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Vereinszimmer zu vermieten

Monster-WG
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10.09.2014
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Vereinszimmer zu vermieten

Unser Logo ist ein Schneckerich. Waschechter Franzose, mit Moustache und der Trikolore zwischen den Fühlern. Der ist, wie es sich für ein Bistro gehört, überall – auf der Eingangstür, auf Tellern und Gläsern. Allerdings sind die Tellerstapel und Gläserbataillone früherer Jahre kleiner geworden.
Da geht mir beim Polieren so manches durch den Kopf. Wieso kriecht mein Leben dahin wie unser Logo? Hätte ich Judith halten können ... Und die neue Partei?
Gerechtigkeit!? Ein Phantom wie Seligkeit – doch wer rechtzeitig Mitglied wird, kann auf einen schönen Posten hoffen. Ich weigere mich, darüber nachzudenken.

Früher gingen wir in unserer Freizeit in die Sauna, fuhren übers Land, an die Seen, und abends dort essen, wo wir noch was lernen konnten, vielleicht noch in eine schicke Disco. Jetzt brüte ich im Büro über genau der Materie, die mir Judith vom Halse hielt. Behördendeutsch und viele Zahlen. Mein Ruhetag wird zum Unruhetag. Ich will etwas von diesem Tag haben, aber ich schaffe es nicht. Zu viele Kleinigkeiten, die erledigt werden müssen und meine Zeit auffressen. Ich warte auf Handwerker, die nicht kommen, sehe, wie der Tag zerbröselt, werde missmutig und mische mir einen Pastis.
Das soll ein freier Tag sein? Die anderen hauen Freitagmittag ab, genießen das ganze Wochenende, genießen ihr Leben. Was machen die anders, besser als ich? Setzen alles steuerlich ab, sparen durch Profi-Tipps jede Menge Geld, von dem sie ihre Berater locker bezahlen können.

Judith war meine große Liebe. Jedes Jahr Frankreichurlaub, kreuz und quer durchs Land. Wir mochten die Art, wie Franzosen kochen und essen. Trüffelomelette in der Garage von Madame Béziers, Lapin à la Royale im Burgund. Alles haben wir aufgeschnappt, zu Hause ausprobiert, verworfen, verbessert – und es konnte nur in eine Richtung gehen: Wir eröffnen ein Bistro und präsentieren la vraie cuisine bourgeoise! Null Ahnung von Gastronomie, Kalkulation, Lieferantentricks, Steuerrecht, doch als Team unschlagbar. Unser Laden kam in Schwung, wir butterten alles rein, was wir hatten. Waren die letzten Gäste gegangen, nahmen wir uns noch einen Wein und palaverten, bis endlich alles erzählt war. Wir hatten Erfolg, waren zufrieden und stolz, viele Jahre – bis Judith für einige Tage allein wegfahren wollte.

Wir blieben fair, schließlich mussten wir weiterhin zusammenarbeiten. Doch die angespannte Atmosphäre tat weder uns noch dem Geschäft gut.

Der Tag kam, an dem nichts mehr ging. Und mit der Trennung begann die Abwärtsspirale. Judith fehlte überall. Mein Küchenelan ließ nach; Wolfgang, der Koch, war nichts wert ohne Führung. Ich trank zuviel, kam zu spät vom Einkaufen zurück und war schnell auf Hundertachtzig. Gäste blieben weg, ich kam noch mehr ins Trudeln.
Vielleicht waren auch die guten Zeiten für ‚bürgerlich-französisch’ vorbei – die Leute wollten Neues probieren, begeisterten sich für mexikanische Hackfleischbohnen und kalten Reis mit rohem Fisch.

Der ‚Hut’ ist wieder da. Kommt beinahe täglich. Ein magerer Mensch im Jeansanzug, wie er vor Jahrzehnten Mode war – mit Bartzopf, getönter Brille und eben diesem Hut, den er nie absetzt. Tief in die Stirn gezogen, Augenschutz, Blickschutz, vielleicht auch Käseglocke für brillante Gedanken, damit die nicht eigene Wege gehen und ihn allein zurücklassen. Ein Künstler, oder einer, der das von sich glaubt, jedenfalls ein arg verschlossener Typ.
Ich bin ziemlich beredt, doch bei dem spare ich mir die Auflockerungsversuche. Oder wartet er, bis ich ihn anspreche? Damit ich einen Menschen kennenlerne, der es immer schwer hatte im Leben, oder einen mit ‚gesundem Menschenverstand’ und den ‚richtigen’ politischen Ansichten. Brauch ich nicht, hab meine eigenen Probleme. Ein Blick ins Reservierungsbuch sagt mir, dass auch der heutige Abend ein Flop wird.
Mittlerweile hocken ein halbes Dutzend Männer und ein Pärchen an der Theke, zwei Vierertische sind besetzt. Stammgäste, die mir die Treue halten – oder genüsslich zuschauen, wie mein schönes Bistro an die Wand fährt. Greta ruft fröhlich: „Ach Helge, da hätten wir ja gar nicht reservieren müssen!“ „Doch, doch“, sage ich, „so kann ich mich schon Tage vorher auf euch freuen.“

Die Tür fliegt auf, ein robuster Mann mit Bürstenschnitt und Schlips hebt die Hand zum Gruß: „Gestatten, Arnulf Jansen. Vom ‚Forum für gerechte Gesinnung’“. Redet gleich los: „Wenn wir Gerechtigkeit wollen, muss auch jeder was zu trinken haben. Ich schmeiß ’ne Runde!“
Ich zapfe wie beim Oktoberfest, sie reißen mir die Gläser aus der Hand, und er redet schnell. Sie wären alle Sieger, gehörten aufs Podest, auf die oberste Stufe, als Lohn, weil sie nur eingespeist haben ins System – ohne eigene Ansprüche, still und fleißig.
Ich verwerfe die aufkommende Idee, ihn vor die Tür zu setzen. Sein Geld ist so gut wie das anderer Leute.
So schwätzt er ungehindert weiter, gräbt sich einen Tunnel in unsere Ohren: „ Die anderen sind dran, euch zu huldigen. Solch prächtige Menschen seid ihr, schuftet wie die Blöden – und was habt ihr davon? Streift doch den anderen das Joch über, amüsiert euch, macht ’ne schöne Reise, gönnt euch was!“
Mit seiner Partei sei das kein Problem, die würde für Gerechtigkeit sorgen. Es wäre höchste Zeit.

Der mit dem Hut will noch was bestellen, aber das übernimmt Arnulf. „Wie heißt du, Bürger?“
„Manfred Leukers.“
„Ah, willkommen bei uns!“ Er drückt ihm eine Broschüre in die Hand. „Wir sind bald Millionen, und dann kommt keiner an uns vorbei! Was machst du’n beruflich, wenn ich fragen darf?“
„Facility Manager. Momentan sitze ich in der Hartz-Falle.“
„Aber nicht mehr lange! Es wäre toll, wenn du bei uns Mitglied würdest. Jeder tüchtige Mann ist wichtig.“ Er schiebt ihm ein Formular zu. Name – Adresse – Unterschrift. Für die Abbuchung gleich mit. Zu meinem Erstaunen setzt der ‚Hut’ seinen Namen ohne Zögern unter den Vordruck. „Hab schon lange die Schnauze voll“, grummelt er dabei. Arnulf ist begeistert. „Gratuliere zur Mitgliedschaft, Manfred!“ Er fasst ihn am Oberarm und fährt ihm mit der anderen Hand den Rücken hoch und runter, sagt, in fünfundzwanzig Jahren, wenn Deutschland wieder sauber sei, bekäme er das silberne Parteiabzeichen und einen goldenen Kugelschreiber. Alles lacht, Freibier verpflichtet. Jeder sei willkommen, auch der Selbständige. Er schaut mich an.
‚Wohl verrückt geworden!?’, hätte ich beinahe geantwortet. Ich verkneife es mir.
Ist auch gut so, denn er sagt: „Einen schönen Laden hast du hier.“ Er zeigt geradeaus: „Hinter der Harmonikatür – ist das ein Gesellschaftszimmer?“
„Ja“, sage ich, „passen ungefähr vierzig Leute rein.“
„Interessant“, er macht ein bedeutungsvolles Gesicht, „darf ich mal ...?“ Er zieht die Schiebetür ein Stück auf, ohne meine Antwort abzuwarten.

Meine Bedienung kommt. Die erste Stunde mach ich immer alleine, um zu sparen. Seit ihre neue Freundin ihr paar Schminktipps verraten hat, ist wie durch Zauberei aus der grauen Maus eine aparte Frau geworden. „N’Abend allerseits!“, ruft sie aufgeräumt. Ich sage: "N'Abend, Renus!" und mir geht’s gleich besser. Ich mag sie, sie ist immer gut drauf, umsichtig, adrett – was will ich mehr? Doch sie ersetzt Judith in keiner Weise. Die putzte das Lokal selbst, machte das Büro, die Wohnung piccobello, sie war Kellnerin und Barfrau, wie’s gerade kam.

Ich würde den Citroën seltener waschen, wenn ich nicht den Namen meines Ladens in die Köpfe pflanzen wollte, müsste. Oder in Erinnerung rufen. Mit Standlicht parke ich ihn auf Discounter-Parkplätzen. ‚Bistro Chez Hugenin’, mit dem Schnecken-Logo. Auf dem Schneckenhaus sitze ich und halte die Zügel. Das fanden wir damals lustig. Ich ziehe den Schlüssel ab und fahre mit dem Rad zurück. Mache aus Neugierde kleine Umwege, um zu sehen, wie’s bei der Konkurrenz läuft.
Bei ‚Kashmir’ kommt ein Liefermofa zurück, ein anderes startet; das China-Buffet ist rappelvoll, bei deren Preisen kein Wunder, und All-You-Can-Eat-Giant-Pizza füllt sich gerade. Es kommt einfach über mich – dieses Mega-Scheiß-Gefühl aus Wut und Neid, aber auch Ohnmacht und Hass. Die Leute rennen denen die Bude ein, neue Besen kehren gut. Man müsste doch auch fragen, wie viel Gastronomie verträgt eine Stadt. Einer gräbt dem anderen das Wasser ab.

Wir haben Feierabend – meine schlimme Stunde. Eben noch konzentriert auf Service, Küche, Weinkeller, Kühlhaus, Gästetoiletten, Theke und Small-Talk mit der verehrten Kundschaft, kommt jetzt die Leere. Renus geht nach Hause, ich geh in die Mansarde.
Sie wischt noch mal über den Tresen. „Chef“, sagt sie, „ich bin so weit.“ Sie sagt oft Chef, aber wir sind per du. Ich hole den Kassenschlüssel, drücke ab und zähle nach. Stimmt, ich steck’s in meine Brusttasche. Renus schaut interessiert zu. “Ich zieh jetzt um die Häuser, ist alles rein netto“, sage ich. „Pacht, Steuern, Lieferanten, du, der Koch – das alles zahlt der Weihnachtsmann.“
„Bist heute wieder bezaubernd, so mag ich dich am liebsten. Übrigens – wie geht’s der Ex?“
„Oh Mann, die hab ich noch gar nicht drin in der Kalkulation. Da werd ich statt um die Häuser wohl allein nach oben gehen müssen.“ Ich hasse diese Bude unterm Giebel, scheiß Altstadt.
Fast höre ich nicht mehr, dass Renus sagt: „Nicht unbedingt, der neue Portugieser ist doch ganz ordentlich.“ Ich schnelle herum, hat sie’s doch als Frage verstanden! „Mensch Renus, vamonos!“, sage ich. Vierhändig bedienen wir die Lichtschalter, schlagartig ist es stockdunkel im Etablissement.

Wir machen zu wenig Umsatz, unbezahlte Rechnungen häufen sich. Muss zum Finanzamt, Stundung beantragen.
Am Eingang ruft jemand meinen Namen. Der Mann vom Gerechtigkeitsforum.
Ja, er habe durchaus Interesse an einem Mietvertrag, die Größe würde passen. Allerdings hätte das ‚Deutsche Eck’ auch ein leerstehendes Vereinszimmer, zumal der Wirt schon Parteimitglied sei.
Ah, verstehe.
Er bemerkt meine aufkommende Verstimmung und macht auf versöhnlich: „Ist doch ein ganz korrekter Deal: Du unterschreibst bei mir und ich bei dir.“
Recht hat er. Und er ist im Vorteil.
Denke ich an meine unbesetzten Tische, könnte ich in ihm den vom Universum geschickten Retter sehen. Zur Saalmiete kommt ja noch der Verzehr der Leute. Mich erfasst eine zunehmende Unruhe: Ist diese neue Partei meine Chance, vielleicht die einzige und letzte? Immer wieder kommt mir der Gedanke, dabei fehlt mir eine klare Vorstellung, auf welche Weise die mir nützen könnte.

Ich hab die Broschüre gelesen, zum großen Teil. Ja, es muss sich was ändern, auch in meiner Branche. Bald haben wir eine Multi-Kulti-Gastronomie, bei der die Ausländer die Einheimischen abkassieren. Und ich höre auch oft, die seien so freundlich zu ihren Gästen. Als ob ich und Judith, oder Renus, das nicht wären. Vielleicht soll ich noch einen Grüß-August anstellen?

In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches, in Millhausen ein Sri Lankisches Restaurant, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan. Aus vielen Döner-Buden sind kleine Restaurants geworden – und unsereiner bleibt auf seinen teuren Produkten sitzen, bald kann ich meine Kalbsfilets, Wachteln und Jakobsmuscheln für Renus und mich braten – exclusiv.
Oft könnte ich alles hinschmeißen. Die Arbeit macht mir nichts, aber es muss sich lohnen. Zwar kann ich noch davon leben, doch es wird ständig weniger. Ich sehe ein unscharfes Bild von mir, tadellos gekleidet, ohne Schweißgeruch, ohne Zeitdruck, inmitten der anderen, für nichts verantwortlich, abends frei, Wochenende frei. Den Rest der Broschüre hab ich auch noch gelesen.
Das macht nachdenklich, die Zukunft sieht nicht gut aus für unser Land. Man sollte sich tatsächlich engagieren, bevor es zu spät ist. Ich hab Arnulfs Gequassel noch im Ohr, von schnellen Aufstiegschancen. Es gibt ein Seminar für Führungskräfte – ich muss das mit Renus besprechen.

Ich wage es nach Feierabend. „Hör mal“, sage ich, „dieses Forum geht mir nicht mehr aus dem Kopf. – haben die jetzt Recht oder wie? Was hältst du davon?“
„Och“, sagt Renus, „mit Politik hab ich’s nicht so. Meine Tochter ist mir wichtiger.“
„Ja, aber die muss doch auch in Zukunft klar kommen? Wenn immer mehr von Afrika und Gott weiß woher zu uns strömen – wie soll das denn ausgehen? Mit Hauen und Stechen? Ich glaube nämlich nicht, dass sich alle lieb haben.“
„Ach Helge, dazu kann ich nichts sagen, könn’ wir nicht das Thema wechseln?“
Ich bin klug genug, ihre Forderung sogar überzuerfüllen, indem ich gar nichts mehr sage.
Wir duschen, und als unser Atmen immer schneller, dann zum Keuchen wird, spielt Politik eh keine Rolle mehr.

Beim Kaffee erfahre ich, dass sich Renus durchaus Gedanken über unsere Zukunft macht. Sie empfindet die Situation wie ich. Und sie teilt meine Entscheidung.
Wenn Greta und Freunde immer seltener kommen, hab ich keine Wahl. Bevor mich Existenzangst und nachlassendes Selbstvertrauen um den Schlaf bringen, denke ich ‚Augen zu und durch!’. Ich will überleben, Arnulfs Nummer hab ich.


Die Gerechten tagen heute das erste Mal bei uns, fast dreißig Leute. Die meisten wollen auch essen, ich habe ein paar preiswerte Sachen an die Tafel geschrieben. Wolfgang rotiert, Renus flitzt und ich springe dort ein, wo’s brennt. So kriege ich nicht nur das Fluchen in der Küche mit, sondern auch, was die Partei zu sagen hat:

‚Ein Schwarzer kann nie deutscher Staatsbürger werden – da kann er noch so gut deutsch sprechen.’ „Zweimal Rindfleisch mit Rübenstampf, bitte sehr.“ ‚Zuwandererfrauen sollten nach dem dritten Kind sterilisiert werden.’ „Linsen mit Blutwurst und Äpfeln für Sie, bitte schön.“ ‚Wohnraum und Jobs vorrangig für Deutsche’. Die Redner kommen in Rage: ‚Die deutsche Volksgemeinschaft leidet unter einem Befall von Schmarotzern und Parasiten, welche dem deutschen Volk das Fleisch von den Knochen fressen.’ Fast hätte ich der toupierten Dame die Tomatensuppe ins Dekolleté gegossen. ‚Wir sollten eine neue Mauer bauen!’ Einige schreien: „Und Lager!“ Die Stimmung wird unangenehm, statt gesprochen wird gebrüllt, getrampelt und gepfiffen.

Nach der Versammlung steht Arnulf an der Theke. Ich rechne seinen Deckel ab und lege den Bon vor ihn hin. Er sagt: “Halte mal!“ und gibt seinen Aktenordner dem ‚Hut’, um die Hände für die Brieftasche frei zu bekommen. „Das Essen war gut“, meint er.
„Besten Dank“, erwidere ich, „was die Karte verspricht, muss sie auch halten. Nur hat mir eure Broschüre anderes versprochen als das, was ich gerade gehört habe.“
„Emotionen“, sagt er, „nur Emotionen. Bei einigen gehen beim Referieren halt die Pferde durch.“
„Die hat aber keiner zur Ordnung gerufen. Ganz im Gegenteil – das kam sehr gut an. Stürmischer Applaus hat ja eine klare Aussage.“
„Ach, das war nur Höflichkeit.“
„Also kriegen wir bald höfliche Lager?“ Ich lege meinen Mitgliedsausweis neben den Kassenbon. „Ohne mich.“

Er schaut mich überrascht an: „Kein Problem. Hoffentlich weißt du, was du tust.“ In der Tür bleibt er stehen: „Der vom ‚Deutschen Eck’ wird sich freuen.“

 

Hola @Putrid Palace (hihi, Dein Nick ist wirklich unique), ...

Eine tolle Geschichte, sie gefällt mir sehr viel besser, als die vorherige, vermutlich, weil es nicht um Affen geht - zumindest um keine mit Haaren auf dem Kopf. (Nur um an dieser Stelle einmal dem außerordentlich einfältigen Klischee des glatzköpfigen Nazis etwas Brennholz zu liefern)

... soll ich Deine Bemerkung über Nazis so verstehen, dass die sozusagen als äußeres Merkmal Glatze tragen? Also eine gewollte Glatze – ich dachte bislang, denen sind die Haare ausgefallen, weil der Kopf keine Nährstoffe liefern konnte. Okay, wieder was gelernt.

Erinnere mich bloß nicht an die Affengeschichte. Da war ich wohl neben mir.

mir hat vor allem eine Stelle gefallen, in der viel gesagt wird, ohne dass es gesagt wird. Das ist, als Judith "allein wegfahren" will. Da fehlt mir auch keine Erklärung für die anschließende Trennung. Das ist die Erklärung. Ist doch klar, es gibt wen Neues.

Ich schließe mich dem an. Jemand anderes hat kritisiert, dass hier Hintergrundinformation zur Ex-Frau fehlten, mir ergeht es nicht so. Das ist wunderbar prägnant und aussagestark, was genau denn nun passiert ist, bleibt der Fantasie des Lesers offen, und die macht daraus für gewöhnlich den für sie schlimmsten Fall, wie @Proof mMn beweist.


Ob es wen Neues gibt, weiß ich nicht, wollte ich auch nicht andeuten. Widersprechen kann ich aber ebenso wenig. Für mich wäre der Trennungsgrund eher – neben den allseits bekannten (Verschleiß, Routine, Gedankenlosigkeit) – zeitweise hohe Arbeitsbelastung / Stress und lange, unattraktive Arbeitszeiten.
Deshalb können Newcomer aus aller Welt die behäbig gewordenen Deutschen in der Gastro-Szene verdrängen (Allerdings haben die teils unerlaubte Methoden, Küchenpersonal und Hilfskräfte zu rekrutieren – PS: Bin kein Nazi:eek:).

Warum hast Du Dich für ein 'Happy End' (im moralischen Sinne), wenn man so will, entschieden?
Weil es mir plausibel erscheint. Der Prota hatte ja schon die Vision, sich als schlipstragender Parteifritze einen schönen Tag machen zu können – von einer Gastronomie, die sein Leben bestimmt, aber zu wenig abwirft, hatte er nie geträumt. Und alleine ist eh alles Essig.

... ist die Geschichte für mich mit diesem Ende noch lange nicht am Ende. Dieser (jetzigen) Konstellation folgend, bleiben Fragen für mich offen

Die will ich im Rahmen meiner Möglichkeiten gern beantworten, nur wird es so herauskommen, dass ich wie Du spekulieren müsste, weil nichts Genaues weiß man nicht.

Wird der Prota klarkommen ohne diese finanzielle Stütze oder (weiterhin) den Bach runtergehen?
Spekuli, spekula; er sitzt in der Klemme. Eigentlich müsste er immer verbitterter werden, gar mit dem Saufen anfangen – ABER jetzt gibt es Renus! Neue Chancen. Die Gäste wollen sich von der Chefin umsorgt wissen; vielleicht ist sie Profi, kitzelt sie an Stellen, wo sie anfangen zu schnurren.

Wird er seine Entscheidung bereuen?

Ja. Aus meiner Sicht ja. Schmeißt das Geld auf die Straße, streckt neuen Gästen die Zunge raus. Ein Idiot – trotzdem mag ich ihn. Bin auch so einer.

Was sagt seine Kellnerin dazu?

Die könnte den frei gewordenen Platz der Chefin einnehmen. Wüsste ja, worauf sie sich einlässt. Das könnte sie aufwerten. Besser als mit einer Tochter und Minilohn versuchen, über die Runden zu kommen.
Ich weiß nicht, ob die beiden genug Energie aufbringen, noch einmal mit neuem Namen und neuem Konzept durchzustarten – zumindest wäre das mein Rat.

Wie entwickelt sich die Geschichte nach dieser Entscheidung - mMn kulminiert die Geschichte erst in diesem Punkt und würde untermauert durch die Konsequenzen, welche daraus vom Prota zu tragen wären.

Die Entscheidung ist Höhepunkt und Schluss.
‚würde untermauert durch die Konsequenzen’ soll heißen, dass der Autor oder der Leser das ausmalt? Bei einer Kurzgeschichte könnte das der Leser tun, mMn.

Wolltest du dem Leser entgegenkommen mit diesem moralisch richtigen Entscheid? Dich auf die Seite des Lesers (der gesellschaftlich/öffentlich anerkannten Meinung) stellen?

Mitnichten!! Gerne hätte ich den Leser geschockt, zumindest verwundert – nur hat’s der Stoff nicht hergegeben. Hier wurden nur eins und eins zusammengezählt.

Oder soll dadurch der Prota in ein besseres Licht gerückt werden, vllt als Held erscheinen?

Da hatte ich keine besondere Absicht. Ich hab so geschrieben, wie es sich hätte zutragen können – und auch ich selbst hätte probiert, mir ein wasserdichtes System zu bauen, was meinen Parteieintritt rechtfertigt, aber auch meinen Austritt. Ratio vs Emotion.

Vllt wolltest Du ja denjenigen erschaffen, der zur Nazizeit klipp und klar 'Nein!' gesagt hat (hätte sollen), um die Katastrophe zu verhindern. ?
:hmm:
Oh my Goodness! Ein Heldenepos. Ich brech zusammen.
Wer seinerzeit einigermaßen bei Troste war, hat’s Maul gehalten. Nein, nein – lass uns mal die ganzen Fragen beiseite schieben. Ich hab aufgeschrieben, wie ich mir das vorstelle, und der Leser hat das letzte Wort, besser gesagt den letzten Gedanken. Und wenn das in diesem Falle Du bist.


Lieber Putrid Palace, selten kniet sich ein Leser so in die Geschichte eines anderen. Vielen Dank für dieses Interesse. Selbstgefällig leg ich’s mal so aus, dass Dich der Text zum – nein, Nachdenken ist nicht das richtige Wort – eher ans Sinnieren bringt. Die Situation des Prota werden Leute in ‚geordneten’, vielleicht sogar unkündbaren Verhältnissen anders aufnehmen als jene, die Existenzangst und den Druck irrsinnig teurer Privatkrankenversicherung kennen.
(Zu denen ich leider auch gehöre, aber auch die Rosé-Seite kenne: meine Gattin ist Beamtin:Pfeif:).

So viel zu meinen Gedanken, es würde mich freuen, wenn Du einige meiner Fragen klären könntest!
Ich habe mich redlich bemüht, mein Herr.

Malwieder gerne gelesen,
Dafür lohnt der Aufwand. Herzliche Grüße!

José

 

Lieber @josefelipe,

ich finde momentan leider nicht viel Zeit fürs Forum, aber einen Abend in deinem französischen Restaurant lasse ich mir dann doch nicht entgehen. :)

Man merkt total, dass es dein Metier ist, von dem du erzählst, wobei ich jetzt natürlich nicht die braune Soße meine, sondern den ganzen Rest. Ich finde es nicht störend (natürlich nicht), dass der Prot am Ende so edel sein Parteibuch zurückgibt - schließlich durchlebt er ja zuvor schon genügend Zweifel. Das Einzige, was ich diesbezüglich zu meckern hätte, wäre, dass mir das Ganze zu schnell geht. Also: Er ringt sich durch, dort einzutreten, dann kommt ein einziger Abend, an dem sie ihre Parolen brüllen, und dann sagt er schon: Ach nee, doch nicht. Ich meine, das ist natürlich schön, aber glaubhafter würde ich finden, wenn du das etwas anders verteilst, also eventuell mehrere solche Abende kurz beschreibst und zeigst, wie seine Zweifel langsam wachsen. Falls du dazu noch Lust hättest ...
Und weil ich gerade bei der Verteilung der Szenen bin: Noch besser fände ich es ja, wenn die Judith-Szenen sich bis zum Schluss abwechselnd durch den Text ziehen würden, also vielleicht zwei Szenen Gegenwart, eine Szene Judith, zwei Gegenwart … Denn so handelst du die Judith-Geschichte mehr oder weniger im ersten Teil ab und dann ist sie vorüber. Ich denke, es könnte die Spannung des Textes erhöhen, wenn du das etwas umbauen würdest.

So, ab hier nur noch ein wenig Kleinkram. Hier, finde ich, lässt du es etwas zuviel tagen:

Früher gingen wir an unserem freien Tag in die Sauna, fuhren übers Land, an die Seen, und abends dort essen, wo wir noch was lernen konnten, vielleicht noch in eine schicke Disco. Jetzt brüte ich im Büro über genau der Materie, die mir Judith vom Halse hielt. Behördendeutsch und viele Zahlen. Mein Ruhetag wird zum Unruhetag. Ich will etwas von diesem Tag haben, aber ich schaffe es nicht. Zu viele Kleinigkeiten, die erledigt werden müssen und meine Zeit auffressen. Ich warte auf Handwerker, die nicht kommen, sehe, wie der Tag zerbröselt, werde missmutig und mische mir einen Pastis.
Das soll ein freier Tag sein?
Vielleicht willst du’s ja so, aber wenn nicht, kannst du ja abwechselnd auch mal Zeit oder Freizeit etc. einsetzen
vielleicht auch Käseglocke für brillante Gedanken, damit die nicht eigene Wege gehen und ihn allein zurücklassen.
Schöne Idee ! :thumbsup:
Ich sage: "N'Abend, Renus!"
Was ist denn das für ein Name? Gibt es den wirklich oder hast du den erfunden? Für eine Frau? Mich bringt er ein wenig raus, auch wenns nicht wichtig ist.

Ich mag sie, sie ist immer gut drauf, umsichtig, adrett
Nee, oder? Adrett? Ich weiß ja nicht genau, wie alt der Helge ist, und ich will mich auch nicht darüber lustig machen, dass ältere Semester das Wort verwenden - aber irgendwie glaube ich nicht, dass es der Prota tut.
In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches, in Millhausen ein Sri Lankisches Restaurant, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan.
Besser fände ich, nach „eritreïsches“ schon Restaurant zu schreiben, das liest sich besser.
‚Ein Schwarzer kann nie deutscher Staatsbürger werden – da kann er noch so gut deutsch sprechen.’ „Zweimal Rindfleisch mit Rübenstampf, bitte sehr.“ ‚Zuwandererfrauen sollten nach dem dritten Kind sterilisiert werden.’ „Linsen mit Blutwurst und Äpfeln für Sie, bitte schön.“
Schön, dieses Abwechseln der braunen Parolen mit dem (lautstarken) Servieren der Speisen. Man spürt richtig die Wut, mit der die Teller auf dem Tisch landen.

Ja, hat mir gefallen, deine Geschichte, José. So ein Trüffelomelette wäre jetzt nicht schlecht. Und französischer Rotwein. :wein: Gute Idee!
Ich bin dann mal weg, mal sehen, wo ich dieses Bistro finde …

Liebe Grüße von Raindog

 

Hola @Proof!

Meinst du sowas wie "Jeder hat seine eigene Wahrheit und also gibt es keine, weil es eben die eine nicht gibt"?
Exakt.
Hab schon die Ärmel hochgekrempelt, weil ich mich jetzt mit Dir auf höchstmöglichem Niveau:rolleyes: kampeln will, doch wie ich fast fertig bin mit dem Formulieren meiner Argumente, lese ich:

Mister Proof schrieb:
... ich finde, es wird einfach nur der Tatsache gerecht, wie kompliziert die Dinge sind.

Wollte gerade bei Sloterdijk nachschlagen, aber jetzt kremple ich die Ärmel wieder runter. Ein Mensch, der das erkennt, ist tatsächlich im Besitz der Wahrheit.

Ich finde die Geschichte nicht schlecht, im Gegenteil. Dieses Ende ist halt nur so ein Punkt, der mich echt schwer ins Grübeln bringt.

Ich sehe das weniger kompliziert; hab ja schon in den Antworten auf andere Komms geschrieben, dass ich ‚eigentlich’ den Prota als zweifelnden Mitläufer ins Finale schicken wollte. Um wirtschaftlich zu überleben, hätte er sich mit der Partei arrangiert. Vielleicht hätte er sich an diesen Spuk gewöhnt – oder wäre iwann später ausgestiegen – oder hätte seinen Laden abgeschlossen und sich einen schönen Schreibtisch neben Arnulf ergattert. Menschliches Verhalten kann so vorhersehbar oder unbegreiflich sein, dass nichts mehr überraschen sollte. Mein Prota hat sich mMn völlig ‚normal’ verhalten, weil ihn die Umstände gesteuert haben.

Übrigens könntest Du Dein Hobby ...

Der Horror-Meister geht jetzt wieder abgeschnittene Köpfe nach Verwesungsgrad sortieren.
... effizienter betreiben – mach’s doch wie die Supermarktler: First in, first out.

Beste Grüße, Mister Proof!
José

 
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Hola @josefelipe,

ich glaube, ich war etwas streng mit deinem Text. Keine Ahnung vielleicht weiß ich einfach gerade selbst nicht so richtig, wie und wo ich mein Ei lege :rolleyes:. Die Sache mit dem Stil habe ich nochmal überdacht. Ich habe das schon überkritisch beurteilt. Auf diese gewisse Art, die etwas an einem Text angreift, das einfach zu ihm gehört. Hat etwas von einem Totschlagargument, gebe ich zu. Habe diese Karte schon ein paar Mal ausgespielt und mir am Ende meistens gedacht, warum eigentlich? Naja, wollen wir wenigstens mal auf deine Replik eingehen ...

Hoppala, aber wenn es auf Dich so wirkt ... Ich weiß gar nicht – geht das denn überhaupt, dass der Stil ...?

Ist eine interessante Frage: Kann der Stil einem etwas »Falsches« vorgeben, wie ein Künstler, der sich mit Selbstzuschreibungen in irgendeiner Kunstnische verortet wissen will? Klassisches Ja-und-Nein. Ja, weil wir das doch irgendwie immer tun. Und nein, weil es da, denke ich zumindest, keine Vorsätzlichkeit oder soetwas gibt. Außerdem ist künstlerische Nischenbildung auch nur ein schwaches Pejorativ von Vielfalt. :bla:

Bisher hab ich diesen Text in der Nähe der Alltagssprache vermutet, und auch gewollt.

Es ist schon eine gehobene Sprache, die sich ihrer Rafinessen bewusst ist. Wo aber ist sonst der Ort für so eine Sprache, wenn nicht hier?

Das strebe ich auch heute noch an, nur das. Deshalb kann ich Dich beruhigen: Ich habe keine Ambitionen, ins Literarische aufzusteigen – dazu fehlte mir schon mal die geistige Grundausstattung.

Vielleicht sehe ich das nur falsch, aber für mich steckst du schon mit beiden Beinen drin :lol:
Und das sollte auch eigentlich immer ein Kompliment sein ...

Siehe: Es ist eine Schande. Es ist ein Kreuz etc. Trotzdem hast Du recht.
Ist ersatzlos gestrichen.

Stimmt. Schade, dachte schon, ich könnte es ganz einfach pauschal ablehnen.

Du erwartest keine Antwort auf diese Frage?

Die Frage war wirklich ernst gemeint. Aber im Grunde ist das auch eine zulässige Offenheit. Etwas, das sich der geneigte Leser schon selbst beantworten kann.

Also Carlo, nun lass mal die Kirche im Dorf! Warum nicht mal pointiert? Mein Text soll unterhalten.

jaja, die Kirche ist wieder im Dorf. Schreib pointiert, das ist gut!

[...] und viele Zahlen. Mein Ruhetag wird zum Unruhetag. Ich will etwas von diesem Tag haben [...]

habe gerade überlegt, ob man es dafür noch etwas knackiger hinbekommt.

[...] und viele Zahlen. Mein Ruhetag ist ein Unruhetag. Ich will etwas davon haben [...]

... take it or leave it, just as you want ...

Wäre er Dir rauer und etwas unästhetischer lieber? Es ist eh ein Kreuz mit den Geschmäckern.

Nein zum Fettmarkierten. Ja zum Kursiven.

Bis dann :gelb:

 
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Hola @Raindog,

danke bestens für Deinen Kommentar; legst wie immer den Finger auf die Stellen, wo’s weh tut.
Aber Du hast die richtige Einstellung:

... einen Abend in deinem französischen Restaurant lasse ich mir dann doch nicht entgehen.
Manchmal muss man auch an sich denken, nur an sich.

Man merkt total, dass es dein Metier ist, von dem du erzählst, wobei ich jetzt natürlich nicht die braune Soße meine, ...
Nee, die lassen wir außen vor. Die macht nämlich böses Sodbrennen:xxlmad:.

Das Einzige, was ich diesbezüglich zu meckern hätte, wäre, dass mir das Ganze zu schnell geht. Also: Er ringt sich durch, dort einzutreten, dann kommt ein einziger Abend, an dem sie ihre Parolen brüllen, und dann sagt er schon: Ach nee, doch nicht. Ich meine, das ist natürlich schön, aber glaubhafter würde ich finden, wenn du das etwas anders verteilst, also eventuell mehrere solche Abende kurz beschreibst und zeigst, wie seine Zweifel langsam wachsen. Falls du dazu noch Lust hättest ...

Ach, Lust tät ich schon haben wollen, und hast ja auch recht – das geht in einem Schweinsgalopp über die Bühne. Hehe, grübel und studier, der Verweis auf ‚Kurzgeschichte’ zieht auch nicht; bleibt der Verweis auf meine Faulheit? Dieser finale Akt sollte wirklich etwas Zeit zum Reifen haben. Ich guck mal.

Noch besser fände ich es ja, wenn die Judith-Szenen sich bis zum Schluss abwechselnd durch den Text ziehen würden, also vielleicht zwei Szenen Gegenwart, eine Szene Judith, zwei Gegenwart …

Die Geschichte ließe sich anders lesen, aber ob sie dadurch besser würde? Meine Bedenken gelten der damit verbundenen Unruhe – es wird viel gesprungen, und es unterbricht vielleicht den roten Faden, die Entwicklung.
Sei mir nicht bös, aber die Zeit mit Judith soll mMn abgeschlossen sein. Er denkt noch an sie,
aber die Stafette hat jetzt Renus. Nicht Dein Lieblingsname?
Was ist denn das für ein Name? Gibt es den wirklich oder hast du den erfunden? Für eine Frau?
Als ich den zum ersten Mal hörte, hab ich auch gestutzt. Klingt männlich, wie Brutus. Ist aber die Verballhornung von Renate. Die waren alle Junglateiner (... und Deutsch konnten die auch nicht).

Hier, finde ich, lässt du es etwas zuviel tagen: ...

Absolut. Hab’s dutzende Male gelesen, ist mir trotzdem nicht aufgefallen. Ich hab’s bisschen ausgedünnt. Besten Dank. Obwohl, nicht ganz einfach:
Ich will etwas von diesem Tag haben, ...
Es geht nur um diesen einen Tag. Bisschen Freizeit / Zeit hat man an jedem Tag – egal, wie knapp bemessen. Aber wenn der (heilige) Ruhetag zerbröselt, weil die Arbeitsteilung nicht mehr stattfindet ... Ich erinnere mich noch gut, wie ein ruinierter Ruhetag zu solchen Fragen führte: Muss ich nur noch malochen? (Off topic: Das war, bevor ich meine Superfrau kennenlernte.)

José schrieb:
Ich mag sie, sie ist immer gut drauf, umsichtig, adrett
Raindog schrieb:
Nee, oder? Adrett?
Hast schon recht, das stammt aus ehrpusseligen Zeiten. Google hat über hundert Synonyme parat – nichts passt. Proper? Weiß nich. Ich dachte, dass Helges Gäste sie so einstufen würden.

In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches, in Millhausen ein Sri Lankisches Restaurant, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan.
Besser fände ich, nach „eritreïsches“ schon Restaurant zu schreiben, das liest sich besser.
Hätten wir dann nicht die Wiederholung wie bei ‚Tag’?

So ein Trüffelomelette wäre jetzt nicht schlecht.
Wir warten noch paar Tage, dann können wir’s im Garten essen – ich lad Dich ein!
Ich besorge die Eier und Du die Trüffeln.

Freu mich schon! Und schöne Grüße!
José

Hola @Carlo Zwei,

Dich muss man wirklich gerne haben - auch Deine Großzügigkeit:

... take it or leave it, just as you want ...
Bin noch bisschen unsicher, aber ich denke, ich entscheide mich fürs Erste. Aber warte, warte - vielleicht doch lieber fürs Zweite?

Dein Sparringspartner José

 

¡Hola @josefelipe

jetzt hab ich endlich mal Zeit für Deine neueste Story. Hab das schon vor ner Weile gelesen und dann hatte sich die Kommentarliste auch schnell gefüllt.
Du hast ein Thema gewählt, an dem man als Mensch mit offenen Augen derzeit kaum vorbei kommt. Vieles wird gesagt – oder besser: geredet.
Die einen schwören darauf, das Böse vom Guten zu überzeugen. die anderen wollen es mit den eigenen Mitteln schlagen. Viel Spott füllt das Internet, aber vor allem viel Hass. Inzwischen riecht das, sich selbst als das Gute präsentierende, als hätte es sich infiziert.
Du versuchst, einen Mittelweg zu finden.

Beginnen wir mit dem Lob. Das hast Du absolut verdient, denn Du hast einen eigenen Sound. Bei fast jeder Deiner Geschichten gleite ich in das geschaffene Universum, egal worum es geht. Du schreibst so, dass ich mich dort immer ein bisschen zuhause fühle. Auch in dieser Geschichte spüre ich den Geschmack nach Gerichten, deren wichtigste Zutat Begeisterung und Liebe zur Arbeit ist. Du kommst aus der Restaurant-Szene? Ja, das macht man mit Leidenschaft, oder man verkauft CurryWurst. Ich habe früher gerne an der Bar gearbeitet – wir sind schon ein spezielles Völkchen, stimmts?
Ich mag Deinen Stil sehr, obwohl er komplett anders ist, als meine bescheidenen Versuche. Bei der Geschichte, die ich letztens kommentierte (die im Wettbewerb, sorry: Titel vergessen) Edit: "Krachen lassen" hat mich das Lockere, Luftige, die Gelassenheit perfekt in die Stimmung für den Helden versetzt.
Hier aber, und das ist mein ganz persönliches Gefühl, wirkt mir der Stil zu harmlos. Da fehlt mir der Biss, die Wut, die Ohnmacht ... das Drama. Das beginnt bei der auslösenden Situation, der Existenzangst. Ich kann sie nicht spüren. Absolut nicht. Du weißt sicher, was einem Gastwirt blüht, der in die Pleite rutscht und niemanden hat, der ihn finanziell und emotional auffängt. Hartz IV, Jobs unter Mindestlohn, Erniedrigung vom Amt, Verachtung der Freunde und selbst wenn er mal etwas mehr verdient, zahlt er den Rest seines Lebens die Zinsen seiner Schulden ab. Dem geht der Arsch auf Grundeis und ich will das spüren.
Okay, dann erscheint die Lösung. Der Typ ist ein bisschen schräg, schleimig usw. aber was er nicht ist: gefährlich! Das ist eine lächerliche Figur.

Ist diese neue Partei meine Chance, vielleicht die einzige und letzte? Immer wieder kommt mir der Gedanke, dabei fehlt mir eine klare Vorstellung, auf welche Weise die mir nützen könnte.

Ich hab die Broschüre gelesen, zum großen Teil. Ja, es muss sich was ändern, auch in meiner Branche.

Der Gastwirt scheint eine saubere Einstellung zu besitzen, wie sich später zeigt. Er scheint auch nicht blöd zu sein. Und dann er weiß nicht, was hinter der Fassade der Saubermänner steckt? Man! Da muss er die letzten Jahre schon hinterm Mond auf Drogen verbracht haben.
Oder macht er sich etwas vor? Verdrängt er, dass er eigentlich weiß, dass es sich um Lumpen handelt? Dann fehlt mir ein kleiner Hinweis darauf.

„Also kriegen wir bald höfliche Lager?“ Ich lege meinen Mitgliedsausweis neben den Kassenbon. „Ohne mich.“

Er schaut mich überrascht an: „Kein Problem. Hoffentlich weißt du, was du tust.“ In der Tür bleibt er stehen: „Der vom ‚Deutschen Eck’ wird sich freuen.“

Nun ist er erwacht. Er erkennt, wem er da seine Seele verkauft hat, aber es genügt ja, das Rückgrat zu strecken, stolz dem Teufel in die Fratze zu blicken und der Konflikt ist erledigt.
Das geht mir zu leicht und zu schnell. Immerhin wartet noch die Insolvenz. Und so einfach lässt der Beelzebub seine Opfer auch nicht aus den Krallen. Da erwarte ich noch einen Schwanz von Problemen, die wenigstens angedeutet werden sollten. Dass der Dunkle Lord jetzt lieber zur Konkurrenz geht, ist mir zu wenig. Ich hätte mit mehr oder weniger subtilen Drohungen gerechnet. (Ganz schön viel Holz hier - das brennt leicht).

Also, trotz der kritischen Sicht auf die etwas weich geratene Dramaturgie war es ein Vergnügen die Geschichte zu lesen. Du hast einen wundervollen Erzählstil, der mich über die empfundenen Schwächen hinwegträgt. Im Grunde erwähne ich meine Bedenken nur, um ein Haar aus der schmackhaften Suppe zu fischen.

Schöne Grüße
Kellerkind

 

Lieber @josefelipe,

ich nochmal kurz mit Kleinkram, ich habe mich da wohl nicht ganz verständlich ausgedrückt:

In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches, in Millhausen ein Sri Lankisches Restaurant, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan.
Besser fände ich, nach „eritreïsches“ schon Restaurant zu schreiben, das liest sich besser.
Hätten wir dann nicht die Wiederholung wie bei ‚Tag’?
Nee, ich meinte eigentlich, nur einmal zu Anfang Restaurant schreiben, und bei den nachfolgenden Nationalitäten wäre der Bezug dann ja da.

Das war's schon. :)
Schönen Sonntagabend und viele Grüße von Raindog

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola @Kellerkind,

schönen Dank für Deinen Kommentar. Deine Gesamteinschätzung meines ‚literarischen Schaffens’ macht mich beinahe verlegen, muss ich gleich noch mal lesen:).
Freut mich sehr.
Doch zur vorliegenden Geschichte schreibst Du, sehr gut nachvollziehbar:

Hier aber, und das ist mein ganz persönliches Gefühl, wirkt mir der Stil zu harmlos. Da fehlt mir der Biss, die Wut, die Ohnmacht ... das Drama.
Da muss ich Dir recht geben, der Helge ist ein Softie. Allerdings muss ich ihn, als sein Ziehvater, auch verteidigen: Für Biss, Wut und Drama reicht mMn der gesteckte Rahmen nicht aus. Diese richtigen Klopper brauchen anderes Umfeld, besonders Person(en), die der Leser mächtig aufs Maul schlagen möchte, Subjekte und Taten, die den Leser empören (und den Autor). Wenn einem Farmer das Wasser abgegraben wird, einem Kind Böses geschieht – dann ist Zeit für Wut und Drama.

MMn hatte ich zu Recht den Ball flach gehalten, für mehr Emotion reichte die kleine Alltagsepisode nicht. Es braucht ja keine gewetzten Messer, wenn eine Kneipe schlecht läuft.

Kellerkind schrieb:
Ich mag Deinen Stil sehr, obwohl er komplett anders ist, als meine bescheidenen Versuche.
Jetzt mach Dich mal nicht so klein! ‚Zerbrechlich’ war zwar bisschen kurz, trotzdem ausreichend lang, denn alles wurde gesagt, weil es geschickt arrangiert war. Wirklich prima – davon könntest Du wieder mal einen Happen servieren.

Kellerkind schrieb:
Du versuchst, einen Mittelweg zu finden.
Gut möglich, dass es so scheint. Ge- oder versucht hab ich eigentlich gar nichts; die Geschichte sollte sich beim Schreiben entwickeln – und mein vages Ziel, den Prota als Mitläufer über die Ziellinie laufen zu lassen, hab ich deshalb nicht erreicht. Was nicht schlimm ist, wäre vielleicht bisschen langweilig gewesen. Aber ihn durch die große Geste als einen Guten auszuzeichnen, ist ja auch nicht so dolle. Nur: Was hätte sich sonst noch angeboten, um das Bistro-Schiff wieder flott zu kriegen? Doch vielleicht gelingt ihm das mit der neuen Partnerin.

Kellerkind schrieb:
Der Gastwirt scheint eine saubere Einstellung zu besitzen, wie sich später zeigt. Er scheint auch nicht blöd zu sein. Und dann er weiß nicht, was hinter der Fassade der Saubermänner steckt? Man! Da muss er die letzten Jahre schon hinterm Mond auf Drogen verbracht haben.
Zur Ehrenrettung:
José schrieb:
Ich verwerfe die aufkommende Idee, ihn vor die Tür zu setzen. Sein Geld ist so gut wie das anderer Leute.

Kellerkind schrieb:
Oder ... ... Verdrängt er, dass er eigentlich weiß, dass es sich um Lumpen handelt?
Ihm geht’s ja mehr ums Geld der Lumpen. Wenn ich beim Schwimmen einen Krampf kriege, lass ich mich auch von einem Braunen rausziehen:D. Wenn kein anderer in der Nähe ist, oder?

Jedenfalls hast Du trotz fehlenden Dramas Deinen Frieden mit dem Text gemacht, und das ist bei einem gefürchteten Kritiker doch ganz tröstlich für mich.

Lass es Dir wohl ergehen, bis fürderhin! Und vor allem: Raus aus dem Keller - an die frische Luft!!
José

Hola @Raindog,
ich hab mich bisschen blöd angestellt. Hatte schon verstanden, wie Du das meintest:

In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches, in Millhausen ein Sri Lankisches Restaurant, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan.
Raindog schrieb:
Besser fände ich, nach „eritreïsches“ schon Restaurant zu schreiben, das liest sich besser.

Hab manches Mal ne Schranke im Kopp: "In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches Restaurant, in Millhausen ein Sri Lankisches, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan."
Das Fette sieht scheiße aus, also geht’s nicht. Der nächste Kreativpreis geht an mich. Doch jetzt scheint’s nach Deiner Intervention doch zu gehen:
In Groß-Heerschen gibt’s jetzt ein eritreïsches Restaurant, in Millhausen ein georgisches, und ein libanesisches von diesem Falafel-Clan.

Tut mir leid, dass Du noch mal nachlegen musstest. Ist einfach schlimm mit dieser Altersmuffeligkeit. Übrigens: Ich war froh, dass Du Dich nicht zu früh mit meinem Text beschäftigt hattest – so war Zeit, einige Schnitzer auszubügeln, besonders eine doofe, beinahe zotige Passage, die ich durch einen Wink von @Chai (danke nochmals!) ganz schnell gelöscht hatte. Ende gut – alles gut.

Liebe Raindog, ich wünsch Dir einen schönen Frühling!
José

 

Der Mann mit Hut hat etwas. Das ist ein ausgefallener Typ, der in Erinnerung bleibt. Hut, Bart, Stilepoche – schade, dass er nichts sagt.

 

Hola - aber nein, ich spare mir - so wie Du das handhabst - die Anrede, und wohl auch die Verabschiedung. Ansonsten kannst Du ja mal schauen, wie wir das im Forum machen (obwohl Du länger Mitglied bist als ich:D).
Dass mein Mann nichts sagt, stimmt nicht - schließlich mault er beim Unterschreiben:
„Hab schon lange die Schnauze voll“.
Doch der große Entertainer ist er tatsächlich nicht. Du übrigens auch nicht, wenn ich Deine Antworten auf eingegangene Kommentare anschaue.

 

Hallo josefelipe,

ich habe noch einmal über den Mann mit Hut nachgedacht. Er ist als ein neuer Stammgast dazu gekommen, während viele ältere Gäste das Lokal nach und nach verschmäht haben.
Er könnte erzählen, warum er so gern Französisch essen geht. Aus seinen Worten geht der wandelnde Zeitgeist hervor. Man könnte ihn also als eine Art Zeitzeuge verwenden, im Sinne von le temps perdu. Dann geht die Tür auf ...
Was hältst du von dieser Idee?

Liebe Grüße von
`ner flotten Biene.

 

Die Geschichte war super, bestimmt einer der besten, die ich hier und anderswo gelesen habe! So unterscheiden sich auch die Geschmäcker: Ich empfand unseren Protagonisten in seiner "Harmlosigkeit" durchaus passend. Dass er eben Zweifel hat, niedergeschlagen wird, und sein Herz hinsichtlich des ja durchaus existenziellen Dramas nicht auf der Zunge trägt, sondern seine Situation lakonisch beschreibt, fand ich passend. Gerade auch mit dem Ende ist das wirkungsvoll, denn, wer weiß, vielleicht kommt er ja doch noch auf seine "Gäste" zurück?
Auch diese fand ich, wenn auch überspitzt dargestellt, in ihrem Zimmerauftritt in der Radikalität durchaus als angemessen. Manipulativ sind sie ja außerhalb des sicheren Raums. In diesem aber zeigen sie ihr wahres Gesicht.

Verbesserungswürdig erscheint mir lediglich der Umgang mit einigen der Nebenfiguren. Renus, wo verbleibt die? Ist die wirklich einfach nur die Frau mit Kind? Und auch die Rolle des Mann mit Huts hat mich eher verwirrt.

 

Hola @Dohlenmann,

will mich für Deinen Kommentar bedanken. Neben lobenden Worten, die immer eine balsamartige Wirkung auf mein Innenleben haben, gefiel Dir die Rolle von Renus und dem ‚Hut’ nicht so richtig.

Na ja, in der Tat wirbeln die nicht durch die Kurz-Geschichte – aus zweierlei Gründen: Der Text sollte gerafft sein, habe vieles gekürzt, (so, wie ich das im Forum gelernt habe, und wie es mir mittlerweile auch einleuchtet:Pfeif:), und weil die beiden nur Statisten sein sollen bei den Befindlichkeiten des Protas.

Die apolitische Kellnerin stellvertretend für einige Millionen zwar wahlberechtigter, aber desinteressierter Bürger, und der ‚Hut’ für diejenigen, die in ihrer Unzufriedenheit vor sich hinschmollen (oder an Stammtischen das große Wort führen) und bei Pegida-Aufmärschen billigend zuschauen. Bei denen aber ein kleiner Schubs genügt, und sie marschieren mit.

Unser unzufriedener Prota wurde ja auch geschubst, bekam aber noch rechtzeitig die Kurve.

Schauen wir mal, wohin unser Schifflein segelt. Die See kann launisch sein.

Schöne Grüße!
José

Hola flotte Biene @Sabine Kaufmann,

... ich habe noch einmal über den Mann mit Hut nachgedacht. Er ist als ein neuer Stammgast dazu gekommen, während viele ältere Gäste das Lokal nach und nach verschmäht haben.
Er könnte erzählen, warum er so gern Französisch essen geht.

In meiner Absicht lag, dass er Thekengast ist – diejenigen, die zum Essen kommen, nehmen am Tisch Platz. Aber wenn Du das so aufgefasst hast, ist’s auch okay. So konntest Du ja auch
le temps perdu’ unterbringen:D.

Was hältst du von dieser Idee?

Nicht allzu viel. Der Text ist abgeschlossen und wir wissen beide, wie viel Fummelei es braucht, um eine Textänderung so nahtlos hinzukriegen, dass Rhythmus und Lesefluss bewahrt bleiben.

Un bouquet de fleurs de printemps:D!
José

 

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