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Vertrauen

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02.11.2001
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Vertrauen

Sein Flug wirkte so unbekümmert, federleicht flirrte er an mir vorbei. Seine Flügel waren gelb, leutend gelb wie reines Sonnenlicht. Bedächtig ließ er sich auf einer Blüte nieder. Er war zu weit weg, so daß ich nicht beobachten konnte, wie er seinen Rüssel ausrollte, um an den süßen Nektar auf dem Grund der Blüte zu kommen. Dann flog er auf und schwirrte weiter im Garten umher. Wie zerbrechlich er aussah, wie verletzlich. Ich war nicht wirklich erstaunt, als er um mich herumflatterte, obwohl ich sicher nicht wie eine Blume dufte und auch nicht im Entferntesten so aussehe. Ich öffnete die Hand und der Falter setzte sich auf meine schwielige Handfläche. Wie selbstverständlich nahm ich sein Vertrauen an. Nun konnte ich ihn genau betrachten. Die leicht ausgefransten, schlicht geformten Flügel ließen mich überlegen, durch welche Widrigkeiten er sich in seinem Schmetterlingsleben schon hatte kämpfen müssen. Ob er schon auf anderen Händen gesessen hatte? Vielleicht auf der eines Kindes oder der einer hübschen jungen Frau. Der schlanke, elegante Leib zitterte, als würde er sich fürchten, doch der Schmetterling blieb sitzen, wo er war. Ich fühlte ein ganz leichtes Kitzeln, als er mit dem Rüssel eine meiner Handlinien berührte. Wie unfassbar sanft diese winzige Berührung doch war. Kein Geräusch war zu hören, als ich schnell die Hand schloß und ihn zerdrückte.
Langsam öffnete ich die Faust und betrachtete die gesplitterten Flügel.
"Tut mir leid", flüsterte ich.

[Beitrag editiert von: raven am 12.02.2002 um 06:06]

 

Ohoh, da ist jemand aber total traurig (oder vielleicht müde)?

Kopf hoch, das Leben geht weiter und es ist auch nicht so zerbrechlich wie ein Schmetterling.
*g*

Ps: Wenn ich deine Geschichte falsch gedeutet haben sollte, verzeih mir bitte. Ich hab mich bis grad eben noch mit dem DDR Regieme, oder besser geagt, damit wie letztendlich zur Mauer kommen konnte, beschäftigt, also sind meine Gedanken sowieso 'n bisschen überstrapaziert. GUTE NACHT! *gäääääähn*

 

Sav,

toller Bruch, erst den Leser fast eingelullt und dann beinahe mitzerquetscht.

Auf Grund der Länge/Kürze des Textes musst Du auf Wortwiederholungen achten..."herum flattern" und "Rüssel ausrollen" sind mir besonders ins Auge gestochen.

Habe den Text in Gedanken mal ins Präsens versetzt, wäre meiner Meinung nach auch ein gutes Stilmittel, denk mal drüber nach.

:thumbsup:
San

[Beitrag editiert von: Rabenschwarz am 12.02.2002 um 02:31]

 

Hallo raven,

mir gefällt diese Geschichte auch ziemlich gut, wobei ich es momentan für unangebracht halte, auf bestimmte Aussageabsichten zu schließen bzw. Interpretationsmöglichkeiten zu deuten.
An für sich müßte die Intention der Autorin ja - von der Überschrift ("Vertrauen") ausgehend - unmittelbar auf der Hand liegen.
Aber wie bereits betont, ich verkneife mir jegliche Deutungen.

Auf formale und sprachliche Mängel bist du ja schon hingewisen worden, erübrigt sich dieser Teil also, zumindest für mich. :engel:

Lange Rede, kurzer Sinn:
Die Geschichte einfach lesen, wirken lassen und bißchen darüber sinnieren - nicht allzulang, sonst verliert man sich in tragischen Gedanken...


Gruß, Hendek

 

Sehr gut! Hervorragend! :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: :)

Eine Erzählung ohne Makel, aber voller Weisheit, wie ich finde. Ich kann allerdings auch gut verstehen, dass eine solche Geschichte die Lager spaltet.

Sie gefällt mir auch deshalb so gut, weil ich es für eine grundsätzliche Wahrheit halte, dass die Psyche eines jeden Menschen aus vielerlei, oft ganz und gar konträren Facetten besteht. Ich kann etwas wunderschön finden und dennoch den Wunsch verspüren, es zerstören zu wollen. Aber im nächsten Moment schon, wenn die andere Seite der Seele wieder Oberwasser bekommt, kann dieser Mensch diese, in der Geschichte nicht nur gedachte sondern auch ausgeführte Tat, tief bedauert werden. Daher finde ich das Verhalten des Ich-Erzählers absolut nachvollziehbar, wenn auch nicht gerade alltäglich (aber dann wäre es ja auch langweilig).

"Tut mir leid." Das ist Heuchelei.
Das finde ich nicht. Außerdem weist raven ja auch darauf hin, dass er/sie diesen Satz glaubwürdigerweise flüstert. Er/sie befindet sich hier, möglicher- aber nicht notwendigerweise ausgelöst durch eine tiefe Traurigkeit, in der tragischen Lage, zwei sich gegenseitig ausschließende Handlungen gleichzeitig vollziehen zu wollen. Schließlich siegt dabei der destruktive Drang.

Da ich dieses Gefühl so gut nachvollziehen kann, brauche ich für meinen Teil keine (gar rationale) Begründung für die Tat. Aber das ist wohl wie bei Kafka: Entweder man versteht es oder man versteht es nicht, weil man es ganz einfach nicht kennt! (Man erkennt nur, was man kennt - Goethe)

Eine schönes Gleichnis dafür, dass Vertrauen leider kein Gesetz ist (und es noch nicht einmal Richter dafür gibt), sondern eben auch gebrochen werden kann. Eine Erfahrung, welche jedes Kind im Laufe der Zeit erst mühsam und beschwerlich sich aneignen muss. (und die verstehen eben auch nicht, warum Erwachsene z.B. auch Dinge zerstören, obwohl es in ihren Augen doch "böse" und daher tabu ist)

Und das bringt mich gerade auf einen neuen Gedanken: Vielleicht ist der Protagonist ja auch ein Kind? Raven?

 

Sorry Kris, aber mehr Erklärung wirst Du nicht bekommen. ;)

@Gerard

Man soll nicht sinnieren, hat jemand vor mir geschrieben.
Die Geschichte einfach lesen, wirken lassen und bißchen darüber sinnieren - nicht allzulang, sonst verliert man sich in tragischen Gedanken...
Hendeks Interpretation habe ich gestern noch aus ihm herausgequetscht und kann bestätigen, daß die nicht verkehrt ist. (Pflicht erfüllt, Hendek ;) )
Gerade bei dir, Gerard, hat es mich etwas gewundert, daß du nicht versucht hast, den Geschichte symbolhaft zu sehen.

Nun, Ratte, eine schwielige Handfläche paßt dann wohl doch besser zu einem Mann, nicht? ;)

Danke Euch für die Kritiken.

Sav

[Beitrag editiert von: raven am 13.02.2002 um 12:49]

 

was habt Ihr nur?
ich muß ganz ehrlich sagen: ein happy end hätte ich nicht erwartet. Und als der Schmetterling sich setzte, war mir klar, daß er das Spiel verloren hat.
Leider ist es eben doch so, daß Menschen Dinge nicht so "würdigen", wie sie es verdient haben. Ihnen nicht den Respekt entgegenbringen, den sie schulden und im Grunde auch selbst anerkennen.
Und sobald es zu spät ist, bereuen sie. Denn man vermißt nur, was vergangen ist. Und in der Rückschau sind Dinge noch perfekter. ( Der Schmetterling WAR hier sogar fehlerlos - es hat ihm nichts genützt... )
Vielleicht hängt mein Weltbild schon ein wenig schief an meiner Wand, aber ich kann mich über den Ablauf der Geschichte nicht im Geringsten wundern.

Dafür habe ich dann die Augen frei dafür, den Stil und die Erzählweise zu be-wundern.
Alle Achtung.

Lieben Gruß,

Arc

 

:D
Nach etwa der Hälfte der Story hab ich damit gerechnet, dass der Protagonist den Falter zwischen den Händen zerklatscht.

Aber dann sowas:

Kein Geräusch war zu hören, als ich schnell die Hand schloß und ihn zerdrückte.
Langsam öffnete ich die Faust und betrachtete die gesplitterten Flügel.
"Tut mir leid", flüsterte ich.

Klatschen wäre doch viel dynamischer gewesen! Der letzte Satz könnte auch gut gestrichen werden. :naughty:

Also im Ernst: eine anrührende Geschichte, die unverständliche Gewalt schockiert. Rätselhaft.

 

@Leif

die unverständliche Gewalt schockiert.

Du hast doch mich als Bruder. Dich dürfte unverständliche Gewalt nicht schockieren :naughty:

 

Lars, betrachte dich als den Smiley in der Mitte.

:gunfire: :heul: :peitsch:

 

Ein guter Stil, aber den Lobeshymnen kann ich mich nicht anschliessen. Mit Ausnahme der Veganer und mancher Vegetarier gehen Insekten und kleinere Tiere jedem so ziemlich am Arsch vorbei. Als Kinder sperren wir Fliegen ein und sehen zu, wie sie sterben. Ich könnte noch viele solcher Beispiele bringen, du erzählst hier jedenfalls nichts wirklich Neues. So grausam, wie hier manche finden, ist es wirklich nicht, gehört viel mehr zum Thema Alltag. Auch wenn er es vorhin noch als schön ansieht, überraschend und ungewöhnlich ist das Ableben des Schmetterlinges nun wirklich nicht.

 

Ich weiß jetzt nich mehr ob die Protagonistin ein Kind ist oder nich, jedenfalls erinner sie mich an eines.
Ich schließe mich der Meinung von zoren an.
Es ist nichts ungewöhnliches das Kinder sardistisch mit Tieren umgehen. Hat einfach etwas von Erfahrungsdurst, Neugierde, außerdem haben Kinder gerne die Kontrolle und sind sich der auswirkungen ihrer Taten, Konsequenzen, erst zu spät bewußt.

Ich würde es auch ehr zu alltag tun.

 

Wie kommst Du auf "Kind"? Schonmal ein Kind mit schwieliger Handfläche gesehen? Es ist ein Mann, das hab ich versucht, dadurch deutlich zu machen.

Wie ich schon weiter oben geschrieben habe, ist die Geschichte metaphorisch zu verstehen. Der Schmetterling steht für Vertrauen.

Ich weiß, wenn man seine Intention erklären muß, hat man wohl was falsch gemacht... :rolleyes:

[Beitrag editiert von: raven am 24.02.2002 um 16:16]

 

aber wenn es metaphorisch zu sehen ist dann wird der Text finde ich uninteressanter:
Da wurde Vertrauen mißbraucht.

viel Text wenig Inhalt

 

Viel Text???

[Beitrag editiert von: raven am 24.02.2002 um 16:19]

 

da geht ihr aber von euren eigene Händen aus, ich hab auch schon ganz andere gesehn.

 

Schon mal Fight Club gesehen? Edward Norton schlägt einem "blonden Eengel" so oft in die Fresse, bis er keine Zähne mehr hat und begründet es damit: "Ich wollte mal etwas schönes kaputtmachen"
Der Blonde hat ihm auch vertraut und wurde hart behandelt, jedoch finde ich das Gewaltpotential in diesem Beispiel viel immenser. Wenn der Sinn der Geschichte darin lag, daß Vertrauen oft wohlbewußt enttäuscht wird, okay, na und? Das ist wahrhaftig keine neue Aussage.

 

aber der stil gefällt mir


(@kristin: wo bleibt meine pm-antwort)

 

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