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Vergewaltigt

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29.01.2010
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Vergewaltigt

Starr blickte Rolf Hohl an die gekalkte Wand, als ob sie eine Projektionsfläche wäre. Das Unfassbare konnte er noch immer nicht begreifen. Er suchte nach Antworten, wobei die Fragestellungen ihm schon Mühe bereiteten. Immer wieder gelangte er wie in einer Endlosschleife zum Warum?
Als er festgenommen wurde, sprach man von Verdunklungsgefahr. Sein Pflichtverteidiger meinte, zwei, drei Tage, dann sei er wieder frei - bis zur Gerichtsverhandlung. Dabei hatte er doch nichts getan, war sich keiner Schuld bewusst, es konnte nur ein Missverständnis sein.
Missverständnis?
Rebecca hatte ihn angezeigt und ausgesagt, sie sei von ihm betäubt und in diesem wehrlosen Zustand vergewaltigt worden. Sexuelle Nötigung formulierte es der Untersuchungsrichter, Herr Girardot, das schreckliche Wort mildernd. Kein Kavaliersdelikt, das man ihm da vorwarf.

Mit einer Reisetasche war sie dem Zug entstiegen, lächelnd kam sie mir entgegen. Sie war hübsch, keine ausgesprochene Schönheit, doch wirkte sie mit ihren langen offenen Haaren schlank und attraktiv. Vor allem auf ihre wohlgeformten langen Beine war sie stolz, weshalb sie auch immer Jupes und Schuhe mit hohen Absätzen trug, niemals Hosenkleidung. Freundschaftlich reichten sie sich die Hand. Sie hatte sich freigenommen, um mit ihm am nächsten Tag die Messe, ein örtliches Ereignis, zu besuchen. Er hatte sich noch gewundert, dass sie schon am Vorabend anreisen wollte. Bequem hätte sie im Laufe des Morgens anreisen können, ohne das abendliche Gedränge. «Ich komme am Donnerstagabend», ihre Worte am Telefon waren bestimmt gewesen, gaben keinen Zweifel an ihrer Absicht.

Seine Erinnerung schweifte zurück zu dem Tag, als er ihr erstmals in der Central-Bar begegnet war. Nach einem Seminar ganz in der Nähe blieb ihm noch Zeit, bis der Zug fuhr. Die Inhaberin des Lokals und des gleichnamigen Hotels war eine Bekannte von ihm, doch an diesem Tag war sie abwesend, wie ihm auf Nachfrage gesagt wurde. So stand er an der Theke vor seinem Glas, sein Blick schweifte in der Runde. Berufstätige, die zum Feierabend für ein Glas Prosecco oder ein Bier einkehrten, nichts Ungewöhnliches. Da bemerkte er sie. Es war der Blick, mit dem sie ihn ansah, neugierig musternd. Ihr gegenüber ein fülliger Mann mittleren Alters, wahrscheinlich ein Berufskollege. Sehen und gesehen werden, das übliche Spiel der Langeweile, es war ihm vertraut.
Eine Viertelstunde noch, dann werde ich zum Bahnhof hinüber gehen. Er spürte leicht eine Berührung an seinem Arm, eine Hand legte einen zusammengefalteten Zettel vor ihm auf den Tresen und zog sich schnell zurück. Als er den Kopf wandte, ging die Frau, ohne sich umzuwenden, bereits auf den Ausgang zu und verschwand. Eine Telefonnummer, mehr hatte sie nicht hinterlassen. Eigentlich sah sie nicht wie eine Professionelle aus, … war eher von biederer Eleganz, dachte ich damals. Niemand schien diesen Vorgang beachtet zu haben, oder vielleicht schon, die Bardame hatte kurz, aber desinteressiert zu mir hingesehen. Er hätte ihn liegenlassen können, doch steckte er den Zettel ein.
Am nächsten Tag kam ihm dieses kurze Intermezzo in den Sinn, der Zettel steckte noch in seiner Jackentasche. Tagsüber war sie nicht erreichbar, erst am Abend nahm sie das Telefon ab. «Rebecca Winters», ihre Stimme hatte einen leicht rauchigen Klang.
«Rolf Hohl hier», er räusperte sich, kurz überlegend, ob es die richtigen Worte wären. «Wir sind uns gestern in der Central-Bar begegnet, ich stand an der Theke.» Er wartete einen Moment, doch sie reagierte noch nicht. «Vielleicht könnten wir uns mal treffen, ich würde Sie gern näher kennenlernen.»
«Ah, ich erinnere mich. Doch ja, dies wäre eine nette Idee. Diese Woche kann ich allerdings nicht, aber wie wäre es am nächsten Dienstag, am frühen Abend?»
Ein kurzer Blick in die Agenda, obwohl er sich sicher war, dass es ihm möglich war. «Ja, passt mir gut.»
«Haben Sie einen Vorschlag, wo wir uns treffen können?»
In der Central-Bar wollte er so kurz danach mit ihr nicht auftreten. Spontan fiel ihm nur ein exklusives Hotel ein. «Wie wäre es mit der Bar des Baur au Lac?»
«Gute Wahl, dort hat es eine angenehme Atmosphäre. Sagen wir um halb fünf, oder besser noch, können Sie mich um sechzehn Uhr abholen?» Sie nannte ihm die Adresse ihres Arbeitgebers, einer Repräsentanz eines amerikanischen Technologieunternehmens.
«Kein Problem, ich werde pünktlich sein.»
«Also dann, bis nächsten Dienstag. Auf Wiedersehen, Rolf.»
«Ich freue mich, bis dann, Rebecca.»

In dem Kleid mit farbigen Blumenmustern wirkte sie auf ihn etwas altmodisch trotz ihrer sonst jugendlichen Erscheinung. Sie wartete bereits, obwohl er pünktlich vorgefahren war. Ihre Begrüssung war noch etwas steif, ein erstes Beschnuppern, doch verlief es zusehends angenehm. Sie waren schnell beim vertraulichen Du und sprachen über sich selbst. Für sie kam vorrangig ihr Beruf als Sekretärin. So manchen Abend verbrachte sie im Büro, ehrgeizig bedacht, alle Arbeiten vor der gesetzten Frist zu erledigen. Als Freizeitvergnügen bevorzugte sie Segeln. Beinah etwas verträumt erschien sie mir, als sie von jenem älteren Herrn sprach, den sie auf seiner Jacht auf dem Bodensee manchmal begleitete und dessen Wochenendhaus in den nahen Hügelzügen der Voralpen lag.
«Aber, es ist vorbei.» Eine Begründung gab sie nicht ab.
Eigenartig, dass sie dies erwähnte. Ein vermögender älterer Herr ist wohl kaum eine Referenz für eine jüngere Frau. Siebenundzwanzig war sie, fünf Jahre jünger als ich, hatte sich im Gespräch herausgestellt. Der Gedanke trat mir damals wieder auf, ist sie etwa doch …?
«Mit einem Boot kann ich nicht aufwarten.Schwankende Unterlagen bereiten mir Mühe, ich schätze festen Boden unter den Füssen.» Es war mir bewusst, dies konnte das Ende unserer Bekanntschaft sein, doch ich wollte Klarheit. Sie sah wortlos darüber hinweg.
Selbst hatte er es vermieden, über verflossene Beziehungen zu sprechen, nur eine mehrjährige Partnerschaft gestand er ein. Seine Betonung lag darauf, dass sie sich im gegenseitigen Einvernehmen getrennt hatten, da im Laufe der Zeit das Erotische zwischen ihnen erodierte.
Ihr Lächeln signalisierte mir stillschweigend ihr Verständnis.
Trotz ihres rückblickenden Vorgeplänkels fanden sie zu gemeinsamen Interessen, wobei Abendessen in angenehmer Atmosphäre oder ein gutes Konzert im Vordergrund standen. Für ihn dominierte die Musik von Sibelius, während sie sich vorwiegend auf den Dirigenten Solti kaprizierte.

Es war bei unserem zweiten Treffen, als sie etwas eingeschnappt war, weil ich kein Kompliment zu ihren Beinen einbrachte und sie es selbst erwähnen musste. Dabei tat sie alles, um dies mir zu entlocken, präsentierte sich vor mir, wobei ich mehr ihr Kleid beachtete. «Nur die wenigsten Frauen haben solche Beine», meinte sie.
Zum Essen hatte er sie in ein koreanisches Lokal geführt. Sie schätzte eine exklusive Atmosphäre, was mir entgegenkam. Mit der koreanischen Küche nicht vertraut, stellte er arglos seine Gänge zusammen. Die Suppe schmeckte intensiv nach Knoblauch. Ausgerechnet etwas, das mir schlecht bekommt. Die Erwartung, dass die nächsten Gänge diesen starken Geschmack kompensieren würden, erwies sich als ein Irrtum. Ich machte an diesem Abend die Erfahrung, dass Knoblauch die koreanische Küche durch und durch beherrscht. Der Schnaps danach verstärkte meine Übelkeit, statt die Magensäfte zu regulieren.
Bei ihr zu Hause, sie hatten es sich auf der Couch bequem gemacht, bot sie ihm einen Cognac an. Doch er lehnte ab. Nippen hätte ich wenigstens daran können, die romantische Stimmung, welche sie sich wünschte, mitspielen. Es war sehr abrupt, wie sie mich nach Hause schickte. Neunzig Kilometer, die er trotz seines Unwohlseins noch Autofahren musste.

Bei einem nächsten Treffen, wir einigten uns nur alle paar Wochen auf einen Termin, holte ich sie zu Hause ab. Als sie öffnete, machte sie in Richtung der gegenüberliegenden Wohnungstüre eine Grimasse. «Die Alte da vis-à-vis, schaut immer durch das Guckloch, wenn ich Besuch erhalte», sprach sie laut. Und noch bevor sie die Türe schloss, doppelte sie nach. «Sie ist eine furchtbare Ziege, eigentlich gehört sie in ein Altersheim.»
«Vielleicht ist sie einfach einsam», bemerkte ich, aber sagte weiter nichts, da Rebecca eine säuerliche Miene aufsetzte. Manchmal war sie schon recht zickig.
«Ich muss mich noch umziehen. Warte bitte so lange im Wohnzimmer.»
Ein kleines Büchergestell weckte meine Neugierde. Vor allem Romane bekannter Autoren standen da, ein paar Bildbände sowie fünf leinengebundene Bücher ohne Titel. «Führst Du Tagebücher?», rief ich.
Wie eine Furie kam Rebecca aus dem Schlafzimmer gerannt, noch nicht fertig umgekleidet.
«Lass die Finger davon», schrie sie, nahm die Bände aus dem Gestell und verschwand damit. Ich hatte sie gar nicht angefasst, lediglich aufgrund der Musterung der Einbände geahnt, was sich darin verbergen könnte. Natürlich hätte es mich interessiert zu wissen, was sie im Stillen für sich denkt. Doch, niemals wäre mir ein solcher Vertrauensbruch in den Sinn gekommen. Ein wenig beleidigt war ich da schon. Aber gut, wir führten ja lediglich eine Zweckbeziehung, um ab und zu etwas gemeinsam zu unternehmen. Eine feste Bindung wollte ich so schnell nicht wieder eingehen.

Diese Sequenzen ihrer Bekanntschaft waren ihm jetzt gegenwärtig, Eigenarten von ihr, die er stets negiert und als kurzweilige Launen abgetan hatte, bedacht eine angenehme Bekanntschaft zu pflegen. Natürlich war er auch nicht makellos, zeigte etwa kein Interesse daran etwas zu unternehmen, was ihm nicht zusagte, doch von seinem Naturell her war er umgänglich. Wenn ich nach einem guten Essen eine Zigarre rauchte, störte sie sich nicht daran. Sie deutete es, vielmehr dahingehend in Gesellschaft eines Herrn von Welt zu sein.

An jenem Abend, vor dem Messebesuch, hatte er ein Abendessen bei sich zu Hause vorbereitet. Es war ihr sechstes Zusammentreffen und er glaubte, ihre kulinarischen Vorlieben einschätzen zu können.
«Nur etwas ganz Kleines», hatte sie ihn am Telefon gebeten, «ich habe am Mittag noch ein Geschäftsessen.»
Der Tisch war schön angerichtet, Blumen und eine Kerze gaben eine romantische Note. Im Hintergrund spielte leise klassische Musik. Zu Melonen mit Rohschinken und einer Baguette hatte er einen Tessiner Merlot gewählt, was ihre Anerkennung fand. Sie war ziemlich beschwingt an diesem Abend, freute sich offensichtlich über ihr trautes Zusammensein. Gemeinsam tranken sie die eine Flasche Wein, bis sie andeutete, sie möchte schlafen gehen.
Mir war es schon aufgefallen, als sie es bei ihrer Ankunft auspackte und auf das Bett legte. Sie trug ein Flanellnachthemd. So kalt war es nicht, es war anfangs Oktober. Den Gedanken, wie unerotisch es wirkt, schob ich damals kurzerhand beiseite, das Licht löschend.
Als ich mich ihr zärtlich zuwandte, liess sie mich wortlos gewähren. Eine Erregung konnte ich an ihr auch nach ausführlichem Vorspiel nicht anmerken. Nach meinen Erfahrungen musste ihr Verlangen bereits brennend sein. Doch sie verhielt sich, als wäre sie völlig unerfahren, staunend, was ihr widerfährt. Einzig die Beine zog sie hoch, mich zulassend. Sie kann ihre Gefühle nicht zeigen, war damals mein Gedanke, als ich mich zur Seite legte, um zu schlafen.

Die Vergegenwärtigung der damaligen Situationen, sein Grübeln darüber, brachten ihm unerwartet auch andere Erinnerungen hoch. Als Zuhörer hatte er vor einiger Zeit ein Symposium besucht, dem Thema «Gesellschaft und Werte» gewidmet. In seinem Ausweis an Weiterbildungen fügte sich dies gut ein. Wirklich verstanden hatte er nicht alles, die Themen und Positionen waren unterschiedlich, doch manches markierte er später in seinen Unterlagen. Da war der eine Satz im Referat von Fellmann, einem Philosophen, der ihn damals irritierte, dessen Schlüssigkeit er dann aber nicht wie beabsichtigt weiter verfolgte:

«In der intimen Begegnung präsentiert sich jeder in seiner Begierde und Verletzbarkeit; jeder ist, handlungstheoretisch formuliert, Täter und Opfer zugleich. Mann und Frau gebrauchen sich gegenseitig als Lustobjekte, bestehen aber darauf, dass der Partner sich nicht nur passiv wie ein Objekt verhält, sondern sich auch aktiv als Subjekt verhält.»​
Passiv hatte sie sich verhalten. Aber was meinte Fellmann über das Handlungstheoretische hinaus? Lässt sich daraus ableiten, dass ich ein Täter war und sie ein Opfer? Ich hatte ihr doch keine Gewalt angetan. … Sie hatte mich zugelassen.

Beim Frühstückstisch, wir waren spät aufgestanden, sprach sie erstmals davon.
«Es ist nicht das erste Mal, dass mich ein Mann vögelte, ohne dass mir danach war.»
Einen Moment glaubte, ich mich verhört zu haben, oder dachte, sie mache einen Scherz. Sie hatte es gewollt und sich selbst über Nacht eingeladen. Ich war schockiert und sprachlos. Mir fielen keine passenden Worte ein, was ich darauf erwidern sollte. Nur die Frage war da, warum hatte sie am Abend nichts gesagt? Ein einziges Wort hätte mir gereicht.
Einer der Referenten erwähnte doch damals am Symposium die Hemmung, durch Scham erzeugt. … Breyer war es. Wie waren da seine Worte? …

«Das Hemmen eines Impulses ist intentional auf ein konkretes Ereignis bezogen und damit ebenso der situativen Scham zuzurechnen wie die entsprechende nachträgliche Reaktion.»​
War es Scham, die sie hemmte, ihren Widerstand auf weitegehende Passivität reduzierte? … Aber zugelassen hatte sie mich. … Fürchtete sie etwa meinen Zorn, wenn sie sich verweigerte? Unerfahren war sie nicht, auch was sie damals am Morgen sagte, … die Worte passten gar nicht zu ihr. Ab und zu war sie mir schon sprunghaft vorgekommen, als bewegte sie sich in einer Welt, die nicht die ihre ist. ... Ich verstehe es dennoch nicht. … Ich war doch nicht ihr Feind, wir hatten einen schönen Abend zusammen und der kommende Tag hob ihre Laune wieder an. Nur das Frühstück verlief einsilbig, bis wir uns auf den Weg zur Messe machten. Da blühte sie wieder auf, war sie selbst, so wie ich sie bis anhin kannte.

Zwei Wochen später hatte sie sich mit ihm verabredet, aber dann kurzfristig den Treffpunkt wieder geändert. Statt im Café Relax sollte er nun auf der Strasse warten. Knapp eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit erschien sie endlich, machte mir öffentlich eine Szene, wobei sie ausdrückte, dass wir nicht zueinanderpassen. Seine beruhigenden Worte erreichten sie nicht, sie wehrte ab, weshalb er sich mit knappen Worten verabschiedete. Derart launisch hatte ich sie noch nie erlebt und dachte mir, vielleicht hatte sie Ärger bei der Arbeit. Doch, dass sie mich für nichts so weit fahren liess und die Szene auf der Strasse, waren nicht mehr normal. Ich nahm mir vor, wenn sie nächstes Mal anruft, sie erst mal hinzuhalten, bevor wir uns wieder treffen. Wenn überhaupt, korrigierte ich mich damals, ich kenne ja andere Frauen, die umgänglicher sind. Ich hörte nichts mehr von ihr, bis heute, sieben Monate später, und das nur indirekt, dafür massiv.

Ich Narr, … ihre Körpersprache damals. Das ist es!
Wie konnte ich dies missachten. In meiner Selbstgefälligkeit war mir nur bewusst, dass sie es wollte, sich wünschte. Wozu sollte ihre Selbsteinladung bei mir zu übernachten sonst gut sein?
Erwartete sie etwa eine feudale Wohnung mit Gästezimmern oder eine Villa? Wie ich wohne, darüber hatten wir uns nie unterhalten. Vielleicht war es etwas zögerlich, wie sie ihr Nachthemd beim Auspacken der Reisetasche auf die linke Seite des Doppelbetts legte? … Aber der Abend war dann doch stimmungsvoll, sie wirkte richtig aufgekratzt. Ich nahm sie zumindest so wahr.

Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen die Wand geschlagen, sich bestraft für seine fehlende Sensibilität.
Hätte ich doch etwas logisch überlegt, sie gefragt, was los ist. … Verfluchte Sprachlosigkeit!
Nein, es war mir geradezu eine Fremdsprache, die ich nicht übersetzte, ja nicht mal zu verstehen versuchte.

Er merkte erst auf, als der Aufseher bereits in der Zelle stand. «Kommen Sie und nehmen Sie Ihre Tasche mit.»
«Meine Tasche?» Er verstand nicht, was dies zu bedeuten hatte.
«Ja, sie werden entlassen.»
Entlassen? Nach sechs Stunden? Der Verteidiger meinte … «Ich verstehe nicht.»
«Das wird Ihnen Herr Girardot genauer erklären. Seien Sie froh, nicht jeder solche Fall geht so glimpflich aus.»

Im schlichten Büro von Herrn Girardot wurde er auf den Stuhl dem Untersuchungsrichter gegenüber verwiesen, auf dem er Stunden zuvor bereits schon einmal Platz genommen hatte. Die Wand in seinem Blickfeld war mit Gesetzeswerken angefüllt, viele davon in blutrote Einbände gefasst, erdrückend für Betrachter.

«Also Herr Hohl, die Anzeige gegen Sie wurde fallengelassen. Bei einer neuerlichen Einvernahme von Frau Winters, die ich aufgrund der abweichenden Schilderungen von Ihnen anordnete, wiederrief sie ihre ursprüngliche Aussage. Nach reiflicher Überlegung kam sie zur Erkenntnis, dass sie ihre Pillen, welche sie damals bei sich hatte, wohl verwechselte. Irrtümlich hat sie wahrscheinlich ein Beruhigungsmittel eingenommen, dessen Wirkung sich mit dem Alkohol verstärkte.
Diese Einsicht hat sie ziemlich mitgenommen, sie wirkte völlig aufgelöst und ich denke, dies hatte sie keinen Moment in Erwägung gezogen. Es war folglich ein glaubhaftes Missverständnis, das man ihr nicht zum Vorwurf machen sollte.»
Hohl wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er hatte die Worte verstanden, doch war da etwas, das ihn daran hinderte, sich zu freuen.
«Ihr Pflichtverteidiger wurde vorab bereits telefonisch orientiert. Er ist über diese gütliche Klärung sehr erfreut. Ich denke, für Sie ist dies ebenso ein gutes Ende.»
Der Untersuchungsrichter stand auf und reichte ihm die Hand. «Leben Sie wohl, Herr Hohl.»

Aber, ich habe ihre Körpersprache nicht wahrgenommen, ja krass missachtet. Ich bin schuldig!
Er fühlte sich rausgeschmissen, mit seinem Problem sich selbst überlassen. Da fielen ihm Worte jenes Juristen ein, der auch am Symposium referierte. Tiedemann war sein Name, er sprach über Menschenrechte und Würde.

«Nicht alle, aber bestimmte Wertüberzeugungen können wir so verinnerlicht haben, dass wir die vertraute Beziehung zu uns selbst verlieren würden, wenn wir sie im Handeln missachteten. Ob und welche Wertüberzeugungen derart verinnerlicht sind, erfährt man meist nur in extremen Krisensituationen, in denen so oder so viel auf dem Spiel steht. […] Menschen, die sich in einer solchen Situation über die identitätsbildenden Wertüberzeugungen hinwegsetzen, können in tiefe lebenslängliche Schuldgefühle geraten, die sie am Leben verzweifeln lassen können.»​

Der letzte Satz schwebte Hohl wie eine bedrohlich schwarze Wolke in der Erinnerung.
Aber er relativierte dies doch auch, sagte, solche Schuldgefühle könnten auch zu Unrecht auftreten. Auch präzisierte er, dass die Ethik und das Recht verschiedene Perspektiven sind.
Ich muss zu Hause die Texte der Referate nochmals lesen, vor allem Tiedemann. Er hatte da doch auch über den freien Willen referiert, … dass man entgegen dem in eine Situation geraten kann, in der man sich nicht sicher ist, was man will. Wenn es bei Rebecca so war, sie sich ihrer Absicht unsicher wurde, würde es doch ihr Verhalten erklären und mich entlasten? … Ich muss unbedingt auch mit Rebecca sprechen … ich muss es wissen.

 

Hallo Fliege

Das freut mich sehr, dass du dich mit der Geschichte auseinandergesetzt hast und deinen Eindruck dazu kundtust. Durch die Vielfalt an Reaktionen wurde mir klar, dass sie in der Ausgestaltung als sehr abstrakt wahrgenommen wird. Es war eine spontane Idee sie abzufassen – wie bei den meisten meiner Texte. Das Schreiben war das eine, die Zweifel kamen nachher, dies bedeutete ein mehrfaches Umgestalten und neue Wege suchen. Zur Erzählform habe ich noch vergleichend die Erzählungen „Im Museum“ von Hartmut Lange und die Kurzgeschichten „Abschalten“ von Martin Suter hinzugezogen. Denen könnte ich natürlich nicht im entferntesten das Wasser reichen und sie stehen nicht wegleitend für meinen Text, aber es ermutigte mich, es so zu belassen.

Ich kann gut verstehen, dass das Thema einen Reiz hat. Und ich kann gut verstehen, dass die Umsetzung arg schwierig ist, um die Leser damit zu erreichen. Die Entscheidung - war es nun eine "Vergewaltigung" oder nicht, die ist in solchen Fällen nicht leicht zu treffen. Die ist eben nicht eindeutig.

Der Schwierigkeit war ich mir klar und es wurde mir noch beim Schreiben bewusst, dass es als gesellschaftskritischer Text an sich kaum funktioniert. In der Schwerpunktsetzung nahmen Moral und Recht alsbald eine dominante Rolle ein, was vielleicht unbewusst einer Sympathie für den Philosophen Hans-Georg Gadamer entspringt. Die Frage, ob es nun eine Vergewaltigung war oder nicht, stand mir nicht im Vordergrund, sondern mehr die Auseinandersetzung damit.

Ab welchem Punkt, wenn sie kein "nein" ausspricht, kann man ihm einen Vorwurf draus machen. Und wie soll ein Text dass dann klar beantworten können? Darüber habe ich die letzten Tage nachgedacht. Also, wie würde ich einen Text anlegen, um das zu transportieren. Zu allererst bin ich zu dem Entschluss gekommen, das mir der Schuh eine Nummer zu groß wäre .

Mich faszinierte eben dieses fehlende „nein“, das, wenn ich mich recht erinnere, vor Gericht mal in einem realen Missbrauchsfall ins Feld geführt wurde. Die Interpretation gestaltet sich dabei sehr schwierig, da das Rechtsgefühl (Anstandsgefühl) in unserer durch Pluralismus und Individualisierung geprägten Gesellschaft nur schwer nachvollziehbar ist. Eine erlösende Antwort wäre mir da nicht angestanden und beabsichtigte ich auch nicht.

Aber wenn ich mich trauen würde, dann würde ich einen ganz neutralen Erzähler wählen und ausschließlich alles in szenisch erzählen, so dass die Frage am Ende beim Leser liegt, darin eine Vergewaltigung zu sehen oder nicht.

Ein neutraler Erzähler hätte in diesem Text zweifellos den Vorteil, es dem Leser näher zu bringen. Vielleicht lud ich mir und dem Leser damit ein Kreuz auf, eben nur diese Sicht des Protagonisten zu gewähren. Eine Selbstgeisselung, wäre ich dem spätmittelalterlichem (katholischen) Recht unterworfen, ist hinfällig, da mich die verbal getroffenen Hiebe bereits zeichnen. Ich hielt und halte es aber für rechtens, in diesem Fall kein Urteil zu fällen, sondern dem Leser eine freie Meinungsbildung zu erlauben, zum Nachdenken anzuregen.

Ich sehe zwischen den beiden nicht einen Hauch von Romantik. Für mich sollte sich den beiden die Frage nach Sex eigentlich gar nicht stellen. Das ist wie Geschäftsessen. Es wird auch so beschrieben.

Eine effektiv unterkühlte Beziehung, die die beiden da pflegten. Und du hast recht, die Frage nach Sex sollte sich da eigentlich gar nicht stellen. Dieser stellte sich denn auch nur rein formal ein, etwa so zu gewichten, wie wenn der Prot. ein Bordell aufgesucht hätte. Abstrakt aber nicht absurd, wenn man will, ein Kabinettstück.

Da fehlt es eindeutig an Figurenzeichnung. Warum - was ist ihre Motivation sich dahin zu legen. Das ist natürlich aus Deiner Erzählerhaltung auch schwer zu beantworten. Da bleibt nur widersprüchliches Verhalten ihrerseits. Aber das alles dann mit einem Flanellnachthemd erklären zu wollen - puh - das ist wenig, was Du dem Leser da mitgibst.

Es stimmt schon, dass die Figurenzeichnung mehr skizzenhaft erfolgte, wobei ich meine, dass ihre Charakteren sich dadurch noch mehr polarisieren. Das heftig umstrittene Flanellnachthemd ist ein Indiz, welches konträr zu dem steht, was der Prot. von ihr erwartet hatte.

Das Ende mit den vertauschten Pillen finde ich enttäuschend. Klar, es erklärt vielleicht irgendwas und er sieht sich ja trotzdem in der Schuld, auch wenn er jetzt durch "sie" freigesprochen wird. Also dieser Zwist, der hat natürlich was. Aber es mildert die ganze Sache für den Leser natürlich extrem ab und ich denke, damit kann man nur verlieren. Wenn man ein solches Thema aufgreift und es dann auf vertauschte Pillen hinausläuft.

Es wäre auch möglich gewesen, dass sich die juristische Wahrheitsfindung sich in Luft auflöst, da die Beweislast weder gegen noch für ihn spricht. Mit dem Rückzieher von ihr, ob ihr Argument nun wahrheitsgetreu ist oder nicht, sind beide nicht im Lichte von Schuld oder Unschuld beurteilbar. Was ihnen bleibt, ist eine Erfahrung für das Leben.

Ich weiß du magst das ... aber bitte, freudig mir entgegenkommend.
Das klingt nicht nach entgegenkommen, das klingt nach Umweg Ständig im Text. Schreib doch mal direkt. Lächelnd kam sie mir entgegen und ich hatte das Gefühl, das Klacken ihrer Absätze waren das einzige Geräusch in der Bahnhofshalle.
Dann wird auch klar, dass er auf ihre Beine guckt, wie sie da Schritt für Schritt auf ihn zustöckelt.

Du hast den Satz schön formuliert, was mir auch immer in deinen Geschichten gefällt. Ich habe den Teil des entgegenkommen auch geändert, nur das mit den Schuhen passt mir hier nicht in den Kram. Er sieht ihr eben nicht auf die Beine, dieser Narr, was ihr ein beständiges Ärgernis ist.

Sie reichten sich freundschaftlich die Hand. Das ist der Empfang, wo sie palnt die Nacht bei ihm zu verbringen. Ja mein Gott, da steckt Null Begehren oder Erotik drin. Ich bleib bei der Frage. Warum landen die beiden im Bett?

Einmal mehr weist sich da, die kühle, berechnende Beziehung, in der jeder auf seine Art individuell Nutzen ziehen will, und sei es nur der von Gesellschaft. Beide sind also nicht die Durchschnittsmenschen, die einem auf der Strasse zuhauf begegnen, sie zählen zu den Sonderlingen. Als Junggeselle hatte er eine praktische Möblierung, anstelle eines Sofas sind da nur Fauteuils, nicht mal eine Corbusier-Liege hat es ihm angetan. Da blieb nur das eine Doppelbett.

So ihre Worte. Keinen Zweifel an ihrer Absicht zulassend. Genau das mein ich. Das Thema täte gut daran, es dem Leser zu überlassen, ob man da Zweifel hineindeuten könnte oder nicht. Und genau deshalb ist es so schwierig. Finde mal einen Satz und eine Stimmlage, die genau das transportieren können.

Es sind seine Gedanken, die ihn quälend in der Erinnerung suchen lassen. Es ist seine Negierung von Zweifeln, seine Rechtfertigung, warum er ihre Selbsteinladung nicht abwehrte und sie über seine häusliche Situation hinwies.

Ein Erzähler der mir das alles abnimmt, da komme ich doch gar nicht in die Situation, mich je wirklich damit auseinandersetzen zu müssen.

Es ist wahrscheinlich so, dass die Lücken zwar gross sind, der Leser gefordert ist Rückschlüsse zu ziehen, aber anscheinend dennoch an Stellen zu viel ist, was an andern Stellen ihm fehlt.

Ich weiß nicht, ob es dir hilft, wenn ich schreibe, wie ich das Thema angegangen wäre. Wir sind da ja verschieden. Und ob es am Ende besser wäre, weiß ich auch nicht. Versucht habe ich es ja nicht und will es auch nicht. Aber das sind so meine Gedanken zu deinem Text. Jetzt hast du sie .

Doch es war mir inspirativ deine Sichtweise zu erfahren. Ob das Thema in einer andern Sprache und Form besser wegkäme, fällt auch mir schwer zu beurteilen. Lorbeeren wären damit, wohl kaum zu holen.

Aber ich kann verstehen, dass das Thema reizt. Insofern, Hut ab, es überhaupt angegangen zu sein.

Danke für den Hut ab, was mich sehr freut. Die Geschichte werde ich mir wohl mit der Erfahrung verbinden: wieder mal ins Fettnäpfchen getreten.

Für deine Auseinandersetzung mit dem Text und deine konstruktive Kommentierung danke ich dir herzlich. Es bleiben da auch Hinweise für die Zukunft, obwohl ich nicht zu sagen wage, wieweit es mir gelingt, meine Makel in den Griff zu bekommen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

der Stil in diesem Text macht die Konzentration auf den Inhalt schwierig. Er wirkt unnatürlich. Vielleicht wäre es möglich, daran zu arbeiten und andere Ausdrucksformen zu deinem Repertoire hinzuzufügen. Das gelingt durch Nachahmung. Vielleicht könntest du mit offenen Ohren die Leute in der Straßenbahn belauschen oder mit offenen Augen ein paar Liebesromane lesen. ;) Die Dialoge wirken in ihrer jetzigen Form, als wären sie einem Schwarzweißfilm entnommen.

Den juristischen Aspekt der Geschichte finde ich unglaubwürdig. Wenn die Aussage der Frau ohne Zeugen und ohne Beweise, sogar ohne Indizien, genügen würde, um den Protagonisten zu verurteilen, könnten alle Frauen nach Belieben jeden in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis ins Gefängnis schicken. In diesem Fall würde (günstiger für den Angeklagten als z. B. im Fall Kachelmann) Aussage gegen Aussage stehen.

Zur Philosophie: Mich würden sozialphilosophische Fragen wie "Was ist Schuld?" interessieren, dieser Mechanismus im Inneren, der sich selbst verurteilt und das Urteil annimmt. Da dieser Text in Philosophie steht, würden ihm auch ein paar spekulative Überlegungen und Gedankengänge guttun.

Freundliche Grüße,

Berg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Berg

Es freut mich sehr, dass auch du deine Meinung zu dem Text abgibst.

der Stil in diesem Text macht die Konzentration auf den Inhalt schwierig. Er wirkt unnatürlich.

Ich verstehe durchaus, wenn der angewandte Stil Lesern nicht allgemein leicht fällt. Ich hatte verschiedene Versionen geprüft und war letztlich in dieser hangen geblieben.

Vielleicht wäre es möglich, daran zu arbeiten und andere Ausdrucksformen zu deinem Repertoire hinzuzufügen. Das gelingt durch Nachahmung. Vielleicht könntest du mit offenen Ohren die Leute in der Straßenbahn belauschen oder mit offenen Augen ein paar Liebesromane lesen. Die Dialoge wirken in ihrer jetzigen Form, als wären sie einem Schwarzweißfilm entnommen.

Natürlich ist es immer möglich, andere Ausdrucksformen in ein Stück einzubringen. Die Literatur bietet da ein vielseitiges Repertoire, was allerdings auch einen Umkehrschluss zuliesse und die bestehende Version partiell obsiegen könnte. Nur, eine qualifizierte Quelle für die Dialoge hier sind kaum in einem Liebesroman zu finden, es geht ja nicht um eine Romanze. Eine schwarzweiss Ablichtung ist durchaus gewollt, das unterkühlte unterstreichend, unbesehen davon, dass ich auch Op-Art mag.
Ich werde sicher noch Änderungen daran vornehmen, es sind da Hinweise gekommen, die mich zu vertieftem Nachdenken anregten. Doch muss ich das aus zwei Gründen vorerst zurückstellen: Erstens möchte ich nicht einen Schnellschuss vollziehen, ein solches Vorgehen hatte ich schon einmal irreparabel bereut, sondern will es sorgsam bedenken. Zweitens wird meine derzeit schon stark eingeengte Zeit nächste Woche noch mehr beschränkt. Meiner Frau steht eine Augenoperation bevor, die sie für einige Wochen in ihrer Handlungsfreiheit einschränkt und ich dadurch u. a. noch verstärkter häusliche Aufgaben wahrnehmen muss. Ich kann deshalb die werten Leser also nur um Geduld bitten.

Den juristischen Aspekt der Geschichte finde ich unglaubwürdig.

Diesen Einwand hatte ich schon länger erwartet. Nicht dass meine Version nicht plausibel wäre, aber da es wie dargestellt eher ein Grenzfall ist. Verurteilt wurde der Prot. nicht, wie aus der Geschichte hervorgeht! Wenn auch bekennender Nicht-Jurist, bin ich der Meinung, dass eine Festnahme bis zu einem Tag ohne Anordnung einer Untersuchungshaft ohne Weiteres möglich ist. Ich hatte es mit Verdunklungsgefahr unterlegt, was praktisch bedeutet, der Prot. könnte die Anzeigeerstatterin unter Druck setzen.
Zweifellos ist der Pflichtverteidiger eine taube Nuss, wenn er dem Prot. leichtfertig sagte, spätestens zwei, drei Tage, dann sei er frei. Das Kassationsgericht Zürich hatte z. B. dieses Jahr ein Strafurteil aufgehoben und die Neubeurteilung angeordnet, da es aufgrund ihrer Leistung die Pflichtverteidigerin im Prozess für unfähig gehalten hatte.
Dass eine Untersuchung durch die Behörden bei einer Straftat aufgenommen werden muss, auch wenn es keine Zeugen gibt, ist in einem Rechtsstaat verbindlich. Dass es zuweilen auch zu falschen Anschuldigungen kommt, ist leider ein realer Sachverhalt, der ab und zu schon auftrat, also als Argument gegen dieses fiktive Geschehen im vorliegenden Stoff kaum beweiskräftig ist.
Sollte sich jetzt die Rechtsabteilung zu Wort melden, lakita den Drohfinger mit der Ermahnung erheben, ich träte hier das Recht mit den Füssen, wäre ich kleinlaut. Zur Strafe würde ich mir dann bei einer befreundeten Juristin Nachhilfe im Rechtsverständnis, wohlgesagt aber nicht im subjektiven Rechtsgefühl, verordnen.

Mich würden sozialphilosophische Fragen wie "Was ist Schuld?" interessieren, dieser Mechanismus im Inneren, der sich selbst verurteilt und das Urteil annimmt. Da dieser Text in Philosophie steht, würden ihm auch ein paar spekulative Überlegungen und Gedankengänge guttun.

Ich habe es auf eine enge „Kausalhaftung“ herabgebrochen, was sich aber schon noch etwas erweitern liesse, indem der Prot. über den Ablauf hinaus sich noch Gedanken macht, etwa sich sein Wissen um einen solchen Fragenkomplex in Erinnerung ruft. Spontan kommen mir da Gedanken zu Pierre Teilhard de Chardin und Erich Fromm auf, aber vielleicht wären da Modernere geeigneter. Ich werde dies in das Gedankengut mit übernehmen und eine mögliche Umsetzung prüfen.

Für deine Auseinandersetzung mit der Geschichte und deine eingebrachten Bedenken danke ich dir herzlich. Auch wenn ich aufgrund deiner Kommentierungen zu andern Geschichten zuweilen eine unverrückbare Meinungsbildung vermutete – Nomen est Omen -, hoffe ich, zu einem späteren Zeitpunkt diese in Bezug auf den bei mir gesetzten Inhalt wenigstens ein wenig erodieren lassen zu können. Im Moment hindert mich noch Die Zeit, die Zeit, wie das neue Buch von Martin Suter, das ich eben zu lesen begann. Aber messe mich dann bitte nicht an Suter, auch wenn er nicht bei allen Kritikern immer gut wegkam, ist er mir bei Weitem überlegen. ;)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Es gibt einen unglaubich guten Film mit John Malkovich (http://de.wikipedia.org/wiki/Schande_(2008)). Da spielt er in Südafrika einen weißen Professor und er fängt etwas mit einer viel jüngeren, schwarzen Studentin an. Die will ihn nicht, aber er sagt, sie wolle ihn nicht, aus einer gesellschaftlichen Kondiitionierung her,aus und das sei gar nicht ihr wahres Wesen und sie müsse sich davon lösen und mit ihm schlafen. Er nutzt da also seine Autorität als Professor, seine Bildung, seinen Einfluss aus, um mit ihr zu schlafen (durch Südafrika hat das natürlich auch eine Kolonialisierungs-Komponente). Das hat verheerende Auswirkungen auf die Studentin. Er wird angezeigt, verliert alles und muss raus auf die Provinz zu seiner Tochter, die als Weiße dort in einem völlig schwarzen Gebiet eine Farm betreibt. Und dort werden dann er und seine Tochter, als es zu Unruhen kommt, von schwarzen Jugendlichen bedrängt und seine Tochter wird vergewaltigt.
Das ist wirklich ein großartiger Film, der diees Thema „Vergewaltigung“ sehr eindringlich behandelt, da wehrt sich der Professor lange gegen die Idee, er habe etwas Unrechtes getan, bis er es dann am eigenen Leib spürt.
Weil ich den Film kenne, habe ich eigentlich, wenn ich über „Vergewaltigung“ lese, immer ein recht hohes Anspruchsdenken, also ich will dann, wenn man sich damit beschäftigt (und es ist eben ein sehr schwieriges Thema), dann auch etwas Starkes sehen, etwas Tiefgreifendes.

Danke Quinn für den Tip. Da ich diese Reihenfolge gern einhalte, habe ich mir - vor dem Film - zunächst den hervorragenden Roman von Coetzee geholt. Er weicht, so wie ich Deine Zusammenfassung lese, zwar in einigen Punkten vom Film ab, ist aber grandios geschrieben und damit lohnenswert. Das Thema Vergewaltigung wird von Coetzee extrem professionell angegangen, der Mann weiß, wie man schreibt, öffnet den Leser in ganz langsamen Tempo das ganze Ausmaß und Grauen der Tat. Schade nur, das ich jetzt ständig den Malkovic vor mir sehe.

Anakreon, ich finde es gut, das Thema aufzunehmen und auch die Umsetzung alles andere als schlecht. Solltest Du aber "Schande" lesen, wirst Du sehen, das man da mächtig feilen kann an Deiner Geschichte. Vielleicht solltest Du sie eine Weile ruhen lassen und dann im Frühjahr zur Perfektion bringen.

Ciao, nastro.

 

Hallo nastro

Es freut mich sehr, dass du es gut findest, dass ich das Thema aufgenommen habe und auch der Umsetzung etwas abgewinnen kannst. Vielleicht lese ich mal das Werk „Schande“, aber keinesfalls um es als Vorlage des eigenen Schaffens zu nehmen. Ich lasse mich zuweilen von andern Autoren inspirieren, deren Stil mich anspricht, aber niemals so weitgehend, dass ich diesen kopiere. Meine Stärken und Schwächen kenne ich und feile daran, doch nicht gegen meine eigenen Vorstellungen.
Beim vorliegenden Thema habe ich im „Manuskript“ bereits erste Änderungen vorgenommen, sowie auch spezifische Schriften von Philosophen und Philosophinnen der Gegenwart gesichtet, von denen dann Thesen untermauernd in die Geschichte einfliessen. Parallel sah ich mir auch nochmals die klassischen philosophischen Lesestücke an, mich überzeugend, dass ich mit der Darstellung im Genre an sich nicht falsch liege. Mit dieser Eigenständigkeit des Vorgehens hoffe ich das Interesse der Leser weitgehend immer zu finden, auch wenn ich im Stil nie Perfektion erreichen werde, bei allem Bemühen.

Für deine votierenden Worte zu Quinns Hinweis, den ich durchaus ernst genommen habe und auch keinen Moment an der Eindringlichkeit und Qualität des Buches und Films zweifle, danke ich dir herzlich.

Eine Differenz, die ich hier vielleicht mal hervorheben muss, ist, dass es mir mehr um die Frage von Grenzüberschreitung geht, eben der philosophische Aspekt, weshalb der Inhalt sich auch in einem Graubereich bewegt. Das titelgebende Wort Vergewaltigung wurde durch die Frau ausgesprochen, der Untersuchungsrichter formulierte es anders und der Prot. sucht nach der Wahrheit im Geschehen.

Wann ich diese Änderungen/Ergänzungen einstellen kann, weiss ich heute nicht, werde sie dann aber kurz anzeigen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Änderungen/Ergänzungen

Aufgrund der Anregungen und Kritiken habe ich Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, doch unter Wahrung meiner Intention.
Eingefügte Zitate stammen aus folgenden Texten der Schriftenreihe e-Philosophie der Psychologie:
Ferdinand Fellmann, Von der Liebeskunst zur Lebenskunst, 2010.
Till Breyer, Scham als Angst, 2006
Paul Tiedemann, Der Begriff der Menschenwürde, 2006

 

Lieber Anakreon,

ich habe deine Geschichte gelesen und jetzt einfach mal das Bedürfnis, meine subjektive Meinung dazu preiszugeben.

Was mir besonders gefällt:
- Dass bei dir zur Abwechslung mal der Täter im Mittelpunkt steht, nicht das
"Opfer" wie sehr oft bei dieser Thematik.
-Die Sensibilität des Protagonisten gegen Ende der Geschichte
-Die Erwähnung der Tagebücher und ihrer Reaktion darauf. Ich finde, das kam wirklich überraschend, das hatte Rolf nicht erwartet. Da hat er zum ersten Mal gemerkt, dass sie unter der Oberfläche einiges an Unsicherheit verbirgt.
-Du bleibst deinem gewähltem Stil wirklich treu, da ist kein einziger Bruch drin.

Was mir weniger gefällt:
-Der Name Rolf Hohl. Warum nur?:confused:
-Wie Fliege es schon geschreiben hat, finde ich, es fehlt jegliche Erotik/Romantik. Die Motivation zum Geschlechtsverkehr wird einfach nicht deutlich genug. Ok, sie hat schöne Beine und ein Flanellhemd und das mag ja für viele Triebtäter ausreichen, aber ich würde direkt vor den "Akt" noch in einem kleinen Monolog schreiben, was ihn jetzt genau dazu bewegt, loszulegen.

Keine Ahnung, ob dir überhaupt an meiner Meinung gelegen ist, aber wenn nicht, kannst du sie ja einfach ignorieren.;)

Liebe Grüße,
Lumina

 

Hallo nastro

Da kennst Du unseren anakreon aber ganz schlecht. Gleich wird er antworten ... :)

Du hast wohl meinen literarischen Narziss ausführlich analysiert, dass du mich durchschaust. :D

Leider fehlt mir momentan die Zeit, deine Russen sofort unter die Lupe zu nehmen und ihnen falls nötig die Pelzmütze über die Ohren zu ziehen. Aber ich trete baldmöglichst bei denen in Erscheinung.

+

Hallo Lumina

ich habe deine Geschichte gelesen und jetzt einfach mal das Bedürfnis, meine subjektive Meinung dazu preiszugeben.

Das ist doch schön gelesen zu werden und eine subjektive Meinung ist doch ein Echo, das mir die Stimmungsbilder wiedergibt, die es auslöst. Darüber freue ich mich immer, ob sie nun zustimmend oder ablehnend ausfallen.

Was mir besonders gefällt:
- Dass bei dir zur Abwechslung mal der Täter im Mittelpunkt steht, nicht das
"Opfer" wie sehr oft bei dieser Thematik.

Dieses Täterbild zu erzeugen lag in meiner Absicht. Wobei die Grenze zwischen „Täter“ und „Opfer“ sich bei differenzierter Betrachtung als Zerrbild erweist, was den Protagonisten – und damit auch die Leser – auf sich selbst zurückwirft. Eine allfällige Erkenntnis kann nur jeder selbst daraus gewinnen.

-Die Sensibilität des Protagonisten gegen Ende der Geschichte

So sind sie, die Männer – zumindest einige. :D

-Du bleibst deinem gewähltem Stil wirklich treu, da ist kein einziger Bruch drin.

Das wiederum bin ich.

Was mir weniger gefällt:
-Der Name Rolf Hohl. Warum nur? :confused:

Hohl ist ein gewöhnlicher Familienname in der Schweiz. Dass er in den Augen der Leser dadurch gebrandmarkt war, entspricht der Assoziation, die der Name in der Geschichte hervorruft. Ich würde meine Hände da vollkommen in Unschuld reiben, wäre da nicht, dass ich in meinen Geschichten immer ein (oder mehrere) Augenzwinkern einbaue.

-Wie Fliege es schon geschreiben hat, finde ich, es fehlt jegliche Erotik/Romantik. Die Motivation zum Geschlechtsverkehr wird einfach nicht deutlich genug. Ok, sie hat schöne Beine und ein Flanellhemd und das mag ja für viele Triebtäter ausreichen, aber ich würde direkt vor den "Akt" noch in einem kleinen Monolog schreiben, was ihn jetzt genau dazu bewegt, loszulegen.

Ich wählte hier gewollt keine Romantik, sondern ein Geschehen, wie es sich nicht selten so vollzieht. Ich weiss, es ist ernüchternd und nicht angetan zu einer klassischen Identifikation. Wäre dem aber nicht so, hätte man mich möglicherweise gar in der Luft zerrissen, da jemand meinen könnte, ich spreche von ihm.
Ich denke nicht, dass ich das Bild eines Triebtäters zeichnete. Er handelte einzig bedürfnisorientiert und unüberlegt. In diesem Moment kam er einfach nicht auf den Gedanken, seine Partnerin könnte sich dies gar nicht wünschen. Noch am nächsten Tag verdrängt er ihre Reaktion und hinterfragt sich erst in der unseligen Situation, als er mit dem Vorwurf einer Vergewaltigung oder Nötigung konfrontiert sieht. Er handelte also mit dem Automatismus, mit dem Männer vielleicht ein Bordell aufsuchen.

Keine Ahnung, ob dir überhaupt an meiner Meinung gelegen ist, aber wenn nicht, kannst du sie ja einfach ignorieren.

Deine Meinung war mir schon interessant, da ich erst aus Kommentaren oft erkenne, wie die Betreffenden in Wirklichkeit denken, als es sich mit ihren fiktiven Geschichten darstellt. Es rundet mir das Bild über die Schreibenden, auch wenn ich mich bemühe, Geschichten an ihrem Inhalt zu beurteilen und nicht an gezeigten Eigenarten der Autoren.

Ich danke dir herzlich für das Lesen der Geschichte und die zustimmenden als auch die kritischen Gedanken darüber. Es hat mich sehr gefreut, diese zu erfahren.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Anakreon,

hui.
Was für ein Thema.

Geht es dir um ein problematisches vs. assertorisches Urteil, oder anders: das Mögliche vs. das Wirkliche?
Auch wenn Kant die Begriffe anhand von Talern abarbeitet, bietet sich der Vergleich hier an.

Kant sagt, um zu wissen, ob es sich um nur mögliche 100 Taler oder wirkliche 100 Taler handelt, bleibe einem nur die empirische Überprüfung. Also: Portemonnaie auf und reingeguckt.
Analog zum ins Portemonnaie schauen stünde hier wohl die Befragung der Dame. Und sie sagt nun, sie hätte sich getäuscht. Also sollte die Sache doch klar sein: Hohls Selbsturteil entspricht nicht der Wirklichkeit.

Oder etwa ... doch?
Vielleicht hat er ja in ein anderes Portemonnaie geguckt ...

Und vielleicht ho(h)le ich hier zu weit aus, aber Kants Taler haben mich immer fasziniert. Warum? Weil der gute Immanuel eine Sache vollkommen außer Acht läßt: Halluzination. Oder mit anderen Worten: die empirische Überprüfung kann sehr wohl trügen! Denn die empirische Überprüfung beruht immer und ausnahmslos auf Wahrnehmung - und Wahrnehmungen sind nichts anderes als elektrische Impulse, die vom großen Rechenzentrum in unseren Köpfen verarbeitet werden. Und woher die Impulse kommen ... also das ist unserem Hirn doch nun wirklich schnurz!piep!egal!

Übertragen auf die Geschichte sind Hohls Zweifel nicht einfach abzutun, denn es ist sehr wohl legitim zu fragen: Was ist denn nun die Wirklichkeit? Und: Ist der Wirklichkeitswahrnehmung der Dame denn zu trauen?

Ich habe mir die vorigen Kommentare nicht durchgelesen, vielleicht wiederhole ich auch nur schon das mehrfach Gesagte, aber ich hatte mich so lange vor deiner Geschichte gedrückt, lieber Anakreon, dass ich nun sehr froh bin, sie doch gelesen zu haben - und ich somit das Risiko der Wiederholung auf mich nehmen will.

Feine Geschichte.

PSS

 

Liebe Purersternenstaub

Du beginnst mit einer hintergründigen Frage, die ich mir selbst gar nicht stellte:

Geht es dir um ein problematisches vs. assertorisches Urteil, oder anders: das Mögliche vs. das Wirkliche?

Daran erkennt man meine Unbefangenheit, mit der ich einmal mehr in philosophische Gefilde eindrang. Doch die Frage ist berechtigt, da hier nicht die Unterhaltung allein im Vordergrund steht, wenn sie dies beim abgehandelten Thema überhaupt kann. Die spontane Idee entstand schon unter dem Eindruck der Wirklichkeit, es waren soziologische Texte über aktuelle Entwicklungen, die mir den Anstoss gaben, doch brach ich es herab auf ein fiktives Geschehen. Also ein sowohl als auch.

Auch wenn Kant die Begriffe anhand von Talern abarbeitet, bietet sich der Vergleich hier an.

Ich denke, man muss Kant, wie andere Philosophen auch, in ihrer Zeitgebundenheit sehen. Er entfernte sich in seinem Denken von andern Empiristen um die Moral und das Wesen der Dinge zu ergründen, wobei er diese Prinzipien auch zu seiner Lebensmaxime machte, wie ein Biograph über ihn schrieb. Der Taler-Vergleich ist in seiner Artung schon kennzeichnend für ihn und passt insofern gut als Bezug zur vorliegenden Geschichte.

Ob Kant zu meinem Text aber seine Anerkennung gäbe, zweifle ich.

Weil der gute Immanuel eine Sache vollkommen außer Acht läßt: Halluzination. Oder mit anderen Worten: die empirische Überprüfung kann sehr wohl trügen! Denn die empirische Überprüfung beruht immer und ausnahmslos auf Wahrnehmung - und Wahrnehmungen sind nichts anderes als elektrische Impulse, die vom großen Rechenzentrum in unseren Köpfen verarbeitet werden. Und woher die Impulse kommen ... also das ist unserem Hirn doch nun wirklich schnurz!piep!egal!

Kant war sich der Sinnestäuschung sicherlich bewusst. Er nahm wie kein anderer akribisch alle Fragen auseinander, seine Gründlichkeit steht ausser Zweifel, und er sah in seinen festen Prinzipien der Lebensführung eben den Ausweg für den Menschen. Der kategorische Imperativ, eine rein formale Vorschrift und kein Gesetz, die den Menschen anhalten soll so zu handeln, wie er es für richtig erachtet, zugleich aber für alle anderen Gültigkeit haben kann, drückt dies in gewisser Form aus. Auch war er sich bewusst, dass er nicht alle Fragen lösen kann. Er hatte auch immer eine sympathische Hochachtung für den einfachen Menschen, Philosophendünkel lag ihm fern.

Empirische Überprüfung kann bei vielen Dingen auf objektiv messbaren Daten erfolgen, doch von diesen abgesehen, ist es natürlich die Wahrnehmung und die Urteilsfähigkeit, Letzteres ein wandelbarer Wert. Würden sich die Menschen aber von Wahrnehmung und ihrer Wertung entfernen, wäre Desorientierung vorprogrammiert.
Ich sehe daher einen andern Aspekt, der deinem Anliegen wahrscheinlich näher kommt. Wissenschaft ist nicht einfach das Mass aller Dinge, es sind gefestigte erkenntnistheoretische Ergebnisse die Gültigkeit haben, bis sie durch neue abgelöst werden. Auch gibt es in der Wissenschaft eine grosse Zahl bewusst irreführender Forschungsergebnisse, da Experten ihrem Drang nach Anerkennung etc. höhere Priorität zumessen.
Für Halluzination, die erkannt wird, bleibt aber nur die Feststellung einer Sinnestäuschung. Eine Fata Morgana mag für den Moment schön und verwunderlich erscheinen, doch es bleibt eine Illusion. Hier geht es um die Summe Mensch, nicht einfach das Hirn als operatives Schaltzentrum, sondern um das Wesen, dem es nicht egal sein kann, denn dann spielte es mit seinem Leben.

Die Wahrnehmung in der Geschichte ergibt sich nur aus der Sicht von Hohl, und der ist sich nun plötzlich im Zweifel. Er hatte zwar keine Halluzinationen, aber vielleicht eine fixierte Erwartung. Doch da ist auch die Wahrnehmung von Winters, die offensichtlich anders ausfiel. Die Wirklichkeit kann sich nur aus den Perspektiven von beiden ergeben. Es ist naheliegend, dass beide hierbei Fehleinschätzungen trafen, im Ergebnis wohl beide Täter und Opfer sind.

Ich habe mir die vorigen Kommentare nicht durchgelesen, vielleicht wiederhole ich auch nur schon das mehrfach Gesagte,

Dein Kommentar brachte mir da ganz neue Aspekte ins Spiel, ich dachte bei der Abfassung nicht einen Moment an Kant. Ungewollt brachte es mich auch darauf, was mir zu Kant beinah eine Wahlverwandtschaft gibt, sein Stil: Heinrich Heine sprach von einem“ grauen, trockenen Packpapierstil“, einer „hofmännisch abgekälteten Kanzleisprache“. Da hat Heine zwar übertrieben, aber er war schon speziell, antiquiert – etwas das man mir auch schon vorhielt. :D

aber ich hatte mich so lange vor deiner Geschichte gedrückt, lieber Anakreon, dass ich nun sehr froh bin, sie doch gelesen zu haben - und ich somit das Risiko der Wiederholung auf mich nehmen will.

Es war mir ein besonderes Vergnügen, deiner Auseinandersetzung mit dem Stoff zu folgen, der keineswegs Wiederholung war. Ich bin froh, dass du trotz dem ekligen Titel - der mir notwendig erschien - dich daran gewagt hast.

Feine Geschichte.

Das freut mich sehr.

Ich danke dir herzlich für das Lesen und das Kommentieren, welches ich als eine bereichernde Auseinandersetzung wahrnahm. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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