und dachte, während ich durch die ätzenden Nachtprogramme schaltete, dass es genug sei mit uns beiden.

Das Vorgefühl des Abschieds. Nicht unbedingt das Schlechteste - ich fühlte mich erholt und hatte Lust auf neue Ufer. Es wäre auch gut für sie, dachte ich, ihre Illusion nicht weiter zu stützen.
Irgendwann hörte ich ihren Atem deutlicher, sie lag mit leicht geöffnetem Mund auf dem Rücken, den Kopf in der Beuge des rechten Arms. Ich setzte mich in einen lockeren Schneidersitz, zündete eine Filterlose an und beschaute sie, dem absurden Impuls nachgebend, mir ihr Bild einzuprägen, um etwas von ihr mitzunehmen. Das linke Bein guckte unter der Decke hervor, der lange Milchkaffeschwung mit dem dunklen Flaum auf der Wade.
Scheinwerfer krochen die Wand hinter dem Fernseher hoch, Kieselsteine knirschten, dann der Ruck und das Einrasten durch die Stille, als eine Handbremse angezogen wurde. Ich lehnte mich vor und nah an sie heran, so schön war sie, die schlafende Frau - und pustete Rauch in ihr Gesicht. Niedlich, wie sie ihre Nase kraus zog. Juana betrachtend, entschied ich, dass es Zeit sei, das Weite zu suchen. Schnell jetzt, den Impuls nicht durch Reflektion verfälschen! - ich drückte die erst halb gerauchte Kippe aus und dachte, als ich die Tür hinter mir schloss, bald werden wir glauben, alles war nur ein Traum.

 
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Hallo Kubus!

ich kam von der Arbeit, habe beschissene Arbeitszeiten, und du hast mich mit in den Urlaub genommen. Ich habs echt gefühlt! Dann dachte ich: Oh, hoffentlich wirds nicht verwirrend, weil Robert und Miguel etc. Aber nein, es war ausgezeichnet. Ich hab an der ganzen Geschichte nichts auszusetzen. Die Sprache war eindeutig. Die Sätze sind nicht falsch zu verstehen. Die Geschichte funktioniert über die Stimmung, das ist klar. Aber ich will ja auch von einer Geschichte in eine Stimmung versetzt werden. Die verschiedenen Perspektiven waren nicht rätselhaft, sondern nachvollziehbar. Und insgesamt habe ich einige Mal annerkennend gelächelt, wegen deiner feinfühligen Beobachtungen des Verhaltens deiner Figuren.

So haben wir beide was davon, redete ich mir zu, als sich das schlechte Gewissen meldete, weil ich ihr etwas vormachte.

Ich tanzte abwechselnd mit den Jungs, und wenn wir saßen, versuchte ich meine Aufmerksamkeit fair zwischen den dreien aufzuteilen. Das war gar nicht so leicht, vor allem, weil Justus schnell beleidigt war, wenn er der Meinung war, nicht genug abbekommen zu haben. Einmal kam es mir vor, als würde ich immer mit einem Ball mehr jonglieren, als ich sicher konnte, aber an diesem Abend beschloss ich einfach, alle Bälle in der Luft zu halten, und es funktionierte
Egal, das waren nur Beispiele. Ich finde diesen Text sehr gelungen und eigentlich sind die meisten Sätze voll von guten Dingen ...
Massiv Respekt von herrlollek.

 

Salut, Herrlollek,

Dann dachte ich: Oh, hoffentlich wirds nicht verwirrend, weil Robert und Miguel etc
Ich befürchtete auch, die Geschichte könnte an den verschiedenen Perspektiven und vielen Namen auf engem Raum ersticken.

Aber dass sie dich anstelle mitnehmen konnte und scheinbar was zum Anfassen war, das freut mich sehr! und überrascht auch etwas, ich hatte den Text schon ne ganze Weile 95% fertig, aber nicht loslassen wollen, weil ich die Rückblick- und Erklär-Sequenzen unbedingt raffen wollte, und auch, weil ich im Clinch mit Robert stand und überlegte, ob so eine unsympathische Figur hier überhaupt rein sollte. Die Sequenzen habe ich nicht anders lösen können, mehr wusste ich nicht zu streichen.

Die verschiedenen Perspektiven waren nicht rätselhaft, sondern nachvollziehbar.
Das ist sehr gut. Die Perspektiven waren meine Schreibaufgabe, aber die wollte ich natürlich so verpacken, dass das Lesen Spaß macht.

Vielen Dank fürs Feedback! Ich werf mich jetzt in die Federn, bin zur Zeit auf dem Bau - da sind die Arbeitszeiten auch nicht gerade prickelnd.

Bis bald
Kubus

 

Hallo Kubus,

ich schließe mich herlollek an - schöne Stimmung, feine Beobachtungen, gut geschrieben.
Die verschiedenen Perspektiven und die damit verbundenen Einblicke in die Personen fand ich sehr interessant. Ich hab's auch nicht so empfunden, dass es zuviele Charaktere waren.
Insgesamt hat's mich wirklich gut unterhalten.

Bisschen Textkram:

und bewegte die Finger wie Gliedmaßen, die meine Hand zu seiner trugen.
Hat mir nicht so gefallen, fand ich umständlich, und der Aufwand dieser Formulierung lohnt sich m.E. nicht.

Robert wollte es unbedingt von innen und vielleicht einen Film sehen.
Mochte ich auch nicht so, diese doppelte Nutzung des "sehen". Vielleicht vorher "in Augenschein nehmen" oder so.

saßen wir in dem kleinen Auto von Justus Mutter,

das Auto von Justus Ma.

Justus'

ich bekam das Gefühl, etwas schlimmes wäre passiert,
Schlimmes

ihre Illusion nicht weiter zu stützten.
stützen

Könntest für die wörtl. Rede noch jeweils eine neue Zeile anfangen.

Gern gelesen!

Viele Grüße,
Maeuser

 

Zitat:
und bewegte die Finger wie Gliedmaßen, die meine Hand zu seiner trugen.

Hat mir nicht so gefallen, fand ich umständlich, und der Aufwand dieser Formulierung lohnt sich m.E. nicht.


Zitat:
Robert wollte es unbedingt von innen und vielleicht einen Film sehen.

Mochte ich auch nicht so, diese doppelte Nutzung des "sehen". Vielleicht vorher "in Augenschein nehmen" oder so.

Genau die Stellen, die Maeuser rausgesucht hat, waren die einzigen, die mir auch nicht so gepasst haben.

Jan

 

Hallo Kubus

Der erste Absatz gab mir ein Stimmungsbild, sehr schön abgefasst, und doch schien es mir Gefühle der Beobachterin unbeantwortet zu lassen.

Es war keine Zeit zum Wolkenschaufeln, kein Grund für Himmelsguckerei.

Dem nachfolgenden Absatz war zu entnehmen, dass sie wohl auf einer Düne mit Grasbüscheln oder einer Wiese liegen. Es schien mir hier ein Widerspruch, einerseits Ungeduld oder Zeitnot, anderseits doch der Ausdruck von Musse, der sich auch in späteren Sätzen bestätigt.

drei Kugeln für jeden, in den Farben Rot, Gelb und Braun

Ist es Zufall, war mein Gedanke, dass die Farben einer Landesflagge nahekommen?

das Wasser wurde von einer bronzenen Nackten gespien,

Lieblich, ich mag solche Skulpturen. Doch hier vermisse ich, wie sie das Wasser speit. Meine erste Assoziation war, völlig unpassend, der Manneken-Pis-Brunnen. Aus dem Mund als Wasserspender wäre es aber disharmonisch.

Robert wollte es unbedingt von innen und vielleicht einen Film sehen.

Dieser Satz dünkt mich etwas eigenwillig konstruiert, liess mich beim Lesen stutzten. Klänge es nicht einfacher: Robert wollte es unbedingt von innen sehen und vielleicht einen Film anschauen.

Die rotweißkarierte Tischdecke mit dem einarmigen Leuchter darauf

Meinst du hier einen Kerzenständer oder eine Tischlampe? Als Armleuchter werden in der Regel Kerzenständer mit mehreren Abzweigungen genannt.

Robert sprach von der Bedeutung dieses Gedichts für die Geistes- und Redefreiheit, welche nachfolgenden Werke es erst ermöglicht habe.

… welche nachfolgende Werke erst ermöglicht habe.

Die taten empört und schimpften lachend, während er kraulte und den Mond anheulte, als hätte das Wasser Lykanthropie ausgelöst.

Es scheint mir wenig plausibel, dass einer der Beteiligten an die mittelalterliche Wahnvorstellung dachte. Auch wäre da wohl eher der Mond der Auslöser, allenfalls seine Spiegelung auf dem Wasser.

Eifersucht, nahm ich den Schmerz nicht ernst und tauschte einen schnellen Blick mit Jan, der genauso mitgekriegt hatte, wie Justus auf Klara abging.

Diese Satzbildung scheint mir ungelenk. Vielleicht besser: Eifersucht dachte ich mir, nahm folglich den Schmerz nicht ernst …

An dem Abend waren wir nett Essen und wollten einen spannenden Film sehen.

Nett Essen. Ich verstehe, was du sagen willst. Als Redewendung im direkten Gespräch, eine Wortbildung des Dialekts, à la bonne heure. Aber in einem literarischen Text klingt es mir eher abschätzig. Ein klein wenig umschrieben gäbe es mir einen anderen Klang, eine dem zustehende Wertung.

Schade, anhand der Anklage und des Verhörs durch den Staatsanwalt bekam man faszinierende Einblicke in die Moralvorstellungen eines vergangenen Zeitalters, das tatsächlich noch gar nicht so lange her war.

Dieser Satz steht isoliert im Text, obwohl mir klar ist, worauf die Geschichte hinausläuft, seit das Schwimmen zur Boje auftrat. Der Bezug an dieser Stelle scheint mir aber noch nicht gegeben.

Beim Lesen habe ich die Stellen direkt mitgeschrieben, die mich im Handlungsfluss unterbrachen. Dies mag jetzt nörgelig wirken, soll es so aber nicht sein. Die Geschichte hat mir gut gefallen, die Handlung gab mir Spannung, die Sprache war schön zu lesen und der Perspektivenwechsel zwischen den Protagonisten fand ich sehr originell. Leider war mit der Erwähnung der Boje sofort klar, wie der weitere Verlauf in etwa sein wird. Wie die Beziehung zwischen Robert und Juana aufbaute, kam dafür erst am Schluss als Überraschungseffekt zum Vorschein. Dass es irgendwie schief laufen musste, ahnte ich ja, aber ganz so erwartete ich es nicht.

Ah ja, den Sinn des Titels „Vier Häfen“ erfasste ich nicht oder überlas ihn. Aber vielleicht ist es auch deine Vorliebe für die Vier.

Jetzt habe ich mir mal noch die andern Kommentare angeschaut. Da bin ich ja der Einzige, der nörgelt. Aber nimm es nicht tragisch, bin ja in der Minderzahl.

Sehr gern gelesen.

Gruss Anakreon

 
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Hey, Anakreon, nee, ich nehme deine Anmerkungen nicht tragisch, ist doch klasse, wenn mich jemand durch seine subjektive Brille sehen lässt und den eingefahrenen Blick des Schreibers aufbrechen hilft. Den Hintergedanken des Titels halte ich für nicht so schwer nachvollziehbar, wenn ichs jetzt sagte, fiele er dir wahrscheinlich zu, wie etwas, das ohnehin bereits auf der Zunge lag. Immer sind es vier, stimmt, das ist interessant, wird wohl konzeptuelle Gründe haben, meine Herzens-Zahl ists eigentlich nicht. Freut mich, wenns gefallen hat, danke für deine Gedanken zu den einzelnen Stellen.

Schade, anhand der Anklage und des Verhörs durch den Staatsanwalt bekam man faszinierende Einblicke in die Moralvorstellungen eines vergangenen Zeitalters, das tatsächlich noch gar nicht so lange her war.
Dieser Satz steht isoliert im Text, obwohl mir klar ist, worauf die Geschichte hinausläuft, seit das Schwimmen zur Boje auftrat. Der Bezug an dieser Stelle scheint mir aber noch nicht gegeben.

Das ist eine von drei Sichtweisen auf den Film, tiefsinnigeres ist nicht intendiert.

Nett Essen. Ich verstehe, was du sagen willst. Als Redewendung im direkten Gespräch, eine Wortbildung des Dialekts, à la bonne heure. Aber in einem literarischen Text klingt es mir eher abschätzig. Ein klein wenig umschrieben gäbe es mir einen anderen Klang, eine dem zustehende Wertung.

In der dritten Person müsste es so wirken, aber zu Miguel passt diese verhaltene Wortwahl mE.

Diese Satzbildung scheint mir ungelenk. Vielleicht besser: Eifersucht dachte ich mir, nahm folglich den Schmerz nicht ernst …

Ich denk drüber nach. Der Satz gefällt mir auch nicht.

Es scheint mir wenig plausibel, dass einer der Beteiligten an die mittelalterliche Wahnvorstellung dachte. Auch wäre da wohl eher der Mond der Auslöser, allenfalls seine Spiegelung auf dem Wasser.

Ich dachte eher, er spielt einen Wolf. Kommt mir mttlw trotzdem hohl und aufgeplustert vor, ich änder das.

… welche nachfolgende Werke erst ermöglicht habe.

Sinn erhalten und drei Zeichen gespart. Danke. :) Hab ich doch gelassen, damit sich der Bezug nicht auf Rede- und Geistesfreiheit verschiebt ...

Meinst du hier einen Kerzenständer oder eine Tischlampe? Als Armleuchter werden in der Regel Kerzenständer mit mehreren Abzweigungen genannt.

Ich habe den Begriff noch nie gehört. Der könnte gut bei den bedrohten Wörtern stehen. Aber dieser einarmige Leuchter ist wohl unnnötig kompliziert. Ich mach da was anderes draus. (Kerzenständer)

Dieser Satz dünkt mich etwas eigenwillig konstruiert, liess mich beim Lesen stutzten. Klänge es nicht einfacher: Robert wollte es unbedingt von innen sehen und vielleicht einen Film anschauen.

Maeuser und Herrlollek stören sich ja auch dran. Dabei bezieht sich das sehen auf beides, das haut doch hin. Man muss vllt umdenken, weils ungewohnt ist, das stört den Lesefluss. Bei der Stelle weiß ich nicht, ob ichs ändere.

Lieblich, ich mag solche Skulpturen. Doch hier vermisse ich, wie sie das Wasser speit. Meine erste Assoziation war, völlig unpassend, der Manneken-Pis-Brunnen. Aus dem Mund als Wasserspender wäre es aber disharmonisch.

Diese ziemlich irre Statue steht auf dem Marktplatz einer ziemlich friedlichen Kleinstadt. 'Ne unförmige Nackte, die auf einem Ochsenschädel hockt und Wasser speit - aus dem Mund, das halte ich auch für die naheliegendste Lesart, aus dieser Öffnung speit ja der Mensch, wenn er muss. Die macht keinen harmonischen Eindruck, das kommt in der Geschichte nicht so rüber, muss ja auch nicht.

Ist es Zufall, war mein Gedanke, dass die Farben einer Landesflagge nahekommen?

Fürst Pückler fragen! Ich weiß es nicht, das ist halt ein Klassiker, schlicht und lecker.

Ungeduld oder Zeitnot? Find ich nichts zu. Und das:

Der erste Absatz gab mir ein Stimmungsbild, sehr schön abgefasst, und doch schien es mir Gefühle der Beobachterin unbeantwortet zu lassen.
steht ja da, also ihr Wunsch nach eindeutigen Signalen.

Hi Maeuser,

Könntest für die wörtl. Rede noch jeweils eine neue Zeile anfangen.
Wird ja hier immer wieder gerne bemängelt, wenn das nicht so gemacht wird. Mir hat aber noch niemand geschrieben, dass er durcheinandergekommen wäre, weil es da keine Absätze gibt. Ich befolge ja keine Regel, nur um eine Regel zu befolgen. Beim Lesen finde ich es besser, wenn die wörtliche Rede in den Text einfließt, deswegen schreibe ich meistens auch so.

Mochte ich auch nicht so, diese doppelte Nutzung des "sehen". Vielleicht vorher "in Augenschein nehmen" oder so.

Hm, ist das jetzt schlecht, dass du und die anderen die Doppelnutzung nicht mochten? Fällt mir schwer, die Stelle anzupassen. Sie würde nichts gewinnen, sich nur aufblasen, auf der anderen Seite shinebar lesbarer werden ... Mal schaun ...

und bewegte die Finger wie Gliedmaßen, die meine Hand zu seiner trugen.
Hat mir nicht so gefallen, fand ich umständlich, und der Aufwand dieser Formulierung lohnt sich m.E. nicht.

Oh, ich hielts für fantasievoll! Bei näherer Inaugenscheinnahme hats aber auch was gruseliges, das kann weg.

Freut mich, dass die Geschichte gelungene Unterhaltung war! Mehr will die auch nicht, glaub ich. Danke für Fehler-Picken und Feedback!

Kubus

Genau die Stellen, die Maeuser rausgesucht hat, waren die einzigen, die mir auch nicht so gepasst haben.

Okay, ist registriert. :)

 

Ich kann mich den anderen nur anschließen. Es passiert eigentlich nicht viel, und das gleich vier Mal, aber die Stimmung stimmt, und deine Art zu erzählen ist angenehm. Durch die verschiedenen Sichtweisen kommt auch Spannung auf.
Die Charaktere waren alle nachvollziehbar, und ich fand sie eigentlich auch alle sympatisch (auch Robert), konnte mich gut in sie hineinversetzen. Viele Beobachtungen/Sätze fand ich auch echt gelungen: Das Jonglieren der drei Männer, der Hypochonder, wer beschwert sich über das Lachen schöner Frauen?, Als wären BH und Slip ein Teil der Nacht, immer wieder der Mond usw..

Sie warf die Themen wie ein Jongleur seine Bälle in den Raum, stockte aber jedesmal und hörte auf, als ob einer zu schwer wäre

ich weiß nicht, ob ich schon wieder das Bild des Jongleurs an dieser Stelle benutzen wurde..

Hat mir gut gefallen.

MfG,

JuJu

 

Natürlich,

lieber Kubus,

eine aus verschiedenen Perspektiven erzählte kleine Geschichte, die zu Anfang einem poetischen Drang wie zB

Besser als hier ist es nirgends, dachte ich und bewegte die Finger wie Gliedmaßen, die meine Hand zu seiner trugen,
folgend von der Idylle übers Unglück verstörte Beziehungen aufzeigt, dass
. … [wir] bald … glauben [werden], alles war nur ein Traum.
Besser wär's vielleicht, den (aller)letzten Nebensatz im Konjunktiv „sei“ oder „wäre“ zu formulieren.
Weitere kleine Anmerkungen:

Es war eine milde Nacht und ich kriegte das seltene Gefühl, diese Nacht wäre einer der Gründe, weswegen man lebte, wofür es sich lohnte.
Schöner Satz, bei dem mich allein die Vokabel kriegen stört. Die ist nämlich tatsächlich vom Substantiv Krieg abgeleitet und tritt noch in seinem ursprünglichen Sinn deutlich im bekriegen hervor. Parallel zur ursprünglichen Bedeutung, die nie verloren gegangen ist, formte sich bereits im ahd chreg (Hartnäckigkeit) bis zum mhd kriec (neben urspr. Bedeutung noch Bemühen, Streben, Anstrengung) zum schlichten umgangssprachlichen bekommen, das dann mE auch eine angemessenere Vokabel wäre.
Natürlich neig ich nun zur Ironie, wenn ich folgende passive Variante vorschlüge „Es war eine milde Nacht und mich übermannte …“

Die Vokabel taucht wenigstens noch zweimal auf, ohne derart zu verstören (etwa als:

Ich versuchte ihm dezent klar zu machen, dass er nervt, aber die Zwischentöne kriegte er diese Nacht nicht mehr mit.
) usw.

Als sie auf Rufweite herangekommen waren, erkannten sie uns wohl auf dem Steg sitzen …
Mich überkommt das Gefühl, dass hier die Vokabel erkennen nicht glücklich sei, es sei denn, man (er)kennte sich (Bekanntschaft wird ja erst durch das zentrale Ereignis gestiftet).

Oh, habe ich damals gesagt?
Nun, da ists an mir zu fragen …????

Doch wenn ich nachfragte, nuschelte er Vagheiten,
warum die Substantivierung des Adjektivs?

… nichts besseres …
Substantivierung besser

Während wir quatschten und klatschten, schlug einer, ich glaube, das war sogar Miguel, vor, zu dieser Boje zu schwimmen.
Nun ja, kein Kleist’sches Ungeheuer, aber weniger inflationär ließen sich die Kommas schon einsetzen, etwa: „Während wir quatschten und klatschten, schlug einer vor, ich glaube Miguel, zu dieser Boje zu schwimmen.“
Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf, in der Bar dieser kleinen Stadt.
Komma mE entbehrlich.

leerreden
Trotz der Überhangmandate der e interessantes Wort. Aber: Gibt’s das überhaupt?

Das clevere Mädchen aber sah ich erschreckend lange Zeit nicht mehr - als sie endlich auftauchte, hielt sie jemanden im Rettungsgriff.
Den Schnitzer „das Mädchen …. sie …“ statt „es“ macht wohl jeder durch.

…, wünschten ihnen Viel Glück und …
viel

Ich meinteKOMMA die Lacher zu hören.

jedesmal
jedes Mal

Letztlich die Frage nach dem Ort zur Beschreibung

… das Wasser wurde von einer bronzenen Nackten gespien …
Wo mag Frau Manneken Pis stehn, pardon – sitzen? Ich denk da an eine Familienzusammenführung ...

Gern gelesen vom

Friedel

 

Tach Friedel, die Nackte speit das Wasser auf dem Marktplatz einer mecklenburgischen Kleinstadt, allerdings nicht genug, dass es für einen Hafen dort reichen würde .....

wünschten ihnen Viel Glück und

viel

Ich habe das hier als Wunschformel übernommen wie auf Glückwunschkarten. So wirkt es floskelhafter, denk ich.

Den Schnitzer „das Mädchen …. sie …“ statt „es“ macht wohl jeder durch.

Ja, danke ...

Nun ja, kein Kleist’sches Ungeheuer, aber weniger inflationär ließen sich die Kommas schon einsetzen, etwa: „Während wir quatschten und klatschten, schlug einer vor, ich glaube Miguel, zu dieser Boje zu schwimmen.“

Den kuck ich mir nochmal an. Ob das vom sonstigen Stil zu stark abweicht.

Ich bessere zu Besseres, hab ja eh die Neigung zu Substantivierungen ... warum ausgerechnet bei Vagheiten nicht?

Nun, da ists an mir zu fragen …????
?

Mich überkommt das Gefühl, dass hier die Vokabel erkennen nicht glücklich sei, es sei denn, man (er)kennte sich (Bekanntschaft wird ja erst durch das zentrale Ereignis gestiftet).

Mich jetzt auch. Ich durchwühl den Fundus nach einem treffenderen Wort.

Es war eine milde Nacht und ich kriegte das seltene Gefühl, diese Nacht wäre einer der Gründe, weswegen man lebte, wofür es sich lohnte.
Schöner Satz, bei dem mich allein die Vokabel kriegen stört ...
Natürlich neig ich nun zur Ironie, wenn ich folgende passive Variante vorschlüge „Es war eine milde Nacht und mich übermannte …“
Mensch, mit Ankündigung ... ähem, abgelehnt ... ;) Nicht dass jemand lacht. Kriegen bekommt ein Ticket nach Irgendwo, bekam kriegt den Platz!

… [wir] bald … glauben [werden], alles war nur ein Traum.
Besser wär's vielleicht, den (aller)letzten Nebensatz im Konjunktiv „sei“ oder „wäre“ zu formulieren.
dann müsst' ich aber wäre gewesen schreiben, hatt ich zuerst auch, aber das gefiel mir nicht, zu umständlich an der Stelle: letzter Satz! Der arme Konjunktiv hats nicht leicht ...

leerreden
Trotz der Überhangmandate der e interessantes Wort. Aber: Gibt’s das überhaupt?

Spätestens jetzt schon! Hübsch, oder? Auch die optische Anmutung ...

Freut mich, dass dir die Untersuchung verschiedener Pumpmuskel-Funktionen ein gern gelesen entlockten ...

Hi JuJu

Es passiert eigentlich nicht viel, und das gleich vier Mal, aber die Stimmung stimmt,
:D Erwischt. Ich muss mich mal trauen, solche Geschichten einfacher zu schreiben, ohne diese dramatischen Verwicklungen. Handlung fingieren nannte das mal jemand. Ich hatte während des Schreibens da schon ein schlechtes Gewissen, dachte aber, dass muss so, damit der Leser zwischendurch nicht wegpennt ... Gut, dass du mir auf die Schliche gekommen bist. Hier gehts ja eher um das literarische Experiment, die Perspektiven.

ich weiß nicht, ob ich schon wieder das Bild des Jongleurs an dieser Stelle benutzen wurde..

Tja, ich auch nicht. :) Ehrlich, da überlegte ich. Jetzt wieder.

Freut mich, dass es dir gefiel und die rauszitierten Sätze, dass die gut kommen ... ich hab bewusst versucht, erdverbundene Bilder und Vergleiche zu basteln ... damit die Geschichten im Vordergrund sind ...

Dank euch fürs Vorbeischauen!

 

Der arme Konjunktiv hats nicht leicht ...,
hädder schon,

lieber Kubus,

denn "bei mir kann jeder tun, was ich will" sag ich mal. Dabei sind alles nur Vorschläge, zu denen es sicherlich bessres gibt (gäbe ist hier verbeten). Den wahren Regelverstoß genießen kann nur der, der die Regel kennt.

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Kubus,

ich schildere Dir einfach mal meine Eindrücke:

Start, Klara-Teil: Beginnt ziemlich langsam, nicht viel, was ein Fragezeichen aufwirft, was man erfahren will; wer weiß ob ich weitergelesen hätte, wenn ich nicht Deine Texte bereits mögen würde.
Könnte mir vorstellen, dass hier persönliche Erinnerungen eingeflossen sind. Das ist ja etwas wahnsinnig schönes, die Verarbeitung eigener Erlebnisse zu Literatur, so wird etwas wunderbar konserviert. Falls es so ist, wie ich denke, liebst Du sicher auch den Beginn des Textes... Ich meine das nicht wertend, nur so eine Vermutung.

An mehreren Stellen in der Geschichte, stärker zu Beginn, aber nicht nur, hatte ich das Gefühl, dass der Text stilistisch noch nicht perfekt ist:

(Wenn Du mal Zeit hast, dann lies mal den ersten Text, den eine neue KG.de-Autorin hier reingestellt hat, Arina Romanova, Abschied (wenn ich mich nicht täusche) und den Kommentar von Quinn dazu. Quinn äußerte sich dort, wieso es gelingt, dass die Geschichte "literarisch" klingt. Ich schreibe das nur, weil ich vielleicht nicht ganz verdeutlichen kann, was ich meine, aber ich nenn Dir jetzt mal ein paar Beispielssätze Deines Textes, die ich "literarisch vergeigt" finde:

Vor einem kleinen Programmkino blieben wir stehen. Robert wollte es unbedingt von innen und vielleicht einen Film sehen.

Der markierte Satz funktioniert grammatisch schon, aber er liest sich einfach nicht schön, man bleibt hängen.

das Typische von jemandem zu erkennen? Mir war, als kennte ich es.

der ein paar nette Sachen sagte, und mir das Gefühl gab, willkommen zu sein, bevor er sich diskret zurück zog. Total nett, provinziell im besten Sinn.
Das total nett stört und der Wechsel in dem Satz. Der zweite Teil klingt von der Erzählstimme anders als der erste Teil.


Robert legte seinen Kopf auf meine Schulter, ich zog die Schuhe aus und ließ die Füße im Wasser baumeln. Wir hörten gar nicht auf, uns zu küssen, als hätten wir Schokolade am Mund.

:(


"Was meinst du, Robert - was haben sie vor?", fragte ich ihn. "Vielleicht wollen sie schwimmen gehen", sagte er und küsste meinen Hals. "Aber ehrlich gesagt, ist es mir fast egal." Ich lächelte und sagte etwas, das ich gleich darauf vergaß, beobachtete die vier.

"fragte ich ihn" ist überflüssig, sie nennt ja seinen Namen; genauso dann das "sagte er".
Der letzt Satz klingt wieder komisch, durch diese Kommaabtrennung, schätze Du wolltest nicht noch ein "und" in den Satz bringen, aber so finde ich es auch nicht gelungen.


Auf dem Weg zur Boje, wie ich jetzt vermutete.

wieder so ein erklärender Nachsatz, die sind öfter drin und stören mMn

dass die anderen beiden nichts dazu sagten, die hätten das mit einem Spruch unter Männern regeln können. Aber die redeten ganz angeregt, die Scheuklappen angelegt.
Ist dieser Reim beabsichtigt?


Jede Reifendrehung führt uns ein Stück näher ans Meer, dachte ich und zählte die roten Wagen auf der Strecke. Über zehn, ganz sicher.


An dem Abend waren wir nett Essen und wollten einen spannenden Film sehen

Eifersucht, nahm ich den Schmerz nicht ernst und tauschte einen schnellen Blick mit Jan, der genauso mitgekriegt hatte, wie Justus auf Klara abging.
da fehlt etwas, oder?

Auf einmal etwas wie ein Band aus Stahl, das mir die Brust abschnürte und die Luft nahm.
Hier auch?


Im Klara-Teil (den ich auch stilistisch besser gelungen finde als den ersten) springt dann der Motor an, deutlich am Ende des Teils.
Miguel-Teil fand ich wieder etwas schwächer, warum verrätst du das mit dem KH? Gut, anhand der Tatsache, dass er erzählt kann man annehmen, dass er noch lebt, wobei wir ja in Büchern auch schon viele Tote haben sprechen hören..., denk da nur so an Nox von Th. Hettche.

Den Robert Teil fand ich dann viel besser geschrieben, gekonnt, lässig:

und bog sich meine Worte zum Soundtrack ihres Films. Ebenso mein Schweigen, auf das ich mich bald verlegte, um keinen der zynischen Kommentare entschlüpfen zu lassen, die in dem Nest aus Enttäuschung und Überdruss, das ich bin, vor sich hin brüten.
Sie hatte ne Menge zu erzählen, tausend kleine Kränkungen, Beobachtungen und Mutmaßungen – anscheinend hatte sie keine Freundin, bei der sie sich leerreden konnte. Mir egal, nach dem fünften Drink hör ich mir alles an, am nächsten Morgen ist es dann eh weg und die Tafel wieder blank.

Und dann das Ende, großartig, einfach großartig!

Die ersten beiden Sätz schon perfekt...

Das Vorgefühl des Abschieds. Nicht unbedingt das Schlechteste - ich fühlte mich erholt und hatte Lust auf neue Ufer. Es wäre auch gut für sie, dachte ich, ihre Illusion nicht weiter zu stützen.
Irgendwann hörte ich ihren Atem deutlicher, sie lag mit leicht geöffnetem Mund auf dem Rücken, den Kopf in der Beuge des rechten Arms. Ich setzte mich in einen lockeren Schneidersitz, zündete eine Filterlose an und beschaute sie, dem absurden Impuls nachgebend, mir ihr Bild einzuprägen, um etwas von ihr mitzunehmen. Das linke Bein guckte unter der Decke hervor, der lange Milchkaffeschwung mit dem dunklen Flaum auf der Wade.
Scheinwerfer krochen die Wand hinter dem Fernseher hoch, Kieselsteine knirschten, dann der Ruck und das Einrasten durch die Stille, als eine Handbremse angezogen wurde. Ich lehnte mich vor und nah an sie heran, so schön war sie, die schlafende Frau - und pustete Rauch in ihr Gesicht. Niedlich, wie sie ihre Nase kraus zog. Juana betrachtend, entschied ich, dass es Zeit sei, das Weite zu suchen. Schnell jetzt, den Impuls nicht durch Reflektion verfälschen! - ich drückte die erst halb gerauchte Kippe aus und dachte, als ich die Tür hinter mir schloss, bald werden wir glauben, alles war nur ein Traum.

Und so war ich zum Ende dann doch sehr sehr froh, das Ding gelesen zu haben..

P.S. Falls Du mich für die Kritikpunkte auseinadernehmen willst, muss ich Dich gleich vor möglicher Nichtantwort warnen, bin gerade nicht regelmäßig hier, da ich es nach Umzug (vor 6 Wochen :( immer noch nicht auf die Reihe gekriegt habe, Internet zum Laufen zu bringen... Außerdem kämpfe ich mit der Copywrite-Aufgabe, die mich ggf. ins Grab bringt

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Mister T, einfach Eindrücke schildern ist gut, damit kann ich meistens viel anfangen ... :-)

Fließen ja in jede Geschichte Weltsicht und Erfahrungen des Schreibers, und meine haben manchmal hohen autobiografischen Anteil, aber hier, gerade weniger ... den Beginn mag ich schon, peinlich ist mir ein bisschen dieser allgemeine Reflex, solche Schwärmereien nur für die spätere Fallhöhe ins Himmelhochjauchzend zu steigern. Was solls, ich könnte eh keinen authentischen nichtgebrochenen Text solchen Inhalts mehr schreiben.

(Wenn Du mal Zeit hast, dann lies mal den ersten Text, den eine neue KG.de-Autorin hier reingestellt hat, Arina Romanova, Abschied (wenn ich mich nicht täusche) und den Kommentar von Quinn dazu. Quinn äußerte sich dort, wieso es gelingt, dass die Geschichte "literarisch" klingt. Ich schreibe das nur, weil ich vielleicht nicht ganz verdeutlichen kann, was ich meine, aber ich nenn Dir jetzt mal ein paar Beispielssätze Deines Textes, die ich "literarisch vergeigt" finde:

Ich glaub den Faden hab ich komplett gelesen. Der Text gefiel mir auch. Halte ich aber für schwierig, die Literatizität eines Textes festmachen zu wollen, oder warum ein Text literarisch klingt, na ja, so Theorie versuche ich aufs nötige Mindestmaß zu beschränken - Meinungen sind mir alle willkommen, ganz aus dem Bauch oder mit schlauem Schnickschnack.
Die Bilder und Vergleiche, was weiß ich, die sind absichtlich so erdnah, als Übung, weil mir meine Überladenheit hier regelmäßig angekreidet wird.

Der markierte Satz funktioniert grammatisch schon, aber er liest sich einfach nicht schön, man bleibt hängen.
Das ist doch abgesprochen!

der ein paar nette Sachen sagte, und mir das Gefühl gab, willkommen zu sein, bevor er sich diskret zurück zog. Total nett, provinziell im besten Sinn.
Das total nett stört und der Wechsel in dem Satz. Der zweite Teil klingt von der Erzählstimme anders als der erste Teil.
Hab da nochmal drüber nachgedacht. Also mir ist schon klar, dass es Juana hier auf unvorteilhafte Art charakterisiert, dieser Großstadtschicksenspruch. Lass ich trotzdem drin, damit sie auch ein paar Antipathiepunkte sammeln darf. Aber ein nett fliegt!

Robert legte seinen Kopf auf meine Schulter, ich zog die Schuhe aus und ließ die Füße im Wasser baumeln. Wir hörten gar nicht auf, uns zu küssen, als hätten wir Schokolade am Mund.
:(
So schlimm! :)

"fragte ich ihn" ist überflüssig, sie nennt ja seinen Namen; genauso dann das "sagte er".
Der letzt Satz klingt wieder komisch, durch diese Kommaabtrennung, schätze Du wolltest nicht noch ein "und" in den Satz bringen, aber so finde ich es auch nicht gelungen.
Das sähe ich ähnlich, wenn ich nicht durch viele Rückmeldungen den Eindruck gewonnen hätte, dass der Leser ganz furchtbar durcheinander und aus der Geschichte gerät, wenn die wörtliche Rede nicht im Gleichschritt marschiert. Der letzte Nebensatz wirkt etwas abgehackt, stimmt. Wenn ich jetzt sagte, dass für mich sprachliche Eleganz nicht im Vordergrund stand, klingts wie ne Gegenkritik, aber so ist's.

wieder so ein erklärender Nachsatz, die sind öfter drin und stören mMn

Okay, ich werd nach'm Laufen nochmal den Text auf solche Konstruktionen prüfen. Ich hatte auch allgemein das Gefühl, hier wird zu viel geredet. Ungefähr sollte es so sein, dass jeder Ich-Erzähler immer noch ein Stück des vorherigen Ich-Erzählers aus einer anderen Perpsketive nacherzählt, wie beim Staffellauf - hoffe, das haut jetzt einigermaßen hin ... :D Dieses wie ich jetzt vermutete, das ist halt auch drin, weil die alle rückblicken, hier geht es ja um die Figuren, was sie denken, fühlen, wie sie sich erinnern, die Widersprüche ... PS: Den Satz hab ich komplett rausgenommen, der brachte insgesamt auch nichts.

Ist dieser Reim beabsichtigt?
Nee, aber beim Korrekturlesen ist der Gleichklang nicht geflogen ... Ich glaube ich werde nach Scheuklappen ein sanft einfügen, das deucht mir gerade schöner Klang, so insgesamt.

Die beiden Fehlt-was-Sätze sind für mich vollständig.

Miguel-Teil fand ich wieder etwas schwächer, warum verrätst du das mit dem KH? Gut, anhand der Tatsache, dass er erzählt kann man annehmen, dass er noch lebt, wobei wir ja in Büchern auch schon viele Tote haben sprechen hören..., denk da nur so an Nox von Th. Hettche.
Es ist auch so, dass die Geschichte mit Miguels Herzinfarkt und der Beziehungskiste schon hochdramatisch ist, also hier noch einen sterben lassen, das ... wäre zuviel geworden. (Denk ich)

Huch, zum Ende gehts ja auf einmal richtig hoch mit der Stimmung, als könnte man dir beim Kommschreiben über die Schulter kucken, vielen Dank für das euphorische Lob! Typen mit Arschloch-Qualitäten sind schon unterhaltsam ...

Außerdem kämpfe ich mit der Copywrite-Aufgabe, die mich ggf. ins Grab bringt
Oh, nicht doch ... wird keiner hier wollen. Einfach schreiben, und wenns nichts geworden ist und dir alle den Kopf abreißen wollen, sagste einfach, du hättest feirefiz Stil umgestülpt ...

Danke fürs umfangreiche und kritische Feedback! Ich kuck mir den Text nochmal auf Papier an, die Anmerkungen der anderen sind auch noch nicht richtig verarbeitet ... (Und viel Erfolg bei deinen Kämpfen, mögen die Windmühlen nie aussterben ...)
Kubus

 

Hey Kubus, ich bins nochmal!

Wenn ich jetzt sagte, dass für mich sprachliche Eleganz nicht im Vordergrund stand, klingts wie ne Gegenkritik, aber so ist's.

ja, shit, und ich genau da bin ich Fetischist (ohne es selbst liefern zu können)

Worum es mir (auch bei dem Verweis auf die andere Geschichte) nicht ging, war einen Stil als "besser" zu bezeichnen. Fand nur den Vergleich interessant. Ein "literarisch angestrichener Stil" (so Quinn) und einer, der auf mich an den zitierten Stellen eben nicht so wirkte. Musste da nun selber nochmal drüber nachdenken: Es wäre ja der totale Horror, wenn alle plötzlich den gleichen Stil schreiben würde, so wie alle Einkaufsstraßen und Cafés überall gleich aussehen; ja, da käme mir das Kotzen. Es aber zu verstehen, es zu können und dann anders zu machen, das wäre etwas (was ich selbst gerne machen würde);

Ungefähr sollte es so sein, dass jeder Ich-Erzähler immer noch ein Stück des vorherigen Ich-Erzählers aus einer anderen Perpsketive nacherzählt, wie beim Staffellauf - hoffe, das haut jetzt einigermaßen hin

ja, auf jeden Fall und das gefiel mir auch…

Es ist auch so, dass die Geschichte mit Miguels Herzinfarkt und der Beziehungskiste schon hochdramatisch ist, also hier noch einen sterben lassen, das ... wäre zuviel geworden

dachte auch eher an Offenlassen, nicht verraten…


Beste Grüße, T.

P.S. Die Gefühls- und Kunstvernichtungsmaschinen Arbeitsstress + Alltagsstress ließen in letzter Zeit bei mir nix ordentliches geschehen, das hat sich bestimmt auch auf die Qualität meiner (spärlichen) Kommentare ausgewirkt. Aber langsam seh’ ich wieder Land...
In dem kleinen Rechteck Himmel, das ich aus meiner neuen Wohnung erkennen kann, taucht gerade zum ersten Mal der Mond auf.

 
Zuletzt bearbeitet:

He T, ich dann auch nochmal ...

Kommt drauf an, was im Vordergrund stehen soll. Zu versuchen sich einen Stil anzueignen und die Mittel elegant zu nutzen, das find ich erstrebenswert, die Sätze immer weiter zufeilen und aufpolieren, besondere Bilder entwickeln - gerade bei poetischen Reflektionen, mit fließender Sprachmelodie, Gleichklang und Stabreim bspw. Das verstehe ich auch nicht als Gleichmacherei, entwickelt ja jeder einen eigenen Stil. An solchen Passagen versuche ich mich ja selbst, da kann ich gar nicht generell dagegen sein. Aber hier habe ich Schlichtheit versucht und den Inhalt im Vordergrund stehen zu lassen.

ja, auf jeden Fall und das gefiel mir auch…
Schön dass das rüberkommt.

dachte auch eher an Offenlassen, nicht verraten…
Dacht ich im Nachhinein auch, dass du das gemeint haben wirst. :)

Die Gefühls- und Kunstvernichtungsmaschinen Arbeitsstress + Alltagsstress ließen in letzter Zeit bei mir nix ordentliches geschehen, das hat sich bestimmt auch auf die Qualität meiner (spärlichen) Kommentare ausgewirkt. Aber langsam seh’ ich wieder Land...
In dem kleinen Rechteck Himmel, das ich aus meiner neuen Wohnung erkennen kann, taucht gerade zum ersten Mal der Mond auf.
Mit den Kommentaren ist doch alles in Ordnung. So Neuanfänge können schon kraftraubend sein, auch wenn die alten Sehnsuchtsbilder mitgezogen sind ...

Viele Grüße
Kubus

 

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