Vergangenheitsbewältigung
Zwei ältere Männer sitzen auf einer Parkbank. Sie betrachten die vorbeigehenden Passanten.
Eine junge Frau mit einem Baby in ihren Armen geht den Weg entlang. Sie ist keine Amerikanerin, woher kommt sie?
"Hast du gesehen, wie die junge Frau mich angesehen hat?", fragt der eine.
Seine Stimme klingt tonlos. Emotionslos. Sie klingt tot.
"Ja", erwidert der andere, "sie hat dich angesehen."
"Du weißt, dass ich es nicht wollte."
Es herrscht für kurze Zeit Stille.
"Du bist mein Freund. Du weißt, dass es keine Absicht war. Mensch, du bist mein Freund. Du musst mir glauben."
Seine Stimme scheint sich zu ändern, sie wirkt fast weinerlich, traurig.
Doch in Wahrheit bleibt sie diesselbe.
"Ja, ich glaube dir. Es war schließlich Krieg."
"Ja, es war Krieg." Er blickt in die Luft. Für eine Weile sagt er nichts. " 'Scheiß-Krieg', so wurde er genannt, 'Scheiß-Krieg im Scheiß-Vietnam', so haben sie gebrüllt.
Dabei taten wir doch nur unsere Pflicht. Das stimmt doch, wir taten nur das, was uns befohlen wurde. Du weißt das auch, du bist dabei gewesen, du bist mein Freund"
"Ja. Wir mussten es tun."
"Genau, du verstehst es. Wir mussten es tun. Wir sind schließlich Amerikaner".
Er legt seine Hand auf die Brust. Man könnte meinen, seine Stimme klinge jetzt anders. Nahezu stolz. Doch das tut sie nicht. Sie klingt genauso. Genauso tot.
"Wir sind Amerikaner. Es war Krieg. Außerdem, hätte ich sie nicht erschossen, wäre sie sowieso umgekommen.
Erinnerst du dich? Die Napalm-Bomben. Das weißt du doch noch, sie haben kurze Zeit später Napalm-Bomben abgeworfen. Du erinnerst dich doch noch, du bist doch mein Freund?"
"Ja, Napalm-Bomben haben sie abgeworfen. Gebrannt hatte es, fürchterlich gebrannt hatte es in dem Dorf."
"Sag, dass ich kein schlechter Mensch bin, bitte, sag es.", er stand auf und riß am Hemd des anderen, "sag, dass ich kein schlechter Mensch bin. Du bist mein Freund, mein bester Freund, sag es, bitte!"
"Nein, du bist kein schlechter Mensch. Das bist du nicht, glaub´ mir."
"Ich werde dich nie vergessen, niemals, darauf kannst du dich verlassen."
Seine Stimme klingt tonlos, leer, tot.
Sie hat die ganze Zeit so geklungen.
Er geht fort.
Der andere bleibt auf der Bank sitzen.
Zwei Jungen kommen vorbei. Sie sind keine Vietnamesen, ganz bestimmt nicht. Sie kennen Vietnam gar nicht, sie haben davon noch nie gehört.
Er betrachte sie, wie sie spielen, toben, sich balgen.
Er legt seinen Kopf in seine Hände und beginnt zu weinen.
Es klingt ängstlich, schämend, verzweifelt...es klingt so überaus lebendig.